Vankylan von watersoul ================================================================================ Chapter Three ------------- Chapter Three Wenn dich Träume nicht loslassen und dich sogar noch im Wachzustand verfolgen, solltest du dir Gedanken machen. War es wirklich nur ein Traum? Oder eine Vision … vielleicht auch eine Erinnerung. In diesem Falle traf letzteres zu. Natürlich konnte Robin sich an jenen Tag vor acht Jahren erinnern. Wie könnte sie ihn je vergessen? Noch heute sah sie die Leiche ihres Vaters vor sich, die sie mit leerem Blick anstarrte. Nur beim Gedanken daran fröstelte sie. Starrende Leichen hasste sie zutiefst. Und wusste noch nicht mal, warum … aber irgendwie war da immer so ein Gefühl von Horror, so als würde dieses tote Stück Fleisch gleich wieder zum Leben erwachen und sich auf sie stürzen. Natürlich wusste Robin, dass es Schwachsinn war – aber wie sollte man Reflexe außer Kraft setzen? Und diese Vorstellung war ein Reflex. Zumal es ihr irgendwie immer so vorkam, als hätte sie so was schon gesehen, als wäre es nicht das erste Mal. Denn irgendwoher musste dieser Abscheu ja kommen. Wenn sie es bloß wüsste ... Robin betrachtete nachdenklich ihre zerschundenen Hände, die Holzsplitter steckten darin und waren zum Teil so abgesplittert, dass man sie mit bloßer Hand herausziehen konnte. Die Haut war an den Knöcheln abgeschürft. Blut und Lymphe traten aus den Wunden. Auf der Haut, die nicht beschädigt war, waren unzählige Narben auszumachen. Das war nicht das erste Mal, dass Robin sich die Hände derart aufschlug. Aber was sollte sie auch machen? Aufhören konnte sie damit nicht, sonst würde sie irgendwann explodieren. Ganz schwach nahm Robin auf einmal einen Geruch war, der hier nicht hingehörte. Er war seltsam aber nicht zuzuordnen, dafür war er zu schwach. Plötzlich kam eine Brise aus nördlicher Richtung – und trug einen Schwall dieses Geruchs mit sich. Robins Kopf schnellte nach Norden, fast so als würde ihr ein Feind gegenüberstehen. Vielleicht würde das auch passieren, sie hatte keine Ahnung, aber einer Sache war sie sich nun sicher: Es war Verwesungsgestank. Wahrscheinlich hatte sie ihn nicht bemerkt, weil sie so intensiv damit beschäftigt war, das Holz auseinander zu nehmen. Nach Norden also ... da müsste sie quer über die gesamte Lichtung. Sie schnallte sich ihr Schwert um, ließ nichts zurück, auch nicht ihren Dolch und ging geradewegs in die Richtung, in die sie gelockt wurde. Die Lichtung lag ruhig und verlassen da. Und auch Robin konnte diese Einsamkeit nicht auslöschen. Sie lief nur schnurstracks gerade auf die schwarze Lücke zwischen den grauen Stämmen zu. Diese wirkte fast wie eine Pforte zur Dunkelheit. Noch war Licht mit im Spiel aber sobald Robin zwischen den Bäumen durchschritt, würde es verschwinden und sie würde sich in einem Reich der Finsternis wieder finden. Die Stärke des Geruchs nahm zu. Robin sah ihren Verdacht bestätigt, dass es nach Fäulnis und Verwesung stank. Je weiter sie lief, je näher sie dem Was-auch-immer kam, desto unerträglicher wurde der Gestank. Auf dem dunklen Waldboden hoben sich die vertrockneten Moose und die dürren Würmer und Insekten gestochen scharf ab. Sie schienen nicht mehr genug zu fressen zu finden. Wahrscheinlich waren schon unzählige von ihnen wegen Nahrungsmangel draufgegangen. Robin lief weiter und ihr fiel auf einmal auf, dass das Gewürm am Boden nicht mehr so dünn und lang war – jetzt wurden sie zunehmend fetter und kürzer, richtig widerlich. Und einer der Würmer war … kein Wurm. Nein, es war ein Finger. Wie viele Leichen hatte Robin in den letzten acht Jahren schon gesehen. Wie viel Blut und wie viele Knochen. Dieser Finger war blaugrau – und teilweise substanzlos. Schon ordentlich angeknabbert, die Würmer wanden sich durch das schmutzigrote Fleisch, nahe des Gelenks. Na lecker, dachte Robin. Sie trat einen Schritt zurück, um die ganze Sache zu überschauen und zu sehen, ob noch andere Leichenteile sichtbar waren. Neben der Leiche war ein Erdberg, der irgendwie in sich zusammengefallen schien. Die Erde im Bereich des darunter vermuteten Torsos war wie frisch umgegraben. Wer war es überhaupt, der hier tot und halb begraben im Wald lag? Sie ging im Kreis um das Grab herum. Nichts. Im Umfeld von 6 Metern gab es keine Spur von irgendwas, das verdächtig gewesen wäre. Keine Schaufel oder dergleichen, auch keine andere Leiche oder vielleicht Spuren eines Kampfes – rein gar nichts. Jetzt war sie wieder an ihrem Ausgangspunkt. Entschieden nahm sie das Schwert vom Gürtel und fing an, die Erde zur Seite zukratzen. Dabei schürfte sie auch öfter über die Haut der Leiche. Hautfetzen klebten an der Schwertklinge. Einfach nur ekelerregend. Der Brustkorb lag jetzt frei. Also erstochen wurde der hier nicht, keine Stichwunde. Doch die Rippen waren trotzdem teilweise zu sehen. Das Ungeziefer hatte schon ganze Arbeit geleistet. Robin legte den Körper weiter frei, jetzt den Kopf. Die Augenhöhlen waren schon leergefressen, der Mund stand offen, aus ihm wühlte sich gerade eine fette Made heraus. Trotz der Entstellungen war das Gesicht noch halbwegs zu identifizieren – und Robin erkannte sofort, wer der Tote war: der Sohn des Bürgermeisters. Sie konnte sich noch genau an das Bild in der Zeitung erinnern. Das hier war er, ohne Zweifel. Robin trat einen Schritt zurück. Der Kopf stand in einem ekelhaften Winkel ab. Aha, Genickbruch also … Während sie die Szene weiter betrachtete, wurde ihr langsam aber sicher übel. „Ich glaube, ich sollte wohl im Dorf Bescheid sagen. Wäre schon blöd, wenn die noch weiter auf ein Wunder hoffen, während Herr von und zu hier draußen als Monatsration dient.“ Aber kann ein Leichnam eigentlich in vier Tagen schon in einem so weit fortgeschrittenen Stadium der Verwesung sein? Egal wie gefräßig das Viehzeug hier auch sein mag, man kann ja noch nicht mal genau sagen, dass er schon am Tag seines Verschwindens gestorben ist! Robin warf noch einen letzten Blick auf die tote Masse, die früher mal ein Mensch gewesen sein soll. Dann machte sie sich auf den Weg ins Dorf. Soweit sie sich erinnern konnte, war eine Belohnung ausgesetzt für denjenigen, der die zwei Vermissten zurückbringen würde. Egal ob lebend oder tot. Da sie seine Schwester nicht gefunden hatte, wäre die Hälfte nur gerecht, aber wenigstens wäre dann etwas Geld da. Wieder in der Stadt machte sich Robin sofort zum Rathaus. Sie legte sich gar nicht erst ein paar Worte zurecht von wegen taktvoll oder vorsichtig beibringen oder sonst etwas dergleichen. Letztendlich würde es doch auf dasselbe hinauslaufen. Vor der Türe des Bürgermeisterbüros blieb sie stehen und klopfte dreimal. Sofort hörte man von drinnen ein gedämpftes „Herein!“. Robin trat ein und konnte richtig sehen, wie der Anflug eines Lächelns auf dem Gesicht des Mannes hinter dem Schreibtisch sofort wieder verschwand, als er sie sah. Na klar, dachte sie verbittert. Keiner kennt mich, aber alle hassen mich. Prima, ich liebe euch alle, schoss es ihr durch den Kopf und eine kleine böse Stimme in ihr lachte sarkastisch. „Was wollen sie?“, fragte der Bürgermeister betont freundlich und distanziert, allerdings mit einem Lächeln, das selbst bei einer Maske echter ausgesehen hätte. Robin musste sich fast übergeben. Beherrschte sich allerdings und fing mit sachlicher Mine an: „Mr. Shaw, ich habe ihren Sohn gefunden – zumindest das, was von ihm übrig ist.“ Sofort änderte sich die Gesichtsfarbe des Mannes ihr gegenüber. Er wurde leichenblass. Jetzt ähnelte er seinem Sohn in dessen jetzigen Zustand sogar ein wenig, dachte sie in sich hinein grinsend. An Mitgefühl dachte sie jetzt nicht. Der Mann gegenüber sah sie an. In seinen zu Schlitzen verengten Augen konnte sie das pure Misstrauen erkennen. „Willst du damit sagen, er ist tot?“ Dieser forschende Unterton machte sie rasend. „Wie kommst du darauf, dass eine Leiche, die du irgendwo aufgegabelt hast, mein Sohn sein soll? Möglicherweise hast du deinen Toten auch noch selber auf dem Gewissen – zuzutrauen wäre es dir ja!“ Nur mit äußerster Körperbeherrschung konnte Robin eine Katastrophe verhindern. Sie wusste genau, dass sie in der Lage war einen Menschen zu töten. Moralisch sicher nicht ohne weiteres, aber körperlich mit links und vierzig Fieber. „Ich habe die Zeitung heute Morgen sehr ausführlich studiert. Noch ist es möglich, ‚meinen’ Toten zu identifizieren. Es würde mich freuen, wenn sie sich selbst davon überzeugen würden, allein damit sie mir glauben.“ Das Wort ‚meinen’ sprach sie dabei mit übertriebener Betonung aus. Aber Shaw bekam das nicht mit. Er stierte nur noch auf seine Schreibtischplatte, dann murmelte er irgendwas vor sich hin, aus dem Robin lediglich Wortfetzen wie „…unmöglich…“ oder „…wer…?“ heraushören konnte. Schließlich fing er sich wieder und fragte in einem ziemlich scharfen Ton: „Woher soll ich wissen, dass du die Wahrheit sagst? Es kann genau so gut möglich sein, dass du mich nur in eine Falle locken willst, weil ich ein einflussreicher Mann hier in Hellslobby bin.“ Robin sah ihn an. Es war nicht zu erkennen, was sie in dem Moment dachte. Ihre Mine war versteinert. Dann brach sie in schallendes Gelächter aus. Auf was für Ideen manche Menschen doch kommen, wenn sie nicht nachdenken. Warum brachte ihr ihre Erscheinung nur ein solch schlechtes Image?! Kein Mensch kannte sie wirklich, aber sie war immer Schuld. Wortlos drehte sie sich um und ging. Die Tür schloss sie hinter sich – und wie sie sie schloss. Erst gab es einen ohrenbetäubenden Knall, als Tür und Rahmen aufeinander krachten und es splitterte nur das Holz. Shaw sah sich die Tür mit ungläubigem Gesicht an. Der Mund stand ihm offen. Als er sie berührte, fiel sie dann lautstark gänzlich aus den Angeln. Er sprang zurück, sonst wäre ihm das schwere Holz noch auf die Füße gefallen. Bisher hatte Shaw nur gehört, was man sich über Robin erzählte. Dass sie eine Außenseiterin war, dass sie sich komisch kleidete (wovon er sich ja heute selbst hatte überzeugen können), dass sie seltsam war, weil sie ständig allein unterwegs war und auch mit keinem sprach, etc. Aber über ihre Stärke sprach man nicht – absichtlich. Wahrscheinlich aus Angst … manchmal konnte Robin nicht anders, als ihre Kraft auszuleben. Das machte sie selten genug, aber wenn sie beispielsweise provoziert wurde, war es schwer, sich zu beherrschen. Heute hatte Shaw aus erster Hand demonstriert bekommen, was es heißen würde, sie sich zum Feind zu machen. Nicht dass Robin sich die Hände wegen so einem Typ schmutzig gemacht hätte, aber woher sollte er das denn wissen? Robins Aura war der blanke Hass. Sie verabscheute diese Leute. Ihr Gang war schnell und energisch, ihr Umhang wehte hinter ihr her. Von hinten sah sie aus, als würde sie schweben … oder doch wohl eher fliegen. Ihre Gesichtszüge waren angespannt und scharf. Ihre Augen waren kalt und leer. Der Abscheu in ihr steigerte sich noch mehr, als sie wieder eine dieser Tussen hinter ihrem Fächer zu einer anderen etwas flüstern sah. Das war auch so eine Sache. Bitte wozu brauchten diese Zicken einen Fächer?! Hallo?!? Es waren sechzehn Grad!! Nur einen kleinen Augenblick, nur einen ganz kleinen, verlor sie die Beherrschung. Aber der reichte aus, um Robins Hand an ihren Gürtel schnellen zu lassen, den Dolch zu greifen und ihn mit einer unglaublichen Präzision in die Holzwand neben der einen Dame, auf Augenhöhe versteht sich, zu versenken. Die Teuerste schrie natürlich wie ein Ferkel auf der Schlachtbank und fiel dann in Ohnmacht. Ihre Freundin brach erst in herzerweichendes Schluchzen aus und gesellte sich dann zu der ersten. Robin grinste. Cool bleiben schön und gut, aber es machte doch immer wieder Spaß, Leute zu schocken. Nur wenige Minuten später – zumindest kam es ihr so vor – war sie wieder auf ihrer Lichtung, ihrem Trainingsplatz. Wenn sie Probleme hatte, kam sie irgendwie automatisch hierher. Sie musste trotz allem lächeln. Hier war sie zu Hause. Robin ging wieder quer über die Lichtung … Richtung Norden. Ein bisschen überrascht war sie schon. Sie fand die Leiche anders vor, als sie sie verlassen hatte. Der Kopf war wieder unter der Erde, der Torso auch. Wenn sie es sich recht überlegte, waren es ein Großteil der Stellen, die Robin zwei Stunden zuvor freigelegt hatte. Noch einmal grub sie mit ihrem Schwert. Als sie soweit war wie vorhin, spürte sie erneut Übelkeit in sich aufsteigen. Jetzt waren noch vier Rippen mehr zu sehen, der Magen schien entfernt worden zu sein, die Lunge war frei und farblich eine widerliche Mischung aus braun, schwarz und rosa. Die Organe glänzten schleimig. Das Gesicht hatte nicht nur keine Augen mehr, die eine Gesichtshälfte war vollständig weg und machte die Sicht auf blutverschmierten, teilweise mit Hautfetzen bedeckten Knochen frei. Robin trat zurück. Langsam dämmerte es ihr. Natürlich konnte die Leiche schon nach vier Tagen so zerfallen sein – immerhin war nachgeholfen worden! Und wurde es immer noch! Hier ernährte sich nicht nur das Ungeziefer von dem Kadaver. Das stand fest. Lieber Mörder, bitte hole dir die ganze Stadt! Du hättest Futter und ich meine Ruhe … … to be continued … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)