Die letzten Jahre von Rejah ================================================================================ Kapitel 2: Anfänge ------------------ Kapitel I : Anfänge Harry hatte es eilig. Mit einem gemurmelten Zauberspruch flog sein gesamtes Hab und Gut aus seinem Schrank und vom Boden in seinen Koffer, welchen er nur mit Mühe verschließen konnte. Er wollte sich gerade seinen Feuerblitz nehmen, als die Tür des Schlafsaales aufging und seine beiden besten Freunde reinstürmten. “Harry!” riefen sie ein weiteres Mal wie aus einem Munde und liefen auf ihn zu, als sie den Besen in seiner Hand sahen. “Versucht nicht, mich aufzuhalten.” sagte er ruhig. Hermine trat dennoch auf ihn zu. “Harry … bitte … was ist denn los?” Harry antwortete nicht. Er konnte ihnen doch nicht einfach die Wahrheit sagen, das ging einfach nicht. Nun ging auch Ron auf ihn zu und legte seine Hand auf seine Schulter, drückte leicht zu und Harry war, als würde er gleichzeitig verbrennen. Es waren keine körperlichen Schmerzen, doch es tat ihm in der Seele weh, dass er mit seinen Freunden nicht darüber sprechen konnte. Er seufzte und ergriff seinen Feuerblitz, ehe er in Richtung des geöffneten Fensters ging. Doch er kam nicht an. “Halt!” rief Ron und zog ihn am Arm zurück, beinahe brutal und Harry stockte. “Erst sagst du uns, was mit dir geschehen ist, klar?” Selten hatte Harry so eine Entschlossenheit in seiner Stimme gehört. Fest kniff er die Augen zusammen und zwischen seinen Augenbrauen bildete sich eine steile Falte, während er nach einer Möglichkeit suchte, die beiden auf den schnellsten und auch sanftesten Wege abzuwimmeln. Er fand keinen. “Harry, komm schon!” brauste Ron auf und da war es um Harry geschehen. “Verdammt - Ich werde sterben!” schrie er sie an, die Tränen standen ihm schon längst in den Augen. “Seid ihr jetzt zufrieden?” Und mit diesen Worten rauschte er zum Fenstersims, stieg hinauf, den Besen zwischen die Beine geklemmt und ließ sich vornüber kippen. Er fiel erst steil hinunter, ehe er die Kontrolle übernahm und im gleißenden Licht der aufgehenden Sonne verschwand. ~~~~~*~~~~~ Es vergingen Stunden und Harry war sich sicher, bald die ersten Rauchschwaden, die grau und stickig aus den Schornsteinen Londons quollen, am Horizont erkennen zu müssen, doch da kam nichts. Hatte er sich etwa verflogen? Harry glaubte nicht daran, immerhin hatte er sich schon vor Urzeiten, als er zu seinem dritten Geburtstag von Hermine einen Reisekompass für Besen geschenkt bekommen hatte, diesen an den vorderen Teil seines geliebten Feuerblitzes geheftet. Es konnte einfach nicht mehr weit sein. Der Gedanke an seinen Kompass leitete seine Aufmerksamkeit wieder zu Hermine. Zu ihr und auch zu Ron. Einerseits tat es ihm schrecklich Leid, dass er sie einfach so und ohne ein weiteres Wort der Erklärung stehen gelassen hatte, andererseits war er sich fast vollkommen sicher, dass sie damit sowieso nicht hätten umgehen können. Sicherlich saßen sie jetzt irgendwo im Gemeinschaftraum - oder noch besser, der Bibliothek, die glücklicherweise von den meisten Schülern chronisch gemieden wurde - und beratschlagten über seine Flucht und so weiter. Sollten sie es tun, Harry hatte andere Dinge im Kopf. Wichtige Dinge. Während in seinem Kopf die verschiedensten Pläne und Intrigen reiften, kam langsam aber sicher endlich London in Sicht. ~~~~~*~~~~~ In einer dunklen, ihm dennoch wohlbekannten Seitengasse Muggellondons stieg er von seinem Besen ab und trat gemessenen Schrittes auf die Mauer zu. Wenige Augenblicke später und nach ein paar Stupsern mit dem Zauberstab begann die Wand plötzlich unter Knirschen und Rieseln von Putz ein Tor zu bilden. Harry ging hindurch und stand in der Winkelgasse. Wie immer war die große, an manchen Stellen verzweigte Straße, die eigentlich mehr als den Namen ‘Gasse’ verdient hatte, überfüllt mit Zauberern und Hexen, quengelnden Kindern, bellenden Hunden und einigen dubios wirkenden Gestalten, die aber nicht direkt gefährlich anmutenden, eher lächerlich. Möglicherweise war dies auch die Absicht von manchen, denn er konnte sehen, wie einige von ihnen ihre ausladenden Hüte offen hielten und nicht selten von vorbeigehenden Passanten den ein oder anderen Knut hineingeworfen bekamen. Die wirklich gefährliche Sorte befand sich in der Nockturngasse, so viel hatte er schon in seinem bescheidenen Leben gelernt. Sein erstes Ziel hatte er sich bereits zurechtgelegt: Gringotts, die Zaubererbank. Er bahnte sich nur mit Mühe seinen Weg durch die Menge, doch er konnte das sauber strahlende Gebäude schon von Weitem sehen. Er war froh, als er endlich von der lärmenden Straße in die zwar auch nicht stille, aber wesentlich besser zu ertragenden Geräusche der emsigen Geschäftigkeit der Kobolde hinüber glitt. Diese waren auch weitaus angenehmer: Das Klacken der Stempel, das Rascheln der Papiere, die leisen, beinahe geflüsterten Worte, die die Besucher mit den kleinen Angestellten führten, als befürchteten sie, es würde irgendetwas auslösen, wenn sie zu laut sprachen, das helle Quietschen der kleinen eckigen Wägelchen, die die seltsamen Kreaturen vor sich her schoben, um schließlich vor irgendeiner der völlig gleich aussehenden Türen anzuhalten und dahinter zu verschwinden. Harry ging selbstbewusst an einen der Schalter zu, jedenfalls sollte es so aussehen, in Wahrheit war er jedoch mehr als nur nervös. Was war, wenn man ihn fragte, was er hier suchte, wo er doch eigentlich zu dieser Zeit in Hogwarts sein sollte? Er hatte sich für diesen Fall schon eine halbwegs passable Ausrede überlegt - McGonagall habe ihm eine Ausnahmeerlaubnis gegeben - doch da er diese natürlich nicht wirklich hatte, schließlich wurde so was ja auch immer schriftlich gemaßregelt, würde er ziemlich in der Klemme stecken, würde der Kobold vor ihm nach dieser verlangen. Mit klopfendem Herzen sprach er das griesgrämige Wesen an, das über einem Haufen kompliziert aussehender Dokumente gebeugt war und sich hin und wieder einige Notizen in einer klaren, dennoch winzigen Handschrift machte. “Chrm, chrm” räusperte er sich und fühlte sich an seine ehemalige Lehrerin, Professor Umbridge, erinnert. Nur, dass sein Räuspern nicht die Angewohnheit hatte, wie ein alter Autoreifen zu klingen. Der Kobold hob langsam seinen Kopf und musterte Harry von oben bis unten mit einem abschätzenden Blick. Dieser wusste, dass er momentan nicht gerade den besten Eindruck machte; er war schließlich direkt von Hogwarts gekommen, der starke Fahrtwind hatte ihm die ohnehin schon recht unordentlichen Haare zerzaust und er war wegen der schier unerträglichen Hitze völlig durchgeschwitzt. Dennoch - er war Harry Potter, jeder wusste das und außerdem hatte er den Schlüssel für sein Verlies dabei. “Sie wünschen?” fragte der Kobold in einem hohem, näselndem Tonfall und begutachtete ihn weiterhin misstrauisch. Harry straffte die Schultern. “Mein Name ist Harry Potter und ich möchte mein Konto auflösen.” sagte er in einem Rutsch. Er wusste nicht, ob man das auch in der Zaubererwelt sagen konnte, er hatte nur einmal mitbekommen, wie Onkel Vernon sein eigenes Konto aufgelöst hatte, weil er mit der Bank nicht mehr zufrieden war. Der Kobold beugte sich ein Stück zu ihm herunter und schien ihn förmlich zu durchleuchten. Nachdem er seine visuelle Untersuchung beendet hatte, nickte er leicht und fragte: “Haben Sie Ihren Schlüssel dabei?” Harry, der gefragten Gegenstand bereits in der Hand gehalten hatte, hob diesen hervor und legte ihn beinahe ehrfürchtig auf das Podest, das ihn von der Kreatur trennte. Einen weiteren Moment des Zögerns später rief der Kobold einen anderen und gab ihm die Anweisung, sein Verlies zu leeren, den Inhalt in einer magischen Truhe, die von außen viel kleiner aussah, als sie in Wirklichkeit war, zu verschließen und dem Eigentümer, Harry Potter, zu übergeben. Es dauerte nur wenige Minuten, in denen Harry Zeit hatte, sich zum letzten Mal, wie er sich vorgenommen hatte, das Innere Gringotts’ anzusehen. Er hatte das Gefühl, dass die Abneigung, mit denen die Kobolde ihn gemustert hatten, größtenteils, wenn nicht ganz, daher rührte, dass er Gringotts den Rücken zuwandte. Wahrscheinlich passierte das nicht oft, immerhin war diese Bank sowohl die einzige ihrer Art weit und breit und außerdem einer der sichersten Orte Großbritanniens. Nur Hogwarts selbst übertrumpfte sie noch, wie Hagrid damals betont hatte. “Mr Potter” sagte eine Stimme hinter ihm und er erschrak leicht, obwohl es keinen Grund dafür gab. Oder doch? Immerhin war er auf der Flucht. Sicherlich suchte man bereits nach ihm. Bei dem Gedanken löste sich Harry sofort von seinem Plan, erstmal im Tropfenden Kessel unterzutauchen, denn da würde man ihn sicherlich zuerst suchen. McGonagall war ja leider nicht auf den Kopf gefallen. Der Kobold, welcher zu Harrys Erstaunen sogar jung aussah, was möglicherweise seine niedrige Stellung rechtfertigte, neigte leicht den Kopf und überreichte Harry einen Koffer aus neutralem, grauen Stoff. Harry nahm den Koffer an und wollte sich gerade abwenden, als der Kobold sich umdrehte. Verwirrt zog er eine Augenbraue hoch. “Ist noch irgendwas?” fragte er ihn und der Kobold schien verlegen. “Ich … Ich hatte mich gefragt, was Sie hier machen, Sir.” brachte er schließlich hervor und fügte, als er sah, wie Harry einen erschrockenen Gesichtsausdruck bekam, hastig hinzu: “Natürlich geht es mich nichts an, entschuldigen Sie, aber ich … ich war neugierig.” gab er zu. Harry sah ihn sich genauer an. Ja, er war tatsächlich jung, auch wenn er deshalb nicht gerade ansehnlicher wurde. Seine Haut war nur ein bisschen weniger gräulich und auch nicht ganz so runzlig wie das der anderen, außerdem leuchteten seine Augen in dem wohl schauderhaftesten Gelb, das er je gesehen hatte. Harry durchfuhr ein blitzartiges Gefühl. Er war hierher geflogen und nun völlig auf sich allein gestellt, hatte noch nicht einmal darüber nachgedacht, was er tun sollte, sobald er Gringotts verlassen hatte. Und nun stand auf einmal dieser junge Kobold vor ihm und sagte ihm, dass er neugierig sei. Neugierig! An was für einen Kobold war er da nur geraten? “Ähm …” begann Harry und versuchte, einen Anfang zu machen. Der Kobold sah ihn fragend an. Offensichtlich hatte er schon nicht mehr mit einer Reaktion gerechnet. “Sagen Sie”, sprach Harry ihn höflich an, “wie lange arbeiten Sie schon hier? Sie kommen mir recht jung vor.” Der Kobold, welcher diese Frage offensichtlich überhaupt nicht erwartet hatte, schaute ihn einen Moment perplex an, dann antwortete er: “Na ja … In England hat man sonst nicht so viele Möglichkeiten …” meinte er zögerlich. Harry sah, wie er mit sich zu kämpfen schien. „Ich habe das Gefühl, Ihnen liegt noch etwas auf der Seele.“ sagte er und kam sich dabei ziemlich heuchlerisch vor. Doch er verfehlte seine Wirkung nicht: “Wissen Sie, Mr Potter, am liebsten würde ich Abenteuer erleben, irgendetwas Wichtiges tun, verstehen Sie?” Harrys Herz setzte einen Schlag lang aus, ehe er sich wieder fasste. Das war genau das, was er brauchte! “Nun ja, ich muss dann weiter.” meinte der Kobold, doch Harry hielt ihm am Arm fest und beugte sich zu ihm hinunter. “Hey … Wenn Sie Abenteuer erleben wollen … Da kann ich Ihnen helfen. Kommen Sie einfach heute um … sagen wir, acht Uhr … ähm … vor den Tropfenden Kessel.” meinte er und verfluchte sich innerlich. Genau da hatte er sich doch nicht aufhalten wollen, doch ihm war auf die Schnelle kein anderer Ort eingefallen. Er war zu konzentriert darauf gewesen, seriös und gleichzeitig nicht zu albern zu wirken. Der Kobold sah ihn einen Moment lang erstaunt an, als könne er es nicht glauben, dass man ihm ein solches Angebot unterbreitete. Dann lächelte er leicht, nickte und verschwand. ~~~~~*~~~~~ Harrys Herz schlug ihm in einem unregelmäßigen Takt gegen die Brust, als er in eine dunkle, stark verrottete Gasse ging. Er passierte ein altes Schild, dessen schwarze Drucklettern bereits wie Lack von dem löchrigen Holz blätterten, als wollten sie von diesem düsteren Ort fliehen. Dennoch konnte Harry das Wort, welches sie bildeten, lesen: Nockturngasse. Die Nockturngasse hätte ihren Namen im Gegensatz zur Winkelgasse wahrlich verdient, wenn nicht sogar die Bezeichnung ‘Loch’ geeigneter zu sein schien. Sie war wahrlich kein Platz zum Wohlfühlen. Die kleinen Häuser standen eng nebeneinander, Reihe an Reihe und schützten sich somit gegenseitig vor dem Einstürzen. Dennoch konnte er sehen, dass sie ziemlich schief waren. Vielleicht täuschte ihn aber auch nur der ohnehin recht steil abfallende Abhang, der ihn immer tiefer in das Herz der Gasse führte. Je weiter er ging, desto mehr unheimliche Gestalten kreuzten seinen Weg, desto größer und bedrohlicher wurden die Häuser, erhoben sich weit über die grob geschlagenen Steine, die die schmalen Wege bildeten, als würden sie ihn warnen. Doch er ließ sich davon nicht beeindrucken, sondern drängte sich an allen vorbei und hoffte dabei inbrünstig, dass er später von allein den Weg zurück finden würde. Fragen wollte er hier nun wirklich niemanden. Er erinnerte sich, wie er einmal aus Versehen hier gelandet war. Damals hatte er die Hosen wirklich gestrichen voll gehabt, kein Wunder, ein zwölfjähriger Junge hatte hier keinesfalls etwas zu suchen und so hatte er wohl einiges an Aufmerksamkeit angezogen. Jetzt hatte er zur Sicherheit seine Kapuze tief in die Stirn gezogen. Durch die durch die von der Dämmerung bedingte Dunkelheit war sein Gesicht beinahe perfekt versteckt. Er war auf der Suche nach einer Gaststätte. In der Winkelgasse gab es nur den Tropfenden Kessel, und da er dort nicht hin konnte, musste er sich eben hier etwas Passendes suchen. Er seufzte vernehmlich. Er hatte jetzt schon die verschiedensten Geschäfte gesehen. Angefangen von simplen Apotheken, über solche, die so allerlei schwarzmagischen Kram verkauften, bis hin zu sehr eindeutigen Etablissements. Doch nirgendwo war ein Gasthaus zu sehen. Es musste aber eines geben, dessen war er sich sicher. Sollte er jemanden fragen? Die Augen zu misstrauischen grünen Schlitzen verengt, sah er sich um, doch es waren nicht sonderlich viele Leute um ihn herum. Nein, in Wahrheit war sogar niemand zu sehen, niemand, weit und breit nicht. Hatte er sich nicht eben noch einen Weg durch die schmalen Gässchen kämpfen müssen? Wo waren alle? Er hörte Stimmen, lachende Stimmen, die sich ihm näherten. Erleichtert atmete Harry aus. Er war wirklich ein wenig paranoid. Etwa ein halbes Dutzend Männer kamen um eine Ecke, etwa fünf, sechs Meter von ihm entfernt. Ihre Umhänge waren zerschlissen und von grauen und braunen Flicken übersäht. Sie erinnerten ihn seltsamerweise an Professor Lupin, musste er feststellen und im nächsten Moment wusste er, warum er so allein in der Gasse war - die anderen befremdlichen Gestalten mussten schon ein Gespür für die Gruppe dort vorne entwickelt haben. Es waren Werwölfe. Mit einer vorsichtigen Geste vergewisserte er sich noch einmal, dass seine verräterische Narbe trotz der Kapuze hinter seinen Haaren verborgen lag, damit man ihn nicht sofort erkannte und wollte sich umdrehen. „Halt!“ Er erstarrte. Die Truppe hatte ihn bemerkt und starrte ihn an. Weder feindselig noch freundlich. “Hey, was willst du hier?” fragte einer. Er hatte schwarze, von grauen Strähnen durchzogene Haare, seine Augen lugten unter einer alt aussehenden Brille hervor, die offensichtlich trotzdem nicht für ihn ausreichte, denn er kniff die Augen zusammen, als Harry sich ihnen widerwillig näherte. An Flucht war nicht zu denken. Harry atmete tief durch. Klar, er hatte Angst, doch es war ja nicht das erste Mal, dass er einem Werwolf gegenübertrat. Es war also nichts Neues für ihn - bis auf den feinen Unterschied, dass es sich hier nicht um einen Werwolf handelte, sondern gleich um sechs. Jetzt, wo er so nah zu ihnen stand, bestärkte sich seine bisher nur vage Vermutung, denn ihre Gesichter und die Hände, die unter den fransigen Ärmeln hervorlugten, waren allesamt vernarbt und dreckig. “Ähm … hallo.” sagte er unsicher, seine Stimme klang viel zu leise. Er lächelte zaghaft. Die Werwölfe erwiderten das Lächeln nicht. “Was willst du?” wiederholte der Werwolf die Frage und sah ihm geradewegs in die Augen. Die seinen waren eine seltsame Kombination, von der Harry gehört hatte, dass sie manchmal bei Huskys vorkamen. Das rechte war von einem tiefen Braun, wohingegen das linke ein eisiges Blau aufwies. Dieser Anblick war ziemlich gruselig, fand Harry. Er fühlte, wie er unter dem Blick des Mannes immer mehr zusammenschrumpfte. Er wünschte sich sehnlichst, dass sich auf den Unterarmen der Werwölfe nicht das Dunkle Mal befand. “Ich ... äh ... bin auf der Suche.” sagte er und reckte sein Kinn in die Höhe. Der Mann zog seine Augenbrauen zusammen und die anderen lachten verhalten, wurden von dem Werwolf jedoch mittels einer energischen Geste zum Schweigen gebracht. Er schien so etwas wie ihr Anführer zu sein. “Was für eine Suche?” hakte er nach. Harry brach den Blickkontakt ab, schaute jedoch nach wenigen Sekunden wieder hoch; er traute sich nicht, die anderen aus den Augen zu lassen. Was sollte er sagen? Er musste erst wissen, ob sie Todesser waren. Auf der weißen Seite standen sie jedenfalls gewiss nicht, wie jeder Werwolf. Das Ministerium tat schließlich alles dafür, dass jeder Werwolf es hasste. Da half nur eine direkte Frage. Wenn sie Todesser waren, musste er versuchen zu fliehen, denn sie würden ihn sicherlich nicht wieder einfach so gehen lassen. “Seid ihr Anhänger Voldemorts?” fragte er kühl und genoss es einen Augenblick, als die gesamte Gruppe kurz zusammenzuckte, als er den Namen aussprach. Der Anführer verschränkte beleidigt die Arme vor seinem Körper, ehe er antwortete. “Merlin bewahre! Er ist der Letzte, mit dem wir etwas zu tun haben wollen! - Wir sind unsere eigene Seite.” behauptete er, sein Blick wurde stechend. “Warum interessiert dich das?” Harry jedoch ging nicht weiter auf die Frage ein. “Ich will einen Beweis sehen. - Zeigt mir eure Arme!” forderte er sie auf, nicht wissend, woher er plötzlich all den Mut und Leichtsinn hernahm. Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin kamen die Werwölfe noch ein paar Schritte auf ihn zu, manche traten hervor und umzingelten ihn so. Der Anführer verzog seinen Mund zu einem ärgerlichen Lächeln. “Du nimmst dir ganz schön viel raus, weißt du das?” fragte er lauernd. Er stützte sich mit einem Bein ab. “Aber ich werde dir den Gefallen tun. - Hier!” Er krempelte seinen Ärmel hoch. Darunter kam vernarbte Haut zum Vorschein, hier und da auch einige Sommersprossen und Härchen, doch von dem verschlungenen Mal war nichts zu sehen. “Glaubst du uns jetzt?” fragte er provozierend. “Ich wollte mich nur versichern!” schnappte Harry mit hochrotem Kopf. Die Männer lachten. “Ja, natürlich … Man kann in diesen Zeiten ja nicht vorsichtig genug sein, was?” Während man sich noch über ihn amüsierte, schlug Harrys Verstand Purzelbäume. Sie waren also weder auf der schwarzen, noch auf der weißen Seite. Man könnte fast sagen, sie wären auf seiner Seite. “Ähm …” fing er an. Sofort wurde ihm die gesamte Aufmerksamkeit der Werwölfe zuteil. “Oh, hört, er will etwas sagen! - Sprich!” veralberten sie ihn, doch Harry wollte sich nicht beirren lassen. “Hab ich das eben richtig verstanden, ihr seid - ‘eure eigene Seite‘?” fragte er sie und sah den Anführer absichtlich nicht an. Das Lachen verstummte sofort. “Hatten wir uns eben nicht klar ausgedrückt?” meinte der Anführer, doch in seiner Stimme war nicht mehr der geringste Hauch von Hohn zu erkennen. “Wenn wir gerade so eine schöne Vorstellrunde haben … Auf welcher Seite stehst du denn?” fragte er. Harry konnte die Anspannung rings um ihn beinahe spüren. Sie war ihm so präsent, dass er einen Moment lang daran dachte, sich irgendwie durch die Werwölfe zu schlagen, und sich mit seinem Besen, den er immer noch in der schwitzigen Hand hielt, aus dem Staub zu machen. Aufzugeben. “Ich bin geflohen.” sagte er wahrheitsgemäß. “Und bin jetzt auf der Suche nach Verbündeten.” Sein Gesicht trug einen todernsten Ausdruck, obwohl er sich bewusst war, wie dumm sein Vorschlag klang. Endlich sah er den Anführer wieder an. Dessen Mundwinkel zuckte, dann brach er abermals in schallendes Gelächter aus. “Verbünden? Wir sollen und mit dir verbünden? Wir kennen dich noch nicht mal, außerdem fehlt dir ein kleines Detail, was jedem aus unserer Gruppe zu eigen ist.” drückte er sich gewählt aus. Er schien trotz seiner Herkunft eine gute Ausbildung genossen zu haben. Oder war er etwa erst später gebissen worden? Harry biss sich schmerzhaft auf die Lippe. Doch einen Joker hatte er noch. “Ein … Detail?” hakte er gedehnt nach. “Dass ihr Werwölfe seid?” Die Werwölfe zuckten allesamt zusammen. Nur der Anführer blieb still stehen, seine Mimik regungslos, als hätte er es stundenlang vor dem Spiegel geübt. “Es ist dir also aufgefallen.” stellte er fest. “Hm. Trotzdem - Wie können wir sicher gehen, dass du nicht ein Spion der weißen Seite bist? Wie?” Dummerweise konnte man einen Anhänger der schwarzen Seite immer als solchen identifizieren, einen der weißen jedoch nicht. Harry dachte fiebernd nach, doch ihm fiel kein Beweis ein. “Schlecht gelaufen, was?” meinte der Anführer mit einer Spur Ironie. “Ich-” Harry krümmte sich zusammen. Was war das? Er fühlte sich auf einmal ganz und gar nicht wohl in seiner Haut. Er wusste nicht, was mit ihm los war, doch er hatte ein seltsames Gefühl, so, als würde jeden Moment etwas Wichtiges passieren, das er auf keinen Fall verpassen dürfte. “Hey, alles in Ordnung?” wurde er gefragt, doch er antwortete nicht. Er konnte nicht. In ihm breitete sich ein Schmerz aus, wie er ihn noch nie gespürt hatte. Nicht, weil er besonders stark gewesen wäre, sondern weil er so eigenartig war. Es war weder ein Stechen, noch ein Brennen. Es war nichts, woran er sich erinnern konnte, was er schon einmal gefühlt hätte. Es war wie ein Pochen, sodass ihm die Ohren von seinem eigenen Blut rauschten; fast, als wäre für es nicht mehr genug Platz in seinem Körper, als wolle es raus in die Freiheit, nach welcher auch er, Harry, so sehr strebte. Er packte sich an die Brust, gegen die sein Herz heftigst schlug und auf einmal begriff er alles. Als man ihm erklärt hatte, dass er sterben würde und warum, hatte er die einzelnen Zusammenhänge noch nicht gänzlich begriffen, doch jetzt machte es alles Sinn. Einen schrecklichen Sinn. Das Gefühl, die Schmerzen, wurden von dem Gift in seinem Kreislauf hervorgerufen. Ihm war klar, sein Herz konnte nicht auf Dauer diese Belastung, dieses ständige Klopfen aushalten. Es würde irgendwann ermüden, als wäre er schon viele, viele Jahre alt. Fast, als würde er eines natürlichen Todes sterben. Sterben. Irgendwann in ein paar Jahren. Das Pochen ließ schon nach einigen Minuten nach, doch Harry kamen sie vor wie die Jahre, die er noch zu leben hatte. Würde er das öfters bekommen? Er hoffte nicht. “Hey, Junge!” riss man ihn aus seinen düsteren Gedanken. Harry schüttelte den Kopf. Er brauchte eine Weile, um die Situation zu erfassen und sich wieder zurecht zu finden. Er schluckte, da seine Kehle sich völlig ausgetrocknet anfühlte. “Wasser” krächzte er. Er bemerkte, dass man ihn mit verwirrten Blicken musterte, doch es interessierte ihn nicht. “Hier” Man reichte ihm einen Flachmann, so einen, wie auch Moody einen besaß. Wasser war da bestimmt nicht drin, doch Harry hatte wahnsinnigen Durst und hätte auch Schlimmeres getrunken, als den scharfen Whisky, der sich in der Flasche befand, Hauptsache, er hatte irgendetwas, mit dem er seine staubige Kehle befeuchten konnte. “Danke” sagte er, reichte die Flasche wieder zu seinem Besitzer, und wischte sich gleichzeitig mit dem Handrücken über den Mund. Endlich sah er wieder hoch. Überall sah er ein und den selben Gesichtsausdruck. Entsetzen. Es musste schlimm ausgesehen haben, wie er dagestanden hatte, die Knie zittrig und sich an die Stelle fassend, wo sich das Herz befand. Sie mussten gedacht haben, er erlitte einen Herzinfarkt. “Was war das?” fragte der Anführer, der als Erster seine Sprache wieder fand. Harry schluckte, doch er wollte ihnen nicht die Wahrheit sagen. Sie wussten schon viel zu viel. “Ich weiß nicht.” antwortete er stattdessen, doch er konnte sehen, dass man ihm nicht glaubte. Entsetzen wandelte sich zu Misstrauen um. Der Anführer zog die Augenbrauen zusammen. “Lasst und alleine.” befahl er den anderen. “Aber-” widersprach ihm ein anderer Werwolf mit dreckigen, ehemals wohl blond gewesenen Haaren, die ihm lose an der Stirn klebten. “Ihr habt mich verstanden. Du auch, John!” fuhr er einen jungen Mann an und schon verschwanden sie in einer Seitengasse. Als der Anführer sich sicher war, dass sie allein waren, sprach er Harry wieder an. “Sag schon. - Vielleicht kann ich dir auch helfen, ich habe meinen Meister in Zaubertränke gemacht.” fügte er hinzu, als er sah, dass Harry immer noch mit sich haderte. “Ich-” Harry ballte die Hände zu Fäusten, so fest, dass sich seine Fingernägel trotz ihrer Kürze in seine Handflächen bohrten und blutige Striemen hinterließen. “Es-” Er konnte es nicht alles aussprechen. “Gift!” brachte er mühsam hervor. Sein Atem ging schnell und stoßweise, so, als wäre er Kilometer weit gelaufen. Der Werwolf vor ihm rührte sich nicht. Er stand da und hatte die Stirn in Falten gelegt und schien nachzudenken. Minute um Minute verstrich, bis Harry die drückende Stille durchbrach. “Ich … muss jetzt gehen. Ich habe noch ein wichtiges Treffen.” meinte er und wandte sich zum Gehen, doch da kam endlich Leben in sein Gegenüber. “Warte. Du hast mich überredet. - Ich werde dir helfen, wenn wir zusammenarbeiten. Mit meinen Leuten natürlich.” sagte er. Harry lächelte nicht. “Danke” war das Einzige, was er ihm mit heiserer Stimme entgegenhauchen konnte, ehe er sich vollends umdrehte und davonging. ~~~~~*~~~~~ So ... das wär geschafft. Ich hoffe, es ist euch halbwegs authentisch rübergekommen ^^° Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)