Angel School von MacTavish ================================================================================ Kapitel 8: Kapitel 8 -------------------- Der nächste Morgen kam und damit wieder neue Erfahrungen. Das frühe Aufstehen störte mich nicht sehr, da ich in meiner Zeit im Kloster auch jeden Tag um diese Uhrzeit aufgestanden war. Beim Anziehen meiner Schuluniform erinnerte ich mich noch einmal an den Nachmittag im Geschäft meiner Eltern. Lillian und ich gingen gemeinsam hinunter zum Morgenappell in den großen Saal. Das Besondere an diesem war, dass die sich Gänge, auf denen die Klassenzimmer lagen, als Galerien um ihn herumzogen. Man konnte praktisch alles, was im Saal vor sich ging, von den Gängen aus verfolgen. Doch heute wagte es sich keiner, auf den Gängen stehenzubleiben. Stattdessen versammelte sich die gesamte Schülerschaft nach Jahrgängen geordnet in der Halle. Alle Schüler hatten die dunkelgraue Uniform mit den etwas helleren Borten an, nur die Engel, die sich mittlerweile vor dem Podium der Lehrer versammelt hatten, waren anders gekleidet. Etwas fiel mir auf: Hinter jedem der Engel stand jeweils noch jemand, der komplett in schwarz gewandet war. Aber ihre Kleidung glich nicht der Schuluniform sondern eher dem Gewand eines Wüstenbewohners und ihre Gesichter waren bis auf die Augen verschleiert. Auch sah ich nur acht Engel, was mich stutzig werden ließ. Aber ich kam nicht weiter zum Nachdenken, denn alle Schüler wurden still und schauten nach vorn zum Podium. Mich hätte beinahe der Schlag getroffen, als ich sah, wer dort stand: Meine Mutter! Völlig in Schwarz stand sie vor den anderen Lehrern und begann mit ihrer Ansprache: „Liebe Schüler, ich begrüße euch zu einem neun Schuljahr hier auf der St. Angelus! Ich habe wieder die alljährlichen allgemeinen Informationen für euch: Alle neuen Schüler bitte ich, sich mit bis zum Ende dieser Woche mit der Schulordnung vertraut zu machen. Die Stundenpläne werden euch von euren Jahrgangssprechern nach dieser Versammlung hier ausgehändigt. Wie auch in den Jahren zuvor werden zwei Mal im Monat die Turnierkämpfe stattfinden. Auch an den Regeln und am Punktesystem hat sich nichts geändert. Die aktuelle Rangliste wird immer hier in der Halle ausgehängt. Alle anderen organisatorischen Dinge entnehmt ihr bitte den schwarzen Brettern in euren Quartieren. Nun wünsche ich euch viel Spaß beim Unterricht!“ Alle Schüler applaudierten und meine Mutter verließ das Podium. Damit war der Appell beendet. Die jeweiligen Klassen suchten ihre Klassenzimmer auf und auch ich wollte ihnen folgen, doch plötzlich wurde ich von jemandem so sehr angerempelt, dass ich stürzte. Das Einzige was ich noch sah und hörte war das hämische Grinsen eines jüngeren Schülers und das Gelächter seiner Kameraden. „Alles in Ordnung mit dir?“, fragte mich auf einmal jemand von oben herab. „Sieht es etwa so aus, als wäre alles in Ordnung?“, gab ich sarkastisch zurück, was ich aber sofort auch wieder bereute, denn die Person, die mich angesprochen hatte, war meine Mutter. Sie half mir beim Aufstehen und meinte dann angesäuert: „Diesen Ton verbitte ich mir von dir. Wenn du mir jetzt bitte folgen würdest.“ Wir gingen ins Obergeschoss der Schule, dorthin wo laut Lillian alle Lehrer ihre Privaträume hatten. Meine Mutter öffnete eine Tür und sagte: „Hier herein. Das ist mein Büro.“ Ich trat ein und sofort erinnerte mich die Atmosphäre wieder an das Gemach einer Burg. Meine Mutter schien so etwas zu lieben. „Setz’ dich bitte. Yuri, wartest du bitte draußen?“ Die letzten Worte richtete sie an ihren Begleiter, der mir bis jetzt noch gar nicht aufgefallen war. Er trug ebenfalls so eine seltsame schwarze Robe und bewegte sich leise wie ein Schatten. Als die Tür wieder ins Schloss gefallen war, setzte meine Mutter sich ebenfalls in ihren bequemen Ledersessel und schaute mich an. Der Blick ihrer braunen Augen ruhte lange auf mir bevor sie fast feierlich sagte: „Schön, dass du hier bist. Ich habe es dir zwar schon vor Wochen gesagt, aber die Schuluniform steht dir wirklich gut. Mir persönlich gefiele aber eine von diesen schwarzen Roben an dir besser.“ „Was hat es mit diesen Leuten auf sich?“, unterbrach ich sie. Sie lächelte. „Nicht jetzt. Du musst wirklich noch viel lernen. Lass’ dir das doch lieber von deiner Freundin Lillian, dem Engel Azrael, erklären. Denn du musst jetzt zum Unterricht. Hier ist dein Stundenplan.“ Sie schob mir ein Blatt Papier hin. Während ich es durchlas, fuhr sie fort: „Im Übrigen erwarte ich dich jeden Nachmittag hier in meinem Büro. Du darfst jetzt gehen.“ Die letzte Bemerkung duldete keinen Widerspruch und so stand ich auf und ging nach draußen. Schnell hatte ich mein Klassenzimmer gefunden und entschuldigte mich bei unserer Lehrerin für das späte Erscheinen. Zu meiner Begründung sagte sie nichts, sondern wies auf einen Platz, den Lillian mir freigehalten hatte. Auf dem Weg dorthin musste ich mir einige gehässige Bemerkungen der anderen Schüler gefallen lassen. Schließlich setzte ich mich, packte meine Schreibutensilien aus und folgte so gut es eben ging dem Unterricht. In der nachfolgenden Pause fragte meine Freundin mich, was ich bei der Direktorin gemacht hätte. Als ich ihr antwortete, dass sie meine Mutter sei reagierte sie leicht panisch: „Okay, ich hätte es wissen müssen. Ihr habt dieselbe nicht unbedingt alltägliche Haarfarbe. Aber dass sie deine Mutter ist …? Weißt du eigentlich, welchen Rang sie hat?“ „Direktorin?“ Lillian verdrehte die Augen. „Nein, nicht diesen Rang. Ich meine: Sie gehört auch zu den Engeln. Sie ist Luzifer!“ „Ich dachte, nur Schüler können den Rang eines Engels haben“, meinte ich und zog fragend die Augenbrauen in die Höhe. „Um den Rang eines Engels oder zumindest den eines Dieners zu erreichen, musst du dich in einer Rangliste nach oben arbeiten. Bis jetzt hat es keiner geschafft, sie zu besiegen und den Rang für sich zu beanspruchen“, erklärte sie. Mir fiel gerade noch etwas ein und da wir noch ein wenig Zeit hatten, sprach ich Lillian darauf an: „Meine Mutter meinte, ich sollte dich mal nach den Leuten in den schwarzen Roben fragen. Also, wer sind diese Menschen?“ „Sie heißen, wie ich schon sagte, Diener der Engel. Das sind auch Schüler, die solche Roben tragen müssen, solange sie mit uns Engeln zusammen auftreten. Sonst tragen sie ihre normale Uniform. Keiner weiß, wer sie sind und das soll auch möglichst geheim bleiben. In der Rangfolge sind das die Neun, die direkt auf die Engel folgen. Hast du mich verstanden?“ Ich nickte. „Gut, dass du eine schnelle Auffassungsgabe hast, denn die Pause ist jetzt um.“ Als wir unser Unterrichtspensum für diesen Tag geschafft hatten, schlenderten Lillian und ich noch ein wenig durch das Schulhaus. Unterwegs begegneten wir noch zwei Engeln, die Lillian mir vorstellte: „Das sind Juliet und Cathleen Devot. Wie du siehst, sind sie Zwillinge.“ Die beiden Mädchen lachten und schüttelten mir die Hand. Sie waren wirklich sehr schön. Außerdem waren sie geschminkt und jede trug eine andere Frisur. „Lillian, ich glaube, das hätte sie auch selbst gesehen. Und du bist …?“, fragten sie schließlich und ich antwortete hastig: „Mein Name ist Kirya Savier.“ „Schön dich kennen zu lernen. Aber wir müssen dir Lillian jetzt leider entführen. Wir haben gerade erfahren, dass es noch ein Treffen der Engel gibt.“ „Ist gut, geht schon mal vor, ich komme gleich“, meinte meine Freundin und wendete sich mir zu. „Also, wir sehen uns dann spätestens beim Abendessen, oder?“ Dann lief sie den Zwillingen hinterher. Erst als sie um die nächste Ecke gebogen war, merkte ich, dass ich keine Ahnung hatte, wo ich gerade war. Doch das machte mir nicht allzu viel aus und so ging ich weiter. Zu meiner Freude fand ich zufällig die Schlosskappelle. Ich trat durch das kleine Holzportal und mein erster Blick fiel auf die bunten Bleiglasfenster, durch die die Sonne schien. Dann allerdings sah ich, dass im Schatten des Altars eine Person stand und die Kerzen anzündete. Ich dachte, dass es vielleicht ein Geistlicher war und deswegen fragte ich höflich: „Pater?“ Die Person drehte sich herum und ich erkannte, dass es ein junger Mann war. Er trat aus dem Schatten, sah mich an und ich fühlte mich, als hätte ich diesen Moment schon einmal erlebt. Es war derselbe Fremde, den ich in meinem Traum gesehen hatte. Und nicht nur dort hatte ich ihn gesehen. Er trug auch ein schwarzes Gewand und ich stellte fest, dass es der Diener meiner Mutter war. „Was machst du hier?“, fragte er mich barsch und ich antwortete nur zögernd, weil ich mich nicht von seinem Blick losreißen konnte. „Ich bin nur durch Zufall hierher gekommen.“ „Solltest du nicht bei deiner Mutter sein? Sie wartet sicher schon auf dich.“ Warum wusste er das? Hatte er heute Vormittag etwa gelauscht, als ich mit meiner Mutter gesprochen hatte? „Ich bringe dich zu ihr“, sagte er und legte sein Kopftuch an, sodass man ihn nicht erkennen konnte. „Komm.“ Ich folgte ihm die Treppen wieder nach oben. Während wir über die Gänge liefen, schauten uns die Schüler verwirrt hinterher, was mir äußerst unangenehm war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)