The Nightmare before Halloween von Phantom (The Nightmare before Christmas Ⅲ) ================================================================================ Kapitel 5: Zero gibt nicht auf ------------------------------ Sally schlug am nächsten Morgen die Augen auf mit der anfänglichen Verwirrung, unter einem ihr scheinbar völlig fremden Dach zu erwachen. Dann kehrte die Erinnerung zurück: Jacks Turm. Sie hatte ihn ja erklommen. Ausgeruht schälte sich die Lumpenpuppe aus der Bettdecke und glättete ihr langes, kastanienbraunes Haar. Zero kam gleich angeschwebt, nachdem er bemerkt hatte, dass sie wach war, und stupste sie mit seiner glühenden Kürbisnase an. „Guten Morgen, Zero. Du möchtest vermutlich, dass ich dir etwas zu essen gebe?“ Sie kam auf die Beine und bewegte sich auf die Schränke zu. Zwischen Staub, den unverständlichen Geräten, noch mehr Staub und einem kleinen, glitzernden Häufchen Schnee, das tatsächlich noch nicht geschmolzen war, fand sie eine fast leere Packung Knochenfutter. Sie schüttete den Rest in Zeros Näpfchen, welcher sich sofort darüber hermachte. Indessen öffnete Sally die Fenster, und mit dem Blick auf den geisterhaften Marktplatz beschlichen sie erneut dieselben Sorgen wie in der Vornacht: Wo war Jack nun wohl? Was machte er gerade? Wie fühlte er sich? Ging es ihm gut? Halloween würde dieses Jahr nicht stattfinden, so viel stand fest, denn irgendwie schien jeder die Motivation verloren zu haben. Sally überlegte, ob man einen neuen Kürbiskönig küren würde, wenn der alte nicht mehr zurückkehrte. Aber wer wäre schon talentiert und mutig genug, um dieser großen Aufgabe gerecht werden zu können? Wer besäße annähernd einen Erfindungsreichtum und den nötigen Charme, um alle für seine Ideen zu begeistern, wie der unvergleichliche Jack Skellington? Niemand, wusste sich Sally selbst zu antworten. Er war einzigartig, und niemand würde seine erhabene Position jemals ausfüllen können, denn Jack war der personifizierte Schrecken, Jack gab dem Spuk ein Gesicht – ja: Jack war Halloween selbst. Zero zupfte an ihrem Flickenkleid. Zwei muntere Augenhöhlen starrten sie an, und es kam ihr vor, als wollte ihr Besitzer ihr sagen: Wenn du ihn so sehr vermisst, warum suchst du ihn dann nicht? „Ach, Zero“, seufzte sie, „du hast ja Recht. Und ich würde ihn suchen, wenn ich nur könnte – aber ich kann nicht. Mein Herz sehnt sich so sehr nach ihm, doch mein Körper gehorcht mir nicht mehr, sobald ich ihm zu nahe komme, und ich kann nichts dagegen tun. Seit er mich gestern angegriffen hat, fühle ich ein mächtiges Unbehagen ihm gegenüber, das ich nicht beeinflussen kann. Ich… ich ärgere mich über mich selbst, so hilflos zu sein, während Jack dort draußen irgendwo… Wieso bin ich nur so schwach…?“ Sie hatte sich abgewandt, und Zero schaute auf den dichten Schleier ihrer Haare. Es musste aber doch jemanden geben, der bereit war, sein Herrchen zu finden! Leise, um der Freundin desselben nicht den Moment kaputtzumachen, in welchem sie ihrem Kummer ungesehen nachgeben konnte, schwebte der Geisterhund aus dem offenen Fenster ins Freie. Es gab eine weitere Person, die für diese Mission in Betracht kam: Der Bürgermeister! Zero war aufgefallen, wie der immer wieder an seiner Entscheidung – die er eigentlich nicht einmal selbst getroffen hatte – zweifelte; er hatte ihn dabei beobachtet, wie er dann und wann heimlich am Tor stehen blieb und auf die Rückkehr des Festtagsvorsitzenden hoffte. Bestimmt würde er ihn überzeugen können! Das Rathaus war geschlossen, also flog Zero zum Anwesen des Bürgermeisters im Schierlingsgehöft. Er entdeckte die gesuchte Person in der hohen Eingangshalle, wo sie gerade dabei war, seit zehn Minuten dieselbe Stelle ihres Leichenwagens mit einem alten, abgenutzten Schnupftuch zu polieren. Seit Jacks Verbannung hatte sich das Gramgesicht des Bürgermeisters kein einziges Mal gedreht, und jetzt blickte er nicht einmal auf, als er sich der Gesellschaft gewahr wurde. „Was willst du, Zero? Jack ist nicht mehr hier, falls du ihn suchst. Er ist weit, weit weg und vielleicht sogar schon tot…“ Allmählich wurde Zero ungeduldig und etwas grimmig. Mehrmals stupste er den korpulenten Mann an. „Flieg, Zero, und lass mich allein. Ich fühle mich niederträchtig! Halloween wird ins Wasser fallen, und ich habe als Bürgermeister sowie als guter Freund versagt…“ Zero dachte jedoch nicht daran, aufzugeben! Es musste doch möglich sein, an sein Pflichtbewusstsein zu appellieren! Entschlossen schwenkte er das Köpfchen umher und sauste schließlich von dannen. „Na endlich“, seufzte der Bürgermeister. Immerhin schien er zu bemerken, wie unsinnig seine Tätigkeit war, denn er beäugte das fusselige Tuch und senkte es. „Was mache ich hier bloß…?“ Von oben war ein Rumpeln zu hören. „Zero?“, fragte der Volksvertreter mulmig in die vermeintliche Einsamkeit. Da kam der Hund auch schon wieder angeflogen. Er war ein bisschen verstaubt, und in seiner Schnauze transportierte er einen stark verschmutzten Bilderrahmen. „Wo hast du den denn aufgeschnappt?“ Der Bürgermeister hob sein Taschentuch und putzte damit die Oberfläche des Fotos sauber. Das, was hinter der dicken, grauen Staubschicht zum Vorschein kam, ließ ihn betroffen die Luft einziehen. Auf dem Bild war er selbst zu sehen – in allerbester Laune. Er stand vor dem riesigen Rathaus Halloween Towns, das im Licht ihrer Kürbissonne glänzte, und neben ihm: Jack Skellington, der Kürbiskönig, würdevoll und freundlich wie stets. Das Foto war jetzt gewiss mehrere Jahrzehnte alt, und dennoch hatte sich kaum etwas verändert. Natürlich bis auf das Fehlen von Jack… „Was wohl keiner verneint: Er ist der Meister seines Fachs Seine Künste sind bekannt überall Spielt er jemand’ im Dunkeln einen Schabernack So gelingt’s ihm bestimmt in jedem Fall Als Dämon der Nacht er war Unser allergrößter Star Der Knochenmann Dem niemand widerstehen kann Doch nun ist er fort So weit weg von diesem Ort Und schuld sind wir alle ganz allein daran Oh, Jahr folgt auf Jahr Halloween auf Halloween Ich weiß nun, dass er traurig war Auch wenn er glücklich schien Denn er – Jack! – ist mein Freund, bleibt Der Kürbiskönig für alle Zeit Oh, tief in mir, da sitzt fest die Schuld Ich hülf’ ihm gern, voll Ungeduld Doch was geschah, das ist nun gescheh’n Als Freund versagend, ließ ich ihn geh’n Er ist Meister des Spuks Und so schlau wie ein Fuchs Und sein Anblick lässt Dich nicht mehr los Nein, nie hatt’ ich ihn satt Seit er wohnt in der Stadt Und ich frag’ mich, wo ist er jetzt bloß? Ach, hätt’ ich gewusst Was Du durchmachen musst Wieso, Freund, hast Du denn nichts gesagt? Niemand’, keinem Haupt Hast Du Dich anvertraut Dabei wollen wir doch wissen, was Dich plagt Folgt auch Jahr auf Jahr Und ein Schreck auf Schreck Frag’ mich jedes Mal Wo ist der König Jack? Er ist uns nicht egal – ach, könnte er mich seh’n Was gäbe ich für, würde er’s versteh’n? Und kommt er nie mehr zu uns zurück Find’ ich ihn nicht in einem Stück Dann ist’s vorbei, oh weh, welch ein Graus Denn ohne Jack fällt Halloween aus“ ("Jacks Lamento") „Er hat uns nie enttäuscht… und ich werde ihn auch nicht enttäuschen!“ Der Bürgermeister umklammerte den Bilderrahmen fest. „Komm, Zero! Wir nehmen mein Auto und suchen ihn!“ „Warten Sie einen Moment!“ Er drehte sich zur Haustür. Dort stand Sally. „Ich möchte mitkommen! Ich kann nicht einfach herumsitzen, während es Jack schlecht geht, auch wenn ich mich immer noch fürchte…“ Halloween Towns Oberhaupt sprach ihr Mut zu: „Deine Entschlossenheit kann ich gut gebrauchen. Mach dir keine Sorgen – zusammen werden wir es schon irgendwie schaffen!“ Sie stiegen in das Auto. Während der Bürgermeister den alten Motor startete, murmelte er etwas kaum Verständliches: „Was bin ich nur für ein Bürgermeister? Erst hintergehe ich Jack, dann mein ganzes Volk… Ich hoffe bloß, das wird sich alles wieder richten.“ Sally war davon überzeugt: „Es wird alles wieder gut. Sobald wir Jack erst einmal gefunden haben und die Missverständnisse aus dem Weg räumen können…“ „Missverständnisse? Jack ist gefährlich, das weißt du genauso gut wie ich. Wir können den Bürgern nichts vorwerfen: Was immer aus ihm geworden ist – er hat es nicht unter Kontrolle! Es wird schwierig werden, ihn wieder einzugliedern. Falls wir ihn überhaupt finden.“ „Glauben Sie mir! Ich weiß, dass alles gut wird. Ich kenne ihn! Wir werden eine Lösung finden!“ „Hoffentlich hast du Recht.“ Stotternd und hustend setzte sich das Fahrzeug in Gang. Zero senkte sich auf das Dach und war stolz, wenngleich ihm bewusst war, dass ihnen das Problematischste wahrscheinlich noch bevorstand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)