Der Sinn von Nomi-chan (eine Kurzgeschichte) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Der Sinn Es war einer jener Tage, an denen einfach alles schief lief. Erst hatte er verschlafen und war infolge dessen ohne Frühstück aus dem Haus gehetzt, dann war ihm auch noch der Bus vor der Nase davon gefahren. „Ich hasse es wenn so was passiert.“ Sagte er zu sich selbst und machte sich auf den langen Fußmarsch durch die halbe Stadt zur Schule. In der Schule würde er auch wieder versagen, wie immer. Heute musste er ausgerechnet ein Referat über den Sinn des Lebens halten und das auch noch in Religion. Er hatte absolut keine Idee und somit KEIN Referat. Das würde eine weitere Sechs geben, dann noch eine in Mathe und er durfte wieder mal eine Ehrenrunde drehen. Er bekämme wieder Ärger zuhause, also würde alles wie immer sein. „So was bescheuertes! Der Sinn des Lebens! Was ist denn der Sinn des Lebens?“ „Tja, was ist wohl der Sinn des Lebens?“ fragte eine Stimme, die aus einer Seitengasse kam, an der er gerade vorbeiging. „Wer ist da.“ Rief der junge Mann und machte einen Satz rückwärts, wobei er mit einer etwas dickeren Frau zusammenstieß die sofort losschimpfte. Es war ausgerechnet Frau Reger, die über ihnen wohnte und die sich wegen jeder Kleinigkeit lautstark beschwerte. Das wäre ja nicht schlimm, aber sie übertrieb immer so maßlos. Das gäbe dann gleich doppelt Ärger. „Kannst du nicht besser aufpassen wo du hinläufst, Rotzbengel. Entschuldige dich gefälligst.“ „Na toll, wieso immer ich? Tut mir leid.“ Nuschelte der Junge, die Frau rauschte immer noch schimpfend von dannen. „Du suchst also nach dem Sinn des Lebens, Junge?“ fragte die Stimme erneut. „Äh... na ja es ist eine Art Hausaufgabe.“ „Soso. Hausaufgabe. Nun, dann werde ich dir mal ein wenig helfen.“ Die Stimme gehörte einem alten Mann, der jetzt aus der Gasse trat. Seine Kleidung sah ein wenig altertümlich aus, wie aus dem vorigen Jahrhundert. Er schien asiatischer Abstammung zu sein aber er konnte sich da auch täuschen. „Nun denn, wie ist dein Name, Junge.“ „Mein Name?“ Fragte der Junge überrascht. „Ja, ich kann dich ja schlecht die ganze Zeit Junge nennen. Oder was meinst du?“ meinte der Alte und zwinkerte ihm zu. „Ich heiße Achim.“ Antworte der Gefragte, der Alte lächelte. „Soso. Achim also. ,Jehova richtet auf’ oder auch ,der Herr gründet’.“ „Hä?“ Achim verstand gar nichts mehr, der Alte war nicht mehr ganz richtig im Kopf. Er wollte sich gerade umdrehen und gehen, als der Alte weitersprach. „Na dein Name, das bedeutet dein Name ,Jehova richtet auf’ die Hebräische Übersetzung von Joachim.“ „Aber ich heiße Achim, nur Achim und nicht Joachim oder sonst wie. Ich muss jetzt aber gehen, ich komme sowieso schon zu spät.“ Sagte Achim ein wenig gereizt. „Das ist die Abkürzung von Joachim. Verstehst du, nur Achim?“ „Ich glaube schon, aber ich muss wirklich gehen.“ „Jetzt warte mal, ich habe doch gesagt ich werde dir helfen. Hast du das schon vergessen.?“ Der Alte klang ein wenig enttäuscht, so das Achim fast ein schlechtes Gewissen bekam und resigniert antwortete: „Nein, hab ich nicht. Na ja, ich komme sowieso zu spät und Ärger gibt es auch schon. Also was soll’s mache ich halt blau.“ „Nicht blau, du kommst schon zurecht doch nun lass mich dir den Sinn des Lebens zeigen.“ Meinte der Alte und ging an Achim vorbei auf den belebten Bürgersteig. Achim stand immer noch da und fragte sich immer wieder „Warum immer ich?“ „Komm schon, komm schon Junge. Keine Löcher in die Luft schauen, wir haben viel vor heute.“ „Ja, ja. Ich komme ja schon.“ Rief Achim und lief dem Alten hinterher, als er ihn eingeholt hatte fragte er ihn. „Wie heißen sie eigentlich? Und wo gehen wir hin?“ Der Alte blieb sofort stehen und sah Achim entgeistert an. „Habe ich das nicht gesagt? Wie unhöflich von mir. Also mein Name ist Luzius Berger, die meisten nennen mich Meister Luzius. Wo wir hingehen wirst du schon sehen und jetzt komm.“ Sie gingen in den Park, wo Meister Luzius sich auf eine Bank setzte, er wandte den Blick gen Himmel und sagte leise: „Schön hier nicht? So, du suchst also nach dem Sinn des Lebens?“ während er das sagte sah er Achim an und wartete auf eine Antwort, welche sehr zögernd kam. „Äh... ja... ich... äh... muss in Religion ein Referat über den Sinn des Lebens halten. Aber ich weiß nicht wie ich anfangen soll.“ „Schwierig, schwierig. Man beginnt immer am Anfang mit dem ersten Wort, dem ersten Satz, dem ersten Schritt. Schau dort, der Mann mit dem Hund und dem Ball, was wird er jetzt wohl tun?“ „Er wirft den Ball.“ Antwortete Achim verwirrt, was hatte das mit dem Referat zu tun. „GLAUBST oder WEIßT du, das er den Ball wirft.“ „Ähm, ich glaube es. Warum ist er sonst mit dem Hund hier?“ „Aha! Komm gehen wir weiter.!“ Der Alte stand auf und ging weiter, Achim folgte ihm. Er drehte sich jedoch noch einmal um und in diesem Moment warf der Mann den Ball. Sie kamen an der Bücherei vorbei und gingen in ein kleines Café an der Ecke, sie setzten sich dort an einen Tisch am Fenster. „Was wollen wir hier?“ fragte Achim leicht gereizt. „Gleich. Willst du etwas zu trinken?“ Die Kellnerin war bereits an den Tisch getreten und fragte ob sie schon etwas bringen könne. „Ich hätte gerne ein Kännchen von ihrem wundervollem Olong Tee und dazu von diesem wundervollem Apfelkuchen.“ Sagte er und an Achim gewandt. „Was ist mit dir? Such dir etwas aus.“ „Äh. Ich nehme Apfelkuchen und eine heiße Schokolade.“ „Gerne.“ Antwortete die Bedienung und verschwand um die Bestellung auszuführen. „So. Schau mal aus dem Fenster. Was siehst du?“ Der Alte weiß aus dem Fenster und Achim folgte seiner Anweisung und sah hinaus. „Viele Menschen, Autos, Ein Mann streitet sich mit einer Politesse, ein Rosenverkäufer und an der Ecke ein Obdachloser mit seinem Hund.“ Antwortete Achim, der gespannt war was jetzt passieren würde. „Was ist nun der Sinn? Oh unsere Bestellung. Der Tee für mich und die Schokolade für meinen jungen Begleiter hier.“ Luzius goss sich den Tee in seine Tasse schwenkte ihn und sog den feinen Duft auf, trank einen Schluck und wandte sich wieder Achim zu. „Was ist der Sinn? Was ist der Sinn im Leben für den Obdachlosen?“ „Wie er an Schnaps kommt?“, „Falsch! Er möchte wieder eine Arbeit und ein Dach über dem Kopf. Dort der Streitende Mann möchte eine glückliche Familie, das ist sein Sinn. Der Sinn des Rosenverkäufers ist Geld zu sparen für seine kranke Tochter in Indien. Und nun meine Frage an dich was für einen Lebenssinn hat der Teebauer in China?“ Achim überlegte und langsam begann er zu begreifen, er antwortete zögernd: „Sein Tee?“ „Vollkommen richtig. Ein Teebauer möchte nur den besten Tee anbauen das ist sein Sinn des Lebens, seines Lebens. Verstehst du, niemand kann den Sinn des Lebens erklären, ein Lehrer nicht und schon gar kein Schüler. Der Sinn des Lebens ist für jeden Menschen etwas anderes. Hast du auch schon den Sinn DEINES Lebens gefunden?“ Der Alte blickte sein Gegenüber aufmerksam an als dieser sagte: „Ich weiß nicht. Ist das schlimm wenn ich keinen habe?“ „Aber nein. Du findest ihn irgendwann schon, deinen Sinn des Lebens.“ Luzius winkte nach der Bedienung und bezahlte als sie kam. „Was ist ihr Sinn?“ fragte Achim neugierig, der Alte sah ihn lange an bevor er antwortete: „Ich helfe gerne Menschen, die auf der Suche nach dem Sinn des Lebens sind. So und nun, ist die Unterrichtsstunde beendet.“ Sie traten auf die belebte Straße hinaus. „... chim! Achim! Wach auf!” flüsterte eine Stimme und schüttelte ihn an der Schulter. Er hob den Kopf und blickte in das Gesicht seines Banknachbarn Ronny Becker, schlagartig erinnerte er sich. Er fragte sich ob er das nur geträumt hatte, wenn ja dann war das verdammt real gewesen. Der Religionslehrer Herr Flesch unterbrach seine Gedanken. „Aha. Herr Müller hat endlich die Güte meinem Unterricht nicht nur körperlich, sondern auch geistig beizuwohnen.“ Die ganze Klasse lachte, wie immer. „Wenn du uns jetzt noch mit deinem Referat beglückst, wäre ich dir sehr dankbar.“ Er wies auf den Platz vor der Tafel und Achim stand auf und ging durch die Reihen langsam nach vorne. Er hörte wie einer der Schüler zu seinem Nachbarn kichernd sagte. „Der hat bestimmt wieder nix. Das gibt wieder einen Anschiss vom Flesch und ne sechs.“ Als er vorne stand begann er aus dem Stegreif zu erzählen von dem Rosenverkäufer, dem streitendem Mann und dem Obdachlosen auf ihrer Suche nach ihrem eigenen Sinn des Lebens. Auch den Alten Mann ließ er nicht aus und er beendete sein Referat mit den Worten: „Jeder einzelne muss für sich selbst den Sinn SEINES Lebens finden, niemand anderes kann das tun, deshalb kann man den Sinn des Lebens nicht definieren. Ich selbst bin noch auf der Suche nach meinem Sinn.“ Die ganze Klasse schwieg, bis der Lehrer das Schweigen brach. „Das war sehr interessant. Gut gemacht. Genau das ist es was ich von euch hören wollte, der Sinn des Lebens ist für jeden ein anderer. Achim du kannst dich setzten.“ Nach dem Läuten ging Achim zu Herrn Flesch um nach seiner Note zu Fragen. Es war eine sehr gute Zwei, es wäre eine Eins gewesen hätte er nicht geschlafen. Er fragte seinen Lehrer: „Kennen sie einen Luzius Berger?“ „Ja. Er war ein Philosoph, er kam jedoch vor Achtzig Jahren bei einem Brand in einem Cafe ums Leben. Wieso fragst du?“ „Ach, nicht so wichtig, ich habe was über ihn gelesen.“ Als Achim langsam nach Hause ging musste er an der Stelle vorbei, an der das Cafe stand, jetzt war es ein Wohnhaus. Doch der Rosenverkäufer und der Obdachlose waren noch da. Er kaufte elf rote Rosen und gab das Wechselgeld dem Obdachlosen, dieser bedankte sich genau wie der Rosenmann. Fünf der Rosen waren für seine Mum, fünf für Frau Berger von nebenan und die eine, die er noch übrig hatte war ein Dankeschön für einen Alten Philosophen, der ihm geholfen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)