Roter Schnee von KumiChou ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ein Schnitt, eine Narbe mehr. Blut fließt aus der Wunde, besudelt das reine Weiß, den Schnee, der tanzend vom Himmel fällt. Er dreht sich, wirbelt auf, sobald ein Windstoß kommt. Es ist so ruhig im mich. Stille. Inmitten dessen sitze ich, schon halb eingeschneit, dennoch spüre ich die Kälte kaum. Was ist nur geschehen? Was ist aus uns geworden? Kannst du mir das sagen? Ich verstehe es nicht. Wir hatten uns früher doch so gut verstanden, sind durch dick und dünn gegangen, haben uns alles erzählt, egal wie peinlich oder schmerzhaft es für jeden von uns war. Nur eines habe ich dir nie gesagt. Es ist auch heute noch mein Geheimnis. Nun sitze ich hier, mitten im unschuldigen Weiß, was gar nicht zu mir passt und weine rein klare Tränen. Will sie wegwischen, aber es fließen immer mehr. Weinend starre ich auf den Stein vor mir. Lese immer und immer wieder deinen Namen, obwohl ich ihn auch so kenne. Wie oft habe ich ihn vor mich hingeflüstert, wenn ich allein in der Dunkelheit meines Zimmers saß und ie Sehnsucht nach dir mein Herz zum Schmerzen brachte. Es tat mir weh zu wissen, dass ich dich nie erreichen würde. Nun sitze ich hier, vor deinem Grab im weißen Schnee. Ein weiterer Schnitt, eine weitere Narbe. Ich spüre nichts. Nicht die Kälte, die meinen Körper erzittern lässt. Nicht as Brennen an meinen Armen. Nicht die Wärme meines eigenen Blutes, welches ohne unterlass von meinen Armen rinnt, den Schnee befleckt und rot färbt. Ich sehe den Namen auf deinem Grabstein verschwimmen. Sehe ihn nicht mehr. Sehe nur noch dein Gesicht, reglos, wie aus Porzellan gemeißelt und mit offenen Augen. Dein Körper, leblos, verrenkt. Und Blut, überall Blut, so viel davon. Es war deines. Die Erkenntnis: Tot! Du bist tot! Ich stand da. Rührte mich nicht. Starrte dich an und sah dich dennoch nicht. Stand einfach nur da. Dann... die nächste Erkenntnis: Ich bin schuld! Ein Schnitt, eine weitere Narbe. Rotes Blut ließt aus der Wunde, vermischt sich mit dem der anderen, rinnt meinen Arm hinunter und tropft auf den Schnee. Es... es ist meine Schuld, ganz allein meine Schuld. Wäre ich nicht gewesen, hätte dir ein paar Minuten vorher nicht vorgeworfen, dass du mir aus dem Weg gehst, mich allein lässt, dich lieber mit deinen Freunden triffst, obwohl du mir versprochen hattest, bei mir zu sein, wenn ich dich brauche - Und ich brauchte dich, brauche dich noch immer. Mein Herz, meine Seele verlangen nach dir, schreien regelrecht und verzehren sich nach dir. - dann wärst du nicht bei rot über die Straße gegangen, wärst nicht vor mir geflüchtet, geflohen. Es ging alles so schnell, zu schnell. Kaum betratest du die Straße. Ein aufgeregtes Hupen. Reifenquietschen. Ein Knall. Stille. Du lagst da. Tot. Ich konnte nichts tun. Nicht reagieren. Durch meine Schuld bist du tot ohne, dass ich dir mein letztes Geheimnis anvertrauen konnte. Ein Schnitt, eine neue Narbe. Ich spüre das Brennen nicht, empfinde nur Schmerz und Schuld tief in meinem Herzen. Bitte, sei nicht böse auf mich. Bitte, verzeih mir. Ich wollte das nicht, wollte doch nur, dass du wieder bei mir bist, dass du mich wieder in den Arm nimmst und mit mir redest, so wie früher. Mehr wollte ich doch gar nicht. Ich wollte nicht, dass du stirbst, dass du mich verlässt. Ein neuer Schnitt, eine Narbe. Immer noch sitze ich vor deinem Grab, mehr liegend als sitzend, dich um Verzeihung bittend. Die Arme blutüberströmt, immer wieder deinen Namen flüsternd. Schau, was aus mir geworden ist. Schau, wie sehr es mich kaputt macht, dass du nicht bei mir bist. Wie ich darunter leide. Wie die Schuld mich erdrückt, zerfrisst. Ein letzter Schnitt, eine letzte Wunde. Ich kippe nach vorn, liege nun auf deinem Grab. Der reine Schnee um mich herum mit Blut durchtränkt. Die Flocken tanzen durch den Raum, bis sie den Boden berühren, mich zudecken, das ganze Blut verdecken. Inmitten dieser Reinheit liege ich auf deinem Grab. Schwach, mit Tränen auf den Wangen, kann mich kaum noch rühren. Die Augen wollen mir zufallen, mich ins unendliche Dunkel tauchen. Aber ich habe noch etwas, etwas will ich dir noch sagen. Leise und mit gebrochener Stimme, kaum noch bei Bewusstsein, gebe ich dir nun das letzte meiner Geheimnisse preis: "Geliebter Bruder, bitte verzeih mir, aber ich liebe dich!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)