A few seconds to fall in love von Glass ================================================================================ Prolog: -------- Seufzend starrte der junge Mann in den regengrauen Himmel, beachtete kaum seine Umgebung. In einer nebensächlichen Bewegung fuhr er sich durch seine augenblicklich schwarzen Haare, die ihm leicht ins Gesicht fielen, spielte kurz mit dem Gedanken sich darüber aufzuregen, warum diese trotz des Regendaches des Gebäudes nass geworden waren, fand sich dann allerdings damit ab, da ihm die Antwort nicht sonderlich wichtig erschien. Tief inhalierte er den Zigarettenqualm, während er sich leicht ächzend streckte und seine kurze Pause am liebsten in einen längeren Spaziergang ausgeweitet hätte, was ihm bei diesem miserablen Wetter allerdings mehr als zuwider war. Mit genervtem Blick wurden die dunklen Wolken gemustert, die ihm – als wollten sie ihm eine Antwort geben – Sekunden später noch ein paar mehr der dicken, nassen Tropfen schenkten. Frühling sollte er diese Laune der Natur nennen? Pah, verspäteter Herbst traf in diesem Fall wohl besser zu. Tage zuvor hatte es geschneit, gestern kündigte sich endlich einmal wieder die Sonne an, heute schüttete es wie aus Eimern und dabei war der April schon längst vorüber. Täuschte er sich, oder kam diese Berg und Talfahrt seinem Leben recht nahe? Leise murrend erwiderte er den empörten Blick einer Passantin, als er sich erdreistete, seine aufgerauchte Zigarette einfach auf dem Asphalt auszutreten und diese dort anschließend unbekümmert liegen zu lassen. Was konnte er denn dafür, wenn es in seiner Umgebung nirgendwo auch nur ansatzweise einen Mülleimer – von Aschenbechern wagte er nicht einmal mehr zu träumen – gab? Selbstverständlich könnte er auch in das Café auf der gegenüberliegenden Straßenseite gehen, dort den krüppeligen Überrest seiner Zigarette entsorgen und sich nebenbei von diversen Leuten begaffen lassen, oder noch einfacher wäre es, sich umzudrehen, das Gebäude der PS-Company zu betreten und dort in einem der zig Stockwerke selbiges zu erledigen. Aber wozu die ganze Mühe, wenn es doch auch so verdammt einfach ging? Um seine scharfsinnige Überlegung zu unterstreichen, schickte er der jungen Frau noch ein selbstgefälliges Grinsen hinter her und ignorierte dabei die Tatsache komplett, dass er nicht einmal mehr wusste, wie das Mädchen von gerade eben aussah, geschweige denn, ob er überhaupt der richtigen Japanerin hinterher blickte. Es war ihm gleich, denn wenigstens für einen kurzen Moment durfte er sich in dem Gefühl der absoluten Überlegenheit sonnen – wegen einer ausgetretenen Zigarette zu seinen Füßen. Ein unbeabsichtigter Blick auf das Ziffernblatt seiner Armbanduhr – es wunderte ihn immer noch, dass er so ein vorsintflutliches Objekt überhaupt besaß – verriet ihm, dass seine Pause längst vorbei war und das seit etwa zehn Minuten. Einmal mehr fragte er sich, wo nur die ganze Zeit blieb, während er sich augenverdrehend zu dem Eingang des großen Gebäudes umdrehte, aus dem er gekommen war. Noch einmal sandte er einen Unheil verkündenden Blick nach oben, als hätte er wirklich die Hoffnung, damit etwas bewirken zu können, wollte schon weiter gehen, als er plötzlich in etwas oder vielmehr in jemanden hineinlief. Durch die Wucht des Stoßes und aufgrund seiner doch recht zierlichen Figur, taumelte er erschrocken zurück und fiel, mit einem leisen Aufschrei begleitet, nach hinten. Noch im Fall irgendwo Halt suchend, griff er beinahe reflexartig nach der Person vor sich, erwischte den Stoff der schwarzen Jacke und zog den nicht minder Erschrockenen mit sich. Das Nächste, das der blondgesträhnte, junge Mann registrierte, war, dass er nicht wirklich in der Lage war, sich zu bewegen. Er blinzelte leicht, wurde sich erst im Nachhinein über das schwere Gewicht des anderen Körpers bewusst, der immer noch auf ihm lag. War er im ersten Augenblick noch etwas erschrocken, gewann er seine Sprache jedoch umso schneller wieder. "Was zum-? Wären Sie vielleicht einmal so gut, von mir runter zu steigen? So langsam wird es mir auf dem nassen, im Übrigen auch sehr harten Boden doch zu ungemütlich", grummelte der junge Sänger, immerhin um einen freundlichen Ton bemüht. Wäre er nicht in der Situation benachteiligt gewesen, indem er durch das Gewicht, welches immer noch auf ihm lastete, regelrecht an den Boden gepinnt worden, hätte er den Fremden unter Garantie schon einen Kopf kürzer gemacht. Glücklicherweise schien sich der auf ihm Liegende nun auch wieder gefasst zu haben, stützte er sich doch in einer hastigen Bewegung von dem harten Betonboden ab, um wieder auf die Beine zu kommen. Anstatt sich, wie viele es in seiner Situation vielleicht getan hätten, jetzt mit einer eilig ausgesprochenen Entschuldigung zu verabschieden, streckte er dem immer noch auf dem Gehweg Sitzenden galant seine rechte Hand hin, welcher diese allerdings zunächst nur kritisch musterte. Misstrauisch wurde der Fremde gemustert und das genauestens: von den für einen Japaner typischen schwarzen Haaren - die ihm durch den Regen jetzt allerdings triefendnass ins Gesicht hingen - und dem dafür eher ungewöhnlichen Kinnbart, bis zu dem schwarzen Anzug. Er konnte sich nicht helfen, aber irgendwie kam ihm dieser Fremde bekannt vor, doch wollte ihm nicht einfallen, woher. Erneut blieb sein Blick auf der noch immer ausgestreckten Hand hängen, auch wenn seine Musterung wahrscheinlich nur Sekunden angedauert hatte. Ohne es richtig zu registrieren, wanderte eine Augenbraue des Blondgesträhnten belustigt nach oben, auch wenn er selbst nicht so genau wusste, weshalb. Noch ein paar Sekunden ließ er verstreichen, in denen er in seinem Kopf alles durchging, was sein Gegenüber vielleicht angefasst haben könnte, bevor er sich letztendlich doch dazu entschloss, die ihm angebotene Hand anzunehmen und tatsächlich schien sogar kurz der Ansatz eines Lächelns über das ernste Gesicht des anderen zu huschen. Mit einem kräftigen Ruck zogen ihn die anscheinend recht kräftigen Arme des Fremden hoch, sodass er endlich wieder festen Boden unter seinen Füßen spürte. Schon wollte er seinen Mund öffnen, als ihm der Schwarzhaarige jedoch zuvor kam. In einer entschuldigenden Geste verbeugte sich dieser und setzte ebenfalls zum Sprechen an: "Es tut mir leid, ich war wohl zu sehr in Gedanken versunken. Ich hoffe, Sie haben sich nicht verletzt!" Ein fragender Blick folgte, während der junge Sänger ihm in Gedanken seine spöttische Verehrung entgegenbrachte, schließlich war er es gewesen, der sich unvorhergesehen umgedreht und den anderen auch noch mitgerissen hatte. Wäre er an der Stelle seines größeren Gegenübers – auch wenn es sich, was die körperliche Größe betraf, wohl nur um Zentimeter handelte, was der Blondgesträhnte mit ausreichend Genugtuung feststellte – hätte er womöglich hemmungslos drauf losgeschrienen. Um genau zu sein, wollte er das eben auch schon tun, nur war der andere schneller gewesen und das zu seinem eigenen Glück. So bestätigte er die Entschuldigung nur mit einem leichten Nicken und einer ausnahmsweise sogar "gesellschaftsfähigen Antwort" – um seinen Freund Kai an dieser Stelle einmal zu zitieren. "Ich bin noch in einem Stück, danke", setzte er an, während sich ein schelmisches Grinsen auf sein Gesicht schlich. "Darf ich fragen, wie Sie heißen? Ich wüsste nämlich schon gerne, wie der Mann heißt, der noch bis vor wenigen Sekunden auf mir lag." Zuerst wurde er nur perplex angesehen, wodurch sich das freche Grinsen auf seinem Gesicht nur noch verbreiterte, ehe auch sein Gegenüber die Sprache wieder fand, indem er sich leise räusperte. "Mein Name ist Masaaki Yaguchi, freut mich", war die schlichte Antwort. "Ebenfalls! Mit Ausnahme meiner Familie nennen mich alle Ruki. Sie können sich geehrt fühlen, Yaguchi-San, denn eigentlich landet man nicht so schnell bei mir!", folgte wieder ein Grinsen von Seiten des Kleineren, welches allerdings nur mit einem etwas verzweifelt erscheinenden Blick quittiert wurde. Allmählich begann Ruki diese Art der Unterhaltung zu gefallen, war der andere mit der Situation doch sichtlich überfordert, was ihn nur umso mehr anspornte. Leider dämpfte ein weiterer Blick auf die Anzeige seiner Armbanduhr seine aufkommende Begeisterung augenblicklich, müsste er doch schon längst wieder im Proberaum seiner Band sein. Unweigerlich kam ihm das Gesicht Uruhas, seines Bandleaders, in den Sinn, wie dieser ihn mit einem mehr als nur genervten Blick wegen seines zu Spätkommens zurecht stutzte, dabei aufgrund seiner doch recht – nennen wir es 'interessanten' – Kleidung aber kaum ernst genommen wurde. Ein gespielt hoffnungsloses Seufzen seinerseits folgte, ehe er seinem noch immer recht verwirrt aussehenden Gegenüber mit einem unschuldigen Augenaufschlag – was in seiner Situation sicherlich einen äußerst seltsamen Eindruck hervorrief – die Hand reichte, um sich zu verabschieden. 'Ich hoffe, man sieht sich wieder, Yaguchi-San! Meine Pause war lange nicht mehr so interessant.' Ein weiteres Grinsen und schon rauschte er mit eiligen Schritten an dem armen Opfer seiner zurückgewonnenen guten Laune vorbei, hinein in das trockene Gebäude und gleichzeitig direkt in die Höhle des Löwen – oder auch in die Fänge Uruhas. Das entgeisterte Kopfschütteln und das geflüsterte 'Noch so ein Verrückter... Als würden drei von der Sorte nicht ausreichen' bekam er schon nicht mehr mit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)