Ein Abenteuer von Larian und Lenn von _Ayame_ ================================================================================ Kapitel 4: Überraschung gefällig? --------------------------------- "Larian!" Eine stimme durchschnitt die Dunkelheit wie ein Schwert. "Larian, verdammt, was machst du?" Etwas hatte ihn Sklavenband gepackt, dass er um seinen Hals getragen hatte und schleifte ihn umher. Nein, es war kein Sklavenband und er wurde auch nicht geschleift. Jemand hatte ihn am Kragen seines Umhanges gepackt und rüttelte an ihm. Was er zuvor für einen Holzboden gehalten hatte war in Wirklichkeit eine hölzerne Wand. "Verdammt, Larian, komm zu dir!", die Hand schüttelte ihn nun fester. Larian erkannte die Stimme. "Lenn!", stieß er aus. "Larian?" "Lenn!" "Ein Glück, du bist wieder bei dir!" Lenns Hand lies seinen Kragen los und wanderte durch die Gitterstäbe zurück. "Ich hab mir fast den Arm ausgerengt, um dich erreichen zu können!", beteuerte Lenn und lies seinen Handknöchel knacken. "Lenn, was war los?", fragte Larian und sah sich um. Um ihn her waren Holzwände, er befand sich in einer Art hölzernen Tonne mit nur einer offenen Seite; und diese war von einem Gitter versperrt. Larian konnte durch das Gitter auf eine breite Straße sehen. Ein Holzsteg wand sich von dort bis zu ihm herauf. Vor diesem Holzsteg war ein kreuzartiger Pranger, an welchem eine ihm bekannte Gestalt gekettet war und ausgepeitscht wurde. Endlich erinnerte sich Larian wieder, er war auf dem Sklavenmarkt, zusammen mit Lenn und dieser Mann war Lacánce. "Du bist ohnmächtig geworden.", erklang Lenn's Stimme in der Zelle neben ihm, "Ich hab mir schon Sorgen gemacht, was auf einmal mit dir los war!" Larian schüttelte leicht benommen den Kopf. Er versuchte zu unterdrücken, was da mit neuer Kraft in sein Bewußtsein drängte, er versuchte die Erinnerungen an seine Sklavenzeit loszuwerden, doch sie nahmen ihn immer mehr ein. Wieder drohte ihn die Dunkelheit des Kellers zu verschlucken, als Lenn's schneidende Stimme ihn hochfahren lies: "Larian!" Larian erschrak. "Was ist los?" "Ich sagte das geht zu weit!" "Bitte?", fragte Larian verwirrt. "Wie: >Bitte?<", meinte Lenn fast entrüstet, "Sag bloß nicht, du hast mir wirklich nicht zugehört!" "Nein.", gestand Larian, "Was sagtest du noch gleich?" "Ich sagte, dass er das nicht mehr lange durchsteht.", wiederholte Lenn. "Wer?", fragte Larian. "Elf, Larian, jetzt benutz mal deine Augen und sieh da runter! Und dann überleg noch mal, wen ich gemeint habe!" Der untere Teil von Lenn's Arm erschien ihn Larians Blickfeld und deutete die Straße hinunter. Larian folgte der Richtung und hatte wieder Lacánce's Marterung im Blick. "Das steht er nicht mehr lange durch...", stellte Larian fest. Von Lenns Richtung ertönte ein leises Klatschgeräusch. Er muss sich wieder die flache Hand gegen die Stirn geklatscht haben. Er murmelte etwas unverständliches, doch Larian beobachtete weiterhin, was sich ihm da bot. Lacánce wurde weiterhin gepeinigt, doch war er bereits zu erschöpft, um noch mehr als ein röchelndes Keuchen von sich zu geben. Dennoch wurde er weiter mit voller Kraft geschlagen. Larian spürte wieder, wie erkaltet geglaubte Narben auf seinem Rücken im alten Feuer zu lodern begannen, als ein besonders grausamer Schlag die Reste von Lacánce's Leinehemd zerriss. Mit Blut getränkte Stofffetzen flogen mit einzelnen Bluttropfen um die Wette. "Haltet ein, oh, haltet ein!", rief der Sklavenhändler auf einmal und kam mit bleichem Gesicht zu Lacánce angelaufen. Auch der Kunde starrte verwirrt auf Lacánce nun entblößten Oberkörper. Lacánce selbst rührte sich nicht mehr. "Helft mir ihn... das da runter!", sagte der Sklavenhändler und machte sich daran, mit Hilfe des Kunden, Lacánce loszuketten. Sein regloser Körper fiel ihnen nahezu in die Arme, als die haltenden Ketten ihn nicht mehr banden. "Dort rein.", sagte der Sklavenhändler mit einem Kopfnicken zu seinem schäbigen Zelt, und schleifte Lacánce mit Hilfe des Kunden hinein. "Was war das jetzt?", fragte sich Lenn. "Ich weis nicht genau...", sagte Larian. Er überlegte einen Augenblick und öffnete den Mund, um Lenn seine Vermutung zu äußern, doch in diesem Moment gab es ein Geräusch, als treibe man einen Feuer fauchenden Nagel in ein Holzbrett. Es folgten zwei Schreie: Ein Todesschrei und ein darauffolgender, Entsetzensschrei. Im selben Moment verfärbte sich eine Wand des Zeltes rot; rot wie ein gieriges Feuer, rot wie der Morgen nach einer grausamen Nacht, rot wie Blut... Es folgte ein dumpfer Schlag, der deutlich über den Sklavenmarkt hallte. Dann war es still. "Was zum...", wunderte sich Lenn. Auch Larian schien verwirrt. Er sah auf die rote Zeltwand, wanderte sie mit seinen Blicken hinab, bis zum Boden, wo sich langsam eine Lache des Blutes ausbreitete. "Meinst du sie haben Lacánce...", setzte Larian an, doch Lenn fiel ihm ins Wort: "Mein Gefühl sagt mir, dass..." Doch in diesem Moment kam ein weiteres Geräusch aus dem Zelt. Es klang, als sei etwas großes, schweres zu Bruch gegangen. "Das war doch das Splittern von Holz?", wunderte sich Larian. In diesem Augenblick hörte er ganz deutlich, wie jemand zu einem Ruf ansetzte, doch bevor es dazu kam stieb etwas mit so großer Wucht aus dem Eingang des Zeltes heraus, das der Stoff danach in Fetzten hing. Lenn und Larian erkannten in diesem Etwas sofort Lacánce, der sich mit neugewonnener Kraft auf den Sklavenhändler gestürzt hatte. Nun lag dieser rücklings auf dem Boden, Lacánce über ihm. "Nein!", schrie der Sklavenhändler, dass es in den nahen Seitengassen wiederhallte, "Erbar..." Sein Ruf sollte nie beendet werden; Lacánce hatte ihm bereits mit zwei geschickten Handgriffen sein Genick gebrochen. Nun nestelte er hastig am Gürtel des Sklavenhändlers. Kurz darauf sprang er auf und rannte mit einem Gegenstand, den er von dem Gürtel gelöst hatte, die Aufbaut hinauf. Es war ein Schlüßelbund. "Beeil dich, Lacánce!", rief Larian ihm aufgeregt entgegen. Er konnte es kaum erwarten herauszukommen, heraus aus diesem engen Loch, heraus an die Freiheit und endlich zu fliehen, zusammen mit Lenn. Lacánce nestelte einen Schlüßel vom Bund und fummelte ihn ins Schloß zu Larians Zelle. "Mach schneller!", drängte dieser. Endlich klickte es im Schloß und das Gitter schwang auf. Larian drängte heraus und sagte in einem fast befehlshabendem Ton: "Und jetzt Lenn!" Er war drauf und dran Lacánce die Schlüßel zu entreisen, so eilig hatte er es. Doch Lacánce lies sich die kleinen Gegenstände nicht entwenden und schloß mit eisernen Handgriffen auch Lenn's Gefängnis auf. "Endlich!", sagte Larian und zog Lenn fast heraus, so eilig hatte er es auf einmal. Doch Lacánce legte einen Beutel ab, der seit seinem Hechtsprung aus dem Zelt an seinem Arm baumelte und legte ihn vor den Waldelfen ab. "Das gehört Euch.", sagte er und öffnete den Beutel. "Unsere Waffen!", sagte Lenn triumphierend. Sofort nahmen Lenn und Larian ihr Eigentum an sich. "Jetzt sind wir wieder für Kämpfe gewappnet!", meinte Lenn. "Und da müssen wir auch.", meinte Larian und schluckte. Nicht verstehend, was er meinte, sah Lacánce ihn an, folgte dann aber seinem Blick zur Straße, wo einige Wachleute angelaufen kamen. Leise fluchte Lacánce. "Sie müssen die Schreie gehört haben.", meinte Lenn. Larian zog entschlossen einen seiner Dolche. "Dann kämpfen wir ebend für unsere Freiheit!" Auch Lenn zog sein Langschwert. "Wie immer ebend.", pflichtete er Larian bei, "Bleib am besten hier.", meinte er zu Lacánce. Doch dieser schüttelte den Kopf. "Es ist auch meine Freiheit, für die gekämpft wird...", setzte er an, doch Larian schnitt ihm das Wort ab: "Das können wir später besprechen. Komm jetzt, Lenn, diese Wachleute brauchen eine Lektion!" Er rannte, seinen Dolch fest in der Hand, die Aufbaut hinunter. Lenn war ihm dicht auf den Fersen und lies seine Waffe erwartungsvoll kreisen. Die Wachleute bremsten Am Fuß der Aufbaut ab, gaben sich einige rasche Befehle und einer lief los, um noch Verstärkung zu holen. Da waren die Elfen bereits am Fuß der Aufbaut angelangt. Lenn sprang mutig von dort ab, das Langschwert schlagbereit erhoben, und rammte sie einem der vorderen Wachmänner mit solcher Wucht auf den Schädel, das der Helm barst und Blut in alle Richtungen davon stoben. Im ersten Moment waren die Wachen davon zu betroffen, um zu reagieren; was Larian schamlos ausnutzte und dem nächstbesten seinen Dolch ins Bein rammte. Mit einem Fluchen stolperte dieser zurück und die anderen legten endlich los zu kämpfen: Zwei stürmten auf Lenn zu, doch dieser war schneller und rammte der ersten Wache sein Langschwert mitten durch das Gesicht, um sie anschließend rasch herauszuziehen, damit er fähig war den Schlag der anderen Wache zu blocken. Larian unterdessen griff blindlings hinter sich und war den Gegenstand, den er vom Folterarsenal gepackt hatte, der bisher unverletzten Wache entgegen und stürmte dann auf sie zu. Der fünfte, und auch letzte, denn es waren nur fünf Wachleute, versuchte die Wunde von Larians Dolch in seinem Bein zu verarzten, doch er musste erkennen, dass es seinen Oberschenkelmuskel erwischt hatte. Darum schleifte er sich langsam aber sicher vom Kampf weg. Lenn und Larian hatten weder die Aufmerksamkeit, noch die Zeit sich um den langsam flüchtenden zu kümmern, denn Larian hatte alle Hände voll zu tun nicht von der Wache getroffen zu werden und Lenn mühte sich eine Schlagabfolge des anderen Wachmanns abzublocken. Doch irgendwann zwischen den Schlägen fand Lenn genügend Zeit der Wache einen Faustschlag ins Gesicht zu geben. Verwirrt durch den Schlag torkelte sie und Lenn konterte mit zwei raschen Schulterschlägen durch seine Waffe und rammte diese letzendlich mit seinem gesamten Körpergewicht in den Rumpf der Wache. Da er aber den Schwertgriff nicht loslies wurde er von seinem zu Boden gehenden Gegner mitgezogen und es brauchte eine Weile, bis er es schaffte sein Langschwert herauszuziehen. In der Zwischenzeit wurde Larian von der Wache immer weiter zurückgedrängt, bis er schließlich mit dem Rücken gegen die Aufbaut stieß. Erschreckt zuckte er zusammen, die Wache nutzte seinen Moment der Unachtsamkeit und holte zum Gnadenstoß aus. Und er hätte womöglich getroffen, fuhre nicht wie aus dem Nichts der Stiel einer Peitsche übers Larians Kopf hinweg und traf die Wache zwischen den Augen. Erstaunt blickte Larian auf und sah Lacánce ins Gesicht. Bezihungsweise in den Schatten über seinem Gesicht, doch Larians Blick hing in diesem Moment auf Lacánce Lippen. Sie waren verzogen zu einem sanften Lächeln. Und es war das erste und einzige Mal, das Larian Lacánce lächelnd sehen sollte. Larian öffnete immer noch ein wenig erstaunt den Mund, um ein Wort des Dankes auszusprechen, doch in diesem Moment durchstieß ein scharfer Gegenstand von hinten den Hals der Wache. Lacánce warf reflexartig den Kopf zurück und die Spitze des Schwertes hielt nur einen Wimpernschlag von seiner Nasenspitze entfernt. Ebenso schnell wie der Gegenstand sich durch den Wachmann gebohrt hatte wurde er auch wieder zurückgezogen und der nun leblose Körper fiel seitlich weg und gab den Blick auf den Besitzer der Waffe frei: "Lenn!"; sagte Larian freudig. Lenn grinste ihn an und sah dann zu Lacánce, der die Peitsche, die er dem Wachmann ins Gesicht gerammt hatte, achtlos beiseite warf. "Wie es aussieht haben wir alle erwischt!", sagte Lenn zufrieden, ohne sich umzusehen. Doch Lacánce fixierte einen Punkt weiter hinter Lenn. "Dort hinten bewegt sich noch was.", sagt er schließlich und schritt von der Aufbaut. Im Vorbeigehen nahm er sich ein scheinbar zufälliges Stück von der Auslage und ging damit auf die fortkriechende Wache zu. Sein Schritt verriet keine Eile, denn der Wachmann war zu langsam, um erfolgreich fliehen zu können. Stattdessen nahm er den genommenen Gegenstand, einen kleinen Eisenflegel, fest in beide Hände und schritt weiter auf den Wachmann zu, in dessen Gesicht sich langsam Panik abzeichnete. Larian und Lenn sahen zu, wie Lacánce vor dem Wachmann stehen blieb und ihm mit einem gezielten Ruck die Eisenstange durch die Stirn trieb. Dann ging er wieder zu den beiden Elfen zurück. "Wir sollten endlich machen, dass wir weiterkommen!", meinte Larian. Lenn stimmte ihm mit einem Nicken zu und ebend wollten sie sich in Bewegung setzen, als hinter ihnen eine Stimme erklang: "Nein, wartet. Bitte lasst mich nicht zurück..." Die drei wandten sich um und sahen, dass es noch einen vierten Sklaven gab: Es war ein alter Greis, der ihnen bis dahin noch gar nicht aufgefallen war, so sehr war er in den Schatten seiner Zelle gedrückt. Nun kroch er hervor und sah die Elfen bittend an. "Befreit mich...", flehte er, "Bitte... nehmt mich mit!" Bevor Larian oder Lenn zu einer Antwort ansetzen konnten war Lacánce schon auf die Aufbaut gesprungen und ging auf den Alten zu. Doch Larian setzte ihm hinterher und hielt ihn vor dem Käfig zurück. "Nein, Lacánce!", sagte er, "Wir haben keine Zeit!" Aber Lacánce nestelte bereits den richtigen Schlüßel vom Bund und steckte ihn ins Schloß. Als er ihn herumdrehen wollte griff ihn Larian fest an der Hand. Ernst sah er Lacánce in den Schatten, der dauerhaft dessen Gesichtshälfte verbarg, und sagte in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete: "Nein, Lacánce! Er ist viel zu alt, als das er das überleben könnte, du musst ihn da lassen!" Lacánce stieß Larians Hand weg und sagte, leise zwar, doch sehr eindringlich: "Es liegt nicht in meiner Absicht ihn hierzulassen; Also werde ich es auch nicht tun!" Und damit schloß er das Gitter auf. Lenn, der am Fuß der Aufbaut stehen geblieben war, rief hinauf: "Beeilt Euch! Ich sehe bereits einen neuen Trupp Wachmänner anlaufen!" Larian sah Lacánce weiterhin ernst an. Als er sprach klang seine Stimme wie ein Fels, den weder die Wellen des Meeres, noch die Stürme der Dünen sprengen könnten: "Sieh ihn dir nur an! Er ist alt, außerdem hinkt er mit dem linken Bein. Er wird uns nur zur Last fallen und unsere Flucht verhindern; Lass ihn hier!" Lacánce lies sich jedoch nicht von Larians Reden beeindrucken und nahm den Greis bei der Hand, um ihn hinauszuziehen. Der Alte blinzelte ins Tageslicht und wollte wankend aufstehen, doch selbst dazu fehlte ihm die Kraft. "Lacánce...", setzte Larian noch einmal Neu an, doch Lacánce hievte sich den Greisen kurzerhand auf den Rücken und sagte mir rauer Stimme zu Larian: "Jetzt könnt ihr in den Kämpfen zwar nicht mehr auf meine Hilfe zählen, aber dafür sollte der Greis nicht euer Problem sein!" Larian wollte etwas erwidern, doch Lenn schrie hinauf: "Macht endlich! Sie kommen!" So beschränkte sich Larian nur auf ein Nicken und hastete mit Lacánce die Aufbaut hinunter. "Da sind wir", sagte er, als er ein klein wenig keuchend neben Lenn zum stehen kam. Dieser zog die Augenbrauen hoch und sah mit gerunzelter Stirn auf den Greisen, den Lacánce nun auf dem Rücken trug. "Kümmer dich nicht um ihn.", beschwichtigte ihn Larian, "Wir sollten zusehen, dass wir hier wegkommen!" Lenn nickte und endlich setzten sie sich in Bewegung. Lacánce schaffte es trotz des zusätzlichen Gewichts erstaunlich gut Schritt zu halten. Während dem Rennen warf Lenn einen Blick über die Schulter und sagte dann wieder nach vorn gewandt: "Wir sollten einen Zahn zulegen, die haben einen ziemlich raschen Schritt drauf!" "Ist gut.", sagt Larian und beschleunigte seinen Schritt. Auch Lenn wurde schneller und erst jetzt fiel Lacánce langsam aber sicher Zentimeter um Zentimeter zurück. "Eilt Euch!"; spornte Lenn ihn an. Lacánce mühte sich kein bisschen noch schneller zu rennen, sondern sagte stattdessen: "Wenn ihr mich fragt wäre es besser nicht die Hauptstraße entlang zu rennen. Lasst uns lieber durch die Seitengassen gehen!" "Gute Idee", stimmte Larian zu, "Wo ist das Tor?" "Es war dort drüben.", antwortete Lacánce mit einem Kopfnicken und schlug eine andere Richtung ein. Lenn und Larian folgten ihm zum Rand der breiten Straße und flüchteten sich mit ihm zwischen die eng stehenden Häuser. Obwohl die Sonne sehr hoch stand reichte ihr Licht kaum, um die Gassen in Tageslicht zu hüllen und so rannten sie durch einen dunklen Flimmer von Staub und abgestandener Luft. "Wie weit ist es bis zum Tor?", fragte Larian. "Die Stadtmauer müsste drei Häuser weiter sein,", vermutete Lacánce, "doch das Stadttor ist zwei Blocks weiter links. Larian tauschte mit Lenn einen erstaunten Blick anhand dieser gewagt genauen Lageeinschätzung, entgegneten jedoch nichts, sondern rannten Lacánce hinterher, der erst nach links einbog, dann ein Haus nach rechts umrundete und schließlich in eine links gelegene Gasse einbog, wo er auslief und sich in den Schatten hinter einige Kisten drückte, ohne dabei etwas bestimmtes am Ende der Gasse aus dem Blick zu lassen. Lenn und Larian trafen knapp nach ihm ein und drückten sich gegen die poröse Hauswand. Sie fixierten mit den Augen dasselbe Ziel wie Lacánce. "Da ist das Tor!", stellte Larian fest. "Die Wachen scheinen sehr ruhig, anscheinend ist die Kunde unseres Ausbruches noch nicht zu ihnen gelangt.", meinte Lacánce mit Blick auf die beiden Wachleute. "Na, dann wäre es doch schade, wenn wir diese Gelegenheit verstreichen liesen!", meinte Lenn mit siegessicherem Grinsen und lies seinen Bogen von seinen Schultern gleiten. "Wie viele Waffen schleppt ihr nur mit euch herum?", wunderte sich Lacánce. "Zwei Dolche.", sagte Larian, "Und Lenn hat zusätzlich zu seinem Langschwert noch ein Kurzschwert und seinen Bogen." "Und ich hab sogar Pfeile!", sagte Lenn und nahm einen aus dem Köcher. Vorsichtig näherte er sich der Häuserecke und nahm die Wachen ins Visier. Dann lies er doch den Bogen sinken, murmelte etwas leises und zog sich einen zweiten Pfeil aus dem Köcher, den er zusätzlich zum ersten auf die Sehne legte. "Beeil dich.", zischte Larian ihm zu, "Wer weiß, wann die Wachleute aufkreuzen?" "Nur Geduld", meinte Lenn halb abwesend und nahm Ziel. Es konzentrierte sich einige Momente, dann lies er die Sehne los. Es gab ein leises zupfen, als hätte man ein Haar in zwei gezogen, für einen Augenblick erklang ein Schwirren in der Luft, dann folgten bereits zwei Geräusche, als stieße man mit einem geraden Ast ins Wasser und schließlich sackten die beiden Wachmänner mit einem Sterbenslaut auf den Lippen in sich zusammen. "Gut gemacht, Lenn!", freute sich Larian und stand auf. "Kein Problem für mich!", sagte Lenn und schulterte seinen Bogen. "Weiter geht's.", meinte Larian zu Lacánce und folgte Lenn, der zu dem toten Wachpersonal eilte und seine Pfeile wieder einsteckte. Lacánce rückte mit einem Zucken den Alten auf seinem Rücken zurecht und folgte den beiden Elfen, die bereits das Stadttor verliesen. Die Straße führte über eine kleine, steinerne Brücke, welche sich über ein kleines Bachbett spannte, um dann zu einem losen Weg zu werden, der sich am Waldrand entlang zog. Die Elfen überkreuzten diese Strecke und am Waldrand wurden sie endlich von Lacánce eingeholt. "Wartet... einen Moment...", Lacánce Stimme klang mit einem mal so brüchig, das die Elfen erst meinten der Greis hätte gesprochen. "Jetzt anhalten? Das wäre glatter Selbstmord!", polterte Lenn los, doch Lacánce lief bereits aus. Larian verringerte ebenfalls das Tempo und blieb schließlich stehen. Lenn seufzte, drosselte letzendlich aber auch seinen Lauf und stellte sich neben Larian, während Lacánce den Greisen vorsichtig an einem Baumstamm absetzte. Den Alten schien die Flucht sehr erschöpft zu haben. Er hing am Baumstamm und war nicht mehr ansprechbar. Obwohl sein unruhiger Atem hätte zeigen müssen, das er noch lebte, überzeugte sich Lacánce davon, dass sein Herz noch schlug, indem er vorsichtig am Hals des Greisen nach der Pulsader fühlte. "Hast also doch endlich Vernunft angenommen.", sagte Larian, der vermutete, dass Lacánce den Greisen nun endlich zurücklassen würde, um selbst schneller voranzukommen. Doch dieser erhob sich nur und drehte sich zu den beiden Elfen um. Sie blickten zurück und warteten auf eine Erklärung. Doch Lacánce sagte nichts, sondern sah den Elfen nur entgegen und sie blickten zurück in jenen Schatten, der stetig seinen Blick verdeckte. Es war Larian, der das Wort ergriff: "Du hast nicht vor ihn zurückzulassen..." Lacánce nickte langsam und antwortete: "Wie ich bereits erwähnte ist das nicht meine Absicht. Zumindest nicht..." doch er hielt inne und sprach nicht weiter. "Was?", fragte Larian, "Was nicht?" Lacánce wandte das Gesicht ab, mied seinen Blick. "Nun sag schon.", drängte Larian und ging einen Schritt auf Lacánce zu, blieb dann aber doch stehen. "Du bist gar kein Mensch.", sagte er nach einer Weile. Lacánce wandte ihm wieder sein, von dem tiefen Schatten kaschiertes Gesicht zu, und nickte langsam. Auch Larian nickte langsam. "Wenn Ihr kein Mensch seid", warf Lenn mit einer Spur von Misstrauen ein, "Was seid Ihr dann?" Lacánce verharrte einen Augenblick, lies dann aber seine Hände zum Saum seiner Kapuze wandern und schlug sie zurück. Lange, glatte, Haare, die einst schwarz waren doch nun an Farbe verloren und so grau wie Spinnweben wirkten, steckten in der Kapuze und fielen unter dem Umhang, ein bleiches Gesicht starrte den beiden Elfen entgegen; ein bleiches Gesicht mit Augen, die so rot waren, wie das Blut das an diesem Tag vergossen worden war, und einem formschönen Mund, aus dem jedoch zwei weiße Fänge standen und über die Unterlippe reichten. Sie mussten bisher unter den Lippen versteckt gewesen sein, da sie niemandem aufgefallen waren, doch nun ragten sie fast bis über die Unterlippe hinaus. Was zuvor von Schatten verborgen worden war, lag nun im bleichen Licht, das durch die Blätter der Bäume auf den von halbverrotteten Blättern und kleinen Ästen bedeckten Waldboden fiel. In der Ferne war das leise Rufen von Stimmen zu hören. "Ihr seid ein Vampir.", stellte Larian fest. Lacánce nickte wieder. Doch da war noch etwas. Larian lies den Blick vom Gesicht am Saum des grünen Umhangs entlang bis zu den ausgelatschten Schuhen wandern und wieder die zerschlissene Hose hinauf bis zu dem dicken Sackleinenstoff des Oberteils, das wohl aus dem Zelt des Sklavenhändlers stammte. Und plötzlich fiel es Larian auf: Diese ausgemergelte Statur deutete nicht von schadhafter Unterernährung, sondern von... "Ihr seid gar kein Kerl!", stieß er aus. "Hast du das erwartet?", antwortete ihm Lacánce Stimme, welche nun weniger tief, weniger kerlhaft sondern auf ihn viel mehr feminin wirkte. Auch Lenn war es mittlerweile aufgefallen. "Haben sie die Schläge darum unterbrochen?", fragte er und bezog sich dabei auf Lacánce's Marterung. Sie nickte. "Es muss sie überrascht haben, dass sie auf einmal weibliche Brüste vor sich sahen.", sagte sie mit ihrer nachdenklichen Stimme, die sie mit der richtigen Maskerade wie ein Jüngling mit formschönen Lippen erschienen lies. Larian nickte. In der Ferne wurden Stimmen laut. "Sie suchen uns.", stellte Lacánce fest, ohne den Blick von den beiden abzuwenden. Auch sie betrachteten unverwandt ihr Gegenüber. Lenn nickte scheinbar beiläufig zu dem Greis. "Und den wirst du...", deutete er an. Sie warf einen Seitenblick auf den Greis, der immer noch ohne Bewußtsein am Baum lehnte, und wandte sich wieder den Elfen zu: "Nach der Folterung habe ich viel Kraft verloren. Der Kunde hat mich zwar soweit gekräftigt, dass ich fliehen konnte, doch war es nur ein Aufschub." Sie sah erst Lenn, dann Larian in die Augen. Mit ihren scharfen Sinnen konnten die Elfen bereits Schritte ausmachen. Lacánce sah die beiden tief an. "Es wäre besser Ihr geht jetzt", meinte sie schließlich. Larian nickte langsam, starrte Lacánce aber immer noch in die Augen. Lenn legte ihm eine Hand auf die Schulter und drehte ihn sanft in die andere Richtung. Larian wandte den Kopf noch einmal zu Lacánce. "Geht nun.", sagte sie, "Geht nun. Und dreht Euch nicht um. Um die Wachen braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen; Geht jetzt!" Lenn drückte Larian leicht vorwärts, um ihn zum gehen zu bewegen und endlich wandte er sich ab und setzte sich aus eigenem Antrieb in Bewegung. Die Elfen begannen zu laufen, erhöhten dann ihr Tempo und schließlich rannten sie, jagten über den Waldboden, doch so schnell sie auch gelaufen waren, sie hörten dennoch dieses Geräusch. Das Geräusch als triebe man einen vor Feuer fauchenden Nagel in ein Holzbrett. Es klang noch lange in ihren Ohren. Und so schnell sie auch liefen, das Echo dieses Geräusches begleitete noch lange ihre raschen Schritte, die sie wegtrugen; weg von Lacánce, weg von diesem Abenteuer, doch bereits ihrem Nächsten entgegen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)