The Past von abgemeldet (Meine (dunkle) Vergangenheit) ================================================================================ 6. Tag ------ „You took my heart, deceive me red from the stars, you showed me dreams, I wished they turned into real. You broke the promise and made me realise: It was all just a lie” Arisha wurde sehr früh vom Geräusch von Kohle auf Papier geweckt. Verschlafen drehte sie ihren Kopf zur Seite und sah in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Henry hatte anscheinend schon vor einiger Zeit wieder angefangen zu malen, jedenfalls sah er jetzt nicht auf, so vertieft war er. Sie stütze sich auf dem Ellenbogen ab und sah ihm eine Weile zu, bis er schließlich bemerkte, dass sie wach war. „Guten Morgen. Kaffee?“ Als sie bestätigend nickte, verschwand er in der Küche. Arisha stand auf und zog sich etwas über, dann blickte sie zu der, inzwischen geöffneten, Mappe. Der gelbe Zettel ganz zuoberst konnte gar nicht übersehen werden. Dort waren Ort und Zeitpunkt eines Treffens angegeben, vermutlich mit den Templern. Nun, das würde Ares interessieren, immerhin war es ja ihre Aufgabe gewesen, herauszufinden, wo und wann sie sich trafen. Henry kehrte mit zwei Tassen in der Hand zurück, eine davon reichte er ihr. „Gut geschlafen?“ „Ja, danke.“ Sie nippte an ihrer Tasse, um einem Gespräch aus dem Weg zu gehen. Henry schien das nicht zu bemerken, er redete munter weiter, aber sie hörte nur mit halbem Ohr zu. „Wieviel Uhr ist eigentlich?“ „Halb Fünf.“, antwortete er. Verdammt früh. „Ich muss los.“, sagte sie hastig. Besser, sie war zurück, bevor Ares kam. Er nickte betrübt, fragte aber nicht weiter nach. Stattdessen drückte er ihr eins der zusammengerollten Papiere in die Hand. „Kommst du heute noch mal wieder?“ Besser für ihn, wenn sie das nicht tat. Jetzt, wo sie die Informationen besaß, die sie benötigte, war er überflüssig. Sie würde ihn beseitigen müssen. „Ja, klar.“, sagte sie mit falschem Lächeln, zog ihre Jacke über und verließ die Wohnung. Kaum hatte sie ihr Zimmer betreten, ließ sie sich aufs Bett fallen. Sie war noch immer entsetzlich müde. Gäste, die an diesem Tag früh den Flur entlang gingen, konnten einen grummelnden Ares an der Wand gelehnt sehen. Sein Morgengruß war nach hinten losgegangen und Arisha hatte ihn, während sie ihn in sämtliche Höllen gleichzeitig wünschte, aus ihrem Zimmer geschmissen und ihn dann sehr lange da draußen schmoren lassen. Jetzt saß er auf einem der Stühle und tat so, als sei er beleidigt, was bei Arisha aber nicht sonderlich wirkte, da es ihr sowieso gleichgültig war, welche Laune er hatte. „Du hättest ja nicht gleich so aggressiv reagieren müssen.“, meinte er ohne den geringsten Hauch von Schuldgefühlen. „Ich wache nun mal nicht gerne morgens auf und sehe dein Gesicht vor mir.“, gab sie schnippisch zurück. Sie hatte sich auf dem Bett niedergelassen, die Arme verschränkt, und sah mit ausdrucksloser Miene zu ihm. Nur ihre Augen funkelten wütend. „Ach komm, du wirst nicht daran sterben.“, winkte Ares ab und sah zur Seite, weil er sich sicher war in Arishas Augen die pure Mordlust bei seiner Antwort gelesen zu haben und er sich bei dem Gedanken nicht ganz wohl fühlte, dass sie ihm gleich an die Kehle sprang. Nicht, dass er Angst gehabt hätte. „Und was war das jetzt mit diesem Templertreff?“ „Sie treffen sich morgen.“ Arisha nannte ihm die betreffenden Daten. „Du bist dir sicher, dass es Templer sind?“ Sie nickte. „Gut, dann können wir hier ja aufhören. Du kannst diesen Kerl dann erschießen...übrigens wird Krull mitkommen.“ Sie zog eine Augenbraue hoch. „Krull?“ „Ja. Shareef und Kemal sind auch da, aber sie warten beim Wagen. Wenn du mit Leun fertig bist, fahren wir.“ Sein Blick fiel auf ein zusammengerolltes Blatt Papier. „Was ist das denn?“ Ehe Arisha es verhindern konnte, hatte er sich das Bild geschnappt, dass Henry ihr geschenkt hatte, und es aufgerollt. „Ach nein, wie süß“, grinste er, während Arisha in diesem Moment Henry am liebsten für dieses Bild getötet hätte. Oder Ares, weil er es sich ungefragt ansah. Am besten beide. „Er hat dich aber nicht gut getroffen. Du schaust viel zu lieb. Und hast viel zu viel Ausdruck. Aber abgesehen davon...“ Er musterte den Rest des Bildes. „Nicht schlecht, wirklich. Jetzt versteh ich, warum er auf dich abfährt. Und was steht da drunter?“ Er kniff die Augen zusammen, um die winzig kleine, geschwungene Schrift in der Ecke zu lesen. Arisha verbarg ihr Gesicht hinter den Händen. Henry war dumm genug gewesen, eine Widmung unter das Bild zu schreiben und ihr für die Nacht mit ihm zu danken. Wenn Ares das jetzt las... Er blickte von dem Bild auf. „Das ist doch jetzt nicht wirklich war, oder?“ „Wenn’s da steht.“, antwortete Arisha dumpf und nahm die Hände wieder runter. „Du sollst Informationen aus ihm rausholen und nicht mit ihm schlafen.“ „Was denkst du, was ich damit bezwecke? Ich mache bei ihm das Gleiche wie bei Kordal.“ „Du warst mit Kordal im Bett?!“ „Das wusstest du doch ganz genau!“ „So...?“ Ares bedachte Arisha mit einem verächtlichen Blick und öffnete in einer routinierten Bewegung seinen Ring, um etwas Kokain zu schnupfen, was Arisha nur noch mehr in Rage versetzte. „Hör auf, dich mit irgendwelchen Stoffen zuzudröhnen und hör mir endlich zu!“ Er hielt in seiner Bewegung inne. „Ich hör dir doch zu.“ Sein Grinsen wurde bei jedem ihrer Flüche breiter, auch wenn er kein Wort verstand, von dem was sie sagte. Es musste schon sehr übel sein, sonst hätte sie nicht auf arabisch geredet. „Und das soll ich mir anhören? So selten es auch ist dich einmal wütend zu erleben, aber ich kann mir angenehmere Dinge vorstellen.“ Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Du hast mich noch nie wirklich wütend erlebt.“, zischte sie. Dann drehte sie sich um und verließ den Raum. Der Knall der Tür dröhnte in Ares’ Ohren. „Also, auf mich machte das schon einen ganz schön wütenden Eindruck.“, murmelte er. Tatsächlich stand draußen, in einigen Metern Entfernung, eine Wagen aus der Devina. Shareef, Kemal und Krull hatten das Auto bereits verlassen. Arisha winkte Krull zu sich. „Du sollst mitkommen.“ Er war der Jüngste mit Sangreal und noch kein Ritter, aber Lucrezia hatte angedeutet, dass er einer werden sollte. Wahrscheinlich wollte Ares deshalb, dass sie ihn mitnahm. Krull nickte und folgte Arisha zu Henrys Haus. Sie würden nicht lange brauchen. Kemal blickte den Beiden nach. „Diesmal ging es schneller als bei dem Letzten.“, bemerkte er nach ein paar Minuten. Shareef schwieg. Kemal grinste. „Wie würdest du deine Schwester mit einem Wort beschreiben? Miststück?“ Der Araber warf ihm einen finsteren Blick zu, schwieg aber noch immer. „Nein? Wie wär’s mit Schlampe?“ Gespielt nachdenklich legte er den Kopf schief. „Doch, ich denke, das beschreibt sie sehr genau.“ „Wie wäre es mit ‚die Frau, die dich umbringt, wenn du nicht augenblicklich die Klappe hältst?’“, kam es eiskalt von Arisha, die mit Krull im Schlepptau wieder aufgetaucht war. „Ich hatte Schalldämpfer drauf.“, sagte sie zu Shareef, als sie dessen fragenden Blick bemerkte. Immerhin wollte sie nicht die gesamte Nachbarschaft aufschrecken. „Hat eigentlich auch ein normaler Söldner Chancen bei dir oder steigst du nur mit denen in die Kiste, die du umbringen sollst?“, fragte Kemal spöttisch. „Auftrag ist Auftrag.“, gab sie zurück. „Das sagen Nutten sicher auch.“ „Ich bekomme kein Geld dafür.“ „Heißt das, du machst es aus Spaß?“ Arishas Hand lag schon auf ihrer Waffe, doch Shareef schüttelte den Kopf. „Lass. Wegen dem willst du dir doch keinen Ärger einhandeln.“ Sie blickte Kemal immer noch mordlustig an, nahm aber die Hand von der Pistole. „War er wenigstens gut?“, grinste Kemal, der wusste, dass sie nicht schießen würde. Abrupt drehte sich Arisha weg und stieg ins Auto. Kemal konnte bleiben wo der Pfeffer wuchs. Wenn Shareef nicht da gewesen wäre, hätte sie wahrscheinlich die Beherrschung verloren. Aber er hatte Recht. Wegen Kemal wollte sie keinen Ärger. Gegen Abend saß sie wieder in ihrem Zimmer in der Devina. Als die Tür aufging, wusste sie schon, dass es Shareef war, ohne aufzusehen. „Ares will bei diesem Treffen übermorgen anwesend sein, um die Templer anzugreifen.“ Es war sinnlos und beide wussten es. Solche Kämpfe gingen meistens unentschieden aus, da keiner dem anderen wirklich schaden konnte. Ares tat es einzig und allein, um nicht das Gefühl zu haben, tatenlos herumzusitzen. „Irgendwelche bestimmten Anweisungen?“ „Du sollst nicht mitkommen.“ „Weshalb nicht?“ „Weil die Templer dich noch nicht kennen und das sollte auch so bleiben.“ Arisha seufzte. „Raimund war bei dem Künstler. Er kennt mich.“ Ihr Bruder ersparte sich das Fluchen. „Ich sag Ares Bescheid.“ An der Tür sah er noch mal zu ihr. „Hast du ein schlechtes Gewissen?“ Eine Weile schwieg sie. „Ich versuche, keines zu haben.“ Shareef nickte. „Das wird das Beste sein.“ Arisha blickte zu Gisbert, der etwas weiter entfernt stand. „Weißt du.“, sagte er, während er aus dem Fenster blickte. „Ich glaube nicht, dass man seine Vergangenheit ändern kann.“ „Wie meinst du das?“ „Das man sich dessen, was man ist, bewusst sein sollte und nicht versuchen sollte, es zu verleugnen.“ Er drehte sich zu ihr um. „So wie du zum Beispiel.“ Ihre Hand in der Jackentasche schloss sich etwas fester um die Pistole, aber ansonsten zeigte sie keine Regung. „Du sprichst nicht über deine Vergangenheit und spielst irgendwelche Gefühle vor, die du gar nicht empfindest.“ „Ich rede nicht gerne darüber.“ „Weil du es vergessen möchtest.“ „Ja.“ Er musterte sie. „Das ist die falsche Taktik. Mit Vergessen kommst du nicht weiter. Akzeptier es einfach.“ „Würdest du den Tod akzeptieren?“ Er grinste. „Ah, ist es jetzt also soweit?“ „Anscheinend.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich wusste, dass es irgendwann mal so kommen würde. Aber die Idee an sich ist nicht schlecht. Wer würde schon auf die Idee kommen, dass die Prieuré eine hübsche, junge Frau einstellen, die für sie die Drecksarbeit erledigt?“ „Du bist darauf gekommen.“ „Stimmt.“ „Warum hast du nichts getan? Bist geflohen oder so etwas? Du hattest die Möglichkeit.“ „Ich glaube nicht, dass es etwas geändert hätte.“, antwortete Gisbert. „Irgendwann hättet ihr mich sicher gefunden. Warum das Unvermeidliche hinausschieben?“ „Es hätte dein Leben verlängert.“ „Dieses Gespräch verlängert mein Leben.“ Arisha zog die Hand aus der Jackentasche, die Waffe glänzte leicht im Licht der Lampe. „Denkst du, dass du fühlen kannst?“, wollte Gisbert wissen, den Blick nicht auf der Pistole sondern auf ihr. „Ja.“ „Wut?“ „Ja.“ „Hass.“ „Ja.“ „Mitleid?“ „Ich hoffe nicht.“ „Liebe?“ Arisha schwieg. Ein Lächeln zog sich über Gisberts Gesicht. „Schwierig, wenn man noch nie geliebt hat, was?“ „Kommt darauf an, welche Liebe du meinst.“ „Jede Art von Liebe.“ „Dann ja.“ „Was ist mit Schmerz?“ „Gehört unweigerlich dazu.“ Das stimmte ihn nachdenklich. „Wahrscheinlich.“ Sie richtete ihre Waffe auf Gisbert. Er grinste weiter. „Tja, dann. War schön, dich kennen gelernt zu haben. Denk daran, was ich dir gesagt habe.“ Sie drückte ab. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)