Endlos von -Ray- (Story about Alec and Ray) ================================================================================ Kapitel 4: Part 4 ----------------- Während ich seine Ergebnisse nachrechnete, lehnte er sich nach hinten und seufzte. „Hab keine Lust mehr. Lass uns lieber reden.“ Ich schüttelte mit dem Kopf „Ich bin zum lernen hier, und nicht zum reden.“ „Ach komm schon. Zum lernen haben wir noch den ganzen Tag zeit.“ „Es war doch deine Idee, mit mir zu lernen. Also tu es auch.“ „Wir können doch morgen weiter lernen. Nach der Schule. Da erklärst du mir dann das Integrieren.“ Ich schüttelte mit dem Kopf. „Ich hab keine Lust, jetzt jeden Tag herkommen zu müssen, nur weil du es nicht auf die reihe kriegst, dich länger als eine halbe Stunde zu konzentrieren.“ „Das ist nur heute. Ich schwöre dir, morgen bin ich konzentrierter. Ich kann mich einfach nicht auf Mathe fixieren, wenn meine Gedanken ganz wo anders hängen. Im Moment will ich nur wissen, weshalb du mit deiner Mutter nicht mehr Kontakt hältst. Und ob dein Bruder schon eine eigene Wohnung hat.“ „Du bist verdammt neugierig. Das nervt!“ entgegnete ich und wich ihm damit aus. Ich wollte seine Fragen nicht beantworten. Es würde nur darauf hindeuten, ihm mehr von meiner Vergangenheit erzählen zu müssen. Und ich hatte wirklich keine Lust mit einem wildfremden über meine Familienverhältnisse zu reden. „Hast du noch Kontakt zu deinem Bruder?“ Ich seufzte genervt und sah ihn zornig an. „Okay. Ich verspreche dir alle deine Fragen zu beantworten, wenn du jetzt noch eine halbe Stunde Mathe lernst. Aber die Fragen zu meiner Familie kannst du dir sparen.“ Er grinste triumphierend und nickte. „Okay. Abgemacht.“ Etwas erleichtert, die nächste halbe Stunde erst einmal ruhe zu haben, erklärte ich ihm die Grundsätze des Integrierens und ließ ihn ein, zwei Aufgaben rechnen. Immer wieder starrte Raymond auf die Uhr. Ich spürte genau, wie er schon die Minuten zählte. Er hatte echt nicht mehr alle Tassen im Schrank. Er schien dermaßen darauf fixiert zu sein, mich mit seinen langweiligen Fragen zu nerven, dass er sogar die Ist-Zeichen vergaß. Nach exakt 30 Minuten schlug er sein Mathematikbuch zu und legte sich auf die Seite. Er stützte seinen Kopf auf den Arm und grinste mich an. „Wann hast du Geburtstag?“ fragte er mich und sah mir in die Augen. Seufzend verschränkte ich die Arme um die angezogenen Knie und antwortete: „Am vierten April.“ „Wie ist es, allein zu leben?“ „Ein Traum.“ „Hast du eine Freundin?“ „Nein.“ „Warst du schon mal verliebt?“ „Ja.“ „Wer war sie?“ „Jennifer. Vor zwei Jahren. Wir gingen in dieselbe Schule.“ „Bist du mit ihr zusammen gekommen?“ „Ja.“ „Warum habt ihr euch getrennt?“ „Du kannst mich mal!“ Erstaunt hob er die Augenbrauen. „Hey. Du hast versprochen auf meine Fragen zu antworten.“ „Ja. Wenn sie nichts mit meiner Familie zu tun haben. Und diese Frage, hat etwas mit meiner Familie zu tun.“ Antwortete ich, verärgert darüber, dass ich jetzt schon wieder von dem Thema anfangen musste. „Und was bitteschön hat deine Freundin mit deiner Familie zu tun? Hat sie Schluss gemacht, oder du?“ „Sie. Und was das mit meiner Familie zu tun hat, verfällt auch unter Kategorie: Du kannst mich mal!“ „Ach... du nervst mich. Weshalb machst du so ein Geheimnis um deine Vergangenheit?“ „Kein Kommentar.“ Er rollte mit den Augen und seufzte. „Menno.“ Entfuhr es ihm. „Pech gehabt.“ Ich musste grinsen und er lachte leise. „Du kannst ja sogar lächeln.“ Stellte er fest und setzte sich wieder auf. Er legte den Kopf zur Seite und sah mich an. Ich zuckte mit den Schultern. „Ist das so abwegig? Das ich lächele?“ „Ja schon. Bei deiner Laune. Du scheinst an dauerhaft schlechter Laune zu leiden.“ „So was nennt man Depression, Spinner.“ „Bist du in Behandlung?“ Nun wirkte er wirklich interessiert. Er beugte sich etwas vor und sah mir dabei tief in die Augen. Sein Blick... fast schon Angst einflößend. Ich stand auf und griff nach meiner Jacke. „Genug geredet für heute.“ Sagte ich leise und zog mich an. Dann griff ich nach meinen Schulsachen und packte sie zurück in den Rucksack. „Gibst du mir morgen wieder Nachhilfe?“ „Mal sehen. Wenn ich zeit hab.“ Wich ich aus. Ich wusste selbst nicht, ob ich ihm noch mal Nachhilfe geben wollte. Seine Fragen waren echt schrecklich. Gerade als ich die Tür öffnen wollte stand er auf und vertrat mir den Weg. „Du hast meine letzte Frage noch nicht beantwortet.“ Stellte er fest und wieder kreuzten sich unsere Blicke. Ich sah weg. Seine Frage war mir zu persönlich. „Welche meinst du?“ wich ich ihm aus. „Ob du in Behandlung bist“ „Ich weiß nicht mal, was du damit meinst.“ Zornig wollte ich an ihm vorbeigehen, doch er stemmte sich gegen die Tür und sah mir dabei fest in die Augen. „Nimmst du Antidepressiva?“ „Nein.“ „Bist du beim Psychologen?“ „Nicht wirklich.“ „Weich nicht aus. Sag schon.“ „Das geht dich nichts an! Und jetzt lass mich vorbei.“ Grollte ich und biss die Zähne zusammen. „Du bist beim Psychologen, nicht war? Wie oft? Wie lange schon? Du brauchst daraus doch kein Problem zu machen. Ist doch in Ordnung.“ „Weißt du was? Du regst mich ziemlich auf, mit deinen blöden Fragen. Woher willst du wissen, ob ich in Behandlung bin oder nicht? Und selbst wenn, was geht dich das bitte an? Ich hab keine Ahnung was du von mir willst, aber entweder du lässt mich jetzt vorbei, oder mir rutscht aus versehen die Faust aus.“ sagte ich bedrohlich leise. Etwas perplex starrte Raymond mich an. Schließlich ging er einen Schritt zur Seite und ich öffnete die Tür. „Danke“ entfuhr es mir sarkastisch, dann war ich weg. So ein Idiot! Langsam lief ich die Straße entlang. Ich fühlte mich beobachtet und sah mich öfters um. Doch ich konnte keinen Raymond erkennen, der mir krankhaft nach rannte. Stattdessen erkannte ich jemanden anderen. Ein Mann um die fünfundvierzig ging einige Meter hinter mir. Ich kannte ihn. Trotzdem konnte ich ihn im ersten Moment nicht einordnen. Schnell drehte ich mich wieder um und beschleunigte meinen Schritt etwas. Vielleicht täuschte ich mich auch. Der krankhafte Verfolgungswahn unter dem ich in letzter Zeit litt, nervte mich tierisch. Meistens war sowieso falscher Alarm. Etwas unsicher wandte ich mich nach rechts. Ich hatte ungefähr noch drei Minuten, dann war ich daheim. Gerade als ich um die Ecke laufen wollte, spürte ich plötzlich eine Hand auf der Schulter. Perplex drehte ich mich um. Der ältere Mann. „Ich kenne dich doch. Bist du nicht Micks Kleiner?“ fragte er und sah mich misstrauisch an. Ich erstarrte und versteifte mich automatisch. Dann fiel es mir wieder ein. Ich kannte ihn aus dem Bus. Dieser Alte, der mich so angestarrt hatte. „Was wollen sie?“ fragte ich gehetzt und wollte mich losreißen. „Ach...also tatsächlich sein Junge. Wie geht es dir? Und wie geht es deinem Vater? Er hat mir erzählt, was für ein braver Junge du doch immer warst. Ich habe ihn schon ewig nicht mehr gesehen... wohnst du noch daheim bei deinen Eltern?“ Ich spürte genau, worauf er hinaus wollte. Sein Griff verstärkte sich etwas, und er zog mich tiefer in die kleine Gasse, die mich direkt zu meinem Haus führen würde. Er drückte mich gegen die Wand und sah mich lächelnd an. Ich kannte diesen Blick. Unfähig mich zu bewegen starrte ich ihn an. „Meinst du, dein Alter hat was dagegen, wenn wir uns ein bisschen vergnügen? Hast du nicht Lust mit zu mir zu kommen? Wir könnten unseren Spaß haben. Nur wir zwei:“ Sanft fuhr er mir über die Wange und seine Hand wanderte langsam nach unten. Ich schloss die Augen und schluckte mühsam. Beweg dich...dachte ich... mach was! Ich schlüpfte unter seinem Arm hindurch und wollte schon weiter gehen, doch plötzlich packte er mich wieder am Arm und drückte mich hart gegen die Wand. „Komm schon. Stell dich doch nicht so an.“ Zischte er. Ich biss die Zähne zusammen. „Verpiss dich!“ murmelte ich leise und wollte mich wieder abwenden, doch plötzlich hob der Alte den Arm und schlug mir mit der Faust ins Gesicht. Ich taumelte einige Schritte zur Seite und hob die Hand. Kurz fuhr ich mir über die Wange. Autsch! Die Haut war aufgeplatzt und ich hatte Blut an den Fingern. Gerade als dieser Typ wieder nach mir packen wollte, schoss jemand um die Ecke und zog dem Alten eins über. Er traf ihn am Nacken und schlug ihm die Beine weg. Eindeutig machte der Typ Kampfsport. Etwas verwundert starrte ich auf den bewusstlosen alten Arsch, der auf dem Boden lag und sich nicht mehr rührte. Dann hob ich den Blick und sah erstaunt in Raymonds Gesicht. „Wieso hast du dich denn nicht gewehrt? Der Typ sah eindeutig so aus, als wollte er dir an die Wäsche gehen.“ Ich riss mich zusammen und schüttelte leicht irritiert mit dem Kopf. „Was machst du hier?“ fragte ich lauernd. „Ich bin euch gefolgt. Eigentlich wollte ich nur sehen, wo du wohnst, doch dann hab ich diesen Typen bemerkt, der dir die ganze Zeit nachgelaufen ist Wer ist das denn? Kennst du den Typen?“ Ich schüttelte müde mit dem Kopf. „Nein...ich...danke...willst du mitkommen?“ sagte ich leise. Mir war das alles zu viel. Ich wollte gar nicht über den Alten nachdenken. Ich wollte das alles lieber schnell wieder vergessen. „Gern.“ Raymond stieg über den immer noch bewusstlosen Mann hinweg. Schweigend gingen wir nebeneinander her. Nach wenigen Minuten standen wir vor meinem Haus und ich sperrte langsam die Türe auf. Wir gingen zum Aufzug und ich drückte auf die Fünf. Raymond kam etwas näher und berührte mich am Kinn. Er schob meinen Kopf zur Seite und besah sich die Wunde. „Sieht nicht schlimm aus. Du solltest aber trotzdem etwas Eis drauflegen.“ Ich nickte und entwand mich aus seinem Griff. Als wir oben waren öffneten wir die Aufzugtür und ich sperrte meine Wohnung auf. Schweigend winkte ich Raymond mit rein und er folgte mir langsam. Ich zog mir meine Schuhe aus und schmiss meine Jacke über den Stuhl. „Setz dich ruhig.“ Meinte ich und deutete aufs Wohnzimmer. Er nickte. Ich ging in die Küche und holte zwei Gläser und ein Wasser. Dann folgte ich ihm in das Wohnzimmer und setzte mich neben ihn auf die Couch. Ich schenkte ihm ein Glas Wasser ein und reichte es ihm. „Danke.“ Sagte er leise und nahm einen Schluck. „Warte ich hol Eis.“ Sagte er plötzlich und ging in meine Küche um im Eisfach nach Eis zu suchen. Nach einigen Minuten kam er wieder. Er hatte die Eiswürfel in eines der Küchentücher gepackt und drückte mir das Paket vorsichtig gegen die Wange. „Danke.“ Ich nahm ihm den Beutel ab und unsere Hände berührten sich leicht. Diesmal war es mir nicht mehr so unangenehm, wie noch vor einigen Stunden. Komisch. „Also? Wieso hast du dich nicht gewehrt? Es war ja eindeutig, was der Kerl vorhatte.“ „Ich...weiß auch nicht. Irgendwie...war ich wohl zu geschockt.“ Raymond nickte, nicht gerade sehr überzeugt. „Na ja. Ist ja noch alles gut gegangen. Hast du ein Glück, dass ich so neugierig bin.“ Ich schmunzelte und konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. „Na stimmt doch. Wenn ich dir nicht gefolgt wäre, hätte es vielleicht schon zu spät sein können.“ Ich grinste immer noch und schüttelte mit dem Kopf. „Keine Sorge. Irgendwann hätte ich mich sicher gewehrt.“ „Na ja. So wie der dich am Kopf getroffen hat, sah es eher so aus, als würdest du vorher zu Boden gehen, bevor du aus deiner Erstarrung erwachst.“ „Ja, ja! Du bist der Held der Geschichte! Jetzt zufrieden?“ Er grinste breit und nickte. Jetzt lachten wir beide. Was für eine blöde Situation. „Du hast ein schönes Lächeln. Es gefällt mir“ stellte Ray fest und schmunzelte über mein blödes Gesicht, dass ich jetzt machte. „Versuchst du mich anzumachen?“ „Quatsch. Das war nur eine Feststellung. Lass mich doch.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Du hast eine komische Art dich auszudrücken.“ Diesmal zuckte er mit den Schultern. „Na ja. Kann schon sein. Wie geht’s deinem Kopf?“ Ich nickte. „Besser“ antwortete ich und fuhr mir kurz durch die Haare. „Du sag mal…“ begann er plötzlich und ich drehte meinen Kopf in seine Richtung. „Hast du nicht Lust, Ray zu mir zu sagen?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Okay. Wenn du willst.“ „Ja, das wäre mir lieber. Ich mag meinen Namen nicht so sonderlich.“ Ich nickte. Dann nahm ich die Eiswürfel wieder vom Gesicht und legte sie auf das kleine Tischchen, dass ich vor meiner Couch stehen hatte. Müde lehnte ich mich nach hinten. Ich wäre am liebsten eingeschlafen. „Halt es lieber noch ein bisschen hin. Sonst hast du morgen eine doppelt so große Wange wie jetzt.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Bin müde.“ Antwortete ich und schloss die Augen. Ray nahm den Eisbeutel vom Tisch und drückte ihn mir sanft gegen die Wange. Ich wehrte mich nicht. Wir schwiegen eine weile. Ich spürte trotz der geschlossenen Augen, seinen Blick auf mir. Kurz hatte ich das Gefühl wirklich einzuschlafen, doch dann riss ich mich zusammen. Solange ich Besuch hatte, war es ziemlich unhöflich fast zu schlafen. Ich öffnete die Augen wieder und erwiderte seinen Blick zum ersten mal offen. „Was ist los?“ fragte ich leise. „Nichts. Ich sehe dich nur an.“ Wieder dieser komische Blick. „Ich bin ziemlich müde. Willst du noch lange bleiben? Sonst lege ich mich hin.“ „Kein Problem. Ich kann ja später selbst gehen.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Mir ist es egal. Aber wehe es fehlt etwas, wenn ich aufwache.“ Grinsend stand ich auf. „Nimm den Eisbeutel mit.“ Riet mir Ray. Ich nickte und nahm ihm den Beutel aus der Hand. Dann ging ich in mein Schlafzimmer. Ich ließ die Türe offen stehen und legte mich hin. Den Eisbeutel hielt ich mir immer noch gegen die Wange. Schließlich schlief ich ein. Ich erwachte erst gegen Abend. Immer noch müde setzte ich mich auf. Der Eisbeutel war geschmolzen und mein Pullover war nass. Ich zog mich aus und suchte im Schrank nach einem neuen. Als ich Schritte hörte, drehte ich mich fragend um. Ray. Dass er immer noch hier war... Ich runzelte die Stirn und wollte mir das T-Shirt schnell über den Kopf ziehen, doch mit wenigen Schritten war er bei mir und hielt mich auf. „Was soll das?“ fragte ich lauernd. Ich bekam Gänsehaut von seiner Berührung. Sanft fuhr er mir über die längliche Narbe, die ich am Rücken hatte. Sie verlief quer, kurz unter dem rechten Schulterblatt. „Woher hast du die?“ fragte er leise. „Du kannst mich mal.“ Shit! Das war eindeutig gewesen. Ich biss mir auf die Lippe und sah weg. Schnell riss ich mich los und schlüpfte in mein T-Shirt. Dann griff ich nach meinem Pullover und zog auch den schnell an. „Was?“ fragte Ray geschockt. „Wer?“ fragte er. Ich drehte mich zu ihm um und wollte an ihm vorbei gehen, doch er packte mich an der Schulter und hielt mich zurück. „Sag schon.“ Drängte er mich. Sein Blick war stechend. Wieder hatte ich das Gefühl, als könnte er mir auf den Grund der Seele blicken. Es lief mir eiskalt den Rücken runter. „Du kannst mich mal! Und jetzt lass mich vorbei“ wiederholte ich und befreite mich aus seinem Griff. „Was es dein Vater?“ fragte er leise. Ich zuckte zusammen. „Ja, stimmt´s? Dein Vater hat dir das angetan... Was hat er dir noch angetan? Schlüsselbund? Gürtel? Jeden Abend Prügel? Hat er dich auch missbraucht??“ Zornig drehte ich mich um und holte aus. Der Schlag kam unkontrolliert und hart. Er versuchte auszuweichen, doch er war zu langsam. Ich traf ihn in der Magengegend. Er riss die Augen auf und ihm entfuhr ein erstickter Laut, des Schmerzes. Erschrocken sah er mich an. Er hob seine Hand und presste sie an den Bauch. Wir starrten uns an. Er erstaunt und ich maßlos zornig. „Vielleicht...sollte ich besser gehen.“ Sagte er schließlich leise. Er wandte den Blick ab und ging, immer noch mit der Hand gegen den Bauch gepresst, aus dem Raum. Er holte seine Jacke und schloss die Tür hinter sich. „Scheiße!“ rief ich aus und trat gegen den Bettpfosten. „FUCK!“ Schließlich rannte ich ihm nach. Ich öffnete die Tür und rief seinen Namen. Erstaunt drehte er sich um. Einen Moment lang starrten wir uns an. Schließlich fragte ich leise. „Hast du Hunger?“ Etwas perplex antwortete er mit Ja. „Ich mach uns was zu essen.“ Sagte ich und drehte mich mit hängenden Schultern um, um in die Küche zu gehen. Er folgte mir sprachlos. Damit hatte er wohl nicht gerechnet. Er setzte sich an den Küchentisch und hielt sich immer noch den Bauch. Ich sah ihn nicht an, sondern holte stattdessen eine Packung Nudeln aus dem Schrank und setzte Wasser auf. „Tut mir leid. Ich habe überreagiert. Doch deine Fragen sind mir so auf den Wecker gegangen, da ist mir die Hand ausgerutscht.“ Erklärte ich leise, immer noch ohne ihn anzusehen. „Schon okay. Du hattest mich ja gewarnt. Bin selbst schuld.“ Ich sagte nichts. Ich machte das Licht der Abziehhaube an und suchte nach Zwiebeln, etwas Schinken und Eiern. Ich schnitt mir eine halbe Zwiebel klein und verrührte die Eier. „Schinkennudeln sind doch okay, oder?“ Er lachte leise. „Klar Ich glaube ich habe seit einer Woche nichts Gescheites mehr gegessen. Da ist mir alles Recht.“ Ich nickte und drehte mich schließlich zu ihm um. Es lag ein Sicherheitsabstand von zirka zwei Metern zwischen uns, was mich irgendwie beruhigte. Trotzdem hatte ich das Gefühl, ihm schon mehr verraten zu haben, als ich eigentlich wollte. Dadurch dass ich ihn aufgrund seiner dämlichen Fragen geschlagen hatte, musste er ja eigentlich nur noch eins und eins zusammenzählen und zu dem Schluss kommen, dass alle seine Fragen eindeutig mit Ja beantwortet werden mussten. „Übrigens hast du Recht. Sie stammt von meinem Vater. Was den Schlüsselbund, den Gürtel und die tägliche Prügel angeht, ja...das kenne ich.“ Sagte ich leise. Dann sah ich weg. Ray nickte. „Ja... ich kenne sie auch.“ Erwiderte er ebenfalls leise. Erstaunt sah ich auf. Meinte er das ernst? Sein Blick war plötzlich ganz anders. Tiefer Schmerz lag in seinen Augen. Diesmal war er derjenige, der weg sah. Es war eigenartig, doch ich fühlte mich schon viel besser in seiner Gegenwart. Sein Geständnis hatte mich irgendwie bestärkt. Komisch... Bis ich fertig war, schwiegen wir einvernehmlich. Die Ruhe tat gut. So konnte ich seine Gesellschaft besser ertragen, als wenn er mir dämliche Fragen stellte. Ich holte zwei Teller aus dem Schrank und schöpfte ein paar Nudeln darauf. Dann suchte ich nach zwei Gabeln in der Schublade und drehte mich schließlich wieder zu ihm um. Ich stellte einen der Teller vor seinen Platz und reichte ihm eine Gabel. Dann setzte ich mich ebenfalls hin und fing schweigend an zu essen. Auch Ray schwieg. Ich lauschte auf das klingen der Gabeln, wenn sie auf den Teller trafen und fragte mich, ob es Ray nun wirklich die Sprache verschlagen hatte. Mit der zeit wurde ich unruhig. Ich war es nicht gewohnt, ihn so schweigend zu sehen. „Ist es okay?“ fragte ich und deutete auf die Nudeln. Er erwachte aus seiner eigenartigen Gemütsverfassung und nickte mehrmals. „Ja... entschuldige, ich war grad so in Gedanken. Es ist wirklich gut.“ Ich grinste leicht und stopfte mir wieder eine Gabel voll in den Mund. Nach einem kurzen schweigen stupste ich ihn mit meinem Fuß an und fragte: „Hat es dir die Sprache verschlagen?“ Er schreckte hoch und grinste. „Nein...ich...ähm...du, weißt du...ich denke im Moment wohl einfach zu viel nach.“ „Nicht das es mich stört, mir keine blöden Fragen mehr anhören zu müssen, doch es passt nicht zu dir.“ „Dir ist es also lieber, ich stelle dir blöde Fragen, statt dass ich einvernehmlich schweige?“ Ich schüttelte mit dem Kopf. „Nein. So habe ich das nicht gemeint.“ Er nickte und lachte leise. Ich musste ebenfalls lächeln und stand dann auf um mir Nachschlag zu holen. „Willst du auch noch etwas?“ fragte ich ihn und sah über die Schulter. Doch er war schon aufgestanden und trat dicht hinter mich um sich ebenfalls etwas zu nehmen. Ich nahm ihm den Teller aus der Hand schöpfte ein paar Nudeln darauf. Er berührte mich leicht am Arm. Ich wich ein Stück zurück und sofort merkte er, dass ich auf Distanz gehen wollte. „Wieso ist es für dich so schlimm, von anderen berührt zu werden?“ fragte er mich leise und kam noch ein Stück näher. Er hob die Hand und fuhr mir durchs Haar. Ich biss die Zähne zusammen. „Was tust du da?“ Er lächelte mich an und legte den Kopf auf die Seite. „Sag schon. Was ist so schlimm daran?“ Er berührte mich im Gesicht und drückte leicht auf die Wunde an meiner Wange. Es schmerzte und ich nahm seine Hand weg und schlüpfte unter seinen Armen hindurch. Seine Berührung beunruhigte mich. „Keine Ahnung. Ich will es einfach nicht.“ Gab ich zur Antwort und setzte mich schnell wieder auf meinen Platz. Er setzte sich ebenfalls hin und sah mir tief in die Augen. „Starr mich nicht so an. Das nervt.“ Giftete ich und aß weiter. Er lächelte leicht. „Wirst du jetzt wieder bissig?“ fragte er und lachte leise. Ich zuckte mit den Schultern. „Du nervst mich.“ Er lachte erneut und schüttelte lächelnd mit dem Kopf. „Du erinnerst mich an eine launische Katze.“ Bemerkte er, und ich sah verwundert auf. Kurz sah ich ihm in die Augen. Er erwiderte den Blick ebenfalls kurz und sah dann wieder auf seinen Teller. Dann aß er ebenfalls weiter. Er beunruhigte mich ziemlich. An der Art und Weise, wie er mit mir umging, war etwas Faul. Wieder spürte ich, wie sich mein ganzer Körper auf Abwehr umstellte. Ich musste ihn wirklich auf Distanz halten. Ich hatte das Gefühl er könnte mir gefährlich werden. Seine Art, wie er mit mir Sprach, hatte eine komische Wirkung auf mich. Ich hatte dass Gefühl, als könnte er mir alles Mögliche an Tatsachen über mich entlocken. Und ich wollte mich ja eigentlich niemandem so weitgehend öffnen. Arg! Ich entschloss mich für Freitag einen Termin beim Psychologen zu machen. Eigentlich müsste ich erst wieder nächste Woche, doch irgendwie hatte ich das Bedürfnis ihm zu erzählen, wie eigenartig ich mich in Raymonds Gesellschaft fühlte. Nach dem Essen half Ray mir noch beim Abwasch. Wir brauchten nicht lange, zu zweit ging es relativ schnell. Dann lächelte er mich an und bedankte sich für das gute Essen. Ich nickte lächelnd. „Ist okay.“ Antwortete ich und brachte ihn noch bis zur Tür. Mit einem Lächeln verabschiedete er sich von mir, dann war ich allein. Verwirrte schloss ich die Tür ab und ging ins Bad, um mir meine Wange anzusehen. Sie war etwas geschwollen und es hatte sich eine kleine Kruste gebildet. „Ich werde es überleben.“ Sagte ich zu mir selbst und sah auf die Uhr. Halb neun. Ich wandte mich ins Wohnzimmer und schaltete die Glotze ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)