Marlboro von Kizu8 ================================================================================ Kapitel 3: Drei Schüsse nach Mitternacht ---------------------------------------- Zeichenerklärung: " bla bla " - Kai oder Tala sagen etwas über Funk >> bla bla << - es geht etwas über Funk ein d.h. man hört es über funk Drei Schüsse nach Mitternacht Und dann, irgendwann zwischen dieser Szene auf dem Parkplatz, dem darauffolgenden Geschlechtsakt in Talas Wohnung und kurz vor Elf Uhr abends, war dieser eine Anruf gekommen. Ihm klang es jetzt noch in den Ohren, wie Kai genervt gebrummt hatte, als das schrille Klingeln des Telefons sie unterbrochen hatte. Ja, er war damals der gleichen Meinung gewesen. Welcher Idiot rief noch zu solch später Stunde an?! Erst wollte er es klingeln lassen. Doch man konnte seinem Freund nur schwerlich einen guten Blowjob verpassen, wenn das Telefon einfach nicht aufhören wollte zu läuten. Wütend hatte er von Kai abgelassen und sich dem Apparat zugewendet. Er nahm ab. „Iwanov“, presste er zornig zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Sehr schön, gleich an Ort und Stelle. Shukov hier. Iwanov mein Bester, ziehen sie sich was warmes an und kommen sie her. Wir gehen Banditen jagen.“ „Sagen Sie, wissen Sie wie spät es ist?“ „Ihre Kollegen stellen nie solche Fragen, Iwanov. Wussten Sie das?“ Ein Seufzer war zu vernehmen. „Hören Sie. Es ist mir egal, wie spät es auf ihrer Uhr ist. Für mich ist es halb Elf und wie haben einen Auftrag, der keinen Aufschub duldet. Also, seien Sie mal so nett und tun einfach das, was man ihnen aufträgt. Verstanden? .“ Eine kurze Pause entstand. „Ach und Iwanov, sagen Sie – wissen sie, wo sich ihr Kollege Hiwatari aufhält?“ „Ja, weiß ich. Der ist hier.“ Im gleichen Moment hätte er sich schlagen können. Er dachte nicht darüber nach, was er von sich gab. Beinahe hätte er sich verplappert. „Ah .. was machen sie den noch so spät zusammen, wenn man fragen darf?“ „.. was normale russische Männer an einem späten Abend so machen – Wodka trinken“ sagte er fest, als wäre es das simpelste auf der Welt. „Verstehe.. nun denn. Bringen sie ihn mit und beeilen Sie sich bitte. In einer halben Stunde geht’s los. Ach und .. vergessen sie ihre Westen nicht.“ Und so hatten sie sich widerwillig aufgemacht - halb berauscht von sich selbst, die Augen glasig verschwommen, den Geruch von Lust noch in der Nase. Kai hatte sich erstaunlich schnell damit abgefunden und einfach nichts mehr dazu gesagt. Manchmal war Tala nah dran, seine Geduld mit ihm zu verlieren. Gerade in solchen Momenten bemerkt er aber auch, wie überlegen dieser Eisblock ihm manchmal war. Kai war der Erste, der in ihm wirklich Respekt aufkeimen lies. Kai war anders, er war stolz. So stolz und dabei wunderschön, wie es ein Russe nur sein konnte. Er war das Ideal. Die Beleuchtung an der Wand des Tunnels zog fließend an ihnen vorbei. Nur noch wenige Menschen waren auf den Straßen – die meisten saßen wohl zur Zeit in einer der vielen billigen Bars und betäubten mit Wodka ihre Seele. Gedankenverloren starrte Kai aus dem Fenster. Seine Hand lag auf seinem Bauch, fühlte die harte kugelsichere Weste unter seiner Jacke. Etwas, was sie eigentlich im Ernstfall schützen sollte. Er lächelte freudlos. Wie viele waren schon gestorben, da diese Dinger schon lange nicht mehr das versprachen, als was man sie verkaufte. Schäbig waren sie, diese ‚Westen’. Durchlöchert von oben bis unten. Es wäre so leicht. Einer der Jugendlichen müsste nur ordentlich zielen und schon würde es wieder einen weniger geben. Es war so einfach. Nur ein Schuss und alles wäre Geschichte. Nur ein Schuss.. Schweigend waren beide ausgestiegen. Die Türen flogen schallend zu. Tala schaute auf und sah sofort, dass oben im Einsatzbüro Licht brannte. Anscheinend waren alle schon da. Wind kam auf, woraufhin er die Jacke fester um seinen Körper zog. Sobald die Sonne verschwunden war, konnte es schnell kühl werden. Er fühlte sich merkwürdig schwerelos. Irgendetwas war komisch. Er hatte das Gefühl, als wäre sein Magen hohl und sein Gehör taub. Für einen Moment verharrte er und versuchte, beides bewusst zu spüren. Doch sofort war das Gefühl verflogen. Nur der Wind strich sachte um seinen Körper, stupste ihn neckisch voran, als würde er ihn nur in die richtige Richtung bewegen wollen. „Tala, kommst du oder hast du heute keinen Bock?“ fragte Kai monoton. Der Rothaarige blickte auf und sah seinen Freund etwas weiter vorne stehen. Er hatte die Hände in den Hosentaschen, die offene Jacke schwang sanft im Wind. „Schon gut.“ Er setzte sich in Bewegung. ~ .. höret hin, wenn der Wind ein Lied euch singt, höret hin, was er euch bringt .. ~ Etwa eine Viertelstunde standen sie nun in dem kleinen Meeting-Raum und ließen ihre Köpfe qualmen. Man rollte den Lageplan aus, erklärte einige Details und erläuterte die genauen Vorgehensweisen. Alle Männer standen schon teilweise ausgerüstet vor dem Aktionsleiter und hörten ihm zu. Sie waren mit all ihr Konzentration bei dem heutigen Fall. Noch immer lag diese abgestandene Luft über ihnen. Im Raum war es viel wärmer als draußen. Die Masse der Körper gab soviel Energie ab, dass man das Gefühl hatte, erdrückt zu werden. Kai hörte dem ganzen Zeug eh nichts zu. Er stand am Rand der Gruppe und schaute öfters aus dem Fenster, um nicht völlig den Anschluss zu verlieren und im Stehen einzuschlafen. Er war so verdammt müde und abgespannt. Manchmal überkam ihn dieser starke Wunsch, einfach mal kurzzeitig aus dem Leben zu treten. Die Vorstellung, dass das Leben nur ein gewöhnliches Zimmer mit einem Lichtschalter war, gefiel ihm sehr. Wenn man geboren wurde, machte man das Licht an, wenn man starb, löschte man es und verlies den Raum. Es wäre doch wunderschön, einfach für einen Moment das Licht auszuschalten und einfach allem zu entkommen. Einfach nicht zu existieren. Nichts fühlen, nichts sehen, nichts hören. Es wäre wohl die schönste Vorstellung einer Utopie. Für einen Augenblick wandte sich Tala von dem Lageplan und blickte zu Kai, welcher sich von der Besprechung immer weiter zurückgezogen hatte. Der sonst so begierige Blick stimmte sich traurig, als er ihn da stehen sah. Die Augenringe auf dem sonst so makellosen Gesicht. Die ganze ausgelaugte Erscheinung. Es zerstörte völlig das Gleichgewicht. Aber auf grausame Art zeigte es nur, wie es in diesem jungen Mann aussah. Tala wandte den Blick von Kai ab, senkte den Kopf etwas zu Boden. Er musste ihn von den Drogen runterbringen. Sonst würde er seinen Freund irgendwann einmal erkaltet im Bett neben sich vorfinden. ~ .. wie leicht doch Worte sind, nicht wahr ? .. einzeln haben sie kein Gewicht, doch wie schwer kann die Last sein, wenn aus den Worten Tatsachen werden .. ~ Kurz vor Mitternacht waren sie alle auf ihrem abgesprochenen Posten. Einige Männer hatten sich auf die alten Fabrikdächer begeben, andere waren hinter Pfeilern wie auch Treppengeländern versteckt. Ihre Waffen entsichert und schussbereit, warteten sie im Dunklen der Nacht auf ihre Opfer. Wie Hyänen lauerten sie auf das Frischfleisch, der Geruch von Blut lag fast schon in der Luft. Der eine letzte Satz klang den Männern noch in den Ohren : „ Das wichtigste sind die gestohlenen Akten, welche die Organisation bei ihrem letzten Mord mitgehen ließen. Drogen wie auch Waffen sind zweitrangig einzustufen. Also - .. bringen Sie mir die Akten, auch wenn Blut dranklebt.“ Es vergingen wohl einige Minuten bis sich in der Ferne mehrere Wagen auf der Zufahrtsstraße abzeichneten. Angeführt wurde die Eskorte von einem VW-Autobus älteren Jahrgangs, der aber durch seine abgedunkelten Glasscheiben sehr auffiel. Gefolgt wurde er von einigen anderen Skodas oder Volvos. Die Karoserien parkten hinter der Fabrik, gut verdeckt von dem alten Gebäude. Dunkle Gestalten stiegen alsbald aus und liefen mit Aktenkoffern auf das Gebäude zu. Einige blieben aber einfach an dem Wagen gelehnt stehen und überblickten das Areal. Wächter. Sie würden die ersten Opfer sein. Die Einsatztruppe wartete geduldig, bis die Menschentraube in der alten Baracke verschwunden war und nur die wachehaltenden Gestalten zurück blieben. Kai und Tala vernahmen die leise Stimme ihres Leiters aus dem Funk. Beide hockten hinter einem Pfeiler und visierten die Zielpersonen an. >> Sie wissen: zuerst die Wächter, dann alles andere. Wie besprochen. Ein Schuss maximal. Und setzten sie die Dämpfer auf. Schnell und präzise – denken Sie daran, dass sie alle Funkgeräte besitzen. Sie dürfen keinen Kontakt mehr zu drinnen aufnehmen können. Also dann .. Zugriff.<< Blitzschnell hatten beide Russen ihre Waffen gezogen und abgedrückt. Sie hatten nur wenige Meter hinter ihren Opfern gestanden, sodass es keine Umstände machte. Die Körper fielen leblos zu Boden. Nur das Blut sickerte langsam aus den kleinen Einschlusslöchern im Kopf. Lautlos huschten sie aus ihrem Versteck und schlugen sich nach vorne durch, bis sie die Fabrikwand erreichten und hinter aufgestapelten Paletten zum Stehen kamen. Kai zog seine Waffe und schoss augenblicklich, als in der Nähe einer der „Feinde“ erschienen war. „Wie sieht’s aus, Boss – noch jemand in Reichweite?“ flüstere Tala über den Funk. Das gewöhnliche Rauschen erklang. >> Soweit alles frei. Phase 2 beginnt. Sie wissen Bescheid..<< „Nun denn .. auf geht’s“, ertönte es nüchtern von Tala. Er nickte Kai zu, dieser erwiderte und somit bewegten sie sich weiter vor. In einiger Entfernung erspähten sie ihre Kollegen. „ P3, alles frei?“ fragte Kai monoton über den Funk in seinem Ohr. >>Alles klar. Wir gehen rein<< „P1?“ >> Alles klar.<< „P4, können wir?“ >> Mit vergnügen Kai.<< „Gut, Zugriff“ Sie stürmten das Gebäude. Tala lief vorneweg und sicherte damit immer als erster die Gänge. Dagegen behielt Kai den zurückgelegten Weg im Auge. Es war legitim, dass verborgene Wächter erst dann zugriffen, wenn man vorbeigegangen war. Des weiteren hielt er Funkkontakt mit den anderen Gruppen. Nur somit konnte er sich visuell einen genauen Plan vom Gebäude vorstellen und sich vergewissern, dass die Gänge frei waren. Tala feuerte ein paar Mal. Kai sah nur noch die Leichen. So schlugen sie sich ihren Weg durch die alte Fabrik zum Zentrum vor. Der Fertigungshalle. Irgendwann waren sie auf ihre anderen Kollegen gestoßen und kurz darauf konnten sie die Versammlung der Organisation „Scorpio“ miterleben. Eine Gruppe von Männern stand dicht gescharrt um einen Tisch. Wahrscheinlich tauschten sie Drogen aus; ganz konnte man es nicht erkennen. Andächtig erklang das vertraute Rauschen im Funk. >> Zugriff erst, wenn die Akten zu sehen sind. Ich wiederhole: Zugriff nur bei Aktensicht!<< Der Rothaarige mahlte mich den Zähnen, was die Wangenmuskulatur immer wieder an- und entspannte. Heute verspürte er nicht die geringste Lust, ein geduldiger Jäger zu sein. Man hatte ihn gestört, als er sich mit seinem Wild begnügt hatte. Und nun wollte er diese verdammten Rebellen dafür büßen lassen. Seine Finger hielten schon krampfhaft den Abzug gespannt. Er wollte es hier und jetzt zu Ende bringen. Und plötzlich war alles so schnell gekommen. >> Aktensicht erfolgt. Zugriff. Zugriff!!!<< Dieser gellender Befehl aus dem Funk hatte ihn aus jeglichen Tiefen herausgeholt. Das Feuer der Revolver brandete auf, bevor er überhaupt verstand was los war. Für ein paar Sekunden nahm nur der Lärm der Schüsse den Raum ein. Männer gingen zu Boden, Blut wurde vergossen und hektisches Hin und Her Werfen, zwischen Deckung und Angriff war zu sehen. Die Gestalten, welche noch vor wenigen Minuten seelenruhig um den Tisch gestanden hatten, kratzen nun in höchster Alarmbereitschaft ihre Akten, wie auch Drogen zusammen. Währendessen schossen sie mehr blindlings in die Richtung, aus der die gegnerischen Kugeln kamen. Wie Peitschenhiebe donnerten ihnen die Schüsse um die Ohren, prallten am Stein der Pfeiler ab oder durchschlugen klirrend die wenigen noch intakten Fensterscheiben. Grausam gelassen und ruhig, streckte Kai einen nach dem anderen nieder. Nebenbei stahl er sich immer weiter vor. Er musste an die Akten. „Tala, gib mir mal Deckung!“ schrie er in die Richtung seines Kollegen. Dieser nickte nur. Kai sprintete los und verschanzte sich hinter einen alten Fabrikmaschine. Atemlos füllte er das Kugellager wieder auf, lies es einrasten und schoss erneut. „P2, bitte kommen!“ >> Ja, hier P2<< „Wo bist du?“ >> Ostseite, ich sehe die Akten, etwa 4 m vor mir << „Gut, dann hol sie dir. Ich geb dir Deckung.“ >> Alles klar.<< In dem Moment erschien Tala neben ihm. „ Gut, dass du da bist. Gib Alex Deckung.“ Er tat wie ihm geheißen. „Wir haben ein Problem, P1 geht nicht dran..“, sagte er monoton. Kai starrte ihn wortlos an; er erschien nicht sehr entsetzt. Aber man konnte sehen, wie sich die kleinen Rädchen in seinem Kopf drehten. Er wog ihre Überlebenschancen ab. Zu der Zeit war Kai wie auch Tala klar, dass sie ein Problem hatten. P1, die Einheit auf dem Dach, war vermutlich tot. Und von daher konnte man auch annehmen, dass der Leiter der Aktion ebenfalls nicht mehr unter ihnen weilen würde. Sie waren ab sofort kopflos. Und sie hatten einen neuen Feind bekommen. Einen Unbekannten. >> P5, haben die Akten. Ich wiederhole, Akten eingenommen.<< „Gut. An alle Einheiten, Rückzug, zu den Wagen. Rückzug“ Beide rannten die Gänge wieder zurück, den Revolver fest umklammert. Die dumpfe Luft schien sie zu erdrücken. Ergebnislos hatte Tala erneut versucht den Leiter oder P1 zu kontaktieren. Er hoffte inständig, dass wenigstens den anderen nichts passiert war. Die Gänge schienen endlos, die Korridore wie verzerrte Labyrinthe. Die kühle Koordinierung war völlig aus den Fugen geraten, was man in diesem Moment heftigst zu spüren bekam. Erst nach einer vermeintlichen Ewigkeit durchbrachen sie die Flügeltüren der Fabrik, die ächzend nachgaben. Zuerst fiel ihnen die steile Flammen- und Rauchsäule auf, die in einiger Entfernung gen Himmel stieg. Der Geruch von Ruß und verbranntem Material stieg ihnen in die Nase. Sie mussten nicht lange überlegen, was da brannte. Für Trauer war jetzt keine Zeit. Hinter ihnen trafen endlich die Kollegen ein. Kai wies sie an, mit ihren Wagen abzuhauen. Sie würden sich dann in der Basis treffen. Schon rannten die 4 Männer über den Parkplatz, als der Erste nieder ging. Schüsse prasselten über den Asphalt, wie schwerer Regen. „Mischa in Deckung!!! Weg da!!!!“, brüllte Tala aus Leibeskräften. Doch leider zu spät. Vielleicht war es eine Sache von Minuten gewesen, aber er war sich sicher, dass es doch nur wenige Sekunden in seinem Leben beansprucht hatte. Sekunden in denen sich viel abgespielt hatte. Vieles was er nie sehen wollte, was es sich geschworen hatte, zu verhindern. Und doch war es anders gekommen. Von all den Schüssen in dieser Nacht hatten nur 3 etwas verändert. Nur 3 .. Er hatte nur zusehen können, wie die Kugeln Kais Körper durchschlugen und er daraufhin in einer grausam langsamen Bewegung zu Boden glitt. Sie hatten viel verändert, sie hatten ihn verändert. Diese 3 Schüsse nach Mitternacht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)