Feuertanz von -Ria- (Harry/Draco) ================================================================================ Kapitel 27: Wer Wind sät ------------------------ Hallo, auch wenn es vermutlich kaum noch jemand geglaubt hat, da bin ich wieder ^_~ Und ich kann nur immer wieder sagen, dass ich Feuertanz auf jeden Fall zu Ende schreibe, auch wenn ich oft ewig für ein Kapitel brauche. Aber, ich muss zugeben, dass eure tollen Reviews und Mails wirklich geholfen haben, meine Muse aus dem Keller zu locken ;o) Vielen Dank an: Hallo, auch wenn es vermutlich kaum noch jemand geglaubt hat, da bin ich wieder ^_~ Und ich kann nur immer wieder sagen, dass ich Feuertanz auf jeden Fall zu Ende schreibe, auch wenn ich oft ewig für ein Kapitel brauche. Aber, ich muss zugeben, dass eure tollen Reviews und Mails wirklich geholfen haben, meine Muse aus dem Keller zu locken ;o) Vielen Dank für eure tollen Reviews und viel Spaß mit: ooOoo Wer Wind sät ooOoo Es wäre ganz leicht. Er würde aufstehen, die wenigen Meter zur Pritsche überbrücken, zwei, vielleicht drei Schritte, mehr nicht. Er würde sich einfach an den schmalen Rücken schmiegen, seine Nase in die feinen Härchen an Harrys Nacken drücken. So wie letzte Nacht noch – war es tatsächlich erst ein paar Stunden her, oder schon ein Leben? – als nur der Schmerz Harrys Augen dunkel gefärbt hatte. Und nicht Hass. Beinahe konnte er es spüren, die dünne Matratze, die unter seinem Gewicht nachgeben würde, Wärme unter seinen Fingerspitzen, Muskeln, die sich anspannten. Er konnte es sich vorstellen, ganz genau, so, dass es fast real wirkte. Es wäre einfach. Er müsste nur seinen wunden Körper bewegen. Wenige Schritte tun. Worte finden. Und die Furcht überwinden. Diese berechtigte Furcht, von Harry abgewiesen zu werden. Alles in ihm schrie danach, genau das zu tun. Zu Harry zu gehen, die warme, weiche Haut zu kosten, diesen beruhigenden Geruch einzuatmen, sich weiter von dieser Lüge einlullen zu lassen, die er gesponnen hatte. Es würde ganz einfach sein. Eine Reihe von Bewegungen und Gesten, über die er nicht einmal nachdenken müsste. Hätte er Harry nicht verraten. Im dämmrigen Fackellicht konnte er nur die Umrisse des schmalen Körpers erkennen. Harry lag ganz still, von ihm abgewandt, gab keinen Laut von sich, kein Zeichen des Verzeihens. Wenn er nur nicht so schwach gewesen und seinem Verlangen nachgegeben hätte. Wenn er nur die Wahrheit gesagt hätte. Wenn er nur nicht so dumm, so unendlich dumm gewesen wäre. Wenn. Wenn. Wenn. Wenn… sie wären jetzt noch im Kloster, in Sicherheit, würden gierige Küsse austauschen, Draco könnte sich ins Vergessen flüchten, für einige gestohlene Augenblicke glücklich sein. Stattdessen waren sie hier. In dieser bitteren Wirklichkeit, tödlicher Gefahr und eisigem Schweigen ausgeliefert. Draco schluckte mühsam, schmeckte Salz und Kupfer, spürte jeden einzelnen Schlag, als würde Harry ihn eben erst platzieren. Er hatte es verdient. Er hatte mehr verdient, als das. Er hätte – „Das Ding stinkt!“ Dracos Herz, ein peinigender Klumpen in seiner Brust, setzte einen Schlag aus, als Harry sich jäh aufsetzte und die Decke in Dracos Richtung warf. Jetzt. Jetzt war die Gelegenheit, auf die Draco gehofft hatte. Der Moment, in dem er Harry seinen Stolz und sich selbst zu Füßen werfen, um Vergebung bitten konnte. Draco öffnete den Mund, mühsam, weil die wunde Haut seiner Lippen die Geste mit erneuten Qualen strafte. Doch nichts kam heraus, kein einziges verdammtes Wort. Seine Kehle war zu eng, sein Verstand zu leer, als dass er Harry all das sagen konnte, was in seinem Herzen war. Viel zu viel hatte er verraten und doch zuwenig. Er hatte es vorher gewusst, hatte immer gewusst, dass am Ende dieses Weges nur Harrys Hass auf ihn wartete. Und dass es keine Vergebung geben würde. Dennoch… ein winziger Funken Hoffnung blieb, lag vor ihm, im Schmutz. Mit zitternden Fingern griff Draco nach dieser Hoffnung, die sich als kratzig herausstellte, von Ratten zernagt war und nach Fäulnis und Blut roch – und ganz vage nach Harry, nach Wind und Gras und Frieden, was dieses Stück Stoff plötzlich weicher und duftender erscheinen ließ, als teuersten Kaschmir. Erst jetzt spürte Draco die Kälte wirklich, die in seine Knochen kroch wie schleichendes Gift, die seine Zähne unkontrolliert aufeinanderschlagen ließ. Spürte erst jetzt die Feuchtigkeit, die ihn schaudern ließ, als er sich bewegte, sich in die Decke hüllte, als wäre sie ein kostbares Geschenk. Vielleicht hatte Harry sie wirklich nur deshalb fortgeworfen, weil sie starr vor Dreck und Unrat war. Aber vielleicht, nur vielleicht, hatte er sie ihm auch zugeworfen, weil doch noch nicht alles verloren war. „Danke“, krächzte Draco mit einer Stimme, die er nicht als seine eigene erkannte. Sein Blick war brennend auf Harry gerichtet, der erstarrte, die Fäuste ballte und sich nichtssagend brummend wieder in sich zusammenrollte. Draco wartete, drängte nicht, stand nicht auf und schmiegte sich an ihn, wie es sein Körper, seine Seele verlangte. Er zog nur die Decke dichter um seine Schultern, keimende Hoffnung in sich, die er kaum zuzulassen wagte, die ihn in den unruhigen Schlaf der Erschöpfung begleitete. Die Hoffnung, dass doch noch nicht alles verloren war. ooOoo Megans Herz blieb plötzlich stehen, pumpte keinen Tropfen Blut mehr durch ihren schreckstarren Körper, als sie erwachte. „Still. Dir passiert nichts.“ Eine große, schwere Hand presste sich auf ihren Mund, dämpfte das jämmerliche Wimmern, als sie einfach hochgehoben wurde. Wie damals, als sie von Schreien, Feuer und Tod umgeben war. Die Erinnerung war nur dunkel – Nurai hatte etwas getan, das wusste Megan noch, um den Schrecken von ihr fortzunehmen – und doch reichte sie, um Megan wie wild strampeln zu lassen, verzweifelt in die raue Handfläche beißend, um Mutter und Schwester zu wecken, die ihr helfen würden. „Wirst du wohl…“ Ein ungehaltenes Knurren, das sie ganz und gar nicht beruhigen konnte. Schon gar nicht, als die Tür sich leise knarrend öffnete und wieder schloss, sie einen kühlen Luftzug spüren konnte, als sie den Gang entlang getragen wurde. Megans Gedanken überschlugen sich, sie biss fest die Zähne aufeinander, um nicht zu weinen, um der Panik nicht nachzugeben, die sie einhüllte wie ein dunkles Tuch. Im schwachen Licht konnte sie das zerfurchte Gesicht eines alten Mannes erkennen. Einer von Harrys Lehrern, einer vom Orden… kein Werwolf. Aber wohl auch kein Freund, wenn er sie mitten in der Nacht verschleppte. Megan nahm alle Willenskraft zusammen, gab es auf, sich zu wehren, machte sich ganz schwer und wartete auf eine winzige Unaufmerksamkeit des Mannes. Die er ihr tatsächlich gönnte. Der unbarmherzige Griff lockerte sich, ein wenig nur, doch es reichte, dass Megan ihre Zähne in den vernarbten Handrücken schlagen und zubeißen konnte. „Du verdammte kleine Göre!“ Megan schlug hart mit beiden Knien auf dem Boden auf, als sie abrupt losgelassen wurde, schüttelte nur kurz den Kopf, um den Schwindel zu vertreiben, rannte los. „Petrificus totalus!“ Und wurde so jäh aufgehalten, dass sie der Länge nach hinschlug, als ihre Beine den Dienst versagten. Heiße Tränen der Hilflosigkeit und des Schmerzes brannten in ihren Augen, als sie erneut hochgehoben wurde. Keinen einzigen Finger konnte sie rühren, nicht einmal schreien konnte sie, nur unterdrückt schluchzen und dem zerstörten Gesicht wütende Blicke zuwerfen. „Den Hintern sollte man dir versohlen“, brummte der alte Mann (Moody – Harry hatte ihn Mad Eye Moody genannt…), während er sie unbeirrt durch die verlassenen Gänge trug. Er klopfte kurz und knapp an eine Tür, hinter der hitzig diskutiert wurde und trat ein. „… ich denke, dass dem Minister sehr daran gelegen ist, mit mir zu sprechen…“ „… du bist doch vollkommen wahnsinnig! Du kannst doch nicht verlangen, dass ich –“ „Hier ist das kleine Biest.“ Megan schnappte nach Luft, als sie recht unsanft auf einem Schreibtisch abgeladen wurde und das überraschte Gesicht Minerva McGonagalls über ihr auftauchte. Ebenfalls keine Freundin, wenn sie sich an Dracos abfällige Kommentare erinnerte, auch wenn die Augen hinter der Brille gütig und sanft schienen. „Was hast du mit dem armen Kind gemacht, Alastor? Sie ist ja völlig verschreckt!“ Minerva sah tadelnd auf den Mann, der sich schnaubend auf einem Stuhl niederließ und sich die verletzte Hand rieb. „Hat mich gebissen“, knurrte er. „Ganz hinterrücks.“ „Kein guter Anfang“, murmelte Minerva, sah wieder lächelnd auf Megan herab, die misstrauisch die Stirn krauste; da war etwas Lauerndes in den dunklen Augen, etwas, das ihr nicht gefiel. „Finite.“ Megan richtete sich langsam auf, als ihr Körper wieder gehorchte und ihre Glieder nicht mehr starr wie straff gespannte Seile waren. Wachsam sah sie in die Runde; in Moodys mürrisches Gesicht, so furchtbar verwachsen, dass es sie auch bei hellem Tageslicht zu Tode erschreckt hätte. Sie betrachtete Minervas Lächeln und das Misstrauen wuchs, etwas daran war nicht echt, Härte schimmerte durch die Güte hindurch. Und schließlich sah sie den anderen Mann an, Lupin, in dessen Augen beißende Schuld und Qual standen. „Megan…“ Minervas Stimme riss Megan aus ihrer Betrachtung, das Lächeln war verschwunden, hatte der Stahlhärte gänzlich Platz gemacht. „Wir brauchen deine Hilfe, Megan.“ Megan rutschte langsam vom Schreibtisch, sie kam sich vor wie ein gefangenes Tier – mehr noch, als Moody drohend den Zauberstab hob, als sie einen Schritt zur Tür machte. Aber vielleicht konnte sie es dennoch schaffen, zu Draco und Harry laufen, sich bei ihnen verstecken, sich von ihnen beschützen lassen… „Draco braucht deine Hilfe, Megan. Er hat etwas sehr, sehr Dummes getan.“ Megan, schon zur Flucht bereit, erstarrte als wäre sie erneut verhext worden. Ihre Lippen waren so taub, dass sie kein Wort hervorbrachten, sich nur stumm bewegten, wie bei einem Fisch auf dem Trockenen. Sie sah wie hypnotisiert zu Minerva, die gebieterisch eine Hand hob, als irgendwo ein Stuhl krachend zu Boden schlug und eine wütende Stimme etwas rief, das Megans Verstand nicht erreichte. „Draco…?“, wisperte Megan schließlich, schluckte mühsam an dem harten Klumpen, der in ihrer Kehle feststeckte. „W-was ist mit ihm?“ Minervas Stimme war wie ein dunkler Sog, der Megan mit sich fortrug, sie in eine Welt katapultierte, wo oben unten und schwarz weiß war: „Er hat Harry von hier fortgebracht, zum Dunklen Lord. Er wusste nicht, wie groß die Gefahr ist. Er braucht dringend Hilfe, Megan, er und auch Harry und uns bleibt nicht viel Zeit…“ Die Worte wirbelten in Megans Verstand umher wie Blätter im Wind. Draco war fort, war mit Harry fort, beim Dunklen Lord. Nein, das konnte nicht sein! Draco würde niemals– „Er hat es aber getan“, widersprach Minerva kühl und Megan wurde klar, dass sie die Worte laut gesagt hatte. Ihre Beine zitterten so erbärmlich, dass sie sich an das warme Holz der Tür pressen musste, um nicht zusammenzubrechen. Augen schreckensweit auf Minerva gerichtet, die langsam auf sie zukam, eine Hand nach ihr ausstreckte. Megan zuckte zusammen wie unter einem Schlag, als sie sanft an der Wange berührt wurde. Diese Sanftheit ließ sich nicht mit der Härte in Minervas Augen vereinbaren. „Wir müssen sie befreien, Megan. Und wir brauchen dafür Hilfe. Wir brauchen mächtige Verbündete, verstehst du?“ Minervas Stimme war nur ein Flüstern, betörend und die Worte klangen vollkommen richtig; so wahr, dass Megan nur wie hypnotisiert nicken konnte, gefangen war von diesen Augen, die bis in ihre Seele zu sehen schienen. „Du hast uns von dieser Hexe erzählt, erinnerst du dich, Megan? Von dieser Hexe und ihren Werwölfen…“ Wieder nickte Megan wie betäubt, sah Nurais Gesicht vor sich, wettergegerbt und faltig, die hellen Augen stechend in ihrer Intensität. Nurai… Nurai würde helfen, würde Draco befreien, der Harry zum Dunklen Lord gebracht hatte… Draco, der… es wollte einfach nicht zusammenpassen. Megan wusste einfach, dass Draco Harry niemals so verraten hätte. Dass er sie niemals so verraten, sie verlassen hätte. „Warum? Warum hat Draco das gemacht?“ Megans Zunge schlug schwerfällig an, als hätte sie das Sprechen gerade erst gelernt, der Schwindel in ihrem Kopf nahm zu, so wie das Leuchten in Minervas Augen. „Er dachte, er könnte seine Eltern retten. Doch jetzt ist er selbst ein Gefangener. Er wird sterben, Megan.“ Blanke Angst, klar und schneidend, schlug über Megan zusammen, ließ sie nach Luft ringen und plötzlich war ihr das Warum völlig gleichgültig. Nur dieser eine Satz hatte noch Bedeutung. Draco wird sterben. „Hilfst du uns, Megan?“ Sterben. „Führst du uns in diesen Wald, Megan?“ Sterben. Sterben. Sterben. „Ja…“ Megan schauderte, als Minerva plötzlich lächelte, die Augen glimmend vor Zufriedenheit, und jene seltsame Taubheit plötzlich von ihr abfiel, kaum, dass die Frau sich von ihr abwandte, einen der Männer ansah, den, der so unglücklich aussah. „Ihr reist noch heute ab.“ ooOoo Harry fragte sich, warum es so verflucht kalt war, so kalt, dass er unkontrolliert zitterte und rückwärts rutschte, nach der vertrauten Wärme Dracos suchend. Doch statt eines weichen Körpers fand er nur das Ende des Bettes und mehr von dieser feuchten Eisigkeit. Schlaftrunken blinzelte Harry, starrte verständnislos auf kahle Steinwände und Gitterstäbe, die so gar nichts mit Dracos karg eingerichtetem Zimmer gemein hatten. Dann krümmte Harry sich unter der Wucht der Erinnerung. Ganz plötzlich war es wieder da, dieses verfluchte Wissen, was geschehen war, was Draco getan hatte. Was er selbst getan hatte. Harry schloss die Augen, verschloss sie vor der bitteren Realität, vor Draco, den er nicht ansehen wollte. Alles, nur nicht das. Noch immer schmerzten seine Fingerknöchel, noch immer glaubte er das Knirschen zu hören, mit dem Dracos spitze Nase brach. Harry machte sich ganz klein, versuchte, sich an diesen Zorn zu erinnern, der ihn blind und taub hatte sein lassen, doch dieses dunkle Wesen schien zu schlummern – und ließ seinem schlechten Gewissen freie Hand, über ihn zu richten. Er hat mich verraten. Er hat mich die ganze Zeit belogen. Er hat uns in diese absolut beschissene Situation gebracht! Harry rief sich Dracos Vergehen wieder und wieder ins Gedächtnis, wiederholte sie wie ein verzweifeltes Gebet, dennoch kehrte die Wut nicht zurück. Da war nur Sehnsucht, Bedauern – und die Furcht, aufzublicken, wirklich zu sehen, was er angerichtet hatte. Furcht davor, dass Draco ihm ansehen würde, was er empfand. Schon in der Nacht hatte Harry sich und seinen gerechten Zorn selbst verraten. Weil er gehört hatte, wie sehr Draco fror, weil er das leise Klappern der Zähne, das erbärmliche Schniefen, das schmerzerfüllte Stöhnen nicht hatte ertragen können. Die Decke war ein Kompromiss gewesen. Ein fauler Kompromiss, hätte Harry Draco doch viel lieber neben sich gespürt, sicher und warm, wäre da nicht sein Stolz gewesen, der vehement protestiert hatte. Stolz, in den er sich jetzt auch flüchtete. Aber war es wirklich nur Dracos Schuld gewesen? War Harry ihm nicht blind in diese Falle getappt? Wenn er ihm nicht so schnell vertraut, alle Bedenken beiseite geschoben hätte. Wenn er sich nicht wie ein verknallter Trottel aufgeführt hätte. Wenn Draco ihm doch nur die Wahrheit gesagt und nicht ständig in Rätseln gesprochen hätte. Wenn. Wenn. Wenn! Wenn doch nicht nur alles eine Lüge gewesen wäre, die jetzt an Harry fraß wie bösartige Säure. Harry war glücklich gewesen. Wirklich glücklich. Und es tat weh, zu erkennen, dass diese Augenblicke nicht mehr als Illusion waren, ein Hirngespinst aus Lügen, von dem Harry sich nur zu gern hatte einlullen lassen. Draco war wie Licht, das in Harrys Seele eindrang, diese dunklen Schatten in seinem Innersten zurückwarf. Schatten, die Voldemort ihm vielleicht einst mit diesem Fluch eingepflanzt hatte, die ihn selbst erschreckten. Diese Dunkelheit, die ihn letzte Nacht rücksichtslos hatte zuschlagen lassen. Für die er sich jetzt so entsetzlich schämte, dass er drauf und dran war, seinen Stolz einfach hinunterzuschlucken. Das Bett knarrte leise, als Harry sich aufrichtete, tief Luft holte, um Draco zu sagen… Was eigentlich? Hör mal, es tut mir Leid, dass ich dich so verprügelt habe. Können wir das Ganze nicht vergessen und einfach von vorn beginnen? Wohl kaum. Das Geräusch von Stahl, der über Stein schrammte, schreckte Harry auf. Jemand betrat ihre Zelle. Und einen Wimpernschlag später, war Harry auch schon auf den Füßen, bereit, sich (Draco) mit bloßen Händen zu verteidigen. Im dämmrigen Licht der Fackel konnte Harry kaum mehr als die große Silhouette des Mannes erkennen, der mit erhobenem Zauberstab in der geöffneten Tür stand, ihn beobachtete, lächelnd schimmernd weiße Zähne zeigte, bevor er eine einladende Handbewegung machte. „Draco.“ Für einen Moment waren alle Vorwürfe vergessen. Purer Instinkt ließ Harry handeln und dieser Instinkt diktierte ihm, Draco unter keinen Umständen aus den Augen zu lassen. Mit einem Schritt stand er zwischen dem bedrohlichen Fremden und Draco, der sich tatsächlich anschickte, dem Befehl ohne Protest zu folgen. „Nein.“ Mehr brachte Harry nicht heraus. Er war sich Dracos Blicke nur zu bewusst, schienen sie doch auf seiner Haut zu brennen. Er war sich bewusst, dass er wohl kein Recht hatte, sich als großer Beschützer aufzuspielen. Er war sich bewusst, dass er sich gerade vollkommen lächerlich machte. Und doch konnte er nicht anders. Er konnte Draco nicht einfach gehen lassen, mit diesem Todesser. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, ihn vielleicht nie wieder zu sehen. Diese Furcht war es, die selbst Harrys Stolz besiegte, ihn blind und panisch agieren ließ. „Harry…“ Dracos Finger auf seiner Schulter waren so kalt, dass Harry es selbst durch sein Hemd spüren konnte. Doch das war es nicht, was ihn schaudern ließ – es war Dracos Stimme, ganz dicht an seinem Ohr: „Ich habe keine Wahl. Ich muss gehen.“ „Nein! Sie können dich nicht zwingen!“ Sturheit, in ihrer reinsten Form, ließ Harry wild den Kopf schütteln, nach Draco greifen, dessen schmaler Körper unmerklich zitterte und Harrys Entschlossenheit, ihn nicht gehen zu lassen, nur schürte. „Natürlich können sie mich zwingen“, flüsterte Draco eindringlich; er stand so nah, dass Harry trotz des diffusen Lichts die dunklen Schatten unter seinen Augen erkennen konnte, und die Blutspuren im blassen Gesicht. „Ich… mir wird schon nichts passieren…“ Harry presste die Lippen zusammen, angesichts dieser offensichtlichen Lüge, zumal Dracos Stimme so verräterisch bebte, dass Harry seinen Griff um Dracos Arm nur noch verstärkte. „Klar, bei denen bist du in den besten Händen!“, zischte er wütend, und dann lauter, herausfordernd: „Wir gehen zusammen!“ Für einen Moment schien es, als würde der Todesser eine Antwort verweigern, diese lächerliche Forderung einfach ignorieren. Dann lachte er, leise, heiser und keineswegs amüsiert. „Du bist nicht unbedingt in der Lage, Bedingungen zu stellen, Potter. Außerdem sieht es nicht so aus, als wäre Draco bei dir besonders gut aufgehoben.“ Lumos blitzte jäh auf, blendete Harry für eine Sekunde, bevor er seinen netten kleinen Wutausbruch der letzten Nacht bei voller Beleuchtung betrachten durfte. Es war nicht nur der Schlafmangel, der Draco dunkle Augenringe beschert hatte. Zähne zusammengebissen, sah Harry den Todesser an und schüttelte wieder den Kopf, nur, um einen Sekundenbruchteil später von den Füßen gerissen zu werden und rücklings auf den Boden zu krachen. Die Wucht des Aufpralls presste ihm alle Luft aus den Lungen, ließ ihn für unendlich lange Momente glauben, zu ersticken. Und es zeigte ihm, wie hilflos er wirklich war. Wut, Schmerz und Machtlosigkeit trieben ihm heiße Tränen in die Augen, als er keuchend zu Draco sah, der unentschlossen einen Schritt auf ihn zumachte. „Genug der Spielchen, Draco. Komm jetzt mit!“, befahl der Todesser ungeduldig, packte Draco hart am Arm und zerrte ihn aus der Zelle hinaus. Das metallische Knirschen, mit dem die Tür verschlossen wurde, trieb Harry trotz der pochenden Schmerzen in seinem Rücken erneut auf die Beine. Mit zwei Schritten war er an den Gittern, umklammerte die Stäbe, Draco nicht aus den Augen lassend, der neben dem Todesser herging, Kopf ergeben gesenkt. Keine Spur mehr der arrogante Slytherin, der Harry einst in den Wahnsinn getrieben hatte. Und jede Faser in Harry verlangte mehr denn je danach, ihn nicht allein zu lassen. Mit aller Kraft klammerte Harry sich an den Gittern fest, wollte einfach nicht wahr haben, dass die Todesser sie spielen konnten wie Schachfiguren, dass sie deren Willen vollkommen ausgeliefert waren. Dass man sie kaltlächelnd trennen konnte. Für immer vielleicht. Harry wurde ein letzter Blick aus aufgerissenen, grauen Augen zuteil, als Draco sich nach ihm umsah, einen Herzschlag lang, bevor er hinter der nächsten Biegung verschwand. Und dieser Blick, dieser letzte Blick voller Angst, zeriss Harry das Herz in der Brust. Jetzt hätte er Draco nur zu gern alles verziehen, jedes Wort, jeden Schlag zurückgenommen. Jetzt – „Ergreifend, Potter. Und so unglaublich dumm, dass mir die Worte fehlen.“ Harrys Verstand setzte aus, weigerte sich, diese Stimme zu hören, die er nur zu genau kannte. Er stieß sich so schnell von der Zellentür ab, als wäre sie jäh glühend heiß, stolperte keuchend rückwärts, als Snape sich aus der Dunkelheit schälte wie ein schwarzes Insekt aus einem Kokon. „Der Dunkle Lord müsste noch nicht einmal in Ihre Gedanken eindringen, um zu wissen, was Sie für Draco empfinden. “ Harry weigerte sich noch immer, die Worte zu begreifen, Snape als real anzusehen. Das konnte nicht sein. So viel Pech durfte er einfach nicht haben. Das Schicksal hatte es wirklich auf ihn abgesehen, wenn es ihn eingesperrt und wehrlos Snape gegenüberstellte, dessen Untergang er sich doch viele Male genüsslich vorgestellt hatte. Harry hatte Rache gewollt – und jetzt bekam er wieder einmal nichts weiter als beißenden Spott und das heiße Gefühl des Versagens. „Sind Sie jetzt etwa schockiert, Snape?“, presste Harry mühsam hervor, am ganzen Leib zitternd, von dem Wunsch besessen, keine Schwäche zu zeigen. Dennoch, die Erinnerung ließ jene Dunkelheit in Harry beinahe erwachen. Er konnte sie spüren, wie sie sich in ihm wand, wie ein großes, tödliches Tier, das ferne Beute witterte und sich nicht entscheiden konnte, ob es sich lohnte zuzuschlagen. Diese Erinnerung, so klar, als würde Harry noch einmal oben auf dem Astronomieturm stehen. Als würde er noch einmal Snapes schneeweißes, verzerrtes Gesicht sehen, Dumbledores Flehen hören, bevor grünes Licht dessen Leben auslöschte. Dennoch waren da noch immer angstvolle graue Augen, die jene Bilder überschatteten, Harrys Rache klein und nichtig scheinen ließen. Wie schnell sich doch die Prioritäten ändern konnten. „Nicht doch, Potter. Ich hätte es mir denken können. Denn wie sagt man so schön? Was sich liebt, das neckt sich“, erklärte Snape in Plauderton und lächelte so herablassend, dass Harrys Blut kochte und etwas in seinem Kopf laut und deutlich Pling machte. Harry flog regelrecht auf die Gitter zu, als hätte er tatsächlich eine Chance, sie durch bloße Kraft zu überwinden. „Mörder!“, zischte er, außer sich vor unhaltbaren Zorn. „Sie sind nur ein verdammter, feiger Mörder! Wagen Sie es ja nicht, sich darüber lustig zu machen!“ Harrys Welt, in grelles rot getaucht, verschwamm vor seinen Augen. Snape schwieg, regte keinen Muskel, um die Beleidigung zu sühnen, in diese verfluchte Zelle zu kommen und Harry die Chance auf Rache zu geben. Weder das leise Seufzen, mit dem Snape sich müde über die Augen rieb, noch der fast bedauernde Blick, den er ihm zuwarf, half, Harrys Blut abzukühlen. „Noch immer der gleiche Heißsporn, der angreift, ohne zu denken“, murmelte Snape, trat einen Schritt vor, Zauberstab erhoben und Harry spannte sich kampfbereit an. Doch Snape beachtete ihn gar nicht, deutete auf eine Stelle hinter Harry, flüsterte Worte, die Harry in seinem Zornrausch nicht verstand. Aber dass er noch immer stand, Gitterstäbe erwürgend, irritierte ihn doch ein klein wenig. „Was soll das? Lassen Sie mich raus und wir tragen es endlich aus!“ Snape warf ihm nur einen kurzen Blick zu, verzog Mund und Nase, als würde er etwas außergewöhnlich Übles riechen und wandte sich mit einem Augenrollen dem Eimer zu, der stinkend und verklebt in der finstersten Ecke der Zelle stand. „Vielleicht sollten Sie bis zehn zählen, um sich zu beruhigen. Ich hörte, dass das manchmal helfen soll.“ „Ich will mich aber nicht beruhigen! Ich will Sie bluten sehen, verdammter Bastard! Was stehen Sie hier eigentlich noch rum, während die Todesser mit Draco wer weiß was anstellen? So feige können nicht mal Sie sein!“ Harry spuckte Gift und Galle, provozierte verzweifelt, ohne nachzudenken, ohne zu merken, dass mehr die helle Sorge um Draco aus ihm sprach, denn gerechter Zorn. Er fühlte sich Snape gegenüber schwächer den je. Vor allem, als der Mann ihn tadelnd ansah wie ein ungezogenes Kind. „Der Dunkle Lord braucht Draco lebend – zumindest noch für eine Weile. Und es wird eine längere Weile, wenn Sie endlich aufhören würden, sich wie ein balzender Platzhirsch aufzuführen, sobald jemand in Dracos Nähe kommt, Potter!“ Nun zeichnete echte Wut Snapes Züge, verzerrte sie zur Grimasse, als er näher kam, allerdings nicht so nahe, dass Harry ihn durch die Gitter erreichen konnte. „Sie geben dem Dunklen Lord alle Ihre Karten in die Hand, ohne auch nur zu versuchen, zu bluffen, Sie dummer, kleiner Idiot! Genau das wird Draco das Leben kosten! Und Sie vielleicht Ihre –“ Snape brach ab, presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, als hätte er schon zuviel verraten. Und das Blatt wendete sich. Jenes Etwas in Harry witterte Snapes Unsicherheit, als der Mann noch einen Schritt näher trat, übernahm die Kontrolle, ließ sein Herz langsamer schlagen, schärfte seine Sinne. Und Harry gab sich dieser beruhigenden Dunkelheit hin, atmete aus, gelassen, sah die Welt überdeutlich und klar, die scharfen Konturen Snapes, den feinen Schweißfilm auf der hohen Stirn, das unmerkliche Zittern der langen Finger, das sich auf den Zauberstab übertrug, der jetzt auf ihn gerichtet war. Nur noch wenige Zoll waren vonnöten… „Das muss doch wie ein Fest für Sie sein, Snape“, flüsterte Harry, jede Faser seines Körpers angespannt und graue Augen verdrängend, die ihm diese überlegende Ruhe wieder nehmen konnten. „Jetzt können Sie sich ganz ausführlich und unbeobachtet rächen, durch mich, an meinem Vater…“ In Snapes Augen flackerte es verräterisch und Harry bleckte grinsend die Zähne, wähnte sich seinem Ziel schon ganz nahe. Fast konnte er ihn spüren, Snapes Zauberstab in seinen Händen. Fast konnte er es sehen, dieses grüne Licht, das alles Leben aus ihm herauspressen würde. Hass brandete durch Harrys Körper wie eine Flut, unaufhaltsam und zerstörerisch. Der kleine Unterschied, der den Fluch diesmal gelingen lassen würde. Harry hatte es nie verstanden. Bis jetzt. „Ich weiß, was mein Vater getan hat, wie er Sie lächerlich gemacht hat, vor der ganzen Schule. Kein Wunder, dass Sie mich hassen… und jetzt bin ich hier, unbewaffnet, vollkommen hilflos, ausgeliefert…“ Snapes Gesicht war so weiß, als wäre kein einziger Tropfen Blut mehr in seinem Körper, als er den letzten Schritt tat, den letzten Schritt, der noch nötig war, der Harry triumphierend keuchen ließ. „Merlin hilf uns allen, der Dunkle Lord hat Recht…“ Harry wähnte sich dem ersehnten Ziel so nahe, dass er die Worte kaum hörte. Er hatte nur Augen für den Zauberstab, griff danach – und schrie, voller Frustration, als er am Kragen gepackt, gegen die Gitter gezogen wurde, sich keinen Zoll mehr bewegen konnte. Snapes Blässe war einem ungesunden Gelb gewichen, als er die Spitze des Stabes an die Schläfe führte. „Ich hasse Ihren Vater nicht, Potter. Ich habe ihn niemals gehasst.“ Snape würgte regelrecht an den Silben, starrte Harry an, der verzweifelt zappelte, fauchte und spuckte wie ein gefangenes Tier. Wie jene Kreatur in ihm, die seine Seele grade in Stücke riss. Die Spitze des Zauberstabes presste sich gegen Harrys Stirn… „Legilimens!“ Und stürzte ihn in eine andere Welt, eine andere Zeit, ins Chaos. ooOoo Die Sonne schickte ihre ersten blutroten Strahlen über die schlafende Landschaft, als Megan durch das große Tor trat, neben sich jenen Mann, der sich mit gezwungenem Lächeln als Remus vorgestellt hatte. Noch immer wähnte Megan sich in einem schlechten Traum. Draco war fort, mit Harry, den er verraten hatte – wenn die Frau die Wahrheit sagte… Jetzt zweifelte Megan wieder an den Worten. Ihr wollte einfach kein Grund einfallen, warum Draco so etwas tun sollte. Warum Draco so dumm sein sollte, zu glauben, dadurch seine Eltern zu retten. Und es ging so schnell, alles ging so wahnsinnig schnell, dass Megan kaum wusste, wie ihr geschah. Sie hatte sich nicht einmal von Mutter und Schwester verabschieden können. Minerva McGonagall hatte nur gelächelt, jenes beunruhigend falsche Lächeln, und gesagt, dass sie sich darum kümmern würde. Megan war sich da nicht so sicher. Sie alle hatten es alle so eilig, dass es ihr Misstrauen nur noch schürte. Sie glaubte fast, die Lüge schmecken zu können, die sich hinter den angeblichen Wahrheiten verbarg. Kaum fassbar, wie ein Scherenschnitt. Der Mann, Remus, schwieg. Er schwieg verbissen, ging vornübergebeugt, als müsse er gegen starken Wind ankämpfen, dabei wehte kaum ein Lüftchen. Er lief einfach geradeaus, ohne erkennbares Ziel und viel zu schnell – Megan musste fast rennen, um mitzuhalten. Und die ganze Zeit brannten ihr eine Frage beinahe Löcher in die Zunge, bis sie sie keuchend ausspuckte: „Hat Draco das wirklich getan? Freiwillig?“ Megan hoffte, dass Remus verneinen würde, dass es sich als Missverständnis herausstellen würde, dass Draco vielleicht unter einem Zauber gestanden hätte – jede Erklärung war Megan recht, solange sie nur Dracos Unschuld bewies. Remus zuckte zusammen, als hätte er ihre Anwesenheit längst vergessen. Dann blickten hellbraune Augen auf sie herab, traurig und voller Selbsthass. „Ja.“ Ein einziges Wort und doch reichte es, Megans Welt zu kleinen Scherben zerschellen zu lassen. Sie sah Draco vor sich, wie er sie anlächelte, jene sparsam dosierten Lächeln, die umso kostbarer waren. Sie sah ihn vor sich, wie er Harry anblickte, in scheinbar unbeobachteten Momenten… da waren seine Augen voller Licht gewesen, das Megans Herz krampfhaft zusammengepresst hatte. Doch in manchen Momenten war da noch etwas anderes gewesen, Angst und Zweifel und der gleiche Selbsthass, der Remus’ Augen jetzt dunkler färbte. „Er hat es getan, weil er den falschen Leuten vertraut hat. Draco hat gedacht, es wäre das Richtige, dass er nur so das Leben seiner Eltern schützen kann.“ Megan nickte. Sie verstand. Sie wollte es verstehen! Man hatte Draco hereingelegt. Draco hatte einen Fehler gemacht. Fehler konnte man wieder gut machen. Fehler konnten verziehen werden. Später. Jetzt mussten sie erst Hilfe holen. Nurai würde helfen, eine Lösung finden und Harry würde Draco bis dahin beschützen, ganz bestimmt. Megan spürte, wie der Knoten sich löste, der ihr das Atmen schwer gemacht hatte. Sie lächelte den Mann zögerlich an, der vielleicht ein Freund war und klammerte sich an die Zuversicht, die sie warm und tröstlich durchflutete. „Wir suchen Nurai und Ignis und retten die beiden“, erklärte sie entschlossen, lief schneller, von Euphorie beflügelt, drehte sich um die eigene Achse, um Remus anzusehen, der zweifelnd den Kopf schief legte. „Und wie sollen wir diese Nurai finden?“ Megan strahlte, zuckte die Schultern und erinnerte sich an Nurais Versprechen. „Der Wald wird mich finden, wann immer ich Hilfe brauche. Und jetzt brauche ich sie ganz dringend“, erklärte sie überlegen, wandte sich um – als die Hoffnung sie mit einem Schlag verließ. Da war noch eine weitere Erinnerung… Nurai hatte vom Hosghaj erzählt und davon, dass Harry es brechen lassen könnte. Oh, und sie und Ignis schienen so überzeugt davon zu sein, dass es geschehen würde. Was, wenn Dracos Fehler nicht so leicht zu verzeihen war? Wenn er tödlich war? Megan war jetzt wirklich danach, zu rennen. Die Furcht, dass einem ihrer Freunde etwas geschehen könnte, trieb sie mehr an, als jede Hoffnung. „Wir müssen uns beeilen“, flüsterte sie, betrachtete den Himmel, erwartete fast, Risse zu sehen, die das aufkeimende Blau zerteilten. Sie zweifelte keine Sekunde lang an Nurais Worten, oder an Ignis’ Prophezeiung, dass das Hosghaj brechen würde. Die Zeit zerrann ihnen zwischen den Fingern wie Sand. „Warum… Megan, was ist los?“ Der Mann griff nach ihr, zu schnell, als dass sie sich der Berührung hätte entziehen können. Megan ergab sich, überwand sich, einen beinahe Fremden zu vertrauen, für Draco und Harry, ergriff die zerschlissenen Robenärmel, schob und zerrte Remus weiter vorwärts. Und erzählte ihm alles, was sie dem Orden bisher verschwiegen hatte. ooOoo Harry schlug um sich, kaum, dass er spürte, dass er frei war. Und blinzelte, vollkommen desorientiert, weil die Zelle verschwunden war, weil Snape verschwunden war. Statt in verhasste dunkle Augen starrte Harry auf einen breiten Rücken, auf dunkles, zerzaustes Haar, das seinem verdammt ähnlich war. Der Fremde war nicht fremd, sondern so seltsam vertraut, dass Harrys Mund jäh staubtrocken wurde und sein Herz ins Stolpern geriet. Wie immer, wenn er seinen Vater sah. Auch wenn es nur in Erinnerungen geschah. Womit er bei der berechtigten Frage war, warum James Potter in einer von Snapes Erinnerungen lächelte, als er sich umdrehte. Warum er eine Hand nach Snape ausstreckte, fast entschuldigend. „Du weißt, dass ich gehen muss.“ „Natürlich. Ich halte dich auch nicht auf.“ Nein. Harry schloss die Augen. Das konnte nicht sein. Das durfte einfach nicht sein! Snape hatte ihn mit einem Zauber belegt, er narrte einfach nur Harrys Verstand, wollte ihn in den Wahnsinn treiben. „Severus… bitte…“ Nein. Nein. Neinneinnein! „Was verlangst du noch? Dass ich dich freudestrahlend zum Nachwuchs beglückwünsche und deiner Frau schöne Grüße ausrichte?“ Ein Traum. Das ist nur ein Traum. Ein sehr schlimmer Traum. Eine Illusion! „Du weißt, dass es anders nicht sein kann, dass uns nur…“ „Ein paar lausige Stunden bleiben, wann immer du dich wegschleichen kannst!“ Jedes Wort brannte sich in Harry ein. Er leugnete noch immer, redete sich ein, dass Snape ein Spiel mit ihm trieb – doch er kannte jene silbrigen Schlieren, kannte Erinnerungen, die nicht die seinen waren. Und er wusste, dass dies hier keine Lüge war. Dass jenes besänftigende Flüstern hinter ihm, tatsächlich von James kam, dass es tatsächlich Severus Snape war, der sich anhörte wie eine eifersüchtige Geliebte. Harry schmeckte Galle, schluckte krampfhaft und konnte es dennoch nicht glauben. Nicht, bevor er es mit eigenen Augen gesehen hatte. Oh, aber es war so schwer, sich zu bewegen. Harrys Muskeln schienen aus Blei zu sein, als er sich langsam umwandte, sich zwang, die Augen zu öffnen. Snape zu sehen, unverkennbar Snape, mit Hakennase, strähnigem Haar und wachsbleicher Haut, der zuließ, dass James ihn auf die schmalen Lippen küsste. „NEIN!“ Harry schrie, als er diesen Verrat sah, wollte sich dazwischen werfen, ungeschehen machen, was schon längst geschehen war. „Du liebst Lily, hörst du! Du liebst meine Mutter!“ Doch James Wispern, während er Snape in den Armen hielt, degradierte alles, was Harry je gewusst hatte, zu Lügen. Die Wahrheit war in James’ Augen, die voller Licht waren, das gleiche Licht, das auch in Harry entbrannte, wann immer Draco in der Nähe war. „Wir werden uns bald wiedersehen, ich verspreche es dir. Noch diese Woche…“ „Versprich nichts, was du nicht halten kannst“, schnappte Snape, machte jedoch keinerlei Anstalten, sich von James zu lösen. „Du wirst kommen, wenn dir eine glaubhafte Ausrede eingefallen ist. Wie immer.“ Die Worte klangen nicht so scharf, wie sie wohl beabsichtigt waren, weil Snape seine Stirn seufzend gegen James’ lehnte, seine blassen Finger dunkles Haar durchpflügten. „Und ich werde hier sein. Auch wie immer.“ „Es tut mir Leid, Severus. Ich wünschte… ich wünschte, ich könnte es ändern. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen…“ Wieder Küsse, die Harry die Beine wegschlugen, mehr Zärtlichkeiten, die ihn auf die Knie zwangen, die er nicht sehen wollte und doch nicht übersehen konnte. Sie hatten alle getäuscht. Alle waren so blind gewesen. Niemand hatte es gesehen. Diese alles verzehrende Liebe, die Harry nur zu gut kannte, für die er alles geopfert und verraten hatte. So wie James. In Harry breitete sich tödliche Kälte aus, als etwas in ihm zerbrach. Etwas, von dem er gezehrt hatte, all die Jahre. Er hatte immer geglaubt, dass seine Eltern sich wahrhaft geliebt hatten, dass nur der Tod sie hatte trennen können. Dass sie ihn geliebt hatten. Ich wünschte, ich könnte es ändern. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen… Seine Welt war niemals perfekt gewesen, sie glich vielmehr einem Kartenhaus, wackelig, ständig vom Einsturz bedroht. Nur dieser Glaube hatte es vor dem Zusammenbruch bewahrt. Und jetzt stürzte es. Karte um Karte. ooOoo Draco stolperte neben dem Todesser her, die spärlich beleuchteten Gänge entlang, die endlos schienen und doch hoffentlich niemals endeten. Er kannte den Mann, Rabastan; er war immer in Bellatrix’ Nähe, wie ein Schatten. Und er war ebenso tödlich wie Dracos Tante. Draco schluckte gegen diese Angst an, die ihn zerfraß, die ihn in blinder Panik davonstürzen lassen wollte. Zurück zu Harry. Harry… dieser kleine Funken Hoffnung hatte sich zu einem Waldbrand entzündet, als Harry ihn nicht hatte gehen lassen wollen, als er echte Sorge in dessen Augen gesehen hatte. Jene Hoffnung war es, die Dracos Furcht nur noch weiter anfachte. Sie würden alles erfahren. All das, was sie bis jetzt noch nicht wussten. Jede Begebenheit, jede Schwäche, jedes kleine Detail, würde Draco ihnen offenbaren. Draco wusste es, er hatte Gefangene sterben sehen. Oft. Eine der Lektionen Bellatrix’. Er sollte lernen. Und er hatte gelernt. Er hatte gelernt, wie bereitwillig ein Mensch redete, wenn seine Knochen barsten, sein Blut den Boden tränkte… Draco grub die Zähne in seine Unterlippe, als seine Kehle eng wurde, seine Augen brannten. Er starrte auf den unebenen Boden vor sich, zwang sich Schritt für Schritt vorwärts. Diese Art von Schwäche durfte er sich nicht erlauben. Nicht jetzt schon. Er würde noch genug davon zeigen. Wenn er um sein Leben und später um seinen Tod betteln würde. „Bleib stehen.“ Draco gehorchte, blieb ihm doch keine andere Wahl. Kopf noch immer gesenkt, atmete er gegen die Grausen an und blinzelte, mehr verblüfft denn ängstlich, als ihm tatsächlich ein Zauberstab unter die Nase gehalten wurde. Sollte es wirklich so einfach sein? Machten sie es ihm tatsächlich so leicht? „Wenn ich dich so zu deinen Eltern bringe, stürmt Lucius direkt los und geht Potter an die Gurgel. Darüber wäre der Dunkle Lord vermutlich nicht sehr erbaut, also halt still. Episkey!“ Draco hatte grade noch genug Zeit, Luft zu holen, als scharfer, kalter Schmerz durch seine Nase schoß, die Knochen mit einem Knirschen neu gerichtet wurden. Keuchend taumelte er rückwärts, hob reflexartig beide Hände vors Gesicht, die Rabastan mit einem Schnauben beiseite wischte. „Stillhalten, habe ich gesagt.“ Draco wurde am Kragen gepackt, wurde gezwungen es auszuhalten, auch wenn das Schlimmste vorbei schien. Jetzt war kein Schmerz mehr zu spüren, nur das unangenehme Gefühl, als hätte er Vielsafttrank genommen, der sein Gesicht verformte. „Das war’s. Kein Grund, sich so anzustellen.“ Rabastan ließ ihn los, bedachte Draco mit einem hochmütigen Blick, der treffender als Worte ausdrückte, wie wenig er von ihm hielt. Draco schluckte seinen Stolz schwerfällig hinunter, murmelte einen Dank, der mit unwilligem Knurren beantwortet wurde, bevor Rabastan ihn grob vorwärtsstieß. Erst jetzt wurde Draco sich bewusst, welch kostbare Information er erhalten hatte, welche Last ihm von der Seele genommen war. Er war nicht auf dem Weg in die Folterkammer. Er würde seine Eltern wiedersehen, endlich. Keinen Augenblick zweifelte er daran – warum hätte Rabastan sich sonst die Mühe machen sollen, seine Verletzungen zu heilen? Harrys Zeichen der Wut waren ein Witz gegen das, was Voldemorts Leute mit ihm anstellen würden. Rabastan sprach kein weiteres Wort, während er Draco durch die Gänge führte, an weiteren Zellen vorbei; die meisten leer, doch manchmal erhaschte Draco einen Blick auf verzweifelte Gesichter, blass und abgezehrt unter der Schicht, die wohl kaum nur Schmutz war. Er wandte sich schaudernd ab, wenn sich zitternde Hände durch die Gitter schoben, stumm flehend. Es rief ihm ins Gedächtnis, was in nicht allzu langer Zeit aus Harry und ihm werden würde. Nein, er wollte nicht daran denken, wollte nicht der Panik verfallen, die ihn in ihren Klauen hatte, mit ihm spielte. Draco fixierte Rabastans Rücken, ohne noch nach rechts und links zu sehen, bis sie sich einer Tür näherten; vermutlich eine alte Schlafkammer der früheren Kerkermeister, die jetzt ungenutzt war. Aus Voldemorts Verliesen gab es kein Entkommen. Hinter dieser Tür wartete seine Eltern – und trotz aller Erleichterung, trotz aller Vorfreude, beschlich Draco Nervosität, die ihn gedankenlos nach Rabastans Arm greifen ließ. „Wissen sie… das mit Harry?“ Rabastans Augen waren schmal und spöttisch und Dracos Mund wurde trocken, als der Mann ihn angrinste, knapp klopfte und die Tür öffnete. „Ihr habt zwanzig Minuten.“ Draco schauderte unwillkürlich, ballte die Fäuste und schluckte krampfhaft – als schlanke Arme ihn umschlangen, seine Nase an eine weiche, duftende Halsbeuge gedrückt wurde. Ein Geruch, pudrig und sanft, so unverkennbar mit seiner Mutter verknüpft, dass Draco sie erkannt hätte, selbst wenn er blind gewesen wäre. Die Erleichterung rang ihm ein Schluchzen ab, sie war tatsächlich hier. Gleichzeitig brannten seine Wangen vor Scham, weil sie es wusste und weil er sich so sehr davor fürchtete, sie anzusehen. Seinen Vater anzusehen. Was würden sie sagen? Was denken? Würden sie ihn verachten? Für sein Versagen, für seine Schwäche? Draco war froh, dass er sich noch einen Moment in dieser Umarmung verstecken konnte, dass er sich für eine Sekunde noch halten lassen konnte wie ein Kind. „Geht es dir gut, mein Sohn?“ Weiche Hände umfassten sein Gesicht, zwangen Draco, den Blick zu heben. Fast erschrak er, ob der dunklen Schatten unter den müden Augen seiner Mutter, der feinen Linien, die sich in ihre helle Haut gegraben hatten. Erst jetzt wurde er sich bewusst, wie zerbrechlich der Körper war, der ihn festhielt. Jetzt war er Rabastan mehr als dankbar für dessen Voraussicht. Draco konnte nur nicken und erstickt keuchen, als seine Mutter erneut ihn mit einer Kraft umarmte, die kaum in diesem zarten Leib stecken konnte, und die seine Rippen knirschen ließ. „Mutter… mir geht es gut, wirklich…“, flüsterte er unsicher, tätschelte ungeschickt den bebenden Rücken Narzissas, die er bisher nur ein einziges Mal hatte weinen sehen – in jener Nacht, als sein Vater nach Askaban gebracht worden war. Und er war fast schon erschrocken, als er seines Vaters Arme um sich spürte, das trockene Schluchzen vernahm, das er einfach nicht mit dem Mann verbinden konnte, zu dem er all die Jahre aufgesehen hatte. „Du… was hast du nur angestellt, Draco! Hättest du dich nicht einfach an den Plan halten können? Stattdessen bist du jetzt auch ein Gefangener und der Köder für Potters verfluchte Seele!“ Draco zuckte unwillkürlich zusammen. Waren das schon die befürchteten Vorwürfe? Nein, sein Vater klang verzweifelt, nicht, als würde er Draco als Schande empfinden. „Es… es tut mir Leid… wirklich… ich wusste nicht, dass es eine Falle war.“ „Das spielt doch jetzt keine Rolle mehr.“ Narzissa richtete sich auf, wischte sich fahrig mit dem Handrücken über die feuchten Augen und betrachtete Draco mit einer Liebe, die sein Herz von einer weiteren Last befreite. Was auch immer sie von alledem hielt, sie hasste ihn wenigstens nicht für das, was ihn mit Harry verband. „Jetzt müssen wir daran denken, dass du unbeschadet aus diesem Schlamassel hinauskommst. Wir haben einen neuen Plan und wir brauchen dich, damit er funktioniert.“ „Was? Wovon redest du?“ Draco blinzelte, entwand sich den Händen seiner Eltern, um sie ansehen zu können. Auch wenn ihm weder der bedauernde Ausdruck seiner Mutter noch der strenge Blick seines Vaters sonderlich gefiel. „Du musst Potter dazu bringen, dass er diese lächerlichen Gefühle für dich vergisst“, sagte Lucius in einem Ton, der ganz klar ein Befehl war. Ein Befehl, der Draco fassungslos taumeln ließ. „Was?“ In Dracos Ohren summte es plötzlich, er glaubte, sich verhört zu haben, er musste sich einfach verhört haben. Da war Harry und diese winzigen Gesten, die Draco glauben machten, dass noch nicht alles verloren war. Und jetzt sagte sein Vater ihm, dass er genau das wieder zerstören sollte, dass er es unwiderruflich vernichten sollte. „Der Dunkle Lord wird dich töten lassen, um Potter zu treffen. Das wird er aber nicht tun, wenn Potter dich nicht mehr… liebt.“ Lucius verzog beim letzten Wort das Gesicht, als hätte er auf ein scharfes Pfefferkorn gebissen und Draco wusste plötzlich, dass sein Vater die Enttäuschung nur vor ihm verbarg. Und dennoch… auch wenn er eine Schande war… „Nein, das ist doch vollkommener Schwachsinn! Der Dunkle Lord wird uns so oder so töten, er – “ Lucius stand so plötzlich vor ihm, dass Draco kaum mehr Luft holen konnte, als er auch schon gepackt und unbeherrscht geschüttelt wurde. „Das wird er nicht, wenn du nicht mehr Potters schwacher Punkt bist! Verstehst du nicht, Draco? Du wirst sterben, weil du bei dem Plan, ihn hierherzulocken, übers Ziel hinausgeschossen bist!“ „Lucius! Hör auf!“ Narzissa stand jäh zwischen ihnen, sodass Draco taumelte, sich an der Wand abstützen musste, um nicht zu fallen. Noch immer konnte er kaum glauben, dass ausgerechnet sein Vater so sehr die Beherrschung verlor, dass er ihn angriff. Nach Luft ringend sah er Lucius an, der sich schnaubend durch das lange Haar fuhr, der im Raum umherging wie ein gefangenes Raubtier, der ihn mit einer Zerrissenheit ansah, dass es Draco schmerzte. „Nennst du das, es ihm schonend beibringen, Lucius?“ Narzissa verschränkte die Arme vor der Brust und ließ Lucius nicht aus den Augen, der tief durchatmend sichtlich um seine Fassung kämpfte. „Als wenn Draco in den letzten Stunden nicht genug durchgemacht hätte! Und jetzt kommst du daher und führst dich auf wie ein vollkommen Verrückter!“ Lucius knurrte etwas Unverständliches, rieb sich mit einer Hand über die Augen, bevor er eine ungeduldige Geste in Dracos Richtung machte. „Gut, bitte sehr, dann erkläre du es ihm, wenn du das soviel besser kannst!“ Draco konnte noch immer nichts weiter tun, als zu starren und sich zu fragen, was um Merlins Willen hier eigentlich los war. „Ich werde ihn wenigstens nicht schütteln und anschreien!“ Seit Monaten hatte er seine Eltern nicht gesehen, er hatte sich immer voller Furcht gefragt, wie sie wohl reagieren würden, wüssten sie von Harry und ihm… dass sie von ihm verlangen würden, dass er Harrys Gefühle manipulierte, damit hatte er nicht gerechnet. Zumal er sich Harrys Gefühle für sich ganz und gar nicht mehr sicher war… Die Situation war so grotesk, dass Draco zu seinem Entsetzen, hysterisches Gelächter spürte, das aus ihm herausbrechen wollte. „Das solltest du aber, genauso wie du ihm klarmachen solltest, dass das mit Potter keine Zukunft hat! Potter wird sterben und ich werde dafür sorgen, dass nur er es ist, der stirbt und nicht mein Sohn, verdammt!“ Die ganze Zeit hatte Draco sich an die Aussicht geklammert, dass es richtig war, was er tat, dass sie alle lebend aus der Sache herauskommen würden. Nur deswegen hatte er es getan! Nur deswegen hatte er sich Harry nicht anvertraut! Doch Lucius’ Worte zerschlugen alle Hoffnungen, so plötzlich, dass Draco für einen Moment Respekt und Loyalität vergaß, mit geballten Fäusten auf seinen Vater zuging. „Harry wird nicht sterben.“ Draco zischte es fast, musste die Silben mühsam durch seine enge Kehle pressen. „Snape hat mir versprochen, dass ihm nichts passieren wird! Dass keinem von uns etwas passieren wird!“ Wie durch dichten, roten Nebel sah Draco, wie sein Vater die Augenbrauen hob und die Lippen verächtlich kräuselte. „Es geht nicht länger darum, Potters Leben zu retten.“ „Doch. Mir geht es genau darum!“ Draco wusste nicht, woher er die Dreistigkeit nahm, so mit Lucius zu sprechen, nach dessen Annerkennung er all die Jahre gegiert hatte. Wie sehr hatte er seinen Vater immer bewundert, hatte immer sein wollen wie er – nur um zu erkennen, dass er es niemals schaffen würde. Und jetzt bot er ihm offen die Stirn, hielt dem eisigen Blick stand, mit dem Lucius ihn betrachtete. „Draco, setz dich und lass es dir erklären“, schnitt Narzissas Stimme durch das angespannte Schweigen. Draco ließ zu, dass sie ihn zum Tisch führte, ihn auf einen der Stühle herabdrückte. Sie setzte sich ihm gegenüber, nahm seine Hände, drückte sie, wie um Draco zu beruhigen. „Es gibt eine Legende, Draco und der Dunkle Lord scheint daran zu glauben…“ Draco zwang sich, wirklich zuzuhören, ruhig und gelassen und nicht abwehrend den Kopf zu schütteln, alles zu leugnen, während er seiner Mutter lauschte, die von einem Mythos erzählte, der eher nach einem Märchen als nach der Wahrheit klang. Ein schreckliches Märchen, in dem Harry entweder sterben musste, oder die Welt in den Abgrund riss. Voldemort schien anscheinend überzeugt, dass Harry solche Macht innewohnte. Dass sein Schicksal unwiderruflich feststand. Draco jedoch wollte es nicht glauben. Nicht Harry, der nicht einmal genug Hass aufbringen konnte, um eine Ratte durch Avada Kedavra zu töten. Nicht Harry, der sich zu gern selbst opfern würde, sollte es irgendwie nutzen. Es konnte nicht wahr sein. Es durfte einfach nicht wahr sein! Und wenn es doch so war? Was, wenn der Dunkle Lord nicht irrte? „... der Dunkle Lord wird dich töten, Draco, es wird der letzte Schlag gegen Harry sein, der Tropfen, der das Fass überlaufen lässt.“ Draco blinzelte, es war, als würde er aus einem Traum erwachen. Seine Mutter sah ihn an, eindringlich, fast bittend. „Du musst dafür sorgen, dass Harrys Gefühle für dich erlischen. Du musst dafür sorgen, dass dieser Hass aus ihm herausbricht.“ War alles andere beinahe unwirklich erschienen, so hatte dieser Satz eine schmerzhafte Klarheit, die Draco entsetzt zurückweichen ließ. „Nein“, hauchte er, blickte zu seinem Vater, wollte jetzt keine Absolution mehr, sondern nur die Gewissheit, dass er nicht das von ihm verlangen würde. Alles, aber nicht das. Draco sprang auf, sah wild zwischen seiner Mutter und seinem Vater hin und her. „Ihr denkt doch, dass es eine Legende ist!“ „Wir wissen, dass der Dunkle Lord es auf einen Versuch ankommen lassen wird“, antwortete Lucius tödlich ruhig. „Allerdings ist Snape grade bei ihm, um herauszufinden, ob vielleicht doch etwas Wahres an diesem Mythos dran ist.“ „Snape? Snape ist bei Harry?“ Dracos Magen fühlte sich an wie mit Steinen gefüllt. Er wollte sich nicht ausmalen, wie Harry sich fühlen musste, Snapes Hohn ausgeliefert, ohne die Möglichkeit, es ihm heimzuzahlen. „Er wird Potter kein Haar krümmen, keine Sorge“, spie Lucius verächtlich aus. „Potter wird dennoch sterben, aber du wirst nicht der Schlüssel dafür sein, hast du mich verstanden, Draco?!“ Für einen Augenblick war Draco zu erschüttert von der Hartherzigkeit seines Vaters, der nicht verstand, anscheinend nicht verstehen wollte, was er Draco abverlangte. Harry ein weiteres Mal zu verraten. Zu wählen. Nicht zwischen Leben und Sterben. Sondern zwischen Harry und seiner Familie. Denn auch, wenn nichts von alledem Sinn machte, so wusste Draco doch, dass der Tod bei diesem Plan unausweichlich war. Sollte die Legende wahr sein, sollte Harry sich wirklich vor der Mondfinsternis im Hass verlieren, würde die Welt nur schneller untergehen. Wenn Voldemort sich täuschte, würden Draco und Harry einfach nur sterben und sonst nichts. Es machte keinen Unterschied, außer dem, wie sie ihre letzten Tage zusammen verbringen würden. Nur das war wichtig: Ob Harry ihn wahrhaftig hassen oder ihm verzeihen würde. „Ich kann nicht.“ Draco schlug die Augen nieder, wartete auf den Sturm, vernahm das scharfe Luftholen hinter sich, ahnte den warnenden Blick den Narzissa Lucius zuwarf. „Du musst es tun, Draco, verstehst du denn nicht, dass –“ „Doch, ich verstehe es“, unterbrach Draco seine Mutter leise. „Ich verstehe, was ich tun soll und ich verstehe, warum ich es tun soll. Für mich steht allerdings fest, dass der Dunkle Lord kein Risiko eingehen und Harry und mich töten wird.“ Draco sah auf, scheute nicht länger die Augen seiner Eltern, die Enttäuschung, die er darin erkennen würde. „Ist die Legende wahr, sterben wir. Ist sie nicht wahr sterben wir ebenfalls. Ich wäre eher dafür, Snapes ursprünglichem Plan zu folgen und dafür zu sorgen, dass wir alle überleben.“ „Snapes letzter Plan hat ja auch hervorragend funktioniert und dich direkt in die Kerker befördert! Dieser verdammte Plan ist der pure Leichtsinn und du weißt das!“ Draco hörte die Frustration in Lucius’ Stimme und konnte es verstehen – er hatte sich nicht für das entschieden, was seine Eltern sich wünschten. Sondern für die geringe Chance, dass Harry ihm eines Tages vergeben würde. „Dieser Plan ist aber auch der einzige, bei dem Harry nicht sterben soll.“ Lucius fauchte wie eine gereizte Katze, riss Draco fast von den Füßen, als er ihn bei den Schultern packte; die grauen Augen waren kalt wie Eis, als er sein Gesicht so nahe vor Dracos brachte, dass sich ihre Nasen fast berührten. „Potter! Du denkst nur an Potter! Dabei solltest du an dich denken, an dich und deine Mutter! Willst du, dass sie stirbt? Dass ich sterbe? Für diesen dummen Jungen? Weil dir deine Hormone einen Streich spielen? Du hast ihn belogen, Draco, nichts von alledem ist echt! Du hast deine Karten gespielt und die erste Runde gewonnen, wage es nicht, jetzt zu verlieren!“ Dracos Blut erstarrte zu kleinen Kristallen. Wie betäubt war er, während die Worte wie Hagel auf ihn niederprasselten. All die Vorwürfe, die nur zu wahr waren und die ihn qualvoll trafen. „Du verstehst es nicht…“, flüsterte Draco, das Gesicht seines Vaters verschwamm ihm vor Augen. „Ich kann nicht… ich kann es nicht ertragen, wenn er mich hasst.“ Lucius wich einige Schritte zurück, als würde er sich selbst nicht trauen, wenn er in Dracos Nähe blieb – oder als würde ihn die Berührung ekeln. Draco schluckte dickflüssigen, sauren Speichel, wischte sich fahrig über die Augen, als er stur den Kopf schüttelte, sich der Verdammung preisgab. „Es wird andere geben, Draco“, sagte Narzissa sanft. „Du bist noch so jung, gleichgültig, was du jetzt glaubst – es wird andere geben.“ „Nein.“ Erneut schüttelte Draco den Kopf, seine Knie zitterten so erbärmlich wie seine Stimme und es würde nicht mehr lange dauern, bis beides zusammenbrach. Doch noch konnte er sich diese Schwäche nicht erlauben. Er brauchte noch ein letztes Mal diesen Mut, von dem er nicht wusste, woher er kam. Er wusste nur, dass es richtig war, dass seine Eltern unrecht hatten. Es würde keine anderen geben. Er würde Harry niemals aufgeben können. Er war besessen, verzweifelt und unrettbar verloren. Er war es vom ersten Tag an gewesen. Und es würde nicht aufhören. Nicht jetzt. Nicht später. Niemals. „Ich liebe ihn.“ Tbc… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)