The Past von abgemeldet (Meine (dunkle) Vergangenheit) ================================================================================ 2. Tag ------ 2. Tag „Would you tell me I was wrong? Would you help me unterstand?” Als Arisha am nächsten Morgen die Augen öffnete, war das erste was sie tat sich an die Stirn zu greifen. Kein Verband. Nur ein Traum. Einer dieser vielen Träume, die sich ständig wiederholten. Mit einem Seufzen setzte sie sich auf und fuhr sich durch die Haare. Ein kurzer Blick auf die Uhr ließ sie aus dem Bett springen. Sie hatte verschlafen! Das gab es doch nicht! Hastig machte sie sich fertig und stürmte aus dem Zimmer. Ares wartete bereits auf sie, er hatte ihr gestern gesagt, dass er mit ihr reden wollte. Wortlos hielt er ihr eine Mappe entgegen. Während Arisha darin blätterte, hörte sie ihm mit halbem Ohr zu. „Die Informationen von diesem Kordal reichen nicht. Wir brauchen weitere.“ Arisha nickte. „Henry Leun. Künstler, verdient ganz gut, geschieden, 32.“ Sie sah von der Mappe auf. „Du denkt er hat Verbindungen zu den Templern?“ Ares grinste. „Ich denke nicht, ich weiß es. Er hat sich verraten.“ Er deutete auf die Mappe. „Blätter weiter.“ Arisha tat, wie ihr geheißen. Auf der nächsten Seite waren Fotos. „Er zeichnet nicht nur, er restauriert auch.“ Die Bilder zeigten Skulpturen und Wandbemalungen, alles christliche Motive. „Das muss doch nichts heißen.“ Ares Grinsen wurde nur breiter. „Oh doch, das tut es. Das letzte Bild.“ Arisha übersprang den Rest und besah sich das letzte Foto. Sie runzelte die Stirn. Es zeigte ein Grabmal. „Was ist damit?“ Ares tippte auf das Foto. „Es wurde von den Templern gesponsert.“ „Woher willst du das wissen?“ „Wir haben unsere Mittel und Wege. Frag doch deinen Bruder, wenn du genaueres wissen willst.“ Arisha schüttelte den Kopf und klappte die Mappe zu. „Was soll ich tun?“ Sie gab Ares die Mappe zurück. „Das ist ganz einfach.“, erwiderte dieser. „Wir fahren zu diesem Kerl, er wohnt zwanzig Kilometer von hier entfernt. Und dann wirst du die Informationen aus ihm heraus kitzeln.“ Sie legte den Kopf schief. „So wie bei Kordal?“ Ares nickte. „So wie bei Kordal.“ „Und wieso kommst du mit?“ „Du brauchst doch jemanden, der dich beschützt.“ Sie schnaubte verächtlich. „Ich kann gut auf mich selbst aufpassen.“ Er hob die Hand, gebot ihr zu schweigen. „Diesmal wird es anders sein als sonst. Du kannst abends nicht zur Devina zurückkehren. Wir vermuten, dass die Templer unseren Künstlerfreund überwachen lassen, nach dem was mit Kordal passiert ist.“ Ja, das hatte sich Arisha fast gedacht. „Dann nehm ich mir eben ein Hotelzimmer.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Was ist schon groß dabei?“ „Ganz einfach: Wenn sie ihn überwachen, werden sie auch jede weitere Person verfolgen, die plötzlich in seinem Leben auftaucht. Sollten sie also plötzlich im Hotel aufkreuzen, hast du jemanden, der es im Notfall mit ihnen aufnehmen kann.“ Das klang plausibel, dennoch wäre Arisha lieber allein gegangen. Allerdings, Ares war der Schwertmeister und somit ihr Vorgesetzter, was sollte sie schon sagen? Nur Lucrezia würde ihm widersprechen. Sie ergab sich ihrem Schicksal. „Gut.“ „Das klingt ja schrecklich begeistert.“ Er musterte sie prüfend. „Hast wohl Schuldgefühle wegen Kordal, was?“ „Geht’s dir noch gut?“ Sie warf ihm einen abwertendem Blick zu. „Wegen dem? Er war ein Auftrag, mehr nicht.“ „Ich mein ja nur. Nicht dass dir irgendwann deine Gefühle im Weg stehen.“ „Für dich ist das ja kein Problem.“, sagte sie gehässig. „Du hast ja keine Gefühle.“ Er antwortete nichts, aber Arisha merkte, dass sie einen Nerv getroffen hatte. Ohne ein weiteres Wort ging sie an ihm vorbei, dann drehte sie sich noch mal um. „Was werde ich brauchen?“ „Waffen. Waffen und Muniton.“ Shareef betrat das Zimmer, als Arisha gerade packte. „Ich habe gehört du gehst eine Weile?“ Sie nickte. „Es wird nicht lange dauern, hoffe ich.“ Er sah ihr beim Packen zu. „Ares begleitet dich?“ „Glaub mir, es wäre mir lieber wenn er es nicht täte.“ „Kann ich verstehen.“ Es war allgemein bekannt, dass Ares tötete ohne eine Regung zu zeigen. Arisha und Shareef waren Assasine, sie töteten weil es ihr Auftrag war. Wenn Ares kämpfte, erledigte er auch Unschuldige ohne mit der Wimper zu zucken. Für Arisha grenzte das schon an einen Psychopathen. Aber es war seine Sache, solange er bei den Templern und den normalen Menschen blieb. Er musste nur die Finger von den Prieure lassen. Sie warf sich den Rucksack über die Schulter und stellte sich vor Shareef. „Pass auf dich auf.“, sagte dieser leise. „Ich passe immer auf mich auf.“ Sie grinste frech. „Wer mir zu nahe kommt wird es auf ewig bereuen.“ Die beiden Geschwister umarmten sich, dann legte Shareef ihr die Hände auf die Schultern und küsste sie auf die Stirn. „Trotzdem.“, sagte er leise. „Man kann nie vorsichtig genug sein.“ Während sie den Hof überquerte, hing Arisha ihren Gedanken nach. Sie dachte an Gisbert, dessen Worte sie immer noch nicht losließen. Sie dachte an Ares, den sie lieber in der Devina als in ihrer Nähe gewusst hätte. Sie dachte an Shareef, ihren Bruder. Ein Kuss auf die Stirn bedeutete eigentlich „Ich beschütze dich“. Dort, wo sie jetzt hinging, konnte er sie nicht beschützen. Es war eine Art Segenswunsch, den er ihr mit auf den Weg gegeben hatte und sie war ihm dankbar dafür. Ihr wurde jetzt deutlich bewusst, dass sie ein Ziel hatte: Zur Devina zurückzukehren, wenn möglichst unverletzt, auch wenn sie sich auf letzteres nicht allzu große Hoffnungen machte. Ares wartete schon, an seinen Porsche gelehnt und Arisha musste unwillkürlich an den letzten denken, der, laut ein paar anderer Söldner, bei einer Jagd auf zwei Kinder und einen abtrünnigen Söldner schrottreif gefahren worden war. Sie verkniff sich ein Grinsen. „Da bist du ja endlich.“ Ares bedachte sie mit einem nicht gerade freundlichen blick und steig dann in den Porsche. Arisha ging um das Auto herum und setzte sich auf den Beifahrersitz. Wie unbeteiligt sah sie aus dem Fenster und betrachtete die Landschaft, die vorbeiraste. Innerhalb weniger Minuten hatten sie ihr Ziel erreicht und Arisha begann sich zu fragen, ob Ares den Porsche genommen hatte, weil er ein wenig an der Öffentlichkeit angeben wollte. Kaum hatte er das Fahrzeug angehalten, stieg sie aus dem Wagen. Natürlich erntete der Sportwagen mehrere bewundernde Blicke, ebenso Ares. Wenn es ums Äußere ging, konnte er punkten, aber was den Charakter betraf hatte noch niemand etwas gutes über ihn gesagt. Arisha war nicht die Einzige, die ihm lieber aus dem Weg ging. Nur Lucrezia gegenüber war er einigermaßen erträglich. Mit einem leichten Kopfschütteln betrat sie das Gebäude, Ares folgte ihr, nachdem er den Porsche abgeschlossen hatte. Sie belegten die Zimmer unabhängig voneinander, um keinen Verdacht zu erregen. Die Templer mussten nicht unbedingt wissen, dass auch der Schwertmeister hier war. Arisha legte nur schnell die Tasche ab, dann verschloss sie das Zimmer. Ares ging scheinbar zufällig an ihr vorbei. „Jetzt beginnt dein Part.“, zischte er ihr leise zu. Ihr Part. Sie würdigte ihn keines Blickes und ging weiter als wäre nichts geschehen. Der Ort, an dem sich Henry Leun größtenteils aufhielt, war das Café auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Dort hielt er nach Leuten Ausschau, die er malen konnte. Wenn sie Glück hatte, sprach er sie an, wenn nicht, müsste sie es eben anders versuchen. Sie hatte Glück. Schon kurze Zeit später war sie mit Henry in ein Gespräch vertieft und er bot ihr an, sich sein Atelier anzusehen. Gespielt zögernd stimmte sie zu, meinte aber, dass sie erst morgen könne. Nur nichts überstürzen, sie hatte Zeit genug um das Vertrauen des Künstlers zu gewinnen. Er war einverstanden und begann dann, sie über ihre Vergangenheit auszufragen. Aber hier blockte sie ab, von ihrer Vergangenheit wusste niemand, außer Shareef. Henry verstand ziemlich schnell, dass sie nicht antworten würde und wechselte das Thema. Er strich sich über den Oberlippenbart und musterte sie. „Sie sehen nicht aus, als würden sie aus Deutschland kommen, aber lassen wir das. Immerhin bin ja auch ich nicht ganz Deutscher.“ „Nicht?“ Das war Arisha neu. Aber deswegen tat sie das hier ja: Um Sachen herauszufinden. Henry lächelte. „Nein. Mein Großvater war Franzose.“ Sie legte den Kopf leicht schief. „Ist Henry nicht englisch?“ Henry zuckte mit den Schultern. „Vielleicht. Ich weiß es nicht.“ Er warf einen schnellen Blick auf die Armbanduhr. „Oh, ich muss gehen, ich habe heute noch ein Treffen mit einem alten Freund. Also bis morgen...um drei?“ Sie nickte und er machte eine übertriebene Verbeugung. „Ich freue mich.“ Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als er das Café verließ. Nur wenn man genau hinsah, konnte man sehen, dass es ein spöttisches Lächeln war. An diesem Abend sah sie Ares nicht wieder und sie war auch ganz froh darüber. Allerdings hatte das auch einen ganz besonderen Grund, der auf dem Zettel stand. Der Zettel, den Ares unter der Tür durchgeschoben hatte, da er ja den Schlüssel nicht besaß. Arisha las ihn sich mehrmals durch und warf ihn dann in den Müll. Geheimhaltung, natürlich! Wer zum Teufel war denn mit dem Porsche gefahren? Mit einem Kopfschütteln und einer Bemerkung auf arabisch begann sie sich umzuziehen. Dann schaltete sie das Licht aus. Sie genoss die Dunkelheit, auch von draußen fiel kein Licht herein und ausnahmsweise war sie froh darüber, dass sich der Himmel im Herbst schneller verdunkelte. Ohne weiter groß darüber nachzudenken legte sie sich ins Bett. Kurze Zeit später war sie eingeschlafen. Arisha saß auf ihrem Bett und ließ die Beine baumeln. Sie sah zu Shareef, der im Zimmer auf und ab ging und keine Ruhe fand. Seit Stunden ging das jetzt schon so und bis jetzt hatten die beiden kein Wort miteinander geredet. Sie wusste, warum er so ruhelos war, er hatte es ihr gesagt, nachdem sie ihm versprochen hatte kein Wort zu verraten. Eine befreundete Familie würde mit ihrer Tochter vorbeikommen: Djamila, die Verlobte Arishas und Shareefs Cousin. Arisha wusste von Shareefs Geheimnis. Er und Djamila waren ein Paar, seit zwei Jahren schon. Sollte das jemals ans Licht kommen wären beide so gut wie tot. Shareef hatte Glück, sein Cousin würde nicht anwesend sein. Er hatte woanders zu tun. Jetzt sah Shareef Arisha an. „Versuch es doch wenigstens.“ Sie schüttelte den Kopf. „Er beachtet mich nicht einmal. Er tut so als gäbe es mich nicht. Für ihn existiert nur noch Sienna.“ Es ging um ihren Vater: Shareef hatte Arisha gebeten ihn eine Weile abzulenken, damit er mit Djamila eine Zeitlang ungestört sein konnte. Sie konnten sich nicht oft sehen, für sie war jede Minute zusammen kostbar. Shareef lies ein leises Seufzen hören und setzte sich neben sie. „Ich weiß. Aber Sienna kann ich nicht darum bitten.“ Arisha nickte nur. Das wusste sie selber. Die inzwischen Sechsjährige sah zur anderen Zimmerwand. „Warum ist es verboten?“ „Es ist nun mal so. Daran kann man nichts ändern.“ Sie senkte den Kopf. „Er hasst mich, nicht wahr?“ Eine Weile schwiegen beide. „Nein.“, sagte Shareef dann. „Er hasst dich nicht. Aber er kann ihren Tod nicht verarbeiten. Für ihn ist es leichter die Schuld auf jemand anderen zu schieben, damit er selbst keine Gewissensbisse hat.“ Arisha fühlte sich schuldig. Die Worte ihres Vaters, zwei Tage nach dem Anschlag, hatten sie zutiefst verletzt. Sie erinnerte sich nicht mehr an alles, aber sie wusste noch wie er sie angesehen hatte: Mit unverhohlenem Hass. Shareef konnte behaupten was er wollte, sie war sich sicher, dass es ihrem Vater lieber gewesen wäre, sie wäre auch tot. Und das war für sie das Schlimmste. Djamila kam ungefähr zwei Stunden später mit ihrer Familie. Sie warf Shareef einen versteckten Blick zu und ließ dann die Erwachsenen im Gespräch zurück. Arisha folgte ihnen, denn ohne Absicht war Sienna schon dabei den Rest der Gemeinschaft abzulenken, indem sie sich einfach ins Gespräch einmischte. Sie fand Shareef und Djamila im Hof sie redeten leise miteinander. Djamila hatte ihren Kopf an seine Schulter gelegt. Arisha blieb auf Abstand und setzte sich im Schatten der Hauswand hin. Sefir, ihre Katze, strich ihr um die Beine und Arisha kraulte ihr geistesabwesend den Kopf. Sie verstand nur einzelne Wörter der Unterhaltung, aber sie war sich sicher, dass das Wort „Ägypten“ mehrmals genannt wurde. Das gab ihr zu denken. Wieso sprachen die beiden über Ägypten? Sie scheuchte Sefir beiseite, welche mit ihrem ständigen Gemaunze das Gesprochene unverständlich machte. Dann hörte sie weiter zu. Und während sie zuhörte, schlich sich die Angst in ihr Herz. Shareef wollte gehen. Wenn er weg war, was sollte sie dann noch hier? Er war das einzige, das sie hier festhielt. Mitten in der Nacht huschte ein Schatten durchs Haus und in Arishas Zimmer. Shareef war gekommen um sich von ihr zu verabschieden. Er und Djamila hatten vor nach Ägypten zu fliehen, da sie wussten, dass sie hier nie eine Chance zusammen hätten. Arishas Bett war leer. Als er sich umdrehte stand sie in der Tür. „Du willst fort, stimmts?“ Sie klang verletzt. Shareef legte einen Finger auf die Lippen. „Sei leise, du weckst sonst die anderen Beiden.“ Sie ließ sich nicht beirren. „Was wollt ihr in Ägypten?“ „Du hast gelauscht?“ „Ich hab nichts weiterverraten.“ Er seufzte. „Hör zu, Arisha, wir gehen dahin, weil wir nur so eine Zukunft haben.“ Sie funkelte ihn wütend an. „Ich komme mit.“ „Was?“ „Ich komme mit.“ Er sah sie ungläubig an. „Du kannst nicht mit!“ „Wieso nicht?“ Darauf fiel ihm keine Antwort ein. Und dann. plötzlich, sagte Arisha: „Du bist der einzige aus dieser Familie, der sich um mich sorgt. Du kannst mich nicht alleine lassen.“ Shareef schluckte. „Pack deine Sachen.“ Auf Arishas Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. „Hab ich schon. Ich wusste, dass ich dich überzeugen kann.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)