Mutation - Kapitel 1 von Toraina ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Kapitel 1: Many bad days Die Rotoren des Hubschraubers gaben das übliche, nervtötende Geräusch ab. Der Pilot meinte ungeduldig zu dem Wachposten, der auf dem Helikopterlandeplatz stand: "Sagen sie, es ist doch heute der 7.Juli 2641 um neun Uhr, oder? Müßte Ms Redjam nicht schon da sein?" Der Wachmann lächelte und sprach in das Funkgerät: "Nein, die war noch nie pünktlich. Rechnen sie mit mindestens einer Stunde Verspätung. Wahrscheinlich wacht sie gerade erst auf." Der Pilot schüttelte den Kopf und schaltete den Motor wieder ab. Er fragte sich, wie so eine unpünktliche Person so eine hohe Position in der Armee erlangen konnte. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Sonja schrak hoch. Nach und nach streckte sie sich und schaute sich um. Als sie aufstand verschwand ihr Bett in der Wand und das Badezimmer kam ihr aus der gegenüberliegenden Wand entgegen. Vorsichtig schaute sie in den Spiegel. Man konnte ja nie wissen, was dieser neumodischen Technologie heute für ein Kommentar einfiel. Aber Sonja bekam schon von selbst einen Schock, als sie die Leuchtanzeige über dem Spiegel betrachtete. Es war elf Uhr. "Sie sehen schlecht aus, Ms Redjam. Sie scheinen eine lange Nacht hinter sich zu haben." kommentierte die Computerstimme. Sonja fragte geistesabwesend. "W.. welcher Tag ist heute?" "Heute ist Sonntag, der 7.Juli 2641" gab der Computer höhnisch zurück. Sonja schlug mit der Faust auf den Tisch. "Verdammt, ich hätte vor 2 Stunden am Flugplatz sein müssen! Warum hast du mich nicht geweckt?" "Sie haben mir nicht gesagt, dass ich dies tun sollte." antwortete der Computer unschuldig. Die Blonde starrte den Spiegel ein paar Sekunden giftig an, bevor sie sich einen Ruck gab und unter die Dusche ging. Die zehn Minuten waren jetzt auch nicht mehr so wichtig. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ "Verzeihung, aber diese Option ist nicht zulässig." piepte der Autocomputer empört. Sonja riß den Schalthebel dennoch in den fünften Gang und raste vorbei an dem kleinen Laster. Einige Fahrzeuge kamen ihr entgegen, doch bevor sie mit irgend jemandem zusammenstieß fuhr sie eine scharfe Rechtskurve direkt vor den Frachter, der sofort einige Hupgeräusche von sich gab. Beinahe hätte Sonjas Porsche die ganze Aktion nicht mitgemacht, da der eingebaute Computer solche Sachen nicht gerne billigte. Aber letztendlich konnte er nicht viel anstellen, um sie vom Gegenteil zu überzeugen. Also protestierte er nur laut: "Sie fahren zu schnell, Ms Redjam! Drosseln sie die Geschwindigkeit um 50%! Ich werde die Verkehrswacht alarmieren!" Sonja ignorierte die kleine Drohung des Navigators und konzentrierte sich auf die rasante Fahrt. Sie flitzte an einer roten Signallampe vorbei und bog um die Ecke. "Vorsicht! Fahrzeug direkt voraus!" kreischte der Autonavigator schrill. Geistesgegenwärtig trat Sonja auf die Bremse und lenkte den schwarzen Porsche in eine Seitenstraße. Das kleine Motorrad, das ihr entgegen kam, fuhr einfach weiter, als hätte der Fahrer überhaupt nicht mitbekommen, was passiert war. Aber Sonja hatte nun ein neues Problem. Die Seitenstraße war enger als vermutet und der frisch gewachste Wagen schlingerte hin und her, da Sonja immer noch auf die Bremse trat und versuchte, den Wagen unter Kontrolle zu bekommen. Doch schnell merkte sie, das sie durchs bremsen wohl eher Kratzer am Auto haben würde, als wenn sie normal weiterfährt. Also nahm sie den Fuß von der Bremse und tippte das Gaspedal leicht an. Dem Computer schien wieder irgend etwas nicht zu gefallen: "Das ist die falsche Richtung, Ms Redjam! Dies ist eine Einbahnstraße!" Sonja nahm den Fuß von den Pedalen und ließ den Wagen langsam ausrollen. "Eine Einbahnstraße? Verdammt, berechne endlich den kürzesten Weg zum Flugplatz!" befahl sie dem Computernavigator. Dann betätigte sie die Kupplung und drückte den Schaltknüppel nach hinten, in den Rückwärtsgang. Die grellen Lampen, die schnell größer wurden, kündigten das herannahende Fahrzeug an. Sonja fluchte und wandte sich dann nach hinten, um sehen zu können, wohin sie fuhr. Sie drückte das Gaspedal ganz durch und lenkte den Wagen wieder in die Richtung, aus der sie gekommen war. Dummerweise fährt man rückwärts nicht ganz so schnell, wie im fünften Gang, und so kam das andere Fahrzeug immer schneller heran. "Schläft der Typ, oder was?" meinte Sonja Redjam, als sie die Gefahr bemerkte. Sie drückte auf die Hupe, weil sie wußte, dass sie es nicht rechtzeitig aus der Straße raus schaffen würde. "Identifiziere bitte dieses Fahrzeug." Selbst das lang anhaltende Geräusch der Hupe hielt den Fahrer nicht davon ab, weiter auf Sonjas Porsche zuzufahren. Verdammt, wer war das? Jeder normale und zudem vernünftige Mensch wäre schon längst langsamer geworden. "Es handelt sich um ein Kraftfahrzeug der Firma BMW von mittlerer Größe. Es befindet sich kein Lebewesen im Wagen." beantwortete der Computer ihre gedachte Frage. "Kein Lebewesen? Wie fährt das Ding denn bitte schön!?" Sonja schaltete ihre Scheinwerfer ebenfalls an. Wollen wir mal sehen, ob du blind fahren kannst, dachte sie. Er konnte es. Der hellblaue BMW schoß weiterhin genau auf sie zu und folgte dabei auf den Millimeter genau der Kurve, welche die Straße nun machte. Wie vom Computer berechnet, dachte Sonja. Die Stoßstangen der beiden Wagen berührten sich, wobei der Porsche leicht vom Weg abkam. Die Sommersprossige versuchte krampfhaft den Wagen unter Kontrolle zu behalten. Ihre Knochen schimmerten weiß durch die Haut, sosehr klammerte sie sich an das Lenkrad. Trotz der Feinfühligkeit seiner Fahrerin schrammte der schwarze Sportwagen auf der linken Seite gegen die Wand, sodass das Metall Funken schlug. "Jetzt ist der Lack zerkratzt!" schimpfte die Amerikanerin leise. "Achtung! Fahrzeug fährt gefährliche Waffen aus! Achtung! Illegale Handlung des Verfolgers!" quäkte der Autocomputer. Na klasse, der BMW ist auch noch bewaffnet. Heute schien wohl nicht gerade Sonjas Glückstag zu sein. "Können wir Gegenmaßnahmen einleiten?" "Sicher, das ist genehmigt." Na also, endlich mal eine gute Nachricht. "Na dann los!" Sonja wußte ja, das der Ehrencodex dieses Computers seltsam war, und glaubte schon gar nicht mehr daran, dass er ihr erlaubte, selbst etwas zu unternehmen, gegen dieses... Auto. Ein weiterer Stoß gegen die Stoßstange drückte den Porsche nun gegen die rechte Wand. Aber bevor das Auto weiter demoliert wurde schob sich eine zusätzliche Panzerung über die Aussenhülle des Wagens. Die Fensterscheiben verdunkelten sich, was davon zeugte, dass das Panzerglas ebenfalls an den richtigen Platz gerückt war. Das Ende der Straße war nun doch ein Problem, da die vorbeifahrenden Autos nicht anhalten würden, um den nun versiegelten Sportwagen durchzulassen. Sie würde zulange brauchen, um heil auf die andere Straßenseite zu gelangen. Der katzenartige BMW richtete die großen Maschinengewehre auf den etwas kleineren Porsche. "Verbinde dich mit der Verkehrswacht und bitte um Hilfe." "Schon erledigt." Alleine werden wir das eh' nicht schaffen, dachte Sonja und nahm den Fuß vom Gas. Sie stand jetzt mit ihrem Wagen direkt an der Kreuzung und zog die Handbremse, da der BMW bereits drauf und dran war, ihren Wagen auf die andere Straße zu schieben. Zudem eröffnete er das Feuer, als würde es nicht wichtig sein, sich verdeckt zu halten. Einige Wagen bremsten oder wichen ängstlich aus. Irgendwo war sogar das klirren von Glas zu hören und Sekunden später eine quietschende Bremse. Doch der Lkw war außer Kontrolle geraten und krachte mit einem Haus zusammen. Die Panzerung hielt den Kugeln noch stand. Die Querschläger rissen Löcher in Wände oder Straße. Die Schüsse, die ihr Ziel verfehlten sorgten für das Chaos auf der Kreuzung, welche schnell von liegengebliebenen oder zusammengeprallten Wagen überfüllt war. Durch die wenigen Autos, die versuchten vorbeizufahren, war die Kreuzung nun völlig verstopft. Die Verkehrswacht würde ihr nicht helfen können. Und selbst, wenn sie es schafften, hierher vorzudringen, hätten sie genug mit den anderen Wagen zutun. "Öffne mir die Notklappe!" befahl sie dem Autocomputer. "Aber das ist illegal!" protestierte der Navigator. Immer mußte sich das Ding an die Regeln halten. "Ich denke, wenn wir das hier überleben sollten, was ich aufgrund deiner Sturheit aber nicht glaube, werde ich dich wohl umprogrammieren müssen!" Die Klappe öffnete sich. Sonja lächelte und nahm die darin enthaltene Pistole heraus. Ein Magazin steckte sie sich in die Hosentasche, mit dem anderen lud sie die Waffe. Dann klappte sie den Beifahrersitz nach vorne und kroch dahinter. "Entriegele den Notausstieg." befahl sie wieder. "Nein." "WAS?" Welches Problem hatte der Computer jetzt schon wieder? "Entriegele das Ding gefälligst!" "Nur wenn sie versprechen, mich nicht umzuprogrammieren!" Oh, nein. Dieses Vieh hatte auch noch Emotionen! Jetzt wußte Sonja, warum es falsch gewesen war einen Droidenchip in das Auto einbauen zu lassen. "O.K. Ich verspreche es." "Ein Versprechen kann man brechen. Schwören sie es!" Das war der Grund, warum sie lieber diesen Chip genommen hatte: Er war intelligenter. "Gut, dann schwöre ich es. Aber, zum Teufel noch mal, laß mich endlich hier raus!" Mit einem Klicken entriegelte sich die Luke hinten am Wagen. Sonja öffnete sie vorsichtig und meinte noch, bevor sie ausstieg: "Verriegele hinter mir wieder und achte darauf an Ort und Stelle zu bleiben." "Klar." antwortete der Computernavigator fröhlich. Sonja kroch durch die kleine Öffnung und blieb geduckt hinter dem Auto. Sie ließ die Klappe einrasten und warf einen kurzen Blick auf die Kreuzung. Irgendwo in der Ferne waren Sirenen zu hören, aber sie würden nicht weit kommen. Der schlanke BMW hatte aufgehört auf Sonjas Porsche zu feuern, aber war weiterhin bemüht, das Auto aus der Gosse zu schieben. Das Gummi der Reifen scheuerte langsam ab und trotz angezogener Handbremse rutschte der Wagen langsam rückwärts auf die Kreuzung zu. Wer auch immer dieses Fahrzeug steuerte war ziemlich stur und wohl auch nicht zum Aufgeben bereit. Fast wie ein Computer, dachte sie und entsicherte die Waffe. "Legen sie die Waffe weg, Ms Redjam." "Wer...?" Die ruhige, männliche Stimme wiederholte die Aufforderung noch einmal. Sonja schaute nach oben. Entgegen der Sonne entdeckte sie eine Person auf dem Dach. "Wer sind sie?" fragte sie den Schatten. "Ich bitte sie noch einmal darum, die Waffe wegzulegen..." der Ton der Stimme veränderte sich nicht und die Ruhe, die er ausstrahlte war irritierend. "Warum sollte ich das tun?" Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, dass der BMW einen Meter zurückgefahren war und dort verharrte. "Sie haben keine andere Wahl." antwortete der Mann ebenso monoton wie auch zuvor. Er mochte recht haben. Von hier unten war kein vernünftiges Zielen möglich, da er einfach zu weit über ihr stand. Und die Maschinenpistole, die er fast beiläufig in der linken Hand hielt machte ihn zu einem Problem. Sie war die günstigste Zielscheibe, die man sich hätte vorstellen können. Zudem sie den Aufsatz an seiner Waffe eindeutig als Zielfernrohr erkannte. Sie sicherte die Waffe wieder und legte sie vor sich auf den Fußboden. So einen schlechten Tag sollte man nicht noch herausfordern. "Sie haben mir noch immer meine Frage nicht beantwortet. Was wollen sie eigentlich?" Der Mann lachte. Jedenfalls vermutete sie, das es ein Lachen darstellen sollte. Es klang ebenso monoton, wie all das gesprochene und wirkte unmenschlich. Nach einem kurzen Moment sprach er wieder mit dieser ruhigen, ja irgendwie selbstsicheren Stimme weiter: "Sie werden nicht nach Ray-Shen fliegen." Sonja schaute verdutzt. Woher wußte der Typ, wohin sie wollte? Diese Information war ausschließlich der Armee vorbehalten! Dieser Typ war nicht nur seltsam, sondern auch gut informiert. Ein Hacker mit bösen Absichten? "Und warum sollte ich das nicht tun?" "Es gibt zu viele Leute, die etwas dagegen haben. Außerdem sollten sie besser hierbleiben, als sich dort zu Brei verarbeiten zu lassen." meinte der Typ ernst, aber dennoch monoton und ruhig. Soso, ein Weltverbesserer. Aber trotzdem war das unlogisch. Die Stadtbevölkerung wußte von der Belagerung vor Ray-Shen und alle waren einverstanden gewesen Verstärkung hinzuschicken. Viele machten sich auch Sorgen, wegen Familienmitgliedern. Der Typ konnte also nicht aus der Stadt sein. "Wieso sind sie da so sicher?" Falls der Typ überhaupt antworten wollte, so ging dies unter dem Rotorengeräusch des Helikopters unter, der nun über dem Gebäude schwebte. Sonja erkannte das Symbol der Verkehrswacht. Die Person auf dem Dach verschwand und schien sich ins Gebäude verflüchtigt zu haben. Sonja hingegen winkte dem Hubschrauber zu, der daraufhin versuchte, auf dem Dach zu landen. Das aufheulen eines Motors ließ sie zurück schauen. Der BMW machte sich gerade aus dem Staub. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Nach einem halben Tag verließ Sonja endlich das Verwaltungsgebäude der Verkehrswacht. Die ständigen Fragen konnte sie nun fast auswendig. Sie wollte jetzt einfach nur weg, sich erholen, vielleicht einen trinken oder sich ins Bett legen, Hauptsache, sie mußte keine Fragen mehr beantworten. Als sie in den Leihwagen stieg wurde sie auch schon von dessen Autopilot begrüßt: "Guten abend, Ms Redjam. Wo wollen sie hin?" Er hatte ihr eine Frage gestellt! Sie schaute böse. "Fahr mich bitte auf Automatik nach Hause." "Kapitän Jordan hat angeboten, dass sie gleich in einem Zimmer beim Flugplatzgebäude übernachten können. Soll ich sie dorthin fahren?" Sonja runzelte die Stirn, war aber zu fertig, um lange darüber nachzudenken. "Ja, ja. Fahr mich dahin." ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Der nächste Morgen verlief auch nicht viel besser als der vorige. Total verspätet traf Sonja am Büro Jordan's an und klopfte kurz, bevor sie die Tür öffnete und eintrat. "Entschuldigen sie die Verspätung, aber dieser bescheuerte Computer hat mich zur falschen Zeit geweckt." Mit diesen Worten schloß sie die Tür wieder hinter sich und ging weiter in den Raum hinein. Kapitän Jordan stand auf und zeigte mit einer Hand auf den Sessel, der ihm gegenüber stand: "Setzen sie sich doch, Ms Redjam." Sonja ging zum Stuhl und Beide setzten sich fast gleichzeitig hin. "Ihr Wagen ist ja jetzt in der Reparatur, wie sie bestimmt schon wissen." Sonja nickte und nahm sich das Glas, welches ihr gegenüber auf dem Tisch stand. "Wir haben festgestellt, dass dieser BMW zwar hier in der Stadt hergestellt und verkauft wurde, aber laut den Lackspuren auf ihrem Auto war das vor über zehn Jahren." Sonja runzelte die Stirn: "Vor zehn Jahren? Dann ist das Teil ja gar nicht registriert." "Richtig. Damals war ja dieses Chaos wegen dem Computervirus." Sonja nippte an dem Wasser. Der Typ war mehr als ein Hacker. Sie wußte immer noch nicht, was sie so seltsam an ihm fand, aber da steckte weitaus mehr dahinter als sie jetzt gedanklich zu fassen bekam. "Und die Person, von der ich erzählt hatte? Haben sie darüber schon irgend etwas herausbekommen?" Jordan schüttelte den Kopf: "Nicht viel. Wir wissen nur, das alle Maschinenpistolen, die registriert sind, nicht in dieser Stadt verkauft wurden." "Das ist ja nicht gerade sehr viel." meinte Sonja und trank ein paar Schlucke aus dem Glas. "Richtig." meinte Jordan und nahm auch einen Schluck. "Schade, das sie ihn nicht genauer sehen konnten. Wir tappen dadurch im Dunkeln." Er hatte recht. Genaugenommen wußte sie überhaupt nichts über diesen Typen. Die Waffe brachte wenig, wenn sie nicht registriert war. Zudem war sie wohl über den Schwarzmarkt ersteigert worden, da es in dieser Stadt offiziell niemanden gab, der Maschinenpistolen verkaufte. "Was ist nun eigentlich mit meinem Flug?" Jordan stellte sein Glas wieder weg: "Bis auf weiteres müssen wir ihn verschieben. Ich denke aber, in zwei Tagen können sie nach Ray-Shen fliegen." Sonja trank das Glas aus und kommentierte das nur mit einem Nicken. Dann stand sie auf und verabschiedete sich. Nun hatte sie noch diesen ganzen Tag und die zwei anderen, um selbst der ganzen Sache nachzugehen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Die Disco war brechend voll. Der Baß brachte den Brustkorb zum vibrieren. Es roch nach Zigarettenqualm und Alkohol. Kommunikation war hier ein Fremdwort, da man sich nicht mal verstand, wenn man (oder Frau) dem Gesprächspartner ins Ohr brüllte. Die schlanke Gestalt schlängelte sich zwischen Tanzenden und Betrunkenen hindurch zur Bar. Der junge Mann hatte seine blauen, langen Haare zu einem Zopf gebunden. Die hautenge Jeans war leicht zerfleddert und das schwarze T-Shirt wurde von einem langen, ebenso schwarzem Umhang halb verdeckt. Die Füße des nur 1,70m großen Mannes steckten in verdreckten Turnschuhen. Die Barkeeperin hätte ihn wohl als gutaussehend beschrieben. "Sie wünschen?" fragte sie den jungen Mann. Er zog einen Credstick, ein längliches, flaches Ding, das wie ein Paß, eine Geldkarte, ein Autoschlüssel und vieles andere verwendet wurde. Mit einer ruhigen, fast einschläfernden Tonlage meinte er: "Ich bin sicher, das Ally von meinem Besuch erfahren will." Die Frau an der Bar hob beide Augenbrauen und nahm den Credstick entgegen. "Das werden wir ja gleich sehen, Mr..." sie schob das flache Ding in einen Leseautomaten. "Ah... Mr Lohmüller. Einen Moment bitte, ich werde ihr Bescheid geben." Ihre Hand wanderte unter die Theke, wo sie einen Knopf betätigte. Gleichzeitig gab sie ihm mit der anderen Hand den gefälschten Credstick wieder. Mr Lohmüller steckte ihn in eine Innentasche des Umhangs und schaute sich noch etwas um, bevor die Rothaarige zu ihm kam. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ "Du Schwachkopf!" Sie schaute ihn böse an, wobei ihre blauen Augen ihn giftig anfunkelten. Er hängte seinen Umhang ruhig über den Stuhl und erwiederte ebenso gelassen ihren Blick. Mit monotoner Stimme antwortete er: "Wenn du dich so darüber aufregst, warum hast du es dann nicht selbst gemacht?" Sie war kurz davor ihm eine zu scheuern, aber vermutlich hätte er das nicht mal gemerkt. "Warum hast du sie nicht umgebracht? Du hättest sie so gut aus dem Weg räumen können!" Er runzelte die Stirn, schaute weiterhin in ihre Augen: "Das war nicht unser Plan. Diese Option habt ihr mir nicht gegeben. Ich habe das getan, was ihr gesagt habt. Was ist dein Problem?", antwortete er mit der üblichen monotonen Stimme. "Was mein Problem ist? Ich werde dir sagen, was mein Problem ist! Du bist das Problem! Wegen deiner Engstirnigkeit wird sie in Ray-Shen ankommen!" Sie fuhr sich durchs Haar. "Wieso bist du da so sicher?" fragte er und es gelang ihm, einen Mundwinkel hochzuziehen, was wohl ein Lächeln darstellen sollte. Jetzt war sie diejenige, welche die Stirn runzelte. Sie lehnte sich gegen den Tisch und verschränkte die Arme: "Was meinst du damit?" Er ging zum Fenster und schaute nach draußen auf die dunkle Gasse: "Der Helikopter wird nicht in Ray-Shen ankommen. Außerdem ist es fraglich, ob sie überhaupt starten werden." Seine Stimme war fast zum Einschlafen. Sie ging zu ihm, stellte sich daneben: "Es ist wichtig für uns. Mach es diesmal wirklich richtig. Diese Unterdrückung muß ein Ende haben, verstehst du? Das ist der erste Schritt in die richtige Richtung." Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Irgendwie schaffte er es doch immer wieder die Leute mit seiner ruhigen, monotonen Stimme zu besänftigen. Er legte seinen Arm um sie: "Sicher. Ich verspreche dir, das sie niemals in Ray-Shen ankommen wird." ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ "Lohmüller, sagen sie?" fragte Sonja noch mal nach. Sie tippte den Namen in ihren kleinen Hand-PC ein. Dieser spuckte sofort seitenweise eine Liste mit Lohmüllers aus. "Und der Vorname?" Die Person am anderen Ende schwieg eine ganze Weile. Es war das piepen eines Computers zu hören. "Ich... ich weiß nicht. Eigentlich hätte der Computer die gesamten Daten speichern müssen, aber..." Sonja runzelte die Stirn. Sie wechselte das Telefon von einem Ohr zum anderen und fragte nach: "Wissen sie, wer diesen Lohmüller bedient hat?" "Er wurde gar nicht bedient... jedenfalls gibt es keine Geldüberweisung oder so etwas." Der Kerl war ziemlich gerissen. Aber er mußte die Person kennen, mit der er an der Bar geredet hatte, sonst wären die fehlenden Daten sofort aufgefallen. Ein Hacker mit Connections also. "Gut, das war's dann erstmal, danke für ihre Hilfe." mit diesen Worten legte sie auf und blickte auf den Bildschirm. Sie konnte nicht glauben, das es so viele Lohmüllers gab. Unter anderem fand sie einen ganzen Clan in ein und der selben Straße wohnend. Zuerst sortierte sie die weiblichen Personen aus. Dennoch blieben über die Hälfte übrig. Dann fand sie ein paar, die überhaupt gar nicht in Feng-Lay wohnten. Aber auch, nachdem sie die Verstorbenen aussortierte, waren es immer noch über 40 Personen, die alle den Namen Lohmüller hatten. Sie brauchte mehr Hinweise! Doch wo sollte sie anfangen? Das sich dieser Typ im ,Blue Devil' aufgehalten hatte, brachte sie nicht allzu weit. Dort kam jeder rein, wenn er nur die richtige Verhandlungsweise oder viel Geld hatte. Am besten würde sie die Angestellten der Bar weiter ausfragen. Sie sollte dem Schuppen mal einen Besuch abstatten. Sonja nahm das Telefon und wählte eine gespeicherte Nummer an: "Hallo? ... Oh ja, dass wäre nett." sie wartete einen kurzen Moment. Dann meldete sich wieder jemand am anderen Ende. "Ja, ich bin es, Sonja. Nein, es ist eigentlich alles in Ordnung, aber ich würde den Flug gerne noch um einiges Verschieben... ja, ich weiß, das ich dort gebraucht werde, aber ich würde dem Phantom gerne nicht mehr durch den Nebel folgen, wenn sie verstehen, was ich meine." Natürlich verstand Kapitän Jordan sie, immerhin arbeiteten die Beiden schon seit über fünf Jahren zusammen. Dennoch gefiel es ihm nicht wirklich, seine Ranghöchste Frau bei der Armee einfach hinter einem Unbekannten hinterher jagen zu lassen, statt das sie die Konflikte in Ray-Shen löst. Sonja hörte seine Zweifel in der Stimme, aber er willigte dennoch ein. Sie war ja nicht ohne Grund soweit gekommen. Sie wird schon wissen, was sie tut. Er vertraut ihr weit mehr, als sie sich vorstellen konnte. Wenn sie ihrem Phantom hinterher jagen will, soll sie es tun. Noch hatten sie jede Zeit der Welt, um diesen Konflikt zu lösen, da die Wüstenbewohner nichts weiter wahren, als lästige Insekten, die nicht wirklich eine Gefahr darstellten. Es war nur umständlich den Handelsweg nun per Luftverkehr stabil zu halten. Keine große Sache. Insekten eben. "Ich melde mich dann wieder, wenn ich los will. Ciao." Sonja legte auf und erhob sich. Der Stuhl, auf dem sie eben noch gesessen hatte, verschwand nun in der Wand. Das kleine Handy steckte sie sich an den Hosenbund. "Bad." befahl sie und holte dann aus der ihr entgegenkommenden Badezimmerausstattung eine Bürste. Sie kämmte ihre Haare nach hinten, holte sich ein Zopfband aus einer Schublade und band ihr Haar hinten zu einem Pferdeschweif. Ein Blick über ihr gesamtes Make-up ließ sie nachdenklich werden. Vielleicht war es besser, sich dort unter die Leute als Gleichgesinnte zu mischen und die Gäste etwas auszufragen. Ein Auftritt der Armee und dessen Handlanger wurde in solchen Clubs nie gerne gesehen. Zumal sie dann auch nichts herausbekommen konnte. Sonja öffnete ihr Haar wieder und holte einen Fön und Haarspray heraus. Endlich konnte sie mal wieder wie damals, als sie noch nicht zur Armee ging und ihr Vater noch lebte, in eine Disco und sich so schlampig und aufgedreht stylen wie sie wollte. Es würde ein Meisterwerk werden. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ally hob kurz den Kopf, als das Moped an ihr vorbeifuhr. Nachdem die Fahrerin neben dem Club geparkt hatte, stieg sie von dem knallroten Gefährt herunter. Ally saß zusammengekauert auf dem Bürgersteig und war gegen die Wand gelehnt. Sie wirkte wie eine Bettlerin in ihren zerfledderten Klamotten und dem schmutzigen Mantel, den sie sich umgewickelt hatte. Aber es war notwendig. Außerdem konnte sie von hier draußen besser die Lage checken. Die Frau ging langsam in Richtung Eingang. Das goldbraune Haar hing ihr mitunter im Gesicht. Es war strubbelig und wild frisiert. Für Allys Geschmack war sie etwas zu stark geschminkt, aber nicht zu hart. Die Augenschminke paßte zu den kurzen Klamotten, welche die Frau trug. Alles war irgendwie in grünblau gehalten und trotzdem wirkte es sehr bunt. Zudem hatte die Dame einen Federschal um Hals und Schultern gehängt, der die ganze Person abstrakt wirken ließ. Wäre diese Person jemals im ,Blue Devil' gewesen, hätte sich Ally an sie erinnert. Sie war nicht gut im Gesichter merken, aber dies war einfach zu auffällig. Die Krönung aber waren die Schuhe. Die Stoffstiefel hatten an der Ferse einen großen Einschnitt, wodurch die Hälfte des Fußes sichtbar wurde. Die nackte Haut wurde allerdings durch einen Seidenartigen Stoff wieder halbwegs verdeckt. Überall waren blaue und grüne Tupfen auf den schwarzen Stiefeln und zusammengehalten wurde das ganze durch sehr langes Schuhband, ebenfalls mit Tupfen. Die Frau ging durch die Tür, wo sie sofort durch einen Türsteher aufgehalten wurde. Jedoch gelang es ihr mit einer kleinen Bestechung an ihm vorbeizukommen. Dann tanzte sie sich zur Bar und bestellte eine Zitronenbrause. Der Typ, der neben ihr saß, musterte sie sofort. Ihre grünen Augen mit einem Tupfen blau paßten total zu der restlichen Aufmachung. Sonja lächelte ihn kurz an, bevor sie den blonden, muskulösen Typen fragte: "Bist du öfter hier?" Er mußte sich weit zu ihr herüber beugen, damit sie ihn verstand: "Ja, ungefähr zweimal die Woche, und du?" Klasse, jemand, der den Schuppen genauer kannte. Perfekt für ihr Vorhaben. "Ich kenne hier jemanden, der sich als Lohmüller ausgibt. Eigentlich wollten wir uns hier treffen, aber ich habe keine Ahnung, wie er aussieht. Wir haben uns übers Net kennengelernt." Sonjas Gegenüber horchte auf, als sie den Namen Lohmüller erwähnte: "Lohmüller? Du meinst doch nicht etwa Tom Lohmüller? Das ist nicht dein ernst!?" Aha, Tom also. Sonja nickte: "Doch. Wieso nicht?" Der Blonde schaute sie entsetzt an: "Kein vernünftiges Mädchen würde sich mit dem einlassen! Der Typ ist ein Killer! Es wird sogar gemunkelt, das er kein menschliches Wesen ist!" Ach nein, wirklich? So etwas hatte sich Sonja auch schon gedacht. Trotzdem mußte sie mehr erfahren: "Kennst du ihn?" Er zögerte: "Nicht... direkt. Aber man hört eben so einiges. Wie heißt du eigentlich?" Aha, er will das Thema wechseln. "Anja. Treibt er sich hier öfter rum?" Der Blauäugige versuchte ihrer Frage auszuweichen: "Hübsch, ich heiße Mark. Ja, aber ich sehe ihn zum Glück nicht oft." Sonja ließ sich nicht von diesem Mark ablenken: "Zum Glück? Hast du Angst vor ihm?" Dem Gesichtsausdruck nach hatte sie direkt ins Schwarze getroffen. Mark versuchte zwar, sich irgendwie aus der Affäre zu ziehen, stotterte aber nur wirres Zeug, worauf er sich unter dem Vorwand, noch einen Termin zu haben, verabschiedete. Sonja nippte nachdenklich an der Brause. Lohmüller schien sich ganz schön Respekt verschafft zu haben. Aber die Aussage von Mark warnte sie vorsichtig zu sein. Er war ein Killer, vielleicht für Geld. Es konnte aber auch sein, das er es aus eigenem Interesse auf sie abgesehen hatte. Dann war er noch gefährlicher. Eine gute Überzeugung und ein starker Wille konnte die Menschen unberechenbar tödlich machen. Das wußte Sonja aus Erfahrung. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Mark bog gerade um eine Ecke, als er den Zettel in seiner Jackentasche fand. Irritiert blieb er stehen und holte das blaue Stück Papier aus der Tasche. Mit zitternden Händen faltete er ihn auf. Alleine die blaue Farbe machte ihn nervös. Die drei Worte ließen ihn Leichenblaß werden. Dann schaute er sich panisch um. Sicher war es kein Zufall, dass er den Zettel gerade heute gefunden hatte. Als eine Katze von einer Mülltonne sprang lief Mark los. Er hatte sich wahnsinnig erschrocken und rannte nun ziellos durch die Gossen. Doch wer kein Ziel hat, wird auch nirgends ankommen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Sonja wollte gerade gehen, da ihr nach zwei Stunden nun doch sehr langweilig war. Aber der Lärm in einer hinteren Ecke des ,Blue Devil' ließ sie aufhorchen. Sie entdeckte, dass dort eine Schlägerei stattfand. Als sie vorsichtig näher heran ging mußte sie sich vor einem Stuhl retten, der durch die Gegend flog. Dem zweiten Gegenstand wiederum konnte sie nicht ausweichen. Nachdem sie sich wieder aufgerappelt hatte, stellte sie fest, dass sie nicht von einem weiteren Stuhl, sondern von einem Menschen umgehauen wurde. Der Mann lag leblos am Boden und der Hals war so verrenkt, wie man es nur einem gebrochenen Genick abverlangen konnte. Gewarnt musterte sie nun die umherwütende Person, die gerade mit einem Schlag jemand anderen an die Wand katapultierte. Er war anderthalb Köpfe größer als sie und eigentlich viel zu schmal gebaut um solche unmenschlichen Kräfte haben zu können. Sein ursprünglich zu einem Zopf gebundenes Haar hing ihm nun in Strähnen im Gesicht. Trotz des bunten Discolichts erkannte Sonja, das es blau war. Zudem sah sie, das sein Gesicht, obwohl er gerade eine tierische Anstrengung hinter sich hatte, aussah, als wäre es aus Stein gemeißelt worden. Als sie sich noch einen Schritt auf ihn zu bewegte, drehte er ruckartig den Kopf zu ihr. Das erste, was sie erschrecken ließ, waren seine glühenden, kristallklaren Augen. Das zweite war die Waffe, die er auf sie gerichtet hatte. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Anthony Jordan war außer sich. Was zu Teufel war da geschehen? Er legte das Laken wieder über den leblosen Körper. Dann betrachtete er den blauen Zettel in der Plastiktüte. ,Tod dem Verräter' stand drauf. Er blickte nachdenklich in die aufgehende Sonne. Wer hat diesen Typen bloß letzte Nacht aufgesucht? Nirgends war Blut zu sehen. Woran ist er gestorben? Sein Vater würde nicht sehr begeistert sein, wenn er ihm davon berichtete. Ein Mord! Schon wieder! Und das in der angeblich sichersten Stadt ganz Bey-Kongs! Er, der Sicherheitschef, hatte ein weiteres Mal versagt! Wenn er nur endlich das Phantom fassen würde, welches hier sein Unwesen trieb! Der Tote hieß Mark Kovitz. Anthony wußte, dass der Russe sich gerne betrank und von einem Club in den nächsten stolperte. Er war wegen einigen Schlägereien aufgefallen. Trotzdem war Anthony niemand bekannt, der Kovitz hätte töten wollen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ein dumpfes Pochen, das in ihrem Kopf zu sein schien, war das erste, was sie bemerkte. Als sie die Augen öffnete mußte Sonja sie sofort wieder schließen, da das Licht so hell war, das es schmerzte. Auch die anderen Körperteile machten sich nun bemerkbar, so dass sie das Gesicht vor Schmerz verzerrte. Ganz besonders aber schmerzte es, wenn sie atmete. Ihr linker Lungenflügel war fast schon wieder taub vor Schmerz. Irgend etwas hatte wohl ihre Rippen zerschmettert. Sonja vernahm nun Töne. Vielleicht redete ja irgendwer mit ihr, vielleicht war es aber auch nur die Musik der Disco. War sie dort überhaupt noch? Vorsichtig öffnete sie die Augen wieder. Das grelle Licht konnte unmöglich aus der Disco sein. Wo war sie bloß? Plötzlich hörte sie eine Stimme, die sie von irgendwoher begrüßte. Dank Ihrer Kopfschmerzen konnte Sonja leider nicht erkennen woher genau. An der Stimmlage erkannte Sonja, das es sich dabei um eine Frau handelte. "Guten Tag. Es tut mir leid, dass sie in dieser mißlichen Lage sind, aber Unfälle passieren nun mal. Da wir aber ganz eindeutig Schuld daran sind, werden wir Ihnen mit allen Mitteln helfen. Die Kugel ist direkt auf eine Ihrer Rippen getroffen, welche sich darauf in Ihren linken Lungenflügel gebohrt hat." Erst nach einer Weile bemerkte Sonja, dass sie von einer Holo-Aufzeichnung beredet wurde. Dann setzte sie sich gaaanz vorsichtig auf. Nachdem der Sturzbach glühender Lava in Ihrem Kopf zu einem einigermaßen auszuhaltendem Magmastrom wurde, schaute Sonja sich mit zusammengekniffenen Augen um. Der grobkantike Raum bestand nur aus vier weißen Wänden. In einer war zwar eine Tür eingebaut, aber ansonsten waren sie leer. Der Raum wurde von grellen Halogenlampen erhellt. Nach einem weiteren, genaueren Blick entdeckte Sonja die Kamera, welche in einer Zimmerecke an der Wand befestigt war. Der normale Sterbliche hätte die Kamera wahrscheinlich nicht entdeckt, aber durch Ihre Ausbildung sah Sonja sie. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ "Schau' dir das an." Ally blickte auf. "Was ist?" Mußte er sie unbedingt jetzt beim lackieren der Fußnägel stören? Der Blauhaarige deutete auf einen der Monitore. Darauf war eine frech gestylte Frau zu sehen, die gerade die Kamera entdeckt hat. "Nicht schlecht. Bisher ham'se länger gebraucht sie zu finden." Tom schaute sie mit seinen kristallklaren Augen an und meinte monoton: "Sie hat eine Ausbildung bei der Armee durchgemacht. Was ist daran so besonders?" Ally Newton hob beide Augenbrauen: "Bei der Armee sagst du? Wie kommst du darauf?" Er hob einen Mundwinkel: "Sie hat nicht versucht, mit dem Hologramm zu reden und ist auch nicht ausgerastet oder hat sich ängstlich in eine Ecke zurückgezogen. Sie ist eine Beobachterin, die erst nachdenkt und dann handelt. Das heißt, wenn sie es als günstig sieht, zu handeln." Ally mußte sich beherrschen, um Ihren Unterkiefer nicht einfach herunterklappen zu lassen. Obwohl sie ihn gut kannte überraschte Lohmüller sie doch immer wieder. Diese Analysen sollten andere Menschen auch so schnell produzieren können. "Aber schau' sie dir doch mal an. So eine geht doch nicht zur Armee. Das ist doch eine typische, aufgedonnerte Partygöre." Beinahe hätte sie auch noch ein ,oder?' hinzugefügt, aber sie wollte Ihm gegenüber keine Schwäche zeigen. Er machte eine kurze Pause, die man auch als Nachdenken bezeichnen hätte können: "Du glaubst doch nicht wirklich, dass sie nur Discos und Clubs besucht. Schon mal was von Tarnung gehört?" Wenn Ally eins an ihm hätte abschaffen wollen, dann war es sein Sarkasmus. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Anthony runzelte die Stirn: "Herzinfarkt, sagen sie? Aber der war doch total gesund. Wie kann so ein junger Typ eine Herzattacke haben?" Der Arzt ging zum Leichenschrank, wie er es nannte, und zog eine Schublade auf. Die Person darin war mit einem weißen Laken verdeckt. "Er scheint sich über irgend etwas besonders aufgeregt zu haben. Ich habe den Körper noch nicht geöffnet, aber ich vermute, dass der Alkohol ihm wohl den Rest gegeben hat. Vielleicht konnte er ja irgendeine Droge nicht ab..." Als Dr. Twain dem Blick Jordans begegnete, fügte er hastig hinzu: "...obwohl das ja nicht sein kann, da es in Feng-Lay ja bekanntlich gar keine Drogen gibt, richtig?" Anthony lächelte: "Richtig." Nun, Dr. Twain mochte recht haben. Eigentlich gab es keine Drogen mehr. Aber uneigentlich wurden sie dennoch hier und da gefunden. Irgendwer verscherbelte in Feng-Lay leider immer noch Rauschmittel. Jordan war schon seit zwei Jahren hinter diesem jemand her. Derjenige schien Kontakt zu den Wüstenbewohnern zu haben, da es innerhalb Bey-Kongs nirgendwo eine Anbaumöglichkeit gab. Wenn er nicht Sicherheitschef wäre und nicht dieses Phantom jagen würde, wäre er schon längst in Ray-Shen und würde helfen diese lästigen Würmer auszurotten. "Ich warte nur noch auf die Erlaubnis von MONOTRON, dann werde ich mir Kovitz mal genauer ansehen." Meinte Dr. Twain noch zum Abschluß. "Gut, sagen sie mir dann Bescheid, wenn sie mehr wissen..." Anthony schaute auf seinen Handgelenkpieper. "Ich werde anderweitig gebraucht. Bis dann..." ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Sonja verschränkte die Arme. Wer, zum Teufel, hielt sie hier fest? Es wurde ihr zwar gesagt, dass sie nur solange hier bleiben müsse, wie ihre Wunden brauchten, um zu heilen. Aber Sonja war von Anfang an davon nicht überzeugt gewesen. Vielmehr hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden. Nicht nur, weil es eine Kamera im Raum gab, sondern auch, weil sie nur Kontakt mit dem Hologramm bekam. Kein menschliches Wesen ließ sich bei ihr blicken. Nahrung bekam sie nur durch einen Schlitz in der Tür. Sie fühlte sich wie ein Versuchskaninchen. Langsam wurde sie wirklich ungeduldig, aber ihr nächstes Problem war erstmal, eine Toilette aufzutreiben. "Hallo?" fragte sie in den Raum hinein. "Ich habe ein dringendes Bedürfnis. Kann mir jemand helfen? Ich müßte hier raus. Wo ist die Toilette?" Schweigen. Leider war auch das Hologramm gerade nicht aktiv. Sonja stemmte sich vorsichtig auf und ging dann zur Kamera. Sie schaute direkt hinein und wiederholte sich. Irgendwie kam sie sich schon blöd vor, mit einer Kamera über einen Klogang zu reden, aber was sein mußte, mußte eben sein. Nach einer Weile erschien das Hologramm hinter Sonja. Sie drehte sich zu der Computeranimation um und schaute auffordernd. Die Frau redete sie in dem üblichen monotonen Computerton an: "Ihnen wurde genehmigt den Raum zu verlassen. Am Ende des Ganges befindet sich eine Toilette. Es ist die einzige Tür, die sich öffnen läßt." Sollte das eine Drohung sein? Sonja nickte und öffnete die Tür. Sie schaute den Gang entlang. Der Putz löste sich bereits von den Wänden. Die Türen waren provisorisch gestrichen worden, wobei dies wohl in Hast getan wurde, da überall Farbkleckse auf dem Boden waren. Aber das viel nicht weiter auf, da der Boden sowieso viele Schuß- und Mauselöcher aufwies. Sonja mußte sich zwar nicht ducken, aber die Decke war dennoch sehr niedrig, was Sonja davon überzeugte in einem Bunker zu sein. Einer von wenigen, der die Atomkatastrophe überstanden hatte. Auch heute noch würde er ein guter Schutz sein. Er war aus haltbarem Material gebaut, welches sicher teuer war. Mit wem hatte sie es bloß zu tun? Das Klo ließ zu wünschen übrig, aber was konnte man von einer Sicherheitsanlage wie dieser schon erwarten? Dieser Raum schien wohl auch der einzige zu sein, in dem sich keine Kamera befand. Als Sonja wieder nach draußen ging schaute sie sich die anderen Türen genauer an. Außer der Klotür und der Tür zu ihrem ,Aufenthaltsraum' existierten noch vier weitere. Die Tür gegenüber der Toilette schien die Ausgangstür zu sein, da diese zusätzlich gesichert und mit schweren Metallen beschlagen war. Die anderen drei Türen, eine neben, die anderen zwei gegenüber von Sonjas Tür, waren leichter gebaut und mit einfachen Schlössern versehen. Hinter einer Tür waren Stimmen zu hören. Sonja schaute zur Kamera und überlegte, ob sie lauschen sollte. Warum eigentlich nicht. Man hat ihr nicht unbedingt deutlich gesagt, das sie eine Gefangene ist und außerdem hat sie das gute Recht zu erfahren, WO sie war. Sonja konnte sofort drei Personen erkennen. Es schienen sich um zwei junge Männer und ein Mädchen zu handeln. Sie schien ihnen wohl irgend etwas verkaufen zu wollen. Sonja preßte ihr Ohr gegen die Tür und lauschte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)