Die Blutfehde der Youkaifürsten von Weissquell ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Gehetzt rennt die schlanke Gestalt durch den Wald. Die Zweige die ihr dabei gegen Gesicht und Brustkorb peitschen, werden kaum beachtet. Tiefviolette Augen mit schmalen Pupillen gleiten hektisch durch die Gegend um nach möglichen Verfolgern Ausschau zu halten. Immer wieder fliegt der Kopf mit den hellgrauen Fransen, die wirr über das dunkle Stirnband hängen, herum. Der kurze, straffe Pferdeschwanz am Hinterkopf hüpft bei jedem federnden Sprung auf und ab und streift dabei nur manchmal die spitzen Ohren an der Seite des Kopfes. Schließlich bleibt der Flüchtende stehen. Keuchend stützt er die Arme auf die Schenkel. Offenbar hat er seine Verfolger abgeschüttelt. Wie lange läuft er jetzt schon so? Welche Strecke hat er dabei zurückgelegt? Es kommt ihm wie Tage vor. Selbst ein Youkai kommt bei einem stundenlangen Dauerlauf im Sprinttempo außer Puste. Für einen flüchtigen Moment scheint es als wollen seine Knie zitternd nachgeben, doch sogleich fängt sich der Youkai mit dem unnatürlich jugendlichen Gesicht wieder. Dies ist nicht der geeignete Augenblick um schlapp zu machen. Seine Verfolger könnten ihm noch immer auf der Spur sein. Leicht torkelnd kommt er wieder in die Gänge. Dies hier müsste die richtige Richtung sein, das hofft er zumindest. In Wirklichkeit hat er keine Ahnung wo er sich im Augenblick befindet. Hat er die Grenze bereits überschritten? Und selbst wenn, wie soll er hier nun die einzige Person finden, von der er sich bisher tunlichst ferngehalten hat? Ja, er kennt doch noch nicht einmal seinen Geruch. Wie soll er ihn hier jemals finden? Forschend hebt der schlanke Youkai die Nase und prüft die Luft. Wahrscheinlich sollte er einfach den nächsten Dämon ausquetschen, der ihm über den Weg läuft. Vielleicht hat er ja Glück und der nächste Unglückswurm der ihm in die Finger gerät, weiß tatsächlich wo der Fürst zu finden ist. Wieder beschleunigt sich sein Schritt. Nun bleibt nur noch zu hoffen, dass er ihn rasch findet, ehe seine Verfolger die Spur wieder aufgenommen haben. Hoffentlich ist Yaeba nichts geschehen. Das Letzte was er von ihm sah, war, als er sich umwandte und ihren Verfolgern entgegentrat. Er versuchte sie aufzuhalten damit sein Schützling entkommen konnte. Der junge Youkai kneift kurz die Augen zusammen. Wie töricht von ihm! Was malt er sich für Chancen aus? Sie werden ihn zerreißen. Diese Typen vom Nordclan verstehen keinen Spaß, aber auch wirklich gar keinen! Zumindest er konnte ihnen entkommen und das verdankt er seinem Mentor. Entschlossen sprintet er weiter. Keine Sorge, Yaeba, du bist nicht umsonst gestorben! Ich werde es schaffen und meine Aufgabe erfüllen. Ich werde Sesshomaru finden, koste es was es wolle! Kapitel 1: Unerwarteter Besuch ------------------------------ Es ist ein sonniger Tag. Kleine, weiße Formwolken ziehen über das Land und beanspruchen gerade die volle Aufmerksamkeit eines kleinen Mädchens in einem orangen Kleid, das mit ihren drei bis vier Begleitern gerade aus dem Wald heraus auf eine weite, hügelige Graslandschaft heraustritt. Der erste ihrer Gefährten ist ein kleiner, grüner Gnom der einen knorrigen Stab, mit zwei Köpfen darauf, mit sich herumschleppt und ziemlich verdrießlich dreinblickt, als sie beginnt, die Wolken über sich mit Begriffen zu betiteln. Der zweite ihrer Begleiter zählt eigentlich schon fast für zwei, denn das große Drachentier, das an einer Leine gemächlich hinter ihr hertrottet, hat zwei Köpfe. Der letzte ihrer Reisegefährten, scheint sich im Augenblick in keinster Weise um das kleine Mädchen und ihre Verspieltheit zu kümmern. Mit zügigem Schritt, jedoch ohne zu hasten, schreitet er über die Wiese entlang des Waldsaums. Er ist hochgewachsen und trägt einen weißen Hakama mit passendem Oberteil, der sehr würdevoll aussieht. Über dem Brustkorb trägt er eine stabile, wenn auch bequeme Rüstung, die mit mehreren Zähnen besetzt ist und an seinem Gürtel hängen zwei lange, schmale Schwerter. Über der rechten Schulter trägt er einen dicken, weißen Pelz, nur der linke Ärmel hängt leer an ihm herab. Über seine Schultern fällt ihm langes, weißes Haupthaar herab und auf der Stirn ist ein dunkelblauer Sichelmond abgebildet. Purpurfarbene Streifen ziehen sich auf seiner Wange entlang und zwei bernsteinfarbene Augen mustern gelassen, wenn auch keinesfalls unaufmerksam seine Umgebung. Die ganze Person strahlt kühle Würde aus. Doch davon lässt sich das kleine Mädchen in keinster Weise stören, als sie übermütig an seinen Beinkleidern zupft und begeistert verkündet: „Guck mal, Sesshomaru-sama, die Wolke da sieht aus wie Jaken!“ „Also, das verbitte ich mir!“, empört sich der kleine Gnom hinter ihr, „Wie kommst du dazu, mich mit einer Wolke zu vergleichen? Außerdem hab ich dir schon tausendmal gesagt, du sollst Sesshomaru-sama nicht mit deinem kindischen Blödsinn belästigen!“ Doch der hochgewachsene Youkai, geht einfach weiter, als hätte er nichts gehört. „Siehst du“, meckert Jaken weiter, „du störst ihn nur. Halt dich einfach von ihm fern.“ Doch die Kleine ignoriert ihn. „Sesshomaru-sama, warte auf mich!“, ruft sie und läuft ihrem Herren eilig hinterher. „Oh, diese Rin!“, schüttelt Jaken resigniert den Kopf, „Dass sie einfach nicht hören kann!“ In diesem Moment wird ihm bewusst, dass die anderen schon ein ganzes Stück entfernt sind und hastig läuft er hinterher: „Sesshomaru-sama, so wartet doch auf mich!“ Doch kaum hat er aufgeschlossen, als er unwillkürlich in seinen Herren hineinrennt, der völlig unvermutet stehen geblieben ist. Eine Sekunde später findet er sich auf dem Boden sitzend wieder. Groß schaut er zu seinem Meister auf. Dessen Blick ist auf einmal schmal geworden und er schaut zum Wald hinüber. Weder Jaken, noch Rin wagen im Augenblick ihren Herren in seiner Konzentration zu stören. Offensichtlich nähert sich ihnen jemand und ihr Herr scheint dem seine gesamte Aufmerksamkeit zu widmen. Wer kann das also sein? Auf einmal hört man im Unterholz etwas knacken und rascheln und die Geräusche scheinen sich zu nähern. Tatsächlich vergehen nur wenige Momente und jemand bricht aus dem Dickicht des Waldes hervor, kommt aber fast augenblicklich zum Stehen, als er die kleine Gruppe erspäht. Es ist ein junger Youkai mit kurzem, grauen Pferdeschwanz, einer einfachen Brustpanzerung und locker Bekleidung. Mit großen Augen starrt er sie an und im ersten Moment, scheint er wie festgefroren zu sein. Mit kühlem Blick mustert Sesshomaru den unerwarteten Besucher. Er verzieht keine Miene sondern schaut ihn nur schweigend an. Der andere erwidert seinen Blick, wenn auch nicht ganz so selbstsicher. Im Gegenteil, er scheint immer mehr zu erbleichen und fast könnte man meinen, dass seine Hände zu zittern anfangen. Zunächst scheint er nicht zu wissen wie er sich verhalten soll, doch dann senkt er den Blick. Zum allgemeinen Erstaunen von Rin und Jaken, sinkt der junge Mann nun auf ein Knie nieder und senkt den Kopf. „Mein Fürst!“, ist alles was er sagt. Sesshomaru schweigt. Nicht die kleinste Reaktion ist von ihm zu erkennen. Alles was er tut, ist, den Neuankömmling weiterhin im Auge zu behalten und zu schweigen. Einen unangenehm langen Augenblick sagt keiner ein Wort. Schließlich hebt der Youkai langsam und unsicher den Kopf. Offenbar versucht er den anderen vor sich einzuschätzen. Nachdem von dem weißhaarigen Youkai noch immer keine Reaktion, außer eisigem Schweigen, kommt, beschließt er die Initiative zu ergreifen. „Mein Name ist Tenmaru“, sagt er zögernd, „Ich bin...“ „Ich weiß wer du bist!“, unterbricht Sesshomaru ihn kühl, „Was willst du?“ Eingeschüchtert durch die harte Reaktion, blickt Tenmaru ein wenig zur Seite. Er atmet einmal tief durch, doch dann gibt er sich einen Ruck: „Ich will in Eure Dienste treten, mein Fürst!“ Ergeben senkt er erneut den Blick. Jaken ist überrascht. Normalerweise würde sein Herr dieses dreiste Gesuch mit einer erhobenen Augenbraue abtun, doch dieses Mal kommt nicht die geringste Reaktion von ihm. Stattdessen mustert er den Youkai vor ihm nur weiter mit eisigem Blick und meint schließlich: „Ich brauche keine Streuner in meinen Diensten. Verschwinde besser, solange du noch kannst!“ Täuscht sich Jaken oder schwingt ein bedrohliches Knurren in den Worten seines Herren mit? Doch das scheint dem jungen Youkai ganz offenbar entgangen zu sein, denn er gibt nicht auf. „Ich bitte Euch, nehmt mich in Eure Dienste auf, mein Fürst. Ich bin sicher, dass ich Euch von großem Nutzen sein kann.“ Falscher Ton, ganz falscher Ton!, denkt Jaken bei sich, zumindest in der momentanen Verfassung seines Herren. Betteln und Bitten hat bei Sesshomaru keinen Zweck. Na ja, meistens jedenfalls, denkt er mit einem leichten Seitenblick zu Rin. Doch sogleich wird seine ganze Aufmerksamkeit wieder auf seinen Herren gezogen. Sesshomarus gelassene Miene hat sich verändert und das auf eine sehr untypische Art für ihn. Der hochgewachsene Youkai fletscht die Zähne und seine Augen nehmen eine bedrohlich rötliche Färbung an. „Sieh zu, dass du verschwindest!“, grollt er, „Sonst kenn ich keine Gnade mit dir!“ Der junge Youkai erbleicht und duckt sich erschrocken. Offenbar sieht er ein, dass er mit seinem Leben spielt, wenn er weiter auf seine Forderung beharrt. Hastig springt er auf und nur wenige Sekunden später ist er auch schon wieder im Unterholz verschwunden. Mehrere Sekunden verstreichen, ehe einer von seinen Gefährten es wieder wagt, das Wort an Sesshomaru zu richten. Der weißhaarige Youkai wirkt ziemlich aufgewühlt. „Kanntet Ihr diesen Dämon, mein Herr?“, wagt Jaken schließlich zu fragen, „Wer war das?“ Sesshomaru strafft sich. Schließlich sagt er: „Niemand! Er ist nicht weiter von Bedeutung!“, damit setzt er erhobenen Hauptes seinen Weg fort, als wäre nichts geschehen. „Niemand?“, meint Jaken bei sich, „Das kam mir aber grad nicht vor wie ‚Niemand’!“ „Ob wir heute zur Abwechslung mal wieder in einem richtigen Bett schlafen können? Ich will mich ja nicht beschweren, aber andauernd campen schlägt mir langsam aufs Gemüt.“ Kagome streckt sich so gut es geht. Der Rucksack auf ihrem Rücken behindert sie dabei ein wenig. „Pah, immer hast du was zu meckern“, beschwert Inu Yasha sich, „Du bist wirklich ne ganz schöne Mimose.“ „Ja ja!“, mosert Kagome zurück, „Nicht jeder ist eben so ein Naturbursche wie du.“ „Hey, kann ich was dafür, dass ich ein Halbdämon bin und mir solche Kleinigkeiten nichts ausmachen?“, beschwert sich Inu Yasha. Schon will Kagome etwas Bissiges erwidern, doch sie wird von Miroku unterbrochen: „Also ich hätte auch nichts gegen eine überdachte Unterkunft einzuwenden. Das nächste Dorf sollten wir eigentlich noch vor Sonnenuntergang erreichen. Vielleicht könnten wir den Einwohnern ja auf irgendeine Weise ihre Gastfreundschaft entlohnen.“ „Mit anderen Worten“, meint Sango vernehmlich, „Du ziehst wieder deine Nummer mit der ‚düsteren Aura über dem Dorf’ ab, die du dann als ehrenvoller Mönch natürlich vertreiben wirst und schon mit einem trockenen Plätzchen für dich und deine Weggefährten als Entlohnung zufrieden wärst.“ „Du schätzt mich völlig falsch ein!“, stellt Miroku gekränkt klar, „Natürlich würde ich auch um ein ausgiebiges Abendessen bitten. So ein Exorzismus ist schließlich nicht ohne!“ Sango fasst sich seufzend an die Stirn: „Hält man’s aus?“ „Vielleicht kann ja Inu Yasha so tun, als ob er das Dorf angreift, dann braucht Miroku gar nicht mal zu schummeln“, mischt sich jetzt Shippo schelmisch ein. Doch sofort spürt er Inu Yashas starke Zeigefinger die ihm die Mundwinkel schmerzhaft auseinanderziehen. „Das könnte dir so passen, du Gnom!“, meckert der Hanyou, „Damit ihr euch den Bauch voll schlagen könnt während ich draußen in der Kälte sitze.“ „Du haft dof grad gefagt, daff di’ folche Kleinifkei’en nix aufma’en!“, verteidigt Shippo sich so gut er kann. „Hat sich was, du Pelzknäuel!“, Inu Yasha ist unerbittlich, „Kannst ja selber rumhopsen und den Dämon markieren, das kannst du doch immer so gut, du Schlauberger! Lass dich doch selber von Miroku verscheuchen, vielleicht haben wir dann ja endlich Ruhe vor deinem Blödsinn!“ „Ka’o’eee!“, kommt es leidend von Shippo. Zu seinem Glück und Inu Yashas Pech, hat das Mädchen ein Einsehen. „Inu Yasha, SITZ!“ Augenblicklich knallt der Hanyou der Länge nach zu Boden. „Manno...!“, mault er während er sich wieder aufrappelt. Die letzte Strecke des Weges ist rasch zurückgelegt und schon sieht man hinter dem Hügel das kleine Dörfchen, in dem sie heute übernachten wollen. Aber kaum ist das Dorf in Sichtweite gekommen, hält Inu Yasha inne. „Irgendetwas stimmt hier nicht!“, meint er wachsam, „Ich höre Rufe, und sie kommen aus dem Dorf.“ Eilig macht die Gruppe sich daran das Dorf zu erreichen. Dort angekommen, bietet sich ihnen der Anblick eines heillosen Durcheinanders. Alle Dorfbewohner laufen aufgescheucht durcheinander und an vielen Stellen sieht es aus, als hätte irgendeine Furie getobt. „Was ist hier passiert?“, hält Miroku einen vorbeirennenden Dorfbewohner zurück. „Ein Dämon!“, kommt die aufgeregte Antwort, „Ein Dämon hat hier gewütet. Wir können von Glück sagen, dass niemand getötet wurde, aber er ist in unsere Stallungen eingedrungen und hat unser Vieh gerissen. Eine ganze Kuh hat er weggeschleppt. Als wir versuchten ihn zu stellen, griff er uns an und verletzte viele von uns schwer.“ Sofort horcht die kleine Gruppe auf. „Wohin ist er verschwunden?“, fragt Inu Yasha aufgeregt. „In den Wald dort drüben“, antwortet der Mann, „Bitte, wenn es in eurer Macht steht, dann unternehmt etwas! Wenn er wiederkommt sind wir alle in Gefahr. Ich... ich habe zwei Töchter!“ „Wir werden den Dämon zur Strecke bringen!“, versichert Miroku rasch, „Doch wenn ihr mir die Frage erlaubt: Wie alt sind Eure Töchter? Aaauu...!“ Unbarmherzig wird der Mönch von der Dämonenjägerin am Ohr weggezerrt. „Heb dir deine Flirtversuche gefälligst bis später auf!“, meint sie kühl, „Zuerst kümmern wir uns um diesen Dämon.“ „Schon gut, schon gut!“, wehrt sich Miroku, „Das war doch nur ein Scherz!“ Sango schnaubt verstimmt auf: „Hmpf, deine Scherze kenn ich, du Lustmönch!“ „Du hast eine völlig falsche Meinung von mir, Sango, und könntest du vielleicht mein Ohr loslassen?“ Doch die Dämonenjägerin gibt sich heute unbarmherzig und so schleppt sie den jammernden Mönch bis vor die Tore des Dorfes. Ihre restlichen Freunde folgen ihnen. Sodann macht die kleine Gruppe sich auf den Weg zu dem Wald der ein Stück entfernt beginnt. „Ich frage mich, was das für ein Dämon sein könnte“, überlegt Kagome, „Das Dorf sah ziemlich schlimm aus. Glaubst du er ist gefährlich, Inu Yasha?“ „Pah, gefährlich oder nicht, ich werde mit ihm kurzen Prozess machen, wenn er mir über den Weg läuft!“, behauptet Inu Yasha großspurig und lässt die Knöchel knacken. So trotten sie weiter und halten dabei die Augen offen, doch bisher verhält sich alles um sie her friedlich. Schließlich meint Miroku: „Ich kann hier keinerlei dämonische Aura spüren. Vielleicht ist er schon längst nicht mehr hier in der Gegend.“ Doch Inu Yasha schüttelt den Kopf: „Dieser Dämon hat eine ganze Kuh weggeschleppt, das sieht mir sehr wie eine Zwischenmahlzeit aus. Ich glaub nicht, dass er dafür weite Strecken zurücklegt.“ „Inu Yasha hat recht“, stimmt Sango ihm zu, „Bestimmt ist er hier noch irgendwo in der Nähe und frisst. Wir müssen nur wachsam sein, dann finden wir ihn bestimmt.“ Genau in diesem Moment ist ein wütendes Fauchen von Kirara zu hören und nur wenige Augenblicke später hat die niedliche Katzendämonin an Sangos Seite sich in ein mächtiges Raubtier verwandelt dessen Nackenhaare steil aufgerichtet sind. Sofort wird die Gruppe wachsam. „Es scheint Kirara hat den Dämon gewittert“, meint Sango, „Bestimmt ist er hier irgendwo in der Nähe.“ „Na endlich“, grinst Inu Yasha voller Vorfreude, „der Kerl soll nur kommen! Der kann sich schon mal sein Grab schaufeln!“ Und dann folgen sie zielstrebig der Spur die Kirara ihnen zeigt. Kapitel 2: Futaba ----------------- Dunkles, schmieriges Blut färbt die klauenbewehrte Hand des schlanken Dämons rot als er einen weiteren Brocken Fleisch aus der aufgerissenen Seite der toten Kuh herausreißt und hungrig davon abbeißt. Es muss wirklich eine Ewigkeit her sein, dass er einen solchen Leckerbissen zu sich genommen hat. Die kläglichen, kleinen Mahlzeiten die er in letzter Zeit gezwungen war, zu sich zu nehmen, reichten gerade so, um seinen gröbsten Hunger zu stillen. Heute kann er sich seit langen einmal wieder satt essen und dennoch bleibt ihm fast jeder Bissen im Hals stecken. Schweigend und niedergeschlagen schlingt Tenmaru den Fleischbrocken hinunter. So mächtig! Er hatte ja keine Ahnung, wie mächtig der Fürst des Westens wirklich ist. Allein schon die wenigen Augenblicke, als er ihm gegenüberstand, hatten ausgereicht um ihm einen Schauer nach dem anderen über den Rücken zu jagen. Was hatte er denn auch erwartet? Noch einmal lässt Tenmaru die vergangenen Ereignisse Revue passieren. Er zweifelt keinen Augenblick daran, dass er ihn augenblicklich getötet hätte, wenn er noch länger geblieben wäre. Er lässt den Kopf hängen. Yaeba, das ist Wahnsinn! Ich werde es niemals schaffen in seine Dienste zu treten. Er steht doch so viel über mir. Er wird mich töten noch bevor ich sein Vertrauen gewonnen habe. Welchen Dienst könnte ich ihm schon erweisen? Er ist einfach viel zu mächtig! Lustlos bohrt er ein weiteres Stück Fleisch aus der Bauchdecke der toten Kuh heraus. Aber das ist ja auch kein Wunder! Immerhin ist er ein echter Daiyoukai, ein Fürst, und ich bin nur ein... Er schüttelt resigniert den Kopf. Ich werde es nicht schaffen, Yaeba, ich habe versagt! Ich kann den Wunsch meines Hauptmanns... nicht erfüllen. Frustriert ballt er seine Hand zur Faust und quetscht dabei den Fleischbrocken so zusammen, dass das Blut ihm zwischen den Fingern hervorquillt. Dann mit einem plötzlich aufkeimenden Anflug von Ärger, schleudert er den blutigen Klumpen zwischen die Bäume. Verdammt! Niemals im Leben wird mich Sesshomaru als würdig ansehen! Niemals! In diesem Augenblick steigt ihm plötzlich ein schwacher Geruch in die Nase und sein Kopf fährt ruckartig herum. Seine Stirn legt sich in Falten und unter seinen Lippen entblößen sich leicht ein paar scharfe Reißzähne. Menschen! Verflixt, durch den strengen Geruch des Blutes hat er sie nicht früher bemerkt, doch jetzt dringt ihm der widerliche Geruch von Menschen ganz eindeutig in die Nase. Und da ist noch etwas anderes, etwas das zwar irgendwie nach Mensch riecht, aber dann auch wieder nicht. Tenmarus Miene verfinstert sich. Hanyou! Das Wort schießt ihm sofort durch den Kopf. Er kann sich nicht irren. Dieses Wesen riecht eindeutig nach Mensch und zugleich nach Dämon. Verächtlich speit er einen roten Fleck Spucke aus. Er mag ja vielleicht unter den Dämonen der Clans nicht viel gelten, aber er ist immer noch ein wahrer Youkai und kein halbblütiger Hanyou. Mehr wert als dieser Missgriff der Natur ist er allemal; das ist er doch, oder? Es muss so sein! Es ist so! Nein, diesem Halbdämon wird er zeigen was einen wahren Youkai ausmacht! Offenbar ist er zusammen mit diesen Menschen gekommen, um ihn zu suchen, denn sie steuern nun direkt auf sein Versteck zu. Aber das werden sie noch bereuen! Er wird sie wärmstens empfangen und dann werden sie sich wünschen, sich niemals mit einem echten Youkai angelegt zu haben. Sein Blick geht rasch in die Runde und nur einen Moment später ist er zwischen den Büschen verschwunden. Nur noch die ausgeblutete Kuh liegt noch auf dem kühlen Waldboden. Nur kurz darauf tauchen Inu Yasha und die anderen auf der kleinen Lichtung auf. Sogleich haben sie die tote Kuh entdeckt. Kirara faucht leise und ihr Fell sträubt sich. Ihre empfindlichen Sinne reagieren heftig auf den Gestank der toten Kuh. Ebenso Inu Yashas. Der Hanyou zieht die Nase kraus. „Puh, was für ein Gestank! Der Dämon muss gerade noch hier gewesen sein.“ Vorsichtig tritt Miroku an die tote Kuh heran. „Sieht ganz so aus, als hätten wir ihn beim Essen gestört, er kann noch nicht weit weg sein.“ Aufmerksam spähen sie zwischen den Bäumen hindurch. Es herrscht eine bedrückende Stille. „Ich habe ein ganz ungutes Gefühl“, meint Sango, „Er muss noch in der Nähe sein.“ Wachsam hat sie ihren Knochenbumerang griffbereit. Kagome hat inzwischen einen Pfeil auf ihren Bogen gelegt und versucht sich so weit wie möglich in Inu Yashas Nähe aufzuhalten. Der kleine Fuchsdämon, Shippo, hat sich dicht an ihre Beine gedrängt; ihm behagt diese beängstigende Atmosphäre gar nicht. Inu Yasha hebt den Kopf. Er schnuppert in die Luft. „Du hast recht. Ich kann ihn riechen, den Kerl. Er steckt hier noch irgendwo und liegt bestimmt auf der Lauer, aber nicht mehr lange.“ Wachsam sehen sich alle um, doch alles bleibt still; zu still. Einige Augenblicke vergehen, in denen nichts geschieht. Schließlich fragt Kagome vorsichtig: „Seid ihr sicher, dass dieser Dämon noch in der Nähe ist?“ Sango nickt: „Bestimmt! Wir haben ihn beim Essen gestört und machen ihm nun seine Beute streitig. Das lässt er sich sicher nicht so einfach gefallen.“ Angewidert späht Inu Yasha zu der toten Kuh hinüber. „Wie kann der nur so was essen? Dieser Geruch ist ja nicht zum aushalten! Wenn er klug ist, sieht er zu, dass er Land gewinnt und sucht sich irgendwo anders was Vernünftiges zu Essen. So was da kann doch höchstens irgendein streunendes Tier runterbekommen.“ In genau diesem Augenblick nimmt Inu Yasha eine rasche Bewegung über sich wahr und schaut auf. Seine Augen weiten sich erschrocken und nur einen Wimpernschlag später bohrt ihn ein heftiger Tritt hart in den Boden. Überrumpelt keucht er auf während Kagome vor Schreck leicht aufschreit. Benommen blickt Inu Yasha hoch. Über ihm steht ein wutschnaubender, grauhaariger Youkai mit gefletschten Reißzähnen und purpurfunkelnden Augen. „Wen nennst du hier ein streunendes Tier, Hanyou!“, grollt er gefährlich. Im ersten Moment ist Inu Yasha zu perplex um zu reagieren und so kann der aufgebrachte Youkai vor ihm die Gelegenheit nutzen und ihm einen weiteren wuchtigen Schlag verpassen. Inu Yasha keucht auf, doch nun sind seine Kampfgeister wieder geweckt. Den nächsten wütenden Schlag pariert er mit der bloßen Faust und dann rettet er sich mit einer Rückwärtsrolle und kommt wieder auf die Beine. Verärgert wischt er sich ein wenig Blut aus dem Mundwinkel. „Na warte, das hast du nicht umsonst gemacht, du Mistkerl! Jetzt kannst du was erleben!“ Wie aufs Stichwort greift nun Sango in den Kampf ein. „Hiraikotsu!“, ruft sie und schon schleudert sie zielsicher ihre Waffe nach dem Gegner. Doch der schlanke Youkai reagiert blitzschnell und mit seinem linken Unterarm pariert er die Wucht des Bumerangs und schleudert ihn beiseite. Nun wendet er sich Sango zu. Seine roten Augen leuchten bedrohlich. Die Dämonenjägerin geht sogleich in Verteidigungsposition. „Nicht so hastig! Ich bin dein Gegner!“, Inu Yasha hat sich wieder gefangen und stürzt sich auf den Youkai, „Sankontessou!“ Mit gezückten Klauen geht die gefährliche Attacke auf ihn nieder. Doch zu seiner Überraschung weicht der fremde Youkai dem Angriff ohne große Probleme aus. Verdammt!, denkt Inu Yasha bei sich, Er ist schnell. Aber das wird ihm nichts nützen. Ich kann auch anders! Der Kopf des Youkais fährt herum: „Viel zu langsam, du dreckiges Halbblut! Da musst du dich schon mehr anstrengen.“ Inu Yasha funkelt wütend zurück. „Wart’s nur ab! Du wirst dich gleich noch wundern!“ Der schlanke Youkai beobachtet ihn nur spöttisch: „Das will ich sehen!“ Mit diesen Worten greift er an seinen Gürtel und zieht zwei schmale, blanke Dolche aus ihren Scheiden und streckt sie vor sich aus. Ein eigenartiges, bläuliches Schimmern geht von ihnen aus. Er vollführt ein paar geschmeidige Gesten und dann überkreuzt er die beiden Klingen und nimmt eine lauernde Kampfhaltung ein, wobei er Inu Yasha und die anderen wachsam im Auge behält. Inu Yasha grinst hämisch: „Lass besser die Zahnstocher beiseite! Ich zeig dir mal wie ein richtiges Schwert aussieht!“ Mit diesen Worten ergreift er Tessaigas Griff an seiner Seite und zieht es aus der Scheide. Sogleich liegt die mächtige Waffe groß und hellschimmernd in seiner Hand. Die Augen des Youkais werden schmal. „Glaubst du wirklich es kommt auf die Größe an? Wichtig ist nur wie man damit umgeht!“, und mit diesen Worten stößt er sich ab und sprintet direkt auf Inu Yasha zu. „Er greift wirklich an!“, stellt Sango aufgeregt fest. „Ja“, bestätigt Miroku, „er sucht die direkte Konfrontation mit Tessaiga.“ Auch Inu Yasha erkennt den Angriff und geht in Stellung. Augenblicke später ist der Fremde bei ihm und schon greift er an. Ein wahrer Hagel an flinken Stichen und Schnitten geht auf ihn nieder und er hat alle Mühe sie alle zu parieren. Sein Gegner bewegt sich so flink, und seine Hiebe sind so gezielt, dass er ihm kaum mit dem Auge folgen kann. Immer wieder muss er beiseite springen um einem präzisen Stich zu entgehen. Verflixt, der Kerl ist gut! Krampfhaft ist Inu Yasha bemüht, mehr Raum zwischen sich und seinen Gegner zu bringen. Es ärgert ihn maßlos, so in die Enge getrieben zu werden. Aber das wird er sich nicht länger gefallen lassen. Schon gar nicht von einem der ihn ein ‚dreckiges Halbblut’ schimpft! Einmal mehr springt er aus dem Weg, aber noch in der Luft wirbelt er herum und schwingt sein Schwert nach seinem Gegner. Eine aufblitzende Energiewelle löst sich von der mächtigen Klinge und rollt dem Youkai entgegen. „Kaze no Kizu!“, ruft Inu Yasha und beobachtet befriedigt wie sich für einen Moment großes Erstaunen im Gesicht des fremden Youkais breit macht. Hastig bricht dieser seinen jüngsten Angriff ab und weicht der Energieentladung im letzen Moment aus. Was war denn das?, fragt sich Tenmaru verblüfft? Das wäre ja beinah schief gegangen. Das Schwert dieses Hanyous ist kein gewöhnliches Schwert. Aber woher hat so eine verwerfliche Kreatur eine solch mächtige Waffe? Er schüttelt innerlich den Kopf. Nein, er darf sich davon nicht einschüchtern lassen. Auf keinen Fall! „Nicht übel, Hanyou, aber dein Schwert kann es trotzdem nicht mit meinen Futaba (Doppelzahn) aufnehmen. Mach dich schon mal auf dein Ende gefasst!“ Mit tödlichem Blick fixiert der Youkai Inu Yasha. Dann stellt er sich aufrecht hin und breitet leicht die Arme aus wobei er sich konzentriert. Auf einmal nimmt das bläuliche Schimmern an den Klingen immer stärker zu. Wabernde, blaue Energienebel umhüllen die Klingen und bilden einen gleißenden Bogen der von einer Dolchspitze zur anderen reicht. Ein bedrohliches Knistern ist zu hören. Um die Mundwinkel des Youkais legt sich ein leichtes, hämisches Lächeln. Skeptisch beobachtet Inu Yasha seinen Gegner. Was hat er vor? Das Leuchten um die Klingen wird kein gutes Zeichen sein. Dieser Youkai gibt ihm Rätsel auf. Er steht nur da und hat die Arme leicht gebreitet; in jeder Hand eine leuchtende Klinge. Und dabei grinst er ihm nur so selbstsicher entgegen, also wenn das nicht nach einer Art Falle riecht... „Was ist, Hanyou, hast du Schiss bekommen? Warum kommst du nicht her?“ „Pah“, schnaubt Inu Yasha verächtlich, „halt mich nicht für blöde! Du wartest doch bloß darauf, dass ich angreife. Aber damit du es nur weißt, Tessaiga kann dich auch bequem von hier aus erledigen! Mach dein Testament!“, und schon holt er aus, „Kaze no Kizu!“ Und wieder wirbelt dem fremden Youkai eine gewaltige Energieentladung entgegen. Für einen Sekundenbruchteil zuckt Tenmaru zusammen. Irgendwas stört ihn und er kann nicht sagen was. Es sind nicht die walzenden Energiemassen die ihm entgegen rasen. Er kann ihnen ausweichen, das weiß er. Schon macht er sich bereit den Angriff zurückzuschlagen. Er wird es schaffen; denn der kleinste Zweifel wird sein Untergang sein. Die Energie, die ihm entgegenströmt, schlägt fast alles was ihm je untergekommen ist. Was für eine Macht! Konzentriert hebt er seine Klingen; das Leuchten wird stärker. Nur noch ein Stückchen näher. Die Welle der Energie hat ihn schon fast erreicht. Im letzten Augenblick fliegen Tenmarus Augen auf und mit einer blitzartigen Bewegung hebt er seine Waffen gemeinsam zum Schlag. „Nibai no Kamikizu!“, ruft er und mit einem gleichzeitig ausgeführten, überkreuzten Schlag durchtrennen seine Dolche den Wirbel des Kaze no Kizu der auf ihn zurast und zerteilt ihn in vier Teile die augenblicklich auseinanderreißen und wirkungslos an ihm vorbeirauschen. Inu Yasha bleibt der Mund offen stehen vor Überraschung. „Ich fasse es nicht“, meint Sango ungläubig, „Er hat das Kaze no Kizu einfach zerschnitten! Was für eine Kraft muss in diesen Dolchen stecken, dass er mit Tessaigas Macht mithalten kann.“ „Frag lieber welche Macht dieser Youkai besitzen muss, dass er solch eine Attacke ausführen kann“, entgegnet Miroku ernst. Noch immer steht Inu Yasha verdattert da. Sein Gegner grinst ihn nun hämisch an. "Was ist los, Hanyou, war das schon deine beste Attacke? Mehr hast du nicht zu bieten?“ Er geht erneut in Kampfposition, „Wenn das schon alles war, dann mach dich besser bereit zu sterben!“ Augenblicklich fasst Inu Yasha sich wieder. „Träum weiter, du Spinner, ich bin noch lange nicht geschlagen! Das haben schon ganz andere versucht!“ Der schlanke Youkai bleckt die Zähne und grinst. „Mach dich nicht lächerlich, Hanyou!“ Und sogleich springt er wieder los. Das gefährliche Leuchten seiner Klingen malt helle Linien in die Luft. Grimmig schaut Inu Yasha ihm entgegen; Tessaiga zum Angriff bereit. Er kann sich nicht helfen, aber diese abwertende Bezeichnung trifft ihn mehr, als er sich eingestehen mag. „Nenn mich nicht immer ‚Hanyou’, du Großmaul, oder ich treibe es dir mit Tessaiga aus. Ich habe einen Namen, verdammt noch mal!“ Unter gefährlichem Knistern treffen die Klingen aufeinander. Das jugendliche Gesicht des Youkais ist direkt vor ihm. Kühle, violette Augen funkeln Inu Yasha an. „Ach ja, und der wäre, Hanyou?“, kommt die gehässige Frage. Der junge Halbdämon fletscht wütend die Zähne während er mit dem fremden Youkai Kräfte misst. „Mein Name ist Inu Yasha!“, grollt er, „Aber den brauchst du dir nicht zu merken, denn gleich bist du sowieso Futter für die Würmer!“ Mit diesen Worten stößt er den fremden Youkai mit aller Kraft von sich, sodass er ein paar Schritte entfernt unsanft auf dem Boden zu liegen kommt. Sofort setzt Inu Yasha ihm wütend nach; Tessaiga gefährlich zum Schlag erhoben. Benommen schaut Tenmaru ihm entgegen. Da ist es schon wieder dieses seltsame Gefühl, dass ihn irgendetwas an der ganzen Sache stört. Aber was nur? Es ist, als müsse er sich an irgendwas erinnern. Inu Yasha. Er kennt diesen Namen irgendwoher. Genauso wie den Namen Tessaiga. Und im gleichen Moment kommt ihm die Erinnerung. Das Schwert Tessaiga, er hat schon manches darüber gehört. Es soll eines der legendären Schwerter sein. Einst gehörte es dem Fürsten des Westclans; Inu Taisho! Aber was tut dieses mächtige Schwert nun hier in den Händen dieses Hanyous? Warum besitzt es nicht sein Sohn Sesshomaru? Wer ist dieser Inu Yasha, der so dreist dieses Schwert sein Eigen nennt? Es sei denn... Er hat einmal Gerüchte gehört über einen Hanyou der angeblich... Tenmarus Augen fliegen auf. Das kann nicht sein! Sind die Geschichten am Ende doch wahr? Aber das würde ja bedeuten, dass... Hastig zieht er die Luft ein um von seinem sensiblen Geruchssinn eine Bestätigung für seine Vermutung zu bekommen. Noch immer stürmt der aufgebrachte Hanyou mit erhobenem Schwert auf ihn zu. Sein Blick zeigt, dass er zu allem entschlossen ist. Da, das ist sie, die unverkennbare Note! Diesen Geruch erkennt er sofort. Es riecht ganz unverkennbar nach Hund! Warum ist ihm das bloß nicht vorher aufgefallen? Also ist es tatsächlich wahr! Tenmaru erbleicht. Schon hat Inu Yasha ihn erreicht, wild entschlossen seinem Gegner den Garaus zu machen. Doch zu seiner grenzenlosen Überraschung lässt der schlanke Youkai plötzlich kraftlos seine Waffen fallen, und ruft: „Wartet!“ In diesem Wort liegt auf einmal ein solches Flehen, dass Inu Yasha tatsächlich einen Augenblick innehält. Verdutzt blickt er zu seinem Gegner der vor ihm auf dem Boden hockt. Aber noch weitaus mehr erstaunt ihn das, was als nächstes passiert. Der fremde Youkai sinkt vor ihm auf die Knie und senkt sein Gesicht zum Boden. „Mein Fürst!“, flüstert er mit einem ängstlichen Beben in der Stimme, „Vergebt mir meinen unziemlichen Angriff auf Euch und meine unverzeihlichen Beleidigungen. Ich hatte keine Ahnung, dass Ihr es seid! Ich weiß, ich habe kein Recht Euch um Verzeihung zu bitten! Ich unterwerfe mich ganz Eurem Urteilsspruch!“ Einen langen Moment stehen Inu Yasha und die anderen nur sprachlos auf der Lichtung und starren den fremden Youkai an, dessen Verhalten sich so urplötzlich und frappierend verändert hat. Noch immer steht Inu Yasha vor ihm, Tessaiga zum Schlag erhoben und verdattert in der Bewegung eingefroren. Es dauert eine Weile eh er seine Sprache wiederfindet. Mit großen Augen blickt er auf den Youkai herab: „Häh?“ Auch Miroku, Kagome und Sango beobachten den unterwürfigen Youkai der sich gerade noch ein heißes Gefecht mit Inu Yasha geliefert hat. „Das soll einer verstehen!“, wundert sich Miroku kopfschüttend. Nun meldet sich Shippo zu Wort der sich grad hinter Kagome vorschiebt: „Hat er Inu Yasha gerade ‚Fürst’ genannt?“ „Hat sich fast so angehört!“, meint Sango. Auch Kagome ist verwundert. Inu Yasha ein Fürst? Was hat das zu bedeuten? Inu Yasha nimmt nun sein Schwert herunter; offenbar ist sein Gegner nicht mehr bereit zu kämpfen. Nun verpasst er ihm einen skeptischen Stoß mit dem Fuß: „Hey du, hast du ne Meise? Was soll der Blödsinn?“ Der Youkai hebt ein wenig den Kopf: „Ich hatte kein Recht Euch anzugreifen! Ich werde jede Strafe akzeptieren, die Ihr mir auferlegt!“ Hilfesuchend wendet sich Inu Yasha zu den anderen um: „Ist der Kerl bekloppt?“ „Scheint nicht so“, entgegnet Miroku, „Offenbar hält er dich für einen Fürsten oder so. Vermutlich verwechselt er dich mit irgendjemanden. Aber ich schätze darüber können wir froh sein.“ Langsam kommen die anderen etwas näher um den seltsamen Fremden genauer in Augenschein zu nehmen. Seine Hände sind nach wie vor blutverkrustet von seinem grausigen Mahl aber er kniet noch immer vor Inu Yasha und hat den Blick zum Boden gesenkt. Er macht den Eindruck als würde er ein unausweichliches Schicksal erwarten. Wenn man es genau nimmt, bietet er einen fast grotesken Anblick. „Nein!“, kommt es plötzlich bestimmt von dem Knieenden, „Es ist ganz sicher kein Irrtum!“, die Umstehenden horchen auf, „Es besteht kein Zweifel! Ihr müsst Inu Yasha sein, der Sohn des Fürsten Inu Taisho. So ist es doch, oder?“ Ein wenig verlegen meint Inu Yasha: „Na ja, schon, aber...“ „Na also!“, kommt die entschlossene Antwort, „Somit seit Ihr also auch ein Fürst und somit... steht Euch das Recht zu... über mich zu richten!“ Bei diesen Worten lässt der Youkai erneut den Kopf hängen. „Ich soll was tun?“, kommt es verständnislos von Inu Yasha, „Wieso richten? Wer bist du überhaupt, wenn ich mal fragen darf?“ Der schlanke Youkai hebt ein wenig unsicher den Kopf. Dies ist bei weitem nicht die Reaktion die er erwartet hat, aber er folgert daraus, dass er zunächst mal um eine Bestrafung für sein Fehlverhalten herumkommt. Offenbar gibt es hier ein kleines Missverständnis und es scheint klug zu sein, zunächst mal die Fronten zu klären ehe man sich wohlmöglich in weitere Unannehmlichkeiten bringt. „Mein Name ist Tenmaru“, antwortet er folgsam, „Verzeiht mir meine Unhöflichkeit!“ Inu Yasha verzieht gereizt den Mund: „Hör auf da am Boden rumzukriechen! Das sieht doch lächerlich aus.“ Unsicher erhebt Tenmaru sich wieder und wirft dabei Inu Yasha einen wachsamen Blick zu. „Sag mal, warum hast du Inu Yasha einen ‚Fürst’ genannt?“, erklingt auf einmal eine helle, neugierige Stimme neben ihm. Sein Blick geht herum und er nimmt nun zum ersten Mal dieses seltsam gewandete Menschenmädchen näher wahr. Wieder entblößt er reflexartig seine Reißzähne. Doch Inu Yasha ist wachsam: „Bleib weg von ihm, Kagome, der Typ ist gefährlich!“ Sicherheitshalber tritt er rasch schützend zwischen sie und den Youkai. Tenmarus Lippen erschlaffen verwundert. Das ist alles sehr seltsam. So viele neue Eindrücke die es zu verarbeiten gilt. Gerade musste er feststellen, dass der Halbbruder vom Fürsten des Westclans tatsächlich ein Hanyou ist, wie die Gerüchte immer behauptet haben. Aber nicht nur das, dieser Halbdämon ist sich seiner herrschaftlichen Abstammung offenbar gar nicht bewusst. Und hinzu kommt noch, dass er mit Menschen reist und sie sogar beschützt. Das macht die ganze Angelegenheit nur noch komplizierter. Dieser Inu Yasha mag vielleicht nur ein Halbdämon sein, aber er versteht es, zu kämpfen. Tenmaru ist sich nicht sicher, wie der Kampf wohl letztendlich ausgegangen wäre. Vielleicht hätte er ihn besiegen können, aber womöglich auch nicht. Nun, er wird keine Gelegenheit haben, das herauszufinden, denn trotz allem ist dieser Inu Yasha ein wahrer Sohn des mächtigen Youkaifürsten Inu Taisho. Zuerst gilt es wohl herauszufinden wie Sesshomaru zu seinem Bruder steht, denn auf keinen Fall möchte er den Fürsten des Westclans gegen sich aufbringen, weil er seinen Bruder getötet hat. Rasch bemüht Tenmaru sich, ein etwas freundlicheres Gesicht aufzulegen. „Verzeiht, ich wollte eure Gefolgsleute nicht bedrohen“, entschuldigt er sich. Miroku und Sango sehen sich an. „Gefolgsleute?“ „Wir sind nicht seine Gefolgsleute“, empört sich Shippo plötzlich in seinem Stolz gekränkt, „Wir sind seine Freunde!“ Dafür fängt er sich einen missmutigen Blick von Inu Yasha ein: „Halt die Klappe, Shippo!“ Doch Tenmaru hebt überrascht die Brauen: „Freunde? Aber das sind... Menschen!“ Die leichte Spur von Verachtung, die in diesem Wort liegt, ist noch immer zu erkennen. „Hast du vielleicht was dagegen?“, kommt es bedrohlich von Inu Yasha. Schon baut er sich wieder streitlustig vor dem fremden Youkai auf. „Beruhig dich wieder, Inu Yasha!“, hält Kagome ihren aufbrausenden Freund zurück, „Lass ihn doch erst mal erzählen.“ „Was erzählen?“, pflaumt er zurück. „Na, warum er dich wie einen Fürsten behandelt.“ Nun scheint Inu Yasha in seiner Würde gekränkt zu sein „Was ist so verkehrt daran?“, giftet er. „Gar nichts, nur dass es noch nie zuvor vorgekommen ist!“, gibt sie unverblümt zurück. Beleidigt verschränkt Inu Yasha die Arme: „Das bedeutet aber nicht, dass es nicht schon längst mal Zeit dazu gewesen wäre.“ „Hört ihn euch an!“, feixt Shippo ungeniert, „Und schon hat er wieder einen Anflug von Größenwahn.“ „Größenwahn?“, ruckartig geht Inu Yashas Kopf herum, „Ich geb dir gleich Größenwahn, du Sprücheklopfer!“, sofort nimmt er die Verfolgung von Shippo auf, der verzweifelt versucht, sich vor Inu Yashas Zugriff zu retten, indem er immer wieder um die Gruppe seiner Freunde herumrennt. „Kagomeee!“, ruft er verzweifelt. Das Mädchen seufzt und schüttelt leicht den Kopf. „Immer das Gleiche!“ Ein energisches „SITZ!“, holt den Hanyou unverzüglich auf den Boden der Tatsachen zurück, kaum dass er wieder an ihr vorbeikommt. Mit lautem Rumps, schlägt der Halbdämon am Boden zu ihren Füßen auf. „Und du wunderst dich, warum man dich nicht wie einen Fürsten behandelt“, meint sie tadelnd. Verblüfft hat Tenmaru die Szene verfolgt. Er versteht die Welt nicht mehr. Wieso lässt sich Inu Yasha von diesem Menschenmädchen Befehle erteilen? Offenbar bin ich viel zu lange nicht mehr unter anderen Leuten gewesen. Vielleicht sollte ich lernen, wie man sich in dieser Gegend verhält. Auch wenn Sesshomaru mich abweist... ich habe keine Ahnung wo ich sonst hinsoll. Vielleicht können diese Leute mir helfen. Mit diesem Entschluss bückt er sich, hebt seine beiden Dolche auf und steckt sie mit einer geschmeidigen Bewegung zurück in ihre Scheiden. „Ich habe zwar schon davon gehört, aber ich wollte es nie glauben, dass Dämonen und Menschen Freunde sein können“, sagt er, „Wie kann so etwas gut gehen?“, in seinen Worten liegt nichts weiter als Neugierde. Zum ersten Mal fällt der kleinen Gruppe auf wie angenehm seine Stimme im Grunde klingt. Wenn man es genau nimmt, wirkt er trotz seiner blutverkrusteten Hände und der abgewetzten Kleidung recht attraktiv. Sein Gesicht ist ebenmäßig und seine tiefvioletten Augen blicken aufmerksam in die Gegend. „Das ist ne lange Geschichte“, meint Kagome entgegenkommend, „Wenn du magst, erzählen wir sie dir.“ Doch gleich legt Inu Yasha sein Veto ein: „Nein!“, schüttelt er energisch den Kopf und schaut ihr fest in die Augen, „Schlepp doch nicht immer irgendwelche Typen mit! Besonders nicht, wenn es gefährliche Youkai sind.“ „Nur die Ruhe!“, beschwichtigt sie ihn, „Er tut uns schon nichts. Du bist sein Fürst, schon vergessen?“ Inu Yasha klappt verblüfft den Mund zu, doch dann fügt er sich schmollend wie üblich in sein Schicksal. Kapitel 3: Tenmaru ------------------ Ein Stück entfernt von der kleinen Lichtung hat die kleine Gruppe sich niedergelassen. Es dauert eine kleine Weile, bis sie Tenmaru alles nötige erzählt und sich ihm gegenseitig vorgestellt haben. Der Youkai verhält sich friedlich und macht eigentlich keinen bedrohlichen Eindruck mehr auf sie. Nur Kirara beobachtet den Neuankömmling mit äußerster Skepsis und gelegentlich lässt sie ein bedrohliches Grollen in ihrer Kehle erklingen. Sango hat beruhigend ihre Hand auf ihren Kopf gelegt und spürt welche Anspannung im Körper ihrer Freundin herrscht. Wenn sie auch keine Bedrohung an dem Youkai feststellen kann, beschließt sie, dennoch den Instinkten ihrer Gefährtin zu trauen und weiterhin wachsam zu bleiben. Immerhin ist er ein Youkai und ein recht mächtiger noch dazu, wie es scheint. Zu gern möchte sie mehr über ihn erfahren. Als Kagome geendet hat, blickt Tenmaru nachdenklich zu Boden. „Ich hörte vom Shikon no Tama. Ich hielt es für einen Mythos, wie so vieles... Wo ich herkomme, glaubt man nicht leichtfertig alles, was man so hört.“ „Und woher kommst du?“, fragt nun Sango, die hier ihre Gelegenheit sieht. Tenmaru schaut auf. Die Frage scheint ihm ein wenig unangenehm zu sein. „Ich komme aus dem Osten, nun ja... von hier aus östlich.“ „Von wo im Osten?“, bohrt Sango weiter. Tenmaru druckst ein wenig herum: „Kann ich nicht genau sagen. Ich bin viel umhergezogen.“ „Und was willst du nun hier?“, fragt Miroku weiter. „Ich... habe hier etwas zu erledigen“, gibt Tenmaru zögernd Antwort, „Jedenfalls hatte ich das“, setzt er nachdenklich nach. „Und das wäre?“, will Inu Yasha jetzt wissen, der bisher nicht einmal den Mund aufgemacht hat und den fremden Youkai nur skeptisch gemustert hat. „Und du erzählst besser die Wahrheit! Ich bin doch nicht blöd! Du riechst so sehr nach Hund, dass es einen schon fast anspringt. Du bist ein Hundeyoukai! Ich mag vielleicht nicht viel über andere Hundeyoukai wissen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass einer von ihnen sich ohne guten Grund in das Revier eines fremden Clans wagt. Also, was hast du hier zu suchen?“ Die anderen schauen überrascht auf. Ein Inuyoukai? Damit hat keiner gerechnet. Wahrscheinlich ist Kirara deshalb so angespannt, denkt Sango bei sich. Auf diese Weise ertappt, erstarrt Tenmaru für einen kurzen Moment. Doch dann lässt er leicht den Kopf hängen. „Ihr habt recht, Inu Yasha-sama, ich bin unerlaubt hier. Vergebt mir!“ Inu Yasha verdreht die Augen: „Hör auf, dich ständig zu entschuldigen und rück endlich mit der Sprache raus, sonst werd ich ungemütlich!“ Ganz offenbar gefällt sich der Hanyou in der Rolle des Befehlshaber. „Ja genau“, mischt sich Shippo ein, „Warum hast du das Dorf angegriffen? Bist du von so weit hergekommen nur um ein paar Menschen zu überfallen?“ Tenmaru schüttelt rasch den Kopf: „Nein, mit dem Dorf habe ich gar nichts zu schaffen!“ Kritisch schaut Inu Yasha ihn an: „Und die Kuh!“ Tenmaru zuckt mit den Achseln: „Ich war hungrig!“ Der Hanyou lässt sich nur ein verächtliches Schnaufen vernehmen, über dieses dreiste Kapitalverbrechen gegen kulinarischen Verköstigung, sagt aber nichts dazu. Stattdessen fragt Miroku weiter: „Und warum bist du wirklich hier?“ Tenmaru blickt einen Momentlang starr geradeaus. Dann hebt er den Kopf. „Ich kam her, um Asyl zu erbitten.“, sagt er fest. Die anderen schauen sich verwirrt an. Asyl? „Wieso Asyl?“, fragt Kagome nun, „Asyl vor wem?“ „Vor dem Nordclan“, antwortet der Youkai. „Der Nordclan?“, fragt Miroku, „Was ist das? Sind das ebenfalls Hundeyoukai?“ Tenmaru nickt. „Ja, und sie sind sehr mächtig.“ „Aber warum sind sie hinter dir her?“, will Sango wissen. Tenmarus Miene bekommt einen schmerzlichen Zug. „Weil sie mein Rudel vollständig ausrotten wollen“, gibt er Antwort. „Dein Rudel? Den gesamten Ostclan?“, fragt Kagome verwundert. „Nein!“, die Antwort des Youkais kommt ein wenig heftiger als es beabsichtigt war. Ein grimmiges Funkeln liegt in seinen Augen. Doch dann fängt er sich wieder. „Nein“, wiederholt er, „Nicht der Ostclan. Mein Rudel gehört keinem Clan an.“ Verwunderte Blicke sind die Folge. Auf einmal ist eine hohe Stimme zu vernehmen: „Na so was, er muss ein Streuner sein!“ Tenmaru setzt sich augenblicklich kerzengrade auf. Eine Sekunde später sieht man wie Inu Yasha sich mit der flachen Hand gegen die Halsseite klatscht. Eine kleine, platte Gestalt purzelt benommen von seiner Schulter. „Myoga!“, meint Inu Yasha verwundert, „Du hier?“ „Was meinst du denn mit Streuner?“, beugt Kagome sich zu dem winzigen Flohdämon hinunter. Umständlich rappelt der alte Floh sich wieder auf: „Na, ein Streuner eben. Ein Youkai ohne Clan. Ein Ausgestoßener.“ Alle Blicke gehen nun zu Tenmaru hinüber; seine Miene ist steinern. „Du bist ein Ausgestoßener?“, fragt Kagome. „Mein ganzes Rudel besteht aus Ausgestoßenen“, meint Tenmaru ein wenig angegriffen. „Was hast du angestellt?“, will Shippo nun wissen. Doch bei dieser Frage bleibt der Youkai die Antwort schuldig. Nicht die kleinste Regung geht über sein Gesicht. Einen langen Moment schweigt er, dann schaut er zu Boden. Offenbar mag er nicht darüber reden, denkt Kagome bei sich. Besser wir bedrängen ihn nicht weiter. „Und warum suchst du jetzt hier Asyl?“, fragt sie stattdessen, „Warum hat es der Nordclan auf euch abgesehen?“ Nun beißt der schlanke Youkai die Kiefer aufeinander und starrt zu Boden. „Weil wir ihren Fürsten getötet haben“, presst er hervor. „Was?“, quietscht Myoga entsetzt, „Ihr habt Inu Taihyouga getötet? Ist das wahr? Das kann doch nicht sein! Das sind ja furchtbare Neuigkeiten! Wie konnte es nur dazu kommen?“ Kagome und die anderen heben die Köpfe. „Ist das schlimm?“, fragt Kagome den alten Floh. „Schlimm?“, ereifert der Flohdämon sich, „Das ist furchtbar! Wenn wir Pech haben, blüht uns ein Krieg!“ „Nun mal langsam, Myoga“, wehrt Inu Yasha ab, „Kannst du mal der Reihe nach erzählen? Wieso Krieg? Wer ist dieser Inu Taihyouga und was hat das mit diesen Streunern zu tun?“ Würdevoll wirft der alte Floh sich in die Brust darüber, dass sein Wissen gefragt ist. „Inu Taihyouga ist... ähm war der Fürst über den Norden des Landes und er war der Herr über alle Hundeyoukai des Nordclans. Der Nordclan zeichnete sich schon immer durch seine Aggressivität aus. Ganz sicher werden sie den Tod ihres Fürsten nicht ungestraft lassen. Wenn wir Pech haben, werden sie hier einfallen und die Schuldigen mit aller Härte zur Verantwortung ziehen.“ „Aber was hat das mit uns zu tun?“, fragt Inu Yasha, „Das waren doch diese Streuner, oder? Dann sollen sie sie halt bestrafen und wieder abziehen.“ „Aber Inu Yasha!“, entrüstet sich Kagome, „Wie kannst du nur so herzlos sein?“ „Wieso denn herzlos?“, erwidert Inu Yasha verstimmt, „Die sind doch selbst schuld daran, wenn die sich mit denen anlegen. Das geht uns doch nix an.“ „Du willst ihnen also Tenmaru einfach so ausliefern, was?“, tadelt Kagome, „Das ist nicht recht, und das weißt du!“ „Warum nicht recht? Weshalb verteidigst du ihn überhaupt?“, zetert Inu Yasha gegen an, „Wir wissen doch gar nicht was das für einer ist. Immerhin sind diese Streuner doch Schuld an der ganzen Sache.“ „Trotzdem ist es grausam!“, behauptet Kagome, „Wir können nicht zulassen, dass der Nordclan alle Streuner umbringt!“ „Warum nicht?“, schnappt Inu Yasha, „Es wird schon einen Grund geben warum sie ausgestoßen wurden.“ Gerade will Kagome zu einer Erwiderung ansetzen, als Tenmaru sie unterbricht: „Er hat Recht!“ Verwundert hält Kagome inne. Der Hundeyoukai sieht sehr ernst aus und auch ein wenig bekümmert. „Wir sind Streuner“, fährt er fort, „Wir gehören keinem Clan an. In der Hierarchie aller Hundeyoukais nehmen wir den denkbar niedrigsten Rang ein. In ihren Augen sind wir der letzte Abschaum!“ Verbittert starrt er zu Boden. „Pah!“, lässt sich Inu Yasha verächtlich vernehmen, „Nicht ganz, ein Hanyou zählt bei ihnen noch viel weniger.“ Irgendwie kann er diesen Youkai verstehen. Diese Ablehnung von rangniederen Kreaturen hat er Zeit seines Lebens immer wieder zu spüren bekommen. Er kann sich nicht helfen, aber irgendwie empfindet er Mitgefühl mit diesem Youkai. „Das stimmt wohl!“, bestätigt Tenmaru Inu Yashas Feststellung, „Ein Hanyou ist noch nicht einmal ein wahrer Youkai. Wenigstens das kann man uns nicht verwehren“, den letzten Nebensatz fügt er nur leise hinzu. Inu Yasha knurrt leicht; vorbei ist es mit dem Mitgefühl. „Aber du scheinst anders zu denken“, vermutet Miroku, „Immerhin hast du dich Inu Yasha untergeordnet. Und er ist ganz klar ein Hanyou.“ „Danke, dass du mich daran erinnerst, Miroku!“, zischt Inu Yasha verärgert. Tenmaru senkt den Kopf und ballt dann die Faust. Schließlich sagt er schwach: „Das ist... etwas anderes.“ „Wie meinst du das?“, fragt Sango. „Ganz gleich ob Inu Yasha-sama ein Hanyou ist, sein Vater, der Fürst Inu Taisho, hat ihn offiziell als seinen Sohn anerkannt. Dadurch wurde er automatisch in den Stand eines Fürsten erhoben und somit... steht er im Rang über mir, dem ich mich... fügen muss.“ Verwundert heben die Umstehenden die Brauen. So ist das also. Doch Inu Yasha gibt sich damit nicht zufrieden. „Pah, mach uns nichts vor! Wenn du ein Ausgestoßener bist, warum sollte dich dann der Rang eines Fürsten kümmern? Ich würde mich einen feuchten Kehricht drum kümmern ob einer ranghöher ist als ich. Wenn ich aus ihm Kleinholz machen kann, dann tu ich das. Was hast du schon dabei zu verlieren?“ Für einen kurzen Moment flackert wilde Empörung im Gesicht des Youkais auf, doch gleich darauf hat er sich wieder unter Kontrolle. Wie kann er so etwas sagen? Auch wenn er zu den Ausgestoßenen gehört, hat er noch immer seinen Stolz. Offenbar gibt es gute Gründe dafür, dass Hanyous als würdelos angesehen werden. „Ich habe geschworen, mich der Fürstenfamilie unterzuordnen“, sagt er stattdessen, „Diesem Schwur bleibe ich treu, selbst wenn... diese Loyalität nicht anerkannt werden sollte.“ „Nicht anerkannt?“, fragt Kagome, „Was meinst du damit?“ Tenmaru schaut auf. Er wirkt ein wenig geknickt, auch wenn er versucht es sich nicht anmerken zu lassen. „Ich war bereits bei Eurem Bruder, Inu Yasha-sama. Ich bat ihn, mich in seine Dienste zu nehmen. Er... lehnte ab.“ „Pah, das hätt’ ich mir denken können!“, meint Inu Yasha schnippisch. „Du warst bei Sesshomaru?“, fragt Kagome erstaunt, „Warum gerade bei ihm?“ Tenmaru seufzt einmal leicht; er wirkt ein wenig unglücklich. „Er ist der Herrscher über den Westen. Ich brauche seine Erlaubnis, um hier zu bleiben. Außerdem... wäre ich so vor der Verfolgung des Nordclans sicher“, fügt er verschämt hinzu. „Was soll das heißen?“, will Inu Yasha wissen, doch Myoga antwortet stattdessen. „Das ist doch klar, Inu Yasha-sama, Ein Fürst ist für das Wohl seiner Untergeben verantwortlich. Wenn Sesshomaru ihn in seinen Dienst nimmt, können die Youkai vom Nordclan ihn nicht willkürlich ohne seine Erlaubnis umbringen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Sesshomaru auf so etwas einlässt“, dabei kratzt der alte Floh sich am Kopf. „Ich mir auch nicht“, meint Sango, „Bisher hat er sich nie sehr entgegenkommend verhalten.“ „Das hatte ich befürchtet“, gibt Tenmaru resigniert zu, „Ich kann es schon verstehen. Für ihn bin ich nichts weiter als ein Streuner. Weshalb sollte er mir Interesse entgegenbringen, besonders wenn er von Inu Taihyougas Tod erfährt? Von was für einem Nutzen könnte ich für ihn sein?“ Mitleidig betrachtet Kagome den niedergeschlagenen Youkai. Sie kann sich nicht helfen, aber sie empfindet Mitgefühl für diesen heimatlosen Hundeyoukai. Alles in ihrem Inneren drängt sie dazu, ihn irgendwie aufzumuntern. Wenn ihr nur eine Idee käme, wie sie ihm helfen könnten. Schließlich meint sie: „Du darfst nicht so schnell aufgeben! Mag sein, dass er dich abgewiesen hat, aber du meinst es doch schließlich ehrlich, oder nicht? Versuch es doch einfach noch mal! Du bist doch ein guter Kämpfer, das haben wir ja gesehen. Irgendwie wirst du ihm sicher von Nutzen sein können. Man muss Sesshomaru einfach ein wenig Zeit lassen. Vielleicht überlegt er es sich doch anders.“ Tenmaru hebt den Kopf. Ein wenig Hoffnung ist in sein Gesicht zurückgekehrt. „Meinst du wirklich?“ „Klar!“, lächelt Kagome aufmunternd, „Ich meine, er gibt sich zwar immer ziemlich biestig und arrogant, aber ich denke schon, dass man ihn überzeugen kann.“ „Pah!“, wirft Inu Yasha vernehmlich ein, „Reden wir vom selben Sesshomaru? Der Kerl ist ein eiskalter Killer. Die einzige Aufmerksamkeit, die er dir schenken wird, wird die sein, wenn er dich mit seiner Klaue aufschlitzt!“ „Ach, beruhig dich, Inu Yasha!“, mosert Kagome, „Sesshomaru ist bei weitem nicht so brutal wie du behauptest. Er hätte dich schon ein paar mal töten können und hat es nicht getan.“ „Pöh!“, mault der Hanyou, „Das hindert ihn aber nicht daran, es immer wieder zu versuchen.“ Aber Kagome ignoriert ihn einfach und wendet sich wieder an Tenmaru: „Du solltest es ruhig noch mal probieren. Er ist halt ziemlich stur. Wenn du nur hartnäckig genug bist, gibt er bestimmt nach. Immerhin hat er auch ein kleines Mädchen, das mit ihm reist. Außerdem...“, fügt sie hinzu, „andernfalls machen die Nordyoukai Jagd auf dich. Was hast du also zu verlieren?“ Tenmaru schweigt. Nachdenklich betrachtet er die junge Menschenfrau vor sich. Warum ist sie nur so begierig darauf, ihm zu helfen? Ob da irgendeine List dahintersteckt? Warum sollte ein Mensch einem Youkai helfen wollen? Ja, warum sollte er überhaupt mit ihm zusammen reisen? Fragen über Fragen. Hier begegnet ihm so viel Neues, dass ihm kaum Zeit zum wundern bleibt. Reglos schaut er in Kagomes freundliches Gesicht. Diese Frau verwundert ihn in höchstem Maße. Er kann keinerlei Arg in ihrer Miene erkennen. Ach, wie gerne möchte er ihren Worten Glauben schenken! Hat er vielleicht wirklich zu früh aufgegeben? Soll er es noch mal versuchen? Seine Gedanken gehen zurück an seinen Mentor und zu dem Versprechen, das dieser ihm abgerungen hat. Yaeba!, denkt Tenmaru bei sich, Warum verlangst du das von mir? Gibt es keinen anderen Weg? Er senkt den Blick. Nein, er weiß es besser. Er hat es versprochen. Er hat der Fürstenfamilie Loyalität geschworen, ungeachtet der möglichen Konsequenzen! Schließlich hebt er entschlossen den Kopf. Er wird es weiterversuchen, oder bei dem Versuch sterben! Er hat Yaeba versprochen, den letzten Wunsch seines Hauptmanns zu erfüllen. Ganz gleich wie sehr es auch schmerzt. Es gibt kein zurück!“ Tenmaru erhebt sich. „Du hast Recht, Frau! Ich werde es noch mal versuchen!“ „Mein Name ist Kagome“, erwidert Kagome, „Das ist die richtige Entscheidung, glaub ich.“ Der Youkai strafft sich. Noch einmal gleitet sein Blick über diese seltsame Menschenfrau. Eigenartig, denkt er, zum ersten Mal hat ein Mensch es geschafft, mich zu beeindrucken. Dann sagt er: „Ich... danke dir..., Kagome, für deine Anteilnahme! Ich werde noch einmal Sesshomaru aufsuchen.“ Dann verneigt er sich noch einmal leicht vor Inu Yasha mit den Worten: „Mein Fürst!“ und dann einen Augenblick später ist er auch schon zwischen den Bäumen verschwunden. „Na, der hat’s ja wirklich eilig!“, murmelt Sango. Inu Yasha und die anderen stehen ein wenig irritiert auf der kleinen Lichtung. Schließlich meint Sango: „Fandest du das wirklich eine so gute Idee, ihn zu Sesshomaru zu schicken, Kagome?“ „Wieso?“, fragt Kagome verwundert. „Na ja, scheinbar war Sesshomaru schon beim ersten Mal nicht besonders erfreut ihn zu sehen. Was wird er wohl tun, wenn er erfährt, dass dieser streunende Youkai von uns geschickt wurde?“ Einen Momentlang sehen sich alle groß an. Beklemmendes Schweigen liegt über der Lichtung. Schließlich meint Kagome: „Äh, ich glaub, wir sollten ihm lieber hinterher gehen!“ Dabei schultert sie rasch ihren Rucksack. „Ja, seh ich auch so!“, bestätigt Miroku nicht weniger geschäftig, „Vielleicht erwischen wir ihn ja noch.“ „Argh! Dass euch so was auch immer erst hinterher einfällt!“, stöhnt Inu Yasha. „Ach mecker nicht, sondern setz dich lieber in Bewegung!“, ruft Sango ihn zur Ordnung und steigt auf Kiraras Rücken. Keine Minute später hat die kleine Gruppe auch schon die Verfolgung des Youkais aufgenommen. Kapitel 4: Auf der Jagd ----------------------- „Schau nur, Sesshomaru-sama, wie groß der Fisch ist!“, flötet eine begeisterte Kinderstimme hinein in des stetige Rauschen des nahen Wasserfalls. Doch das kleine Mädchen, das zu ihr gehört, erhält keine Antwort von dem hochgewachsenen Youkai vor ihr. Sesshomaru steht ein wenig abseits ihres Rastlagers am Flussufer und starrt vor sich hin, wobei er das kleine Mädchen und ihre glitschige Habe komplett ignoriert. Rins Mundwinkel sinken ein wenig herab, aber sie ist nicht weiter enttäuscht darüber. Ihr Herr ist eben manchmal so und besonders nach dem Auftauchen dieses fremden Youkais ist ihr Herr schweigsamer und angespannter denn je. Aber sie weiß auch, dass es sie nichts angeht und so denkt sie sich nichts weiter dabei und trottet zurück zu ihrem Rastplatz um den Fisch auszunehmen, den sie gerade gefangen hat. Der stolze Youkaifürst indessen starrt nur weiterhin in die Ferne und gibt kein Zeichen von sich, dass ihn irgendetwas, von dem was seine Gefährten tun, auch nur im geringsten angeht. Sesshomaru hängt seinen eigenen Gedanken nach und er hat nicht vor sie irgendwem mitzuteilen. Aber ob er will oder nicht, der fremde Youkai von neulich geht ihm nicht aus dem Kopf. Was hat dieser Streuner hier verloren? Er spürt es in jeder Faser seines Körpers: Das wird Ärger geben! Das Unheil folgt dieser vermaledeiten Brut einfach immer auf den Fuß. Vielleicht sollte er sich doch einmal genauer umhören. Irgendetwas liegt in der Luft! Da plötzlich hebt Sesshomaru den Kopf. Seine sensible Nase hat ihm eine Witterung zugetragen. Der Youkaiprinz sagt keinen Ton aber seine ganze Aufmerksamkeit ist nun dem nahen Waldrand zugewandt. Sesshomarus Augen werden schmal. Noch mehr Ärgernis! Ohne sich abzuwenden richtet er seine Worte an seine Begleiter: „Jaken! Rin! Rührt euch nicht vom Lager weg!“ Die zwei gehorchen ohne Widerworte, auch wenn sie den Grund nicht verstehen. Aber sie sind es gewöhnt die Befehle ihres Herren strickt zu befolgen, also setzen sie sich folgsam ans Feuer und geben keinen Mucks von sich. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es durchaus Grund zur Vorsicht gibt, wenn ihr Herr ihnen einen solchen Befehl erteilt. Mit schweigsamer Miene blickt Sesshomaru zum Waldrand hinüber wo in Kürze das Auftauchen einer Person zu erwarten ist. Und diese lässt auch nicht lange auf sich warten. Nur wenige Augenblicke später bricht ein drahtiger Youkai durch das Unterholz. Er trägt eine stabile Brustrüstung und über der einen Schulter ein breites Fell. Seine Hosen sind schlicht aber praktisch und in seinem Gürtel trägt er ein langes Schwert. Ihm direkt auf dem Fuß folgt ein weiterer Youkai. Er ist ein wenig massiger als der erste und trägt statt einem Schwert eine lange Lanze mit breiter Klinge. Seine pechschwarzen Haare sind lang und zu einem praktischen Pferdeschwanz gebunden. Die Frisur seines Gefährten ist ebenfalls lang aber zu einem dunkelgrauen Zopf geflochten. Jedoch nicht nur die Haarfarbe ist ungewöhnlich auch die tiefvioletten Streifen, die sich vom Ohr her über ihre Wangen ziehen, wirken leicht gezackt. Unmittelbar nach Verlassen des Waldes haben die zwei Sesshomaru entdeckt und sind zum Stehen gekommen. Zwei stechende, violette Augenpaare fixieren Sesshomaru und kurz darauf zieht sich ein freches Lächeln über die Gesichter der beiden. „Na, sieh mal einer an, Sokudo, wen haben wir denn da?“, bricht der Größere der beiden das Schweigen. „Na, ich würde mal sagen, das ist ein Nishi-aitsu (Westler, abwertende Bezeichnung für die Youkai im Westen), wenn mich nicht alles täuscht, Bouryoku“, grinst der andere. Sesshomaru behält die beiden fremden Youkai wachsam im Auge, sagt aber keinen Ton. Dafür sind seine Gedanken umso aktiver. Was haben zwei Youkai des Ostclans hier verloren? Die beiden machen den Eindruck, auf der Jagd nach etwas zu sein. Leichter Ärger macht sich in Sesshomaru breit. Zum einen über die unverfrorene Beleidigung, zum anderen wegen der Tatsache, dass die beiden sich ohne seine Erlaubnis in seinem Revier aufhalten. Einen kurzen Momentlang spielt er mit dem Gedanken ihnen unverzüglich das Genick zu brechen, doch er besinnt sich noch einmal. Schon lange ist vom Ostclan nichts mehr zu hören gewesen und nun tauchen hier aus heiterem Himmel gleich zwei von ihnen auf. Er geht jede Wette ein, dass dies mit dem Erscheinen dieses Streuners zusammenhängt. Nun gut, er hatte ohnehin vorgehabt, sich umzuhören. Vielleicht können ihm diese beiden Ahnungslosen ja berichten, was hier vorgeht. Also beschließt er die beiden dreisten Youkai fürs erste am Leben zu lassen, bis sie ihm einige Fragen beantwortet haben, was aber höchstwahrscheinlich mit einer gehörigen Geduldsprobe einhergehen wird. „Hey, du, Nishi-aitsu!“, wendet der kleinere Youkai sich nun an ihn, „Hast du hier irgendwelche Streuner rumstrolchen gesehen?“ Wie ich es mir dachte! Sesshomaru zuckte innerlich ein wenig bei der erneuten Beleidigung zusammen, doch er lässt sich nichts anmerken. Die beiden sind also tatsächlich auf der Jagd nach diesem Streuner. Vielleicht sollte ich sie noch ein wenig länger am Leben lassen. Wenn ich Glück habe, übernehmen die beiden für mich diese lästige Aufgabe, ihn selber suchen und umbringen zu müssen. Und trotzdem sind sie noch ohne Erlaubnis hier. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr Herr sie so offen ohne Ankündigung in den Westen geschickt haben soll. Wenn doch... nein, das rate ich ihm besser nicht! Entweder ist das ein Auftrag ihres Fürsten und das wäre eine äußerst lästige Tatsache, oder es ist eine kleine Privatjagd und die beiden handeln auf eigenen Antrieb. Aber... so blöd können die ja wohl kaum sein, dass sie sich gerade hierher wagen! Ich muss mehr über die beiden erfahren! Zunächst erwidert Sesshomaru nur den Blick des Fremden doch dann fragt er kühl: „Was wollt ihr hier?“ Der schmale Youkai stößt seinen gewichtigen Gefährten an: „Hey, Bouryoku, der Kerl scheint schwerhörig zu sein.“ „Ja“, bestätigt der andere herablassend, „Nicht nur, dass ihm n Arm fehlt, er ist auch noch schwer von Begriff!“ „Ich habe gefragt, was ihr hier sucht!“, ertönt Sesshomarus Stimme, diesmal um ein Bedeutendes schärfer. Doch der Youkai namens Sokudo verdreht nur die Augen und macht ein paar Schritte auf den Youkaiprinzen zu. „Na Streuner, Nishi-aitsu! Streuner!“ Dabei macht er eine laufende Geste mit den kräftigen Klauen seiner rechten Hand. „Sei nachsichtig mit ihm, Sokudo!“, schmunzelt der andere großspurig, „Was willst du von einem wie ihm auch anderes erwarten.“ Genervt wendet sich der andere ab: „Es langt mir mit dem, wir sollten weitersuchen, sonst verlieren wir noch die Spur.“ Schon will er sich zum Gehen wenden. „Ihr geht nirgendwohin, Higashi-aitsu (Ostler)!“, lässt sie Sesshomarus eisige Stimme innehalten. Langsam wenden die zwei sich wieder um. „Was will der von uns?“, fragt Sokudo seinen Partner. „Ich glaub Schläge!“, erwidert der andere mit einem genüsslichen Grinsen und ergreift seine Lanze, „Lust auf ne kleine Reiberei, Sokudo?“ Doch der andere fasst ihn am Arm: „Nicht jetzt! Dafür haben wir keine Zeit. Vergiss unseren Auftrag nicht!“ Maulend fügt der andere sich; nur schweren Herzens wie es scheint. Ohne Sesshomaru eines weiteren Blickes zu würdigen, wenden sie sich zum Gehen. Doch sie haben die Rechnung ohne den Youkaiprinzen gemacht. Kaum haben sie ihm den Rücken gekehrt, ragt er auch schon ein Stück vor ihnen auf und blickt sie ernst an: „Ich sage, ihr bleibt!“ Bouryoku stößt seinen Gefährten an: „Schau dir den an, der scheint ja echt scharf auf ne Abreibung zu sein. „Scheint so“, Sokudos Laune sinkt und er erwidert Sesshomarus festen Blick. „Hey, Nishi-aitsu, geh aus dem Weg! Wir haben keine Zeit uns mit dir abzugeben. Wir müssen einen Streuner aufspüren. Du solltest uns also dankbar sein, dass wir das Antlitz dieser Erde von diesem Geschmeiß befreien, und uns nicht weiter im Weg stehen. Du weißt wohl nicht mit wem du dich anlegst!“ Sesshomaru hat seinen Gegenüber nicht aus den Augen gelassen. Fast schon ist er versucht sich zu einem leichten Lächeln hinreißen zu lassen, doch seine Miene bleibt gänzlich ungerührt. „So?“, ist alles was er sagt. Das Gesicht des schmalen Youkais verfinstert sich. „Jetzt reicht es aber!“, er zieht sein Schwert, „Geh aus dem Weg oder du wirst es bereuen!“ Auch sein Partner greift seine Waffe wieder fester. Er ist zum Kampf bereit. Doch Sesshomaru hebt leicht das Kinn. „Nein!“, sagt er mit kaltglitzernden Goldaugen, „Und von einem Angriff würde ich euch sehr abraten!“ Ein leises Grollen schwingt in seiner Stimme mit. Allmählich macht sich doch echter Unmut, über diese zwei dreisten Youkai aus dem Osten, in ihm breit. Diese beiden lebensmüden Vollidioten haben offenbar noch immer nicht kapiert, wen sie vor sich haben. Allmählich hat der Youkaiprinz genug von diesen unverschämten Frechheiten. Informationen hin oder her, wenn die beiden nicht langsam ein angebrachteres Verhalten an den Tag legen, war die Tatsache, in sein Revier eingedrungen zu sein, der letzte Fehler ihres Lebens! Nun reicht es Bouryoku doch: „Was, auch noch frech werden, du Köter? Dir werde ich eine Lektion erteilen!“ Fast wie aus dem Stand springt er los und mit einem wütenden Schrei stürzt er sich auf Sesshomaru. Armer Irrer!, denkt Sesshomaru bei sich. Ihr habt es nicht anders verdient. Normalerweise ist es unter seiner Würde sich mit solchen niederrangigen Youkai zu befassen. Aber diese beiden anmaßenden Fremdlinge haben es doch tatsächlich gewagt, ihn herauszufordern; in seinem eigenen Reich! Diese Respektlosigkeit wird er nicht länger dulden! Wie bedauerlich, nun wird er sich die Informationen, die er sucht, woandersher besorgen müssen. Gelassen schaut er dem forschen Angriff entgegen. Dann hebt er seine rechte Hand und nur kurz darauf sind seine Klauen von einem leicht grünlichem Schimmer umgeben. Regungslos erwartet er den Angriff des fremden Kriegers. Doch kurz bevor dieser ihn erreicht, hält Sesshomaru inne. Er hebt den Kopf und blickt hinüber zum Wald. Nein, er täuscht sich nicht. Der Geruch ist unverkennbar. Sein Blick wird hart. Doch das ändert nichts an den Tatsachen. In genau diesem Augenblick kommt eine Gestalt aus dem Wald herausgeschossen und schiebt sich zwischen Sesshomaru und seinen Angreifer. Mit gefletschten Zähnen, entschlossenem Blick und gezogenen Dolchen baut sich Tenmaru vor dem heraneilenden Ostyoukai auf. Dieser ist im ersten Augenblick zwar etwas irritiert, aber er hat zuviel Schwung drauf, um jetzt noch abbremsen zu können. Prompt bekommt er die Rechnung präsentiert. Ein blitzschnell ausgeführter Hieb mit den beiden Dolchen wirft den Youkai mächtig aus der Bahn und schleudert ihn zu Boden. Bebend steht Tenmaru vor ihm. Die beiden Ostyoukai sind zwar im ersten Moment überrascht, aber die Überraschung wandelt sich sogleich in ausgewachsenen Ärger und es hat den Anschein, als wollten sie ihn mit Blicken auffressen. „Du dreckiger Köter!“, grollt Bouryoku und rappelt sich wieder hoch, „Das wirst du mir büßen!“ Doch Tenmaru ist viel zu sehr in Rage um sich davon einschüchtern zu lassen. „Was fällt euch eigentlich ein, ihr elendes Gesindel?“, schreit er aufgebracht und seine Augen funkeln wütend, „Wie könnt ihr es wagen in solch einem respektlosen Tonfall mit Fürst Sesshomaru zu sprechen? Ihr werdet es noch bitter bereuen, ihn angegriffen zu haben, ihr jämmerliches Pack! Dafür werde ich sorgen!“ Mit lauernder Haltung und tödlichem Blick fixiert er die beiden Hundeyoukais und gibt ein tiefes Knurren von sich. Die beiden Ostler erstarren. Zunächst waren sie recht erfreut darüber gewesen, dass ihre Jagdbeute sogar freiwillig zu ihnen kommt, jedoch nur bis sie seine Worte erfasst haben. Kann das wahr sein? Ist der hochgewachsende, weißhaarige Youkai dort vor ihnen tatsächlich der Fürst des Westens persönlich? Den beiden Ostyoukai entgleisen die Gesichtszüge. Schließlich wagt es Sokudo zu fragen. „Ihr seid... Sesshomaru-sama?“, wendet er sich mit schwankender Stimme an den Youkaiprinzen. Dieser wirft ihm einen herablassenden Blick zu. „Das ist richtig!“, ist die knappe Antwort. Die beiden Youkai zucken erschrocken zusammen. „Au Scheiße!“, zischt Sokudo leise. Hastig kramen die beiden ihre Etikette hervor und sinken sogleich vor dem Youkaiprinzen auf die Knie. „Wir bitten untertänigst um Vergebung, Fürst Sesshomaru-sama!“, stammelt Sokudo mit gesenktem Blick. Auch sein Gefährte nickt eifrig: „Bitte verzeiht uns, mächtiger Fürst, wir hatten keine Ahnung, dass Ihr es seid.“ Einen Augenblick lang ringt Sesshomaru mit sich. Diese plötzliche Anbiederung ist ihm gründlich zuwider, schließlich weiß er ganz genau, dass kein Ostyoukai ihm aus freier Überzeugung Respekt erweisen würde. Diese elenden, verschlagenen Higashi-aitsu! Immerhin, vielleicht sind sie nun ein wenig mitteilsamer. Sein Blick geht hinüber zu Tenmaru der sich ein wenig beruhigt hat, aber die beiden noch immer wachsam im Auge behält. Was treibt ihn schon wieder her? Er hatte angenommen, beim letzten Mal deutlich genug gewesen zu sein. Und was maßt er sich an, sich hier einzumischen? Als ob er nicht alleine mit diesen niederen Kreaturen fertig geworden wäre. Aber mit ihm wird er sich später befassen. Zunächst mal sind diese jämmerlichen Ostler dran. „Wer seid ihr und warum habt ihr ohne meine Erlaubnis die Grenze überquert?“, richtet er nun scharf das Wort an sie. Die beiden ducken sich. „Verzeiht uns, Sesshomaru-sama!“, ruft der schmale Youkai erneut, „Ich bin Sokudo und das ist mein Gefährte Bouryoku vom Ostclan“, stellt er sich vor, „Hätten wir gewusst wo ihr zu finden wart, hätten wir euch selbstverständlich um Erlaubnis gefragt!“ Mit Sicherheit!, denkt Sesshomaru bei sich, doch der Youkai fährt schon fort. „Wir waren auf der Jagd nach diesem Streuner dort!“, er zeigt auf Tenmaru, „Doch leider führte seine Spur über die Grenze und wir durften ihn nicht entkommen lassen.“ „Warum nicht?“, fragt Sesshomaru. „Weil unser Auftrag lautet, alle Streuner zu töten!“, antwortet Sokudo mit einem hasserfüllten Blick auf Tenmaru. Alle Streuner? Sesshomarus Augen werden schmal. Also handeln sie tatsächlich im Auftrag ihres Fürsten. Aber die Streuner streifen schon lange durch das Land. Was kann der Grund sein, sie nun doch vollständig zu vernichten? Er beschließt zu fragen. „Weshalb?“ Sokudo hebt den Blick. Ein boshaftes Flackern liegt in seinen Augen. „Es ist ein... Entgegenkommen an die neue Fürstin des Nordens“, sagt er, „Das Streunerrudel hat Inu Taihyouga getötet!“ Sesshomarus Augen weiten sich ein wenig. Inu Taihyouga ist tot? Das sind wahrlich beunruhigende Neuigkeiten. Doch viel besorgniserregender ist die Tatsache, dass der Fürst des Ostens offenbar Hilfe bei der Verfolgung der Schuldigen angeboten hat. Sesshomaru beißt die Zähne zusammen. Dieser hinterhältige Mistkerl! Und hinzu kommt noch, dass er seine Krieger einfach in den Westen schickt, ohne ihn davon in Kenntnis zu setzen. Es war ja schon immer klar, dass der Fürst des Ostens ziemlich dreist ist, doch das grenzt schon beinah an purer Frechheit! Wie auch immer, er bringt ihn damit in eine ziemlich verzwickte Situation, und das weiß der miese Hund auch. Sesshomarus Miene verfinstert sich. Schweigend blickt er zu den beiden Ostlern hinüber und dann zurück zu Tenmaru. Dann wendet er sich wieder an die beiden Krieger: „Was hat der Ostclan mit dem Norden zu schaffen?“ „Die neue Fürstin ist zornig über den Tod ihres Vaters“, gibt Sokudo inzwischen ein wenig mutiger Auskunft, „Unser Fürst war der Ansicht, dass es besser wäre, ihr seine Unterstützung bei der Suche nach den Verantwortlichen anzubieten. Er hielt es nicht für klug, sich auf die Seite der Streuner zu stellen!“, dabei wirft er einen schiefen Blick in Tenmarus Richtung, „Unser Fürst ist eben weise, er tut alles um einen Krieg zu verhindern!“, die Spitzen in diesen Worten sind unverkennbar. Sesshomaru schweigt. Er ist sich völlig klar darüber, was der Youkai mit diesen Worten andeuten will. „Der Westen hat nichts mit den Streunern zu schaffen!“, sagt er schließlich. Bouryoku schaut skeptisch auf. „Und er dort?“ Mit einer ärgerlichen Geste deutet er auf Tenmaru, „Dieser Köter hat Euch verteidigt. Wenn der Westen nichts mit Streunern zu schaffen hat, wie erklärt Ihr dann seine Anwesenheit?“ Tenmaru kommt sich auf einmal etwas unwohl in seiner Haut vor. Das Blatt scheint sich zu wenden. „Ich diene Fürst Sesshomaru!“, verkündet er rasch, „Sein Wort ist mir Befehl. Ich habe geschworen ihm zu dienen, was auch immer es mich kosten mag! Und ich werde für ihn kämpfen, bis zum letzten Blutstropfen wenn es sein muss, um euch den nötigen Respekt vor ihm einzuprügeln!“ Entschlossen funkelt er den beiden entgegen. Die beiden blitzen ihm jedoch ebenso grimmig zurück. „Ist das wahr?“, fordert Sokudo zu wissen und vergisst dabei für einen Moment die angebrachte Höflichkeit, „Steht dieses Stück Abschaum tatsächlich in euren Diensten?“ Wortlos hat Sesshomaru die Szene beobachtet. Keinerlei Regung ist in seinem Gesicht zu erkennen. Eine ganze Weile liegt angespanntes Schweigung zwischen den Youkai in der Luft. Die beiden Ostler sind sich klar darüber, dass der Fürst gerade über ihr Schicksal entscheidet. Sind sie vielleicht doch zu weit gegangen? Vielleicht hätten sie sich doch nicht so viel erlauben dürfen. Wenn sie Pech haben, haben sie den Fürsten des Westens derart verärgert, dass sie nicht erwarten können, diesen Ort lebendig wieder zu verlassen. Es dauert eine ganze Weile ehe Sesshomaru sich zu einer Antwort herablässt. Als er spricht fehlt seinen Worten jegliche Emotion. „Von mir aus tötet ihn und dann verschwindet augenblicklich aus meinem Reich!“, wendet er sich an die beiden Youkais und dann kehrt er sich zum Gehen. Die Gesichter der beiden Ostler hellen sich auf. Ein hämischer Zug liegt um ihre Mundwinkel und sie schauen zu Tenmaru hinüber, den auf einmal der Mut zu verlassen scheint. Ein verunsicherter Blick geht zu Sesshomaru hinüber: „Mein Fürst!“, ruft er hilfesuchend, doch der weißhaarige Youkai schenkt ihm keinerlei Beachtung. Bouryoku lässt sich ein triumphierendes Grinsen vernehmen. „Das war’s dann wohl für dich, Kleiner!“, lacht er hämisch, „Nun rettet dich nichts mehr!“ „Ja“, fügt auch Sokudo hinzu und zieht sein Schwert, „Wirklich nett von dir, dass du selbst zu uns kommst. Da brauchen wir dir nicht mehr ständig hinterherlaufen. Also sei ein braver Hund und lass dich von mir aufschlitzen!“ Beunruhigt beobachtet Tenmaru die beiden Krieger mit ihren erhobenen Waffen die direkt auf ihn zukommen. Er spürt allmählich, wie er in die Enge getrieben wird. Ein letzter schmerzvoller Blick geht zu Sesshomaru hinüber, doch der Youkaiprinz zeigt ihm nur die kalte Schulter und entfernt sich gemächlich immer weiter vom Ort des Geschehens. Tenmaru beißt die Zähne aufeinander und seufzt leicht, doch dann greift er seine Waffen fester und von einem Moment auf den anderen sprintet er los, direkt hinein ins Gehölz des Waldes, wohlwissend, dass seine beiden Häscher unverzüglich die Verfolgung aufgenommen haben. Kapitel 5: Hetze ---------------- In flinken Zick-Zack-Sprüngen hastet Tenmaru durch den Wald. Verflixt, so war das nicht geplant gewesen! Offenbar hat der Fürst des Westens noch immer keine hohe Meinung von ihm. Im Gegenteil! Nun ist er schon wieder auf der Flucht und diesmal sogar vor den Youkai aus dem Osten. Verdammt, was haben die damit zu schaffen? Warum mischen die sich da ein? Warum hat es der Fürst des Ostens auf einmal auf sein Leben abgesehen? Oh, er weiß ganz genau warum! Tenmarus Miene verfinstert sich. Dieser miese, dreckige...! Flüchtig wirft er einen Blick über die Schulter; von seinen Verfolgern ist keine Spur zu entdecken. Doch kaum schaut er wieder nach vorne, da bleibt er auch schon ruckartig stehen. Vor ihm ragt der Youkai mit dem Schwert auf und empfängt ihn bereits; die Waffe zum Angriff erhoben. Eilig will er kehrt machen, doch der Rückweg wird ihm bereits von dem anderen Youkai und seiner Lanze versperrt. Hastig schaut Tenmaru von einem zum anderen. „Na na!“, tadelt Bouryoku, „Nur keine Zicken, hier kommst du eh nicht mehr weg! Gib doch am besten einfach auf und lass dich von mir ausweiden!“ Mit diesen Worten geht er auch schon zum Angriff über. Ein heftiger Schlag geht auf den schlanken Youkai nieder, der ihm gerade noch ausweichen kann. Doch noch in der selben Bewegung verpasst er dem Angreifer zwei flink aufeinanderfolgende Schnitte in die Seite. Bouryoku flucht. Ein Stück entfernt kommt Tenmaru wieder zu Stehen. Doch sofort spürt er eine Bewegung hinter sich. „Du dreckige Streunerbrut!“, grollt Sokudo und lässt sein Schwert auf ihn niedergehen. Nur im letzten Moment kann Tenmaru dem Schlag entgehen. Schon hat sich jedoch Bouryoku wieder erholt. Seine kräftigen Arme haben seine Lanze am Ende ergriffen und schwingen sie jetzt über seinem Kopf. „Na warte", ruft er zornig, „Ich werd dich in Stückchen schneiden!“ Mit diesen Worten lässt er seine Waffe gewaltsam in Tenmarus Richtung niedergehen. Eine gleißende Energiewelle löst sich von der Klinge. Wo die Lanze auf den Boden auftrifft hinterlässt sie eine tiefe Bodenfurche und durch die Wucht des Schlages durchläuft den Boden eine starke Erschütterung. Reflexartig verkreuzt Tenmaru seine Waffen vor sich zum Schutz. „Nibai no Kamikizu ruft er und die Energie der Waffe prallt von ihm ab. Jedoch die Kraft, die hinter dem Schlag steckt, holt ihn erst mal von den Füßen. Hart kommt er auf dem aufgewühlten Boden zu liegen. Keuchend versucht er sich wieder aufzurappeln. Über sich spürt er einen sich nähernden Schlag und es gelingt ihm gerade noch sich darunter hindurch zu ducken. Schon hat ihn der andere Youkai wieder erreicht und schwingt erneut sein Schwert nach ihm. „Du entkommst mir nicht, Kleiner!“, zischt er und greift erneut an. Tenmaru pariert die Schläge erneut. Wütendes Klirren ist zu hören, als die beiden Youkai sich einen heftigen Kampf zwischen zwei Dolchen und einem Schwert liefern. Ihre Bewegungen sind so flink, dass man ihnen fast nicht mit den Augen folgen kann. Nun holt Sokudo zu einem Rundumschlag aus und dabei leuchtet die Klinge seines Schwertes in einem gefährlichen Grün auf. „Kaze no Ha!“, ruft er und der grüne, energetische Rotor löst sich von der Schwertspitze und saust auf Tenmaru zu. Dem bleibt kaum Zeit zu reagieren. Blitzschnell sammelt er sich, und mit einem kurzen Kampfschrei schlägt er die Attacke mit seinen Klingen beiseite. Die Energieschneide prallt unverrichteter Dinge von seinen Waffen ab und landet nur Augenblicke später ein Stück entfernt im Gebüsch wo sie sofort eine heftige Detonation hervorruft, die mehrere Bäume das Leben kostet. Doch Tenmaru bleibt keine Zeit zum Durchatmen. Für einen flüchtigen Moment wähnt er sich in Sicherheit, bis ihn urplötzlich ein rasender Schmerz in seiner Seite eines Besseren belehrt. Bouryoku hat die kurze Unaufmerksamkeit genutzt und ihm seine Lanze von hinten in die Seite gerammt. „Na, du Bastard!“, grinst er dreckig, „Nun hüpfst du nicht mehr davon.“ Genüsslich dreht er den Schaft in der Wunde herum. Tenmaru beißt die Zähne zusammen, doch er kann nicht verhindern, dass ihm ein leiser Schmerzschrei entfährt. „Ja, du dreckiger Köter“, hört er Bouryoukus hasserfüllte Stimme neben seinem Ohr, „Winsele! Quieke um Gnade! Dann lass ich dich vielleicht nicht allzu lange leiden. Aber ich glaub, mir macht es mehr Spaß, dir Stück für Stück die Haut vom Körper zu schälen!“ Tenmaru atmet heftig. Die tückische Waffe hat sich in der Wunde verkeilt. Er wird sich nicht losreißen können, ohne größere Teile seiner Innereien zurückzulassen. Diese dreckigen Mistkerle! Unwillkürlich fasst er seine Waffen fester. Er wird jedenfalls nicht sterben, ohne einen von ihnen mit in die Hölle zu nehmen. Doch dazu kommt es nicht. In diesem Augenblick spürt er über sich einen Luftzug und gleich darauf sieht er wie Bouryoku ein gutes Stück von ihm entfernt taumelnd zum Stehen kommt; dessen Waffe steckt noch immer in Tenmarus Seite. Während der junge Youkai sich noch fragt, wem er seine urplötzliche Rettung zu verdanken hat, vernimmt er auch schon eine aufgebrachte Stimme, die ihm recht bekannt vorkommt. „Was sind das denn für Manieren, einfach zu zweit einen Schwächeren anzugreifen?“ Bouryoku und Sokudo schauen irritiert auf. Vor ihnen steht ein junger Mann mit langen, weißen Haaren, spitzen Hundeohren und einem verwegen grinsenden Gesicht in einem roten Gewand. „Wer bist du denn schon wieder?“, fragt Bouryoku unwirsch, „Misch dich hier nicht ein!“ Sokudo zieht die Nase kraus: „Wäh, ist ja ekelhaft! Ein Hanyou! Verzieh dich, du hast hier nichts verloren!“ Inu Yashas Miene wird finster: „Was hast du gesagt?“ Vor sich hält er bedrohlich das hellleuchtende Tessaiga ausgestreckt und funkelt die beiden Youkai angriffslustig an. Auf einmal tauchen noch weitere Personen zwischen den Bäumen auf. „Inu Yasha, sei bloß vorsichtig!“, ruft Kagome besorgt, die rasch die Lage erfasst. Nach einigem Suchen haben sie den entschwundenen Youkai wieder aufgespürt. Aber nun ist er gerade mitten in einer Auseinandersetzung mit zwei weiteren fremden Youkai. Sie wissen zwar nicht worum es geht, aber sie haben rasch erfasst, dass die beiden ihm ans Leder wollen. Dieser Tenmaru mag vielleicht stark sein, doch gegen gleich zwei Gegner muss er wohl den Kürzeren ziehen. Scheinbar will sich auch Inu Yasha nicht damit abfinden, denn er hat sich kurzerhand entschlossen, dem streunenden Youkai beizustehen. Für einen Moment ist die Überraschung auf seiner Seite; die beiden Youkaikrieger halten inne, während sich Tenmaru bemüht, den Speer aus seinem Rücken zu entfernen. Dann legt sich Sokudos Stirn in Falten. „Inu Yasha?“, denkt er laut, „Den Namen kenn ich doch. Du bist doch... der Sohn von Inu Taisho, oder?“ „Pah, und wenn es so wäre?“, Inu Yasha lässt die beiden keinen Moment aus den Augen. Bouryoku stutzt: „Noch so einer? Wie viele Söhne hat der alte Hund denn?“ „Nur die zwei“, antwortet Sokudo ihm leise. Zu Inu Yasha gewandt meint er nun: „Wir haben das Recht hier zu sein! Fürst Sesshomaru hat es uns gestattet, diesen Wurm hier zu erledigen. Mischt euch also nicht ein und lasst uns unseren Auftrag erledigen.“ Inu Yasha schnauft aus: „Pff, mir doch egal was der Kerl erlaubt hat oder nicht! Ihr seht besser zu, dass ihr Land gewinnt, sonst gibt’s mächtig Ärger!“ Die beiden Youkai werfen sich vielsagende Blicke zu. „Verstehe!“, meint Sokudo gefährlich, „So wie es aussieht, sympathisiert der Westen doch mit den Streunern. Dreckiger Verräter!“ „Was?“, das lässt Inu Yasha sich nicht bieten. Mit diesem Wort stürzt er sich auf die beiden Youkai, die rasch aus dem Weg springen. Mit wütenden Hieben schlägt Inu Yasha auf den schmalen Youkai ein, der seine Attacken geschickt zu parieren weiß. Offenbar hat der Fremde ein wenig mehr Kampferfahrung als der Halbdämon. Währenddessen ist Bouryoku wieder bei Tenmaru angelangt, dem es gerade gelungen ist, den Speer aus den empfindlichen Bereichen seines Körpers herauszubefördern. Mit einem festen Griff, erfasst der Krieger seine Lanze und unbarmherzig reißt er dem Streuner die Waffe aus dem Leib. Tenmaru stöhnt verbissen auf. Dessen ungeachtet richtet Bouryoku nun seine Waffe auf Inu Yasha. „Komm her, du lausiges Halbblut!“, ruft er angriffslustig. Inu Yashas Kopf fliegt herum. Doch der Youkai geht bereit zum Angriff über; die Lanze zum Schlag erhoben. Mit einem gewaltigen Hieb saust die Klinge nieder, doch Inu Yasha hält entschlossen dagegen und fängt den Schlag mit seiner Schwertschneide auf. Verbissen starren sich die beiden gegenseitig ins Gesicht. „Hier bin ich du, Flohschleuder!“, grollt er dem Youkai ins Gesicht, „Hast du nach mir gerufen?“ Bouryoku funkelt ihn wild an. „Ich werde dir die frechen Sprüche aus der Nase bohren! Und zwar mit der Spitze meiner Lanze!“ „Pah, da wart ich doch drauf!“, wettert Inu Yasha dagegen und mit einem heftigen Stoß drängt er den großen Krieger von sich weg. Wutschnaubend findet Bouryoku sein Gleichgewicht wieder. „Jetzt mach ich dich fertig!“, schreit er und mit einem tiefen Grollen in der Kehle stürzt er wieder auf Inu Yasha zu. Doch Inu Yasha vergeudet keine Zeit. Sofort holt er mit dem Schwert aus. „Kaze no Kizu!“, ruft er und Augenblicke später walzen Tessaigas Energiemassen auf den angreifenden Youkai zu. „Bouryouku, Vorsicht!“, ruft Sokudo seinem Gefährten noch warnend zu, doch es ist zu spät. Der unausweichliche Energiewirbel hat den wütenden Youkai schon fast erreicht. Für einen Momentlang hält der Krieger fassungslos inne und seine Gesichtszüge entgleisen ihm, doch reagieren kann er nicht mehr. Nur Sekundenbruchteile später hüllt ihn die Energie des gewaltigen Wirbels ein und zerfetzt ihn unweigerlich in seine Bestandteile, wobei er sein Leben aushaucht. „Nein, Bouryoku!“, stößt Sokudo entsetzt aus, als die Energiemassen sich verzogen haben. Fassungslos musste er den Tod seines Kameraden mit ansehen. Er braucht ein paar Augenblicke um sich wieder zu fassen. Dann wird er sich bewusst, dass sieben Augenpaare ihn mit gemischten Gefühlen beobachten. Drei Menschen, drei Dämonen und ein Hanyou! Ein seltsamer Aufmarsch! Dennoch stellt er gleichzeitig fest, dass er nun eindeutig in der Unterzahl ist. Unter diesen Umständen ist es sicher vernünftiger den Rückzug anzutreten und Bericht zu erstatten. Sokudos eisiger Blick geht zu Inu Yasha hinüber. „Das werdet ihr büßen!“, droht er finster, „Ihr verstoßt nicht ungestraft gegen die Abkommen, darauf könnt ihr euch verlassen! Ich werde meinem Fürsten berichten was er vom Westen zu erwarten hat!“ Mit diesen Worten spuckt er noch einmal abfällig vor Inu Yasha auf die Erde, dann steckt er rasch sein Schwert weg und gibt dann Fersengeld. Nach nur wenigen Sekunden ist von ihm nichts mehr zu sehen. Inu Yasha lässt sein Schwert sinken. „Pah, Feigling!“, mault er. Ein Stück entfernt steht Tenmaru und blickt verwundert zu ihm herüber. Wie überraschend sich das Blatt doch wieder gewendet hat. Gerade hatte er schon nicht mehr gedacht, mit dem Leben davon zu kommen. Seine Wunde ignorierend, tritt er auf Inu Yasha zu. „Ihr habt mir das Leben gerettet, mein Fürst“, sagt er, „Aber... warum? Warum habt ihr das getan?“ Inu Yasha schaut ihn groß an. Dann mosert er: „Nur keine Dankbarkeit!“ Das nächste Mal kannst du dich gern alleine mit solchen Typen abgeben.“ Tenmaru zuckt kurz zusammen, doch dann sinkt er auf ein Knie herab und senkt er den Blick. „Verzeiht mir, mein Fürst!“, bittet er untertänig, „Ich verdanke euch einmal mehr mein Leben. Aber...“, er hebt den Kopf wieder, „ich versteh es nicht! Warum habt ihr mir beigestanden?“ Wieder ist Inu Yasha etwas verblüfft über diese unerwartete Ehrenbezeugung, doch dann schnauft er kurz auf und meint: „Lass das dumme Geknie! Keine Ahnung warum ich dir helfe. War eben so!“ Damit steckt er sein Schwert zurück in die Scheide. Verwirrt blickt Tenmaru zu ihm auf, doch dann kommt er wieder auf die Füße. Nun tritt Kagome an ihn heran: „Du bist verwundet!“, meint sie und zeigt auf seine blutige Seite, „wir sollten sie dir versorgen.“ Schon will sie die Wunde näher untersuchen, als Tenmaru vor ihr zurückweicht. „Nein!“, ruft er unwillkürlich aus, fährt dann aber etwas selbstbeherrschter fort, „Mir fehlt nichts. Es ist nichts weiter.“ Verwundert blickt Kagome ihn an, doch dann seufzt sie. „Na toll, noch so einer!“ Nun wagt sich Shippo behutsam an die Überreste des Youkais heran: „Puh, war das einer von den Nordyoukai?“, fragt er. „Nein“, sagt Tenmaru, „Das war ein Youkai aus dem Osten.“ „Wieso Osten?“, will Sango wissen, „Ist jetzt auch der Osten hinter dir her? Tenmaru schaut starr zu Boden: „Alle sind hinter mir her! Selbst der Fürst des Westens. Sesshomaru-sama hat ihnen erlaubt, mich zu töten.“ „War von dem gefühlskalten Kerl auch nicht anders zu erwarten“, lässt sich Inu Yasha vernehmen. „Aber warum verfolgen dich denn die Youkai des Ostens?“, fragt Sango weiter. „Der Osten unterstützt den Norden um sein Ansehen bei ihm zu heben“, erklärt Tenmaru ernst, „Der Fürst des Ostens will nicht Gefahr laufen, sich den Norden mehr als nötig zum Feind zu machen; jetzt wo sich die Herrschaftsposition dort verändert hat.“ Nun hebt er den Kopf und wendet sich an Inu Yasha: „Mein Fürst, ich bin euch zutiefst dankbar, dass ihr mir beigestanden habt, doch ich befürchte, dass ihr diese Tatsache noch bitterlich bereuen werdet.“ Kapitel 6: Im Schatten des Vaters --------------------------------- Etwa 200 Jahre früher: Gleichmäßige Schritten verursachen ein leises Geräusch auf dem hölzernen Boden des innersten Bereiches des Schlosses. Vor einer mit Papier bespannten Schiebetür kommen sie zum Stehen. Eine Hand greift danach, entscheidet sich dann aber doch anders und sinkt wieder zurück. Stattdessen beschließt der Betreffende sich zunächst mal bemerkbar zu machen. „Sesshomaru-sama?“, ruft er, doch wie bereits vermutet, erhält er keine Antwort. Das hält die Person dennoch nicht ab, die Tür trotzdem zu öffnen. In dem spärlich beleuchteten, kärglich eingerichteten Raum kniet eine Gestalt in der Mitte des Zimmers mit dem Rücken zur Tür auf dem holzverkleideten Fußboden und hat den Kopf gesenkt. Langes, weißes Haar hängt ihr über den Rücken herab und ein langer, dickbauschiger, weißer Pelz kringelt sich in der Nähe auf dem Boden. Die Person trägt einen schlichten Hakama mit einem ebenso schlichten, hellen Obergewand; ihre Füße sind bloß. Erneut richtet der Neuankömmling das Wort an die Gestalt auf dem Boden. „Sesshomaru-sama, Es ist Zeit!“ Wieder vergeht eine ganze Weile ehe von der Gestalt auf dem Boden eine Reaktion kommt. „Chitsurao-sama, was wollt ihr? Ich sagte doch, ich will nicht gestört werden.“ Die jugendliche Stimme ist klar, aber ein leichtes Schwanken liegt dennoch darin. „Es ist Zeit, Sesshomaru-sama“, wiederholt der hochgewachsene Youkai in der Tür, „Der Rat erwartet eure Anwesenheit.“ Keine Antwort. Bisher hat die kniende Gestalt keinen Muskel gerührt. Schließlich kommt die ruhige Antwort: „Wozu?“ Der große Youkai atmet einmal leicht durch. „Ihr wisst weshalb, Sesshomaru-sama. Es muss entschieden werden, was als nächstes geschehen soll. Der Tod eures Vaters hat eine schmerzliche Lücke in das sensible Gefüge der Machtverhältnisse im Land gerissen. Es muss rasch gehandelt werden sonst könnte es zum Krieg kommen. Der Westen darf den anderen Clans gegenüber keine Schwäche zeigen. Und nach dem Tod eures Vaters...“ „Ich weiß, was ihr sagen wollt!“, unterbricht die leicht gereizte Stimme des Knienden ihn. Noch immer rührt er sich nicht, „Ihr denkt, ich wäre nicht dazu in der Lage, die Machtposition des Westens aufrecht zu erhalten. Ist es nicht so?“ Der Angesprochene zuckt ein wenig zusammen. „Bitte denkt doch nicht so[ etwas, mein Fürst!“, beeilt er sich rasch zu sagen, „Niemand hier zweifelt euer Recht der Nachfolge an.“ „So?“, kommt es zurück. Kurzes Schweigen folgt, doch dann fährt Chitsurao fort: „Euer Vater war ein mächtiger Fürst. Seine Macht hat dem Westen lange Zeit eine übergeordnete Position unter den Fürsten des Landes eingeräumt. Natürlich ist der Rat in Sorge, ob diese hinterbliebene Lücke auch angemessen ausgefüllt werden kann.“ Nach diesen Worten hängt unangenehmes Schweigen in der Luft. Für einen kurzen Moment ist sich Chitsurao unsicher, ob er nicht doch zuviel gesagt hat. Aber dann kommt doch eine Reaktion von dem jungen Youkai vor ihm: „Und seid ihr der Meinung, dass ich dazu in der Lage bin?“ Chitsurao hebt die Brauen ein wenig. Es muss wohl eine ganze Weile her sein, dass der junge Youkaiprinz ihn einmal nach seiner Meinung gefragt hat. Schließlich sagt er: „Ich habe keinen Zweifel daran, mein Fürst!“ Nun hebt die Gestalt vor ihm den Kopf. „Danke, Chitsurao-sama!“, kommt die leise Antwort, “Geht jetzt, ich werde gleich nachkommen!” Der kräftige Youkai nickt einmal ehrerbietig. „Ja, ich werde es ausrichten.“ Mit diesen Worten verlässt er den Raum wieder und schließt die Tür. Ein letzter Blick geht zurück zu der Tür. Ich bin sicher, ihr habt das Zeug zu einem wahren Herrscher, mein Prinz!, denkt er bei sich. Dann entfernt er sich. Einen langen Augenblick rührt der junge Mann in dem Zimmer sich nicht. Ohne Worte starrt er weiterhin auf das schlanke Schwert, das vor ihm auf dem Boden liegt. Dann sagt er leise: „Ihr hinterlasst mir eine schwere Bürde, Chichi-ue! Habt ihr auch nur einen Gedanken daran verschwendet, was aus eurem Reich werden soll, oder hat euch die Liebe gänzlich blind gemacht? Ich werde wohl nie verstehen, was in euch vorgegangen ist. Warum habt ihr mir dieses nutzlose Schwert vermacht? Was erwartet ihr nun von mir, Chichi-ue?“ Der junge Youkai atmet einmal vernehmlich durch. Doch dann gibt er sich einen Ruck und umfasst den Griff des Schwertes. Ohne überflüssige Bewegungen erhebt er sich und steckt das Schwert in seinen Gürtel. Was auch immer die Erwartungen seines Vaters sind, er ist fest entschlossen, sie zu übertreffen. Gelassen wendet er sich zum Gehen und geräuschlos schließt er die Tür hinter sich. Zurück bleiben nur ein paar tiefe Kratzspuren auf dem Holzboden, an der Stelle wo sich eine klauenbewehrte Hand voll angestauter Wut in den Fußboden verkrallt hat. Als die Tür zum Ratsraum geöffnet wird, schauen Sesshomaru ein gutes Dutzend goldfunkelnde Augen entgegen. Der junge Youkaiprinz nimmt es schweigend zur Kenntnis und hebt nur ein wenig das Kinn, als er den Raum betritt und die Tür hinter sich schließt. „Sesshomaru-sama, ihr kommt spät! Wir begannen schon anzunehmen, dass ihr es nicht nötig hättet, beim Rat zu erscheinen“, empfängt ihn tadelnd die Stimme eines ehrfurchtgebietenden, graubärtigen Youkais der den Platz am Kopf der im Halbkreis sitzenden Youkais einnimmt. Sesshomaru wirft ihm einen kurzen Blick zu. „Der Grund meiner Verspätung, ist nicht von Belang, Kagemori-sama. Ich bin hier, das sollte reichen.“ „Dreist wie immer!“, wirft ein weiterer der Youkais verächtlich ein. Doch der Youkai mit Namen Kagemori hebt nur ruhefordernd die Hand. Dann weist er Sesshomaru einen Platz zu und der Youkaiprinz lässt sich schweigend darauf nieder. Nach einem weiteren aufmerksamen Blick in die Runde ergreift Kagemori erneut das Wort. „Ich will nicht lange drum herumreden“, beginnt er, „Die Lage ist ernst und keiner von uns kann sich anmaßen, der Situation nicht die nötige Aufmerksamkeit zu widmen“, mit diesen Worten wirft er Sesshomaru einen ermahnenden Blick zu, doch dieser erwidert den Blick nur ohne sich die geringste Einschüchterung anmerken zu lassen. „Dass Fürst Inu Taisho nicht mehr lebt, ist kein Geheimnis mehr. Ich bin sicher, dass die Nachricht bereits über die Grenzen hinausgedrungen ist. Die anderen Fürsten werden damit den Westen als verwundbar ansehen. Es ist allgemein bekannt, dass der Osten und der Norden einen Groll gegen uns hegen. In ihren Augen stellt unsere neutrale Haltung eine Bedrohung dar. Wir dürfen uns also nicht die kleinste Blöße geben! Wir müssen Stärke zeigen, sonst könnte es passieren, dass sich Norden und Osten verbünden und uns gemeinsam in die Knie zwingen.“ „Das ist doch lächerlich!“, fällt ihm nun Sesshomaru ins Wort und erntet damit augenblicklich jede Menge ärgerliche Blicke, „Ein Bündnis zwischen Norden und Osten gab es noch niemals. Die beiden Reiche hassen sich. Niemals könnte ein solches Bündnis zustande kommen. Und einzeln sind die beiden Reiche keine Bedrohung. Seit unzähligen Jahren haben sie es nicht gewagt, uns anzugreifen. Sie wissen genau, dass sie kein Gegner für den Westen sind. Wozu also die Sorge?“ „Man merkt gleich, dass ihr noch jung seid, Sesshomaru-sama“, mischt sich jetzt der Youkai ein, der sich vorhin schon abfällig über den Youkaiprinzen geäußert hat, „Euch fehlt noch die nötige Weitsicht. Was denkt ihr denn, was der Grund dafür gewesen ist? All die Jahre über war es euer werter Herr Vater, der unsere Feinde davon abhielt, in unser Land einzufallen. Und dabei fürchteten sie nicht nur seine übermächtige Stärke sondern auch seine Weisheit mit der er sein Reich regierte. Beide Fürsten wussten, dass Inu Taisho keinen Krieg geduldet hätte, bei dem das gesamte Land in Gefahr geraten wäre. Er hätte der unterlegenen Seite beigestanden und den Gegner unterworfen. Dank ihm erleben wir nun schon eine außergewöhnlich lange Zeit des Friedens. Glaubt ihr wirklich, das wird ohne Weiteres so bleiben, nun da er tot ist? Ich hätte euch für klüger gehalten.“ Erbittert halten sich die beiden konträren Youkai mit ihren Blicken gefangen. Sesshomarus Augen funkeln wütend und seine Kiefer mahlen. „Es steht euch nicht zu, in diesem Ton mit mir zu sprechen!“, grollt er leise drohend. „Vergebt mir, mein Fürst!“, meint der andere sarkastisch, „Ich habe mich dazu hinreißen lassen, euch zu belehren. Wahrscheinlich war ich einfach überrascht, dass das nötig gewesen ist.“ Kaum hat er geendet, da springt Sesshomaru mit wütendem Knurren und rotfunkelnden Augen auf; der andere reagiert unverzüglich genau so. Doch ehe zu einer wirklichen Auseinandersetzung kommt, lässt eine gebieterische Stimme die beiden innehalten: „Dokutoge-sama! Setzt euch!“, Kagemori funkelt den aufgebrachten Youkai bestimmt an, „Dies ist nicht der geeignete Augenblick für Zwistigkeiten.“ Ärgerlich lässt sich der gerügte Youkai auf seinen Platz zurücksinken; Sesshomaru behält ihn dabei unablässig im Auge. Seine Augen haben wieder ihre normale Farbe, doch man sieht ihm an, dass er schwer um seine Beherrschung ringt. „Setzt euch, Sesshomaru-sama!“, fordert Kagemori nun auch den Youkaiprinzen auf; ein wenig höflicher wenn auch ebenso bestimmt, „Die Angelegenheit ist ernst genug. Derartige Ausbrüche sind nicht dienlich.“ Mehrmals muss Sesshomaru durchatmen, ehe er sich nach diesem offenen Tadel wieder auf seinen Platz setzen kann. Mürrisch lässt er sich in den Kniesitz zurücksinken und funkelt den Youkai namens Dokotoge ärgerlich an. Eine kurze Weile wartet Kagemori bis sich alle wieder etwas beruhigt haben, dann ergreift er wieder das Wort. Diesmal richtet er sich direkt an Sesshomaru. „Euch wurde eine große Aufgabe überantwortet, Sesshomaru-sama. Ich will ehrlich mit euch sein. Es mag Leute geben die der Meinung sind, dass ihr mit eurem Alter noch viel zu jung seid, um diese Aufgabe angemessen zu erfüllen. Für gewöhnlich wäre ein siebzehnjähriger Prinz niemals an die Macht gekommen; zuviel steht einfach auf dem Spiel. Doch da euer Vater tot und eure Mutter... nicht aufzufinden ist (siehe die FF „Schrei, wenn du kannst"), hat der Rat beschlossen, euch die Herrschaft zu übertragen. Auf euren Schultern liegt nun das Schicksals des westlichen Reiches. Ich denke, ihr solltet euch langsam an diesen Gedanken gewöhnen und euch dementsprechend verhalten.“ Mit gesenktem Blick schaut Sesshomaru zu Boden. Sein Gesicht ist eine steinerne Maske. Nur hin und wieder hört man ihn vernehmlich ausatmen. Kagemori hat recht!, denkt er bei sich, Es ist eine große Aufgabe. Und natürlich war er sich der Bedeutung seines Vaters bewusst. Seine Worte dienten eigentlich dazu, den anderen zu demonstrieren, dass er fest entschlossen war, dem schillernden Ruf seines Vaters gerecht zu werden, und nebenbei auch, um die anderen Stellung beziehen zu lassen. Doch die Sache ging nach hinten los. So wie es aussieht, ist hier im Rat keiner wirklich überzeugt davon, dass er es schaffen kann. Sie behandeln mich wie einen kleinen, dummen Jungen. Wie erniedrigend! Sesshomaru merkt wie sich ein harter Knoten in seinem Magen zusammenzieht. Sie vertrauen mir nicht. Wenn sie mir schon nicht trauen, warum sollten dann die anderen Fürsten vor mir Respekt haben? Dies ist eine harte Prüfung, Chichi-ue. Bist du sicher, ich werde sie meistern? Er beißt die Zähne zusammen. Ihm bleibt keine andere Wahl. Nun ist er der Fürst und er wird alles daransetzen um diese Aufgabe zu erfüllen. Er wird nicht hinter seinem Vater zurückstehen! Sein Entschluss steht fest. Gefasst hebt er schließlich den Kopf: „Was soll ich tun?“ Kagemori mustert den jungen Youkaifürsten eingehend. Dann sagt er: „Ihr müsst den anderen Fürsten eure Aufwartung machen und ihnen beweisen, dass vom Westen immer noch Stärke zu erwarten ist. Ihr müsst ihnen klar machen, dass Inu Taisho einen würdigen Erben hinterlassen hat. Wenn nötig müsst ihr sie herausfordern. Ihr müsst ihnen mit allen Mitteln klar machen, dass der Westen seine dominante Position nicht ohne Grund schon seit so langer Zeit inne hat. Das Bestehen des Westreiches hängt von eurem Auftreten ab. Ein Versagen bedeutet den Untergang all dessen wofür euer Vater so hart gearbeitet hat. Seit ihr euch dieser Verantwortung bewusst?“ Zunächst sagt Sesshomaru gar nichts. Dann erhebt er sich. „Ich bin mir dessen bewusst!“, verkündet er ernst, „Das Erbe meines Vaters wird fortbestehen und ich werde jeden zur Verantwortung ziehen, der mir dabei im Wege stehen sollte. Ich werde mein Reich verteidigen. Das schwöre ich!“ Zustimmendes Nicken ist die Folge. „Das ist gut!“, sagt Kagemori, „Ich rate euch nur, das niemals zu vergessen!“, ein scharfer Blick trifft den jungen Youkai. Sesshomaru beißt die Zähne aufeinander. Kagemori mag vielleicht der Ratsälteste und ein enger Vertrauter seines Vaters gewesen sein und er ist ihm deshalb Respekt schuldig, aber die Tatsache, von ihm wie ein kleines Kind zurechtgewiesen zu werden, strapaziert seine Selbstbeherrschung in einem äußerst hohem Maße. Wie kann er es nur wagen, so etwas zu sagen? Doch stattdessen reckt Sesshomaru sich nur ein wenig und erwidert den durchdringenden Blick des alten Youkai mit fester Entschlossenheit. „Ich stehe zu meinem Schwur!“, sagt er mit Nachdruck, „Ich werde noch heute aufbrechen!“ Mit diesen Worten wendet er sich zum Gehen. Doch eine Stimme hält ihn noch einmal an der Tür zurück: „Sesshomaru-sama! Diese Angelegenheit ist ernst! Ihr mögt noch ein Knabe sein, aber ihr seid jetzt der Fürst. Die Zeit des Spielens ist vorbei!“ Ohne sich umzuwenden erwidert Sesshomaru kühl: „Ich spiele niemals!“ Dann öffnet er die Tür und verlässt den Rat, ohne sich noch einmal umzusehen.“ Die Erinnerungen werden urplötzlich unterbrochen und Sesshomaru hebt den Kopf. Das alles ist nun schon zweihundert Jahre her, doch er erinnert sich noch an jedes Detail und an jedes Gefühl das er empfunden hat, als er selbst sich damals, nach dem Tod seines Vaters, auf den Weg gemacht hat, um seinen Herrschaftsanspruch bei den anderen Clanoberhäuptern klarzustellen. Nun hat der Nordclan eine neue Herrscherin. Was wird sie tun um ihre Macht zu manifestieren? So wie es aussieht, plant sie eine großangelegte Rache für ihren Vater. Mit Sicherheit kein unbedeutender Machtbeweis, wenn sie vorhat, das tatsächlich durchzuziehen. Doch das war vom Norden auch nicht anders zu erwarten. Das Beunruhigende an der ganzen Sache ist jedoch nicht nur die möglichen Aggressionen von Seiten des Nordens, sondern ebenso die Tatsache, dass der Osten ihr seine Hilfe angeboten hat. Sesshomaru spürt, dass da etwas im Busch ist. So wie es aussieht, bahnen sich da größere Probleme an. Gerade jetzt, zum Beispiel! Sein Kopf wendet sich Richtung Wald und sein Blick wird hart. Er kann es riechen. Er riecht die beiden Krieger aus dem Osten und ihre streunende Beute. Seine Stirn legt sich in verstimmte Falten. Außerdem ist da plötzlich auch diese unverwechselbare Note von dieser entsetzlichen Landplage von Bruder... und seinem Anhang. Und er riecht Blut! Blut eines Youkais. Dieses lästige Halbblut! Er wird doch nicht etwa wirklich...“ Sesshomaru schnaubt bitter auf. Dieser Sache geht lieber genau auf den Grund. Zu viel hängt einfach von der ganzen Sache ab. Aber wie er seinen Bruder kennt, hat er sich bestimmt wieder eingemischt. Aber diesmal ist Schluss!, denkt Sessomaru bei sich, als er sich unverzüglich auf den Weg zum Ort des Geschehens macht. Wenn der Kerl tatsächlich diesem Streuner zu Hilfe gekommen ist, dann war das sein letzter Fehler! Kapitel 7: Disput ----------------- „Also ich verliere hier langsam völlig den Überblick“, meint Inu Yasha kopfschüttelnd, „Norden, Osten, Westen... wie soll man da denn noch durchsteigen?“ Miroku versucht inzwischen noch einmal auf das vorige Thema zurückzukommen. „Also sieht es wohl so aus, dass dich jetzt die Hundeyoukai aus dem Norden und aus dem Osten jagen, seh ich das richtig?“, wendet er sich an Tenmaru. „Ist das der Grund weshalb du in den Westen gekommen bist?“, setzt Sango nach. Tenmaru senkt den Blick. „Aber ich denke, Sesshomaru hat erlaubt, dass dich die beiden Krieger töten“, fragt nun Shippo neugierig, „Da ist es hier doch auch nicht viel sicherer, oder?“ „Shippo hat recht“, meint auch Sango, „Nachdem er ihnen erlaubt hat, dich zu töten, bedeutet das wohl, dass du hier nicht gern gesehen bist.“ Tenmaru beißt die Zähne aufeinander: „Ein Streuner ist nirgendwo gerne gesehen!“ „Vielleicht ist es trotzdem besser wenn du irgendwo anders nach einem Versteck vor deinen Verfolgern suchst. Glaub mir, mit Sesshomaru legt man sich nicht leichtfertig an.“ Für einen kurzen Sekundenbruchteil flackert ein schmerzhafter Glanz über die violetten Augen des Youkai. Dann sagt er leise: „Es gibt aber nichts wo ich sonst hingehen könnte.“ Betroffene Stille liegt über der Lichtung, doch dann ergreift Inu Yasha das Wort: „Jetzt macht doch nicht so einen Aufstand! Warum soll er nicht hier bleiben? Sesshomaru versucht mich schon seit Jahren zu töten und bisher hat er das auch nicht geschafft. Der Kerl sagt viel wenn der Tag lang ist. Er will dich tot sehen, ist aber zu faul es selber zu tun. Er lässt lieber andere die Drecksarbeit machen. Das ist ganz schön schwach von ihm. Um den würd ich mich gar nicht so groß kümmern! Geh ihm einfach aus dem Weg, dann lässt er dich schon in Ruhe. Mach ich auch schon seit Jahren so.“ „So einfach ist das nicht, Inu Yasha-sama“, bemerkt plötzlich eine piepsende Stimme neben dem Hanyou. „Was willst du denn, Myoga?“, meint Inu Yasha abfällig. „Ihr seid in einer ganz anderen Position als Tenmaru. Dies ist eure Heimat. Ihr seid ein Sohn des großen Daiyoukais Inu Taisho. Ihr habt sein Blut, wie Ihr wisst. Auch wenn Ihr eurem Bruder ein Dorn im Auge seid, denke ich, dass er Euch immer wieder davonkommen läst, weil Ihr durch die offizielle Anerkennung eures Vaters die Existenzberechtigung besitzt und Sesshomaru weiß das, auch wenn er es nie zugeben würde.“ „Du behauptest also, er lässt mich immer absichtlich am Leben?“, ereifert Inu Yasha sich, „Vergiss das mal gleich wieder! Der Kerl legt es wirklich drauf an, mich ins Jenseits zu befördern. Zum Glück ist er ein nicht halb so guter Kämpfer wie er gerne wäre. Der ist mir doch nicht gewachsen! Ich habe meine Existenzberechtigung, verlass dich drauf! Da brauch ich seine Erlaubnis doch nicht, pah!“ Beleidigt verschränkt Inu Yasha die Arme. „Bei einem Streuner ist das allerdings anders“, fährt Myoga fort, „Er hat keinen Rang, keine Zugehörigkeit, keine Heimat und keine Rechte. In den Augen eines Youkais ist er vollkommen wertlos und ein permanentes Ärgernis. Er wird allenfalls geduldet und höchstwahrscheinlich getötet sobald er sich bei einem der Clans blicken lässt. Bei Tenmaru kommt noch hinzu, dass sein Rudel für den Tod eines hohen Youkaifürsten verantwortlich ist. Dadurch ist das empfindliche Gleichgewicht der Machtverhältnisse der Clans aus der Balance gebracht worden und hat nun für Aufruhr gesorgt. Als Fürst des Westens, kann Sesshomaru das nicht unbeachtet lassen. „Auch wenn er Euch ignoriert, Inu Yasha-sama, wird er den Unruhestiftern, sicher mehr Aufmerksamkeit widmen. Wahrscheinlich hat er deshalb den beiden erlaubt ihn zu töten. Bestimmt wird er nun sehr ungehalten sein, wenn er erfährt, dass Ihr Euch eingemischt habt. Ich glaube nicht, dass er so einfach darüber hinwegsehen wird.“ „Ganz recht!“, eine kalte Stimme lässt sämtliche Köpfe herumfahren. Am Rand der Lichtung steht der hochgewachsene Youkaifürst des Westens und funkelt der Gruppe mit zornigem Blick entgegen. Inu Yasha geht sofort in Verteidigungsstellung. „Sesshomaru! Was hast du hier zu suchen?“ Doch der weißhaarige Youkai entblößt seine scharfen Reißzähne und starrt seinen Bruder nur grimmig an. „Ich sollte dich auf der Stelle töten!“, grollt er. „Hey, Moment!“, wehrt Inu Yasha patzig ab, während er sein Schwert zieht, „ Solltest du nicht eher so was sagen wie: „Das selbe könnt ich dich auch fragen“ und mich ein bisschen beleidigen und so?“ „Elendes Halbblut!“, Sesshomarus Stimme hat Grabeskälte. Dann kommt er langsam auf sie zu. Sofort nehmen auch alle anderen eine Verteidigungshaltung ein. Doch der Youkaiprinz wirft nur einen ernsten Blick in die Runde und dann wendet er sich schließlich wieder an Inu Yasha. „Was hast du getan!“, verlangt er betont beherrscht zu wissen. „Was wohl“, erwidert Inu Yasha herausfordernd, „Ich hab diesen Fettwanst fachgerecht erledigt. Was dagegen?“ Für einen langen Moment scheint der Youkai um seine Fassung zu ringen doch schließlich zischt er: „Und der andere? Ist er entkommen?“ Etwas verwundert schauen sich die anderen an, doch dann meint Inu Yasha: „Ja, als er merkte, dass er in der Unterzahl ist, hat er sich aus dem Staub gemacht, der Feigling. Wollte heim und petzen gehen.“ Der Blick des Youkai verhärtet sich. „Und hast du ihm gesagt wer du bist?“ Skeptisch schaut Inu Yasha seinen Bruder an. „Was ist denn das für eine blöde Frage? Klar hab ich das. Was macht das denn für einen Unterschied?“ Sesshomaru beißt hart die Kiefer aufeinander. Dann schließt er kurz die Augen und atmet einmal vernehmlich aus. Dann hebt er wieder den Blick und seine goldfunkelnden Augen durchbohren den Halbdämon mit einem tödlichen Blick. „Du bist wirklich zu absolut nichts zu gebrauchen! Ich sollte dir gleich hier und jetzt das Herz herausreißen... aber leider sind mir durch deine eigene Blödheit... die Hände gebunden“ Die gesamte Gruppe ist angespannt; hier liegen düstere Schwingungen in der Luft. Ein nahender Kampf ist praktisch zu riechen. Doch Inu Yasha hat erst mal nur Ohren für die Beleidigung: „Blödheit, schon klar! Ich sagte ja, dass bei dir eine Beleidigung nie lange auf sich warten lässt. Wenn du wirklich glaubst, dass ich einem Heimatlosen, der gegen zwei übermächtige Gegner kämpft, die du ihm auf den Hals gehetzt hast, nicht beistehe, dann kennst du mich aber schlecht!“ Doch nun bekommen Sesshomarus Augen einen gefährlich roten Schimmer und seine Reißzähne entblößen sich. Sein Körper ist eine einzige Anspannung. Der Youkaiprinz ist eindeutig wütend. „Du kapierst absolut gar nichts!“, grollt Sesshomaru, „Aber das war mir schon klar bei einem einfältigen Narren wie dir! Du hast offenbar nicht den kleinsten Schimmer was du angerichtet hast.“ Zornig springt er auf seinen Bruder zu; die klauenbewehrte Hand zum Schlag erhoben. Doch Inu Yasha sieht ihn kommen. Rasch streckt er ihm des leuchtende Tessaiga entgegen. Alle anderen stieben zur Seite um aus dem Kampfbereich zu gelangen. Um Sesshomarus Hand bildet sich ein grüner Schimmer und Augenblicke später ringelt sich eine Energiepeitsche um seine Hand. „Was soll ich schon angerichtet haben?“, meint Inu Yasha grimmig, als er die herabsausende Peitsche mit dem Schwertblatt pariert, „Ich hab dir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wenn ich jemandem helfen kann, den du tot sehen willst, dann ist mir das schon Grund genug mich einzumischen.“ „Ich wusste, dass du es nicht kapierst!“, funkelt Sesshomaru und dann wickelt sich seine Peitsche mit einem geschickten Hieb um Inu Yashas Hals und zieht ihn zu sich heran. Mit aller Kraft hält Inu Yasha dagegen, doch trotz aller Entschlossenheit kommt er seinem Bruder immer näher. Verbissen bemüht er sich, sich von der unangenehmen Fessel zu befreien. Doch der kräftige Arm seines Bruder zieht ihn unablässig näher. „Immer geht es nur um dich“, knurrt Sesshomaru, „Du denkst niemals nach wenn du etwas tust. Dir fehlt jegliche Weitsicht und Reife. Du bist erbärmlich! Und du machst nichts als Schwierigkeiten. Du bist eine solche Plage!“ Mit einem Ruck befördert er den Hanyou bäuchlings auf den Boden. „Das kann ich gerne zurückgeben!“, quetscht Inu Yasha hervor während er böse zu seinem Bruder hinauffunkelt. Währenddessen haben die anderen die Auseinandersetzung mit großer Besorgnis beobachtet, aber nicht gewagt sich einzumischen. Tenmaru ist verwirrt. Die beiden Fürstensöhne streiten sich. Mehr noch, sie scheinen sich wirklich zu hassen. Dieser Kampf zwischen ihnen ist offenbar nicht der erste. Aber warum hegen sie eine solche Abneigung gegeneinander? Vermutlich weil Inu Yasha nur ein Halbdämon ist. Offenbar ist der Hanyou aus den bisherigen Zweikämpfen immer als Sieger hervorgegangen, doch im Augenblick sieht es nicht gerade gut für ihn aus. Sogar seine Freunde wagen nicht einzugreifen. Natürlich, es sind ja nur Menschen. Fürst Sesshomaru ist wirklich unglaublich stark. Er spürt es mit jeder Faser seines Körpers. Er trägt den Titel Daiyoukai wahrlich zurecht. Warum sollte er dann Interesse an einem Streuner haben, der in seine Dienste treten will? Welchen Dienst könnte er ihm schon erweisen? Mit diesem Hanyou wird er auch alleine klar kommen. Andererseits war es Inu Yasha der ihm gegen die beiden Krieger aus dem Osten beigestanden hat. Wenn er ihm nicht zur Hilfe gekommen wäre, hätten die beiden ihn bestimmt überwältigt. Er verdankt dem Halbdämon sein Leben. Und nun fordert er sogar seinen älteren Bruder heraus, um sein Verhalten zu rechtfertigen. Wieder tritt er für ihn ein. Er versteht das nicht. Wieso tut er das? Warum riskiert er sein Leben für einen niederrangigen Youkai? Was gibt ihm das Recht, die Entscheidung seines Bruders in Frage zu stellen? Dann urplötzlich kommt ihm die Erkenntnis. Inu Yasha ist ebenfalls ein Sohn des mächtigen Fürsten Inu Taisho! Er wurde offiziell von ihm anerkannt. Damit steht ihm das Recht zu, ebenfalls über das Land zu herrschen, wenn er Sesshomaru besiegen kann. Er kann Sesshomarus Entscheidungen in Frage stellen, denn er hat beinah den gleichen Rang wie er. Einzig die Tatsache, dass Sesshomaru der Ältere ist, erhebt ihn über seinen Bruder. Doch Inu Yasha scheint sich dessen gar nicht bewusst zu sein. Offenbar legt er auch gar keinen Wert auf seinen Rang. Aber dennoch hat er den Rang eines Fürsten inne und Sesshomaru weiß das. Und damit wissen es auch die anderen Fürsten. Augenblicklich fliegen Tenmarus Augen auf. Aber wenn das stimmt, dann hat Sesshomaru völlig recht, Inu Yasha hat keine Ahnung was er angerichtet hat als er mir zur Hilfe eilte. Inzwischen hat Sesshomaru seinen Bruder bis zu sich herangezogen und den Fuß auf seinen Schwertarm gesetzt. Noch immer ist die Energiepeitsche um seinen Hals gewickelt. Inzwischen hat sich seine Mine ein wenig beruhigt. Mit steinerner Fassade blickt er auf seinen Bruder hinab der noch immer eifrig bemüht ist, sich aus der Fessel seines Bruders zu befreien. „Wenn du wüsstest wie jämmerlich du aussiehst“, meint Sesshomaru in seinem gewohnt herablassenden Tonfall. Inu Yasha knirscht mit den Zähnen. Doch der weißhaarige Youkai fährt schon fort: „Eigentlich müsste ich dich jetzt auf der Stelle töten. Doch das würde mehr Schaden als Nutzen bringen.“ „Kannst du mir mal verraten wovon du da laberst?“, grollt Inu Yasha nach oben. Sesshomarus Tritt auf sein Handgelenk wird härter. Inu Yasha beißt die Zähne zusammen. „Du hast dich in Sachen eingemischt, die dich nicht das Geringste angehen“, erklärt der Youkai ruhig, jedoch nicht ohne eine gewisse Gereiztheit in der Stimme. „Ich versteh gar nichts von deinem zusammenhanglosen Geschwafel“, brummt Inu Yasha, „Drück dich doch mal klar aus!“ Als Antwort tritt Sesshomaru noch einmal schmerzhaft auf Inu Yashas Arm und dann lässt er ihn los. Ein wenig irritiert rappelt sich Inu Yasha wieder auf und reibt sich den schmerzenden Hals. Hochaufgerichtet steht der Youkaiprinz da. Er wirft einen kühlen Blick in die Runde dann sagt er: „Du kapierst es doch ohnehin nicht, wenn ich es dir erkläre.“ „Versuch’s doch!“, meint Inu Yasha trotzig. Die Blicke der beiden Brüder tragen einen stillen Kampf aus, doch schließlich sagt Sesshomaru ohne den Blick abzuwenden: „Ich habe den beiden Higashi-aitsu gestattet ihre Jagd auf den Streuner in meinem Revier fortzusetzen. Dass du dich eingemischt hast, untergräbt meine Autorität.“ Inu Yasha hebt die Brauen und ein Grinsen überzieht sein Gesicht: „Ist das alles? Du bist angepisst weil ich dein Ruf bekleckert habe? Na, da hab ich das doch gleich noch mal so gerne getan!“ Doch Sesshomaru verzieht keine Miene. „Ich wusste du würdest es nicht begreifen. Das ist lange noch nicht alles.“ „Ach ja, was denn sonst noch?“, will Inu Yasha wissen, „Ich bin echt gespannt.“ Sesshomaru atmet einmal tief durch. Aber dann beschließt er sich doch zu einer Erklärung herabzulassen. Es wird nötig sein, dass sein Bruder versteht, was er zu verantworten hat. „Falls dir das nicht klar sein sollte, seid dem Tod unseres Vaters bin ich der Herrscher über den Westen. Und wenn es mich auch krank macht, du bist ebenfalls von herrschaftlicher Abstammung, ob du es nun wahrhaben willst oder nicht. Jedes Fehlverhalten deinerseits fällt auf mich zurück, gerade weil du einen so hohen Rang hast. „Ich habe den beiden nicht ohne Grund gestattet, diesen wertlosen Wurm zu erledigen“, dabei wirft er einen flüchtigen, eiskalten Blick auf Tenmaru, „Wenn du das verhinderst, sieht das für die anderen Fürsten so aus, als könnte ich meine eigenen Beschlüsse nicht durchsetzen. Es lässt mich schwach dastehen!“ „Na und, mir doch egal!“, ruft Inu Yasha aufgebracht, „Glaubst du es interessiert mich auch nur einen feuchten Kehricht, was die anderen Fürsten von dir denken? Im Gegenteil, es ist mir sogar ganz recht, dass dein ach so schillernder Ruf mal ein paar Flecken bekommen hat. Ich finde das war schon lange mal fällig!“ Selbstzufrieden lehnt er Tessaigas Spitze auf den Boden. Doch nun legt sich ein solch grimmiger Zug um Sesshomarus Mund, dass Inu Yasha doch etwas unsicher wird. Ein eigenartiges Prickeln läuft ihm über den Rücken. Aus den Augen seines Bruders sprüht unverhehlter Hass. Es dauert ein wenig, bis die Anspannung in den Schultern des Youkais soweit nachgelassen hat, dass er wieder sprechen kann. „Du denkst immer nur an dich. Ich habe besseres zu tun, als mir Gedanken darüber zu machen, was du von mir hältst“, sagt er, „Aber mir kann nicht egal sein, was die anderen Fürsten von mir denken, und dir sollte das auch nicht egal sein. Als Fürst dieses Landes trage ich eine Verantwortung, die du niemals verstehen wirst. Du hast keinen Respekt, vor niemanden, und du hast keine Würde. Du bist eine wahre Schande für jeden Tropfen Dämonenblut der durch deine Adern fließt! Wenn die Fürsten der anderen Clans mich für schwach halten, werden sie versuchen den Westen herauszufordern. Besonders jetzt, da der Norden ohnehin eine neue Fürstin hat, könnte das leicht passieren. Und das würde bedeuten es gibt Krieg! Aber dir ist das natürlich egal. Soweit denkst du nämlich nie. Du besitzt kein Gefühl für Ehre und Verantwortung. Du bist wie ein Kind. Schlimmer noch, du bist ein Kind, das glaubt es wäre erwachsen. Das liegt nur an diesem scheußlichen Menschenblut in deinen Venen. Ich werde nie verstehen, was unser Vater in dir gesehen hat. Du bist die fleischgewordene Enttäuschung all dessen, wofür er so hart gekämpft hat. Aber trotz allem bist du ein Fürstensohn und du kannst dir einfach nicht erlauben, dich gegenüber der anderen Clans, dessen unziemlich zu verhalten, und ich kann es dir auch nicht erlauben!“ Hier endet Sesshomaru seinen heftigen Tadel. Die Umstehenden sind wie erstarrt. Nie zuvor haben sie den stolzen Youkai so redselig erlebt und vor allem nie zuvor mit solch plausiblen Argumenten. Zum ersten Mal können sie seinen Hass auf Inu Yasha ein wenig nachvollziehen. Offenbar steckt mehr hinter der ganzen Sache als sie bisher angenommen haben. Inu Yasha selbst ist wie vor den Kopf geschlagen. So sehr er seinen Bruder auch hasst, in einem Winkel seines Gehirns macht sich eine Spur von zunehmendem Verständnis breit. Wenn es ihn auch schmerzt das zuzugeben, die Worte seines Bruders machen Sinn. Vieles von dem grad gehörten, war ihm tatsächlich nicht bewusst. Sesshomaru hat ihn niemals als Bruder angesehen, deshalb hat es ihn auch nicht weiter interessiert zu welcher Familie er eigentlich gehört. Er hat immer nur zu hören bekommen, wie erbärmlich und unnütz er ist. Niemand wollte ihn haben. Überall wurde er verjagt, sei es wegen seines Dämonenblutes oder auch wegen seines Menschenblutes. Nie hat er wirklich irgendwo hingehört, doch Sesshomaru hat recht, das Blut von Inu Taisho fließt in seinen Adern. Es war ihm nur nie bewusst, in welchen Rang ihn diese Tatsache erhebt. Doch kann das eine solch wichtige Rolle spielen für die anderen Clans? Schließlich hebt er den Kopf. „Aber was hat das Ganze mit mir zu tun? Ich bin doch eh nur ein Hanyou. Die anderen Clans werden mich wohl kaum für wichtig halten. Du tust es doch auch nicht. Außerdem versteh ich dich nicht. Erst erlaubst du den beiden, Tenmaru zu töten und dann bist du hinterher sauer, dass mir einer entkommen ist. Erst bist du sauer, dass ich mich einmische und dann darüber, dass ich sie nicht töte. Du weißt auch nicht was du willst.“ „Bist du so dumm, oder tust du nur so?“, fragt Sesshomaru abfällig, „Wenn du schon mit diesen beiden Idioten kämpfst, solltest du auch dafür sorgen, dass sie niemanden mehr erzählen können was passiert ist. So kann dieser Higashi-aitsu zu seinem Fürsten zurückkehren und darüber berichten, dass der Fürst des Westens ihnen gestattet hat, ihre Beute zu jagen, und dessen Bruder kurz darauf diese Erlaubnis zurückgenommen hat. Nun wird er denken, ich wollte ihn hintergehen und seine Krieger in Sicherheit wiegen, um ihm dann anschließend meinen Bruder auf den Hals zu hetzen. Er wird das ganz sicher als Verrat ansehen und das ohnehin schon angespannte Verhältnis zwischen unseren Reichen wird noch weiter gereizt. Und das ist nur deine Schuld!“ Nun wird Inu Yasha doch ärgerlich: „Wieso meine Schuld? Warum hast du den beiden überhaupt erst erlaubt, Tenmaru zu töten. Wenn ich mich nicht irre, sind sie einfach ohne zu fragen hergekommen. Eigentlich hat doch dieser Typ vom Ostclan Schuld. Warum hast du die beiden nicht gleich selbst getötet?“ Sesshomaru hebt ein wenig das Kinn. „Ich habe keine Lust, mich mit dir über Politik zu unterhalten. Aber Tatsache ist, dass du an dem ganzen Schlamassel schuld bist, deshalb wirst du auch deinen Teil dazu beitragen, um das wieder zu bereinigen.“ „Ich?“, ruft Inu Yasha verwundert aus. „Ja, du!“, der Blick des Youkais ist hart. „Glaub mir, eigentlich hast du für diese Aktion den Tod verdient. Nichts würde mich im Moment glücklicher machen, als dir die Kehle rauszureißen, aber... es käme einem Armutszeugnis den anderen Clans gegenüber gleich. Es würde bedeuten, ich bin nicht in der Lage, meine Beschlüsse durchzusetzen. Dein Tod wäre nicht Beweis genug dafür, dass du nicht auf meinen Befehl hin gehandelt hast. Wie man es auch dreht und wendet, für die anderen Clans sind wir zwei Fürstensöhne die sich bekämpfen. Ein Fürst vergreift sich nicht ohne ausreichenden Grund an seinen Blutsverwandten. Es bedeutet immer eine Schwäche des Fürsten und damit auch eine Schwäche des Landes. Und im Augenblick kann sich der Westen das nicht erlauben. Deshalb kann ich dich leider nicht töten, auch wenn ich das gerne wollte. Ich kann es aber auch nicht auf sich beruhen lassen, deshalb werde ich die Angelegenheit mit dem Fürst des Ostens persönlich klären und du wirst mich dabei begleiten!“ Inu Yasha fällt aus allen Wolken. „Was? Ich soll mit dir zusammen zu diesem Ostfürsten gehen? Träum weiter! Das kannst du gleich vergessen. Klär das gefälligst alleine mit ihm. Du bist schließlich hier der große Fürst. Den Gefallen tu ich dir bestimmt nicht!“ Sesshomarus goldene Augen werden schmal. „Ich bitte dich gar nicht darum. Das ist ein Befehl!“ „Und wenn ich mich weigere?“, mosert Inu Yasha. Der ewigjunge Youkaifürst lässt ihn keinen Moment aus den Augen. „Bitte versuch das!“, sagt er ruhig, „Es würde mir den Tag versüßen.“ „Nun sag schon zu, Inu Yasha!“, ertönt auf einmal Kagomes Stimme hinter ihnen. Der Halbdämon dreht sich zu seiner Freundin um. „Aber wieso denn? Ich hab überhaupt keine Lust in diese Angelegenheit verwickelt zu werden.“ „Aber ihr seid schon längst darin verwickelt, Inu Yasha-sama.“ Sämtliche Augen gehen nun hinüber zu Tenmaru der ein wenig abseits steht. Seine Wunde blutet längst nicht mehr. Bisher hat er kein Wort von sich gegeben, dennoch hat er die Unterhaltung der beiden Brüder mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Nun tritt er vor. „Ich wusste, dass ihr Probleme bekommen würdet, weil ihr mir geholfen habt. Aber Fürst Sesshomaru hat Recht. Ihr könnt euch eurer Verantwortung nicht entziehen. Ich kenne euch noch nicht lange, aber ich denke doch, dass ihr genug Ehre besitzt um euch den Konsequenzen eures Fehlverhaltens zu stellen.“ Diese ehrbezeugenden Worte des Youkais, kratzen tatsächlich ein wenig an Inu Yashas Stolz, doch ein vernichtender Blick von Sesshomaru schnürt dem jungen Mann mit den grauen Haaren jedes weitere Wort ab. „Was mischst du dich hier ein, Streuner?“, schnappt er erbost, „Du und Deinesgleichen tragen ebensoviel Schuld daran. Du solltest besser wissen wo dein Platz ist. Wage es nie wieder, das Wort an einen ranghöheren Youkai zu richten. Jemand wie du, verdient es nicht zu leben. Ich hätte dich gleich bei unserer ersten Begegnung töten sollen. Aber ich kann es noch immer tun und das werde ich auch!“ Mit flammender Wut in den rotfunkelnden Augen und mit erhobenen, scharfen Krallen kommt Sesshomaru auf den jugendlichen Youkai zu. Tenmaru ist bleich geworden. Seine Reflexe schreien danach wegzulaufen, doch zu lange ist er auf Gehorsam gegenüber der Hierarchie gedrillt worden. Mit weiten Augen sinkt er auf die Knie, den Blick unverwandt auf die erhobene Klaue des mächtigen Youkaifürsten vor sich gerichtet. Er zittert, aber er sieht seinem Schicksal gefasst entgegen. Er hat der Fürstenfamilie Loyalität geschworen und sich ihnen damit völlig ausgeliefert. Nun, er wird zu seinem Schwur stehen, komme was wolle. Verzeih mir, Yaeba, denkt er bei sich, ich habe versagt. Doch gerade als Sesshomaru zum Schlag ausholen will, geht Inu Yasha dazwischen. Grell leuchtet Tessaiga vor ihm auf und sein Blick trifft den von Sesshomaru. „Du wirst ihn nicht anrühren, kapiert?“ „Willst du mich davon abhalten?“ „Ja! Wenn es nötig sein sollte auch mit Gewalt!“ „Du willst es tatsächlich drauf anlegen?“ „Darauf kannst du Gift nehmen!“ Aus den Augen der Brüder sprühen allesverzehrende Funken der Entschlossenheit. Es ist ein Kampf des Willens. Schließlich zischt Sesshomaru: „Warum tust du das? Was bedeutet dir dieser räudige Köter schon?“ „Und warum hasst du ihn so?“, gibt Inu Yasha bissig zurück, „Warum bringt dich ein angeblich bedeutungsloser Youkai so aus der Fassung?" Der aufgebrachte Daiyoukai erwidert grimmig seinen Blick, sagt aber nichts. Doch Inu Yasha wartet keine Antwort ab. "Du fragst was er mir bedeutet? Vielleicht ist es gerade weil er ein räudiger Köter ist. Ich kann verstehen wie er sich fühlt und ich lasse nicht zu, dass du ihn ohne Grund umbringst nur weil er zu blöd ist, sich alleine zu verteidigen!“ „Soll das heißen, dass dieser Köter unter deinem Schutz steht?“, fragt Sesshomaru scharf. Inu Yashas Blick gibt kein bisschen nach: „Ja!“ Einen langen Augenblick sagt Sesshomaru kein Wort doch dann entspannt er sich ein wenig. Dann legt sich ein herablassender Zug um seinen Mund und er sagt: „Du bist ein solcher Narr! Ich verachte dich!“ Verwirrt schaut Inu Yasha ihn an; er versteht seinen Bruder einfach nicht. Doch auch er entspannt sich ein wenig. „Versteh ich das richtig, dass du ihn von jetzt an in Ruhe lässt?“, hakt er nach. „Wenn du ohne weitere Scherereien mitkommst, werde ich eine Ausnahme machen“, antwortet Sesshomaru ruhig, „Aber halt ihn mir bloß vom Leib!“, und an Tenmaru gewandt: „Freu dich! Du hast einen neuen Herren. Ich hoffe du bist zufrieden!“ Dann wendet er sich wieder an Inu Yasha: „Was ist nun?“ Irritiert schaut der Halbdämon ihn an. „Ähm ja, na gut, ich begleite dich! Aber meine Freunde kommen auch mit!“ Sesshomaru schaut ihn humorlos an: „Oh nein, kommen sie nicht!“ „Oh doch, sie kommen mit!“, beharrt Inu Yasha fest. „Nein, tun sie nicht!“ „Doch das tun sie!“ „Nein!“ „Und ob die mitkommen!“, bestimmt Inu Yasha, „Ohne meine Freunde gehe ich nirgendwo hin!“ Nun langt es dem schlanken Youkaifürsten. Mit einem raschen Griff packt er seinen Bruder am Kragen und zieht ihn zu sich heran. Seine goldenen Augen funkeln wütend. „Falls dir das nicht klar sein sollte. Das ist eine Youkai-Veranstaltung zu der wir gehen und deine Freunde sind Menschen. Was glaubst du wohl wie hoch ihre Überlebenschancen sind, wenn sie da auftauchen?“ Mit einem ärgerlichen Schnauben lässt er den jungen Mann los. Mit schmollendem Gesichtsausdruck blickt Inu Yasha seinen Bruder an. „Sie kommen trotzdem mit!“, brummt er beleidigt. Langsam dreht Sesshomaru sich zu ihm um. „Nein, kommen sie nicht und das ist mein letztes Wort!“ Kapitel 8: Aufbruch ------------------- „Warum hast du so darauf bestanden, dass wir mitkommen?“, fragt Kagome ihren Hanyoufreund während sie dem Waldweg folgen, „Ich dachte schon Sesshomaru bekommt einen Anfall.“ Schweigsam trottet Inu Yasha hinter seinem Bruder her, der in einigem Abstand an der Spitze der kleinen Reisegruppe marschiert und sich nicht ein einziges Mal umdreht. „Ist doch egal“, brummt der Halbdämon, „ Immerhin dürft ihr jetzt doch mitkommen.“ „Warum musst du eigentlich so ein Dickkopf sein? Du hast doch Sesshomaru heute schon genug herausgefordert.“ „Er brauch sich gar nicht einbilden, immer im Recht zu sein nur weil er ein bisschen älter ist“, brummt Inu Yasha. „Außerdem hab ich euch so besser im Auge“, fügt er hinzu, „Wenn das stimmt was Sesshomaru sagt und es wirklich Krieg gibt, dann möchte ich lieber wissen wo ihr euch aufhaltet.“ „Du brauchst dir um uns keine Sorgen machen“, mischt sich jetzt Sango ein. Neben ihr läuft Kirara in ihrer Dämonengestalt. Auf ihrem Rücken sitzen Shippo und die kleine Rin und amüsieren sich über den bequemen Ritt. „Wir passen schon auf uns auf“, fährt Sango fort, „Wir sind durchaus in der Lage uns zu verteidigen falls es Ärger gibt.“ „Wir haben aber Sesshomaru versprochen solange auf Rin aufzupassen während er sich um die Regierungsgeschäfte kümmert“, wendet Miroku ein, „Nur deshalb hat er uns überhaupt erlaubt mitzukommen. Normalerweise macht das wohl Jaken, aber den hat er ja irgendwohin geschickt. Also blieb wohl niemand außer uns übrig.“ „Er macht sich eben auch Gedanken um das Mädchen“, nickt Kagome, „Bestimmt will er sie auch sicherheitshalber im Auge behalten.“ „Ich glaube trotzdem, dass es ihn stört, dass wir mitkommen“, meint Sango. „Pah, davon kannst du mal ausgehen“, mosert Inu Yasha, „Ich bin auch nicht scharf darauf, mich mit ihm abzugeben, aber es hilft wohl nichts.“ Aus den Augenwinkeln wirft Inu Yasha einen Blick nach hinten. Ganz am Ende der kleinen Reisegruppe folgt mit gesenktem Kopf der fremde Youkai namens Tenmaru und gibt keinen Ton von sich. Inu Yasha seufzt. Dieser Streuner gibt ihm Rätsel auf. Der fremde Youkai ist ohne Frage in der Lage, zu kämpfen. Warum hat er dann nicht mal den Versuch unternommen, sich gegen Sesshomarus Angriff zu wehren? Stattdessen hat er ihn nun am Hals, wie es scheint. Sesshomaru meinte, er wäre jetzt sein Herr. Was genau mag das bedeuten? Irgendwie wird ihm unbehaglich bei dem Gedanken. Auch Kagome scheint sich Gedanken zu machen. „Findest du nicht auch, dass er sehr nachdenklich aussieht?“, wendet sie sich an Inu Yasha mit einem Blick auf Tenmaru. „Wen kümmerts.“ Inu Yasha ist kurz angebunden. Doch das Mädchen gibt keine Ruhe. „Bestimmt hat er sich auch etwas Schöneres vorgestellt, als mit uns direkt in das Reich seiner Verfolger zu gehen.“ „Woher soll ich das wissen?“, meckert Inu Yasha, „Ich weiß nicht was er denkt. Wenn du das unbedingt wissen willst, dann frag ihn doch!“ „Du brauchst mich gar nicht so anzupflaumen!“, beschwert Kagome sich, „Ich hab dich nur was gefragt.“ „Und ich habe keine Lust zu antworten, basta!“ Das junge Mädchen verzieht den Mund, doch sie kann ihren Freund verstehen. Die ganze Situation ist ziemlich angespannt. Kein Wunder, dass ihm der Sinn nicht nach plaudern steht. Aber sie wüsste zu gerne was das mit diesem „Herr“ auf sich hat. Inu Yasha hat offenbar auch keine genauen Vorstellungen davon und Sesshomaru wird es ihr bestimmt nicht erzählen. Vielleicht hat sie mehr Glück bei dem grauhaarigen Youkai hinter ihnen und kurzentschlossen lässt sie sich zurückfallen. Tenmaru hängt seinen eigenen Gedanken nach. Seine Miene ist ausdruckslos, doch was ihn vielleicht bedrückt, behält er für sich. Nun sieht er das junge Mädchen mit der seltsamen Kleidung auf ihn zukommen. Was kann sie wollen? Warum gibt sie sich immer wieder mit ihm ab? Sie ist doch ein Mensch. Er kann sich nicht helfen, aber in ihrer Gegenwart fühlt er sich immer unwohl. Zu lange wurde ihm eingetrichtert, was man von Menschen zu halten hat. Nun richtet sie das Wort an ihn: „Sag mal, kann es sein, dass du dir Sorgen machst, weil wir zum Ostclan der Hundeyoukais gehen?“ Irritiert schaut er sie an. Dann meint er: „Das spielt keine Rolle.“ „Dass wir da hingehen, oder dass du dir Sorgen machst?“, fragt sie zurück. „Weder noch! Ich werde dort hingehen, wo mein Herr hingeht. Was ich will, spielt keine Rolle.“ Hier sieht Kagome ihre Chance: „Du nennst Inu Yasha deinen Herren. Was genau bedeutet das?“ „Ich habe der Fürstenfamilie Treue geschworen“, erklärt Tenmaru emotionslos, „Ich lebe und sterbe für sie. Das ist mein einziger Lebensinhalt. Inu Yasha-sama hat diese Loyalität angenommen und mich als seinen Diener akzeptiert. Dass ich jetzt in seinem Dienst stehe, bedeutet ich stehe auch unter seinem Schutz. Kein Youkai wird es mehr wagen, mich ohne seine Erlaubnis zu töten. Dafür hat er aber auch das absolute Verfügungsrecht über mich. Was immer er von mir verlangt, werde ich tun. Wenn er will, kann er mich jederzeit töten. Doch auch das spielt keine Rolle. Es ist mir gleich, ob ich lebe oder sterbe, solange ich nur einen Platz habe... wo ich hingehöre.“ Tenmaru verstummt. Bei diesen Worten hat er Kagome kein einziges Mal angesehen. „Du solltest so etwas nicht sagen!“, bricht Kagome das Schweigen. Tenmaru schaut auf. „Weißt du warum Inu Yasha dich beschützt hat, ohne an die Konsequenzen zu denken? Er gibt es vielleicht nicht zu, aber du erinnerst ihn an ihn selbst. Auch er war lange Zeit ohne Heimat, ohne Anerkennung und Perspektive. Doch dann lernte er uns kennen. Ich merke dir an, dass du nicht viel von ihm hältst. Aber er ist im Grunde ein feiner Kerl. Er kann es einfach nicht ertragen, wenn andere das gleiche erleiden müssen wie er. Aber er ist zu stolz um das zuzugeben. Er hat dir geholfen, weil er versteht was in dir vorgeht und dir helfen möchte.“ Tenmaru ballt eine Faust und seine Kiefer werden hart bei diesen Worten. „Nein“, flüstert er, „Er hat keine Ahnung was in mir vorgeht!“ Damit beschleunigt er den Schritt. Schweigend hat Sesshomaru das Gespräch der beiden verfolgt. Es gibt nicht viel, was den sensiblen Ohren des Youkaifürsten entgeht. Obwohl sie fast fünfzig Meter trennen, hat er jedes Wort vernommen. Lästige, kleine Menschenfrau! Das Mädchen muss sich wirklich in alles einmischen. Was kann Inu Yasha bloß an so einer finden? Offenbar muss er einmal ein ernstes Wort mit seinem Bruder reden. Warum bloß wollte er die alle dabei haben? Wenn ich schon dieses Pack mit mir herumschleppe, können sie auch gefälligst ihren Mund halten. Das ständige Geplappert dieser Bande ist so nervtötend wie eine juckende Stelle an der man sich nicht kratzen kann. Mit düsterer Stimmung setzt er seinen Weg fort. Ohne dieses Anhängsel wären sie sicher schneller am Ziel. So wird es viele Tage dauern. Schon jetzt bereut Sesshomaru seine Entscheidung, Inu Yashas Freunde mitzunehmen. Um sich abzulenken, lässt er seine Gedanken schweifen; zurück zu der Zeit als er diesen Weg zum ersten Mal gegangen ist. * * * Damals... Die Sonne ist gerade erst hinter dem Horizont verschwunden und es legt sich allmählich Dämmerung über das Land. Die ersten Sterne sind am Firmament zu sehen, doch der Himmel ist recht verhangen. Die dunklen Bäume rauschen leicht im kühler werdenden Wind. Eine leichte Briese verfängt sich für einen kurzen Moment in langem, seidigweißen Haar; zieht aber schnell weiter als sie auf die angespannte Aura des schlanken, spitzohrigen Youkais trifft, der mit festem Schritt durch den abendlichen Wald marschiert und mit klaren Augen wie aus flüssigem Gold, aufmerksam die Umgebung durchfunkelt. Wie lange ist es jetzt her, dass er die östliche Grenze überschritten hat? Eine Stunde? Zwei? Er ist sich nicht sicher. Er spürt nur mit jedem Schritt, wie seine Anspannung wächst. Schon vor einer ganzen Weile hat er mit einem ‚Begrüßungskomitee’ gerechnet, doch bisher ist alles ruhig geblieben. Der junge Youkai lässt es sich nicht anmerken, aber innerlich ist er ziemlich nervös. Nie zuvor hat er alleine das östliche Territorium betreten und seine Gefühle deswegen sind sehr zwiespältig. Einerseits ist unmöglich abzusehen wie diese ganze Sache ablaufen wird und das bereitet ihm Unbehagen, aber andererseits ist er fest entschlossen sich keinerlei Blöße zu geben. Er ist nun der Fürst des Westens. Niemand soll durch sein Beispiel zu dem Schluss kommen, dass der Westen schwach geworden ist. Doch ob Sesshomaru es wahrhaben will oder nicht, sein Herz pocht ihm bis zum Hals. Seine empfindlichen Sinne vernehmen noch das kleinste Geräusch und jede auffällige Bewegung im Unterholz wird sofort registriert. So läuft er weiter und vertraut dabei seinem gut ausgeprägten Richtungssinn auf dem Weg zur Residenz des Fürsten des Ostens. Ob mein Vater sich ähnlich gefühlt hat, als er damals diesen Weg ging?, überlegt Sesshomaru bei sich. Doch dann verzieht er ein wenig das Gesicht. Sicher nicht! Inu Taisho kannte weder Furcht noch Zweifel. Was immer ihm in den Sinn kam, das tat er auch. Und bis kurz vor seinem Tod ging er mit dieser Haltung niemals fehl. Was mag bloß in ihn gefahren sein, als er diese Menschenfrau zu seiner Geliebten machte und mit ihr diesen Bastard zeugte? Mit einem Schlag war sein ganzer Sinn für Verantwortung fort, als er beschloss ihr in seinem geschwächten Zustand zu Hilfe zu eilen und dafür den Tod in Kauf nahm. Inu Taisho, größter Fürst des Westens! Letztendlich wurden ihm die Gefühle zu einer Menschenfrau zum Verhängnis. Menschen! Seine Stirn legt sich in Falten. Sie mögen schwach aussehen aber sie sind tückisch. Mit ihren Verführungskünsten haben sie den mächtigsten Youkaifürsten aller Zeiten zu Fall gebracht. Welche Tragik und vor allem welche Demütigung! Diesen Gesichtsverlust werde ich nicht bestehen lassen! Ich werde dem Ruf meines Vaters gerecht werden und ihn noch übertreffen. Ich werde mir einen Namen schaffen der niemals von Schwäche besudelt wird! Doch weiter kommt Sesshomaru nicht. Innerhalb eines Sekundenbruchteils springen seine Reflexe an und lassen ihn ein Stück zurückspringen. Fast im gleichen Moment fallen zwei Gestalten vor ihm auf den Weg herab, genau an die Stelle an der er gerade noch gestanden hat. Lauernd betrachtet Sesshomaru die dreisten Neuankömmlinge. Es sind zwei Youkai; Hundeyoukai unverkennbar. Die beiden sind recht groß und schlank, doch unter ihren lumpenähnlichen Pelzgewändern zeichnen sich beträchtliche Muskeln ab. Ihre schneeweißen Haare sind zu einem kurzen Zopf fest am Hinterkopf zusammengebunden. In ihren Händen halten sie jeder einen schmalen Spieß und zwei eisblaue Augenpaare funkeln Sesshomaru herausfordernd an. Nein, diese beiden gehören eindeutig nicht zum Ostclan. Wenn es die Haar- und Augenfarbe nicht verrät dann auf jeden Fall ihre Wangezeichnung, die aus dunkelblauen Sprenkeln besteht. Diese zwei sind ohne Zweifel vom Nordclan, stellt Sesshomaru fest. Nur die türkise, eiskristallförmige Stirnzeichnung fehlt, also sind es nur gewöhnliche Youkai und keine Daiyoukai. Welche Dreistigkeit! „Was fällt euch ein, mich anzugreifen?“, beschließt Sesshomaru die Initiative zu ergreifen. Die beiden lassen ihn nicht aus den Augen. Ein unbeeindruckter Blick trifft ihn. Nun richtet sich der eine auf: „Tu dich nicht so wichtig, Chibi-san. Wäre das ein Angriff gewesen, wärst du jetzt tot.“ Sesshomaru beißt die Zähne hart aufeinander. Kleiner? Bei diesem Wort fühlt er sich schmerzlich in seiner Ehre gekränkt. Diese Beleidigung wird er nicht hinnehmen. „Was glaubst du eigentlich, wen du vor dir hast, Kita-aitsu (Nordler)?“, grollt er und sein Körper geht in Angriffsposition. Die beiden Youkai nehmen es wohl zur Kenntnis, doch noch immer zeigen sie sich nicht sonderlich beeindruckt davon. Nun richtet sich auch der andere auf und fasst seinen Speer fester. „Scheißegal, wer du bist, Nishi-aitsu, aber du bist hier in unserem Revier und das werden wir nicht durchgehen lassen!“ Diese Bemerkung irritiert den jungen Youkaifürsten nun doch ein wenig. „Lächerlich!“, gibt er zurück, „Das hier soll euer Revier sein? Eine bessere Lüge ist euch nicht eingefallen? Dies ist das Reich des Ostens und kein Kita-aitsu betritt dieses Land unbestraft.“ Mit diesen Worten beginnen seine Finger grün zu schimmern und ein grünlicher Nebel umzüngelt seine rechte Hand. Dabei lässt er die beiden nicht eine Sekunde aus den Augen. Das jedoch scheint Wirkung zu zeigen. Die beiden Youkai entblößen ihre Fangzähne und funkeln ihn wütend an. „Was hat dich das zu kümmern, Nishi-aitsu?“, in der Stimme des Youkais liegt tiefe Verachtung, „Dies ist genau so wenig dein Revier, was geht dich das also an?“ Der andere Youkai spuckt verächtlich aus: „Wie ich die westliche Arroganz hasse! Schon immer habt ihr euch für etwas besseres gehalten. Was gibt euch das Recht euch in alles einzumischen? Ihr seid nichts besonderes, Nishi-aitsu!“ Nun hebt der erste der beiden seinen Speer zum Angriff. Wütende, rote Augen funkeln Sesshomaru an. „Soll ich dir was sagen, Chibi-san? Es ist mir scheißegal ob du ein Nishi-aitsu...“, und mit einem verächtlichen Blick auf seinen blauen Sichelmond, „...oder vielleicht ein Daiyoukai bist. Arrogante Typen wie du verursachen mir Krätze! Deshalb mach ich sofort kurzen Prozess mit ihnen, wenn sie so blöd sind, sich mir entgegenzustellen.“ Sesshomarus Gesicht ist steinern. Keine Sekunde lässt er die beiden aus den Augen. Sie scheinen es wirklich ernst zu meinen. Er kann es nicht verhindern aber sein Herz pocht heftiger als er sich eingestehen will. Verdammt! Er wollte sich doch Respekt verschaffen, aber das ist mal wieder nach hinten losgegangen. Nicht mal diese beiden fremden, dahergelaufenen, niederrangigen Nord-youkai bringen ihm Achtung entgegen. Wie soll das dann erst beim Fürst des Ostens persönlich werden... vom Fürsten des Nordens ganz zu schweigen? Nein!, ruft er sich selbst entschieden zur Ordnung, Ich darf nicht schon hier kneifen! Ich darf einfach nicht jetzt schon an Boden verlieren! Das darf ich nicht zulassen! Diese beiden anmaßenden Kita-aitsu werden mir den Respekt erweisen, der mir zusteht! Dafür werde ich sorgen! Koste es was es wolle! Wütend fletscht der junge Fürst die Zähne. „Wenn das deine Einstellung ist, musst du wahrhaft lebensmüde sein, Köter! Ich werde dich lehren, eine Daiyoukai herauszufordern! Wenn ich mit dir fertig bin, wird dir das Niederknien leichter fallen. Ich reiß dir die Beine raus!“ Gefährliche Reißzähne schieben sich unter Sesshomarus Lippen hervor und seine Augen glühen bedrohlich rot. Die beiden Nord-Youkai tun es ihm gleich. Mit festem Griff um die Waffen und erhobener, giftversprühender Klaue belauern die drei sich. Jeder wartet nur auf den geeigneten Augenblick um anzugreifen. Die Anspannung, die in der Luft liegt ist praktisch greifbar. Niemand wagt eine unbedachte Bewegung; schon das kleinste Zucken könnte einen Angriff provozieren. Sesshomaru ist so sehr angespannt, dass er innerlich zittert. Es wird ernst! Hier wird sich nun zum ersten Mal erweisen, was er als Fürst taugt. Jetzt nur keinen Fehler machen. Dieses Belauern zehrt an seinen Nerven. Das ist doch lächerlich! Das zögert das Ganze doch nur unnötig hinaus. Er hätte schon längst kurzen Prozess mit diesen größenwahnsinnigen Spinnern machen sollen. Als Fürst des Westens, kann er es sich nicht erlauben, nur zu reagieren. Er muss die Initiative ergreifen. Und das wird er auch! Diese beiden wertlosen Idioten, werden den nächsten Tag nicht mehr erleben! Sein Entschluss ist gefasst. Seine Sehnen spannen sich um sich im nächsten Sekundenbruchteil von der Stelle loszukatapultieren und auf die beiden Youkai zuzustürmen. Doch im allerletzten Moment vernimmt er plötzlich ein Rascheln über sich und nur einen Augenblick später rauscht vor ihm eine weitere Person zu Boden, direkt neben den beiden fremden Youkais. Aber noch ehe Sesshomaru sich auch nur eine Meinung bilden kann, wirbelt der Neuankömmling herum und mit weitausholenden Bewegungen hat er jedem der beiden einen solch deftigen Schlag mit der Faust ins Gesicht verpasst, dass sie äußerst unsanft zu Boden geschmettert werden und ziemlich verdattert zu ihm hochschauen, als könnten sie gar nicht fassen was da gerade passiert ist. Sesshomaru hat mitten in der Bewegung innegehalten. Ob er will oder nicht, er starrt den Fremden mindestens eben so überrumpelt an wie die beiden streitsüchtigen Youkai, bis er sich dessen gewahr wird und sich auch rasch wieder zur Ordnung ruft. Erstaunt beobachtet er den gerade Eingetroffenen. Unverkennbar ein Youkai, auch wenn er ihm den Rücken zugewandt hat. Er ist nur geringfügig kleiner als Sesshomaru aber dafür ein wenig muskulöser. Über dem kräftigem Brustkorb trägt er einen zweckdienlichen Harnisch aus Leder und Metall. Die restliche knielange Kleidung und die Stiefel bestehen aus Pelz, jedoch werden die kraftvollen Unterschenkel von Beinschienen aus Leder und Holz geschützt. Sein dunkelgraues Haupthaar wird von einem straffen Lederband am Hinterkopf zusammen gehalten und reicht ihm knapp in den Nacken. Diese Person bietet einen imposanten Eindruck, trotz der schlichten Bekleidung. Gerade jetzt steht er schwer atmend und äußerst angespannt da, doch nur für einen kurzen Moment. Nun fährt er ruckartig herum, starrt die beiden am Boden Liegenden mit grimmig funkelnden Augen an und im selben Moment bricht das Unwetter über sie hinein. „Ihr hirnlosen Vollidioten! Was sollte das hier werden, häh? Habt ihr vollkommen den Verstand verloren?“ Mit einer Hand packt er einen der beiden am Kragen und zieht ihn auf die Füße. Eine klauenbewehrte Hand, verkrallt sich zornig in der Kleidung des Störenfrieds. „Hey, Yaeba, beruhig dich!“, versucht der sichtlich eingeschüchterte Hundedämon, den aufgebrachten Youkai vor sich zu besänftigen, „Wir haben gar nichts gemacht.“ Der Griff an seiner Kleidung wird fester. „Lüg mich nicht an, Kegawa! Ihr wart nur wieder auf Kampf aus.“ „Stimmt gar nicht!“, verteidigt sich Kegawa, doch eine gehörige Backpfeife schickt ihn erneut zu Boden. „Ganz genau!“, mischt sich jetzt der andere Youkai ein, „Wir sind nur n bisschen rumgezogen und plötzlich ist dieser Kerl da aufgetaucht und macht uns dumm an.“ Nur eine Sekunde später ist der wütende Youkai bei ihm und reißt ihn mit beiden Händen an der Kleidung in die Höhe. „Fang bloß nicht so mit mir an, Samushi! Ich kenne euch beiden Holzköpfe besser als du denkst. Wenn du versuchst, mir etwas vorzumachen, wirst du deines Lebens nicht mehr froh, verstanden?“ Mit diesen Worten lässt er ihn auf die Füße zurückplumpsen. „Lausiger Köter!“, zischt Samushi den verärgerten Youkai an und reibt sich den Hals. Doch die Strafe folgt auf den Fuß als ihn ein wohlgezielter Schlag in die Magengrube erneut zu Boden schickt. „Ihr kennt die Regeln ganz genau!“, schreit Yaeba wütend auf die beiden hinab, „Niemand fängt einen Kampf mit einem der anderen Clans an, ohne die ausdrückliche Erlaubnis unseres Hauptmanns! Ist das so schwer in eure Köpfe zu kriegen? Wie blöd seid ihr eigentlich? Wollt ihr euch wirklich unbedingt mit dem Hauptmann anlegen? Was meint ihr, was mit euch passiert, wenn ich über das hier Bericht erstatte?“ Die beiden gescholtenen Youkai schauen sich unbehaglich an. „Ähm, du wirst uns doch nicht verraten oder, Yaeba?“, meint nun der eine. Der Angesprochene verdreht die Augen: „Da könnt ihr aber Gift drauf nehmen! Euch ist wirklich nicht zu helfen. Immer bringt ihr euch und uns in Schwierigkeiten und jetzt seht zu, dass ihr zum Lager kommt. Wir werden das später noch mal erörtern. Verschwindet!“ Einen kurzen Moment zögern die beiden noch, doch dann rappeln sie sich rasch auf, sammeln hastig ihre Waffen ein und sind wenige Sekunden später in den Büschen verschwunden. Währenddessen hat Sesshomaru die ganze Szene aufmerksam aber schweigend verfolgt. Dieser Yaeba scheint ein interessanter Bursche zu sein. Seine Wangenzeichnung weist ihn ganz klar als Youkai des Ostens aus; das zackige Muster und die violetten Augen sind unverkennbar. Trotzdem scheint er über diese beiden Youkai vom Nordclan befehlen zu können und das verwirrt Sesshomaru ein wenig. Niemals würde sich ein Kita-aitsu von einem Higashi-aitsu Befehle erteilen lassen. Was mag es nur damit auf sich haben? Möglicherweise sind die beiden aus irgendeinem Grund Diener des Ostfürsten und unterstehen nun seinem Befehlshaber. Vermutlich halten sie sich deshalb nur ungern an die Regeln und offenbar hat er sie hier nur durch Zufall entdeckt. Wahrscheinlich gehört dieser Yaeba zu den Wachposten, die mich schon mal in Augenschein nehmen sollen bevor ich zum Fürsten komme. Ich muss mich also von meiner besten Seite zeigen. Der Mann versteht sein Handwerk. Er hat Autorität und kann sich durchsetzen. Wirklich beeindruckend! Der Ostfürst hat mir bestimmt seinen besten Mann geschickt. Aber wenn das die Latte ist, an der ich mich messen muss, liegt noch eine Menge Arbeit vor mir, Chichi-ue. Es wird Zeit, mich zu bewehren. Sich dessen voll bewusst, richtet Sesshomaru sich zu seiner vollen Größe auf. Nicht für eine Sekunde darf er hinter irgendeinem Untergebenen zurückstehen. So geringschätzig wie möglich mustert er schweigend den Youkai vom Ostclan. Dieser taxiert ihn indessen mit einem höchst kritischen Blick. Schließlich sagt er: „Die beiden Unruhestifter hatten kein Recht Euch anzugreifen. Sie werden um eine gehörige Strafe nicht herumkommen. Ihr solltet jedoch besser nicht alleine durch diese Gegend wandern, Nishi-aitsu. Das könnte unangenehme Konsequenzen für Euch haben.“ Sesshomaru hebt das Kinn. „Willst du mich beleidigen? Unterstellst du mir, ich wüsste mich nicht zu verteidigen? Ich werde meinen Weg ganz sicher fortsetzen. Ich brauche keine Hilfe, schon gar nicht die eines Higashi-aitsu. Dein Eingreifen war völlig überflüssig, diese beiden Trottel waren keine Gegner für mich.“ Der Fremde schaut ihn unbeeindruckt an. Dann sagt er: „Mag sein. Ihr seid ein Daiyoukai. Mit Sicherheit hättet Ihr sie besiegt. Doch nicht Euretwegen hab ich eingegriffen, sondern ich wollte verhindern, dass diese beiden Blödmänner ihr Leben verlieren, weil sie es einfach nicht lassen können, sich in irgendwelche Schwierigkeiten zu manövrieren. Es passt mir nicht, aber ich habe eine Verantwortung ihnen gegenüber. Wie ist Euer Name, Nishi-aitsu?“ Der junge Prinz hält seinem forschenden Blick stand. Selbstbewusst richtet er sich auf. „Mein Name ist Sesshomaru, Sohn des Inu Taisho! Seit dem Tod meines Vaters herrsche ich über das Reich des Westens. Es wird Zeit einige neue Abkommen zu treffen. Richte deinem Fürsten aus, dass ich auf dem Weg zu ihm bin!“ Nun werden Yaebas Augen schmal und seine Stirn legt sich in Ärgerfalten. Dann sagt er abfällig: „Ich diene nicht dem Fürsten des Ostens. Wenn Ihr zu ihm wollt, seid Ihr besser Euer eigener Bote. Ich will ehrlich zu Euch sein, Sesshomaru-sama, die Hierarchie der Clans ist mir vollkommen egal. Ich begegne Euch lediglich mit Respekt weil es die Sitte verlangt. Ich halte nichts vom Osten und noch weniger vom Westen und es bedarf weit mehr als das arrogante Gehabe eines halbwüchsigen Knaben mit edelblütiger Abstammung um mich zu beeindrucken. Aus diesem Grund gebe ich Euch einen Rat: Kehrt in Eure Heimat zurück und vergesst die Idee, jemals hierher gekommen zu sein.“ In Sesshomaru brodelt es. Seine Augen glühen gefährlich rot und seine Muskeln verkrampfen sich. „Du wagst es, in diesem Ton mit mir zu sprechen, Köter?“, schnaubt er, „Ich werde dich Manieren lehren!“ All die aufgestaute Spannung entlädt sich nun in einem mächtigen Satz nach vorne. Keine Sekunde später hat er seinen Gegner erreicht, doch noch ehe er zuschlagen kann, ist der andere blitzartig ausgewichen und hat sogleich wieder einige Schritte Abstand zwischen sich und den aufgebrachten Prinzen gebracht. „Ein feiner Fürst seid ihr!“, ruft der Ost-Youkai verächtlich, „Lasst Eure Wut an einem viel Schwächeren aus, der zudem noch unbewaffnet ist und Euch kein Leid getan hat.“ In Sesshomaru brodelt es vor Ärger und er fletscht die Zähne. „Spar dir deine Belehrungen, Köter!“, grollt er, „Das ist doch nur ein Zeichen der Feigheit[, wie es bei einem Higashi-aitsu nicht anders zu erwarten war. Und halt mich nicht zum Narren, denn so schwach bist du gar nicht, das spüre ich!“ Yaeba hebt überrascht eine Braue: „Ein Lob aus Eurem Munde ehrt mich, Sesshomaru-sama, aber glaubt nicht, dass ich Euch respektlos behandle, weil ich Euch für minderwertig halte. Ich behandele Euch respektlos, weil Ihr es nicht anders verdient. Respekt klagt man nicht ein, man verdient ihn sich! Wenn Ihr das beherzigt, kann aus Euch vielleicht einmal ein Fürst werden. Bis dahin gibt es nur eine einzige Person, die ich respektiere. Ich diene alleine meinem Hauptmann und keinem anderen Fürsten und ihm allein bin ich Rechenschaft schuldig. Klärt die Sache mit ihm.“ Mit diesen Worten dreht der kräftige Youkai sich um und mit wenigen raschen Sprüngen ist er im Unterholz verschwunden. Entgeistert und ein wenig überrumpelt starrt Sesshomaru ihm hinterher. Zwar wäre es ein leichtes für ihn, die Verfolgung aufzunehmen, doch er sieht davon ab. Die Worte des fremden Youkais haben ihn zum Nachdenken gebracht. Kapitel 9: Nachtlager --------------------- Während der nächsten Tage herrscht unter den unfreiwilligen Reisegefährten eine recht frostige Stimmung. Inu Yasha reagiert zunehmend gereizt wenn seine Freunde ihn ansprechen. Grund dafür ist der Mangel an Schlaf, denn in Gegenwart seines Bruders wagt er kaum ein Auge zuzumachen. Doch das ist nicht weiter verwunderlich, denn der weißhaarige Youkaifürst scheint eigentlich überhaupt nicht zu schlafen. Dafür gibt er aber auch während der ganzen Reise kein Sterbenswörtchen von sich, man hat nur den Eindruck als würde er Inu Yasha und seine Gefährten ständig aus den Augenwinkeln beobachten. „Das ist ja auch kein Wunder“, meint Sango mit gedämpfter Stimme abends am Lagerfeuer als Kagome diese Vermutung ihren Freunden gegenüber erwähnt. „Sesshomaru wird es nicht viel anders gehen als uns. Er traut uns genau so wenig wie wir ihm und er muss ebenfalls jederzeit mit einem möglichen Überraschungsangriff rechnen. Er hat schließlich niemanden der für ihn die Wache übernehmen kann.“ „Ich frage mich wie lange so ein wahrer Youkai ohne Schlaf auskommen kann“, murmelt Miroku. Sango zuckt leicht die Achseln: „Das kann man nicht mit Sicherheit sagen. Aber ein Daiyoukai wie Sesshomaru mit Sicherheit ein paar Wochen, wenn ihm nichts anderes übrig bleibt; wenn nicht sogar Monate.“ Kagome schnauft erschrocken aus: „So lange? Bis dahin sind wir ja schon völlig fix und alle. So was kann doch nicht gesund sein!“ „Na ja, angenehm ist es sicher nicht für ihn, aber du kennst doch Sesshomaru. Der ist ziemlich zäh, und nebenbei mindestens so stur wie Inu Yasha.“ Ein paar Schritt entfernt, gelehnt an einen Felsen, muss Inu Yasha auf einmal heftig niesen. „Hatschuaa!!! Sagt mal hab ich da grad wieder meine Namen gehört?“ „Wir haben nur gerade festgestellt, dass du unglaublich stur bist“, informiert Kagome ihn, „Du solltest dich wirklich endlich schlafen legen!“ „Schlafen?“, meint Inu Yasha trocken, „Vergiss es!“ Sein misstrauischer Blick geht zu seinem Bruder hinüber, der ein Stück entfernt am zweiten Lagerfeuer sitzt und unverwandt in die Flammen blickt. Mit keiner Regung zeigt er an, dass er seinen Halbbruder irgendwie beachtet. Auf der anderen Seite des Feuers liegt Rin und schläft friedlich; den Kopf auf Kiraras flauschigen Rücken gebettet. Die kleine Katzendämonin schnurrt leise vor sich hin, aber ihre Augen sind einen winzigen Spalt breit geöffnet. Aus irgendeinem Grund scheint der mächtige Hundeyoukai sie dort zu tolerieren. Kagome seufzt. Schon seit Tagen hat sie nicht mehr richtig geschlafen. Sie fühlt sich steif und geschunden. Diese ständige Anspannung schlägt ihr allmählich aufs Gemüt, und nicht nur ihr. Alle ihre Freunde sind gereizt und schlecht gelaunt. Immer wieder haben sie Inu Yasha angeboten, die Wache zu übernehmen, doch er will nichts davon wissen. Der Einzige der die ganze Angelegenheit anscheinend teilnahmslos verfolgt, ist wohl der grauhaarige Streuner. Zumindest in einem Punkt sind sich die beiden Voll-Youkais ähnlich, stellt Kagome fest: sie sind beide nicht sehr gesprächig. Tenmaru sitzt reglos auf dem Felsen an dem Inu Yasha lehnt und seine tiefvioletten Augen durchforschen ziellos das Dunkel des Waldes. Schon lange haben die anderen den Versuch aufgegeben, aus dem Youkai etwas herauszubekommen. Zwar tut er folgsam was immer ihm Inu Yasha sagt, aber darüber hinaus macht er keine Anstalten, zu einem von ihnen einen näheren Kontakt aufzubauen. So sitzt er also allein für sich und die Einzigen die ihm Gesellschaft leisten sind seine Gedanken. Die Nacht rückt immer weiter vor und Kagome und die anderen beschließen, schlafen zu gehen. Nur Inu Yasha bleibt eisern. Er sitzt noch immer wach an seinem Felsen als seine Freunde schon längst schlafen. Doch allmählich fordert die Müdigkeit immer mehr ihren Tribut. Immer schwerer fällt es ihm die Augen offen zu halten, immer öfter fallen ihm um ein Haar die Lider zu. Der Kampf, den er still liefert, ist lang doch letztendlich aussichtslos. Sein menschliches Erbe fordert sein Recht und als seine Konzentration für einen Moment lang nachlässt, sinkt ihm das Kinn auf die Brust und er ist eingeschlafen; die Hand noch immer um den Schwertgriff geschlossen. Langsam hebt Sesshomaru den Kopf und schaut auf. Im Feuerschein funkeln seine Augen wie flüssiges Gold. Er regt keinen Muskel als ihn der Blick des Streuners trifft. Tenmarus Blick, der bisher teilnahmslos umhergewandert ist, hat nun eine fast schneidende Schärfe angenommen und seine Augen leuchten im Licht der nahen Flammen in einem glühenden Purpur. Wahrscheinlich ist es nur dem Flackern des Feuers zu verdanken, dass man den Eindruck bekommt, Sesshomaru würde leicht lächeln. Der Youkai-Fürst verzieht keine Miene. „Er ist eingeschlafen“, sagt er ruhig. „Ja“, ist die kurze Antwort. „Aber du wachst über ihn?“, die Worte klingen genau so ruhig wie eben, doch ein leichter Hauch von Ironie klingt in ihnen mit. Langsam senkt Tenmaru den Blick. „Ja“, sagt er. „Wie erbärmlich!“, Sesshomarus Worte verstecken nun ihre Abscheu nicht länger. Tenmaru schweigt. Zunächst schweigt Sesshomaru ebenfalls, dann sagt er: „Weck ihn besser! Er wird es dir sonst nicht danken.“ Tenmaru beißt die Kiefer aufeinander: „Was kümmert es euch, ob er es mir dankt? Er nahm meine Dienste in Anspruch und ich bin ihm verpflichtet. Versucht ruhig ihn zu attackieren und testet meine Entschlossenheit! Ihr werdet nichts daran auszusetzen haben!“ Unerbittlich hält er dem Blick des Youkai-Fürsten stand. Nun legt sich Ärger über Sesshomarus Gesicht und er fletscht leicht die Zähne. „Du vergisst deine Stellung, Streuner!“, zischt er gefährlich, „Achte gefälligst auf deinen Ton!“ Unwillkürlich senkt Tenmaru den Blick. Noch immer beißt er hart die Kiefer aufeinander, doch er meidet Sesshomarus Augen. „Verzeiht, mein Fürst, es steht mir nicht zu, so mit euch zu sprechen.“ Verächtlich schnaubt Sesshomaru aus: „Ich bin nicht dein Fürst. Du hast deinen Fürsten. Bist du etwa nicht zufrieden mit dem was du hast? Du solltest froh sein über jeden Schutz den du kriegen kannst“, er schaut zu Inu Yasha hinüber, „Wäre seine Kooperation nicht nötig, ich würde ihn töten“, er blickt wieder auf, „und dich gleich darauf!“ Tenmarus Miene ist steinern. Er meidet den direkten Blick des Youkai und schluckt einmal hart. Schließlich murmelt er: „Hasst ihr mich so sehr?“ Sesshomarus Blick wird hart: „Ja, ich hasse dich, Streuner! Ich hasse alles was du bist. Deine ganze Sippe hat es nicht verdient zu leben. Ihr lebt in dem törichten Glauben, so etwas wie Gerechtigkeit würde existieren. Ihr glaubt, dass ihr euch euren Respekt verdienen könnt und gleichzeitig hängt ihr an solchen lächerlichen Idealen wie Loyalität fest. Wie weit würdet ihr gehen um euch euren Rang zurückzukaufen?“ Tenmaru schüttelt den Kopf: „Ich will keinen Rang, ich möchte nur einen Platz.“ Sesshomaru hebt leicht die Brauen: „So? Das glaube ich dir nicht! Was wäre wohl, wenn ich dir anbieten würde, in meine Dienste zu treten?“ Tenmaru hebt ruckartig den Kopf. Durchdringend starrt er den hellhaarigen Youkai an. Sesshomarus Miene wird hart. „Siehst du, du bist genau so, denn das ist es doch, was du wirklich willst, nicht wahr? Es muss dich doch anwidern solch einem abscheulichen Hanyou zu dienen. Empfindest du es nicht als maßlose Kränkung des letzten Bisschens was dir von deiner Youkaiwürde geblieben ist? Macht es dich nicht krank, diesem Halbblut die Verfügungsgewalt über dein Leben zu überlassen?“ Tenmaru senkt den Kopf. Kein Wort kommt über seine Lippen. Leise spricht Sesshomaru weiter: „Ist es nicht schrecklich erniedrigend? Doch im Grunde kann jemand wie du gar nicht mehr tiefer sinken. Da wäre es doch verlockend zu einem Youkai-Fürsten zu gehören und etwas von dem verlorenen Rang zurück zu gewinnen, nicht wahr. Was würdest du dafür tun wenn ich dir diese Chance gebe?“ Ärgerlich blitzt Tenmaru ihn an: „Warum versucht ihr mich mit falschen Angeboten zu demütigen?“ „Oh, das war keineswegs ein falsches Angebot“, erwidert Sesshomaru ruhig. „Nicht?“, blickt Tenmaru überrascht auf, „Ihr meint dieses Angebot ernst? Ich könnte in eure Dienste treten?“ Sein Herz klopft ihm bis zum Hals. „Ja!“, antwortet Sesshomaru, „Doch ich brauche natürlich einen Beweis deiner Loyalität.“ „Welchen denn?“, fragt Tenmaru erwartungsvoll. Er ist so aufgeregt, dass er leicht zittert. Erfüllt sich hier sein sehnlichster Wunsch am Ende doch? „Was soll ich tun?“ Das Gesicht des Youkaifürsten gleicht im Feuerschein einer reglosen Porzellanmaske. „Töte Inu Yasha!“ Erschrocken reißt Tenmaru die Augen auf. Zunächst bringt er kein Wort hervor. Die Tragweite dieser Forderung erschüttert ihn bis in die Grundfesten. Seine Stimme zittert ein wenig als er seine Sprache wiedergefunden hat. „Mein... mein Fürst?“ Doch Sesshomarus Blick ist kühl und unerbittlich: „Du hast mich schon verstanden. Töte ihn!“ Tenmaru wird abwechselnd heiß und kalt. Krampfhaft sucht er nach einer Erwiderung, die nicht schwach oder respektlos klingt. „Aber, mein Fürst... Ihr sagtet doch, dass ihr ihn noch benötigt“, versucht er es zögernd. „Ich habe meine Meinung geändert!“, erklärt Sesshomaru kurzum, als sei das Erklärung genug. „Aber... aber...“, er sucht nach den richtigen Worten und versucht dabei rasch seine Fassung wiederzufinden, „Er ist doch euer Bruder! Bedeutet euch das gar nichts?“ Sesshomarus Augen glühen leise im Licht der Flammen vor sich hin. Dann sagt er ruhig: „Nein! Was glaubst du denn? Was sollte mir denn meine Familie bedeuten? Er ist nur ein lästiges, ehr- und würdeloses Ärgernis und ich kann es nicht erwarten ihn endlich in der Hölle zu wissen!“ Tenmaru schluckt schwer. Ein gewaltiger Kloß hat sich in seiner Brust festgesetzt. „Wie könnt ihr so etwas sagen?“, stößt er unwillkürlich hervor, „Er ist euer Bruder! Er ist ein Fürst. Ihr habt das selbe Fürstenblut in euch. Wie... wie... wie könnt ihr eine solch ungeheuerliche Tat von mir verlangen?“ Sesshomarus Blick wird kühl. „Achte auf deinen Ton, Köter! Du weißt genau, warum ich das fordern kann! Du selbst sagtest, du hättest meiner Fürstenfamilie Treue geschworen. Du wolltest in meine Dienste treten, sagtest du. Mein Wort sei dir Gesetz. Mach mir nichts vor. Du wünschtest dir dies so verzweifelt, dass du immer wieder bei mir angekrochen kamst. Selbst die Todesgefahr hielt dich davon nicht ab. Das ist doch alles was für dich zählt, von mir anerkannt zu werden, hab ich nicht recht? Was ist nun mit diesem Schwur? Gib doch zu, dass du ebenso wenig von wahrem Ehrgefühl verstehst wie das restliche Pack von dem du stammst. „Lausiger Köter! Du bist verachtenswürdig! Du würdest alles tun um dir mein Vertrauen zu erschleichen. Kneifst du jetzt den Schwanz ein, wo es ein wenig heikel wird? Ich stehe zu meinem Wort. Leiste mir diesen Dienst und ich nehme dich in meine Dienste. Du erhältst den Schutz den du suchst. Töte nur diesen Hanyou und du hast dein Ziel erreicht.“ Tenmaru hat wie erstarrt den Worten zugehört. Der Kloß in seinem Hals wird immer dicker. Mit schmerzverzerrtem Gesicht blickt er zu dem würdevollen Youkai hinüber. Unwillkürlich sieht er auf seine Hände hinab und stellt fest, dass sie zittern. Dann geht sein Blick hinüber zu Inu Yasha, der noch immer tief und fest an seinem Felsen schläft Wieder blickt er auf seine klauenbewehrte Hand. Er wäre keine große Sache, es zu beenden. Sein Opfer wäre ihm hilflos ausgeliefert und dadurch würde er sich endlich die ersehnte Anerkennung verdienen. Keine große Sache... wirklich nicht. Einen langen Augenblick ringt er mit sich, doch dann ballt er seine Hand entschlossen zur Faust. Sein Herz klopft ihm bis hinauf zur Kehle. Was, wenn dies die einzige Chance wäre? Was wenn niemals wieder eine solche Gelegenheit käme? Oh, Yaeba, was soll ich tun? Was soll ich nur tun? Und dann trifft ihn die Antwort so unvermutet mitten ins Herz, dass er leicht zusammenzuckt. Langsam erhebt Tenmaru sich. Ein wenig unbeholfen springt er von seinem Wachposten herunter und tritt dann auf Sesshomaru zu. Der schlanke Youkai steht direkt vor dem Fürsten des Westens und er zittert leicht am ganzen Körper. Doch dann fällt er vor dessen Augen auf die Knie herab und senkt den Kopf. „Verzeiht mir, mein höchstgeschätzter Fürst, doch ich kann das nicht tun!“ Sesshomarus Augen werden schmal: „Du wiedersetzt dich meinem Befehl? Du verleugnest deinen Schwur?“ Tenmarus Stirn strebt noch weiter gen Boden: „Vergebt mir, mein Fürst, aber gerade wegen meines Schwures, kann ich es nicht tun. Inu Yasha ist euer Bruder, mein... Fürst! Ich kann ihn nicht töten!“ Ruckartig springt Sesshomaru auf und eine Sekunde später ist er bei ihm. Mit einer groben Handbewegung reißt er den Knienden an seinen Haaren auf Augenhöhe hoch und funkelt ihn wütend an. „Er ist ein Hanyou, verdammt!“, zischt er wütend, wenn auch so leise, dass es die Schlafenden nicht weckt, „Wie kannst du so etwas nur verteidigen? Willst du wirklich für alle Zeiten in seinen Diensten bleiben? Willst du das? Willst du dich wirklich Ihm unterordnen? Durch ihn kommst du niemals zu Ansehen. Ich bin derjenige den du willst, ist es nicht so? Glaubst du, ich durchschaue dich nicht? Was haben sie dir erzählt? Dass du dich mir als würdig erweisen müsstest? Dass ich Streuner in meine Dienste aufnehmen würde? Dass du nur starrköpfig genug sein müsstest? Was willst du eigentlich? Da biete ich dir die Gelegenheit, deine Ziele ohne weitere Probleme zu erreichen und du lehnst meinen Befehl ab! Du bist verachtenswürdig! Du ehrloses Stück Dreck! Du bist meiner nicht würdig!“ Mit diesen Worten lässt Sesshomaru ihn wieder zu Boden plumpsen. Tenmaru bebt noch immer am ganzen Leib. „Sieh dich nur an! Du bist wirklich erbärmlich, Köter!“, zischt der Youkaifürst noch, dann wendet er sich wieder um und geht zu seinem Lager zurück. Doch Tenmarus plötzliche Stimme lässt ihn innehalten: „Glaubt was ihr wollt, mein Fürst, doch ich werde mein Versprechen nicht brechen!“ Sesshomaru dreht sich erneut um. Tenmaru hat den Kopf gehoben. Aus seinen Augen sprüht bitterste Entschlossenheit, doch sein Gesicht ist bleich. „Ihr habt recht!“, sagt er, „Ich habe euch und eurer Familie Treue geschworen. Doch ihr habt meine Loyalität nicht anerkannt. Doch euer Bruder tat es. Er nahm mich in seine Dienste. Und selbst wenn ihm nicht bewusst ist, was das bedeutet, so bin ich mir dessen um so mehr bewusst! Ich stehe unter seinem Schutz und ich werde dafür alles tun, um ihn zu beschützen. Vielleicht gefällt mir das nicht, vielleicht verachte ich ihn sogar. Vielleicht macht es mich tatsächlich krank, mein Leben in seinen Händen zu wissen, aber er hat mir schon mehrfach das Leben gerettet und ich gab das Versprechen, ihm das Gleiche zu tun. Ganz gleich was es mich kostet. Ob mein Leben, meine Glaubwürdigkeit, meinen Rang oder... eure Anerkennung. Völlig gleich! Das einzige was ich ohnehin noch besitze ist meine Ehre und die werde ich verteidigen, ganz gleich... wie unerträglich die Konsequenzen auch sein mögen.“ An dieser Stelle verstummt er und lässt den Kopf sinken. Ein tiefer Seufzer der Verzweiflung entfährt ihm, doch sogleich fasst er sich wieder. Sesshomaru hat seine Worte schweigend mit angehört. Seine Nasenflügel heben und senken sich. Unverhehlter Hass springt ihm aus den Augen. „Jämmerlicher Wurm!“, knurrt er leise, „Du wagst es tatsächlich mir das zu sagen? Wenn das deine Entscheidung ist, bist du noch dümmer als ich angenommen hatte! Wenn das deine Wahl ist, komm nur ja nie wieder bei mir angekrochen, verstanden? Jemanden wie dich kann ich nicht brauchen, damit das klar ist. Du wärst mir zu nichts nütze. Du bist wertlos und du wirst auch ewig wertlos bleiben! Das ist es was du heute gewählt hast. Lebe damit, Streuner!“ Mit diesen Worten dreht Sesshomaru sich wieder um und schreitet erhobenen Hauptes zu seinem Lager zurück. Wie betäubt hat Tenmaru seinen Worten gelauscht. Sein Gesicht ist regungslos, doch er ist bleich und hat die Lippen fest aufeinander gepresst. Einen ganzen Momentlang ist er unfähig einen Muskel zu rühren. Es ist vorbei! Er hat versagt! Seine letzte Chance hat er vertan. Der Fürst hat unmissverständlich klar gemacht, dass er ihn niemals in seine Dienste nehmen wird. Wie konnte es nur soweit kommen? Er hatte es gewagt und alles auf eine Karte gesetzt, doch die Entscheidung die er getroffen hatte, war die falsche. Und nun? Was soll nun geschehen? Jetzt, da alle Hoffnung verloren ist? Sein Blick geht hinüber zu dem noch immer friedlich schlafenden Inu-Yasha. Er seufzt innerlich schwer. Ist das nun mein Los? Bin ich nun für alle Zeit an ihn gebunden? Langsam kommt er wieder auf die Füße, auch wenn er das Gefühl hat, dass eine zentnerschwere Last versucht ihn wieder hinunter zu ziehen. Er beißt die Zähne zusammen. Nein, ein Youkai zeigt seine Gefühle nicht so deutlich, das würde Schwäche bedeuten. Nun richtet er sich wieder auf und hebt den Kopf. Ein letztes Mal atmet er tief durch, dann geht er geradewegs auf Inu Yasha zu. Direkt vor ihm bleibt er stehen und schaut auf den schlafenden Hanyou herab. Noch immer schläft er friedlich; von dem ganzen Disput hat er nicht das Geringste mitbekommen. Wie nachlässig! Er hätte schon längst tot sein können. Erstaunt ertappt er sich dabei, dass er mit dem Gedanken spielt seine Klauenhand um die Kehle des Schlafenden zu legen und einmal kurz und heftig zuzudrücken. Doch im gleichen Moment wo er zaghaft seine Hand nach ihm ausstreckt, zuckt er unwillkürlich zusammen. Innerlich schüttelt er sich. Diese schmerzhaften Gefühle dürfen ihn nicht beherrschen. Er hat sich entschieden seinem Schwur treu zu bleiben, ungeachtet der Konsequenzen. Und das wird er auch! Yaeba soll stolz auf ihn sein. Nicht umsonst hat er ihm das Gefühl für Ehre und Loyalität all die Jahre eingeprügelt. Nein, Yaeba, ich werde dich nicht enttäuschen und ich werde die Konsequenzen für mein Handeln tragen, auch wenn mein Auftrag gescheitert ist. Er hebt die Hand erneut, doch diesmal geht sie nicht zu Inu Yashas Kehle, sondern versetzt sie ihm nur einen mittelkräftigen Stups an der Schulter, woraufhin der Hanyou unvermittelt hochschreckt und sogleich sein Schwert nach dem plötzlichen Störenfried ausstreckt. „Was soll das!“, faucht der Halbdämon aufgebracht und packt Tenmaru unsanft am Arm. Für einen kurzen Moment treffen sich ihre Augen. Der Youkai wirft dem Hanyou einen solch stechenden Blick zu, dass Inu Yasha für einen Moment zögernd innehält. Doch nur einen kurzen Augenblick später entspannt sich Tenmarus Gesicht wieder. „Ihr solltet nicht so leichtfertig schlafen, mein Fürst!“, sagt er ruhig, dann wendet er sich von Inu Yasha ab und mit einem leichten Sprung nimmt er wieder auf dem Felsen Platz, der ihm als Beobachtungsposten dient. Einen kurzen Moment ist Inu Yasha irritiert, doch dann reibt er sich brummig die Augen und setzt nun seinerseits seine selbstauferlegte Wache fort. Auf der Lichtung kehrt langsam wieder Ruhe ein. Kein weiteres Wort fällt, und die Youkais beschränken sich weiter darauf sich gegenseitig zu beobachten, beziehungsweise zu ignorieren. Im gleichen Maße wie die Ruhe wieder einkehrt, lässt auch allmählich Kagomes Zittern nach. Bis eben hat sie noch am ganzen Körper wie Espenlaub gebebt und innerlich wohl an die tausendmal gebetet, dass die beiden aufgebrachten Youkais nicht mitbekommen mögen, dass sie wach ist und jedes einzige Wort mitgehört hat. Was Inu Yasha wohl tun würde, wenn er herausbekommt, dass gerade um sein Leben geschachert wurde und wie dicht er gerade dem Tod entgangen ist? Wahrscheinlich ist es für alle besser, wenn er von dem Gespräch eben nichts erfährt und davon, was sein Schützling wirklich von ihm hält. Kapitel 10: Konfrontation ------------------------- „Wie weit ist es denn noch?“, will Inu Yasha mürrisch wissen. Er hat beschlossen seinem Bruder nicht länger zu folgen, ohne wenigstens ein paar Informationen über Weg und Ziel zu erhalten. Er hat zu dem Youkai-Prinz an der Spitze aufgeschlossen und hat begonnen ihn mit Fragen zu löchern; sehr zum Leidwesen von Sesshomaru. „Wir sind jetzt schon ne ganze Ewigkeit unterwegs. Irgendwann müssen wir ja auch mal da sein.“ „Wir könnten schon erheblich weiter sein, wenn du Sturkopf nicht darauf bestanden hättest dieses Menschenpack mitzuschleppen“, lässt sich Sesshomaru gereizt vernehmen. Inu Yasha lässt sich jedoch nicht irritieren. „Du könntest uns wenigstens sagen wohin wir eigentlich gehen und was wir genau vorhaben.“ Ohne ihn zu beachten geht Sesshomaru weiter. „Nein, das kann ich nicht!“, ist die knappe Antwort. „Ach ja?“, schnaubt Inu Yasha ärgerlich, „Und warum nicht?“ „Ganz einfach!“, meint der Youkai kühl, „Wenn ich es dir sage, kommst du nicht mehr mit!“ Perplex bleibt Inu Yasha stehen, doch sein Bruder setzt ungeniert seinen Weg fort. „Hey!“, ruft Inu Yasha ihm nach und holt ihn rasch wieder ein, „Was soll das denn heißen? Ich verlange eine Erklärung!“ „Verlangen kannst du von mir aus soviel du willst“, meint Sesshomaru und geht einfach weiter. Inu Yasha fletscht die Zähne. „Oh, dieser Kerl! Dem verpass ich noch mal eine Abreibung die sich gewaschen hat!“ „Nimm es leicht, Inu Yasha!“, meint Miroku neben ihm, „Immerhin hat er sich bisher friedlich verhalten. Wir sollten unser Glück nicht auf die Folter spannen.“ „Ach Quatsch!“, schnaubt Inu Yasha, „Ich weiß zwar nicht warum, aber der Kerl braucht uns. Nur deshalb ist er diesmal so pflegeleicht. Glaub mir, wenn er könnte wie er wollte...“ Dann schließt er wieder zu seinem Bruder auf. „Ich will jetzt auf der Stelle wissen wo du uns hinführst und was du mit uns vorhast, sonst gehe ich keinen Schritt weiter, klar?“ Sesshomaru wendet ihm langsam den Kopf zu. „Du bist eine solche Plage! Und dumm noch dazu! Ich sagte doch bereits, dass wir den Fürsten des Ostens aufsuchen.“ „Ja, aber du hast noch nicht gesagt, was wir da wollen“, erwidert Inu Yasha herausfordernd. „Du willst es wirklich wissen?“, funkelt Sesshomaru boshaft. „Ja!“, ruft Inu Yasha bestimmt! „Na schön!“, sagt der Yokai-Prinz, „Da du gegen meine ausdrückliche Erlaubnis gehandelt hast, diesen lausigen Köter dort“, er zeigt auf Tenmaru, „von diesen beiden Ost-Kriegern erlegen zu lassen, wird der Fürst des Ostens denken, du hättest in meinem Auftrag gehandelt und ich hätte meine eigenen Hände nicht schmutzig machen wollen. Wenn ich dich töte, vergreife ich mich nicht nur an meiner eigenen Familie und zeige Schwäche, sondern erwecke auch den Eindruck... einen Zeugen verschwinden lassen zu wollen. „Wenn ich mein Gesicht wahren will, muss ich mich wie ein Fürst verhalten. Würde sich das Ganze nur auf mein eigenes Reich beziehen,... könnte ich ganz anders mit dir verfahren. Aber so werde ich dich nun vor den hohen Fürstenrat bringen. Dort wird dann über dich gerichtet und dann werden Sie dich töten! Wenn wir Glück haben sind dann alle zufriedengestellt und es kommt nicht zum Krieg. War es das was du hören wolltest?“ Einen Momentlang bringt Inu Yasha kein Wort heraus, doch dann meint er empört: „Nein! Das war es nicht was ich hören wollte. Du spinnst ja wohl, du zerfranster Flohteppich! Du schleppst mich im ernst diese ganze Strecke nur damit ich mich am Schluss hinrichten lasse? Du hast sie doch nicht alle! Ich geh keinen Schritt mehr weiter, damit das klar ist!“ „Sagte ich es nicht?“, meint Sesshomaru gereizt, „Es war besser es dir nicht zu sagen.“ Noch ehe der Hanyou auch nur Zwinkern kann, steht sein Bruder auch schon neben ihm, hat ihn am Hals gepackt und streckt ihn gen Himmel. Seine Augen funkeln gefährlich rot. „Ich sag dir das nur einmal noch, kleiner Bruder! Du wirst mit mir mitkommen, von mir aus mit deinem ganzen Haustierstall, aber du kommst mit! Ich dulde keinerlei Widerrede! Du kommst mit und du wirst dich diesmal deiner Verantwortung nicht entziehen. Einmal im Leben wirst du deinem Erbe keine Schande bereiten, sondern das letzte bisschen Würde zusammenkratzen, das dir geblieben ist, und so sterben wie es sich für den Sohn eines Dämonenfürsten gehört: Ehrenvoll und zum Schutz des Reiches zu dem er gehört. Hör auf dich ständig feige wegzuschleichen und nimm die Konsequenzen für dein Verhalten hin. Egal was das für dich bedeutet...!“ Bei diesen Worten hält Sesshomaru einen Moment inne. Schlagartig verschwindet das rote Funkeln aus seinen Augen und er setzt seinen knallrotangelaufenen Bruder fast schon beiläufig ab. Dann urplötzlich, ohne ihn weiter zu beachten, dreht er sich um und setzt ohne ein weiteres Wort seinen Weg fort. Sprachlos sehen die anderen ihm hinterher. Am Boden neben ihnen ringt Inu Yasha verzweifelt nach Luft. In seinem Zorn hat der Youkaifürst scheinbar gar nicht bemerkt, dass er seinen Bruder beinah erdrosselt hätte. „Was ist denn mit dem los?“, meint Sango verwundert, während sie dem hochgewachsenen Youkai hinterher schaut. „Aus dem soll einer schlau werden“, wundert sich Shippo. „Ich sagte es doch...“, keucht Inu Yasha, „Der Kerl... spinnt! Wenn er... glaubt, dass ich... mich brav hinrichten lasse... hat er sich aber... geschnitten!“ Ein weiterer Hustenanfall schüttelt ihn. „Oh, ich bring den Kerl noch mal um“, murmelt er leise und blitzt seinem Bruder zornig hinterher. Es war sicher wegen gestern, denkt Kagome bei sich. Das waren die gleichen Worte die Tenmaru gestern verwendet hat. Ob es ihn einfach überrascht hat, dass er sie heute selbst benutzt obwohl er diese Einstellung gestern noch so verwerflich gefunden hat? „Und was machen wir jetzt?“, stellt Sango die Frage in die Runde, „Ich meine, wir können doch Inu Yasha nicht einfach hinrichten lassen, oder?“ „Nun ja, aber wir haben es doch gerade gehört. Sesshomaru wird nicht erlauben, dass sich Inu Yasha aus dem Staub macht“, entgegnet Miroku, „Es wird ihm nichts anderes übrigbleiben als mitzukommen.“ „Aber das bedeutet doch seinen Tod!“, ruft Shippo aufgeregt. „Nun, nicht zwangsläufig“, erwidert Miroku, Sesshomaru sagte doch, dass über Inu Yasha gerichtet werden soll. Also besteht immer noch die Chance, dass sie ihn für unschuldig halten.“ „Das glaubst du doch nicht wirklich, Miroku!“, meint Inu Yasha mürrisch, „Du glaubst doch wohl nicht, dass Sesshomaru auch nur das kleinste bisschen zu meiner Verteidigung vorbringen würde. Der sähe mich doch am liebsten schon ein paar Meter unter der Erde.“ „Tja, wenn das so ist, dann müssen wir eben dafür sorgen, dass sie dich für unschuldig halten. Wir sollten so viel wie möglich über die ganze Angelegenheit herausfinden. Vielleicht finden wir ja irgendetwas das dich entlasten könnte.“ Ein leises Lachen unterbricht sie. Sofort wenden sich alle Blicke dem grauhaarigen Streuner zu. Ein leichtes Lächeln umspielt Tenmarus Lippen. Als Antwort auf die fragenden Blicke sagt er: „Ihr solltet euch hören! Was ihr vorhabt ist lächerlich! Ganz gleich wie ihr euch anstrengt, ihr werdet niemals etwas zu Fürst Inu Yashas Verteidigung vorbringen können. Und ich sage euch auch warum: Ihr seid Menschen! Der Rat wird euch kein Gehör schenken, selbst wenn ihr eure Ankunft dort überleben solltet... was ich bezweifle!“ Ärgerlich funkelt Inu Yasha ihn an: „Pass auf was du sagst!“ „Ich sage die Wahrheit, mein Fürst. Eure Freunde werden sterben, kaum dass sie dort ankommen. Außerdem hätte es ohnehin keinen Sinn. Der Rat sucht einen Schuldigen und das seid ihr! Es hat also keinen Zweck etwas zu unternehmen. Ihr müsst euer Schicksal akzeptieren!“ Ruckartig springt Inu Yasha auf und nur eine Sekunde später steht er vor dem Streuner. Wutglühende Auge funkeln den Youkai an. „Ich muss gar nichts akzeptieren!“, grollt er, „Ich bin nicht du! Vielleicht bin ich nur ein Hanyou, aber ich bin frei und nicht Gefangener meines eigenen, unterwürfigen Verhaltens und mit Sicherheit finde ich mich nicht einfach damit ab, wenn man vor hat, mich zu töten! Mag sein, dass du es ehrenvoll findest zu sterben, aber ich denke, dass ich mehr Ehre beweisen kann wenn ich lebe! Und das bedeutet, dass ich nicht zulassen werde, dass einer meiner Freunde, dadurch zu Schaden kommt, weil er versucht hat mich vor dem Tod zu bewahren, klar? Und jetzt halt deine Klappe!“ Mit diesen Worten rauscht der Hanyou aufgebracht an Tenmaru vorbei und lässt den Streuner und die anderen verdutzt stehen. „Ich glaube, das seltsame Gebaren färbt langsam auch auf Inu Yasha ab“, meint Miroku und kratzt sich am Kopf. „Oder er schnappt langsam doch über!“, stellt Sango die Vermutung an. „So hab ich ihn noch nie erlebt“, murmelt Kagome, „Es schien fast so... als fühlte er sich in seiner Ehre gekränkt.“ „Inu Yasha hat Ehre?“, wundert sich Shippo, „Das ist ja mal was ganz Neues!“ Ein weiterer Abend bricht herein. Die kleine Gruppe hat auf Geheiß von Sesshomaru ein Nachtlager aufgeschlagen. Danach ist der hellhaarige Youkaifürst im Wald verschwunden und ist seitdem nicht wieder aufgetaucht. Den ganzen restlichen Tag hat er kein Wort mehr gesprochen, doch auch zwischen den anderen fallen nur wenige Worte. Eine unangenehme Anspannung liegt in der Luft. Es ist eben keine glückliche Situation, wenn so viele feindselige Youkais auf einem Haufen hocken, denkt Kagome bei sich. Inu Yasha ist gereizt wie nie und Tenmaru hat begonnen sich immer öfter in die Büsche zu schlagen, dass sie schon denken, er spielt mit dem Gedanken, sie zu verlassen. Man bekommt ihn kaum noch zu Gesicht. Auch nachdem das Lager errichtet ist, dauert es nicht lange und er ist zwischen den Bäumen verschwunden. Wahrscheinlich braucht er ein wenig Zeit zum Nachdenken, vermutet Kagome. Vielleicht haben ihn Inu Yashas Worte ja härter getroffen als er zugeben will. Doch sie verfolgt den Gedanken nicht weiter, sondern überlässt sich getrost den wachsamen Augen ihres Freundes der in dieser Nacht wieder, wie so oft, Wache hält; wild entschlossen, diesmal nicht einzuschlafen. Tenmaru kümmert sich unterdessen nicht weiter um die Gruppe. Inzwischen weiß er, dass der Hanyou ziemlich beharrlich sein kann, wenn es um das Bewachen seiner Freunde geht. Seine zusätzliche Wache wird nicht benötigt werden; nicht in dieser Nacht. Nicht nachdem der Hanyou so vehement behauptet hat, seine Freunde beschützen zu wollen. Wieder hallen seine Worte vom Vormittag durch seinen Kopf. Tenmaru schüttelt sich, als könne er sie dadurch loswerden. Verdammter Hanyou, du hast doch nicht die leiseste Ahnung! Ein Rascheln im Gebüsch lässt ihn herumfahren. Es dauert nur einen Wimpernschlag und das Kaninchen fällt seinen scharfen Klauen zum Opfer. Erschlafft liegt das tote Tier in seiner Hand. Seufzend lässt er sich auf einen Baumstumpf plumpsen. Gedankenverloren beißt er dem toten Nager den Kopf ab und beginnt langsam zu kauen. Das kann doch alles nicht wahr sein! Dieser Inu Yasha und seine Gefährten bringen ihn noch um den Verstand. Allmählich bekommt er schon Kopfschmerzen von der ganzen Sache. Yaeba, was soll ich jetzt tun? Ich brauche deinen Rat! Du wüsstest was nun zu tun ist. Ich habe versagt! Ich habe unseren Hauptmann enttäuscht! Ich konnte seinen letzten Befehl nicht erfüllen. Ich werde sterben! Ich weiß zwar noch nicht wie und durch wen, aber mein Tod steht längst fest. Er lässt die Schultern hängen. Urplötzlich Augenblick stellen sich seine Nackenhaare auf und langsam hebt er den Kopf wieder. „Sieh dich nur an!“, ertönt eine vertraute Stimme hinter ihm, „Ein Ebenbild des Jammers! Der Gestank deiner Angst reicht meilenweit.“ Tenmaru dreht sich nicht um, er starrt stur geradeaus. Nun kommt die Gestalt hinter ihm näher und schließlich ist sie bei ihm angekommen und umrundet ihn. Groß baut sich Sesshomaru vor ihm auf. Ein Blick auf Tenmarus blutverschmiertes Gesicht lässt ihn missmutig die Mundwinkel verziehen. „Ein wildes Tier!“, bemerkt er herablassend, „Kein Mut, keine Würde, kein Rang... kein Wert!“ Tenmaru schluckt schwer die Worte herunter die ihm im Hals stecken. Stattdessen lässt er den Kopf hängen. „Ich kenne eure Meinung, mein Fürst. Was kann es euch bringen, mich immer wieder aufs Neue zu demütigen?“, meint er leise. Für einen kurzen Moment blitzt es in Sesshomarus Augen auf, als wolle er den Streuner schlagen, doch er besinnt sich eines Besseren. „Was weiß jemand wie du von Demütigung?“, grollt er finster, „Im Grunde bin ich noch viel zu nachsichtig mit dir und Deinesgleichen.“ Nun beißt Tenmaru schmerzhaft die Zähne zusammen, dann ruckartig reißt er den Kopf hoch und schaut den Youkaifürsten vor ihm direkt an. „Wenn ich euch so zuwider bin, dann tötet mich doch gleich! Es spielt keine Rolle für mich. Beendet meine und eure Qual und tötet mich, dann braucht ihr mich nicht mehr zu ertragen!“ Einen langen Moment ringen ihre Blicke miteinander, doch dann wendet Sesshomaru sich verächtlich ab. „Hmh! Du unterschätzt dich! Solch eine Bedeutung hast du nicht für mich!“ In Tenmaru keimt die Wut auf: „Das ist eine Lüge! Ihr könnt mir nichts vormachen, schon mein Anblick reizt euch bis aufs Blut! Warum? Warum verachtet ihr mich so? Was stört euch so an mir?“ Doch er hat die Worte kaum zu Ende gebracht, als ihn ein mächtiger Hieb ins Gesicht zu Boden schleudert und ihn noch einige Meter weiterkullern lässt. Wutschnaubend mit rotglühenden Augen und gebleckten Reißzähnen steht Sesshomaru da; die Klaue noch immer zum Schlag erhoben. Wackelig stemmt Tenmaru sich wieder hoch. Er schmeckt sein eigenes Blut im Mund und ihm tut jeder Knochen weh. Der Schlag eines Daiyoukais hat es in sich. Etwas kleinlauter sagt er nun: „Verzeiht mir, mein Fürst, ich bin zu weit gegangen. Ich hätte das nicht sagen sollen. Vergebt mir!“ Sesshomaru atmet einmal tief durch; er ringt schwer um seine Fassung. „Ich hätte dich gleich am ersten Tag töten sollen!“, zischt er. Seine Augen nehmen wieder ihre normale Farbe an. Dann kommt er langsam auf den Streuner zu. Sein Blick ist hart. „Sag mir warum du hierher gekommen bist!“, verlangt er. Tenmaru schaut etwas unsicher auf. „Das wisst ihr doch. Ich wollte in eure Dienste treten.“ „Nein!“, Sesshomarus Blick ist steinern, „Ich will wissen, warum du nicht bei deinem vermaledeiten Rudel geblieben bist!“ Langsam lässt Tenmaru den Kopf sinken: „Weil es kein Rudel mehr gibt, mein Fürst!“ Sesshomarus Blick wird schmal: „Rede nicht so einen Unsinn, was soll das heißen?“ „Es ist die Wahrheit, mein Fürst, das Rudel hat sich aufgelöst!“ „Aufgelöst?“, Sesshomaru behält den Youkai vor sich scharf im Blick, „Das kann nicht sein! Was ist mit Hanaki?“ Nun blickt Tenmaru auf, doch sein Gesicht kämpft schwer um seine Fassung: „Sie ist tot!“ Einen sehr langen Augenblick sagt Sesshomaru kein Wort. Nicht die kleinste Regung läuft über sein Gesicht. Dann strafft er sich und starrt den Youkai vor sich scharf an. „Wie ist das passiert?“, fordert er zu wissen. Tenmaru weicht seinem Blick aus. „Sie wurde... im Zweikampf besiegt.“ „Und weiter?“, fragt Sesshomaru scharf. Nur schwer will Tenmaru mit der Sprache heraus: „Es war... Inu-Taihyouga. Er spürte sie auf und forderte sie heraus... als Wiedergutmachung für den damaligen Vorfall. Sie ließ sich darauf ein. Sie... sie befahl uns, keinerlei Rache zu üben, sollte sie unterliegen. Aber... wir konnten... wir konnten das nicht hinnehmen.“ Hier verstummt er. Mit starrer Mine blickt Sesshomaru auf ihn herab. „Das erklärt Einiges“, sagt er, „Ich hoffe dir ist klar, dass ihr damit nicht nur einen Krieg heraufbeschworen habt, ihr habt auch wissentlich gegen den Befehl eures Hauptmanns gehandelt! Aber was ich von eurem Befehlsgehorsam zu halten habe, hast du mir ja schon deutlich gezeigt.“ Tenmarus Schultern sinken immer mehr herab. „Ich weiß... mein Fürst!“, sagt er leise. „Du bist ebenso verantwortlich für die ganze Angelegenheit, wie mein nutzloser Bruder.“, fährt Sesshomaru fort, „Und dein Rudel ebenso. Ihr werdet eurer Strafe nicht entgehen, ganz gleich ob ihr euch in alle Winde zerstreut oder versucht bei irgendwelchen Fürsten Schutz zu finden. Und wenn ich jeden von euch persönlich suchen muss, kein Einziger von euch dreckigen, wertlosen, Verbrechern, wird mit dem Leben davonkommen, das versichere ich dir! Ich gebe dir lediglich noch so viel Zeit, wie mein Bruder sich bereiterklärt, oder in der Lage ist, dich mit sich herumzuschleppen.“ Dann wendet sich der stolze Youkaifürst ab und erhobenen Hauptes verschwindet er zwischen den dunklen Bäumen und ist kurz darauf nicht mehr zu sehen. Einsam und schweigend bleibt Tenmaru zurück. Die Kühle der Nacht kriecht allmählich in ihm hoch, doch er nimmt sie kaum wahr. Viel mehr schmerzt ihn die eisige Kälte in seinem Herzen. Kapitel 11: Der Hauptmann ------------------------- Damals... In einem blassgelben Licht geht die Sonne auf, kein schöner Tag für einen Spaziergang. Die düsteren Wolken am Horizont verheißen nichts Gutes. Doch Sesshomaru kümmert das nicht, es ist kein Spaziergang den er unternimmt. In dieser Nacht hat er sich keine Ruhe gegönnt. Zu viel geht ihm durch den Sinn. Außerdem ist jetzt jederzeit mit einem feindlichen Angriff zu rechnen. Gerade folgt er einem kleinen Flusslauf. Nach außen hin ist er die Ruhe selbst, jedoch im Inneren ist er hellauf wachsam. Schon den ganzen Morgen über spürt er ein unheilvolles Kribbeln im Nacken, als würde ihn jemand beobachten, doch so sehr er seine Sinne auch anspannt, kein Verfolger ist auszumachen. So begleitet ihn nur sein stets kritischer Instinkt und zwingt ihn dazu, wachsam zu bleiben. Nichtsdestotrotz versucht der junge Youkai trotzdem, die Reise zu nutzen, um sich Gedanken darüber zu machen, wie er den Ostfürsten von seiner Dominanz überzeugen kann. Angestrengt ruft er sich alles ins Gedächtnis was er über den Osten und seinen Fürsten weiß. Die Hunde des Ostens sind ein verschlagenes Volk, erinnert er sich. Sie scheuen die offene Auseinandersetzung und lösen ihre Probleme lieber mit Ränkeschmieden, wenn es sich einrichten lässt. Schlau und gerissen sind sie, jedoch zählt auch fast schon sprichwörtliche Feigheit zu ihren Charakterzügen. Wenn ein Kampf zu vermeiden ist, ist das nur in ihrem Interesse Ihr Fürst Arashitsume bietet da keine Ausnahme. Nur ein einziges Mal hat er ihn bisher zu Gesicht bekommen und das ist schon viele Jahre her. Damals hatte Inu Taishou mit ihm die Grenze überquert um seinen Thronfolger mit den anderen Fürsten bekannt zu machen. Obwohl Sesshomaru damals erst zwei Jahre alt war, kann er sich dennoch an die feindlichen und missgünstigen Blicke erinnern. Aber ebenso erinnert er sich auch an den Geruch von Angst und Respekt vor dem größten Youkaifürsten den es je gab. Auch der Fürst des Ostens hatte gute Mine zum bösen Spiel gemacht und notgedrungen den Fürsten des Westens willkommen geheißen, doch Sesshomaru spürte schon damals den Hass und die Verachtung die hinter seinen Worten steckte. Dieser Tage wird es sicher nicht anders sein, vermutet der junge Fürst. Arashitsume ist ein verschlagener Taktiker und ein redegewandter Diplomat, doch wenn ich auf seine Schmeicheleien nicht hereinfalle und mich offen herausfordernd verhalte, habe ich gute Chancen meine Machtposition klarzustellen. Sicher lässt er es nicht offen zum Kampf kommen, wenn er es irgendwie vermeiden kann. Schließlich bin ich Inu Taishous Sohn! Schon alleine das sollte genügen um ihn abzuschrecken! Sesshomaru seufzt innerlich. Ich hoffe Arashitsume ist davon mehr überzeugt als ich. Doch sogleich ruft er sich erneut zur Ordnung. Nein, Zweifel sind hier im Moment gänzlich fehl am Platz. Zweifel bedeuten immer Schwäche und Schwäche kann er sich nicht erlauben. Verdammt noch mal, er ist Inu Taishous Sohn! Inu Taishou hatte niemals Zweifel! Inu Taishou war niemals schwach und er hatte auch gute Gründe dafür. Er war stark gegenüber seinen Gegnern, er war weise gegenüber seinen Untertanen und er war fürchterlich in seinem Zorn! Es gelang nicht leicht ihn zu reizen, doch wenn ihn einmal die Wut packte, tat man gut daran ihm tunlichst aus dem Weg zu gehen. Sesshomaru bleibt stehen. Gedankenverloren blickt er an sich herunter. „Ach, Chichi-ue“, murmelt er, „Wie gewaltig sind doch eure Fußstapfen!“ In diesem Augenblick spürt er das nervöse Kribbeln erneut, mit einer solchen Intensität, dass es augenblicklich seine gesamte Aufmerksamkeit auf sich zieht. Hinter den Bäumen ein Stück entfernt vernimmt er ein kaum hörbares Geräusch; ein Geräusch, das nicht von den üblichen Bewohnern des Waldes stammt. Na endlich!, denkt Sesshomaru bei sich und ist augenblicklich voll konzentriert. Es dauert kaum zwei Sekunden, da hat er die Bäume auch schon erreicht, mit gezückten Klauen, rotfunkelnden Augen und der wilden Entschlossenheit jeden niederzumachen, der es wagt ihm so hinterrücks aufzulauern. Doch kaum, dass er die Lichtung erreicht, die hinter den Bäumen liegt, hält er auch schon völlig entgeistert inne. Das hier ist es ganz sicher nicht gewesen was er vorzufinden erwartet hatte. Auf der Lichtung verstreut liegen sechs Youkais, grauenvoll zugerichtet in ihrem eigenen Blut. Einigen ist die Kehle herausgerissen worden, anderen fehlen zusätzlich noch diverse Gliedmaßen. Alle haben ihren letzten Atem ausgehaucht. Sesshomaru steht da wie vom Donner gerührt. Alle sechs sind Youkai des Ost-clans gewesen und jeder von ihnen trägt eine Waffe bei sich. Bedächtig zieht Sesshomaru die Luft ein. Ohne Zweifel, die schwache Witterung dieser sechs ist es gewesen, die ihm schon den ganzen Tag einen Schauer nach dem anderen über den Rücken gejagt hat. Anscheinend sind es Späher gewesen und sie haben ihn bereits den ganzen Tag im Augen behalten, ohne von ihm bemerkt zu werden. Sie müssen wirklich gut gewesen sein. Mit gemischten Gefühlen starrt Sesshomaru auf die Leichen. Einerseits macht es seinem Stolz sehr zu schaffen, dass er sie nicht früher bemerkt hat. Andererseits macht ihm noch mehr zu schaffen, dass sich offenbar jemand anders um diese Späher gekümmert hat, jemand der es mit Leichtigkeit mit sechs von ihnen aufnahm. Jemand, der dafür offenbar keine fünf Sekunden gebraucht hat. Dem Geruch nach sind die Kadaver kaum ein paar Minuten alt. Wer oder was ist in der Lage eine Gruppe von sechs Soldaten innerhalb kürzester Zeit so zuzurichten und das ohne das leiseste Geräusch. Und noch viel schwerer wiegt die Frage: Warum? Ohne Frage waren diese Soldaten beauftragt worden ihn im Auge zu behalten und wohlmöglich auch anzugreifen, wenn sich die Gelegenheit bot. Jeder bei Verstand würde nun annehmen, dass der Fürst des Westens kurzen Prozess mit ihnen gemacht hat. Geht es hier darum ihm einen Mord anzuhängen oder gar einen Krieg auszulösen? Sesshomarus Mine verfinstert sich. So etwas kann er nicht auf sich sitzen lassen! Nicht nachdem er den festen Entschluss gefasst hat, den Rat von seiner Führungsqualität zu überzeugen. Wer immer ihm hier ins Handwerk pfuscht, wird bitter dafür büßen! Urplötzlich steigt ihm ein schwacher Geruch in die Nase. Sofort sind alle seine Sinne im höchsten Maße konzentriert. Sein Kopf fliegt herum und aus den Augenwinkeln erkennt er gerade noch eine flüchtige Bewegung zwischen den Bäumen. Nun gibt es kein Halten mehr. Wie von der Sehne geschossen, setzt Sesshomaru der davoneilenden Präsenz nach. Dabei lässt er sich von seinen Sinnen fast mit traumwandlerischer Sicherheit führen. Jeder Haken den der Flüchtende schlägt, jede Finte jeder Zwischensprint; der junge Fürst des Westens lässt sich nicht in die Irre führen. Er hat die Witterung des Täters aufgenommen, er ist hartnäckig und er ist sauer. Es ist die einzige Fährte die von der Lichtung wegführt und bisher hat er sich noch immer auf seine Sinne verlassen können. Wer immer dort flüchtet, muss für den Tod der Youkais verantwortlich sein und Sesshomaru ist fest entschlossen, dafür eine Erklärung zu erhalten. Nicht, dass ihm die Youkais irgendwie leid tun würden, so etwas wie Mitleid ist ihm völlig fremd, aber er hat den Verdacht, hier als Sündenbock herhalten zu sollen und das geht ihm ganz gehörig gegen den Strich! Und trotzdem stellt Sesashomaru fest, dass die Verfolgung des Fremden nicht so einfach ist wie er angenommen hat. Seine Beute ist schnell, sehr schnell und sie versteht es ihre Spuren und ihre Aura geschickt zu verwischen. Innerlich hegt er Zweifel daran, dass irgendjemand sonst, außer ihm, in der Läge wäre dieser Person zu folgen. Wer mag dieser Kerl sein? Sesshomarus Ergeiz ist geweckt und der Abstand zwischen ihm und seiner Beute wird geringer. Es wird nicht lange dauern, bis er ihn eingeholt hat. Da, auf einmal schlägt der Fremde einen weiten Bogen. Sesshomaru ist ein wenig irritiert, doch schon wenige Augenblicke später dämmert ihm, was damit beabsichtigt ist. Vor ihm tauchen zwei weitere Witterungen auf. Ost-Youkais! Um ein Haar wäre er in die beiden hineingerannt. Er schafft es gerade noch rechtzeitig vor den verdatterten Ostclan-Kriegern abzubremsen und so würdevoll wie irgend möglich zum Stehen zu kommen. Schon bemerkt er wie die Witterung des Fliehenden sich verflüchtigt. Verdammt! Doch gerade hat er keine Zeit sich mit diesem Verlust zu befassen, denn die beiden Youkais haben ihre Überraschung schnell abgelegt und erfassen nun recht zügig die Sachlage. Schon hat der erste ihn erkannt. „Das ist der Nishi-aitsu!“, schreit er seinem Kameraden zu. Sofort zückt der andere seine Waffe, einen langen Spieß. „Du wirst dafür büßen was du unseren Kameraden angetan hast!“, grollt er und ohne ein weiteres Wort stürmt er wutentbrannt auf Sesshomaru los. Auch der andere schließt sich dem Angriff an, er schwingt einen Stab an dessen Enden jeweils eine gefährlich scharfe Klinge sitzt. Doch auf Sesshomarus Reflexe ist Verlass. Mit einer geschmeidigen Bewegung weicht er den niedergehenden Waffen aus, er braucht kaum einen Gedanken daran verschwenden. Obwohl er mit diesem urplötzlichen Ausbruch nicht gerechnet hat, fällt es ihm fast spielerisch leicht darauf zu reagieren. Im Grunde wäre es kein Problem diesen beiden lebensmüden Idioten unverzüglich den Garaus zu machen, besonders in der Gemütsverfassung in der er sich momentan befindet. Er fühlt sich zum Narren gehalten und er ist wütend! Wütend auf seinen entkommenen Flüchtling, der ihn hierher gelockt hat, wütend auf diese beiden voreiligen und dreisten Higashi-aitsu und besonders wütend darüber, dass man ihn offenbar dafür verwendet hat, die Drecksarbeit zu machen. Doch diese Rechnung wird ganz sicher nicht aufgehen! Er ist niemandes Werkzeug! Sesshomarus Blut ist in Wallung. Er muss seinem Ärger Luft machen sonst platzt er. Mit zwei wütenden Handkantenschlägen befördert er die beiden Youkais quer über die Lichtung, so, dass sie an zwei Bäumen zu liegen kommen und schmerzerfüllte Laute von sich geben. Rot funkeln seine Augen und seine Reißzähne treten weit hervor. „Was fällt euch ein mich anzugreifen!“, zischt er bitterböse und mit so viel Verachtung wie er nur in seine Worte legen kann, „Wisst ihr eigentlich wen ihr vor euch habt?“ Ächzend kommen die beiden wieder auf ihre Füße, doch ihr Kampfwille ist ungebrochen. „Wir wissen genau wer du bist, Nishi-aitsu!“, ruft der eine zornig, „Kein Status der Welt gibt dir das Recht unsere Leute nach deinem Gutdünken abzuschlachten. Sie waren nur als Eskorte gedacht! Dreckiger Köter! Aber Verrat ist ja von jeher das einzige was vom Westen zu erwarten ist!“ Diese Worte bringen Sesshomaru gänzlich aus der Fassung: „Du beleidigst das Andenken meines Vaters!“, schreit er zornesbebend, „Dafür stirbst du, du Wurm!“ Mit einem tiefen Grollen in der Kehle, rotglühenden Augen und gefletschten Reißzähnen stürzt sich Sesshomaru auf die beiden aggressiven Youkais. Doch einmal mehr ist sein Angriff vergebens. Noch bevor er sie erreichen kann, fällt vollkommen lautlos eine Gestalt aus einem der Bäume herab und mit tödlicher Körperkontrolle und überaus grazilen Bewegungen packt sie die beiden Youkais an der Kehle, drückt einmal kräftig zu und bringt sie so ein für allemal um das Erlebnis von Sesshomarus gewetzten Klauen zerfleischt zu werden. Und nicht nur das! Schon eine halbe Sekunde später, lässt sie die beiden leblosen Kadaver fallen, greift in atemberaubender Geschwindigkeit an ihren Gürtel, zieht ein schimmerndes Kurzschwert und wehrt damit Sesshomarus ungezügelten Angriff ab indem sie seine Klaue blitzschnell mit der flachen Schwertklinge zur Seite stößt. Sesshomaru lässt sich nicht dazu hinreißen, von dem erstaunlich kräftigen Schlag zu taumeln. Sofort hat er sein Gleichgewicht wieder. Langsam reicht es ihm! Ständig mischt sich irgendwer in seine Kämpfe ein, damit muss jetzt Schluss sein! Noch immer wutschnaubend starrt er den Neuankömmling an. Was er nun sieht, überrascht ihn aber doch. Vor ihm steht, aus der Schwungbewegung geschmeidig aufgerichtet, eine drahtige, hochgewachsene Youkai-Frau. Ihre Bewegungen sind kontrolliert und zeugen von trainierten Muskeln, sie trägt bequeme, praktische Lederkleidung die am Saum mit grauem Pelz besetzt ist. Nur über der Brust trägt sie einen verzierten Holzbrustpanzer. Ihre langen Haare glänzen wie dunkler Obsidian in der Sonne und in ihre purpurfarbenen Augen glüht ein faszinierendes Feuer. Über die blasse Gesichtshaut ihrer wohlproportionierten, breiten Wangenknochen ziehen sich die klaren Linien der typisch gezackten Gesichtszeichnung der Ost-Youkais und zu Sesshomarus Verwunderung ist auf ihrer Stirn ein deutliches, türkisfarbenes Blitzsymbol zu erkennen, dass den Anschein erweckt als würde es im fahlen Tageslicht schimmern. Für einen kurzen Moment ist Sesshomaru ganz einfach sprachlos. Schließlich findet er seine Worte wieder. „Was mischst du dich hier ein?“, ruft er um seinem Ärger Luft zu machen, „Glaubst du etwa, ich hätte diese Köter nicht alleine besiegen können?“ Etwas Besseres fällt ihm im Augenblick nicht ein. Die Fremde Youkai schaut ihn mit schmalen Augen an. Dann steckt sie mit einer fließenden Bewegung ihr Schwert zurück in die Scheide. „Ich wollte euch nur davon abhalten eine Dummheit zu begehen.“ Diese Antwort irritiert Sesshomaru ein wenig. Für einen kurzen Moment schweigt er. Dann fragt er: „Ihr meint, damit ich diese zwei nicht töte, habt ihr sie getötet?“ Ohne dass er es merkt ist Sesshomaru zur Höflichkeitsform übergegangen. Die Fremde wirft ihm einen herablassenden Blick zu: „So kann man es nennen.“ Wie beiläufig wischt sie mit ihren noch immer blutigen Händen über ihren Brustpanzer und hinterlässt dort ein paar klebrige, rote Streifen. Sesshomarus Gehirn arbeitet erfreulicherweise gut mit. Langsam dämmert es ihm. „Ihr wollt nicht, dass ich als der Schuldige dastehe!“, stellt er überrascht fest. Diese Erkenntnis verwirrt ihn noch mehr. Gerade hatte er noch das komplette Gegenteil angenommen. „Ihr habt eine rasche Auffassungsgabe, Ouji-sama (werter Prinz)“, meint die Fremde gelassen. „Aber das ergibt keinen Sinn!“, spricht Sesshomaru seine Gedanken aus, „Welchen Vorteil könnte euch das bringen?“ „Keinen den ich euch nennen würde!“, gibt sie ernst zurück. Nun wird auch Sesshomaru wieder ernst. Er wird sich bewusst, dass er hier mit einer Dai-Youkai des Osten redet. Auf keinen Fall darf er sie wie ein kleiner, dummer Junge mit unsinnigen Fragen löchern. Das wäre fatal! Nun strafft er sich und setzt eine gleichgültige Mine auf. „Ich habe euch nicht um Hilfe gebeten und ich benötige sie auch nicht!“, stellt er klar. Ein leicht spöttischer Zug liegt um ihre Mundwinkel: „Daran hätte ich nie gezweifelt!“ „Aber vielleicht war eure Tat doch nicht so wohlüberlegt wie ihr glaubt“, setzt Sesshomaru ärgerlich nach, dem ihr verstohlener Spott nicht entgangen ist, „Was sollte mich schließlich hindern, eurem Fürsten den wahren Täter mitzuteilen?“ Nun lacht die Youkai auf und ihre Augen schimmern vergnügt: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Arashitsume die Mühe machen wird, mich für meine Taten zur Verantwortung ziehen zu wollen.“ Sesshomarus Augen funkeln ärgerlich: „Wenn ein Fürst nicht einmal in seinem eigenen Land für Ordnung sorgen kann, wird er nicht lange Fürst bleiben!“ Nun verstummt ihr Lachen. Ernst schaut sie den jungen Youkaifürsten an. „Maßt euch nicht zu viel an, Fürst Sesshomaru! Ja, ich weiß sehr wohl wer ihr seid. Ihr mögt euch selbstsicher und zuversichtlich geben, doch ihr seid noch sehr unerfahren. Arashitsume ist niemand über den man einfach hinweggehen kann. Wenn ihr das tut, werdet ihr eine vernichtende Niederlage erleiden!“ In seinem Stolz gekränkt starrt Sesshomaru sie an. „Ich kenne meine Verantwortung und ich scheue meine Aufgaben nicht. Versucht nicht mich zu belehren!“ Sie schüttelt leicht den Kopf: „Nichts liegt mir ferner. Und nur damit ihr es wisst, nicht ihr seid das Ziel meiner Sorge. Ich hatte nicht vor einzugreifen, doch auch ich habe Verantwortung die es mir unmöglich machte, den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen.“ „Wie ist euer Name?“, fordert Sesshomaru nun zu wissen, „Und von welcher Verantwortung sprecht ihr?“ Die schlanke Frau richtet sich würdevoll auf. „Mein Name ist Hanaki (schöne Blume). Und meine Verantwortung, junger Ouji-sama, ist meine Angelegenheit, nicht eure!“ Sesshomaru braust auf: „Tut nicht so herablassend! Ich entscheide selbst was meine Angelegenheit ist. Ich bin kein Kind mehr!“ Die jugendlich wirkende Youkai fängt an leise zu lachen, dann sagt sie: „Gerade jetzt benehmt ihr euch aber wie eines!“ Sesshomaru steigt das Blut ins Gesicht. Verdammt, sie hat recht. Was rede ich hier bloß? Ich klinge in der Tat wie ein trotziges, kleines Kind. Wie demütigend! Der junge Fürst schluckt einmal und atmet tief durch. Dann hebt er den Kopf und erwidert fest ihren Blick. Seine nächste Reaktion wird entscheidend sein. Dann schließlich sagt er: „Spart euch euren Spott! So mancher der Kinder unterschätzte fand sich am nächsten Morgen von seinen Feinden umringt vor, die des nachts durch das geöffnete Tor hereinkamen. Niemand der Verantwortung trägt, kann sich anmaßen auch nur seinen geringsten Gegenüber zu unterschätzen und ich versichere euch, zu den Geringsten zähle ich ganz sicher nicht, verlasst euch darauf!“ Das Lächeln auf dem Gesicht der Youkai verschwindet. Abschätzend schaut sie den jungen Fürsten des Westens an. Dann sagt sie: „Mag sein, dass Yaeba recht hatte als er mir berichtete, ihr wäret reifer als euer Alter vermuten lässt. Ich stimme ihm zu; aus euch könnte tatsächlich einmal ein ernstzunehmender Fürst werden.“ Bei diesen Worten fühlt Sesshomaru sich innerlich sehr aufgewühlt. Er weiß nicht ob er sich durch das Kompliment geschmeichelt fühlen oder über die herablassende Art ärgern soll. Um seine Unsicherheit zu überspielen fragt er: „Ihr kennt diesen Yaeba?“ Hanaki hebt die Brauen. „Natürlich, er ist schließlich mein direkter Untergebener in unserem Rudel.“ Sesshomaru schaut sie fragend an: „Was für ein Rudel meint ihr?“ Sie reckt würdevoll ihr Kinn: „Ich rede von dem Streunerrudel, dessen Hauptmann ich bin.“ Sesshomaru hebt die Brauen: „Ihr seid der Hauptmann? Aber es klang so als ob...“ Sie fällt ihm ins Wort: „Als ob der Hauptmann ein Mann ist. Nicht wahr? Das ist nur ein Mittel der Disziplin. Meinen Leuten fällt es leichter zu parieren wenn sie mir einen männlichen Titel geben können. Wenn ihr hinkommt, könnt ihr ja mal Arashitsume danach fragen. Sicher findet ihr seine Reaktion darauf recht amüsant.“ Sesshomarus Blick wird schmal: „Ich unternehme diese Reise nicht wegen belanglosem Geplänkel. Mich führen wichtige Angelegenheiten hierher!“ Ihr Blick wird wieder ernst: „Ihr habt recht, mich ebenfalls. Nun, ich weiß jetzt alles was ich vorerst wissen muss, deshalb will ich euch auch nicht länger aufhalten.“ Nun wendet sie sich zum Gehen. „Auch wenn ihr es mir vielleicht nicht glaubt, Sesshomaru-sama, ich wünsche von Herzen, dass euer Anliegen von Erfolg gekrönt sein wird. Die Aufgabe, die vor euch liegt, ist nicht einfach. Nur damit ihr wisst womit ihr zu rechnen habt: Die sogenannte Eskorte war in Wirklichkeit eine Meucheltruppe die euch töten sollte“, noch einmal dreht sie sich um und ein eigenartiges Funkeln liegt in ihrem Blick, „Aber das wusstet ihr natürlich! Nehmt diese Warnung an: Unterschätzt Arashitsume nicht, das ist gefährlich!“ Dann einen Augenblick später ist sie mit einem grazilen Sprung in den Bäumen verschwunden und der junge Fürst des Westens bleibt mit den zwei Leichen und seinen Gedanken allein. Kapitel 12: Streit ------------------ „Ich sagte doch, ich habe keinen Appetit!“, Inu Yasha wendet sich mürrisch vom Lagerfeuer ab. Kagome verdreht die Augen: „Geht das jetzt schon wieder los? Es ist doch immer das selbe mit dir! Jedes Mal wenn du unter Stress stehst oder wieder mal beleidigt bist, hast du keinen Appetit. Ist dir das mal aufgefallen? Ich frag mich, warum ich mir überhaupt noch die Mühe mache was zu kochen.“ „Also mir schmeckt es ganz ausgezeichnet, Kagome“, bemerkt Miroku rasch, der in seiner Hand eine große Schüssel Ramen hält und genüsslich davon isst. „War ja klar“, meint Sango die neben ihm sitzt und schweigsam ihre Nudeln verspeist, „Du musst dich gleich wieder anbiedern.“ Miroku dreht sich zu ihr um: „Ich biedere mich überhaupt nicht an. Was denkst du nur immer von mir?“ „Wie würdest du es denn nennen?“, entgegnet Sango spitz. Miroku hebt beleidigt das Kinn: „Pure Höflichkeit!“ „Was du nicht sagst“, brummt Sango. Die kleine Reisegesellschaft hat einmal mehr campiert und allmählich macht sich die Anspannung der letzten Tage bei allen Anwesenden bemerkbar. Inu Yasha und Kagome geraten sich immer häufiger in die Haare und auch Miroku und Sangos Geplänkel geht bereits über das gewöhnliche Maß hinaus. Shippo ist fortwährend bemüht, sich aus der Schusslinie zu halten und gibt kaum noch einen Ton von sich und sogar Kiara schafft es nicht mehr die kleine Rin aufzuheitern. Das kleine Mädchen lächelt nicht mehr sondern schaut nur immerzu zu dem großen, weißhaarigen Youkaifürsten hinüber, der sich stets ein Stück abseits aufhält und kein einziges Wort von sich gibt. Stattdessen scheint er permanent in tiefe Gedanken versunken zu sein, jedenfalls widmet er seinem Bruder und dessen Kameraden keinen einzigen Blick. Auch der junge Streuner bleibt wortkarg. Ein paar Mal haben sie versucht ihn in Gespräche zu verwickeln, doch er gibt kaum mehr als einsilbige Antworten von sich, also haben sie es schließlich aufgegeben. Seit Sesshomaru vor zwei Tagen von seinem Streifzug in den Wäldern zurückgekehrt ist, ist nicht mehr aus ihm herauszubekommen, als das Kommando zum Aufbruch nach der Rast. Auch legt der Youkaifürst nur noch die nötigsten Pausen ein. Ganz offensichtlich ist ihm viel daran gelegen, diese überaus unangenehme Aufgabe so rasch wie möglich hinter sich zu bringen. Tenmaru war an diesem Abend gar nicht mehr aufgetaucht. Erst am frühen Morgen war er wieder zu ihnen gestoßen. Kagome hatte sich ihre eigenen Gedanken darüber gemacht. Ihre Intuition sagte ihr, dass irgendetwas zwischen den beiden Youkai vorgefallen war, aber da beide noch leben, werden sie wohl nicht gekämpft haben. Aber was ist es dann? Sie spürt noch immer die Spannung in der Luft. Irgendetwas geht zwischen den beiden vor, aber sie hat keine Ahnung was. Dieses Gefühl verursacht ihr eine Gänsehaut. Da kommt es ihr gar nicht gelegen, dass Inu Yasha sich gerade wieder so störrisch anstellt. „Also gut, wenn du nicht willst, dann eben nicht!“, verstimmt dreht sie sich weg und widmet sich ihrer Nudelsuppe. Dann fällt ihr Blick auf Tenmaru der neben ihnen auf den unteren Ästen eines Baumes sitzt und schweigend in die Baumkrone über ihm hinaufschaut. „Möchtest du vielleicht etwas hiervon?“, fragt sie. Der Youkai schaut zu ihr hinab. Kagome zuckt leicht zusammen. In diesen violetten Augen liegt eine solche Kälte, dass es ihr einen Schauer über den Rücken jagt. Dabei bleibt sein Gesicht vollkommen reglos. Dennoch spürt sie diesen Blick so intensiv, als hätte man sie gestochen. „Nein danke!“, sagt er gleichgültig, doch Kagome lässt sich nicht täuschen. In diesem Blick liegt kalter Hass und zugleich eine unerklärliche Spur von Schmerz. Sie ist sich sicher, der Streuner hat keinerlei Interesse daran, dass irgendwer über seine Gefühle bescheid weiß. „Tu ihr schon den Gefallen!“, brummt Inu Yasha zu Tenmaru hinüber, „Wenn sie nicht irgendwen mit ihrem Essen abfüttern kann, haben wir den ganzen Tag keine Ruhe vor ihr. Die ist echt ungenießbar, wenn sie ihren Willen nicht kriegt.“ Kagome reißt die Augen auf. „Inu Yasha!“, ruft Sango empört. Der Hanyou ignoriert sie. Tenmaru verzieht das Gesicht: „Danke, ich möchte nicht!“ „Das siehst du’s. Er möchte nicht“, meldet sich Miroku zu Wort, der einen Streit kommen sieht und versucht zu retten was zu retten ist. Doch Inu Yasha schert sich nicht darum. Er hat schlechte Laune und das dürfen die anderen ruhig wissen. Er verschränkt die Arme und schaut Tenmaru herausfordernd an. „Das ist mir egal! Er hat immer wieder behauptet, er würde alles tun, was ich ihm sage, also kann er gefälligst auch Kagomes dummes Essen essen, oder?“ Tenmaru beißt die Zähne zusammen und funkelt Inu Yasha finster an. Man merkt ihm an wie ungern er im Moment an seine Verpflichtungen erinnert wird. „Was soll das heißen, mein Essen ist dumm?“, wütend ist Kagome aufgesprungen und stemmt die Arme in die Seite. „Oh oh!“, lässt sich Shippo vernehmen und geht schon mal in Deckung. Inu Yasha springt ebenfalls auf und lässt sich einen genervten Seufzer vernehmen: „Oh, war ja klar, dass du das wieder in den falschen Hals bekommst!“ „Was gibt’s denn daran bitte falsch zu verstehen?“ „Beruhigt euch doch bitte!“, versucht Miroku vergeblich den Streit zu schlichten. Inu Yasha stemmt jetzt ebenfalls die Hände in die Seite: „Hör auf, Kagome! Immer suchst du Streit mit mir! Dafür hab ich jetzt keinen Nerv!“ „Was soll das denn jetzt heißen? Wer fängt denn immer mit dem Streit an?“ Aber Inu Yasha geht darauf gar nicht ein: „Du bist so was von nervig. Halt doch einfach einmal die Klappe! Ich rede grade mit diesem Streuner da!“, ärgerlich reißt er Kagome ihren Nudeltopf aus der Hand, was empörte Blicke zur Folge hat. Aufgebracht wendet sich Inu Yasha an Tenmaru und streckt ihm die Suppenschale hin: „Iss! Das ist ein Befehl!“ Tenmarus Blick wird eisig und seine aufeinandergepresste Lippen werden weiß. Elegant schwingt er sich von seinem Ast herunter. Mit Grabesstimme sagt er: „Ich bedaure... das bekomme ich nicht runter... mein Fürst!“ Doch Inu Yasha lässt das nicht durchgehen: „Ja ja, erst große Töne spucken und dann kneifen. Wenn ich schon dein Fürst bin, dann kannst du mir gefälligst auch gehorchen! Jetzt iss endlich diesen verdammten Fraß!“ „Verdammter Fraß?“, Kagome traut ihren Ohren nicht, „Was heißt hier ‚Fraß’, häh? Du... du... bist einfach unerträglich, Inu Yasha! Ich koche nie wieder für dich.“ „Könntet ihr vielleicht ein bisschen leis...?“ „Bitte schön! Mach doch! Mir doch egal, du dumme Pute!“ „Nun reiß dich aber mal zusammen, Inu Yasha!“ „Halt dich da raus, Sango!“ „SIIIITZ!!!“ Mit einem lauten Krachen schlägt der Hanyou auf dem Boden auf. Zornesbebend steht Kagome über ihm. Wuttränen stehen ihr in den Augen. „Du bist ein echtes Ekel, Inu Yasha!“, schnaubt sie. Grollend rappelt der Hanyou sich wieder auf: „Musste das ausgerechnet jetzt sein? Immer wenn dir die Argumente ausgehen, benutzt du diese dämliche Kette. Wie steh’ ich denn nun da? Denkst du vielleicht auch mal an meinen Ruf?“ Wütend funkelt Kagome ihn an: „Dein Ruf? Und was ist mit meinem Ruf? Du beleidigst mich hier in einer Tour!“ „Tu ich gar nicht!“ „Tust du sehr wohl!“ „Gar nicht!“ „Doch!“ „Nein!“ „Doch!!!“ „ES REICHT!!!“, der donnernde Schrei hallt energisch über das Lager und die unverhehlte Wut die darin liegt, sorgt schlagartig für Ruhe. Sämtliche Blicke fliegen furchtsam hinüber zu Sesshomaru. Der mächtige Youkaifürst ist aufgesprungen. In seiner Mine liegt ungezügelter Zorn. Nun kommt er mit raschen Schritten auf die Gruppe zu. Sein Gesicht ist finster und seine Augen leuchten gefährlich rot. Scharfe Reißzähne schieben sich unter seinen Lippen hervor und seine Klauen haben eine gefährliche Länge angenommen. Lediglich fünf große Schritte benötigt er und ehe noch irgendjemand reagieren kann, hat er Inu Yasha erreicht. Wütend holt er zum Schlag aus und schon im nächsten Moment fliegt der Hanyou im hohen Bogen vom Feuer weg und kommt mehrere Schritte weiter mit einem schmerzvollem Schnaufen zu liegen. Mühevoll und verdattert setzt er sich auf und spuckt einen Schwall Blut aus. Keiner der anderen wagt ein Wort zu sagen. Der hochgewachsene Youkai steht mitten in ihrer Mitte und schaut wütend auf sie herab. „Hinsetzen!“, brüllt er und sofort lassen sich alle Umstehenden auf ihren Hintern plumpsen und versuchen abwesend auszusehen. Noch nie haben sie Inu Yashas Halbbruder so ungehalten erlebt. Ohne sie weiter zu beachten, lässt Sesshomaru sie sitzen und folgt mit energischen Schritten seinem Bruder. Sein Schwert Toukijin zu ziehen und es unbarmherzig seinem Halbbruder entgegenzustrecken, ist eine Bewegung. Unwillkürlich weicht Inu Yasha ein Stück vor der scharfen Klinge zurück. Sesshomarus Mine ist eisig. Als er spricht, ist seine Stimme gefährlich leise. „Wenn jetzt nicht augenblicklich Schluss ist mit diesem entsetzlichen Gezanke und diesem widerlichen, kindischen Geschnatter, dann sind mir jegliche Konsequenzen egal. Hab ich mich klar ausgedrückt? Du kannst dir gar nicht vorstellen wie sehr du und dein Pack mich anwidert. Bis wir da sind, will ich keinen einzigen Ton mehr von dir oder deinem abscheulichen Gefolge hören, verstanden? Ich mache dich persönlich dafür verantwortlich. Hör ich noch ein einziges Wort von denen, mach ich endgültig Schluss mit ihnen. Es liegt ganz bei dir! Du bist ein Fürstensohn, verdammt noch mal! Benimm dich gefälligst auch wie einer!“ „Wenn du glaubst, dass ich...“, will Inu Yasha sich empört verteidigen, doch der tödliche Blick der sich jetzt auf Sesshomarus Gesicht legt, lässt ihn unwillkürlich verstummen. So grimmig blickt der Youkaifürst drein, dass Inu Yasha jede weitere Bemerkung verschluckt. Ganz dicht kommt Sesshomaru an ihn heran. „Tu... das... nicht!“, sind seine leisen Worte und Inu Yasha begreift, dass jedes weitere Wort einen derart heftigen Wutausbruch zur Folge hätte, dass es sicher besser ist, seinem Bruder dieses eine Mal einfach zu gehorchen. Langsam richtet Sesshomaru sich wieder auf. Er steckt sein Schwert zurück und dreht sich um. Würdevoll geht er zu seinem Platz zurück. „Und das gilt ganz besonders für euch!“, macht er noch einmal deutlich als er die anderen passiert. Doch das war beinah unnötig, die Botschaft ist angekommen. Keiner gibt auch nur noch ein Sterbenswörtchen von sich. Während Sesshomaru zu seinem Platz zurückkehrt, bemerkt er aus den Augenwinkeln wie sich die kleine Rin ängstlich in Kagomes Rockfalten verkriecht. Das kleine Mädchen ist durch den völlig unerwarteten Wutausbruch ihres Herren völlig verstört. Sesshomaru seufzt innerlich. Verdammt, das auch noch! Als ob er nicht schon genug Probleme hätte. Inu Tai-Hyougas Tod, Inu Yashas Unfähigkeit, Arashitsumes Intrigen, diese nervige Menschenbrut, Hanakis Tod und dann noch dieser vermaledeite Streuner! Sein Blick fliegt kurz in Tenmarus Richtung. Er beißt schmerzvoll die Zähne zusammen. Ich hätte Inu Yasha doch töten sollen, dann müsste ich mich nicht länger mit diesem Abschaum abgeben. Es wird wirklich Zeit, dass ich das zuende bringe! Hoch richtet er sich auf. Dann wendet er sich zu den anderen um. „Packt zusammen! Wir brechen auf!“ Ungläubige Gesichter überall. Immerhin ist bald Dämmerungseinbruch. Hat der Youkai etwa vor die Nacht hindurch zu reisen? Unmut macht sich breit, aber noch immer sitzt ihnen der Schreck in den Knochen und so wagt es niemand Widerworte zu geben. So zügig wie sie es vermögen, packen sie ihre Sachen zusammen und machen sich daran dem hochgewachsenen Youkai zu folgen. Im Gänsemarsch laufen sie folgsam hinter ihm her und geben keinen Mucks von sich. Gerade bemerkt Kagome wie Inu Yasha an ihr vorbei stapft. Sein Blick ist starr auf den Boden vor ihm gerichtet und im Vorbeigehen sieht sie wie fest seine Kiefer aufeinandergebissen sind. Kagome schluckt. Inu Yasha sieht sehr niedergeschlagen aus. Die Wut die sie grade noch für ihn empfunden hat, ist durch Sesshomarus Ausbruch, fast schlagartig verschwunden. Was bleibt ist Traurigkeit und Reue. Es tut ihr leid! Sie weiß nicht einmal mehr worum es bei dem Streit gerade eigentlich ging. Ach, Inu Yasha, warum müssen wir immer wieder streiten? Warum? Wir verletzen uns nur immer gegenseitig. Ob der Hanyou gerade genau so empfindet? Er wirkte so zerknirscht. Sie sieht zwar nur seinen Rücken, aber sie glaubt zu spüren was er gerade empfindet. Wie gerne würde sie sich jetzt bei ihm entschuldigen, doch unter Sesshomarus wachsamen Ohren will sie das Risiko besser erst mal nicht eingehen. Also beschleunigt sie ihren Schritt und tritt neben ihren Freund. Behutsam legt sie ihm versöhnlich die Hand auf seine Schulter, doch der junge Hanyou wischt ihre Hand hastig herunter und weicht missmutig ihrer Berührung aus. Dabei wirft er ihr aus den Augenwinkeln kurz einen ärgerlichen Blick zu und beschleunigt dann seinen Schritt. Kagome blickt ihm bestürzt hinterher. Sie spürt wie sich ihre Augen mit Wasser füllen und der Kloß in ihrem Hals zunimmt. Einmal mehr bereut sie den dummen Streit von eben aus tiefster Seele. Sie haben das Donnerwetter redlich verdient. Doch das Redeverbot hätte kaum zu einem unpassenderen Zeitpunkt kommen können. Inu Yasha trottet vor sich hin; in Gedanken versunken, die Hände in den Falten seines Gewandes vergraben. Er ist ärgerlich. Auf seinen Bruder, auf Kagome, aber am meisten auf sich selbst. Was für ein dummer Narr ist er doch! Er benimmt sich wahrhaftig nicht wie der Sohn eines Fürsten, allenfalls wie der Sohn eines Dorfdeppen! Jawohl! Was sollte dieser kindische Streit nur schon wieder? Warum bringt ihn Kagome immer so in Rage? Immer sind es solche Nichtigkeiten, die ihn aus der Fassung bringen. Warum bloß? Es gibt doch wahrhaftig wichtigere Angelegenheiten! Inu Yasha kickt einen kleinen Stein beiseite. Ja, zum Beispiel die in der sie sich gerade befinden! Warum fällt ihm so was bloß immer erst ein, wenn es zu spät ist? Wahrscheinlich weil er über solche Sachen am liebsten erst gar nicht nachdenkt. „Arrg!!“ Inu Yasha kneift ärgerlich die Augen zusammen. Sein Bruder hat recht! Er denkt tatsächlich nicht an die Konsequenz seines Handelns. Er benimmt sich wirklich wie ein Kind und scheut die Verantwortung. Verdammt! Warum muss der Dreckskerl gerade damit recht haben? Aber es hilft ihm schon, jetzt wieder ein bisschen mehr auf Sesshomaru sauer zu sein. Doch lange hält das nicht an, denn Inu Yashas Gewissen plagt ihn weiterhin. Bisher hab ich mir nie die Mühe gemacht über das Ganze genauer nachzudenken, denkt er bei sich. Ich dachte, das regelt sich schon irgendwie. Tut es aber nicht! Aus purer Gewohnheit hab ich Sesshomarus Anweisungen ignoriert und Das hat es uns jetzt eingebracht. Mein Bruder hat eine Stinkwut auf mich, dieser Jammerpappen Tenmaru hängt mir jetzt ständig am Rockzipfel, meine Freunde schweben in Gefahr und es könnte zum Krieg kommen und das Schlimmste ist, ich habe das selbst alles verbockt! Verdammt! Das kann so nicht weitergehen. Ich will nicht, dass das so weitergeht! Ich... ich... habe auch meinen Stolz! Ich soll mich wie ein Fürstensohn benehmen? Na ja, ich kann es ja mal versuchen... Ich habe nur keine Ahnung wie! Missmutig starrt Inu Yasha weiter zu Boden. Er mag es sich nicht eingestehen, doch er schämt sich. Am liebsten würde er sich irgendwie abreagieren, doch es gibt keine Gelegenheit dazu. Vor sich marschiert sein Bruder unverwandt durch die zunehmende Dunkelheit und im Augenblick wünscht er sich nichts sehnlicher als diesem überheblichen Besserwisser seine arrogante Fratze einzuschlagen. Ach verdammt, das ändert doch auch nichts. Ich will mich aber nicht von ihm belehren lassen! Ich will mich von ihm nicht herumkommandieren lassen und ich will auf gar keinen Fall, dass er mit seiner Behauptung Recht behält! Na warte dem Kerl zeig ich es. Er will einen Fürstensohn? Bitte, kriegt er! Ich werde nicht derjenige sein, der... der unserer Familie Schande bereitet! Ich kann auch anders... wenn ich will! Dem werd ich’s zeigen! Ich lasse mich nie wieder von ihm herabsetzen, das wäre doch gelacht! Doch noch ehe Inu Yasha seinen Gedanken zu ende denken kann, sieht er wie Sesshomaru plötzlich stehen bleibt. Ob er sich endlich dazu entschlossen hat, ein Nachtlager aufzuschlagen? Die kleine Rin schläft ja schon fast beim Laufen ein. Nein! Inu Yasha hält inne. Er kann es spüren. Er kann es riechen! Jemand ist in der Nähe und dieser Jemand ist kein Mensch! Die anderen stellen nun ebenfalls fest, dass etwas die Aufmerksamkeit der Brüder auf sich gezogen hat. Allerdings können sie selbst nicht erkennen, um was es dabei geht; mit einer Ausnahme. Tenmaru ist stocksteif geworden. Seine Sinne sind aufs Äußerste gespannt. Mit weit aufgerissenen Augen steht er am Schluss des Zuges und er bebt am ganzen Körper vor Aufregung. Gleichzeitig ist ihm aber auch grenzenlose Überraschung ins Gesicht gemeißelt und seine bleichen Lippen beben, als er es tatsächlich wagt sich über das kategorische Sprechverbot hinwegzusetzen: „Yaeba!“ Kapitel 13: Ein unverhofftes Treffen ------------------------------------ (Hallo meine lieben (verbliebenen) Fans!!! Es ist nicht zu glauben, aber es gibt endlich wieder ein neues Kapitel von "Die Blutfehde der Youkaifürsten". Lang genug hat es ja gedauert. Ich hab endlich wieder einen Rechner der funktioniert. Jedoch vor dem neuen Kapi. möcht ich mich noch für zweierlei entschuldigen. 1. Sorry, dass es so lange gedauert hat! und 2. Dieses und das nächste Kapitel hatte ich bereits einmal geschrieben und beide sind zusammen mit meinem letzten Rechner in den Tod gegangen. Also musste ich sie neu schreiben. Deshalb bitte ich vielmals um entschuldigung, wenn sie nicht so gut geraten sind. Sind bei weitem nicht so gut wie die ersten beiden. Ich hoffe sie gefallen euch dennoch und ihr hinterlasst mir wieder ein bisschen Feedback! Viel Spaß beim Lesen!) Wie gebannt blicken sämtliche Augen dem Waldrand entgegen und dem was dort in Kürze erscheinen mag. Noch immer wagt keiner ein Wort von sich zu geben, doch der Youkaifürst widmet dem Neuankömmling ebenfalls seine volle Aufmerksamkeit. Zunächst ist nichts zu erkennen oder zu hören, doch dann schließlich beginnen sich die Blätter im Unterholz zu bewegen. Sesshomarus Mine wirkt angespannt. Aufmerksam blitzen seine Augen den Bäumen entgegen. Zunächst ist nur ein leises Rascheln zu vernehmen das noch ein ganzes Stück entfernt scheint, doch es wird lauter. Und schließlich ist zu erkennen wie sich die Blätter im Gestrüpp bewegen. Unmittelbar darauf erscheint eine flinke Gestalt zwischen den Bäumen und steuert direkt auf die Reisegruppe zu. Es ist ein hochgewachsener Youkai von kräftiger Statur. Nun, da er die anderen zu Gesicht bekommt, verlangsamt er sein Tempo und kommt schließlich ein paar Schritte vor dem hellhaarigen Youkaifürsten zu stehen. Keiner der Anwesenden wagt auch nur einen Muskel zu rühren, unsicher wie Sesshomaru es auffassen könnte. Der Blick von Inu Yashas Bruder ist hart und unverwandt auf den Neuankömmling gewandt. Kagome wagt ebenfalls kein Wort, doch sie betrachtet den fremden Youkai aufmerksam. Sesshomaru ist geringfügig größer als er doch dafür ist der andere etwas muskulöser. Er trägt einen einfachen Brustpanzer und lederne Arm- und Beinschienen und auch wenn seine Kleidung primitiv wirkt, scheint sie gut gearbeitet zu sein. In seiner Hand hält er einen mannshohen Stab an dessen Ende sich eine schmale, einseitige Klinge befindet. Sein dunkelgraues Haar ist in einem Zopf auf dem Hinterkopf zusammengenommen und purpurne, gezackte Wangenzeichnungen umrahmen ein tief violettes Auge, das wach auf den Fürsten des Westens gerichtet ist. Das linke Auge ist von einer senkrechten Narbe durchkreuzt, die von einem tiefen Schnitt herrühren muss. Kagome kann sich nicht helfen, doch sie muss zugeben, dass dieser fremde Youkai einen imposanten Anblick bietet. Im ersten Moment stehen sich die beiden Youkai nur gegenüber und halten sich gegenseitig mit ihren Blicken gefangen. Schließlich bricht der Neuankömmling das Schweigen: „Seid mir gegrüßt, Sesshomaru-sama, Fürst des Westens. Ich habe damit gerechnet, euch hier zu treffen.“ Doch der Youkaifürst verzieht keine Mine. Als er schließlich spricht, hat seine Stimme Grabeskälte: „Du solltest dir deiner Position bewusst sein, Streuner, wenn dir dein Leben lieb ist.“ Einen langen Momentlang halten alle den Atem an. Wie wird der fremde Youkai reagieren? Doch zur allgemeinen Überraschung sinkt der Ostyoukai auf einmal auf die Knie und senkt den Kopf. Kagome ist überrascht, sie hätte irgendwie nicht damit gerechnet, dass der andere sich so bereitwillig unterordnen würde. Sesshomaru hat es seinerseits schweigend beobachtet. Nun zieht ein messerdünnes, herablassendes Lächeln über seine Lippen. „Es ist lange her, nicht wahr, Yaeba? Ich bin erfreut zu sehen, dass du endlich anerkannt hast, wo dein Platz ist. Ich dachte immer, du würdest niemals von deinen lächerlichen Prinzipen abweichen. Sei ehrlich, hättest du je gedacht, dass du einmal vor mir knien würdest?“ „Hattet ihr es gedacht?“ Langsam hebt der fremde Youkai den Kopf und blickt Sesshomaru direkt an. Seine Mine ist ernst. „Zieht nur keine falschen Schlüsse daraus. Mein Respekt gilt dem Mann, den ich früher einmal kannte, dem Mann für den Loyalität, Ehre und das Sammeln von neuen Erkenntnissen noch eine Bedeutung hatte. Ich erweise euch Ehre im Gedenken an damals, als es einem jungen Fürsten gelang, sich meinen Respekt zu verdienen, weil er in der Lage war über die ihm, durch Gesetz und Tradition auferlegten, Grenzen hinwegzublicken und mehr zu werden, als er dachte je sein zu können. Deshalb kniete ich vor euch. Glaubt mir, es wird nie wieder geschehen!“ Mit diesen Worten erhebt er sich, ohne jedoch Sesshomaru aus den Augen zu lassen. Die umstehenden haben fassungslos den Worten gelauscht. Wer ist dieser Mann, der es wagt in diesem Ton mit dem Youkaifürsten zu reden? Ist er lebensmüde? Sesshomarus Mine hat sich nun deutlich verfinstert. Seine Kiefer mahlen und er hat seine Reißzähne entblößt. „Diese Zeiten sind vorbei! Schon damals war ich dir keine Rechenschaft schuldig und es steht dir in keinster Weise zu mich zu maßregeln! Du wirst es wohl nie lassen können! Doch heute wird das Konsequenzen haben, Köter!“ Der hellhaarige Youkai macht Anstalten auf den Fremden losgehen zu wollen, doch der wehrt ab: „Wartet, Fürst Sesshomaru, ihr solltet zuerst anhören, was ich zu sagen habe!“ Sesshomarus Augen leuchten rot: „Nichts rettet dich mehr, Streuner! Euer verlaustes Rudel von Verrätern hat nichts anderes verdient, als einen langen und qualvollen Tod zu sterben!“ „Bedenkt“, wirft Yaeba ein, „ihr habt die Grenze zum Ostreich längst überquert. Somit ist es nicht länger an euch, dieses Urteil an mir zu vollstrecken! Aber das ist nicht der Grund weshalb ich euch aufsuchte!“ „Und was willst du dann hier?“, ist auf einmal Inu Yashas Stimme zu hören, „Das frag ich mich schon die ganze Zeit.“ „Schweig!“, zischt Sesshomaru seinen Bruder mit rotglühenden Augen an, doch Yaeba antwortet. „Euer Bruder hat, wie ihr, ein Recht auf eine Erklärung.“ Wütend wendet Sesshomaru sich ihm wieder zu. Unverhehlter Hass steht ihm im Gesicht. Doch Yaeba fährt schon fort, nicht jedoch ohne den Youkaifürsten ständig im Auge zu behalten. „Wie ihr vermutlich bereits gehört habt, wurde der Fürst des Nordens, Inu Taihyouga, getötet. Bedauerlicherweise muss ich bestätigen, dass die Mitglieder meines Rudels dafür verantwortlich sind. Sie handelten jedoch, um ihren Hauptmann zu rächen, der bei einem Zweikampf mit Inu Taihyouga unterlag. Es schmerzt mich, sagen zu müssen, dass sie damit gegen den direkten Befehl ihres Hauptmanns handelten.“ Yaeba verzieht bei diesen Worten keine Mine, doch er lässt seinen Blick über die Umstehenden schweifen. Kurzzeitig bleibt sein Blick auf Tenmaru haften, der mit bleichem Gesicht dasteht und keinen Muskel rührt. Als sich ihre Blicke treffen, schlägt der junge Youkai rasch die Augen nieder. Doch nun wendet sich der Ostyoukai wieder an Sesshomaru; seine Stimme ist ernst: „Dieses Verhalten ist mit nichts zu entschuldigen! Nach dem Tod unseres Hauptmanns, bin ich nun der Anführer unseres Rudels und deshalb bin ich auch bereit die volle Verantwortung für mein Rudel zu übernehmen! Ich habe also beschlossen, den hohen Rat aufzusuchen, über unser Verhalten richten zu lassen und bin bereit, jedes Urteil zu akzeptieren, das der Rat fällen mag! Ganz gleich was das für mich bedeuten möge!“ Aus den Augenwinkeln sieht er Tenmarus Gesicht erschrocken hochfahren, doch Inu Yasha ist schneller. „Was? Soll das heißen, du bist freiwillig bereit dich von diesen Ratsleuten zum Tode verurteilen zu lassen? Du spinnst ja wohl!“ Mit ernstem Gesicht wendet Yaeba sich an Inu Yasha: „Seid nicht so verwundert, junger Fürst. Wer eine Gruppe führt, muss sich immer seiner Verantwortung bewusst sein!“ „In dem man sich umbringen lässt?“ blafft Inu Yasha. Ernst blickt Yaeba ihn an. „Meine Leute unterstehen mir, und sie müssen mir gehorchen, was immer ich von ihnen verlange. Jeder von ihnen würde sein Leben geben um mich zu retten, es ist nur recht und billig, dass ich es ihnen gleichtue! Deshalb übernehme ich die volle Verantwortung für meine Leute und wenn das meinen Tod bedeuten mag, dann sei es so!“ „Aber das ist doch völlig idiotisch!“, empört sich Inu Yasha, „Dafür zu sterben, bringt doch keinem was. Ich kann einfach nicht verstehen, warum ihr Streuner so versessen darauf seid, euch umbringen zu lassen. Ihr macht es euch ziemlich einfach. Statt zu kämpfen gebt ihr einfach auf. Das ist doch feige!“ Yaebas Augen werden schmal bei diesen Worten. Dann sagt er: „Ihr habt noch viel zu lernen, junger Fürst. Ihr wisst nicht wovon ihr sprecht!“ „Mein Bruder weiß selten wovon er spricht“, wendet Sesshomaru sich nun wieder an Yaeba, „Und die Bedeutung von Ehre ist ihm vollkommen fremd!“ „Hey!“, empört sich Inu Yasha. Sesshomaru ignoriert ihn: „Doch du hast mir nichts erzählt, was ich nicht schon längst weiß. Warum bist du also hierher gekommen? Sehnst du dich so sehr nach der Vollstreckung des Urteils?“ Yaebas blitzt ihn an: „Nein, aber ich möchte, dass es zu einer Verhandlung kommt! Unser Rudel soll eine Stimme bekommen! Es soll gehört werden! Deshalb werde ich euch begleiten. Ich möchte, dass Gerechtigkeit geschieht.“ Mit verächtlicher Mine blickt Sesshomaru ihn an: „Wie pathetisch! Wenn du Begleitschutz suchst, bist du hier völlig falsch! Warum suchst du nicht Gerechtigkeit bei deinem ehemaligen Clan?“ Ernst blickt Yaeba ihn an: „Weil ich euch in dieser Hinsicht mehr vertraue als Ihnen!“ Der Youkaifürst schweigt. Doch Yaeba fährt fort: „Ich erwarte keinen Schutz von euch. Lediglich eure Gegenwart. Mein Weg ist der gleiche wie der eure, sie führen lediglich nebeneinander her. Ich werde meiner gerechten Strafe nicht entfliehen, es besteht also kein Grund, Selbstjustiz zu üben. Außerdem denke ich, dass der Fürst des Ostens es nicht gerne sehen würde, wenn ihr in seinem Revier das Recht in die eigene Hand nehmt. Ich glaube sogar, er würde sehr verärgert sein.“ „Wage es nicht, mir zu drohen, Streuner!“, grollt Sesshomaru. „Das war keine Drohung nur ein Hinweis.“ „Behalte ihn für dich! Ich hab dich noch nie um einen Ratschlag gebeten! Ich weiß selbst was zu tun ist.“ Schmal schaut Yaeba ihn an: „Davon bin ich überzeugt. Zumindest Unvernunft kann man euch nicht nachsagen.“ Wütend funkelt Sesshomaru ihn an: „Du...!“ Schon hat er eine Klaue zum Schlag erhoben, doch dann besinnt er sich offenbar eines Besseren und lässt die Hand sinken. Mit finsterem Gesicht bewegt er sich auf Yaeba zu, doch während die Umstehenden noch den Atem anhalten, hat er ihn bereits passiert und strebt ohne Umschweife auf den Rand der Lichtung zu ohne den Streuner noch eines Blickes zu würdigen und verschwindet dann zwischen den Bäumen. „Heißt das, dass er bleiben kann?“, fragt Sango behutsam. „Scheint so“, meint Shippo vorsichtig. „Puh! Das ging ja gerade noch mal gut“, schnauft Miroku erleichtert, „Ich dachte schon, gleich fliegen die Fetzen. Sesshomaru möchte ich wirklich nicht zornig erleben.“ Inu Yasha verschränkt die Arme: „Ich hätte nicht gedacht, dass er ihn hier bleiben lässt. Hätte eher gedacht, er bringt ihn gleich um.“ „Hmm“, vermutet Kagome, „wahrscheinlich möchte es keinen Streit mit dem Fürsten des Ostclans provozieren. Schließlich sind wir auf seinem Land. Und da er sich ja sowieso stellen will, brauch er ihn ja auch nicht töten.“ „Gerade das verwundert mich“, vernimmt Kagome plötzlich eine Stimme neben ihrem Ohr. „Was meinst du, Myoga?“ Der kleine Floh kratzt sich an der Nase: „Nun ja, Es wundert mich, dass Sesshomaru-sama den Fremdling verschont hat.“ „Aber wir sind doch im Revier des Ostfürsten.“ „Das spielt keine Rolle. Sesshomaru-sama ist ein Daiyoukai und ein Fürst und Yaeba ist ein heimatloser Streuner. Eigentlich dürfte er ihn jederzeit töten ohne Gründe angeben zu müssen und ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Er steht viel zu weit oben im Rang, und Sesshomaru-sama weiß das auch.“ „Dann bleibt die Frage: Warum hat er ihn verschont?“, bemerkt Sango ernst. Doch die kleine Reisegesellschaft kommt nicht dazu sich diese Frage weiter zu stellen, denn nun hat sich Yaeba ihnen zugewandt. Augenblicklich verstummen alle. Alle bis auf Tenmaru. Ein schüchternes Lächeln legt sich auf sein Gesicht und seltsam befreit macht er ein paar Schritte auf den kräftigen Streuner zu, nun nicht mehr durch Sesshomarus Redeverbot eingeschränkt. „Yaeba!“, ruft er, „Du lebst! Ich dachte wirklich, sie hätten dich getötet. Was ist denn mit deinem Auge passiert? Ist es schlimm?“ Doch noch ehe er ein weiteres Wort hervorbekommt, fliegt ein grimmiger Blick über Yaebas Miene und im nächsten Moment trifft der kräftige Schlag eines Handrückens das Gesicht des jungen Streuners. Die Wucht des Schlages lässt ihn unsanft auf dem Boden aufschlagen. Eingeschüchtert sitzt Tenmaru da, hält sich die Wange und blickt verwirrt zu seinem Mentor hinauf. Yaebas Blick ist kühl. „Kannst du mir mal sagen was das hier soll?“, fragt er ernst. Doch ehe er eine Antwort erhält hat sich Inu Yasha vor Tenmaru aufgebaut. „Hey! Das kann ich dich auch fragen!“, empört der Hanyou sich, „Du kannst doch nicht einfach hier aufkreuzen und einfach ohne Grund meinen Untergebenen verprügeln!“ Inu Yasha hat sich offenbar Sesshomarus Worte, wenn auch widerwillig, zu Herzen genommen und man sieht es dem Gesicht des Hanyous an, dass er sich gerade sehr darin gefällt, den „Fürsten“ heraushängen zu lassen. „Dazu musst du erst mal an mir vorbei, klar?“ Doch seine Worte haben bei weitem nicht den gewünschten Effekt. Statt dessen fixiert Yaeba den jungen Streuner erneut mit einem scharfen Blick. Inu Yasha scheint er völlig zu ignorieren. „Was soll das heißen? Untergebener? Du stehst in seinen Diensten? Ich frage noch mal: Kannst du mir mal verraten was du hier treibst?“ Verlegen und schuldbewusst blickt Tenmjaru zu Boden. „Ich kann es dir erklären...“ „Ich will es nicht hören!“, schneidet Yaeba ihm hart das Wort ab. Er scheint sehr verärgert zu sein. „Hey! Ich rede mit dir!“, drängt sich Inu Yasha erneut dazwischen. Seine Hand ruht auf seinem Schwertgriff. Grimmig funkelt er den Fremden an. Nun wendet sich den Streuner ihm zu und blickt ihm direkt ins Gesicht. „Was gibt es?“, fragt er ruhig. Inu Yasha köchelt. „Ein paar an die Ohren, wenn du mir, einem Fürstensohn, nicht etwas mehr Respekt entgegen bringst!“ Yaeba hält seinem Blick stand. Einen Momentlang scheint er zu überlegen, doch dann meint er: „Verzeiht meine Unhöflichkeit! Es war nicht meine Absicht euch zu kränken.“ „Das wäre ja auch noch schöner!“, grollt Inu Yasha. Doch Yaeba greift das Thema auf: „Der Bursche dient euch?“ „Was dagegen?“, grollt Inu Yasha ihn bissig an. Yaebas Augen werden schmal und er scheint einen Momentlang mit sich zu ringen. Fast sieht es so aus als würde er Inu Yashas Kampfstärke abschätzen. Doch dann atmet er einmal tief durch und meint dann: „Spielt das irgendeine Rolle?“ „Nein!“, entschlossen umfasst Inu Yashas Hand den Griff seines Schwertes. „Wie ich vermutet habe“, mit diesen Worten wendet Yaeba sich von Inu Yasha ab und schlendert nun bequem zu den anderen am Lagerfeuer hinüber. Zähneknirschend schaut Inu Yasha ihm hinterher. Ich glaub der Kerl nimmt mich irgendwie nicht ernst! Doch der Youkai beachtet ihn nicht weiter und ohne um Erlaubnis zu fragen, nimmt er direkt neben Shippo und Rin am Lagerfeuer Platz. Erschrocken flüchtet der kleine Fuchs auf die andere Seite des Feuers und auch Kirara verlässt mit einem wütenden Auffauchen und gesträubtem Fell ihren Platz um an Sangos Seite zu eilen. Diese nimmt ihre Kameradin sogleich in Schutz. „Ganz schön dreist sich einfach in unserem Lager breit zu machen!“, funkelt sie grimmig. Doch Yaeba scheint es nicht zu hören. „Genau!“, mischt sich nun auch Shippo mit neuem Mut ein, „Ich denke du willst nur in die gleiche Richtung. Du könntest ja wenigstens mal fragen ob du an unser Lagerfeuer mitdarfst.“ Langsam wendet Yaebas Kopf sich in Shippos Richtung. Dann mit einer blitzschnellen Bewegung fasst er an seinen Gürtel und mit einem Aufschrei stürzt der kleine Youkai davon und versteckt sich hinter Mirokus Kutte. Doch die Sorge ist unbegründet, denn der Hundeyoukai fördert lediglich eine langstielige Pfeife hervor und beginnt nun gemächlich sie mit einem Kraut aus einem kleinen Beutel zu füllen. Vorsichtig kommen die anderen nun wieder näher während Yaeba sich die Pfeife an einem Kienspann vom Feuer entzündet. Ein paar Mal pafft er daran, dann lehnt er sich an einen Felsbrocken und schließt die Augen. „Scheint als würden wir heute doch nicht mehr weiterreisen“, bemerkt Miroku. Zögernd kommen die anderen heran. Sie können sich nicht helfen aber der fremde Youkai strömt eine faszinierende Anziehungskraft aus. Nur Inu Yasha zeigt sich davon relativ unbeeindruckt und beobachtet den Neuankömmling aus einigen Schritt Entfernung von einem Felsen aus. Langsam öffnet Yaeba nun wieder sein Auge und blickt in die Runde. „Es scheint so“, sagt er ruhig. „Du hast ja wirklich die Ruhe weg“, meint Sango, noch immer alarmiert durch Kiraras Verhalten. Yaeba stößt einen Schwall Rauch aus: „Sieh es mal so! Welchen Sinn würde es machen wenn ich ein paar Meter weiter weg mein Lager aufschlagen würde. Es wäre nicht nur unnötiger Arbeitsaufwand sondern würde auch mehr Aufmerksamkeit erregen als ohnehin schon.“ „Wer sollte uns denn bemerken?“, fragt Sango weiter, „Die Youkais vom Ostclan?“ „Nicht nur!“ Sangos Blick wird schmal. „Außerdem?“ Yaebas Stirn legt sich etwas in Falten: „Derzeit treibt sich auch einiges von diesem Nordpack in der Gegend hier herum.“ „Youkai aus dem Norden?“, Miroku blickt überrascht auf. Kagome will es genau wissen: „Sie wollen euch töten, nicht wahr? Sind sie noch immer hinter euch her?“ „Hast du daher dein Auge?“, fällt Shippo ihr nun neugierig ins Wort. Flüchtig fährt sich Yaeba über sein vernarbtes Gesicht. „Worauf du wetten kannst!“, sein verbliebenes Auge bekommt für einen Momentlang einen gefährlichen Glanz im Flackern des Feuers. „Mit den Kita-aitsu ist nicht zu spaßen“, fährt er schließlich fort, „Barbaren sind das, alle miteinander! Die gehen keinem Kampf aus dem Weg, selbst wenn er nicht nötig ist. Die sind scharf aufs Blutvergießen und wenn du in einen Kampf mit denen gerätst kannst du im Grunde dein Testament machen. Ich kann von Glück reden, dass dieser Kampf mich nur ein Auge gekostet hat. Aber dafür wird der andere niemals wieder seine Augen aufmachen“, mit diesen Worten schiebt sich ein hämisches Grinsen auf sein Gesicht. „Hast du ihn besiegt?“ Yaebas Blick geht nun hinüber zu der kleinen Rin die gespannt der Unterhaltung gelauscht hat. Scheinbar in keinster Weise verwundert über die Anwesenheit und die Neugierde der Kleinen schmunzelt er sie an. „Ihn? Du meinst wohl eher Sie! Gleich fünf von den blutrünstigen Volltrotteln wollten sich mit mir anlegen. Der Kampf war hart aber schließlich habe ich sie eines besseren belehrt.“ „Sind die Nordyoukais wirklich so stark?“, fragt Shippo nun ebenfalls beeindruckt. Yaeba nickt bedeutsam: „Ja, schrecklich stark! Aber das heißt nicht dass sie unbesiegbar sind. Sie benehmen sich im Kampf zwar wie die reinsten Berserker aber irgendwie muss man ihnen wohl doch zugestehen, dass sie irgendwo doch ein bisschen kultiviert sind. Zumindest sind sie nicht völlig unberechenbar. Ganz im Gegensatz natürlich zum Süd-Clan!“ Wie beiläufig pafft er wieder an seiner Pfeife. „Der Süd-Clan?“, fragt nun Miroku. „Von dem habe ich bisher noch gar nichts gehört“, fügt Sango hinzu. „Das wundert mich nicht“, meint Yaeba gelassen, „Kaum einer weiß etwas über den Süd-Clan. Alles was man über sie sagen kann basiert rein auf Gerüchten.“ „Warum denn das?“, will Shippo nun wissen. Gemächlich pafft Yaeba an seiner Pfeife: „Weil noch niemand sie jemals zu Gesicht bekommen hat!“ „Was?“, ruft Shippo, „Warum nicht? Verstecken sie sich?“ „Na ja, nicht wirklich“, antwortet Yaeba, „ Aber sie bleiben stets in ihrem Gebiet. Und bisher ist noch jeder Versuch einer Kontaktaufnahme gescheitert. Sei es ein Angriff oder der Besuch eines Unterhändlers.“ „Warum das denn?“, fragt nun Rin mit großen Augen. „Weil niemand der bisher in ihr Gebiet geschickt worden ist, jemals wiedergesehen wurde.“ „Was?“, Schippo ist aufgesprungen. „Es ist leider die Wahrheit. Sie dulden keine Fremden in ihrem Gebiet. Alle Eindringlinge wurden einfach unschädlich gemacht. Aber zum Glück scheinen sie auch keinerlei Interesse an unseren Reichen zu haben, also brauchen wir uns keine Sorgen wegen dieser Bestien machen.“ „Bestien?“, Shippo zittert. „Ja, Bestien!“, nickt Yaeba, „Man weiß nicht viel über sie aber es gibt den einen oder anderen Augenzeugen, der einige von ihnen gesehen haben will. Ihre Augen sind pechschwarz oder von blutigem Rot und ihr Fell ist ebenfalls schwarz wie Kohle, rot wie Feuer oder gelb wie der glühende Sand der Wüste. Sie sind schnell wie der Sandsturm, leise wie die Wüste und gewaltig wie ein Steppenbrand. „Und sie dürsten nach Blut! Manche Leute sagen, sie seien mehr eine Naturgewalt als richtige Youkais. Ohne Vernunft dem Wahnsinn verfallen, nur mit dem Trieb zu töten und zu morden. Nein, glaubt mir, dem Süd-Clan wollt ihr nicht begegnen. Hofft darauf, dass es niemals soweit kommt, denn solltet ihr jemals einem von ihnen von Angesicht zu Angesicht begegnen, wird seine mordlüsterne Fratze wahrscheinlich das letzte sein, was ihr je sehen werdet! Nein, da nehme ich es lieber mit hundert Youkais vom Nordclan auf.“ Einige Schritte entfernt, am Rande der Lichtung sitzt Tenmaru in der Gabel eines Baumes und lauscht den Ausführungen des alten Streuners mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen. Wie sie alle dasitzen und jedes Wort verfolgen, dass er von sich gibt. Kein Gedanke mehr an Feindschaft oder Streit. Nein, stattdessen hängen sie an seinen Lippen und saugen jedes einzelne Wort in sich auf. Tenmarus Blick geht hinauf zum Sternenhimmel der langsam immer deutlicher zu sehen ist. Oh, er erinnert sich gut. Yaebas Gruselgeschichten, über die bestialischen Youkais aus dem Süden, hat er wahrscheinlich schon an die tausend Mal gehört. Wie hat er ihn unzählige Male angebettelt immer noch eine und noch eine zu erzählen. Yaeba ist ein ausgezeichneter Geschichtenerzähler, wie er auch in so vielen anderen Dingen ausgezeichnet ist. Sein Blick wandert langsam wieder zu der Gruppe am Lagerfeuer zu. Die Atmosphäre dort strömt fast schon Behaglichkeit aus, so als wären alle Sorgen der Welt vergessen. Wie sehr wünscht er sich im Augenblick, sich einfach ganz ungezwungen zu den anderen ans Feuer setzen und den Geschichten lauschen zu können. Und dennoch kann er sich einfach nicht dazu überwinden, nicht solange diese Verwirrung in seinem Herzen herrscht. Bilder aus weiter Vergangenheit tauchen plötzlich vor seinem inneren Auge auf und von einem Moment auf den anderen überkommt ihn schlagartig eine Woge solchen Wehmuts, dass es ihn würgt. Verzweifelt bemüht er sich den Kloß in seinem Hals herunterzuschlucken und noch während er das versuchte, spürte er wie sich Tränen den Weg in seine Augen erkämpfen wollen. Hilflos kämpft er sie nieder. Auf keinen Fall darf ihn irgendjemand jetzt weinen sehen. Weder Inu Yasha noch Yaeba und am wenigsten Sesshomaru. Tränen bedeuten Gefühle und Gefühle bedeuten Schwäche und er darf nicht schwach sein. Um keinen Preis der Welt! Mit aller Kraft drängt er die bodenlose Hoffnungslosigkeit zurück die ihn übermannen will. Warum nur? Warum jetzt? Geht ihm das wirklich so nahe? Warum diese Gefühle und warum will ihm sein Körper einfach nicht gehorchen? Tenmaru fühlt sich elend. Elender als jemals zuvor in seinem Leben. Und müde, so schrecklich müde. Yaeba, was habe ich falsch gemacht? Was hätte ich anders machen müssen? Sag es mir! Ich brauche deinen Rat! Ich dachte doch schon, ich hätte dich verloren und nun bist du wieder da. Warum kommt es mir dann so vor, als wärst du mir ferner als je zuvor? Ist es denn wirklich mein Schicksal einsam zu bleiben? Hast du das schon damals gewusst? Mutlos blickt Tenmaru hinüber zu der Gruppe am Lagerfeuer und besonders zu dem kräftigen Youkai der seine Pfeife weiterraucht und immer weitere Geschichten über fremde Youkairassen zum Besten gibt. Erneut tastet eine eisige Kälte nach Tenmarus Herz. „Yaeba“, flüstert er, „Warum kann es nicht wieder so sein wie damals?“ Kapitel 14: Das Rudel --------------------- Damals... „Jetzt mach schon! Klettere endlich weiter, verdammt noch mal!“ Wütend hallt der Schrei an der steilen Felswand entlang. Der Junge dem diese Ruf gilt, zuckt ängstlich zusammen, während er verzweifelt versucht mit seinen Fingern und Zehen einen Halt zu finden an dem glatten Stein. Wie eine Spinne presst er sich an den Felsen und flüstert innerlich wohl zum tausendsten Mal: Bloß nicht runterschauen! Die Tatsache, dass sie sich in schwindelnder Höhe befinden und die Bäume, die tief unter ihnen emporragen, schon nicht mehr von hieraus zu unterscheiden sind, macht die Situation in keinster Weise leichter. So vorsichtig wie möglich streckt er seinen Arm nach dem nächsten winzigen Vorsprung aus. Nur noch ein paar Zentimeter! Da, endlich hat er ihn erreicht. So behutsam wie möglich prüft er die Festigkeit. Es scheint zu halten. Vorsichtig verlagert er sein Gewicht auf den Vorsprung. Doch in genau diesem Moment bricht der Fels weg und löst eine kleine Steinlawine aus. Reflexartig schnell gelingt es ihm seine Hand wieder zurückzuziehen, so dass sie nicht ins Leere greift sondern wieder Halt findet. Sein Herz schlägt bis zum Hals und sein Gesicht ist bleich. Augenblicke später hört er ein schmerzhaftes Aufschreien unter ihm. „Aua, verdammt! Tenmaru, du kleiner Bastard“, das ist Katsubous Stimme, „Wenn ich dich zu fassen kriege, bist du fällig!“ Tenmarus Herz sinkt ihm in seine Fußsohlen und es läuft ihm kalt den Rücken runter. „Pass doch auf! Du Volltrottel!“, er muss nicht erst hinsehen um zu wissen, dass das Samushi ist, „Sieh gefälligst zu, dass du da rauf kommst, klar? Ich hab keinen Bock, den ganzen Tag hier rumzuhängen, als wäre ich eine verdammte Eidechse!“ Zitternd klammert Tenmaru sich an dem Vorsprung unter seinen Fingern fest. Sein Gesicht ist fast so grau wie der Felsen. Er würde ja gerne, doch er kann einfach nicht so flink klettern wie seine Reisegefährten. Ihm ist schleierhaft wie sie das machen. Schon sieht er aus den Augenwinkeln wie zunächst Katsubou und dann Samushi an ihm vorbeiklettern und ihm einen giftigen Blick zuwerfen. Verzweifelt blickt er sich um. Hier sind einfach keine Vorsprünge in seiner Reichweite. Schon sieht er wie nun Raiuko und Raihone an ihm vorbeiklettern und ihm eine hämische Grimasse schneiden. „Beeil dich! Du hältst alle auf!, vernimmt er nun die vertraute, strenge Stimme auf seiner anderen Seite. Er wendet den Kopf und sieht neben sich Yaeba an der Felswand hängen als wäre es die einfachste Sache der Welt. „Aber ich komme so schlecht an die Vorsprünge heran" Doch die Mine des kräftigen Youkais zeigt keinerlei Mitgefühl. Stattdessen legt sich ärgerlich seine Stirn in Falten: „Du bist ein Youkai. Mach dir welche!“ Mit diesen Worten streckt er sich und klettert weiter. Erst jetzt bemerkt Tenmaru, dass der Youkai, ebenso wie die anderen, seine Klauen und seine Füße kräftig in die Felswand schlägt und sich dann an den selbstgeschaffenen Vorsprüngen in die Höhe zieht. Tenmarus Augen weiten sich. Warum ist ihm das bloß nicht früher aufgefallen? Soll er es einmal versuchen? So stark er sich traut, rammt er seine Hand in den Felsen. Wie er nun feststellt, leistet sie weit weniger Wiederstand als er bisher angenommen hat. Erfreut hellt sich seine Mine auf. Das ist ja gar nicht so schwer! Aufgeregt versucht er es weiter. Er braucht zwar noch ein wenig für die richtige Kraftdosierung, doch er hat den Dreh ziemlich rasch heraus und nun bereitet ihm das Klettern keine weiteren Probleme mehr. Es dauert nicht lange und er hat den oberen Rand des Felsens erreicht. Erleichtert schiebt er sich über die Felskante. Endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Doch die Freude verfliegt augenblicklich aus seinem Gesicht, als er die sechs Augenpaare bemerkt, die ihn mit eiskalten Blicken durchbohren. Sofort verschwindet alle Farbe aus seinem Gesicht; er ahnt schon was ihm jetzt blüht. „Wurde ja auch verdammt mal Zeit!“, brummt Kegawa, ein weißhaariger Youkai mit Zopf und Pelzkleidung. „Ich schwöre euch, das Balg raubt mir den letzten Nerv!“, grollt Samushi und lässt die Knöchel seiner Klauen knacken. Er trägt ähnliche Kleidung wie Kegawa, aber ist von der Statur her etwas schlanker. Seine hellblauen Augen funkeln grimmig. „Ist ja nicht verwunderlich, Samushi“, bemerkt nun ein kleiner, zierlicher Youkai mit magentafarbenen Augen, grauschwarzen Zotteln und einem spitzbübischen Gesicht. Er sitzt im Schneidersitz bei den anderen auf der Erde und stützt sich mit einem Ellenbogen auf seinem Knie auf. „Der ist schließlich auch zum Klettern zu blöd!“ Tenmaru lässt den Kopf hängen. „Hat man gemerkt“, brummt Katsubou, „Und so was will ein Youkai sein!“ „Ich meine, wie blöd muss man sein, um in diesem Schneckentempo eine Felswand hochzuklettern?“, bemerkt jetzt ein anderer Youkai mit magentafarbenen Augen und grauschwarzem, langen Zopf. Er steht hinter dem kleineren und hat die Arme verschränkt. „Ziemlich blöd, nicht wahr Raihone!“, beantwortet der Kleine zu seinen Füßen. „Richtig, Raiuko, ich würde sogar sagen unheimlich blöd!“, grinst der andere hinter ihm. „Wolfsblöd!“, ergänzt Raiuko hämisch. „Menschenblöd!“, setzt Raihone noch einen drauf. „Hanyoublöd!“, kichert Raiuko boshaft und kippt lachend nach hinten um. Tenmarus Gesichtsfarbe wechselt von kalkweiß zu Schamesröte. Warum müssen sie das immer wieder machen? „Hört auf damit!“, schreit er, doch wirklich überzeugend klingt es nicht. Doch nun ragt auf einmal ein anderer Youkai direkt vor ihm auf und starrt mit kaltgoldenen Augen auf ihn herab. „Nein, du hörst auf damit!“ Tenmaru bringt kein weiteres Wort mehr heraus. Mit Kossoridoku legt man sich nicht an, wenn einem das Leben lieb ist. Er ist ein großer, schlanker Youkai mit langen blaugrauen Haaren und einem kantigen Gesicht. Tenmaru kann sich nicht helfen aber mit den gelben Augen und der purpurnen Wangenzeichnung wirkt er fast schon etwas katzenhaft, doch es würde ihm im Traum nicht einfallen ihm das zu sagen, denn so kalt sein Blick ist, so grausam kann er auch sein. Nun steht er vor ihm in seinem feinverarbeiteten Gewändern und sein offensichtlicher Ärger ist direkt auf ihn gerichtet. „Ständig müssen wir auf dich warten, du kleine Pest“, grollt der Westyoukai, „Das ist nicht nur lästig sondern auch gefährlich. Mit zehn Jahren hast du immer noch nicht kapiert wie sich ein Youkai zu verhalten hat? Das ist inakzeptabel!“ Tenmaru schluckt mit aller Kraft die Tränen herunter die in ihm aufsteigen. Doch es gelingt ihm nicht völlig. „Heulst du jetzt etwa?“, kräht Raiuko höhnisch zu ihm hinüber, „Guck mal, Raihone, der heult ja!“ „Tatsächlich, er heult der kleine Welpe!“, funkelt Raihone boshaft. Tenmaru starrt vor sich zu Boden und verkrallt seine Klauen mit aller Kraft in den Boden. Er zittert am ganzen Körper vor Wut und Scham. Immer das selbe! Diese beiden! Immer müssen sie sich über ihn lustig machen. Warum? Warum hacken sie immer auf ihm herum? Was hat er ihnen denn getan? Sie sollen damit aufhören! Verdammt, sie sollen damit aufhören! Mit einem wütenden Schrei springt Tenmaru auf und stürmt in blinder Wut auf die beiden lachenden Ostyoukai zu. Mit seinen eigenen beiden Klauen wird er ihnen das Lachen aus dem Gesicht reißen! Doch soweit kommt es erst gar nicht. Ein wuchtiger Hieb von Kossoridoku in die Magengrube lässt Tenmaru zusammenknicken wie einen gefällten Baum. Schlagartig bleibt ihm die Luft weg und er spuckt Blut. Unsanft schlägt er auf dem Boden auf und krümmt sich vor Schmerzen. „Ich bin noch nicht fertig mit dir, du jämmerliche, kleine Brut!“, zischt der Westyoukai. Unerbittlich umschließen seine kräftigen Klauen den Hals des jungen Youkai und heben ihn am ausgestreckten Arm in die Höhe; direkt über den Rand der Schlucht. „Ich glaube es wird Zeit, an dir mal ein Exempel zu statuieren, was mit Leuten passiert, die nicht mithalten können und die ganze Gruppe aufhalten!“ „Kossoridoku!“, ertönt es auf einmal scharf hinter ihm, „Das reicht!“ Die Augen des Westyoukais werden schmal, doch sonst rührt er sich keinen Millimeter. Tenmaru ringt noch immer verzweifelt nach Luft unter dem stählernen Griff des Youkais, doch er hat Yaebas Stimme erkannt. Das gibt ihm ein wenig Hoffnung. Grimmig kommt der kräftige Ostyoukai auf den hochgewachsenen Westler zu. „Du gehst zu weit, Kossoridoku!“, sagt er ermahnend. Dann wirft er einen Blick in die Runde: „Ihr solltet euch schämen! Er hat euch nichts entgegenzusetzen und wie verhaltet ihr euch?“ „Er hat es verdient!“, grollt Kegawa, „Ständig ist er nur im Weg“ „Und das gibt euch das Recht ihn wie Dreck zu behandeln?“, gibt Yaeba scharf zurück, „Er ist Teil dieses Rudels wie ihr alle auch, klar? Wenn ihr das nicht kapiert, lernt ihr mich kennen!“ Ärgerlich schaut Kossoridoku zu ihm hinüber. „Sentimentaler Narr!“, quetscht er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Yaebas Augen funkeln gefährlich: „Was hast du gesagt?“ „Yaeba! Hör auf!“, scharf fliegt die helle Stimme über den Platz; sie lässt keinerlei Widerspruch zu. Yaeba hält inne und wendet sich um. Am Rand des Plateaus der an den nahem Wald angrenzt, sitzt eine geschmeidige Gestalt auf einem Felsbrocken und schaut mit glühend purpurfarbenen Augen zu ihm hinüber. Ihre perlmuttfarbener Teint weist keine Unebenheit auf, doch die Mine in ihrem wohlproportionierten Gesicht mit den hohen Wangenknochen ist eisig. Für einen kurzen Moment scheinen alle Umstehenden den Atem anzuhalten, doch dann wendet sie sich erneut an Yaeba: „Misch dich nicht ein!“ Irritiert schaut Yaeba sie an: „Chutaisho (Hauptmann)! Aber...“ „Keine Wiederrede!“, schnappt sie streng, „Wenn der Junge nicht mithalten kann, muss er die Konsequenzen tragen. Wie du schon sagtest, gehört er zum Rudel dazu, also muss er sich seinen Platz behaupten wie jeder andere auch. Keine Sonderbehandlungen, verstanden?“ Fast schon will Yaeba etwas erwidern, doch im letzten Moment verkneift er es sich und schlägt die Augen nieder. Tenmaru wird heiß und kalt als er das hört. Das kann nicht wahr sein! Warum? Keiner wird ihm helfen? Nun ist er dem erbarmungslosen Griff von Kossoridoku hoffnungslos ausgeliefert, der ihn noch immer nach Luft schnappend über dem Abgrund baumeln lässt als wäre er eine Stoffpuppe. Ein boshaftes Lächeln legt sich um Kossoridokus Mundwinkel während seine gelben Augen ihn mit Hass durchbohren. „Du hast es gehört, Kleiner!“, murmelt er hämisch, „Niemand wird dir hier helfen. Du bist hier nicht erwünscht!“ Tenmarus Augen weiten sich. Er wird doch nicht...! Doch die Augen des Westyoukais sprechen eine andere Sprache: „Wenn du klug bist, kommst du gar nicht erst wieder. Guten Flug!“ Und mit diesen Worten öffnet er seine Klaue. Fassungslos starrt Tenmaru ihn an. Er will schreien, doch kein Laut kommt über seine Lippen. Kaum einen Sekundenbruchteil später spürt er wie er gänzlich den Boden unter seinen Füßen verliert und mit weitaufgerissenen Augen, die Hände nach irgendeiner helfenden Hand ausgestreckt, stürzt er in die Tiefe. Das letzte was er sieht ist Yaeba der sich abwendet und alles was er noch hört ist das schallende Gelächter von Raiuko und Raihone und dann fällt er und fällt und dann spürt er einen heftigen Aufschlag durch seinen Körper gehen, eine Welle des Schmerzes überflutet ihn und dann wird alles finster. Als Tenmaru seine Augen wieder öffnet ist das erste was er sieht ein Loch im Blätterdach über dem langsam die Abenddämmerung hereinbricht und die ersten Sterne langsam zum Vorschein kommen. Er spürt einige Blätter in seinem Gesicht und schmeckt einen eisenhaltigen Geschmack in seinem Mund. Langsam stellt er fest, dass er mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf dem Rücken liegt und sich ein unangenehmes Pochen durch seinen gesamten Körper zieht. Er atmet ruhig. Schweigend blickt er hinauf zum Himmel. Außer den üblichen Geräuschen des Waldes ist nichts zu hören. Er hat mich fallen gelassen! Er hat mich wirklich fallen gelassen! Tenmaru kann es kaum glauben. Warum hassen sie mich so sehr? Warum nur? Ich habe ihnen doch nichts getan. Und du, Yaeba? Warum hast du mir nicht geholfen? Warum hast du mich so im Stich gelassen? Ohne dass er es verhindern kann, werden seine Augen feucht. Weil Sie es verboten hat? Warum? Warum bloß hat sie...? Tränen laufen ihm still über das Gesicht. Der pochende Schmerz in seinen Gliedern ist nichts gegen den eisernen Klumpen in seinem Magen. Kossoridoku sagte er wäre dort unerwünscht. Wahrscheinlich stimmt das wirklich. Vielleicht wäre es wirklich besser wenn er dort niemals wieder auftaucht. Bei diesem Gedanken krampft sich ihm schlagartig das Herz zusammen. Sein Atem geht stoßweise und ihm ist schlecht. Nein! Nein, das geht nicht! Ich kann nicht weg von ihnen! Tenmaru kneift die Augen zusammen. „Ich kann einfach nicht“, flüstert er, „Yaeba..., Chutaisho (Hauptmann)... ich hab doch nur euch!“ Langsam und mit zittrigen Bewegungen setzt er sich auf, dann reibt er sich die Tränen aus dem Gesicht. Sein Blick geht erneut hoch zu der Klippe und seine Kiefer beißen hart aufeinander. Nein, das nehme ich nicht hin! Sie werden es nicht schaffen mich zu vertreiben. Egal was sie versuchen, ich gebe nicht auf! Ganz gleich was sie mit mir anstellen, ganz gleich was es mich kostet. Ich gebe nicht auf! Ich werde sie zwingen mich anzuerkennen! Und wenn es mich auch Jahrhunderte kostet! Ich werde ein vorbildliches Rudelmitglied, an dem niemand etwas auszusetzen hat. Ich werde alles tun was sie sagen! Chutaisho, ich sorge dafür, dass du stolz auf mich bist! Ein wenig steif kommt er auf die Füße. Seine Wunden sind verheilt aber der Schmerz durch den Aufschlag ebbt noch ein wenig in seinem Körper nach. Doch darauf kann er jetzt keine Rücksicht nehmen. Es gilt eine Felswand zu erklettern. Die Nacht hat ihr sternenbesetztes Firmament über dem Himmel ausgebreitet als er endlich wieder die Spitze der Feldwand erreicht. Zitternd hievt er sich über den Rand und atmet erst einmal tief durch. Bis auf den blassen Mond und die Sterne ist es vollkommen finster um ihn herum, doch das stört ihn nicht weiter, seine Augen durchdringen auch noch die tiefste Finsternis. Keiner von den anderen ist zu sehen. Sie müssen längst weitergezogen sein. Sein Mut sinkt. Wie dumm anzunehmen, dass sie auf ihn gewartet haben. Wie soll er sie denn nun wiederfinden? Da plötzlich löst sich eine Gestalt aus den Schatten. „Da bist du ja endlich!“, mit verschränkten Armen steht Yaeba neben einem der Bäume, doch in seinen Worten liegt kein Ärger. „Yaeba!“, ruft Tenmaru überrascht aus. Der Youkai nickt. „Hätte gedacht du bist schneller!“ Tenmaru lässt den Blick sinken. „Es tut mir leid!“ Einen langen Moment sagt Yaeba kein Wort sondern betrachtet den jungen Youkai vor sich nur. Schließlich meint er: „Wir sollten die anderen nicht länger warten lassen.“ Tenmarus Kopf sinkt weiter: „Als wenn sie auf mich warten würden. Denen wäre es doch nur recht wenn ich nie wieder auftauchen würde.“ Yaebas Gesicht zeigt keine Regung. Dann sagt er: „Mag sein, aber du bist trotz allem Teil des Rudels. Also müssen sie irgendwie mit dir klarkommen.“ Tenmarus Augen fliegen auf. Überraschung und Verzweiflung mischt sich in seinem Gesicht. „Aber...“, hastig springt er auf, „Wie kann ich zum Rudel gehören, wenn selbst Chutaisho... wenn sogar sie...?“, er bricht ab. Schmerzhaft ballt er die Fäuste zusammen. Ruhig beobachtet Yaeba ihn. „Für sie bist du ein Rudelmitglied wie jedes andere auch. Sie sagte mir, ich solle hier auf dich warten. Sie rechnete damit, dass du wiederkommst.“ „Aber...“, Tenmaru kämpft mit aller Gewalt die Tränen nieder, „Aber... ich verstehe das nicht. Warum hat sie dann...? Warum hat sie das zugelassen? Warum?“ Es hat keinen Sinn, die Tränen laufen über seine Wange. Alles was ihm bleibt ist mit gesenktem Kopf dort zu stehen in der Hoffnung, dass Yaeba es nicht bemerkt. Es ist ihm peinlich. Es lässt ihn schwach aussehen, nachdem er sich doch so sehr vorgenommen hatte, stärker zu werden. Da plötzlich tritt Yaeba in sein Blickfeld und baut sich vor ihm auf. Langsam hebt er den Kopf und schaut mit feuchten Augen in das Gesicht des großen Ostyoukais. Was er sieht, überrascht ihn doch ein wenig. Yaebas sonst so ernste Mine ist weich geworden. Mild schaut er auf ihn herab. „Sie möchte, dass du stark wirst! Du musst lernen dich alleine durchzusetzen. Sie ist unser Hauptmann. Sie ist für unser aller Schutz verantwortlich und im Gegenzug haben wir uns alle ihr unterordnen. Aber dafür müssen wir sie alle respektieren. Deswegen muss sie alle gleich behandeln. Sie darf niemanden bevorzugen.“ Betrübt blickt Tenmaru zu Boden: „Aber ich bin doch...“ „Das spielt keine Rolle!“, unterbricht Yaeba ihn scharf, „Weder das Alter, noch die Herkunft. Wir alle kommen aus unterschiedlichen Clans und sind völlig verschiedene Typen mit ursprünglich völlig unterschiedlichem Rang. Aber wer diesem Rudel beitritt, lässt das alles hinter sich um sich unter ihrer Führung zu einer Gruppe zu vereinen. Hier zählt nicht was du bist sondern wie du dich bewährst. Und das gilt auch für sie. Sie musste sich den Respekt hart erkämpfen. Respekt kann man nicht einfordern, man muss etwas dafür tun. Verstehst du?“ Groß schaut Tenmaru zu ihm auf. Einen langen Moment schweigt er, doch dann sagt er: „Ich... ich glaube ja.“ Ein sanftes Lächeln legt sich auf Yaebas Gesicht. „Du bist stärker als es den Anschein hat. Irgendwann wirst du deinen wahren Wert allen beweisen.“ „Glaubst du wirklich?“, hoffnungsvoll blickt Tenmaru ihn an. „Davon bin ich vollkommen überzeugt!“, nickt Yaeba. Tenmarus Gesicht beginnt zu strahlen. „So, nun aber Schluss damit! Lass uns zum Lager gehen“, Yaeba wendet sich zum Gehen. „Ok!“, hastig folgt Tenmaru ihm, „Erzählst du mir nachher noch eine Geschichte? Vom Süd-Clan, ja?“ „Die hast du doch schon hundert Mal gehört.“ „Ist doch egal, ich will sie noch mal hören!“ „Wird dir das nicht langweilig?“ „Nee, die kann ich immer wieder hören? Sind die wirklich so grausig?“ „Tenmaru!“ „Sind sie? Sind sie?“ „...“ „Sag schon!“ „Sie sind nicht grausig, sie sind monströs! Sie können dir das Blut in den Adern stocken lassen nur indem sie an dich denken!“ „Ehrlich?“ „Ja, und das soll schon passiert sein, wenn man nur von ihnen spricht!“ „Da bist du aber jetzt mutig!“ „Das kannst du aber laut sagen!“ Allmählich verebbt das Gespräch und die beiden Youkais verschwinden zwischen den Bäumen. Alles was übrigbleibt ist die kühle Nacht unter dem sternenüberstrahlten Himmel, die den beiden Ruhestörern keinerlei Beachtung geschenkt hat. Kapitel 15: Inu Yashas Entschluss --------------------------------- Zwischen den Bäumen blitzen die ersten Strahlen der Morgensonne hervor. Hauchdünner Nebel kriecht über den Boden und Kagome schlingt frierend die Arme um ihren Körper, kaum dass sie aufgewacht ist und sich in ihrem Schlafsack aufgesetzt hat. Igitt, was für eine ungemütliche Nacht! Hinzu kommt, dass sie sich, wie auch ihre Freunde, erst sehr spät zur Ruhe begeben hat. Die Geschichten dieses Yaebas waren wirklich spannend. Sie haben kaum bemerkt wie weit die Nacht schon fortgeschritten war. Verschlafen schaut sie sich um. Die meisten ihrer Reisegefährten schlafen noch. Nur Inu Yasha ist schon wach. Oder hat er gar nicht erst geschlafen? Er sitzt jedenfalls gedankenverloren vor dem heruntergebrannten Lagerfeuer und blickt schweigend in die verglimmende Glut. Langsam wirft Kagome einen Blick in die Runde. Sango, Miroku und Shippo schlafen noch und die kleine Rin benutzt den weichen Pelz von Kirara als Kopfkissen. Am Stamm eines Baumes, der am Rande der Lichtung steht, lehnt der Ostyoukai Yaeba und hat die Augen geschlossen. Ob er schläft ist nicht zu erkennen. Und wenn sie ihren Blick aufmerksam genug auf die Krone eines anderen Baumes richtet, kann sie ein Stück von Tenmarus Stiefeln erkennen. Der junge Streuner hat es sich wohl über Nacht in einer breiten Astgabel bequem gemacht. Nur von Sesshomaru fehlt jede Spur. Scheinbar ist er seit gestern nicht mehr aufgetaucht. Mit klammen Fingern zieht sie sich ihre Jacke dichter und krabbelt dann aus ihrem Schlafsack. „Guten Morgen!“, meint sie zögernd zu Inu Yasha. Der Hanyou antwortet nicht. Scheinbar hat er sie nicht einmal gehört. Nun steht sie auf und geht zu ihm hinüber. „Guten Morgen!“, wiederholt sie. Nun blickt er auf: „Oh! Hmh, Morgen!“ Nachsichtig setzt sie sich zu ihm. „Na, ganz wach bist du aber auch noch nicht.“ Inu Yasha schweigt. Täuscht sich Kagome oder weicht er ihrem Blick aus. Unwillkürlich muss sie an ihren schlimmen Streit von gestern denken. Ob er noch immer sauer ist? Eigentlich war es doch nur wieder eine Nichtigkeit. Nicht der Rede wert. Aber sie sieht ein, dass sie daran nicht ganz unschuldig war. Es war für alle eine angespannte Situation. Bestimmt macht Inu Yasha sich Sorgen wegen der Reise mit seinem Bruder und wegen der Verhandlung zu der dieser ihn mitschleppen will. Kein Wunder wenn er da etwas gereizt ist. Sie sollte da etwas rücksichtsvoller sein. Wahrscheinlich sollte sie sich wirklich bei ihm entschuldigen. „Inu Yasha, hör mal...“, beginnt sie, doch der Hanyou unterbricht sie. „Findest du auch, ich habe keine Ehre?“, fragt er nachdenklich. Überrascht weiten sich Kagomes Augen. Das ist es was ihm Sorgen macht? „Inu Yasha...“ Doch der Hanyou fährt schon fort: „Ich hab... die ganze Nacht darüber nachgedacht. Vielleicht... vielleicht hat Sesshomaru ja recht. Bin ich wirklich wie ein großes Kind? Bisher hab ich doch immer nur getan was mir Spaß gemacht hat. Das... das weiß ich ja...“, hier kommt er ins Stocken. Sprachlos blickt Kagome ihn an. Nie hätte sie solche Worte von ihrem Freund erwartet. Aber es gibt ihr einen Stich ins Herz, dass er sich deswegen selbst so fertig macht. Das kann sie nicht zulassen! „Nein, das stimmt doch nicht, Inu Yasha!“, erklärt sie vehement, „Vielleicht bist du manchmal etwas... ungestüm und vielleicht neigst du manchmal dazu erst zu handeln und dann zu denken...“, der Hanyou lässt den Kopf hängen. „Aber“, fügt Kagome rasch hinzu, „du hast ein gutes Gespür für richtig und falsch. Und da wo andere erst lange reden und diskutieren, da handelst du gleich und das ist meistens auch die beste Lösung. Für mich stellt sich die Frage gar nicht, ob du Ehre besitzt. Die Frage ist eher, ob die anderen in der Lage sind deine Ehre zu erkennen. Unsicher schielt Inu Yasha zu ihr hinüber. „Meinst du... es wäre... feige... wenn ich mich nicht dieser Verhandlung stellen würde?“ Erschrocken zuckt Kagome zusammen, dann starrt sie entgeistert Inu Yasha an. „Ich meine“, fährt der Hanyou leise fort, „schließlich bin ich ja Schuld an...“ Doch Kagome fällt ihm ins Wort: „Willst du meine Meinung hören? Diese sogenannte Verhandlung ist völliger Schwachsinn! Ich kann überhaupt nicht verstehen, wie die auf so eine Idee kommen können“, ereifert sie sich. „Ich weiß zwar nicht womit das ganze Theater angefangen hat, aber offenbar existiert diese Blutfehde schon wesentlich länger. Ob es an diesem Nordfürsten lag, der den Streunerhauptmann herausgefordert hat, oder an den Streunern die den Nordfürsten umgebracht haben oder an der neuen Nordfürstin die jetzt Rache will, oder an den Ostyoukais die sie jetzt unterstützen oder an Tenmaru den jetzt alle jagen oder an Sesshomaru der die beiden Ostyoukais auf ihn gehetzt hat, es ist mir völlig Schnuppe! Diesen Konflikt gibt es offenbar schon seit Ewigkeiten und ich sehe absolut nicht ein warum gerade du dafür bestraft werden solltest, nur weil du einem Hilflosen zu Hilfe geeilt bist und sich hinterher herausstellte, dass du damit versehentlich in ein Hornissennest gestochen hast. Das Ganze ist so unfair und ich werde bestimmt nicht zulassen, dass man dir deshalb vorwirft ehrlos oder feige zu sein, weil du dich weigerst die Strafe für etwas zu übernehmen, was andere irgendwann vor langer Zeit mal verbockt haben!“ Mit großen Augen starrt Inu Yasha seine Freundin sprachlos an. Dass sie sich so in Rage redet nur seinetwegen? „Kagome...“, flüstert er. Danke! In diesem Augenblick beginnt der Boden unter ihnen zu vibrieren. Nicht stark, aber dennoch merklich. Kleine Kiesel hüpfen auf und ab und die Bäume um sie herum beginnen leise zu rascheln. Alarmiert schauen Inu Yasha und Kagome sich um. „Was war das?“, springt Inu Yasha auf. „Macht euch keine Sorgen, junger Fürst“, Yaebas Augen öffnen sich einen Spaltbreit und er blickt zu Inu Yasha und den anderen hinüber, „Wir sind lediglich in das Reich des Ostfürsten eingedrungen. Es würde mich nicht wundern wenn wir bald auf Arashitsumes Lakaien treffen würden, aber im Moment gibt es keine direkte Bedrohung.“ Grimmig funkelt Inu Yasha Yaeba an: „Woher willst du das wissen?“ Yaeba schließt die Augen wieder aber ein Lächeln zieht über sein Gesicht: „Glaubt ihr wirklich, dass ich schlafe in einem Lager dessen Herr mich am liebsten tot sehen will? Außerdem...“, nun öffnet er doch wieder die Augen und beginnt sich zu erheben, „wenn ihr eure Sinne bemüht, werdet ihr mir sicher Recht geben.“ Inu Yasha verzieht schmollend das Gesicht: „Ich kann dich nicht ausstehen!“ „Damit kann ich leben“, antwortet Yaeba gelassen und reckt sich ein wenig. „Ihr solltet eure Gefolgsleute wecken. Ich vermute, dass Sesshomaru-sama umgehend aufbrechen will, sobald er zurück ist.“ „Du hast mir überhaupt nichts zu sagen!“, grummelt Inu Yasha, doch bei sich spitzt er aufmerksam die Ohren und studiert eingehend jede Geruchsnote die ihm der Wind zuträgt. Offenbar scheint im Augenblick tatsächlich keine Gefahr zu bestehen, auch sein Gefahrensinn schlägt nicht an, und dennoch... Irgendetwas bahnt sich da an. Es ist mehr eine Ahnung als ein Gefühl, doch er hat gelernt auch auf solche Ahnungen zu achten. Das hat ihm schon manches Mal den Hals gerettet. Missmutig macht er sich mit Kagome daran, die anderen zu wecken. Die Gruppe ist ein eingespieltes Team und so dauert es nicht lange bis alle auf den Beinen sind und ihre Sachen zur Weiterreise verstaut haben. „Wo wohl Sesshomaru bleibt?“, bemerkt Sango nebenbei. Tatsächlich, der Fürst des Westens hat sich noch immer nicht blicken lassen. Dabei war es doch er, der bisher immer so rasch zum Aufbruch gedrängt hat. „Also ich habe es nicht wirklich eilig“, stellt Inu Yasha mit verschränkten Armen fest. „Aber seltsam ist es doch“, erwidert Kagome, „Vielleicht ist ja er der Grund für das Erdbeben vorhin.“ „Erdbeben? Was für ein Erdbeben?“, fragt Shippo verwirrt. „Stimmt, jetzt wo du es sagst“, meint Miroku, „Ich dachte auch schon, so etwas gespürt zu haben.“ „War ja klar, dass du das wieder verschlafen hast, Shippo“, brummt Inu Yasha, doch auf die folgenden Proteste des kleinen Fuchsdämon geht er gar nicht ein. Aufmerksam hält er die Umgebung im Auge. „Wo steckt der verdammte Kerl?“, murmelt er zunehmend unruhig vor sich hin. „Schau mal, da hinten!“, ruft Sango plötzlich aus und zeigt über die Baumwipfel zum Horizont. Sofort wenden sich sämtliche Blicke der angegebenen Richtung zu. In weiter Ferne zucken seltsame Lichter durch den diesigen Morgenhimmel. Fast sieht es so aus als ob dort ein umgekehrtes Gewitter abläuft. Hellblaue, plasmafarbene Blitze zucken gen Himmel und versuchen sich in den Wolken zu verkrallen. Unmittelbar darauf ist wieder eine leichte Erschütterung unter ihren Füßen zu spüren und ein tiefes Grummeln dringt aus weiter Ferne an ihr Ohr. „Was kann das nur sein?“, wundert Kagome sich. „Ich finde, dass sieht nach Ärger aus“, bemerkt Sango kühl. „Wir sollten uns das auf jeden Fall einmal ansehen“, fügt Miroku hinzu. „Das sehe ich genau so!“, nickt Inu Yasha und will sich schon in Bewegung setzen, da hält ihn eine Stimme zurück: „Ich halte das für keine gute Idee!“ Inu Yasha bremst jäh ab und dreht sich um. Gerade schwingt sich Tenmaru von seinem Ast herunter und kommt mit einer geschmeidigen Bewegung darunter zu stehen. „Ihr solltet warten bis Fürst Sesshomaru zurück ist. Bestimmt wird er sehr verärgert sein, wenn ihr ohne seine Erlaubnis losgegangen seit.“ Gereizt schaut Inu Yasha den jungen Youkai an: „Es ist mir scheißegal ob er sauer ist oder nicht. Er ist derjenige der unpünktlich ist und er ist derjenige der es sonst so eilig hat. Wer weiß was da hinten auf uns zukommt. Ich hab es zwar noch mitgemacht, dass er mich hierher geschleppt hat, das heißt aber nicht, dass ich tatenlos hier rumsitze und darauf warte von irgendwelchen unbekannten Gegnern abgeschlachtet zu werden. Ich werde der Sache auf den Grund gehen, ob es dir passt oder nicht!“ Finster schaut Tenmaru zu ihm hinüber: „Nein, es passt mir nicht! Wir sollten lieber auf Sesshomaru-sama...“ Weiter kommt er nicht, denn ehe er sich versieht, steht Inu Yasha plötzlich vor ihm und mit einem mächtigen Fausthieb schlägt er ihn zu Boden. Verdattert und ärgerlich schaut Tenmaru zu ihm auf. Mit gefletschten Zähnen steht der Hanyou da. Er atmet heftig und man sieht ihm deutlich an, dass er sauer ist. „Ich hab dich nicht nach deiner Meinung gefragt!“, schreit er, „Dein Gejammer geht mir dermaßen gegen den Strich! Sesshomaru, Sesshomaru, ich kann den Namen nicht mehr hören, klar? Wenn du ihn so toll findest, lass dich doch von ihm aushalten, aber solange... solange du in meinen Diensten stehst, tust du gefälligst was ich sage, kapiert? Und ich sage, wir gehen jetzt dahin woher die Blitze kommen und schauen nach was da vor sich geht! Und du kommst mit, klar, und zwar ohne Widerrede! Sonst kann ich dich nämlich...“, die letzten Worte quetscht er nur noch leise hervor, „nicht beschützen!“ Sprachlos starrt Tenmaru den Hanyou an. Kein weiteres Wort bringt er mehr hervor. Er sitzt nur mit entgeistertem Gesichtsausdruck auf der Erde und schaut zu dem Hanyou hoch. Dann nach einem langen Augenblick des Haderns schlägt er die Augen nieder. „Wie ihr befehlt, mein Fürst!“, sagt er und dann kommt er langsam wieder hoch. Seine Mine ist ausdruckslos. Unverzüglich macht sich nun die kleine Gruppe auf den Weg. Sango, Rin und Shippo reiten auf Kirara, Inu Yasha trägt Kagome auf seinem Rücken und Miroku und die beiden Youkais folgen ihnen ebenfalls zu Fuß. Die seltsamen Blitze sind nicht mehr zu sehen, aber sie steuern direkt in die Richtung aus der sie gekommen sind. Keine zehn Minuten später haben sie auch schon den Wald verlassen und kommen auf eine weite Fläche die zum hauptsächlich von einem großen See bedeckt ist. Direkt auf der anderen Seite des Sees erhebt sich ein großes Felsmassiv mit einem Kliff das direkt an dem Nordufer des Sees angrenzt. Die Spitze des Felsen ist mit einem üppigen Wald bedeckt, soweit man es von hier aus erkennen kann. Von dort scheinen die Blitze gekommen zu sein. Doch im Augenblick scheint sich dort alles ruhig zu verhalten. Die Gruppe kommt am Ufer des Sees zum Stehen und aufmerksam blicken sie zu dem Felsen hinauf. „Hier scheint es zu sein“, meint Miroku, „Irgendwas geht dort oben vor sich. Ich spüre eine seltsame Aura.“ „Ich spüre es auch“, bestätigt Kagome, „Ich bekomme richtig ne Gänsehaut! Was mag da oben wohl vor sich gehen?“ Inu Yasha legt die Stirn in Falten: „Dann gehen wir der Sache mal auf den Grund!“ „Warte, Inu Yasha!“, hält Sango ihren Kameraden zurück, „Was machen wir solange mit Rin?“ Verdutzt schaut der Hanyou sich um. Stimmt! Daran hat er jetzt nicht gedacht. Sie haben ja versprochen auf die Kleine aufzupassen. Sesshomaru reißt ihnen bestimmt eigenhändig den Kopf ab, wenn der Kleinen irgendetwas passiert. Irgendwer muss also auf sie acht geben. Aber wer? Wenn sie wirklich in einen Kampf mit den Ostyoukais geraten, werden sie jeden Kämpfer brauchen und obwohl diese Streuner sich bisher friedlich verhalten haben, will er es lieber nicht riskieren das Menschenmädchen grade bei ihnen zu lassen. Es bleibt also keine große Auswahl über. „Shippo kann ja auf sie aufpassen“, meint er schließlich. „Ich, wieso grade ich?“, ruft der kleine Fuchs entsetzt aus, „Und was ist wenn diese Ostyoukais hier herkommen?“ „Ach, das schaffst du schon!“, wehrt Inu Yasha ab, „Sei nicht immer so ein Angsthase!“ „Du hast leicht reden!“, jammert der kleine Fuchsdämon, „Du hast wenigstens noch ein Schwert um dich zu verteidigen.“ „Stell dich nicht so an!“, erwidert Inu Yasha, „Wäre doch nicht das erste Mal, dass du dich verteidigen musst. Und du machst das doch immerhin ganz ordentlich, oder?“ Shippo bekommt große Augen: „Meinst du das Ernst, Inu Yasha? Du findest ich kann gut kämpfen?“ Inu Yasha verzieht das Gesicht: „Na ja, zumindest für einen nervigen, kleinen Kitsune (Fuchs), isses nicht schlecht.“ Der kleine Fuchs strahlt über das ganze Gesicht: „Das ist das netteste was du je zu mir gesagt hast, Inu Yasha!“ Hastig wehrt der Hanyou ab: „Nun aber Schluss damit! Du bleibst jetzt am besten mit Rin hier und...“, er wendet sich um, „Tenmaru kann auch hier bleiben. Dann seit ihr nicht völlig unbewaffnet.“ Er wirft dem Youkai einen ernsten Blick zu: „Und diesmal kämpfst du gefälligst, klar? Keine Unterwürfigkeit, kein Aufgeben, klar?“ Fast scheint es als wolle Tenmaru etwas erwidern, doch sein Blick geht für einen Sekundenbruchteil hinüber zu Yaeba und augenblicklich überlegt er es sich anders. Stattdessen nickt er nur und schweigt. „Na also“, meint Inu Yasha, „Nachdem das nun endlich geklärt ist, können wir wohl los, oder?“ Seine Kameraden nicken. Doch gerade wie aufs Stichwort beginnt der Boden unter ihren Füßen erneut zu vibrieren und auf der Oberfläche des Sees bilden sich mehrere ineinander verschlungene Kreise und Wellen. Augenblicke später ertönt von der Spitze des Berges ein lautes Knacken und Krachen gepaart mit mehreren dumpfen Aufschlägen. Sofort gehen Inu Yasha und seine Freunde in Verteidigungsposition. Irgendetwas tut sich dort oben. Dann urplötzlich gibt es einen lauten Knall und eine Art Druckwelle befördert mehrere der Bäume dort oben in einem großen Splitterregen hinunter in den See. Heftig schlagen die Holzstücke auf dem Wasser auf. „Verdammt, was ist das?“, grummelt Inu Yasha. Sämtliche Blicke sind nun auf das Kliff dort oben gerichtet. Dann von einer Sekunde zu anderen werden dort oben die Bäume auseinandergerissen und eine riesenhafte Gestalt prescht in rasendem Tempo heraus aus dem Wald. Kagome und die anderen reißen die Augen auf. Die gewaltige Gestalt hat nun den Rand des Kliffs erreicht und setzt zu einem mächtigen Sprung an. Nun endlich können sie erkennen was es ist. Es ist ein riesenhafter Hund mit langem und zotteligen, dunklen Fell und einem weitaufgerissenen, furchteinflößenden Rachen in dem viele messerlange, scharfe Zähne sitzen. Noch im Sprung, der trotz der enormen Größe fast schon elegant aussieht, stößt er ein furchterregendes Grollen aus, so dass Kagome im ersten Moment ein Schauer des Entsetzens über den Rücken läuft. Doch noch während das Monster sich in der Luft befindet, scheint urplötzlich ein eiskalter Wind über das Kliff zu wehen und die Bewegungen der Bäume dort oben erstarre augenblicklich. Unmittelbar darauf werden Inu Yasha und die anderen Zeuge davon wie zwei gewaltige, lange Lanzen aus Eis durch die Luft schießen und nur Sekundenbruchteile später mit tödlicher Präzision das gewaltige Hundewesen am Himmel durchbohren und mitten in seinem Körper stecken bleiben. Ein markzerreißender Schrei entfährt der Kehle des Getroffenen und wie ein gewaltiger Meteor stürzt die riesige Gestalt hinab in den See und versingt mit einem lautem Aufklatschen unter einer riesigen Welle in den Fluten. Wie erstarrt haben Inu Yasha und der Rest der Truppe das beobachtet. „Was... was war das denn?“, fragt Kagome erschrocken. Doch keiner der anderen hat eine Antwort parat. Fassungslos beobachten sie nur die letzten Wellen auf der Oberfläche des Sees. „Ist es tot?“, wagt Shippo vorsichtig zu fragen. Doch auf einmal wird ihre Aufmerksamkeit erneut von etwas gefesselt. Im Wasser nahe des Ufers bewegt sich etwas. Die Gestalt die dort gerade gegen die Fluten ankämpft und mit schwerfälligen Bewegungen dem Ufer immer näher kommt, ist bei weitem nicht so riesig wie das Hundemonster eben und dennoch scheint es die selbe Aura zu verströmen, auch wenn sie nun um einiges schwächer ist. Sangos Gesicht wird ernst: „Nein, er lebt noch!“ Sofort geht Inu Yasha wieder in Angriffsposition und auch die anderen machen sich bereit dem Gegner entgegen zu treten. Doch urplötzlich kann man sehen wie Tenmaru zusammenzuckt und sofort darauf reißt er fassungslos die Augen auf. Ohne sich um irgendetwas anderes zu kümmern, springt er los und Sekunden später hat er schon das Ufer erreicht und hastet nun auf die Gestalt zu, die sich offenbar schwerfällig zum Ufer kämpft. „Raiuko!“, ruft er aus und unmittelbar darauf hat er den schwer verletzten, schmächtigen Youkai erreicht der nun blutend und schwer atmend in seinem Griff zusammenbricht. „Du kennst den?“, Inu Yasha ist verblüfft. Doch Tenmaru antwortet nicht. So rasch wie möglich schleppt er den verwundeten Youkai aus dem Wasser heraus. Nun ist auch Yaeba herangekommen und Tenmaru legt den triefenden Youkai behutsam am Ufer ab. Der feingliedrige Youkai ist bei Bewusstsein aber er keucht und spuckt rötlich gefärbtes Wasser aus. Zwei riesige Löcher ziehen sich durch seine Brust und er blutet heftig. Sein langes, dunkelgraues Haar hängt ihm wirr ins Gesicht und sein Gesicht ist kalkweiß. Nun hebt er langsam den Kopf. „Tenmaru? Was... machst du denn hier?“, das Sprechen fällt ihm schwer. „Das könnte ich dich auch fragen“, gibt der junge Youkai zurück. „Wer ist das?“, fragt jetzt auch Sango die herangekommen ist, „Ein Freund von dir?“ Verlegen blickt Tenmaru zur Seite: „Er gehörte zu unserem Rudel“ „Ich denk, die wurde alle vernichtet“, bemerkt Inu Yasha missmutig. Ein rebellisches Blitzen fliegt über Raiukos schmerzverzerrte Mine: „Soweit ist es noch nicht, Hanyou!“ „Was hast du gesagt?“, giftet Inu Yasha zurück. „Raiuko, was ist passiert?“, unterbricht Yaeba nun den ärgerlichen Hanyou. Der verwundete Streuner schaut auf. „Yaeba! Ich...“, man merkt, dass er die Zähne zusammenbeißen muss um die Schmerzen zu ignorieren, „Es waren diese verdammten Kita-aitsu! Sie... sie haben uns aufgespürt. Gleich sieben von den Mistkerlen sind über uns hergefallen. Diese feigen Hunde!“ Krampfhaft ballt er die Fäuste zusammen und mit zittrigen Bewegungen versucht er auf die Füße zu kommen. Sein Gesicht hat eine unnatürliche bleiche Farbe und das Magenta seiner Augen scheint wie ausgewässert. „Raihone...“, sein Gesicht verzieht sich zu einer Maske des Zorns, „Raihone...“, seine Kiefer zittern und seine Reißzähne treten hervor. Inu Yasha und die anderen lassen ihn keine Sekunde lang aus den Augen. Doch dann bricht es mit einem zornigen Schrei aus ihm heraus: „Diese dreckigen Bastarde haben Raihone umgebracht! Sie haben meinen Bruder getötet! Ich mach sie kalt! Ich bring diese miesen Köter mit meinen eigenen Händen um!“ Wilde Wut steht dem zierlichen Youkai ins Gesicht geschrieben. Hoch aufgerichtet steht er da und seine Augen leuchten gefährlich violett. Das Wasser in seiner Kleidung und Haaren scheint augenblicklich zu verdampfen und eine Aura des Zorns hüllt seinen gesamten Körper ein, so dass ihm die dunklen Haare zu Berge stehen und sein Gesicht sich immer mehr zu einer bestienartigen Fratze verzieht. Auch Zähne und Klauen treten hervor und ein schauerliches Grollen dringt aus seiner Kehle. Doch Inu Yasha und die anderen, die nun schon mit allem gerechnet hatten, werden zu ihrer Überraschung enttäuscht, denn auf einmal hält der grimmige Youkai unvermittelt inne. Seine Gesichtszüge erschlaffen und sein Blick geht plötzlich ins Leere. Von einem Moment auf den anderen verpufft die gefährliche Aura um ihn und fast wie in Zeitlupe kippt er nach vorne und bricht leblos zusammen. Mit sicherem Griff fängt Yaeba den erschlafften Körper auf und legt ihn behutsam zurück auf die Erde. Die Umstehenden betrachten irritiert den reglosen Körper zu ihren Füßen. Seine Haut ist nun schneeweiß und seine halbgeöffneten Augen haben nur noch die Farbe von blassem Lila. Dunkles, dickflüssiges Blut sickert langsam aber stetig aus den zwei klaffenden Wunden in seiner Brust. „Ist er... tot?“, fragt Kagome vorsichtig. Yaeba wendet sich wortlos ab. Wachsam nähert sich Inu Yasha dem leblosen Körper. Dann schüttelt er den Kopf. „Nein, er lebt noch!“ Erstaunt schaut Kagome auf: „Was? Aber... wie kann das sein? Bei diesen schweren Verletzungen. Schau dir nur seine Hautfarbe an!“ „Er ist sehr schwer verletzt aber er wird es überstehen“, antwortet Tenmaru an Inu Yashas statt. „Wer kann ihn bloß so zugerichtet haben?“, wundert sich Miroku. „Na, wer schon“, meint Inu Yasha grimmig, „Du hast es doch gehört. Es waren diese Youkais aus dem Norden.“ „Sind die wirklich so schrecklich stark?“, Kagome ist beunruhigt. „Hast du Yaeba gestern nicht zugehört?“, stößt Tenmaru nun aufgebracht hervor, „Diese Kita-aitsu sind gnadenlos! Wenn die auf deiner Fährte sind, gibt es kein Entrinnen. Die geben keine Ruhe bis sie dich haben. Und dann schlachten sie dich ab! Nichts und niemand wiedersteht ihnen! Wenn es zum Krieg kommt mit ihnen, dann werden sie uns einfach überrennen. Da gibt es nichts was wir tun können. Wir sind viel zu wenige. Wir sind kein Gegner für sie.“ Schweigend und mit gesenktem Kopf hat Inu Yasha zugehört. Nun hebt er langsam den Kopf. Seine Mine ist ausdruckslos, doch seine goldenen Augen sind nun direkt auf Tenmaru gerichtet. „Bist du jetzt fertig?“, sagt er ruhig, „Ich sag dir was: Ich fürchte mich nicht! Sollen sie doch kommen, die Nordler oder auch die Ostler! Ich fürchte sie nicht! Wenn es sein muss, nehme ich es mit jedem einzelnen von ihnen auf. Es ist völlig egal ob ich ein Fürst bin oder nur ein gewöhnlicher, verachteter Hanyou. Ich habe eine Verantwortung zu erfüllen und die hat mir niemand auferlegt. Ich habe mich selbst dafür entschieden. Ich werde meine Freunde beschützen und auch jeden anderen der Hilfe benötigt. Das ist es wofür ich alles tun werde, koste es was es wolle! „Vielleicht schaffen die es ja tatsächlich mich zu töten, aber ich fürchte mich mehr davor, etwas unversucht gelassen zu haben, bei dem Versuch die zu beschützen die mir wichtig sind! Deshalb werde ich nie aufgeben, nie vor einem Kampf zurückschrecken und mich niemals unterordnen. Sonst müssen meine Freunde dafür büßen und das lasse ich niemals zu!“ Sprachlos schauen Kagome, Sango und Miroku ihren Hanyou-Freund an. Ein angespanntes Schweigen liegt über der Ebene. Noch immer hält Inu Yashas entschlossener Blick die Augen des jungen Youkais vor ihm gefangen. Tenmaru ist bleich geworden. Das ist nicht möglich! Es kann nur eine Täuschung gewesen sein. Aber für den winzigen Bruchteil einer Sekunde... Er hätte schwören können, dass dort nicht dieser drahtige, jugendhafte Hanyou mit den Hundeohren und dem roten Gewandt vor ihm stand sondern etwas... jemand anderes. Jemand, ähnlich dem amtierenden Fürsten des Westens und doch... anders. Älter! Aber es sind die selben, goldenen Augen. In ihnen liegt die gleiche Entschlossenheit. „Diejenigen beschützen... die einem wichtig sind...?“, es ist nur ein tonloses Wispern. „Dennoch sollten wir wachsam sein“, gibt nun Yaeba zu bedenken, „Er sieht vielleicht nicht so aus, doch Raiuko war kein Schwächling. Wer immer ihn so zugerichtet hat, ist mit Sicherheit ein ernstzunehmender Gegner.“ „Pah!“, erwidert Inu Yasha entschlossen, „Ich nehme jeder Herausforderung an! Sollen sie nur kommen. Ich bin bereit!“ „Das... hoffe ich“, bemerkt Miroku ein wenig verunsichert, „Du bekommst deinen Kampf wahrscheinlich früher als du denkst, Inu Yasha. Wir sind nämlich nicht mehr alleine!“ Sofort wandern sämtliche Köpfe in die vom Mönch angezeigte Richtung. Am Waldrand der Ebene ist Bewegung zu erkennen. Ungläubig reißt Sango die Augen auf. Rasch ergreift sie ihre Waffe und auch Inu Yasha greift nach dem Griff seines Schwertes. Nicht ohne Grund! Am Waldsaum sind fremde Youkais zu erkennen. Doch nicht nur zwei oder drei, sondern mehr. Viel mehr! Immer mehr von ihnen lösen sich aus dem Schatten des Waldes und sie sind so zahlreich, dass sie die gesamte Lichtung umstellen. Es müssen wohl über fünfzig sein und sie alle sind bewaffnet. Mit grimmigem Blick fixieren sie die kleine Gruppe und es macht nicht den Eindruck als würden sie sie unbehelligt ziehen lassen wollen. So in die Zange genommen, bleiben Inu Yasha und den anderen nicht mehr viel übrig als sich etwas dichter zusammenzudrängen den verletzten Streuner zwischen sich zu nehmen und ihre Gegner wachsam im Auge zu behalten. Die Augenfarbe und die Wangenzeichnung macht ihre Herkunft eindeutig: Ostyoukais! Da plötzlich erscheint eine weiterer Youkai zwischen den anderen und baut sich hoch aufgerichtet vor ihnen auf. Inu Yasha verzieht die Mundwinkel als er das bekannte Gesicht erkennt: „Ah, der Feigling gibt sich wieder die Ehre!“ Kapitel 16: Ostyoukai --------------------- „Du schon wieder!“, ruft Inu Yasha missmutig zu dem Ostyoukai mit dem langen Schwert hinüber. Boshaft funkelt Sokudo ihn an: „Na, wen haben wir denn da? Das ist ja der kleine Verräter aus dem Westen!“ Inu Yasha schießt ihm zornige Blicke zu. Sokudo lächelt amüsiert. „Ja glaubt man’s denn? Da ist man auf der Suche nach diesem Streuner Pack und dann kommen sie tatsächlich freiwillig zu einem!“, Sein Gesicht bekommt etwas angewidertes, „Zusammen mit dieser Westbrut, ihren Sympathisanten!“ Inu Yasha fletscht die Zähne. „Was willst du?“, grollt er. „Das selbe könnte ich auch fragen, nicht wahr, Hanyou!“ Inu Yasha zuckt ärgerlich zusammen. Muss er sich immer wieder beleidigen lassen? Oh nein! Wenn er schon ein Fürstensohn ist, kann der andere ihn gefälligst auch so behandeln. Dem Typ wird er es geben! Hämisch verzieht Inu Yasha das Gesicht: „Schon klar, dass du so große Töne spuckst, du kleiner Schisser. Diesmal hast du ja schließlich deine große, starke Armee hinter dir. Bist wohl zu feige es mit einem einfachen Hanyou alleine aufzunehmen, was?“ Sokudo steigt die Zornesröte ins Gesicht und er fletscht die Zähne: „Was war das, du Köter?“ „Hast mich schon gehört“, meint Inu Yasha abfällig. „Mach ihn nicht noch wütend!“, flüstert Kagome besorgt ihrem Freund zu. „Pah, von mir aus soll er doch herkommen“, meint Inu Yasha schnippisch. „Ja, aber diesmal hat er wirklich eine große, starke Armee mitgebracht“, gibt Miroku zu bedenken. „Wir müssen ja nicht unnötig einen Kampf heraufbeschwören“, meint nun auch Sango. „Ach, euch macht’s vielleicht nichts aus wenn der Kerl mich beleidigt. Ich lass das nicht auf mir sitzen!“ Inu Yasha wendet sich wieder Sokudo zu. „Also komm schon her, du Verlierer!“ Der Ostyoukai starrt Inu Yasha tödlich an: „Wieder diese abartige, westliche Arroganz, du lausiger kleiner Bastard!“ Trotzig erwidert Inu Yasha seinen Blick: „Laber nicht rum, Feigling! Oder willst du keine Rache für deinen fetten Freund?“ Kagome und die anderen verdrehen die Augen. Jeder gute Eindruck von eben, einfach in der Luft verpufft! Er hat wirklich noch viel zu lernen. Doch seine Worte haben ihre Wirkung auf Sokudo nicht verfehlt. Der Ostyoukai kocht. Seine Augen leuchten hellviolett. „Das büßt du, Köter! Ihr werdet alle sterben!“, er wendet sich an seine Untergebenen, „Macht sie nieder! Lasst keinen am Leben!“ Die übrigen Ostyoukai haben die Unterhaltung mit wachsendem Ärger verfolgt, doch sie unterstehen ihrem Befehlshaber aus der Elitegarde ihres Fürsten. Ein vorschnelles Handeln wäre tödlich, doch nun haben sie den Befehl und von einem Moment auf den nächsten stürmen sie los. „Das hast du nun davon, Inu Yasha!“, ruft Sango verärgert und hebt ihren Bumerang. Augenblicklich nimmt Kirara ihre Kampfgestalt an und ein tiefes Grollen liegt in ihrer Kehle. Miroku fasst seinen Stab fester und Shippo steht zitternd neben ihm, bereit seine Haut so teuer wie möglich zu verkaufen. Auch die beiden Streuner bauen sich vor ihrem Kameraden auf um ihn mit allen Mitteln zu verteidigen. Kagome spannt ihren Bogen. Sie weiß zwar nicht was sie gegen diese Masse an Gegnern ausrichten kann, aber sie wird ihren Beitrag leisten. Ganz vorne steht Inu Yasha und bietet den heranstürmenden Youkais die Stirn. „Kommt nur!“, grinst er verwegen und die Kampfeslust steht ihm ins Gesicht geschrieben. Nur noch wenige Meter trennt die Gruppe um Inu Yasha von der heranwogenden Flut von wütenden Ostyoukai. Mit einer blitzschnellen Bewegung zieht er Tessaiga. Hell lodert die mächtige Klinge auf. Er ist bereit sie zu empfangen. Doch auf einmal scheint sich der Himmel zuzuziehen. Die Sonne verschwindet hinter grauen Wolken und schlagartig braust ein kräftiger Wind über die Ebene. Plötzlich nimmt Inu Yasha über sich eine Bewegung wahr und Sekundenbruchteile später fährt etwas vom Himmel herab und landet mit solch einer Wucht direkt zwischen der kleinen Gruppe und den Ostyoukai, dass der Boden hart erschüttert wird, die Erde aufbricht und die angreifenden Youkai für einen kurzen Moment die Balance verlieren und innehalten. Tenmarus Augen weiten sich. Das ist ja...! Mit einer geschmeidigen Bewegung richtet Sesshomaru sich auf. Er nimmt sich kaum Zeit seine Gegner zu begutachten. Seine Augen leuchten gefährlich rot. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren hebt er seine Hand. Sofort schießt eine leuchtend grüne Energiepeitsche daraus hervor. Doch damit nicht genug. Nur Augenblicke später erscheint eine weitere und dann noch eine und noch eine. Seine gesamte Hand beginnt zu leuchten und schneller als man schauen kann sprießen hellgrüne, leuchtende Schnüre aus der Hand des Youkaiprinzen hervor und züngeln hoch über seinem Kopf in alle Richtungen. Schließlich hat sich ein dicker Strang aus wild schwingenden, gefährlich leuchtenden Energiebändern gebildet. Etwas verunsichert werden die Ostyoukai langsamer. Doch noch ehe sie sich eine Meinung bilden können, fliegen Sesshomarus Augen auf und sofort rast das Ende eines jeden Energiebandes auf einen der Angreifer zu und wickelt sich um seinen Hals. Ungläubig beobachten Inu Yasha und die anderen das Spektakel, dass sich ihnen hier bietet. Mit einem gewaltigen Schwung hebt Sesshomaru seinen Arm und dann schlägt er das Bündel aus Strängen mit einer solchen Kraft auf den Boden, dass augenblicklich sämtliche Youkai von den Füßen geholt, in die Luft gerissen werden und allesamt mit einem so heftigen Getöse auf dem Boden aufschlagen, dass die Erde bebt und eine dicke Staubwolke aufgewirbelt wird. Sitz!, kommentiert Kagome das Gesehene innerlich und sie muss einmal heftig schlucken. Das ist also die Macht eines Daiyoukais. „Schluss damit!“ Die Stimme des weißhaarigen Youkais ist ruhig aber eisig. Langsam nehmen seine Augen wieder ihre normale Farbe an. Hinter ihm stemmt nun empört Inu Yasha die Hände in die Seiten: „Sesshomaru! Tauchst du etwa auch mal wieder auf, du alter Angeber? Du brauchst dich hier gar nicht einmischen. Mit den Typen wird ich auch noch alleine fertig!“ „Sei still!“, Sesshomarus Stimme lässt keinerlei Wiederspruch zu und seine Augen funkeln ärgerlich, „Du redest gefälligst nur, wenn du dazu aufgefordert wirst, kleiner Bruder!“ „Ist doch wahr...!“, nuschelt Inu Yasha missmutig, „Immer muss er im Mittelpunkt stehen!“ Sokudo, der sich nicht an dem Kampf beteiligt hatte, ist von der Attacke verschont geblieben. Wütend schaut er zu dem Fürsten des Westens hinüber. „Fürst Sesshomaru!“, quetscht er zwischen den gefletschten Zähnen hervor, „Was führt Euch hier her?“ Er ist dem Daiyoukai schon einmal knapp entkommen und will sicher nicht noch mal riskieren ihn ernsthaft zu verärgern, auch wenn er diesmal vielleicht im Recht wäre. Doch der Machtbeweis gerade hat ihn erst einmal vorsichtig werden lassen. So schluckt er seinen Ärger zunächst mal hinunter und beschließt es notgedrungen mit Höflichkeit zu versuchen. „Wir haben nicht mit einem Besuch von Euch gerechnet. Ihr hattet Euch nicht angekündigt. Hättet iIhr einen Boten geschickt, dann hätten wir Euch selbstverständlich...“ „Schweig! Du widerst mich an, wertloser Higashi-aitsu!“, unterbricht Sesshomaru ihn. Sokudu verstummt und funkelt Sesshomaru boshaft an. Der hochgewachsene Youkaiprinz bedenkt ihn mit einem durchdringenden Blick der keinen Widerspruch duldet. „Ich bin hier um den Hohen Rat einzuberufen und erwarte freie Passage bis zum Palast deines Fürsten.“ Die niedergestreckten Youkai haben sich langsam wieder aufgerappelt und blicken hinüber zu ihrem Anführer um eine eindeutige Anweisung von ihm zu erhalten. Lässt er diesen Kerl aus dem Westen wirklich passieren? Doch Sokudo hebt die Hand und mahnt sie damit dazu, nicht einzugreifen. Soll der Nishi-aitsu doch von ihm aus zum Palast gehen. Fürst Arashitsume wird sich schon seiner annehmen. Sein finsterer Blick fällt auf Inu Yasha. Den Rat einberufen will er? Na, das kann ja nur bedeuten, dass über ihren kleinen Zwischenfall verhandelt werden soll. Ein verächtliches Lächeln zieht auf sein Gesicht. In deiner Haut möchte ich echt nicht stecken, Hanyou! Und dieser Streuner da! Er blickt zu Tenmaru hinüber. Du bekommst noch was du verdienst. Einen langsamen, schmerzhaften Tod! Fürst Arashitsume hat noch etwas ganz besonderes mit dir vor, warte nur ab. Nicht umsonst haben wir dich quer durch das ganze Land gejagt. Schönen Dank auch, dass du uns die Arbeit abnimmst und selbst hergekommen bist. Wenn du erst mal mit deinen neuen Freunden im Schloss angekommen bist, wird dir auch Yaeba nicht mehr helfen können. Ich weiß zwar nicht was Fürst Arashitsume gerade von dir will, aber wenn der Befehl lautet dich um jeden Preis zu ihm zu bringen, scheinst du irgendwie wichtig zu sein. Wertlose Brut! Aber kein Wunder bei solch einer ehrlosen Anführerin die sich sogar gegen ihren eigenen Bruder gewandt hat. Diese ehrlose Kojotin hatte es nicht besser verdient als in Stücke gerissen zu werden! Ohne die einzige Daiyoukai in eurem Rudel gibt es auch kein Rudel mehr. Wer soll denn diese Bande aus ehr- und ranglosen Youkai, diesen Bodensatz der Gesellschaft, zusammenhalten, wenn niemand mehr da ist der ihnen regelmäßig Benehmen einprügelt? Sieh es ein Streuner, ohne Sie habt ihr gar nichts mehr und ihr werdet in alle Himmelsrichtungen auseinandergetrieben, bis wir euch einen nach dem anderen abgeschlachtet haben! Doch von all diesen Gedanken ahnen Inu Yasha und seine Kameraden nichts. Stattdessen folgen sie mit gemischten Gefühlen dem weißhaarigen Youkaiprinzen vor dem sich nun eine Schneise in die umstehenden Ostyoukai gebahnt hat. Übelwollende, hasserfüllte und gierige Blicke verfolgen die kleine Gruppe. Kagomes Herz schlägt bis zum Hals. Diese ganzen purpurfarbenen Augen machen ihr Angst, außerdem vernimmt sie Wortfetzen wie „Menschenweiber...“, „Leckerbissen...“ und „...schmecken gut...“. Du liebe Güte, worauf haben sie sich hier bloß eingelassen? Unwillkürlich schließt sie dichter zu Inu Yasha auf der mit erhobenem Haupt aber mit wachsamem Blick hinter seinem Bruder herspaziert und noch immer Tessaiga geschultert hat. Kagome beißt die Zähne zusammen. Sie kann die bösartige Aura deutlich spüren, die jeden dieser Youkai umgibt und es jagt ihre einen kalten Schauer nach dem anderen über den Rücken. Wir hätten nicht mitkommen sollen! Sesshomaru hat recht. Das hier sind keine einfachen Dämonen, das sind Youkai und zwar jede Menge. Und sie hassen uns! Vorsichtig blickt sie sich um. Auch Sango und Miroku, die hinter ihr gehen, sind höchst angespannt. Sie sieht es in ihren Gesichtern. Wahrscheinlich zu Recht, denn schließlich sind sie die erklärten Todfeine dieser Youkai; ein Mönch und eine Dämonenjägerin. Ob sie es auch schon bereuen mitgekommen zu sein? Nein! Sie ruft sich innerlich zur Ordnung. Wir sind hier um Inu Yasha zu unterstützen. Uns wird schon nichts passieren, solange die wissen, dass wir zu Inu Yasha gehören. Wir haben schon viel schlimmere Bedrohungen überlebt! Denke ich jedenfalls... Krampfhaft umschließt sie ihren Bogen. Gegen eine solche Übermacht, wird er ihre wahrscheinlich wenig helfen, aber er gibt ihr zumindest etwas Sicherheit. Außerdem soll niemand merken, dass sie am ganzen Körper zittert. Diese negative Aura ist einfach überwältigend! Selten zuvor hat sie sich so hilflos gefühlt. Auf einmal spürt sie direkt neben sich eine Berührung. Ruckartig schaut sie auf. Doch zu ihrer Überraschung ist es keiner der Youkai sondern Inu Yasha. Er geht direkt neben ihr; Tessaiga noch immer auf seiner Schulter ruhend. Verwundert schaut sie ihn an. Was kann er wollen? Die Miene des Hanyous ist ernst und konzentriert. Als er spricht ist seine Stimme fast ein Flüstern: „Reiß dich zusammen! Ich kann deinen Angstschweiß riechen und die können das auch! Wenn wir Schwäche zeigen, haben wir sofort verloren!“ Diese Worte treffen Kagome hart. Wütend und verletzt schluckt sie ihre Worte runter. Wie kann er so was sagen? Sie soll keine Angst haben? Das ist ja wohl leichter gesagt als getan! Diese Typen warten doch nur darauf uns in Stücke zu reißen und er sagt, sie soll sich nicht fürchten. Sie weiß ja, dass er recht hat, aber er ist immerhin ein Hanyou und ein Fürstensohn und sie ist nur ein einfacher Mensch. Es ist doch wohl klar, dass sie Angst hat! Wie kann er nur wieder so gefühllos sein? Unwillkürlich steigen ihr die Tränen in die Augen. Inu Yasha, du Idiot, war das wirklich nötig? Doch zu ihrer Überraschung steht nicht der übliche Ärger in Inu Yashas Gesicht sondern etwas seltsam Sanftes liegt in seinem Blick als er leise sagt: „Wein doch jetzt nicht! Ich beschütz dich schon, das hab ich doch versprochen, oder?“ Ungläubig schaut Kagome ihn an. „Inu Yasha...“, meinst du das ernst? Ein kleines Lächeln kehrt auf ihr Gesicht zurück. Danke! Einige Schritte weiter vorne geht Sesshomaru. Auch wenn er sich nicht umdreht, tragen seine empfindlichen Sinne ihm alles zu was hinter seinem Rücken passiert. Es mag ja ganz löblich sein, dass sein Bruder diese Menschenbande inzwischen einigermaßen unter Kontrolle hat und auch versucht diese Situation nicht schwieriger zu machen als unbedingt nötig, aber diese Sentimentalitäten immer, muss das wirklich sein? Ihm wird jedes Mal fast schlecht wenn er seinen Bruder mit diesem Menschenmädchen Süßholzraspeln hört. Da sträuben sich ihm die Nackenhaare! Daraus kann einfach nichts Gutes werden! Mal abgesehen davon, dass so eine Verbindung sowieso keine Zukunft hätte. Der Rat würde niemals gestatten, dass ein Fürstensohn des Westens unter seinem Stand heiratet. Aber das ist diesem Idioten wahrscheinlich völlig egal! Sesshomaru beißt die Kiefer aufeinander. Wenn das hier vorbei ist, muss ich mich um die Angelegenheit kümmern. Aber im Moment brauch ich noch seine Kooperation und ich fürchte, die hab ich nur, wenn er das Gefühl hat, dass diese Frau in Sicherheit ist. Es eilt ja noch nicht, aber die Gelegenheit kommt sicher. Aber vorerst kann sie sich vielleicht noch als ganz nützlich erweisen, mit den Kräften die sie hat. Doch danach ist es wohl besser ich breche ihr das Genick, ehe sie noch Schaden anrichtet. Unbeirrt schreitet der Youkaiprinz voran und die anderen folgen ihm. Da vernimmt er Sokudos Stimme hinter sich: „Fürst Sesshomaru!“ Der weißhaarige Youkai bleibt stehen und wendet den Kopf. „Was soll mit diesem Abschaum geschehen?“, mit diesen Worten zeigt Sokudo auf Yaeba und Tenmaru, der den angeschlagenen Raiuko stützt, „Reist der auch mit Euch? Ihr kennt meine Befehle... und sie sind auf unserem Land!“ Kühlt funkeln Sesshomarus Augen zu ihm herüber. Dann dreht er sich um und geht weiter: „Klär das mit meinem Bruder, es sind seine Diener!“ Voll Hass starrt Sokudo nun Inu Yasha an, doch der Hanyou erwidert seinen Blick mit gleicher Intensität. „So...?“, murmelt Sokudo gefährlich? Inu Yasha hebt Tessaiga von seiner Schulter und streckt ihm die Klinge langsam entgegen: „Hast du was dagegen?“, grollt er entschlossen. Sokudo presst die Lippen aufeinander. „Aber nicht doch, mein Fürst“, zischt er verächtlich, doch es klingt wie das Gegenteil. „Vergiss das besser nicht!“, funkelt Inu Yasha ihn an, „Sonst mach ich aus dir genau so Kleinholz wie aus deinem fetten Kumpel!“ Sokudos Gesicht läuft rot an vor Zorn doch er schluckt seinen Ärger hinunter und bedenkt Inu Yasha nur mit einem vernichtenden Blick. Dann wendet er sich an Tenmaru: „Warte nur ab, lange hast du nicht mehr Galgenfrist, Köter! Irgendwann gehörst du mir und dann werde ich da weitermachen, wo ich damals aufgehört habe!“ Verunsichert schlägt Tenmaru die Augen nieder. Doch nun bleibt Yaeba stehen und blickt den wütenden Youkai ernst an. „Sokudo, ich erinnere mich noch gut an dich“, sagt er ruhig, „Du bist ein mächtiger Youkai, ein starker Krieger und mit Sicherheit ein Mann an dem Arashitsume Gefallen hat“, die letzten Worte entbehren nicht einer gewissen Verachtung, „Aber wenn du wirklich vor hast, diesen Jungen weiter zu verfolgen“, sein Blick wird todernst, „Dann siehst du deiner eigenen Beerdigung entgegen!“ „Was denn, Yaeba“, meint Sokudo nun spöttisch, „Willst du den kleinen Bastard wirklich beschützen? Auch wenn du mal der Hauptmann unserer Garde warst, bevor du dich dieser Verräterin angeschlossen hast, inzwischen nehme ich es schon lange mit dir auf und ich lasse mir von niemandem meine Beute streitig machen, verstanden?“ Der Youkai kocht vor Wut und seine Augen leuchten gefährlich violett. Doch Yaeba erwidert den Blick nur unbeeindruckt. „Du siehst das völlig falsch, Sokudo, wie üblich!“ Der wütende Ostyoukai hält inne und starrt Yaeba grimmig an: „Was meinst du damit?“ Yaebas Miene wird ernst: „Das heißt, ich brauche ihn nicht zu beschützen. Leg dich mit dem Jungen an und er reißt dir den Kopf ab! Du hast keine Chance gegen ihn!“ Überrascht halten Inu Yasha und die anderen inne. Haben sie richtig gehört? So stark soll Tenmaru sein? Kagomes Blick fällt auf den jungen Youkai. Tenmaru blickt verschämt zu Boden. Er macht wirklich nicht den Eindruck als wäre er so stark, denkt Kagome bei sich, aber dennoch... Wir haben zwar nicht viel gesehen von dem Kampf zwischen ihm und Inu Yasha, aber er konnte immerhin das „Kaze no Kizu“ mitten in der Luft zerschneiden und er ist schnell! Vielleicht steckt ja doch mehr in ihm als man vom ersten Eindruck her sieht? Zunächst schaut Sokudo nur ungläubig doch dann wirft er den Kopf in den Nacken und beginnt laut zu lachen. „Was, diese halbe Portion? Der soll mir gewachsen sein? Mach dich nicht lächerlich, Yaeba! Wenn das so ist, soll er doch mal zeigen was er kann. Komm doch her, Kleiner, dann erlös ich dich von all deinen Leiden! Na los, nur wir zwei! Dann zeig ich dir den Unterschied zwischen einem Elitesoldaten und einem wie dir!“ Unsicher blickt Tenmaru zunächst zu Yaeba und dann zu dem Rest der Gruppe hinüber. Er macht den Eindruck, als wäre er lieber an jedem anderen Ort als ausgerechnet hier. „Du bist töricht wie schon immer, Sokudo!“, wendet sich nun Yaeba wieder an den Ostyoukai, „Sonst würdest du nämlich spüren, was wirklich in ihm steckt!“ „Yaeba!“, erschrocken schreit Tenmaru auf, „Bitte, das muss doch nicht...“ „Doch, ich halte das für eine wirklich gute Idee!“ Ruckartig fliegen alle Köpfe hinüber zu Sesshomaru. Der Hundeyoukai blickt herablassend zu ihnen hinüber. Nun wendet er sich an Inu Yasha: „Willst du deinen kleinen Sklaven nicht mal zeigen lassen, was er kann?“ „Was interessierst du dich dafür?“, schnappt Inu Yasha scharf. „So oder so werden wir von einem lästigen Insekt befreit“, entgegnet der Youkaifürst kühl, „Aber vielleicht taugt der Kleine ja wirklich nichts. Sei doch froh wenn du ihn los wirst!“ „Das könnte dir wohl so passen, was?“, erwidert Inu Yasha hitzig. Finster schaut er seinen Bruder an. „Schon gut, Inu Yasha-sama, ich tue es!“, entschlossen hat Tenmaru sich aufgerichtet, „Bitte lasst mich gegen ihn kämpfen!“ Sprachlos schauen ihn die Umstehenden an, doch Tenmarus Gesicht spiegelt eine Entschlossenheit wieder, die sie noch nie bei ihm gesehen haben. Er scheint zu allem bereit. Behutsam lässt Tenmaru Raiuko ins Gras sinken und wendet sich dann mit ernster Mine Sokudo zu. Der Herr des Westens selbst will diesen Kampf sehen! Wie käme er dazu ihn zu enttäuschen. Hier bietet sich vielleicht endlich eine Gelegenheit ihm zu zeigen was er wert ist! Kapitel 17: Über Zweikämpfe --------------------------- Belustigt blickt Sokudo zu dem jung wirkenden Streuner hinüber. „Du kannst den Tod nicht erwarten, was? Ein Jammer, dass du warten musst bis dich dieser kleine Hanyou von der Leine lässt, nicht wahr?“ Tenmaru beißt die Kiefer aufeinander und eine leichte Schamesröte steht ihm im Gesicht. Doch dann atmet er einmal tief durch und erwidert entschlossen den Blick. „Ich diene Inu Yasha-sama mit allem was ich habe! Das habe ich geschworen! Mag sein, dass er über mein Leben und meinen Tod verfügt, doch du bist es ganz sicher nicht! Ich mach dich fertig!“ „Hey, Inu Yasha“, wendet sich jetzt Sango an den Hanyou, „Willst du ihn wirklich kämpfen lassen?“ Inu Yasha schaut sie schief an: „Von mir aus soll er ruhig, der ist mir bisher eh viel zu passiv gewesen. Ständig hat er schlechte Laune, vielleicht bringt ihn das mal auf andere Gedanken.“ „Dir ist aber schon klar, dass er diesen Sokudo möglicherweise töten könnte, oder?“, fügt die Dämonenjägerin mit gedämpfter Stimme hinzu. „Pah, soll er doch! Der Kerl hat es doch nicht anders verdient. Eine Sorge weniger!“ „Sango hat recht“, gibt Kagome zu bedenken, „Er scheint ja wohl der Befehlshaber dieser Youkais zu sein. Momentan verhalten die sich ja noch ganz friedlich. Was werden die wohl machen, wenn er von Tenmaru umgebracht wird?“ „Besonders, nachdem Sesshomaru gerade versucht hat einen Kampf zu vermeiden“, setzt Miroku noch einmal bedeutsam nach. „Is ja schon gut, is ja schon gut!“, Inu Yasha gibt auf, „Meinetwegen soll er ihn halt verschonen.“ Er wendet sich an Tenmaru: „Du hast es gehört! Wenn du so scharf drauf bist, kämpf halt mit ihm, aber bring ihn nicht um, ok?“ Tenmaru ballt die Faust. So hat er sich das nicht vorgestellt. Er wollte doch mit diesem Kampf bei Sesshomaru Eindruck schinden und nun das! Wenn er ihn nicht vernichten kann, wird es aussehen, als ob er schwach ist. Aber Befehl ist nun mal Befehl und dem muss er sich fügen. Verdammt! „Wie ihr befehlt, mein Fürst!“, sagt er und zieht seine Dolche aus ihrer Scheide. „Ich weiß nicht ob ich das niedlich oder erbärmlich finden soll!“, spottet Sokudo, „Du willst mich besiegen? Dass ich nicht lache! Der Versuch mich zu besiegen, ohne mich töten zu wollen, ist genau so lächerlich wie dein neuer Herr. Und nebenbei bemerkt...“, er grinst boshaft, „genau so lächerlich war auch eure Anführerin!“ „Hat er Anführerin gesagt?“, wundert Kagome sich leise. Doch Sokudo redet schon weiter: „Sie hat bereits bekommen was sie verdient und sie war immerhin eine Daiyoukai. Was rechnet ihr Streuner euch also für Chancen aus, hmm? Ihr seid so oder so dem Untergang geweiht. Ohne die einzige Daiyoukai in eurem Rudel gibt es auch kein Rudel mehr. Wer soll denn euch Bande aus ehr- und ranglosen Youkai, euch Bodensatz der Gesellschaft, zusammenhalten, wenn niemand mehr da ist der euch regelmäßig Benehmen einprügelt?“ Tenmaru fletscht wütend die Zähne: „Du elender Mistkerl! Spricht nicht so über Chutaisho!“ Doch Sokudo grinst nur hämisch. „Sieh es ein Streuner, ohne Sie habt ihr gar nichts mehr und ihr werdet in alle Himmelsrichtungen auseinandergetrieben, bis wir euch einen nach dem anderen abgeschlachtet haben! Und mit dir fange ich hier und jetzt an!“ Von einem Moment auf den anderen ist Sokudo aus Kagomes Blickfeld verschwunden nur um Sekundenbruchteile später mit wild erhobenem Schwert hinter Tenmaru aufzutauchen und mit einem wütenden Hieb nach dem Streuner zu schlagen. Doch der Hieb geht ins Leere denn Tenmaru hat die Bewegung aus den Augenwinkeln wahrgenommen und unmittelbar darauf ist auch er den Blicken von Kagome und den anderen entschwunden um nun seinerseits ein gutes Stück entfernt wieder aufzutauchen und seine Dolche zum Angriff zu heben. Sofort nimmt Sokudo die Verfolgung auf und ein Hagel an Schwerthieben geht auf den Streuner nieder, der jedem von ihnen entweder geschickt ausweicht, oder mit seinen Dolchen pariert. Kagome hat alle Mühe dem Kampf zu folgen. Du liebe Güte! Die beiden sind einfach unglaublich schnell! Ihre Bewegungen sind fast nur verschwommen zu sehen. Mit einem wütenden Hieb schlägt Sokudo auf Tenmaru ein, doch der Streuner fängt das Schwert ab und hält mit aller Kraft dagegen. Durch die Wucht des Aufpralles wird eine wahre Druckwelle erzeugt die bis hin zu den Umstehenden reicht und sie leicht taumeln lässt. Erstaunt beobachten Inu Yasha und seine Gefährten den Kampf. „Wer hätte gedacht, dass Tenmaru so stark ist?“, meint Miroku. „Und schnell ist er!“, staunt auch Shippo. „Pah, Kouga ist schneller!“, murmelt Inu Yasha. Mit klopfendem Herzen beobachtet Kagome die Szene. Es stimmt, Tenmaru ist stark! Unwillkürlich muss sie an die Unterhaltung zwischen ihm und Sesshomaru am Lagerfeuer zurückdenken. Hätte Inu Yasha überhaupt eine Chance, wenn er irgendwann doch beabsichtigen würde, sich gegen ihren Hanyoufreund zu wenden? Doch im Moment scheint das eher ihre geringste Sorge zu sein. Sämtliche Anwesenden beobachten den Kampf. Es steht außer Frage wessen Sieg die Ostyoukais erwarten. Ihr Blick wandert hinüber zu Sesshomaru. Auch der Youkaiprinz verfolgt mit regloser Mine den Kampf, doch er lässt nicht erkennen, wem der beiden Kämpfer er eher den Sieg wünscht, oder sollte man besser sagen, die Niederlage! Mit grimmigem Gesicht drückt Sokudo den jungen Streuner von sich. „Das hier wird schneller vorbei sein, als du denkst, Köter!“ „Wenn du nicht mehr zu bieten hast, mit Sicherheit!“, grollt Tenmaru. Mit hellen Streifen durchschneidet Sokudos Klinge die Luft: „Mach dich nicht lächerlich!“, er hebt sein Schwert und um die Spitze der Klinge bildet sich ein mächtiger Energiewirbel, „Dieser Kampf ist jetzt vorüber! Kaze no Ha!“ Mit einem blitzartigem Schlag schleudert der Ostyoukai einen gigantischen, grünen Energierotor in Tenmarus Richtung und der Windstoß, den er dabei erzeugt, holt Kagome und die anderen fast von den Füßen, so dass sie kämpfen müssen um das Gleichgewicht zu halten. Mit einem hellen, grünen Licht steuert das Sägeblatt auf den Streuner zu und unmittelbar darauf wird die Lichtung in ein so gleißendes Licht getaucht, dass die Umstehenden für einen Moment geblendet die Augen schließen müssen. Als sie die Augen wieder öffnen, sehen sie Sokudo leicht pustend da stehen und triumphierend die gigantische Schneise betrachten die seine Attacke in den Wald gerissen hat. Die Bäume sind sauber gefällt worden und die Erde wurde aufgewühlt. Von dem Streuner fehlt jede Spur. Doch dann plötzlich sieht man wie Sokudo erstarrt und die Augen aufreißt. Augenblicke später taucht direkt hinter ihm eine hoch aufgerichtete Gestalt auf. „Du hast recht. Dieser Kampf ist zuende!“, sagt Tenmaru ruhig. Für ein paar Momente hängen diese Worte in der Luft. Kaum einer wagt zu atmen. Doch dann urplötzlich sieht man es, Blut! In unaufhaltsamen Strömen läuft es an Sokudos Körper herunter. Unwillkürlich will seine Hand an seine Brust fassen, doch der Ostyoukai muss feststellen, dass er sich nicht rühren kann. Sein gesamter Körper ist mit tiefen Schnitten übersät und auf seiner Brust klafft eine tiefe Wunde aus der unaufhörlich ein dunkler Strom Blut hinaussickert. „Wie...wie kann das... sein? Er ist... nur ein Streuner...“, ungläubig starrt Sokudo auf seine zahllosen Verletzungen, doch dann geben seine Beine nach und er stürzt nach vorne auf sein Gesicht. Ruhig steht Tenmaru da ohne ihn eines Blickes zu würdigen. „Mach nicht so eine große Sache daraus! Ich habe deine sämtlichen Sehnen durchtrennt, du wirst dich also eine Weile nicht bewegen können, aber du wirst es überleben.“ „Du dreckiger, feiger Köter!“, grollt Sokudo mit letzter verbliebener Kraft. „Ich sag das jetzt nur einmal!“, Tenmarus Stimme wird scharf, „Diesmal bist du noch mal davon gekommen. Aber wenn du jetzt vielleicht mit dem Gedanken spielst, deine Lakaien auf uns zu hetzen als kleine Racheaktion“, und seine Augen strahlen nun eine eisige Kälte aus, „Dann mache ich augenblicklich kurzen Prozess mit dir!“ Finster schielt Sokudo zu ihm hoch. „Tss, du machst mir nichts vor! Solange dein Herr dir nicht die Erlaubnis dazu gibt, wirst du nichts dergleichen tun!“ Tenmaru wendet sich von ihm ab. Seine Hand ist so sehr zur Faust geballt, dass sie richtig weiß ist. „Möchtest du es gerne darauf ankommen lassen?“, fragt er leise. Einige Sekunden lang herrscht Schweigen über der Ebene in denen man deutlich Sokudo überlegen hören kann. Doch dann sagt er: „Es hat keine Eile! Seht zu dass ihr hier verschwindet, aber ich verspreche dir: Wir sehen uns wieder, Streuner, und dann werde ich dich eigenhändig ausweiden! Bis dahin werde ich mir einen Spaß daraus machen jeden einzigen von eurem Streunerpack, der noch über ist, aufzuspüren und ihn genüsslich zur Strecke zu bringen!“ Sofort eilen zwei der Ostyoukais zu ihm hinüber und heben ihren Befehlshaber auf. Dabei schicken sie finstere Blicke in die Richtung der kleinen Gruppe. Doch da ihr Herr diesen Fremdlingen freie Passage gewährt hat, müssen sie von einer Vergeltung absehen. Sokudo wendet sich an seine Untergebenen: „Wir ziehen ab! Sucht mir die restlichen Streuner und tötet sie! So schmerzvoll wie möglich, klar? Und behaltet mir gefälligst diese Kita-aitsu im Auge! Es macht mich ganz krank, dass die hier einfach in unserem Revier wildern dürfen. Wenn auch nur einer von denen sich nicht an das Abkommen hält, meldet ihr das augenblicklich!“ Mit diesen Worten haken die beiden Ostyoukai Sokudo unter und nur wenige Augenblicke später verschwinden sie mit ihm zwischen den Bäumen im Wald und auch die restlichen Youkais stieben auseinander und kurz darauf ist die Gruppe um Sesshomaru alleine auf der Ebene. Die Anspannung in Tenmarus Körper lässt nach und dreht sich zu seinen Reisegefährten um. Sein Blick versucht den von Sesshomaru einzufangen. Welchen Eindruck hat er bei dem Fürsten des Westens hinterlassen? Doch kaum treffen sich ihre Augen, wendet Sesshomaru sich langsam ab, als hätte er es ohnehin gerade vorgehabt und mit gewohntem Reisetempo setzt er sich in Bewegung. Tenmaru lässt die Schultern hängen. Keine Reaktion von dem hochgewachsenen Youkaiprinzen zu bekommen ist fast noch schlimmer als eine offene Ablehnung. Wahrscheinlich war ihm dieses kleine Geplänkel nicht die Aufmerksamkeit wert die er ihm zu Beginn noch entgegen gebracht hat. Was soll er denn noch machen? Tenmaru blickt zu Boden. Dann setzt auch er sich in Bewegung und folgt der kleinen Gruppe die ihre Wanderschaft in Sesshomarus Gefolge wieder aufgenommen hat. Yaeba stützt nun Raiuko und die Menschen die zu Inu Yasha gehören, werfen immer wieder Blicke über die Schulter zurück um zu sehen ob er ihnen folgt. Eilig macht er sich daran aufzuschließen. Inu Yasha beobachtet ihn aus den Augenwinkeln. Er kann also doch kämpfen, der Streuner. Warum denn nicht gleich so? Aber es bereitet ihm schon ein wenig Sorge. Er wusste ja, dass Tenmaru bisher nicht seine wirkliche Stärke gezeigt hat, doch der Grund dafür ist ihm schleierhaft. Warum bloß macht er immer einen auf unterwürfig? Das hat er doch gar nicht nötig. Was bezweckt er damit? Dieser Typ bemüht sich zwar es zu verbergen, aber ich merke doch sofort, dass er im Grunde versucht Sesshomaru zu beeindrucken. Wenn er das verstecken will, muss er aufhören ständig zu meinem Bruder rüber zu schauen. Ich frage mich, warum ihm das bloß so wichtig ist. Wenn er es wirklich darauf anlegt, sollte man ihm vielleicht mal sagen, dass das völlig vergebliche Liebesmühe ist. Als ob Sesshomaru sich überhaupt von irgendetwas beeindrucken lässt. Der Kerl ist kaltherzig von Grund auf und was immer Tenmaru da versucht, es wird nicht funktionieren! Inu Yasha wendet sich im Gehen zu Tenmaru um der nur ein paar Schritte hinter ihm geht: „Wenn ich dir einen Tipp geben darf, du hast dir da ein völlig falsches Ziel gesteckt!“ Tenmaru zuckt leicht zusammen und schaut überrascht auf: „Was... was meint ihr, mein Fürst?“ Inu Yasha schüttelt genervt den Kopf: „Hach, hör auf, mich ständig ‚Fürst’ zu nennen! Inu Yasha reicht. Und was ich meine, ist mein Bruder. Ganz offensichtlich kann er dich nicht leiden und Sesshomaru ist nicht gerade dafür bekannt, so einfach seine Ansichten zu ändern.“ Tenmaru lässt den Kopf etwas sinken: „Ich weiß nicht wovon ihr sprecht, mein F... ähm Inu... Yasha-sama.“ „Doch, ich glaube du weißt genau was ich meine“, stichelt der Hanyou weiter, “Was willst du von meinem Bruder?” Etwas verhalten blickt Tenmaru auf: „Ihr braucht euch keine Sorgen machen! Ich werde euch weiterhin treu dienen. Ich habe es geschworen!“ „Danach hab ich nicht gefragt!“, erwidert Inu Yasha aber innerlich gibt er zu, dass ihn die Frage doch bewegt hat, wem Tenmarus wahre Loyalität gilt. „Was wollt ihr denn hören?“, fragt Tenmaru zurück. Innerlich muss Inu Yasha stark an sich halten. Der Kerl regt mich auf! Alles muss man ihm aus der Nase ziehen! Missmutig verzieht Inu Yasha das Gesicht: „Gib es zu! Es stört dich, dass ich ein Halbdämon bin, hab ich nicht recht? Wahrscheinlich würde dir Sesshomaru als Herr besser gefallen, was? Wenn du dich da mal nicht stark täuschst!“ Tenmaru blickt zu Boden doch er sagt keinen Ton. „Pah!“, Inu Yasha wendet sich ärgerlich von ihm ab, „Soll mir recht sein! Ich hab ohnehin keine Lust auf das ganze Theater! Es zwingt dich niemand mein Diener oder was auch immer zu sein. Von mir aus kannst du machen was du willst! Ich hab nicht den Eindruck, dass du beschützt werden musst. Also sehe halt zu wie du alleine klar kommst!“ Fassungslos ist Tenmaru stehen geblieben. Sprachlos starrt er den Hanyou an und sein Gesicht verliert schlagartig jegliche Farbe. Sein Herz schlägt bis zum Hals. Nein, das darf nicht sein! Das darf nicht passieren! Unwillkürlich fliegt sein Blick hinüber zum Fürsten des Westens. Nur allzu gut erinnert er sich an dessen Worte. Sesshomarus Schritt verlangsamt sich und Tenmaru kann erkennen, dass kalte, goldene Augen ihn aus den Augenwinkeln beobachten. Rasch setzt er sich wieder in Bewegung. „Nein, nein, Inu Yasha-sama!“, wehrt er hastig ab, „Ihr missversteht mich! So meinte ich das nicht! Bitte glaubt nicht, dass ich irgendetwas gegen euch habe, es ist nur... Nun ja, ähm, das ist eine ganz neue Situation für mich. Ich... ähm kenne eben nicht viele Hanyous und... nun ja, also für einen Hanyou seit ihr doch ganz passabel. Ich habe wirklich kein Problem unter euch zu dienen!“ Doch Inu Yasha ist nicht so leicht wieder zu versöhnen. Betont gelangweilt stützt er sein Schwert auf seiner Schulter ab: „Und das soll ich dir glauben? Ich bin doch nicht blöd! Du hast doch nur Schiss, dass Sesshomaru dich killt, wenn ich dich nicht mehr beschütze!“ Nun läuft Tenmaru purpurrot an. „Das... ähm... das stimmt doch gar nicht! Es ist mir eine Freude euch zu dienen! Ja, wirklich!“ „Pah, lüg nicht!“, meint Inu Yasha schnippisch. Tenmaru schwimmen alle Felle davon: „Ähm... ich... ähm... Inu Yasha-sama!” Inu Yasha winkt ab: “Meine Güte! Is ja schon gut! Behalte ich dich halt noch ne Weile. Oder willst du ihn haben, Sesshomaru?“, wendet er sich mit einem verschmitzten Grinsen an seinen Bruder. Doch der Fürst des Westens wendet sich nicht einmal um als er sagt: „Wozu? Was für einen Nutzen hätte ich von ihm?“ Geknickt lässt Tenmaru bei diesen Worten den Kopf hängen. Er hätte es wissen müssen! Sesshomaru hat noch immer kein Interesse an ihm. Schlimmer noch! Der junge Streuner ist sich sicher, dass der Westfürst gerade kurz davor gewesen ist, ihn ohne weitere Worte umzubringen. Verdammt, was mache ich denn nur falsch? Inu Yasha bemerkt das betrübte Gesicht des Streuners. Nein, der junge Youkai freut sich im Grunde kein bisschen darüber in seinen Diensten zu stehen. Aber soviel ist auch ihm klar: Seine Angst vor Sesshomaru übertrifft diese Abneigung bei weitem! Warum also versucht er noch immer noch sich bei seinem Bruder lieb Kind zu machen? Wahrscheinlich hat das wieder irgendwas mit dieser ganzen Fürstensache zu tun; irgendwas was er wieder nicht versteht. Vielleicht fragt er einfach mal seinen Bruder bei Gelegenheit. Nur nicht gerade jetzt. Sessomaru hat schlechte Laune. Das wittert er bis hier hin. Eben gerade hätte er diesen dummen, kleinen Streuner fast getötet. Wer weiß zu was sich Sesshomaru sonst noch hinreißen lässt wenn ihm irgendjemand heute noch auf die Nerven geht? Nein, er wird seine Freunde lieber nicht in Gefahr bringen. Hoffentlich ist diese ganze lästige Angelegenheit bald vorüber! Nach einem zum Glück ereignislosen Nachmittag bricht langsam der Abend herein und einmal mehr wird ein Lager aufgeschlagen. Innerlich fragt sich Kagome wie lange diese Reise wohl noch dauern wird. Hoffentlich haben sie das alles bald überstanden. Etwa am späten Nachmittag hat der Streuner Raiuko das Bewusstsein zurückerlangt, doch er kann noch immer nicht selbstständig laufen. Deshalb wird er von Yaeba gestützt und als schließlich das Lager errichtet wird, lässt der stattliche Streuner seinen Kameraden behutsam am Feuer zu Boden gleiten. Der schmächtige Youkai ist zwar wach, doch er sagt kein einziges Wort und scheint seinen Gedanken nachzuhängen. Überhaupt scheint sich das Schweigen auch auf alle anderen auszuweiten, ungeachtet des Sprechverbotes durch den Fürsten des Westens. Sesshomaru sitzt zwar ein wenig abseits an einer eigenen Feuerstelle doch nicht deshalb herrscht Stille, sondern niemandem ist wirklich nach plaudern zumute. Besonders Tenmaru ist verschwiegener als je zuvor. Nachdem er sich davon überzeugt hat, dass dem verletzten Streuner nichts weiter fehlt, was nicht ein bisschen Zeit heilen kann, erhebt er sich, verlässt das Lagerfeuer und verschwindet lautlos im Wald. Inu Yasha lässt ihn gewähren. Er hat es aufgegeben aus dem Streuner schlau zu werden, aber er weiß aus Erfahrung, dass Tenmaru wiederkommen wird. Wo sollte er auch sonst hin? Die Nacht senkt sich zunehmend über den Wald, doch die Dunkelheit stört Tenmaru nicht. Auch die Kälte die vom Boden aufsteigt kann er problemlos ignorieren. Eine Weile wandert er ziellos umher bis er einen kleinen Felsvorsprung erreicht, der hinab in ein weites Tal führt. Schweigend lässt er sich darauf nieder. Gedankenverloren lässt er die Beine baumeln und schaut dabei hinauf in das sternenübersäte Himmelszelt. Eine ganze Weile sitzt er so reglos da. Dann auf einmal lässt er den Blick sinken. „Ich weiß, dass du da bist! Was willst du?“ Aus den Schatten der Bäume tritt Yaeba und kommt zu ihm herüber. „Ich wollte einmal nach dir sehen. Ich vermute, du flüchtest dich in letzter Zeit öfters in die Einsamkeit.“ „Na, und wenn schon.“, Tenmaru blickt wieder hinauf zum Himmel, „Bist du gekommen um mir wieder eine Predigt zu halten?“ Yaeba lässt sich neben ihm am Felsvorsprung nieder. „Eigentlich wollte ich dich etwas fragen.“ „Und was?“, Tenmaru lässt sich auf den Rücken sinken und verschränkt die Hände unter dem Kopf. Yaeba beobachtet ihn schweigend, dann fragt er: „Warum hast du Sokudo nicht getötet?“ Tenmaru verkrampft sich kurz, doch dann entspannt er sich wieder: „Du hast es doch selbst gehört, es war ein Befehl!“ Yaeba schaut ihn abschätzend an: „Ich muss dich nicht daran erinnern, was du eigentlich machen sollst, oder?“ Tenmaru verzieht das Gesicht und dreht sich von Yaeba weg. Verstimmt blickt er zu Boden. „Was willst du von mir? Ich sagte doch, es war ein Befehl! Ich weiß auch, dass ich damit Sesshomaru nicht beeindrucken kann. Glaube mir, ich hätte diesen Mistkerl liebend gerne ins Jenseits befördert, aber du selbst hast mich doch schwören lassen, mich der Fürstenfamilie des Westens unterzuordnen. Darum unterstehe ich jetzt diesem Hanyou und darum muss ich seinen Befehlen gehorchen.“ Ärgerlich dreht sich Tenmaru nun zu Yaeba um: „Kannst du mir mal sagen, warum ich das alles machen muss? Warum, zum Teufel, muss ich das machen?“ Einen langen Moment schaut Yaeba Tenmaru an. Dann sagt er ruhig: „Tenmaru, zunächst mal weißt du genau, dass nicht ich dich das habe schwören lassen, sondern, dass das Ihr letzter Wunsch war...“, er hält einen Moment inne und sein Blick betrübt sich für einen Moment, doch dann spricht er weiter, „Und wenn du das wirklich fragen musst, dann hast du es immer noch nicht verstanden!“ Hilflos blickt Tenmaru ihn an: „Was denn verstanden? Was, Yaeba? Ich verstehe es wirklich nicht. Wovon sprichst du?“ Der alte Streuner seufzt. „Tenmaru, weißt du warum Hanaki sich diesem Zweikampf gestellt hat?“ Nun weicht Tenmaru seinem Blick aus. „Um uns zu beschützen!“, murmelt er. Yaeba nickt. „Ja, sie war unsere Anführerin. Sie bot jedem an ihrem Rudel beizutreten, unabhängig von Herkunft und unabhängig dessen was ihn hertrieb. Was sie dafür forderte war nur bedingungslose Loyalität. Doch sie trug auch die Verantwortung für uns. Sie hatte sich geschworen jeden einzelnen zu beschützen.“ Tenmaru blickt zu Boden: „Ich weiß...“ Doch Yaeba redet schon weiter: „Inu Taihyouga hat ihr niemals vergeben, dass sie ihn damals besiegt hat. Er wollte sich schon immer an ihr rächen und an allem was ihr wichtig ist. Wenn sie nicht auf einen Zweikampf bestanden hätte, hätte er wohl nicht gezögert, uns alle zu töten. Damit tauschte sie freiwillig ihr Leben für uns alle ein.“ „Ich weiß!“, wiederholt Tenmaru. Ernst schaut Yaeba ihn an: „Tenmaru, weißt du denn auch, warum sie uns befohlen hat, dass wir sie nicht rächen sollen, wenn sie unterliegen sollte?“ „Weil sie uns beschützen wollte“, antwortet Tenmaru, „Inu Taihyouga sollte keinen Grund haben uns zu töten!“ „Nein!“, schüttelt Yaeba entschieden den Kopf, „Du hast es offenbar immer noch nicht begriffen!“ Tenmarus Kopf fliegt hoch. Überrascht starrt er Yaeba an. „Nicht? Aber... warum dann?“ Ernsthaft blickt Yaeba auf den jungen Streuner hinunter. „Sie tat es für dich, Tenmaru! Sie wollte, dass du es endlich verstehst!“ Verständnislos schaut Tenmaru ihn an: „Was verstehen?“ „Dass man niemals nur Befehlen gehorcht, weil es Befehle sind!“ Yaeba schaut wieder hinauf zu den Sternen, während Tenmaru nun mit großen Augen wie gebannt an seinen Lippen hängt. „Und sie tat es auch für sich“, redet der Youkai nun etwas leiser weiter, „Sie hat sich niemals einfach nur an Befehle gehalten! Hätte sie das getan, wäre wahrscheinlich alles ganz anders gekommen. Sie hätte vieles so viel einfacher haben können. Sie wäre vielleicht niemals ausgestoßen worden, aber... vielleicht war sie mit uns Streunern freier als sie es andernfalls je gewesen wäre.“ „Sie musste ihren Clan verlassen weil und trotzdem sie immer tat was ihr Herz ihr befahl. Sie hat immer daran geglaubt, dass man sich seine Loyalität erarbeiten muss. Niemand hat ein Recht auf bedingungslosen Gehorsam nur allein auf Grund seiner Herkunft oder seines Ranges. Ganz egal wer man ist, das gilt für alle! Selbst für sie! Sie gab uns diesen Befehl um zu sehen, ob sie in der Lage gewesen war, ihre eigenen Ideale zu befolgen, ob sie eine wirkliche Anführerin gewesen war oder es nur ihre Abstammung gewesen war, die diesen zusammengewürfelten Haufen aus Ausgestoßenen zusammengehalten hat. Sie wollte wissen, ob sie den Titel Chutaisho tatsächlich verdiente!“ Unsicher schaut Tenmaru seinen Mentor an: „Yaeba... ich verstehe nicht...“ Yaeba unterbricht ihn und schaut ihn direkt an: „Tenmaru, sie befahl uns sie nicht zu rächen. Hätten wir ihren Befehl befolgt, dann wäre es einfach nur ein Befehl gewesen und sie unser Befehlshaber. Aber wenn sie unsere Chutaisho war, wenn sie nicht nur eine Anführerin war... wenn wir sie trotz ihrer Härte, trotz ihrem Konsequenz, trotz unserer Unterschiede...wenn wir sie wirklich... geliebt hätten...wie könnten wir dann nicht anders als sie dennoch zu rächen?“ Sprachlos starrt Tenmaru ihn an. Er bringt kein Wort heraus. Darum ging es? Wirklich darum? Er schlägt die Augen nieder. Da hört er wieder Yaebas Stimme: „Verstehst du jetzt warum sie das getan hat? Es war ihr letzter Versuch, dir das klar zu machen. Seit sie dich nicht mehr beschützt hat, war dein Platz der niedrigste im Rudel. Du hast dich immer angepasst und dich bemüht es allen recht zu machen. Du hattest es vielleicht nicht leicht aber statt dich wieder hoch zu kämpfen und deinen Platz zu behaupten, hast du dich immer zurück gehalten und versucht kein Aufsehen zu erregen. Vielleicht ist das auch mein Fehler gewesen.“ Ruckartig setzt Tenmaru sich auf: „Yaeba, nicht doch! Es liegt nicht an dir, du... du hast mir doch immer wieder geholfen...“ „Vielleicht war das der Fehler. Ich habe dir zu viel Aufmerksamkeit gewidmet und dir damit den Kampfwillen genommen.“ Der Streuner senkt den Blick, „Ich trage ebensoviel Verantwortung an dieser Situation wie du.“ „Yaeba, bitte sag so etwas nicht!“, Tenmaru fasst Yaeba an der Schulter, „Vielleicht lag es nicht an meinem Kampfwillen, vielleicht... vielleicht habe ich mich einfach ein wenig einsam gefühlt. Du hast mir einfach das Gefühl gegeben... so etwas wie eine... Familie zu haben. Das wollte ich einfach nicht aufs Spiel setzen. Also bin ich jeder Konfrontation aus dem Weg gegangen.“ Einen langen Moment schaut Yaeba den jugendlich wirkenden Youkai an, dann erhebt er sich. „Tenmaru, manchmal muss man alles riskieren und kämpfen um das zu beschützen was einem wirklich wichtig ist. Dieser Hanyou hat das längst verstanden. Du solltest dir ein Beispiel an ihm nehmen! Hanaki kämpfte dafür, dass du weder Arashitsume noch der neuen Fürstin des Nordens in die Hände fällst. Wenn du entschieden hast was es für dich ist, dann weißt du hoffentlich was du zu tun hast.“ „Und wenn ich es nicht weiß?“, ruft Tenmaru verzweifelt zu ihm hoch. Yaeba wendet sich zum Gehen: „Ich bin sicher, du wirst es wissen!“, mit einem kurzen Blick schaut Yaeba zurück und seine Augen leuchten tief violett. Dann dreht er sich wieder dem Wald zu und verschwindet zwischen den Bäumen während er hinzufügt: „Du bist ihr nämlich sehr ähnlich!“ Dann verschwindet er aus Tenmarus Blickfeld und der junge Youkai schaut ihm noch eine Weile schweigend nach. Dann seufzt er tief und lässt sich zurück ins kühle Gras sinken um weiter die Sterne zu beobachten. „Ach, Chutaisho...“, murmelt er leise, „Warum bloß musstest du mich unbedingt zu Sesshomaru schicken?“ Kapitel 18: Arashitsume ----------------------- Irgendwann geht auch diese Nacht vorüber und ein weiterer Tag bricht an. Wieder hängt ein kühler Nebel über dem Waldboden als die kleine Reisegruppe zusammenpackt. Der Streuner Raiuko scheint sich wieder erholt zu haben, doch er hockt auf einem Felsbrocken, sagt kein Wort und rührt keinen Handschlag um beim Abbruch des Lagers zu helfen. Stattdessen mustert er nur Kagome und die anderen mit einem durchdringenden Blick. Unbehaglich rollt Kagome ihren Schlafsack zusammen. Noch so einer! Je mehr Youkais zu dieser Gruppe hinzustoßen um so angespannter ist die Situation. Hoffentlich kommt keiner von denen auf dumme Ideen. Auf einmal bemerkt sie Tenmaru der zwischen den Bäumen hervor kommt. War er wieder die ganze Nacht unterwegs? Ob er sich gestern Abend mit Yaeba getroffen hat? Der Streuneranführer hat eine Weile nach Tenmaru das Lager verlassen und verschwand in der selben Richtung. Unwillkürlich musste sie zu Sesshomaru hinübersehen. Doch ein undeutbarer Seitenblick war die einzige Reaktion die von dem weißhaarigen Youkaiprinzen kam. Irgendwann tauchte Yaeba dann wieder auf, ließ sich wortlos am Stamm eines Baumes nieder und schloss die Augen. Aus diesen Youkais wird einfach keiner schlau. Immer machen sie alles so kompliziert. Sie seufzt innerlich. Inu Yasha ist genau so. Obwohl der Hanyou zwar meistens sein Herz auf der Zunge trägt, gibt es noch immer so viel von ihm, dass sie nicht weiß, weil er es einfach nicht fertig bringt, es zu sagen. Ein Schatten fällt auf sie. Sie blickt auf. Vor ihr steht Tenmaru und schaut zu ihr herunter. Was kann er wollen? Für einen kurzen Moment scheint der Youkai mit sich zu ringen, doch dann bückt er sich und beginnt ihren Schlafsack in seine Hülle zu stopfen. Irritiert schaut sie ihn an. „Lass nur, ich mach das schon!“, nuschelt er und dann verstaut er den Schlafsack in ihrem Reiserucksack und schultert ihn. Kagome ist völlig perplex. Was ist den bloß in diesen Streuner gefahren? Woher dieser plötzliche Sinneswandel? Ob es etwas mit Yaeba zu tun hat? Doch Tenmaru gibt keine Erklärung. Stattdessen steht er nun neben dem Lager und wartet darauf, dass die Gruppe wieder aufbricht. Auch Inu Yasha hat das sonderbare Gebaren des Streuners bemerkt. „Hey, was hast du vor? Das sind ja ganz neue Sitten von dir.“ Tenmaru weicht seinem Blick aus: „Ich... möchte mich nur ein wenig nützlich machen. Bisher war ich euch nicht sehr dienlich, Inu Yasha-sama. Es betrübt mich, dass ihr so wenig Verwendung für mich findet.“ „Pah, lass doch diesen Unsinn sein. Ich brauche keinen Diener. Und hör auf dich bei mir einzuschleimen, das geht mir auf die Nerven!“ „Aber darin ist er doch so gut!“, mischt sich nun Raiuko in das Gespräch ein. Er sitzt auf seinem Felsen und hat das Kinn auf seine Faust gestützt. „Der Kleine war schon immer ein Feigling! Irgendwie hat er immer Leute gefunden, die in beschützt haben. Und nun versucht er es bei dir, Hanyou!“ „Aber, er ist doch selber so stark!“, entfährt es Kagome unwillkürlich, „Du hast ja keine Ahnung! Du bist ja bewusstlos gewesen und hast ihn nicht kämpfen gesehen.“ Sie kann sich nicht helfen, aber sie findet es nicht gut, dass der Streuner so über Tenmaru redet. Raiukos Mine verzieht sich und verächtlich fügt er hinzu: „Ach, was weißt du denn, Menschenweib? Ich weiß auch, dass er stark ist, aber er kämpft ja nicht! Beleidige ihn und er ignoriert es, schlag ihn und er lässt dich gewähren, tritt ihn er nimmt es hin. Töte ihn, es ist ihm gleich! Er ist ein Versager! Ich werde nie verstehen warum Chutaisho gerade ihn in unser Rudel gebracht hat.“ „Das reicht, Raiuko!“, scharf weist Yaeba den Streuner zurecht. Raiuko verdreht die Augen: „War ja klar, Yaeba! Aber ich verstehe nicht warum du ihn immer noch beschützt. Ich dachte, das wäre jetzt Aufgabe dieses Hanyous da.“ „Dieser Hanyou wird dir gleich mal was erzählen!“, schnaubt Inu Yasha, „Wenn du Wert darauf legst kannst du gerne alleine weiterreisen! Ich kann dich ja auch Sesshomaru zum Fraß vorwerfen, wie findest du das?“ Langsam wendet sich der Westfürst zu Inu Yasha um: „Zum Fraß vorwerfen?“ Bedrohlicher kann eine ungläubige Frage kaum klingen. „Ach, verdammt, du weißt wie ich das meine!“, trotzt Inu Yasha seinem Bruder obwohl ihm wohl bewusst ist, dass er eben deutlich seine Kompetenzen überschritten hat. „Ich empfehle dir beim Fürsten des Ostens deine vorlaute Klappe unter Kontrolle zu kriegen!“, grollt Sesshomaru tödlich, „Wenn du mich noch einmal bloßstellst, mach ich dich eigenhändig kalt!“ Grimmig funkelt Inu Yasha seinen Bruder an: „Is ja angekommen! Wann sind wir denn endlich da? Ich kann es nicht abwarten die Sache hinter mich zu bringen, damit ich dich nicht länger ertragen muss.“ „Glücklicherweise sollten wir das Arashitsumes Schloss etwa heute Nachmittag erreichen. Wir werden ja sehen, ob du dich dann immer noch freust.“ Mit diesen Worten wendet sich Sesshomaru zum Gehen und ohne ein weiteres Wort stolziert er erhobenen Hauptes davon, während ein mürrischer Inu Yasha und seine Gefährten sich daran machen ihm zu folgen. Damals... Es hat zu regnen angefangen, als Sesshomaru die felsige Gegend erreicht in der, wie er weiß das Schloss des Ostfürsten liegt. Sprühende Tropfen fallen rings um ihn zu Boden und bilden kleine Rinnsale zu seinen Füßen und an den Felswänden, die ihn umgeben. Der Regen setzt sich hartnäckig in seinen Kleidern, seinen Haaren und seinem Pelz fest und versucht kontinuierlich bis auf seine bloße Haut vorzudringen. Ein wirklich unangenehmes Wetter! Graue Wolken hängen über seinem Haupt und verdunkeln den Himmel. Ein Gewitter zieht auf; das Element des Ostens. Sesshomaru wischt sich eine feuchte Strähne aus dem Gesicht. Nicht, dass ihn der Regen etwa stört, aber einen imposanten Eindruck wird er so nicht bieten. Ohne mehr als einen beiläufigen Gedanken daran zu verschwenden, flammt seine Aura auf und verdampft jegliche Feuchtigkeit die ihm zu nahe kommt. Selbst der strömende Regen schafft es nicht länger auch nur einen Tropfen auf das Haupthaar des Youkais fallen zu lassen. Doch Sesshomaru achtet nicht weiter auf das Wetter; zu sehr sind seine Gedanken auf das vor ihm liegende Treffen gerichtet. Trotz der Tatsache, dass es Jahre her ist, dass er hier gewesen ist, findet er den versteckten Pfad zum Schloss des Ostfürsten ohne kaum einmal aufzublicken. Gerade biegt er um die letzte Windung des Weges und nun hebt er doch den Kopf. Wie aus dem Nichts ragt nun direkt vor ihm das gewaltige Felsentor auf, dass den Weg in den dahinter liegenden Kessel versperrt in dem der Fürst des Ostens seine Residenz errichtet hat. Wachsam mustert Sesshomaru das obere Ende des Hohlweges an dessen Ende das Tor steht. Nirgendwo sind Wachen zu entdecken aber er ist sich sicher, dass der Eingang garantiert nicht unbewacht ist. Sesshomaru schluckt einmal unmerklich. Nun wird es ernst! In seinem Hals bildet sich ein Kloß und sein Herz beginnt heftiger zu pochen. Innerlich wiederholt er unzählige Male: Reiß dich zusammen! Zeig keine Schwäche! Noch einmal atmet er durch, dann reckt er das Kinn und mit festem Schritt marschiert er auf das Felsentor zu. Mit jedem Schritt wird seine Entschlossenheit größer und sein Blick härter. Er wird sich bewähren! Darüber gibt es keine zwei Meinungen. Auf keinen Fall wird er hinter dem Ostfürsten zurückstehen! Diese seltsame Daiyoukai meinte, er solle ihn nicht unterschätzen. Nun gut er wird ihren Rat beherzigen und wachsam bleiben. Und auf keinen Fall darf er die Initiative verlieren! Sein Schritt beschleunigt sich und Sekunden später hat er das Tor erreicht. Ohne nur einen weiteren Moment zu zögern, presst er seine Klauen gegen die Flügel des Tores und mit einem kurzen, heftigen Druck stößt er sie auf, so dass sie den Weg freigeben. Hoch aufgerichtet und mit flammender Aura steht Sesshomaru auf dem Vorplatz des Palastes und sieht sich urplötzlich umringt von mindestens zwanzig Ostyoukais die bewaffnet sind und ihn grimmig anfunkeln. Unmittelbar darauf tritt ein massiger aber auch kräftiger Youkai zwischen ihnen hervor. Er ist mit einem mächtigen, dreigefiederten Speer bewaffnet und wirft Sesshomaru einen wütenden Blick zu. „Keinen Schritt weiter!“, grollt er mit einer Stimme die den Boden erzittern lässt, „Wie kannst du es wagen, hier ungefragt einzudringen, Nishi-aitsu? Ist dir nicht klar, dass du in den Palast des Ostfürsten eingefallen bist? Dieser Frevel bedeutet deinen Tod, Köter, und ich, Raimeimaru, Anführer der Leibgarde unseres Fürsten, werde persönlich dafür sorgen!“ Doch Sesshomaru zeigt sich unbeeindruckt von dieser Ansprache. So herablassend wie nur möglich blickt er den Youkai mit eisigen Augen an. Dann plötzlich lässt er seine Aura wütend und grell aufflammen und seine Augen nehmen eine gefährlich rote Farbe an. „Schweig, Lakai!“, faucht er verächtlich, „Ich, Sesshomaru, Sohn des Inu Taishou, Fürst des Westens bin gekommen um mit dem Fürsten des Ostens zu sprechen und nicht um mich mit niederen Dienern abzugeben! Deshalb rate ich euch, mich unverzüglich passieren zu lassen, wenn ihr an euren Gliedmaßen hängt!“ Eine leichte Unsicherheit schleicht sich auf die Gesichter der umstehenden Youkais. Flüchtig schauen sie zu ihrem Anführer hinüber. Was wird er tun? Raimeimaru blickt Sesshomaru durchdringend an. Auch er zögert für einen Moment. Sollte dieser Knabe tatsächlich der neue Fürst des Westens sein? Dieser Hänfling? Wenn er ihn passieren lässt, missachtet er nicht nur den Befehl seines Herren sondern er verliert auch sein Gesicht, weil er diesen Knaben unbehelligt weitergehen lässt. Wenn er sich wiederum weigert und dieser Kerl ist tatsächlich Fürst des Westens, könnte das wohl möglich... schmerzhaft enden. Was also soll er tun? Doch die Entscheidung wird ihm abgenommen. „Aber, aber, Raireimaru! Behandelt man denn so einen Gast?“, ertönt auf einmal eine Stimme über dem Platz. Doch der Urheber ist nirgends zu sehen. Auch klingt die Stimme seltsam, als wäre der Verursacher in unmittelbarer Nähe, doch zu sehen ist niemand. Außerdem scheint der Stimme jeglicher Hall zu fehlen. Sesshomaru versucht sich seine Verwirrung nicht anmerken zu lassen. Er rührt keinen Muskel, aber er lässt den Blick wachsam schweifen. Wie er feststellt ist sein Gegenüber bei den Worten etwas unruhig geworden. Jedoch scheint er von der seltsamen Stimme nicht überrascht zu sein. Vielmehr sind es wohl die Worte die ihn nervös machen. Ein wenig unschlüssig bietet er Sesshomaru noch immer die Stirn. „Nun lass ihn schon passieren, wir werden doch einem Fürsten gegenüber nicht unhöflich sein!", weist ihn die Stimme nachsichtig zurecht. Doch der stämmige Youkai zuckt dennoch ein wenig zusammen. Ohne Sesshomaru aus den Augen zu lassen, tritt er einen Schritt beiseite und gibt ihm den Weg frei, die Waffe noch immer wachsam erhoben. Ohne ihn weiter eines Blickes zu würdigen, schreitet Sesshomaru an ihm vorbei. Soll er es nur wagen ihn hinterrücks anzugreifen! Er durchschreitet das Eingangstor, Das von roten Balken mit unzähligen goldenen Ornamenten gesäumt ist. Dahinter liegt eine große Halle. Der Boden ist mit blank poliertem Teakholz vertäfelt und links und rechts auf der Eingangsseite führen zwei Korridore ab die höchst wahrscheinlich den Empfangssaal, denn etwas anderes ist dies hier nicht, mit dem Rest des Schlosses verbinden. Die Seitenwände sind mit großen Fenstern bestückt die jedes mit einem weiten, roten Holzgitter verziert sind. Erhellt wird der Raum von über dreißig Papierlaternen mit goldenen Quasten die in zwei Reihen von der Decke hängen und einer großen Feuerschale die mitten im Raum steht und bedächtig vor sich hin flackert. An der Kopfseite des Raumes schließlich erhebt sich ein niedriges Podest auf dem so etwas wie ein gewaltiger Thron steht. Er ist über und über mit bequemen goldverzierten Kissen gepolstert. Und darauf sitzt, in einer sehr bequem anmutenden Haltung, eine Person. Sesshomaru verzieht ein wenig das Gesicht. All dieser protzige Prunk erscheint ihm maßlos überzogen. Hinzu kommt noch der schwere, erdige Geruch von Weihrauch und eine fast betäubende Wolke aus blumigem Rosenduft. Das alles bereitet ihm eine Spur von Übelkeit. Doch er wird es sich nicht anmerken lassen. Entschlossen reckt er das Kinn und mit festen Schritten geht er direkt auf die Gestalt am Ende des Raumes zu. Bei seinem letzten Besuch hier, war der Raum voller Youkais, die ihn abschätzend und feindselig beobachtet haben. Diesmal ist er mit dem Fürsten des Ostens alleine. Bei sich hofft er, dass sein Herz sich wieder beruhigen möge um nicht all zu viel von seiner Nervosität zu verraten. Doch noch ehe er dazu kommt sich eine Strategie für die Kontaktaufnahme zurecht zu legen, wir ihm dies abgenommen. Die Gestalt auf dem Thron erhebt sich nun und kommt mit raschen Schritten auf ihn zu. „Fürst Sesshomaru! Was für eine freudige Überraschung! Ich hatte gehofft, dass ihr mich über kurz oder lang einmal besuchen kommen würdet.“ Zunächst antwortet Sesshomaru nicht. Stattdessen mustert er seinen Gegenüber sehr genau. Dies ist ohne Zweifel Fürst Arashitsume. Er ist ein hochgewachsener, schlanker Mann mit ungewöhnlich weißer Haut und knöchellangen, silbergrauen Haaren die zu einer kunstvollen Steckfrisur verarbeitet sind. Er trägt einen langen, prachtvollen Kimono in seidenglänzendem Rot auf dem goldene und weiße Fäden zu fantastischen Mustern verwirkt sind. Offenbar ist rot die Lieblingsfarbe des Fürsten, stellt Sesshomaru bei sich fest. Das Gesicht des Ostfürsten ist schmal und ebenmäßig, nicht die kleinste Unebenheit verschandelt das Antlitz des Youkais, was vielmehr den Eindruck vermittelt, als sei dieses jugendliche, ja fast schon feminine Gesicht der Inbegriff der Schönheit. Es ist unverkennbar zu erkennen, dass der Ostfürst viel Zeit und Aufwand für sein Aussehen verwendet. Sesshomaru schürzt ein wenig die Lippen, diese unverhehlte Eitelkeit widert ihn an. Doch Arashitsume scheint es nicht zu bemerken. Stattdessen hat er ein übertrieben freundliches Gesicht aufgesetzt und lächelt Sesshomaru nun wohlwollend an. Er ist etwa zwei Meter vor ihm stehen geblieben und streckt ihm nun wie zum Willkommensgruß die Hände entgegen. „Welch übergroße Ehre euch hier zu haben!“, seine Stimme klingt melodisch, „Wenn es irgendetwas gibt, um euren Aufenthalt hier angenehm zu machen, zögert nicht es zu sagen. Meine Bediensteten wurden angewiesen jeden eurer Wünsche zu erfüllen.“ Bei jedem Wort dieser seidigen Stimme wird Sesshomarus Abneigung zu dem Ostfürst größer. Soweit kommt das noch, dass er sich von diesem Widerling auch noch verhätscheln lässt. Soll er doch versuchen sich woanders einzuschleimen. Kühl erwidert er nun den Blick des anderen: „Ich habe nicht die Absicht lange zu bleiben“, entgegnet er nun, „Dies ist kein Freundschaftsbesuch“. Arashitsumes Mundwinkel sinken ein wenig herab und seine Stirn legt sich leicht in Falten. Mit betont niedergeschlagener Mine nickt er nun leicht: „Ich habt recht. Verzeiht mir meine Taktlosigkeit! Meine Freude euch zu sehen muss euch sicher fehl am Platz erschienen sein. Euer Vater...“, Sesshomaru hebt ruckartig den Kopf, doch Arashitsume redet schon weiter, „Er war ein beispielloser Fürst der seines Gleichen sucht. Sicher muss sein Tod ein schwerer Schlag für euch gewesen sein.“ Der Ostyoukai meidet Sesshomarus direkten Blick, doch aus den Augenwinkeln seiner tief purpurfarbenen Augen beobachtet er ihn aufmerksam. Sesshomarus Blick wird scharf. „Wie ich sehe, habt ihr bereits davon gehört“, stellt er ernst fest. Arashitsume nickt betrübt: „Oh ja, man hat es mir bereits zugetragen. Was für ein überaus schmerzlicher Verlust!“ Sesshomaru schnaubt verstimmt auf. Dieser miese, kleine Heuchler! Tut gerade so, als wäre er deshalb am Boden zerstört, dabei macht er innerlich vermutlich eher Luftsprünge. Grimmig beißt er die Zähne zusammen. „Ich wusste gar nicht, dass euch mein Vater so nahe stand!“, erwidert er nun mit hörbarem Sarkasmus. Ein eigenartiges Flackern huscht über Arashitsumes Gesicht. „Bei weitem nicht so nahe wie ich es mir gewünscht hätte, fürchte ich!“, erwidert er ölig. Noch immer taxiert er Sesshomaru aus den Augenwinkeln, während er nun mit gemächlichen Schritten die Feuerschale umrundet. Sesshomaru lässt ihn nicht aus den Augen. „In der Tat muss ich gestehen, dass meine Anteilnahme zum größten Teil auf dem Respekt vor eurem verblichenen Vater beruht. Bedauerlicherweise hat sich ein engeres Bündnis zu den westlichen Landen nie ergeben. Doch...“, nun wendet er sich Sesshomaru zu, „nun seid ihr ja hier und es würde mich freuen, wenn wir zu einigen neuen und vorteilhaften Übereinkünften kommen könnten, was unsere beiden Reiche betrifft.“ Sesshomaru mustert den Ostfürsten mit finsterer Mine. „Vorteilhaft für wen fragt ich mich. Ich bin überaus gespannt um welche Thematik es euch dabei genau geht.“ Arashitsumes Augen funkeln im flackernden Schein des Feuers wie dunkle Kirschen. „Ihr seid sehr misstrauisch!“, wehrt er ab, doch er lässt den jungen Youkai nicht eine Sekunde aus den Augen, „Eigentlich hatte ich vorgehabt, das aktuelle Problem nicht schon heute Abend zu erörtern, aus Rücksicht auf euren jüngsten Verlust, doch da ihr darauf zu sprechen kommt...“ Sesshomaru mustert ihn scheel: „Worauf wollt ihr hinaus?“ Mit einem leicht verdrießlichen Seufzen legt Arashitsume seine Fingerspitzen aneinander, als wäre es ihm unangenehm davon anzufangen. „Einige meiner Soldaten sind von ihrem Erkundungsweg nicht zurückgekommen“, er blickt nun hoch und sein Blick bohrt sich streng in Sesshomarus Gesicht, „Ebenso wenig wie meine Abordnung die euch an der Grenze meines Reiches in Empfang nehmen sollte.“ Sesshomaru erwidert schweigend seinen Blick. Aha, also aus dieser Richtung weht der Wind! Doch Arashitsume redet schon weiter: „Inzwischen haben einige meiner Leute die Vermissten gefunden, sie waren tot und grausam entstellt und man berichtete mir, dass unverkennbar die Note eines, verzeiht das Wort, Nishi-aitsu in der Luft hing. Ihr wisst nicht zufällig was mit ihnen geschehen sein könnte?“ Die urplötzliche Geringschätzigkeit die nun in seiner Stimme liegt, ist nicht zu überhören. Urplötzlich wird Sesshomaru bewusst, dass er einen schweren Fehler begangen hat. Ohne, dass er sich dessen gewahr wurde, ist die Initiative dieses Gespräches längst an den Ostfürst übergegangen. Viel zu lange hat er sich von diesen falsch freundlichen Worten einlullen lassen. Und nun befindet er sich in der Defensive wo er sich verteidigen muss. Verdammt, er hat einfach nicht aufgepasst! Es wird nicht einfach sein, das Ruder wieder herumzureißen. Fieberhaft grübelt er, was er nun sagen kann, um wie vorgehabt Stärke zu repräsentieren. Soll er sich verteidigen, es abstreiten, zum Gegenangriff übergehen? Unwillkürlich beginnt sein Herz wieder schneller zu schlagen. Arashitsume lächelt kaum merklich. „Soll das heißen, ihr unterstellt mir, ich hätte eure Soldaten ermordet?“, beschließt der junge Westfürst ärgerlich zu fragen, „Selbst für euch, ist das eine Ungeheuerlichkeit!“ „So?“, meint Arashitsume geschmeidig, „Dann sagt mir doch, was ich sonst davon halten soll, Fürst Sesshomaru!“ In dem jungen Fürsten brodelt es. Alles in ihm schreit danach, sich auf seinen Gegenüber zu stürzen und ihm mit ein paar gut gezielten Schlägen das hübsche Gesicht zu entstellen, doch er reißt sich mit aller Kraft zusammen. Nein, er wird sich nicht gehen lassen, das wäre nur Schwäche. Also funkelt er Arashitsume nur böse an und grollt: „Nichts würde mir mehr Vergnügen bereiten, als die Verantwortung für diese Morde zu übernehmen, wenn man einmal den tatsächlichen Auftrag dieser „Abordnung“ bedenkt. Doch ich muss leider sagen, dass der Ruhm dafür einem anderen gebührt.“ Mit schmalem Blick mustert der Ostfürst ihn, wobei er sich nicht anmerken lässt ob ihm die Unterstellung aufgefallen ist: „Und wer soll das eurer Meinung nach sein?“ Sesshomaru reckt sich. Dies ist eine gute Gelegenheit das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. „Sie nannte sich Hanaki die Streunerin, doch das erstaunliche war, sie war eine Daiyoukai. In kürzester Zeit hat sie euer „Empfangskomitee“zur Strecke gebracht und als ich sie deshalb zur Rede stellen wollte, trafen wir auf einige eurer Soldaten, die sie ebenfalls tötete; sehr präzise und ohne zögern“, aufmerksam beobachtet Sesshomaru den Ostfürsten, „Auch schien es mir, als würde sie keine Reue verspüren, sie schien nicht mal eine Bestrafung von euch zu erwarten.Wie kommt es dann, dass ihr mich verdächtigt, aber nicht für Recht und Ordnung in eurem eigenen Reich sorgt?“ Einen langen Moment halten sich die beiden Fürsten über die Feuerschale hinweg mit ihren Blicken gefangen. Dann letztlich senkt Arashitsume den Blick. „Ah!“, sagt er nur, „Das erklärt einiges!“ Sesshomaru versucht seine Mine zu deuten, doch er wird nicht recht schlau daraus. In Arashitsumes Blick liegt teils Belustigung, teils Ärger und teils Gleichgültigkeit. Was er denkt ist schwer zu erahnen. „Ihr kennt sie?“, vermutet Sesshomaru. Nun blickt der jugendlich wirkende Fürst wieder auf. „Natürlich, kenne ich sie. Sie ist meine Schwester.“ Sesshomaru reißt überrascht die Augen auf. Damit hat er nicht gerechnet. Doch dieser Umstand wirft sogleich wieder neue Fragen auf. Warum lebt sie als Streunerin und warum bleibt sie vom Fürst des Ostens für ihre Verbrechen ungestraft. Ja, warum überhaupt befinden sich die beiden im Zwist miteinander, wie unschwer zu erkennen ist? Wahrscheinlich ist es das beste einfach zu fragen. „Eure Schwester?“ „Zwillingsschwester, um genau zu sein.“ „Wie kommt es dann, dass sie eure Soldaten angreift?“ Arashitsume seufzt gekünstelt: „Das ist eine lange Geschichte. Ich will euch nicht damit langweilen!“ „Was mich langweilt, werde ich selbst entscheiden, wenn ihr gestattet!“, stellt Sesshomaru klar. Ein flüchtiger Blick geht von Arashitsume hinüber zu Sesshomaru. „Wie ihr meint. Nun, das Ganze muss wohl schon an die fünfzig Jahre her sein.“ „Damals lebte euer Vater noch“, stellt Sesshomaru fest. Ohne auf die Unterbrechung zu reagieren, erzählt Arashitsume weiter: „Wie ihr vielleicht wisst, ist das Verhältnis zwischen dem Osten und dem Norden nicht... das Beste. Damals gelang es meinem Vater nach langen, zähen Verhandlungen einen Kompromiss zu finden mit dem auch Inu Taihyouga leben konnte. Um des lieben Friedens willen, war er bereit dem Fürsten des Nordens ein großzügiges Geschenk zu machen. Das Abkommen war praktisch schon besiegelt. Doch es sollte leider anders kommen. „Meine Schwester war schon immer etwas... sagen wir mal eigennützig. Doch wie tief ihr Egoismus reichte sollten wir erst viel zu spät unter einer schmerzhaften Lektion lernen. Sie hatte die Aufgabe, das Geschenk an Inu Taihyougas Unterhändler zu übergeben. Doch es sollte Inu Taihyouga nie erreichen. Auf dem Weg dahin konnte sie die Kita-aitsu überzeugen sich mit ihr gemeinsam davon zu machen. Wahrscheinlich wird sie sie bestochen haben. Sie hatte vor das besagte Geschenk für sich zu behalten und damit versetzte sie meinem Vater einen schweren Schlag. „Vielleicht habt ihr davon gehört, dass es damals zum Kampf kam zwischen dem Osten und dem Norden. Der Grund war dieser Vorfall. Inu Taihyouga war über alle Maßen erbost und warf meinem Vater Verrat vor. Der Kampf der darauf folgte war kurz und heftig. Mein Vater kämpfte tapfer und es gelang ihm Inu Taihyouga schwer zu verletzen, so, dass er sich zurückziehen musste, doch letztendlich kostete dieser Kampf ihn das Leben. Unser ganzes Volk war in tiefer Trauer über den Verlust und schockiert über den Verrat. Schweren Herzens übernahm ich damals die Regentschaft. Deshalb kann ich euren Schmerz, den ihr momentan empfinden müsst, recht gut nachempfinden.“ Mit müder Stimme spricht Arashitsume weiter: „Einige Zeit nach diesem Vorfall... tauchte meine Schwester wieder auf. Sie flehte mich an, sie wieder aufzunehmen. Sie bettelte mich um Vergebung an, doch ich denke sie konnte das entbehrungsreiche Leben unter freiem Himmel nicht mehr ertragen.“ Ein harter Zug legt sich um Arashitsumes Mundwinkel: „ Ich kenne meine Schwester sehr gut! Sie hat sich immer gefallen, in der Rolle der Fürstentochter. Sie hat es genossen einen solch hohen Rang inne zu haben. Deshalb wollte sie unbedingt zurück und deshalb war es das einzig Richtige was ich tun konnte: Sie auszustoßen! Die schlimmste Strafe für sie war es, keinen Rang inne zu haben. Sie hat es nicht ertragen unbedeutend zu sein. Doch ich musste sie bestrafen für ihren Verrat und so verbannte ich sie auf Lebenszeit aus unserem Rudel.“ Gehässig lacht er auf: „Wahrscheinlich hat sie deshalb diese ganzen Streuner um sich geschart. So hat sie zumindest ein paar Toren die sie anhimmeln. Verbrecher, Abtrünnige, Diebe, Mörder... in feiner Gesellschaft befindet sich meine Schwester heute!“, ein grimmiges Funkeln blitzt nun über Arashitsumes Mine. Die offene Abscheu steht ihm ins Gesicht geschrieben. „Lässt sie sich noch immer Chutaisho nennen?“, geht seine unvermittelte Frage an Sesshomaru. Ein wenig überrumpelt blickt Sesshomaru den Ostfürsten an. „Es hat den Anschein“, sagt er, „Sie meinte, es würde ihren Untergebenen so leichter fallen, ihren Befehlen zu gehorchen.“ Nun bricht Arashitsume in glucksendes Lachen aus, doch er macht dabei ein Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. „Ach, hat sie das gesagt, ja?“, lacht er humorlos, „Da sieht man es mal wieder! Sie sucht so verzweifelt nach etwas was ihr Rang verleiht, dass sie es sogar mit Titeln versucht. Jämmerliche Kreatur!“ Nachdenklich hat Sesshomaru den Ausführungen des Ostfürsten gelauscht. Wenn das alles stimmt, würde das vieles erklären. Zum Beispiel was diese beiden Nordyoukais im Gefolge dieser Hanaki machen. Es müssen die beiden Unterhändler von damals sein. Doch das erklärt noch nicht die Anwesenheit dieses Yaeba. Da der Ostfürst ja offenbar so mitteilsam ist, kann er ihn auch gleich danach fragen. „Unter den Streunern befindet sich auch ein weiterer Ostyoukai, was hat es damit auf sich?“, fragt er betont gleichgültig. „Oh, der!“, geringschätzig blickt Arashitsume auf, „Sein Name ist Yaeba. Er war damals der Hauptmann der Ehrengarde meines Vaters. Ein ausgezeichneter Soldat, doch bedauerlicherweise mit der falschen Einstellung. Wie es aussah, schien er eine Schwäche...“, er lächelt boshaft, „für meine Schwester zu haben. Er versuchte mich zu überreden, sie wieder aufzunehmen, als sie sich vor mir in den Staub warf und um Vergebung bat. Doch darauf konnte ich natürlich keine Rücksicht nehmen. Daraufhin versuchte er handgreiflich zu werden. „Einige andere aus der Leibgarde standen auch weiterhin hinter ihm und letztendlich blieb mir nichts anderes übrig, als sie ebenfalls auszustoßen. Wie man hört ist er inzwischen ihr oberster Befehlshaber. Wirklich ein Jammer! Durch seinen Verrat, habe ich mehrere gute Soldaten verloren.“ Eine kleine Weile herrscht Schweigen in der Halle. Vor den Fenstern senkt sich bereits die Dämmerung nieder. Dann ergreift Sesshomaru wieder das Wort: „Wenn ihr eure Schwester so verabscheut, wie kommt es dann, dass ihr sie in eurem Reich willkürlich morden lasst?“ Arashitsume lächelt nun sanft, doch in seinen Augen liegt eisige Kälte. „Sicher wäre es mir ein leichtes, sie zu töten, doch es bereitet mir viel größeres Vergnügen sie dadurch zu strafen, dass sie diesen niederen Rang erdulden muss. Sie kann lange darauf warten, dass ich sie davon erlöse.“ Doch nun hebt Arashitsume wieder den Kopf als hätte er gerade erst wieder Sesshomaru bemerkt. „Aber genug davon!“, winkt er ab, „ Dies sind nicht eure Sorgen. Ich erzähle es euch nur deshalb, falls diese Streuner einmal auf die Idee kommen sollten, hinüber in den Westen zu wandern. Bisher halten sie sich eher hier im Osten aus, aber man kann ja nie wissen. So wisst ihr nun über das Nötigste bescheid. Als gute Nachbarn halte ich es für wichtig, dass wir uns gegenseitig über die wichtigen Dinge informieren.“ Sesshomaru blickt ihn schmal an: „Ihr meint wichtige Dinge, wie das Empfangskomitee, das mich töten sollte?“ Verwundert hebt Arashitsume die Augenbrauen, was seinem Gesicht den Ausdruck eines kleinen Kindes verleiht. „Aber Fürst Sesshomaru, was veranlasst euch nur zu solch einer Annahme?“, doch ehe Sesshomaru antworten kann, tut es schon Arashitsume an seiner statt, „Oh, lasst mich raten. Sicher hat meine Schwester das behauptet. Wenn ich euch einen gut gemeinten Rat geben darf: Ihr solltet ihr kein einziges Wort glauben. Sie versteht es sich sehr geschickt darin sich zu verstellen. Bedauerlicherweise ist sie eine ausgezeichnete Schauspielerin.“ Mit einem Blick auf Sesshomarus skeptische Mine fügt er noch hinzu: „Ich kann gut verstehen, dass ihr misstrauisch seid, ob ihr meinen Worten glauben könnt. Das wäre ich sicher auch an eurer Stelle. Doch ich erwarte auch gar nicht, dass ihr mir glaubt. Ich befürchte nur, ihr werdet euch zu gegebener Zeit persönlich von ihrem wahren Charakter überzeugen können.“ Sesshomaru schweigt. Innerlich ist er hin und her gerissen, ob er für bare Münze nehmen soll, was der Fürst des Ostens sagt. Einerseits sagt ihm sein Instinkt, dass der Youkaifürst nicht völlig ehrlich zu ihm ist und die Abneigung zu diesem schleimigen Widerling ist in der letzten halben Stunde nur noch gewachsen, doch bisher hat er sich noch sehr entgegenkommend verhalten und gibt sich zumindestens Mühe ihn als Gleichgestellten zu behandeln. Andererseits passt das was er über seine Schwester und ihr Streunerrudel sagt, nicht zu dem Eindruck den er selbst von ihnen gewonnen hat. Aber kann er sich auf diesen ersten Eindruck denn wirklich verlassen? So sehr er auch anzweifelt was Arashitsume über seine Schwester sagte, so hat er dennoch das leise Gefühl, dass die Behauptung, er würde den wahren Charakter von dieser Hanaki noch einmal persönlich erkennen, durchaus aufrichtig gemeint war. Eine gewisse Vorsicht ist wohl auf jeden Fall angebracht. Doch noch immer beißt sich Arashitsumes Meinung mit seinem persönlichen Eindruck. Es verwirrt ihn. Während er mit ihr gesprochen hatte, hatte er nicht das Gefühl gehabt, dass sie ihm irgendetwas vorspielte. Dieses kleine Rätsel hat sein Interesse geweckt. Wenn seine Pflicht hier erfüllt ist, wird er der Sache auf den Grund gehen. Er kann es nicht leiden hinters Licht geführt zu werden und es wird ihm keine Ruhe lassen, ehe er nicht herausbekommen hat, welcher dieser beiden Zwillingsgeschwister der wirkliche Lügner ist. „Ihr seht so nachdenklich aus, Sesshomaru-sama“, reißt ihn Arashitsumes Stimme aus seinen Gedanken, „Ich bin untröstlich!“, unterbricht er sich urplötzlich selbst, „Wo habe ich nur meine Manieren. Ihr müsst von eurer langen Reise erschöpft sein.“ „Es ist nicht der Rede wert!“, entgegnet Sesshomaru kühl. „Zumindest könntet ihr mir die Ehre erweisen, mit mir zu speisen. Es ist bereits alles bereitet. Die Regierungsgeschäfte können doch sicher bis morgen warten. Und nur damit ihr keinen falschen Eindruck bekommt, ich werde es euch nicht leicht machen!“, er lacht einmal kurz über seinen kleinen Scherz, doch Sesshomaru verzieht keine Miene. Doch er gestattet es , dass der Fürst des Ostens ihn durch einige Korridore zu einer festlich geschmückten Tafel geleitet. Nun da es erwähnt wurde, verspürt er tatsächlich Hunger. Einmal mehr fällt sein Blick auf Arashitsume. Er will nicht hoffen, dass der Ostfürst den Versuch unternimmt, ihn vergiften zu wollen. Sollte dem tatsächlich sein, wird er feststellen müssen, dass sich Westyoukais als ausgesprochen resistent gegen die meisten Gifte erweisen. Aber soll er es nur versuchen, dann kann er endlich das höfliche Getue lassen und diesem feigen Hund einmal deutlich seine Meinung ihm gegenüber klarmachen. Mit diesem inneren Entschluss lässt sich Sesshomaru an der Tafel nieder und macht einmal mehr gute Miene zum bösen Spiel. Kapitel 19: Berechtigte Vorwürfe -------------------------------- Die Sonne hatte bereits den Zenit überschritten als die eigenartige Reisegruppe bestehend aus sechs Youkais, vier Menschen und einem Hanyou eine zerklüftete Felsgegend durchwanderte. Kaum einer von ihnen sagt ein Wort, so drückend ist die Stimmung die über den Reisenden liegt. Nach Sesshomarus Ausführungen, müssten sie das Schloss des Ostfürsten bald erreicht haben. Verwunderlich, dass noch keiner der Ostyoukais sich hat blicken lassen. Sicher haben sie längst bemerkt, dass sie auf dem Weg sind. Inu Yashas Stirn legt sich in Falten und er umschließt fest den Griff seines Schwertes. Diese Ruhe gefällt ihm nicht. Unwillkürlich beginnt sein Herz schneller zu schlagen. Sein Bruder war schon einige Male hier, doch er selbst weiß noch nicht was ihn hier erwartet. Er mag es nicht zeigen, aber er ist nervös. Selbstverständlich hat er nicht vor sich hinrichten zu lassen, aber er hat sich nun mal bereit erklärt, sich für seine Tat zu verantworten und bei dieser Gerichtsverhandlung mitzumachen. Er kennt zwar die Gepflogenheiten auf so einem Rat nicht, doch er hat die starke Vermutung, dass bei einem Treffen unter Youkaifürsten, sicher recht raue Sitten herrschen. Dass die ganze Situation wahrscheinlich jederzeit eskalieren kann, ist ihm ziemlich bewusst, und er wirft einen flüchtigen Blick in die Runde. Verdammt, worauf hat er sich da eingelassen! Nicht nur, dass seine Freunde in Lebensgefahr sind, und es verursacht ihm ein bohrenden Gefühl im Magen, dass sein Bruder in dem Punkt wahrscheinlich Recht hatte, sondern er wird sich wohl auch dafür verantworten müssen, dass er diesen Streuner in seine Dienste genommen hat. Fieberhaft versucht er die möglichen Situationen im Kopf durchzuspielen. Was soll er tun, wenn die Ostyoukais versuchen die Streuner zu töten? Soll er sie verteidigen, oder sich selbst überlassen. Er muss feststellen, dass er das wahrscheinlich nicht zulassen würde. Zwar kann er Tenmaru nicht besonders leiden, doch er möchte auch nicht, dass er kaltblütig ermordet wird. Außerdem hat er eine Verantwortung ihm gegenüber, na ja, solange man ihn noch nicht verurteilt hat. Yaeba kann sich vermutlich selbst helfen und auch Raiuko wird sicher nicht ganz schutzlos sein. Bleiben noch Kagome und die anderen. Wenn es bei Tenmaru der Anstand gebietet ihn zu verteidigen, stellt sich die „Ob-Frage“ bei seinen Freunden erst gar nicht. Er ist felsenfest entschlossen, seine Freunde bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen. Es soll nur einer dieser Ostyoukais wagen sie anzugreifen! Erneut schließt sich seine Faust fest um seinen Schwertgriff. Die Frage ist nur, was Sesshomaru davon halten wird. Der Fürst des Westens ist in einer äußerst miesen Stimmung, das sieht er ihm an. Inu Yasha kann sich einfach nicht vorstellen, dass sein Bruder auch nur einen Handschlag zu seiner Verteidigung beitragen wird. Also wird er sich selbst verteidigen müssen. Wenn er doch nur mehr über diesen ganzen Fürstenkram wüsste! Es würde ihm schon helfen, wenn er wüsste wie man diese Typen ansprechen muss, damit sie sich nicht sofort beleidigt fühlen. Verflixt, so was ist überhaupt nicht seine Stärke, aber es wird wohl nötig sein. Ein äußerst mulmiges Gefühl macht sich in ihm breit. Auf einmal spürt er einen kleinen Stich am Hals und wie aus Reflex schlägt er sich an seine Halsseite. „Lass den Unsinn, Myoga!“, brummt er. „Verzeiht, Inu Yasha-sama“, quetscht der platte, kleine Flohgeist hervor, „Doch euer Blut ist so köstlich, dass ich mich einfach nicht zurückhalten konnte. Was das betrifft, seid ihr eurem Vater sehr ähnlich.“ „Pah...!“, macht Inu Yasha, „Wenn, das das Einzige ist, kann ich gerne darauf verzichten!“ Doch auf einmal kommt ihm eine verwegene Idee. Mit scharfem Blick wendet er sich an den alten Floh: „Sag mal, Myoga, du kanntest doch meinen Vater gut oder?“ „Ähm, ja...“, antwortet Myoga vorsichtig, „Ich hatte das Vergnügen, ihm lange Zeit zu dienen. Ich glaube mich sogar im Recht, wenn ich behaupte, dass ich so etwas wie seine rechte Hand war.“ Inu Yashas Miene verzieht sich zu einem breiten Lächeln: „Ausgezeichnet! Dann kennst du dich doch bestimmt mit solchen Youkaigerichtsverhandlungen aus.“ Der kleine Floh bekommt große Augen.“Ähm...ähm...nun ja, ich schätze ich habe die eine oder andere Ratsversammlung besucht...“, windet er sich. Er ahnt schon wohin diese Unterhaltung führen wird. „Und du weißt einiges über diesen ganzen politischen Schnickschnack, oder?“, fragt Inu Yasha triumphierend weiter. „Das... könnte man so sagen“, bestätigt Myoga verhalten. „Sehr gut!“, meint Inu Yasha, „Dann wirst du mir nachher soufflieren!“ Der kleine Flohdämon wird schlagartig bleich. Er hat es geahnt, wenn er auch eher vermutet hatte, dass man von ihm erwartet hätte Inu Yashas Verteidigung zu führen. Doch diese Idee ist fast ebenso erschreckend. „Inu Yasha-sama..., ich weiß nicht ob das so eine gute Idee ist“, versucht er sich rauszureden, „Ich fühle mich geehrt, dass ihr euer Schicksal in meine Hände legt, doch ich bin sicher ihr werdet euch auch ohne meine Hilfe gut zu verteidigen wissen.“ „Machst du Witze?“, Inu Yashas Lächeln ist einer entrüsteten Miene gewichen, „Ich hab überhaupt keinen Schimmer von dem ganzen Kram! Entweder du sagst mir was ich sagen soll, oder das letzte was ich vor meiner Hinrichtung tun werde, ist dich zu einem schmierigen Blutfleckchen zu zerquetschen!“ Myoga ist bei diesen Worten wohlmöglich noch bleicher geworden. Offenbar hat er keine Wahl. „Also, wenn ihr euch so klar ausdrückt, ist es mir natürlich eine Freude euch zu helfen.“ „Eine weise Entscheidung!“, Inu Yasha grinst selbstzufrieden. „Ein feiner Zug von dir, Myoga“, meldet sich Sango zu Wort, „Ich hoffe aber doch, dass du dich zwischendurch nicht plötzlich davon machst.“ „Immer diese boshaften Unterstellungen!“, empört sich Myoga mit feuchten Augen, „Als wenn ich Inu Yasha-sama einfach im Stich lassen würde!“ „Es wäre nicht das erste Mal“, bemerkt Sango kühl. Beleidigt vergräbt Myoga sein Gesicht in den Falten von Inu Yashas Gewand. Ehe jedoch noch mehr zu diesem Thema gesagt werden kann, blicken alle Anwesenden auf, denn der Fürst des Westens ist unvermittelt stehen geblieben. „Was denn?“, meint Inu Yasha verstimmt an seinen Bruder gewandt, „Sag bloß, du hast was dagegen. Glaub nur nicht, ich würde mich kampflos meinem Schicksal ergeben. Da du ja wahrscheinlich nicht vor hast irgendetwas zu meiner Verteidigung...“ „Halt den Mund!“, unterbricht ihn Sesshomaru kühl, „Wir sind da!“ Nicht unbeeindruckt blicken Kagome und die anderen zu dem gewaltigen Felsentor auf, das am Ende des Hohlweges liegt. Links und rechts von ihnen ragen meterhohe Felswände auf. Zwar ist noch immer kein einziger Ostyoukai zu sehen, doch eine große Unruhe hat sie alle erfasst. „Spürst du das auch, Kagome?“, wispert Sango. Kagome nickt: „Hier müssen eine Menge Dämonen in der Nähe sein.“ Unwillkürlich klammert sich Shippo an Kagomes Bein fest. „Meinst du sie tun uns was?“, fragt er ängstlich. „Nein, sicher nicht!“, versucht Kagome ihn zu beruhigen, „Inu Yasha wird das niemals zulassen“, doch ganz sicher ist sie sich ihrer Sache nicht. Mit gleichmäßigen Schritten biegt Sesshomaru nun in den Hohlweg ein und die anderen folgen ihm. Eine ausgewachsene Gänsehaut kriecht über Kagomes Rücken. In diesem Hohlweg befinden sie sich offen auf dem Präsentierteller. Nach kurzer Zeit haben sie das Tor erreicht. Es ist verschlossen. Ungerührt tritt Sesshomaru auf die riesigen Flügel zu und mustert es eingehend. Es scheint unter seiner Würde zu sein, Einlass zu verlangen und bisher hat er auch noch Abstand davon genommen das Tor einfach aufzustoßen. „Und nun?“, fragt Inu Yasha seinen Bruder während er an ihn herantritt. „Wir warten!“, ist die Antwort. „Worauf?“, kommt die Frage zurück. „Darauf!“, kommt die ruhige Antwort von dem Westfürsten und er hebt ein wenig den Kopf. Auf einmal spürt Kagome wie Shippo sie ängstlich am Rock zupft. „Kagome... guck mal!“ Sofort gehen sämtliche Blicke hinauf zum oberen Rand dieses Felsenkessels und sie stellen fest, dass sie von über fünfzig finster drein blickenden Ostyoukais beobachtet werden. Keiner von ihnen sagt ein Wort, doch sie halten alle Waffen in den Händen und einige fletschen hasserfüllt die Zähne. Schon will Inu Yasha sein Schwert ziehen, doch noch ehe er dazu kommt, steht plötzlich Sesshomaru direkt neben ihm und hält seine Hand fest. Schweigend wirft er ihm einen finsteren Blick zu und schüttelt kaum wahrnehmbar den Kopf. Inu Yasha beschließt zu verstehen und lässt seine Hand sinken. „Fürst Sesshomaru!“, ertönt von oben auf einmal eine Stimme, „Wir haben euch erwartet!“, doch sehr freundlich klingt es nicht. Im Gegenteil, der Sprecher scheint ziemlich verstimmt zu sein. Nun hebt Sesshomaru den Kopf: „Hast du nicht einmal den Mut dich zu zeigen, Raimeimaru?“, in seinen Worten schwingt deutliche Missbilligung mit. Nun schiebt sich ein kräftiger Youkai aus der Menge hervor und tritt an den Rand. der Klippe. „So, ihr erinnert euch also an mich?“, fragt der Youkai verächtlich. Doch Sesshomaru geht gar nicht darauf ein. „Ich habe keinerlei Interesse daran, mit dir zu reden! Mein Anliegen hab ich ausschließlich mit deinem Fürsten zu erörtern. Also öffnet das Tor!“ Raimeimarus Stirn legt sich in Falten. „Nicht bevor ich eine Erklärung dafür habe, warum die hier sind!“ Mit verächtlicher Miene zeigt er auf Tenmaru und die anderen. Einen Moment lang herrscht unsicheres Schweigen. Doch plötzlich hört Inu Yasha eine leise Stimme in seinem Ohr: „Sagt etwas! Sagt, dass sie zu euch gehören!“ Unwillkürlich zuckt er leicht zusammen, doch dann reagiert er rasch. „Sie gehören zu mir!“, erklärt er laut und an den Youkai auf dem Felsen gewandt. „So?“, antwortet Raimeimaru und schürzt die Lippen, „Und ihr seid?“ „Sagt ihm, ihr seid Inu Taishos Sohn!“, wispert es erneut. Der Hanyou richtet sich hoch auf. „Mein Name ist Inu Yasha, ich bin Inu Taishos Sohn!“ „Ach, was ihr nicht sagt!“, ist die gehässige Antwort, „Sieht so aus als wären die Gerüchte tatsächlich wahr. Doch ich bin erstaunt euch hier zu sehen. Das ihr es überhaupt wagt euch hier blicken zu lassen, nach dem was ihr getan habt!“ In Inu Yasha brodelt es. „Willst du vielleicht behaupten ich wäre feige? Dieser fette Typ hat genau bekommen was er verdiente!“ Doch in diesem Moment tritt Sesshomaru einen Schritt vor und schiebt sich vor Inu Yasha. Sein Blick ist unmissverständlich verärgert als er sich an den Youkai auf dem Felsen wendet. „Diese Angelegenheit wird angemessen erörtert werden. Doch wenn du uns noch länger vor dem Tor stehen lässt, schwöre ich dir, dass hier gleich kein Stein mehr auf dem anderen bleiben wird!“ Von der Kühnheit seines Bruders angestachelt mischt sich nun auch noch einmal Inu Yasha ein: „Und wenn auch nur einer von euch auch nur mit dem Gedanken spielt, einen meiner Freunde anzugreifen, werde ich ihn eigenhändig ins Jenseits befördern, verlasst euch drauf!“, nach einem kurzen Moment fügt er noch hinzu, „Das gleiche gilt natürlich auch für diese Streuner hier, klar?“ In der Hoffnung sich verständlich gemacht zu haben, stemmt Inu Yasha seinen Arm in die Seite und blickt die Youkais über ihm trotzig an. Für ein paar Sekunden mustert Raimeimaru den Hanyou wütend, doch dann nickt er einigen der anderen Youkais zu und kurz darauf öffnet sich das Tor zum Palast. „Ihr solltet sie nicht so verärgern, Inu Yasha-sama!“, flüstert es wieder leise in seinem, Ohr. „Warum nicht?“, wispert Inu Yasha zurück, „Sesshomaru macht das auch.“ „Sesshomaru-sama ist ja auch der Fürst des Westens. Bei ihm liegt die Verantwortung und durch seine Stellung darf er einen angemessenen Umgang erwarten. Ihr jedoch, seid wegen er Anschuldigungen hier, ein wenig mehr Zurückhaltung wäre durchaus angebracht.“ „Pff...“, macht Inu Yasha, „Reizend, dass du mich daran erinnerst! Das schmeckt mir aber gar nicht!“ „Es wird euch nichts anderes übrigbleiben“, beschwört Myoga ihn, „Und bitte, wenn ihr vor dem Fürsten des Ostens steht, redet am besten nur wenn ihr aufgefordert werdet.“ „Ich denk ja nicht dran!“, zischt Inu Yasha leise, „Glaubst du ich lasse es zu, dass mein Bruder mich ohne Widerspruch an diesen Typen ausliefert?“ „Ich denke nicht, dass es so weit kommt“, überlegt der kleine Floh, „Ich bin mir fast sicher, dass Sesshomaru eher versuchen wird diese Vorwürfe auszuräumen. Schließlich fällt jedes Fehlverhalten von euch auf ihn zurück und das wird er nicht dulden wollen.“ „Ich kann nur hoffen, dass du Recht hast!“, brummt Inu Yasha leise und folgt seinem Bruder weiter durch den Vorhof des Palastes; seine Freunde und die Streuner im Schlepptau. Zu beiden Seiten des Platzes tauchen nun Youkais auf, die sie mit feindseligen Mienen beobachten. Kagome versucht sich ihre Nervosität nicht anmerken zu lassen, doch sie spürt wie ihr Herz heftig gegen ihre Brust klopft. Bestimmt können diese Youkais es hören. Vereinzelt sieht sie ein hämisches Grinsen und gelegentlich einen Youkai der sich mit der Zunge über die Lippen fährt. Sofort fällt ihr wieder ein wovon sich manche Youkais so ernähren und ein dicker Kloß bildet sich in ihrem Hals. Hastig schließt sie zu Inu Yasha auf der sich wachsam umsieht während er seinem Bruder durch den Eingang ins Innere des Palastes folgt. Der große Raum wird von einem Feuerkorb und vielen roten Laternen erhellt und an seiner Stirnseite befindet sich der Thron auf dem der Fürst des Ostens sitzt, doch er ist nicht allein. Entlang der Seitenwände haben etwa zwanzig stattliche, ernst dreinblickende Youkais Stellung bezogen. Jeder von ihnen trägt eine Waffe und ohne Frage ist jeder von ihnen sofort bereit mit den Neuankömmlingen kurzen Prozess zu machen, wenn es auch nur einer wagen sollte ihrem Fürsten ein Haar zu krümmen. Doch Sesshomaru lässt sich davon nicht beirren. Ohne die Leibgarde auch nur eines Blickes zu würdigen, geht er auf den Fürsten des Ostens zu. Dieser sitzt noch immer auf seinem kissenreichen Thron und blickt dem Fürsten des Westens entgegen. Er trägt einen himmelblauen Kimono mit vielen silbernen Ornamenten darauf. Sein silbergraues Haar trägt er diesmal offen und seine purpurnen Augen mustern Sesshomaru bei jedem Schritt. Sein makelloses Gesicht ist ernst. „Die Höflichkeit in eurem Palast hat merklich nachgelassen, Arashitsume!“, ergreift Sesshomaru das Wort während er weiter auf den Ostfürsten zugeht. „Sicher könnt ihr euch den Grund dafür denken, mein alter Freund!“, kommt die kühle Antwort. Arashitsume hebt den Kopf. „Ich bin erstaunt, dass ihr hier seid“, sagt er spitz, „Man berichtete mir, dass der Westen keinerlei Interesse mehr an freundschaftlichen Beziehungen zum Osten hat. „Dann hat man euch falsch informiert!“, entgegnet Sesshomaru deutlich. Ruckartig erhebt sich Arashitsume. Herausfordernd blickt er Sesshomaru an. „Ihr leugnet also eure Tat!“, ruft er aufgebracht. Seine Stimme klingt ein wenig schrill. „Ihr habt also nicht versucht, meine Krieger in Sicherheit zu wiegen und sie dann von eurem Bruder ermorden zu lassen?“ Aufgebracht geht er vor seinem Thron auf und ab. „Trifft es nicht eher zu, dass ihr diesen Hanyou beauftragt habt, meine Leute umzubringen, weil ihr euch nicht selbst die Finger schmutzig machen wolltet?“ „Der Kerl hat mich überhaupt nicht beauftragt!“, platzt Inu Yasha ärgerlich heraus, das beschwichtigende Zischen von Myoga in seinem Ohr ignorierend, „Als ob ich von dem irgendwelche Befehle entgegen nehmen würde!“ Dass Sesshomaru ihm daraufhin einen vernichtenden Blick zuwirft, ignoriert er trotzig. „Schlimm genug, dass ihr das Friedensabkommen verletzt habt“, fährt Arashitsume verächtlich fort, „Doch nun taucht ihr auch noch hier auf und habt außerdem noch diese niedere Kreatur mitgebracht, gar nicht erst zu reden von dieser Bande von Abschaum in eurem Schlepptau. Eure Unverschämtheit kennt offenbar keine Grenzen!“ Wütend fletscht Inu Yasha die Zähne und seine Hand geht zu seinem Schwertgriff: „Wen nennst du hier eine niedere Kreatur, du mieser, aufgetakelter...!“, doch er kommt nicht dazu diesen Satz zu beenden, denn urplötzlich ist hinter ihm Sesshomaru aufgetaucht und mit stählernem Griff seiner Hand packt er den aufgebrachten Hanyou am Nacken und drückt ihn auf die Knie hinunter. Mit verbissener Miene versucht Inu Yasha sich dagegen zur Wehr zu setzen, besonders da sich nun auch die scharfen Krallen seines Bruders in sein Fleisch graben, doch trotz aller Anstrengung kann er es nicht verhindern, dass Sesshomaru ihn in dieser unterwürfigen Haltung festhält. Schließlich gibt er es auf sich zu wehren und zähneknirschend verharrt er in dieser Position, den Blick zum Boden gerichtet. Er kann spüren, dass sein Bruder vor unterdrückter Wut leicht zittert und unwillkürlich stellen sich ihm die Nackenhaare auf bei der bedrohlichen Aura die nun von Sesshomaru ausgeht. „Ich fürchte ihr habt Fürst Sesshomaru wütend gemacht!“, jammert Myoga leise in seinem Ohr, „Hättet ihr doch bloß nichts gesagt!“ Doch zu Inu Yashas Überraschung, lässt sein Bruder ihn urplötzlich wieder los und richtet sich hoch auf. Ein gefährliches, rotes Leuchten erfüllt nun Sesshomarus Augen und mit gebleckten Zähnen starrt er Arashitsume an. Bedrohlich kommt er einen Schritt auf den Ostfürsten zu und sofort fassen sämtliche Wachen im Raum ihre Waffen fester und machen sich bereit ihrem Fürst unverzüglich zu Hilfe zu eilen, sollte es nötig sein, doch Sesshomaru beachtet sie nicht. Sein Blick ist unverwandt auf den Ostfürsten gerichtet. „Ihr wagt es tatsächlich mich derartig zu beleidigen?“, grollt er nun mit Grabesstimme, „Ihr habt wirklich Nerven!“ Arashitsume verzieht keine Miene. Sesshomaru tritt noch ein Stück an den Fürsten des Ostens heran: „Ich hätte nicht gedacht, dass ihr soviel Schneid habt, mich offen zu beschuldigen, zumal ihr offenbar bequemerweise vergessen habt euer eigenes Verschulden zu erwähnen.“ „Mein Verschulden?“, hebt Arashitsume geringschätzig die Brauen. „Ihr wisst genau wovon ich rede!“, funkelt Sesshomaru erbost, „Eure Krieger sind ohne meine Erlaubnis in den Westen eingedrungen. So etwas könnte man als kriegerischen Akt deuten. Ein solches Verhalten kann ich nicht dulden!“ „Es gab gute Gründe dafür!“, entgegnet Arashitsume ernst, „Die jüngsten Ereignisse verlangten nach einem schnellen Handeln, weshalb keine Zeit blieb, euch darüber zu informieren, was wir vorhatten.“ „Ich verspüre wenig Lust mir eure fadenscheinigen Ausreden anzuhören“, wehrt Sesshomaru finster ab, „Hebt euch das für den Rat auf!“ „Den Rat?“, wiederholt Arashitsume skeptisch, „Ihr wollt den Hohen Rat einberufen?“ „Das ist der Grund weshalb ich hier bin!“, ist die ungeduldige Antwort. „Was erhofft ihr euch davon, Sesshomaru?“, kommt nun die falsch süßliche Frage, „Welchen Grund gibt es für diesen Aufwand?“ Zornig kommt Sesshomaru noch ein Stückchen näher, doch Arashitsume gibt seinen Leuten einen Wink nicht einzugreifen. „Inu Taihyougas Tod verursacht durch die Streuner ist Grund genug!“, sagt er ernst, „Diese Angelegenheit hat schon viel Staub aufgewirbelt. Es muss darüber beraten werden, was geschehen soll.“ „Das kann ich euch auch so sagen!“, erwidert Arashitsume boshaft, „Ich habe bereits der neuen Fürstin meine Unterstützung bei der Vernichtung der Streuner zugesagt. Sie verlangt Genugtuung für den Tod ihres Vaters und da ich es bisher schmählichst vernachlässigt habe, dieses Pack für ihre Taten zur Verantwortung zu ziehen, sehe ich es als meine Pflicht an, dieses Versäumnis so schnell wie möglich nachzuholen!“ Für einen kurzen Moment fliegt ein hasserfüllter Blick von Arashitsume zu den drei Streunern hinüber die den angespannten Disput wachsam verfolgt haben. Wie Kagome jetzt bemerkt, sind die drei schon kurz nach Eintreten auf die Knie gefallen und senken den Blick. Es ist die gleiche Pose die Sesshomaru Inu Yasha aufgezwungen hat. „So einfach ist das nicht!“, stellt Sesshomaru nun klar und seiner Miene fehlt jeglicher Humor, „Ich fürchte, ich muss bestätigen, dass mein Vater diesen... Hanyou als seinen Sohn anerkannt hat. Ihr wisst sicher was das bedeutet“, sein Blick ist scharf auf Arashitsume gerichtet, „Wenn auch sein Benehmen erheblich zu wünschen über lässt“, ein finsterer Blick geht zu Inu Yasha hinüber, „so hat er trotz allem den Rang eines Fürsten des Westens und ich werde nicht dulden, dass ihr ihm nicht mit dem nötigen Respekt begegnet!“ „Respekt!“, lacht Arashitsume verächtlich auf und ein Teil seiner Leibwache stimmt in das Lachen mit ein, „Ihr erwartet wirklich Respekt dieser... lebenden Blutschande gegenüber?“ Inu Yasha ist bei diesen Worten knallrot geworden, schon lange schaut er nicht mehr zu Boden, doch nun springt er ärgerlich wieder auf seine Füße. Jedoch noch ehe er etwas sagen kann, kommt Sesshomaru ihm zuvor. „Ja, genau das erwarte ich!“, sagt er eisig. Seine Worte lassen keinerlei Zweifel an seiner Entschlossenheit aufkommen. Abschätzend mustert Arashitsume den Fürsten des Westens. Schließlich fragt er: „Wird er sich für seine Taten verantworten?“ Mit einem schneidenden Seitenblick auf seinen Bruder sagt Sesshomaru: „Ja, das wird er! Und es versteht sich wohl von selbst, dass seinen Untergebenen bis zu seiner Verurteilung kein Haar gekrümmt wird.“ Einen kurzen Moment lang blickt Arashitsume etwas irritiert zu Sesshomaru, dann zu Inu Yasha und dann schließlich zu den Streunern hinüber. „Ah, jetzt verstehe ich“, meint er schließlich trocken, „Deshalb wollt ihr also den Rat einberufen. Nun, wie ihr meint“, mit einem öligen Lächeln blickt er in die Runde, „Bis die Fürstin des Nordens eintrifft wird niemand euer... Gefolge anrühren, das gestatte ich nicht. Doch seid versichert, dass dieses Streunerpack seiner gerechten Strafe nicht entgehen wird.“ Emotionslos erwidert Sesshomaru seinen Blick: „Seid unbesorgt, ich erwarte nichts anderes!“ Für einen kurzen Moment fliegt Tenmarus Blick zu Sesshomaru hinüber, doch rasch senkt er das Gesicht wieder. „Das ist sehr weise von euch, Sesshomaru!“, meint Arashitsume gehässig, „Nun denn, ich werde Boten aussenden, die der Fürstin des Nordens euer Vorhaben übermitteln. Der Rat wird sich in spätestens zwei Tagen versammeln. Bis dahin steht es euch und dem Gefolge eures Bruders frei sich unbehelligt im Schloss zu bewegen. Was euren Bruder jedoch angeht, würde ich es begrüßen, wenn er bis zum Beginn der Verhandlung von meinen Männern in Gewahrsam genommen werden würde. Ihr versteht, nur um sicher zu gehen!“ Sofort fliegt Inu Yashas Kopf herum: „Wenn ihr glaubt, dass ich mich einsperren lasse...“, doch erneut unterbricht ihn Sesshomaru: „Ich bin einverstanden.“ „Hey!“, entrüstet sich Inu Yasha, „Da hab ich ja wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden. Ich warne euch, lasst mich los!“ Doch schon sind vier kräftige Youkais auf einen Wink von Arashitsume an den Hanyou herangetreten und packen ihn an Armen und Beinen. Verbissen versucht Inu Yasha gegen die unbarmherzigen Griffe anzukämpfen. Alarmiert beobachten seine Freunde es. „Inu Yasha!“, entfährt es Kagome unwillkürlich. Fast schon reflexartig hat Sango ihren Bumerang ergriffen und Miroku fasst seinen Stab fester. „Ihr solltet ihn besser wieder loslassen!“, funkelt Sango grimmig. Mirokus Hand geht zu der Kette um seinen Arm: „Wenn ihr ihn nicht freigebt, werdet ihr das sehr bereuen!“, sagt er berechnend. „Was hat das zu bedeuten?“, entrüstet sich Arashitsume nun, „Eine Dämonenjägerin und ein... Mönch, hier in meinem Palast? Was für ein Spiel spielt ihr hier, Sesshomaru?“ In diesem Moment springt Tenmaru auf und eine Sekunde später steht er zwischen Sango und Miroku. Mit festem Griff umfasst er ihre Handgelenke und zwingt ihre Arme herunter. „Sie gehören zu Fürst Inu Yasha!“, ruft er laut. Seine Miene ist ernst und er trotzt entschlossen Arashitsumes Blick. „Sie stehen unter seinem Schutz!“, und leise raunt er Sango und den anderen zu, „Wenn ihr diesen Tag überleben wollt, sagt ihr jetzt besser kein Wort mehr!“ Empört funkelt Sango ihn an, doch nun richtet Arasitsume das Wort an Tenmaru und seine Stimme zitter leicht vor Wut als er leise grollt: „Wie kannst du es wagen unerlaubt das Wort zu ergreifen, du unwürdiger, kleiner Bastard!“ Bedrohlich macht er einen Schritt auf den jungen Streuner zu, der nun kreidebleich wird und sofort auf die Knie sinkt wobei er Sango und Miroku mitzieht. Doch das genügt dem Ostfürsten noch nicht und er kommt noch näher. „Es war reines Wohlwollen, dass ich deiner Anwesenheit bisher keine Beachtung geschenkt habe, Kleiner!“, sagt er mit tiefer Verachtung, „Glaubst du wirklich, ich würde so bereitwillig meinen Palast durch euer Pack verunreinigen lassen? Das du hier bist kann ja nur heißen, dass du dich freiwillig zu eurer Tat bekennen und dafür die Verantwortung übernehmen willst. Bitte sag mir, dass das der Wahrheit entspricht. Es wäre mir eine Freude das zu hören!“ Fieberhaft sucht Tenmaru nach einer Erwiderung auf diese Worte, doch zur allgemeinen Überraschung tritt nun Yaeba zwischen Arashitsume und den jungen Streuner. Ernst schaut er den Ostfürst an. Dann sagt er: „Ich bin Yaeba und nach dem Tod unseres Chutaisho bin nun ich der Anführer unseres Rudels. Ich bin hier um vor dem Hohen Rat Rechenschaft für die Tat unseres Rudels abzulegen. Ich werde mich dem Urteil des Rates beugen! Doch diese Menschen und diese Streuner dort dürft ihr nicht anrühren. Sie stehen im Dienst von Fürst Inu Yasha und ich bin sicher, dass ihr wisst, was das Gesetz in diesem Fall verlangt! Ihr wisst so gut wie ich, dass Fürst Sesshomaru keine Verantwortung am Verhalten dieser Menschen trägt“, fügt er laut und bestimmt hinzu, „Wie es sich ergeben hat, haben sie mit Fürst Inu Yasha Freundschaft geschlossen und selbst die offensichtliche Gefahr die es mit sich bringt, ihn hierher zu begleiten, konnte sie nicht davon abhalten ihm bis zu eurem Palast zu folgen. Ihre Loyalität gebietet es ihnen, ihren Kameraden zu verteidigen.“ Voller Abscheu blickt Arashitsume auf den Streuner herab. Er macht ein Gesicht als hätte man ihn gezwungen Jauche zu trinken. „Was du unter Loyalität verstehst, ist mir noch in lebhafter Erinnerung geblieben, Streuner!“, zischt er erbost, „Doch mich wundert es nicht, dass dieser Hanyou mit solch einem Gefolge reist. Nun denn, solange sie keinen Schaden anrichten, gestatte ich ihnen den Aufenthalt in meinem Palast. Doch ich warne euch!“, ein finsterer Blick geht zu Kagome, Sango und Miroku hinüber, „Beim kleinsten Zwischenfall habt ihr den Schutz, den euch euer Herr bietet, verwirkt!“, er wendet sich wieder an Yaeba, „Und was dich betrifft, Streuner, wenn du so bereitwillig die Verantwortung übernimmst, kann mir das nur recht sein. Dein Wunsch vor dem Rat zu sprechen sei dir gewährt! Eigentlich bin ich wirklich gespannt zu sehen wie du dich vor der Fürstin des Nordens windest. Erfreue dich noch an den letzten beiden Tagen deines Lebens und dann wird dieses leidige Thema ein für allemal abgeschlossen sein!“ Mit diesen Worten wendet er sich wieder Inu Yasha zu, der noch immer von den vier Youkais leise fluchend zu Boden gehalten wird. Mit herablassendem Blick kommt er näher. „Und nun zu euch! Es hat keinen Zweck sich zu sträuben!“, sagt er seidig, „Ich werde sichergehen, dass ihr euch bis zum Beginn eurer Verhandlung zu keinen weiteren unüberlegten Gefühlsausbrüchen hinreißen lasst, Fürst Inu Yasha!“ Zornig blitzt Inu Yasha den Fürst des Ostens an: „Elender Mistkerl!“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren hebt Arashitsume die Hand und vor den besorgten Augen von Inu Yashas Freunden beginnt sich ein züngelndes, gleißendes Licht um seine Hand zu bilden, dessen Intensität immer mehr zunimmt und schließlich müssen die Umstehenden geblendet die Augen schließen. Nun richtet Arashitsume seine Hand auf den am Boden kauernden Inu Yasha und einen Augenblick später löst sich ein gleißender Blitz von seinen Fingerspitzen und hüllt den Hanyou ein. Hastig haben die vier Wachen ihren Gefangenen losgelassen, damit die Wucht dieser Technik sie nicht trifft, doch der Halbdämon hat nicht so viel Glück. Augenblicklich spürt er einen rasenden Schmerz durch seinen Körper zucken und er hat das Gefühl, dass ihm sämtliche Knochen gebrochen werden. Unwillkürlich schreit er gepeinigt auf. Wie ein heftiger elektrischer Schlag, flammt der Schmerz in seinen Gliedern weiter auf und es bleibt ihm nichts anderes übrig als sich in einer äußerst unbequemen Pose auf dem Boden zu krümmen. Mit aller Selbstbeherrschung die er aufbringen kann beißt er die Zähne zusammen um nicht laut aufzuschreien. Aus den Augenwinkeln hat Arashitsume mit Befriedigung bemerkt, wie Inu Yashas Freunde vor Sorge zusammengezuckt sind, doch noch immer hindert sie der junge Streuner daran etwas Unüberlegtes zu tun. Sein Blick geht zu Sesshomaru hinüber, doch der Fürst des Westens verzieht keine Miene bei der offensichtlichen Qual seines Bruders. Es soll ihm recht sein. Der Fürst des Westens ist lange nicht mehr so naiv wie damals als junger Mann. Er hat die Züchtigung gestattet, doch Arashitsume ist sich sicher, dass er sich nicht viel mehr herausnehmen darf, wenn er den Fürsten des Westens nicht noch ernsthaft verärgern will. Wie lästig, dass er den Rat einberufen will. Zwar macht er sich keine großen Sorgen über dessen Ausgang, doch wohlmöglich kommt dabei das Gespräch auf ein paar Punkte zu sprechen die er lieber vermeiden möchte. Doch der Fürst des Westens ist schwer zu durchschauen. Wie steht er wirklich zu diesen Streunern? Im Augenblick scheint er sie zwar nicht offen zu verteidigen doch wirklich feindselig verhält er sich ihnen auch nicht gegenüber. Man hätte meinen können, dass es anders wäre, nach allem was gewesen ist. Ihm bleibt keine andere Wahl, er muss herausfinden, wie es um Sesshomarus Verhältnis zu diesen Streunern tatsächlich steht. Nur, was soll er tun, wenn sich seine schlimmsten Vermutungen bestätigen? Kritisch mustert er Sesshomaru. Der jugendliche Fürst lässt sich längst nicht mehr so einfach um den Finger wickeln wie damals. Zu Beginn seiner Regentschaft genügten schon ein paar wohlgewählte Schmeicheleien um ihn sich gefügig zu machen. Das wird heute nicht mehr so einfach sein. Doch wohlmöglich gibt es noch eine andere Möglichkeit an den Fürsten heranzukommen. Sein Blick geht zu den Streunern hinüber. So eine Gelegenheit kommt niemals wieder. Sein Entschluss ist gefasst, jetzt heißt es nur noch den rechten Moment abzupassen. Sein Blick geht zurück zu dem sich am Boden krümmenden Halbdämon. Seine wilden Zuckungen haben aufgehört und nun liegt er schwer atmend am Boden mit angezogenen Beinen und den Händen auf dem Rücken. Um seine Gliedmaßen und über seine Brust ziehen sich leuchtende Energiebänder die ihn konsequent an der Bewegung hindert. So gebunden liegt er da und unter zusammengepressten Lippen funkelt er hasserfüllt zu Arashitsume hinauf. Der Ostfürst wendet sich nun wieder an Sesshomaru: „Das sollte ihn erst einmal ruhig stellen. Die Schmerzen sollten nun einigermaßen erträglich sein. Er trägt keinen bleibenden Schaden davon, das versichere ich euch.“ „Ein Jammer!“, kommt es kühl von Sesshomaru zurück. Boshaft knurrt Inu Yasha seinen Bruder an. Er kann sich nicht rühren und dort wo die Lichtfesseln ihn berühren, breiten sich unangenehm brennende Schmerzen in seinem Körper aus. Doch er beißt sich entschlossen auf die Lippen. Er wird diesem sadistischen Ostyoukai nicht die Genugtuung geben, dass er sich über ein paar Schmerzen beschwert. Mühsam versucht er sich herumzurollen um zu sehen ob seine Kameraden in Ordnung sind. Sein Blick bleibt Kagomes Gesicht hängen und auf einmal bildet sich ein dicker Kloß in seinem Herz. Das Mädchen starrt ihn mit großen Augen an, doch über ihre Wangen läuft ein stiller Strom mitfühlender Tränen hinab. Ihre Lippen beben und er sieht wie sie mit sich kämpft, doch sie gibt keinen Ton von sich. Sofort ist der Schmerz der Fesseln vergessen. Der Schmerz, den ihm ihr Anblick bereitet, ist wesentlich intensiver. Verdammt, wie soll er sie denn so beschützen? Diese Aufgabe hängt nun an Sango und den anderen. Tapfer und trotzig versucht er sich etwas aufzurichten. „Macht euch keine Sorgen um mich!“, ruft er seinen Freunden zu, „Die zwei Tage halte ich locker durch. Tut bloß nichts Unüberlegtes!“ „Das musst du grad sagen!“,meint Sango tadelnd, doch auch sie ist bleich geworden. Inu Yasha blickt nun Arashitsume direkt ins Gesicht: „Und wenn ich herausbekomme, dass meinen Freunden auch nur ein einziges Haar gekrümmt wurde, werden mich alle Fesseln der Welt nicht davon abhalten dir dein falsches Grinsen aus dem Gesicht zu schlagen!“ Sanft lächelt Arashitsume auf ihn herab, doch die hämische Freude in seinem Gesicht ist unverkennbar. „Bringt ihn fort!“, gibt er Anweisungen an die vier Youkais, die sie auch prompt ausführen und den gefesselten Hanyou unverzüglich aus der Empfangshalle entfernen, nicht jedoch, ohne dass Inu Yasha dem Fürst des Ostens tödlich hinterherblickt. Nun winkt er zwei weiteren Youkais. „Führe diese Leute zu den Gastquartieren!“, weist der den einen an, „Und du wirst Fürst Sesshomaru zu seiner Unterkunft geleiten!“, befiehlt er dem anderen, „Und ich erwarte, dass ihm die allerbeste Behandlung zuteil wird!“ Die beiden Youkais nicken gehorsam und machen sich sofort daran ihren Befehl auszuführen. Als sich die Gäste zum Gehen anschicken, hält Arashitsume den hochgewachsenen Youkai noch einmal zurück: „Sesshomaru, erlaubt mir euch einmal mehr um die Ehre zu bitten mit mir zu speisen. Ich will euch zeigen, dass von meiner Seite keinerlei Groll euch gegenüber besteht. Allein die Umstände erweisen sich als ein wenig unangenehm.“ Schweigend taxiert Sesshomaru den Fürst des Ostens. Dann nickt er kurz und wendet sich dann zum Gehen. Eine Weile blickt Arashitsume seinem Gast nach, doch dann winkt er einen weiteren Youkai zu sich. Leise sagt er: „Mach dich unverzüglich auf den Weg zu Fürstin Yarinuyuki und richte ihr aus, dass Fürst Sesshomaru in zwei Tagen den Hohen Rat einzuberufen gedenkt. Richte ihr aus, dass wir sie hier erwarten!“ Der Youkai nickt gehorsam und Augenblicke später ist er bereits verschwunden. Gemächlich lässt sich Arashitsume wieder auf seinem Thron nieder. Welch ereignisreicher Tag. Doch er ist noch nicht zu ende. Zunächst einmal muss er dieses lästige Nachtmahl mit dem Fürst des Westens hinter sich bringen, aber dann wird sich sicher die Gelegenheit finden mit Ihm zu sprechen. Gedankenverloren spielt Arashitsume mit einer Haarlocke. Hoffentlich bekommt Sesshomaru keinen Wind von seinen Plänen. Zwar kann er den Westfürsten halbwegs einschätzen, und auch mit den Streunern wird er schon klar kommen, doch diese seltsamen Menschen, die er diesmal dabei hat, sind eine unbekannte Größe. Eine Dämonenjägerin, ein Mönch, ein Kind und ein seltsames, junges Mädchen mit einer eigenartigen Aura. Arashitsume verzieht das Gesicht. Viel zu viele Unsicherheiten in diesem Spiel! Vielleicht sollte er auf Nummer sicher gehen und seine Chancen ein wenig ausgleichen. Ja, vielleicht sollte er Sie fragen! Nach ein paar Momenten des Überlegens setzt er sich etwas in seinem Thron auf und winkt dann einen schlanken, jungen Youkai zu sich. „Dokuhari, ich habe einen wichtigen Auftrag für dich“, ein samtenes Lächeln umspielt seine Lippen, „Geh zu der Miko und richte ihr aus, dass ich ihre Hilfe benötige. Sie erhält dafür auch die übliche Entlohnung“, mit einer fast zärtlich anmutenden Geste streicht er dem jungen Youkai über die Wange, „Wirst du das für mich tun? Kann ich mich auf dich verlassen?“ Der junge Krieger ist bei diesen Worten kreidebleich geworden und er bemüht sich nicht zu zittern als er antwortet: „Si... sicher, mein Fürst!“ „Das ist gut! Nun geh!“ Mit einer steifen Bewegung verneigt sich der Youkai vor dem Ostfürsten und dann verlässt er hastig den Saal. Die fast schon mitleidigen Blicke der restlichen Youkais, bekommt er nicht mehr mit. Kapitel 20: Gespräche in der Nacht ---------------------------------- Über der Bergkuppe hinter dem Palast geht der Vollmond auf. Unter den perfekt geschnittenen Ahornbäume in dem sorgfältig gepflegten Garten, der sich im hinteren Teil des Palastes befindet, plätschert leise kühle Flüssigkeit durch ein hölzernes Wasserspiel über ein paar Steinstufen in einen weiten Lotosteich. Dort neben dem Stamm eines Baumes, der seine roten Blätter fast bis hinab auf die Wasseroberfläche sinken lässt, steht Sesshomaru und blickt gedankenverloren auf die unzähligen, runden Seerosenblätter die den Teich in einen dunkelgrünen Teppich verwandeln. Das Essen mit dem Fürsten des Ostens liegt hinter ihm und obwohl das festliche Bankett über alle Maßen schmackhaft war, ist es nur seiner jahrelangen Selbstkontrolle zu verdanken, dass er nicht dem Brechreiz nachgibt, der ihn permanent zu übermannen sucht. Oh, wie er diesen elenden, falschen Kerl verabscheut! Nun gut, er hat getan was Etikette und Protokoll verlangen, doch mehr ist er nicht zu geben bereit. Der hochgewachsene Youkaifürst weiß genau, dass nur die Hälfte von dem stimmt was Arashitsume von sich gibt und die andere Hälfte sind bloß leere Worte oder falsche Schmeicheleien, doch hinter dieser Fassade ist er sich sicher, dass der Ostfürst irgendetwas plant; etwas, das ihm sicher nicht gefällt. Sicher, Arashitsume hat ihn in einem äußerst komfortablem Flügel des Palastes untergebracht und auch einige seiner eigenen Leibdiener sind für ihn abgestellt worden, doch, das alles kann Sesshomaru nicht täuschen. Arashitsume würde es zwar jederzeit bestreiten, doch er hasst den Westen, und alles was von dort kommt, mit fast der gleichen Inbrunst wie den Norden. Zumindest einer Sache kann Sesshomaru sich sicher sein: Der Fürst des Ostens ist ein Feigling und er würde alles versuchen um eine offene Konfrontation zu vermeiden. Das macht ihn jedoch nicht weniger gefährlich. Sesshomarus Stirn legt sich ein wenig in Falten. Hier ist etwas Fingerspitzengefühl gefragt. Bestimmt ist der Ostfürst klug genug um nichts zu tun, was das Protokoll, das diese angespannte Situation noch unter Kontrolle hält, verletzen könnte. Und er selbst wird das auch möglichst vermeiden, doch das bedeutet leider nicht, dass Inu Yasha ebenfalls darauf achten wird. Innerlich seufzt Sesshomaru. Dieser Kerl macht jetzt schon mehr Ärger als nötig. Offenbar ist es ihm einfach nicht möglich ein einziges Mal den Mund zu halten. Es ist wirklich überaus unerfreulich, dass er momentan gezwungen ist seinen Bruder als annähernd Gleichgestellten zu behandeln. Doch ob es ihm gefällt oder nicht, das Gesetz sagt ganz eindeutig, dass jedem Sohn der von einem Youkaifürsten offiziell anerkannt wurde, der gleichen Rang und die gleichen Rechte zuerkannt werden müssen wie einem Youkaiprinzen der aus einer offen anerkannten Verbindung stammt. Somit ist Inu Yasha ein Prinz und als solcher steht ihm auch eine gewisse Behandlung zu. So sehr es ihm auch Genugtuung bereitet hat, seinen Bruder leiden zu sehen, so war doch Arashitsume nur einen Hauch davon entfernt über die Stränge dessen zu schlagen, was für einen Youkaiprinzen gerade noch zumutbar ist, wenn man keinen offenen Krieg heraufbeschwören möchte. Mit Sicherheit hat er es genossen! Aber wahrscheinlich sind ihm Inu Yashas Wegbegleiter gehörig ein Dorn im Auge; wer könnte es ihm verdenken. Aus Erfahrung weiß Sesshomaru, dass diese Menschen sich durchaus ihrer Haut erwehren können. Doch sie hierher direkt in die Höhle des Löwen mitzunehmen, war ziemlich riskant. Es ist ihr Glück, dass man sie als seine Diener ansieht, dadurch sind sie zumindestens vorläufig geschützt. Genau wie Rin! Sesshomaru presst die Lippen etwas aufeinander. Wie gut, dass Arashitsume angenommen hat, dass die Kleine ebenfalls zu Inu Yashas Gefolge gehört, es erspart ihm eine Menge unangenehmer Erklärungen. Nun ja, sicher hätte er sie auch bei Jaken lassen können. Für gewöhnlich ist er als Babysitter ganz brauchbar, doch diesmal zieht er es lieber vor, die Kleine im Auge zu behalten, da er anderenfalls nicht vollkommen für ihre Sicherheit garantieren kann, wenn man bedenkt wo er Jaken hingeschickt hat. Zwar ist die Möglichkeit, dass ihr dort etwas passiert, geradezu verschwindend gering, doch das winzigste bisschen Zweifel ist diesmal ausschlaggebend. Diesmal wird er nicht zu ihrer Rettung kommen können. Hier halten ihn wichtigere Dinge, die seine volle Aufmerksamkeit erfordern. Er will nur hoffen, dass sein krötenartiger, kleiner Diener sich genau an seine Anweisungen hält, sonst ist das sein letzter Fehler gewesen! Auf einmal hält Sesshomaru inne. Kaum merklich prüft er die kühle Nachtluft. Ein vertrauter Geruch steigt hinter ihm auf, doch er rührt keinen Muskel. Nach einigen Momenten des Schweigens vernimmt er die erwartete Stimme hinter sich. „Darf ich das Wort an euch richten, Fürst Sesshomaru?“ Der stolze Fürst des Westens rührt sich nicht. Schließlich sagt er ruhig: „Spar dir diese falschen Förmlichkeiten, Yaeba, ich weiß, du meinst es nicht so.“ Der Anführer der Streuner tritt zwischen den Bäumen hervor; seine Augen schillern in blassem Purpur während er zu dem weißhaarigen Youkaifürsten hinüberblickt. Nun dreht Sesshomaru sich langsam um und erwidert den Blick. „Was willst du?“, fragt er mit leichtem Unwillen in der Stimme. Yaeba fällt zwar nicht vor dem Fürsten auf die Knie, doch er senkt das Gesicht zum Zeichen der Unterordnung. „Sesshomaru-sama, es war sehr gnädig von euch, dass ihr mir gestattet habt mit euch zu reisen“, beginnt er, „Auch habt ihr große Nachsicht gezeigt, als es darum ging, dass meinen Kameraden und mir nichts geschehen sollte.“ Sesshomarus Gesicht bleibt ausdruckslos. „Bist du nur hier um dich zu bedanken? Bemühe dich nicht! Ich hatte heute schon genug leere Phrasen.“ „Nein!“, Yaeba blickt nun doch auf, „Deshalb bin ich nicht hier. Sondern weil ich noch einmal eure Gnade bemühen muss.“ Leicht hebt Sesshomaru die Brauen: „Komm zum Punkt!“ Yaebas Miene wird nun ernst: „Fürst Sesshomaru, ihr habt bereits mein Anliegen gehört und ihr habt mir die freie Passage hierher ermöglicht. Das lässt darauf schließen, dass ihr mein Vorgehen billigt, doch damit keine Missverständnisse aufkommen, möchte ich euch noch einmal offiziell um die Erlaubnis bitten, vor dem Hohen Rat sprechen zu dürfen und mein Anliegen dort vorzutragen.“ Sesshomarus Augen werden schmal. „Du hast bereits die Erlaubnis von Fürst Arashitsume, weshalb kommst du dann noch zu mir?“ „Ihr seid ebenfalls Teil des Rates“, erklärt Yaeba sich, „Ihr wisst, ich brauche dafür die Erlaubnis von einer Mehrheit der Ratsmitglieder.“ „Und du hast Angst, dass Fürstin Yarinuyuki ablehnen könnte, nicht wahr?“, vervollständigt Sesshomaru, „Sag mir, warum machst du dir überhaupt diese Mühe? Ist dir dieses sinnlose Unterfangen denn so wichtig?“ „Wie ich schon sagte“, antwortet Yaeba, „Es ist mein Wunsch, dass mein Rudel gehört wird. Ich könnte nicht damit leben, wenn der Rat eine Entscheidung über das Schicksal meiner Leute trifft, ohne, dass sie von allen Informationen, die diese Angelegenheit betreffen, Kenntnis haben.“ „Womit du leben kannst oder nicht, ist mir völlig egal!“, sagt Sesshomaru hart, „Lange wird das ohnehin nicht mehr sein. Du bist genau wie Arashitsume, du glaubst wenn du nur genügend schöne Worte machst, bekommst du immer deinen Willen. Du selbst hast mir gesagt, du würdest nie wieder vor mir knien, weil du mich nicht mehr respektierst, nachdem ich nicht mehr deine Ansichten teile. Und nun kommst du zu mir und bettelst mich unterwürfig um meine Erlaubnis, für dein Vorhaben, an. Diese falsche Art ist mir zuwider! Von mir hast du nichts zu erwarten!“ Einen Momentlang schweigt Yaeba. Doch dann sagt er: „Ihr irrt euch, Sesshomaru-sama, ich versuche nicht euch etwas vorzuheucheln. Es ist meine tiefste Überzeugung und mein innigster Wunsch, vor dem Rat sprechen zu können, damit ich die Verantwortung allein auf mich nehmen kann. Ich würde alles tun um... mein Rudel zu schützen. Nach Hanakis Tod bin ich der Anführer der Streuner, es ist meine Pflicht, sie zu beschützen. Sie... hätte es so gewollt.“ Sesshomarus Augen funkeln im Mondlicht wie dunkle Bernsteine, keine Regung geht über sein Gesicht, doch er blickt unverwandt zu Yaeba hinüber. Schließlich nach einer langen Weile sagt er: „Erwartest du jetzt Zuspruch? Oder dass mir euer Anliegen auch nur irgendetwas bedeutet?“, seine Stimme ist kalt, „Es steht dir gar nicht, dich so anzubiedern, Yaeba. Dieser erbärmliche, nutzlose Junge, den ihr zu mir geschickt habt, ist da schon schlimm genug. Ich weiß, was du vorhast, aber das wird niemals passieren, Ich habe keinerlei Verwendung für ihn! “ In Yaebas Gesicht zieht sich nun ein Gewitter zusammen. „Ich denke, da irrt ihr euch!“, sagt er fest, „Tenmaru hat mehr Qualitäten als es den Anschein macht. Er ist gehorsam und loyal und er ist ein ausgezeichneter Kämpfer. Alles was er braucht, ist eine Möglichkeit sich zu bewähren.“ Nun legt sich ein schmales Lächeln um Sesshomarus Mund doch seine Augen blitzen boshaft. Als er spricht liegt in jedem Wort Gehässigkeit: „Du musst ja wirklich stolz auf deinen Sohn sein.“ Ruckartig fliegt Yaebas Kopf hoch: „Was sagt ihr?“, fragt er, doch seine Stimme schwankt leicht. „Dein Sohn!“, wiederholt Sesshomaru ruhig, „Dachtest du wirklich, dass dein Verhalten, dem Jungen gegenüber, wirkt wie das eines Befehlshabers zu seinem Untergebenen.?“ Mit wechselndem Mienenspiel, versucht Yaeba die Fassung zurückzugewinnen. Er bringt keinen Ton heraus. „Dachtest du vielleicht, ich habe es nicht bemerkt?“, Sesshomarus Stimme wird leise, „Die Art wie du Hanaki angesehen hast, damals? Dachtest du, es wäre nicht offensichtlich, was du für sie empfindest?“ Noch immer sprachlos starrt Yaeba den jugendlichen Westfürsten an. „Und jeder aus eurem Rudel wusste genau, dass du in ihren Gedanken einen wichtigen Platz einnahmst“, fügt Sesshomaru hinzu, „Jeder der nicht völlig mit Blindheit geschlagen ist, wird diese Teile zusammenfügen können. „Doch du hast natürlich Recht, sie war eine Daiyoukai und du bist nur ein gewöhnlicher Krieger. Es hätte niemals sein dürfen! Nimmst du deshalb die ganze Verantwortung auf dich? Ich bin sicher deine Leute wissen nicht, dass der Junge der Sohn ihrer Anführerin ist. Da du euer Verhältnis wohl nie bekannt gemacht hast, wäre in diesem Fall der Junge der Anführer. Aber um ihn zu schützen, übernimmst du lieber als Befehlshaber die Führerschaft um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Wie nobel! Nun kostet es dein statt sein Leben. Kein guter Tausch wenn du mich fragst.“ Einen langen Moment sagt Yaeba nichts sondern er schluckt nur einen dicken Kloß herunter. Doch dann sagt er leise: „Das denkt ihr also?“ Die beiden Youkais halten sich gegenseitig mit ihren Blicken gefangen. Dann reckt Yaeba das Kinn und wirft Sesshomaru einen durchdringenden Blick zu. „Ihr irrt euch!“, sagt er leise, „Ich bin nicht sein Vater. Der Junge... hat keine Eltern mehr!“ Der Ostyoukai lässt den Fürsten des Westens nicht aus den Augen. Dann wendet Sesshomaru sich ab. „Wie du meinst!“, kommt es gleichgültig, doch dann schaut er noch einmal zu Yaeba hinüber: „Du scheinst ihn wirklich sehr zu mögen.“ „Ihr habt keine Ahnung!“, kommt es ruhig aber bitter zurück. „Es muss schwer gewesen sein, zu verheimlichen wer er ist“, bemerkt Sesshomaru beiläufig. Yaeba nickt leicht. „Es war nicht immer einfach. Das Rudel lebt nicht ständig zusammen. Zwischenzeitig waren viele von uns auf Wanderschaft, doch nie so weit, dass wir nicht wieder zusammengefunden hätten. Dadurch war die Schwangerschaft kein Problem, doch nach der Geburt musste er in das Rudel eingeführt werden. Hanaki erklärte, man hätte ihn ausgesetzt und sie würde sich seiner annehmen. Sie verbot ihm... je ein Wort darüber zu verlieren.“ Ruckartig geht Sesshomarus Blick herum. Seine Miene ist urplötzlich durchzogen von Wut und nur einen Sekundenbruchteil später, schließen sich seine Klauen um Yaebas Hals. Sprühendes Gold schlägt nun aus seinen Augen und als er spricht, ist seine Stimme nur noch ein bedrohliches Grollen: „Erwähne... nie wieder... ihren Namen!“ Reflexartig hat Yaeba nach Sesshomarus Hand gegriffen um sich zu befreien, doch nun lässt er die Hände sinken. „Wie ihr wünscht, Sesshomaru-sama!“, sagt er ruhig, doch eine gewisse Traurigkeit liegt in seiner Stimme, „Doch ihr macht einen Fehler! Ihr dürft nicht alles glauben, was man euch erzählt hat!“ „Erzähl du mir nicht, was ich zu tun oder zu lassen habe, Streuner!“, zischt Sesshomaru vor Wut bebend und sein Gesicht ist kaum noch eine Handbreit von Yaebas entfernt. Seine Zähne sind gefletscht und in seinen Augen liegt blanker Hass: „Diese verräterische Kojotin hat bekommen was sie verdient hat. Am liebsten hätte ich es selbst getan. Nichts könnte entschuldigen was sie getan hat, verstehst du, nichts!“ Urplötzlich lässt Sesshomaru den Streuner los und wendet sich ab. Yaeba kann sehen wie er tief ein und ausatmet um seine Fassung wieder zu gewinnen. Er ist klug genug erst mal nichts zu sagen, bis sich der Fürst des Westens wieder in der Gewalt hat. Einige Augenblicke lang kämpft Sesshomaru mit sich. Dann reckt er sich und als er wieder spricht fehlt seiner Stimme wieder jegliche Emotion. „Also gut, du hast meine Erlaubnis vor dem Rat zu sprechen, doch du solltest wirklich gut bedenken, was du zur Sprache bringst!“ Yaeba merkt, dass dies alles ist, was er hier noch erreichen kann. „Habt Dank, Sesshomaru-sama!“, und dann wendet er sich zum gehen und verschwindet zwischen den Bäumen. Sesshomaru ist wieder allein mit seinen Gedanken. Einen langen Moment blickt er nur ohne Fokus über den Teich, doch dann atmet er einmal tief durch und schließt die Augen. Nimmt dieses unrühmliche Kapitel seiner Vergangenheit denn niemals ein Ende? Er hat jetzt keine Zeit für derartige Ausbrüche. Wenn die anderen Fürsten ihn in einer solchen Gemütsfassung erleben, könnte es wahrscheinlich zu noch weitreichenderen Problemen kommen. Schon schlimm genug, dass Inu Yasha zu solchen Ausbrüchen neigt. Sein Verhalten ist alles andere als hilfreich. Das muss sich jetzt ändern! Er wird etwas unternehmen! Ohne noch weiter darüber nachzudenken, macht Sesshomaru kehrt und durchquert den kleinen Schlosspark zurück zum Palast. Dort lässt er wachsam den Blick schweifen. Er muss nicht lange suchen und er entdeckt einen seiner Bediensteten, denen er befohlen hatte, ihn zumindest im Garten nicht zu behelligen. „Du!” Die angesprochene zierliche Youkaifrau, die gerade noch neben der Gartentür gekniet hat, spring auf. Sie wirkt nervös und zittert ein klein wenig, doch unverzüglich kommt sie näher um sich dort sogleich wieder zu Sesshomarus Füßen zu werfen. „Mein Herr?“, fragt sie aufmerksam. „Steh auf!“, fordert Sesshomaru gereizt, „Zeig mir sofort wo das Gefolge meines Bruders untergebracht ist!“ Im flackernden Schein der Flammen sitzen Kagome und die anderen um eine mittelgroße Feuerstelle und nehmen schweigend ihr Abendessen zu sich. Sangos Hiraikotsu liegt direkt neben ihr. Sie lehnt an dem kräftigen Leib von Kiraras Kampfgestalt. Die Katzendämonin scheint zu schlafen doch zwischen ihren Augenlidern blitzt es aufmerksam hervor. Miroku isst mit gesenktem Blick, doch seine Körperspannung signalisiert seine Wachsamkeit. Raiuko stochert lustlos in den Flammen und Tenmaru lehnt schweigend an einem Holzpfeiler. Kagome hat auf ihren Knien Rins Kopf gebettet. Das Mädchen ist erschöpft von der langen Wanderung eingeschlafen. Kagome wünschte, sie könnte es ihr gleichtun, doch die Wachsamkeit ist durchaus berechtigt. Denn um sie herum an zwei weiteren Feuerstellen und entlang der Wände dieses großen Raumes sitzen unzählige Youkais und sind nicht in der Lage den Blick von den Neuankömmlingen zu lassen. Hier und da wird getuschelt, doch niemand verhält sich offen aggressiv. Es scheint eher Verwunderung und Neugierde zu sein Wie sich herausgestellt hat, ist dies der Speisesaal für die Bediensteten. Kagome hätte nicht gedacht, je so viele Youkais auf einem Haufen zu sehen. Es müssen wohl über hundert sein. Sie sieht Männer und Frauen, alle in einem schlichten, dunkelblauen, wenn auch feingearbeiteten Gewand gekleidet. Überall erkennt sie die typische, gezackte Wangenzeichnung und die violettfarbenen Augen der Ostyoukais. An dem vordersten Feuer sitzen einige Youkais deren Gewänder etwas vornehmer wirken, auch sitzen sie auf hübsch verzierten Sitzkissen. Wahrscheinlich die höherrangigen Bediensteten, vermutet Kagome. Offensichtlich wird auch in diesem Raum nach Rang getrennt. Sie sitzen am hintersten Feuer; sie kann nur vermuten was das bedeutet. Das Essen schmeckt eigentlich gar nicht so schlecht. Nachdem man sie hier hergebracht hatte, wurden sie angewiesen um das Feuer Platz zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass einige von ihnen Menschen waren, hatte der Youkai, der sie hergeführt hatte, zwei Youkaimädchen laut blaffend hoch gescheucht und ihnen befohlen, einen Gemüseeintopf zu kochen. Kagome möchte sich gar nicht erst vorstellen woraus der Fleischeintopf in den anderen Töpfen besteht. Während sie isst, ist sie mit den Gedanken woanders. Wie es wohl Inu Yasha gerade geht? Ob er noch immer Schmerzen hat? Wo hat man ihn wohl hingebracht? Es macht sie nervös, nicht zu wissen was aus ihrem Freund geworden ist. Noch immer gibt es ihrem Herzen einen Stich, wenn sie sich an seine Schreie erinnert. Diese Technik von Arashitsume muss sehr schmerzhaft gewesen sein, wenn man bedenkt, dass der Hanyou sich normalerweise nie so gehen lässt. Immerhin machte er hinterher wieder einen etwas munteren Eindruck. Was jetzt wohl in ihm vorgeht? Ob er sich einsam fühlt? Vielleicht hat er auch Angst! Hoffentlich quälen ihn die Wachen nicht. Kalte Schauer krabbeln über Kagomes Rücken und sie schluckt schwer. Sie würde sich gerne mit ihren Freunden beraten, was sie jetzt machen sollen, doch sie möchte das ungern vor so vielen mithörenden Ohren tun. „Autsch!“, Kagome schlägt sich auf den Oberschenkel. Getroffen kullert eine kleine Gestalt von ihrem Knie herunter. „Oh, Myoga! Du bist es“, meint sie verwundert, „Warum bist du denn nicht bei Inu Yasha?“ Unwillkürlich beginnt der alte Floh zu schwitzen. „Gib es zu“, meint Sango, „Du bis wieder abgehauen!“ Aufgebracht hüpft der kleine Dämon nun auf und ab: „Ist das so verwunderlich? Diese Technik von Arashitsume-sama hätte mich töten können!“ Völlig entnervt lässt er sich auf einem Holzklotz nieder. Ein wenig nachsichtiger schauen die anderen nun doch drein. „Myoga weißt du denn, wo sie ihn eingesperrt haben?“, fragt Kagome nun, einer Eingebung folgend. „Glaubt ihr, ich würde nicht genug an meinem Leben hängen, als dass ich nach meinem Gutdünken im Schloss eines fremden Fürsten herumlaufen würde?“, entgegnet Myoga empört. „Aber du warst doch sicher schon früher mal hier, oder?“, leise fügt Kagome hinzu, „Hast du nicht wenigstens eine Vermutung wohin sie ihn gebracht haben?“ Verunsichert blickt Myoga in die Runde: „Wofür wollt ihr das wissen? Ich will doch hoffen, dass ihr nicht irgendetwas... verbotenes vorhabt!“, sein Blick gleitet unwillkürlich über die Youkais um sie herum, bei denen es merklich leiser geworden ist. Sofort wird Kagome bewusst worauf er hinaus will. „Nein, nein, ich... es würde mich nur beruhigen zu wissen, dass er ok ist.“ „Macht euch da keine Sorgen!“, meint Myoga beschwichtigend, „Arashitsume-sama kann es sich nicht leisten, Inu Yasha-sama zu misshandeln. Inu Yasha-sama wurde von Inu Taishou als Sohn anerkannt und hat nun den Rang eines Prinzen inne. Wenn er ihn foltern oder verstümmeln würde, wäre Sesshomaru-sama gezwungen zu handeln und es könnte zum Kampf kommen... Was denn?“ Myogas verwirrter Blick geht zu den anderen hinüber die ihn nun entsetzt, bleich und ärgerlich ansehen. „Du darfst so was nicht sagen!“, schimpft Shippo aufgebracht, „Meinst du wirklich er könnte ihn foltern?“ „Ich sagte doch gerade, dass er das wohl nicht tun wird. Sesshomaru-sama wird das nicht zulassen. Inu Yasha-sama ist ein Prinz und wenn man ihn misshandeln würde, käme das einer Herausforderung des Westens gleich.“ „Aber Sesshomaru hasst Inu Yasha doch!“, entgegnet Sango. „Das spielt keine Rolle!“, erklärt Myoga, „Das Gesetz verlange es, Inu Yasha-sama die selben Rechte zuzusprechen, wie ihm. Sesshomaru-sama nimmt das Gesetz sehr ernst.“ In diesem Moment geht ein Ruck durch Tenmaru. Ohne ein Wort zu sagen, steht er geschmeidig auf und verlässt mit raschen Schritten den Saal. Nicht nur seine Kameraden blicken ihm hinterher sondern sämtliche Augen in diesem Raum verfolgen wie er verschwindet und seine Reisegefährten sprachlos zurück lässt. Unverzüglich beginnt das Getuschel um sie herum von neuem. „Was hat der denn schon wieder?“, murmelt Sango verwirrt, „Aus dem soll einer schlau werden.“ Fragend blicken unsere Freunde zu dem verblieben Streuner hinüber, doch Raiuko ignoriert die Blicke. Er hat Tenmarus Verschwinden nur unter schmalen Augenschlitzen beobachtet und nun lehnt er sich seinerseits an einen Holzpfeiler hinter ihm und schließt die Augen. Ein leichtes Schmunzeln liegt um seine Mundwinkel. Doch Kagome und die anderen kommen kaum dazu sich weiter über das Verhalten des jungen Streuners zu wundern, denn in diesem Moment kommt Bewegung in die Youkais am Eingang und wie ein Lauffeuer verbreitet sich diese Hektik auch auf die restlichen Youkais. Erstaunt müssen Inu Yashas Freunde beobachten, dass sich auf einmal sämtliche Ostyoukais hier im Raum zu Boden geworfen haben und das Gesicht auf die Erde pressen. Und sofort erkennen sie nun auch den Grund dafür. Dort im Eingang des Speisesaales steht Sesshomaru. Mit ausdrucksloser Miene blickt er in die Runde und scheint nur beiläufig die Unterwürfigkeit des Dienstpersonals zu registrieren. Nun hat er die einzige Gruppe entdeckt die noch immer auf ihren Plätzen sitzt und verwundert zu ihm herüberschaut. Ohne zu zögern setzt er sich in Bewegung und kommt auf sie zu. Fasziniert beobachtet Kagome wie die Youkais, die ihm dabei im Weg sind, noch immer in geduckter Haltung soweit ausweichen, dass keiner seiner Schritte auch nur den Saum eines ihrer Gewänder berührt. Als würde sich das Meer vor ihm teilen, schreitet Sesshomaru durch die Menge der Youkais und hinterlässt hinter sich eine dämonenfreie Schneise. Schließlich steht er vor ihnen und schaut auf sie herab. Verwundert aber dennoch wachsam behalten sie ihn im Auge. Wie kommt es, dass der stolze Fürst das Westens sich dazu herablässt sie aufzusuchen? Einen flüchtigen Moment lässt Sesshomaru seinen Blick über ihre Köpfe geleiten, als würde er etwas suchen. Dann sagt er ruhig: „Myoga, komm her! Ich hab einen Auftrag für dich!“ Ziemlich verängstigt schaut der kleine Flohgeist aus den Falten von Mirokus Gewand hervor. Nun hüpft er zitternd aber gehorsam näher und lässt sich auf dem Holzklotz vor Sesshomaru nieder. „Was darf ich für euch tun, Sesshomaru-sama?“, fragt er so mutig wie er es vermag. „Ich möchte, dass du meinen Bruder aufsuchst und ihm beibringst wie er sich hier zu verhalten hat!“ „A... aber Sesshomaru-sama!“, erwidert Myoga verstört, „Wenn er nun nicht auf mich hört?“ Sesshomarus Blick wird ernst: „Mach es ihm klar! Es ist mir egal wie du das anstellst! Wenn er sich noch einmal daneben benimmt, mache ich dich dafür verantwortlich!“ Myoga ist viel zu eingeschüchtert um noch einmal zu protestieren, also fügt er sich schweren Herzens in sein Schicksal. „Wie ihr wünscht, Sesshomaru-sama!“, verbeugt er sich ergeben. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, dreht Sesshomaru sich um und verlässt erhobenen Hauptes den Saal. „Sesshomaru muss ja eine ziemlich hohe Meinung von dir haben, dass er dir das zutraut!“, meint Sango die als erstes ihre Sprache wieder hat, „Wenn man bedenkt wie gerne Inu Yasha immer Ratschläge befolgt.“ „Ich hätte nicht gedacht, dass Sesshomaru sich solche Gedanken wegen Inu Yasha macht“, bemerkt nun auch Miroku, „Es scheint ihm dran gelegen zu sein, dass Inu Yasha keine weiteren Etikettenfehler begeht.“ „Oh, ich bin verloren!“, stöhnt Myoga, „Sesshomaru-sama wird mich sicher umbringen, wenn ich versage! Er wird mich zerquetschen, oder mich fressen, oder... oder Schlimmeres!“ „Nun hör aber auf!“, rügt Kagome ihn, „Du brauchst doch bloß zu tun was er verlangt!“ „Wenn das doch so einfach wäre!“, jammert Myoga, „Inu Yasha-sama mag vielleicht über den Willen dazu, aber leider nicht über die Selbstbeherrschung verfügen.“ „Das könnte in der Tat ein Problem werden“, nickt Sango, „Inu Yasha reagiert leider immer recht unüberlegt auf Beleidigungen.“ „Ja, Selbstkontrolle ist ihm leider nicht gegeben!“, sagt Miroku weise. Für einen kurzen Moment herrscht Stille. Dann plötzlich fliegen Sangos Augen auf und sofort holt sie mit ihrer hölzernen Suppenschale aus und zieht dem jungen Mönch damit heftig eine über, dass die Suppe über das ganze Lager verspritzt wird. Mit einem dumpfen „Dong!“ trifft der Holznapf den jungen Mann an der Schläfe, so dass er benommen nach hinten kippt. „Selbstkontrolle, was???“, schreit Sango aufgebracht und in ihren Augen funkeln kleine Flammen, „Kannst du das nicht wenigstens einmal lassen? Hast du denn gar kein Taktgefühl, Selbstkontrolle, dass ich nicht lache!“ „Hey, bleib ruhig! Ich hab's mir schließlich schon n paar Tage verkniffen“, nuschelt Miroku und reibt sich den Kopf. Sofort bricht eine ganze Flut von wüsten Beschimpfungen über den jungen Mönch herein. Um sie herum ist vereinzelt Kichern zu hören. Doch Kagome hört nur mit halbem Ohr zu. Nun wendet sie sich an Myoga: „Du musst es ihm unbedingt beibringen!“, beschwört sie ihn und greift damit das ursprüngliche Thema wieder auf. „Ich wüsste nicht wie, so stur und aufbrausend wie Inu Yasha-sama nun mal ist“, erwidert Myoga achselzuckend. Mit plötzlicher Entschlossenheit setzt Kagome sich auf: „Ich helfe dir dabei! Ich werde mit ihm reden!“ Verunsichert schaut Myoga sie an: „Glaubst du, dass man dich zu ihm lässt?“ Für einen kurzen Moment zögert Kagome, doch dann packt sie entschlossen die Suppenkelle und füllt ihre Schale. „Sie werden wohl nichts dagegen haben, wenn ich ihm was zu essen bringe!“, meint sie grimmig, „Immerhin bin ich ja seine Dienerin!“ Ein verzweifelter Mut hat sie plötzlich ergriffen. Zwar zittert sie innerlich am ganzen Körper wegen dem was vor ihr liegt, doch sie ist entschlossen ihren Entschluss durchzusetzen. Was ihr Freund jetzt braucht, ist ein wenig Beistand. Sie erhebt sich: „Also, Myoga, gehen wir!“ Nun halten auch ihre Freunde in ihrem Streit inne. „Hältst du das für so eine kluge Entscheidung?“, fragt Sango besorgt. „Es ist die einzig richtige Entscheidung!“, sagt Kagome fest, „Lass uns gehen, Myoga!“ Kapitel 21: Heimliche Treffen ----------------------------- „Halt! Keinen Schritt weiter!“, der scharfe Befehlston lässt Kagome zusammenzucken. Sie befindet sich am Ende eines langen Felstunnels der offenbar weit in den Felsen hinter dem Palast führt. Es hat nicht lange gedauert bis sie herausbekommen haben, wo man Inu Yasha festhält. Da Myoga ja den direkten Befehl von Sesshomaru hat, Inu Yasha aufzusuchen, haben sie sich kurzerhand entschlossen, einfach jemanden zu fragen. Der angesprochene Krieger, dessen Gesicht sie schon aus der Empfangshalle her kannten, hatte zwar Kagome äußerst skeptisch gemustert, doch nachdem Myoga schwitzend erklärt hatte, dass sie Inu Yashas Leibdienerin sei und ihm nur etwas zu Essen bringen wollte, nickte der Youkai nur brummig und wies ihnen den Weg. Doch nun stehen sie am Ende dieses Tunnels und vor dem schmalen Tor am Ende stehen zwei grimmig dreinblickende, schwer gerüstet und bewaffnete Elitekrieger und versperren ihnen den Weg. „Was habt ihr hier zu suchen?“, kommt es scharf. Kagome dreht ein wenig den Kopf und wispert: „Myoga!“ Der kleine Floh nimmt allen verbliebenen Mut zusammen, hüpft von ihrer Schulter und tritt vor. „Fürst Sesshomaru schickt mich zu seinem Bruder um... äh... um ihm einen wichtigen Bericht zu erstatten.“ „Welche Art Bericht!“, fragt der eine der Wachem misstrauisch und beugt sich ein Stück zu Myoga hinunter um ihn bedrohlich anzufunkeln. „Ich fürchte, das ist... vertraulich!“, bemerkt Myoga schnell. „So so, vertraulich!“, äfft der Youkai ihn nach, „Tut mir leid, aber wenn das so ist kann ich euch nicht passieren lassen, der Gefangene steht unter scharfem Arrest!“ Mit urplötzlich tollkühnem Mut, richtet Myoga sich so weit auf wie es ihm möglich ist. „Nun denn also“, verkündet er gehoben, „Wenn ihr also Fürst Sesshomaru sagen wollt, dass wir seine Nachricht nicht übermitteln konnten, weil ihr ihm misstraut, dann nur zu!“ Ein wenig verunsichert schauen sich die beiden Wachen an. Schließlich meinen sie: Na schön, du kannst passieren!“ „Sehr kluge Entscheidung!“, sagt Myoga herablassend und hüpft zwischen ihnen hindurch. Kagome will ihm gleich folgen doch die Youkais versperren ihr den Weg. „Was hast du da, Mensch?“, er deutet auf die Schüssel in ihrer Hand. „Suppe!“, erklärt sie tapfer. „Ihr wollt doch den Bruder von Fürst Sesshomaru nicht etwa hungern lassen, oder?“, fragt Myoga warnend. Für einen Moment scheinen die beiden nachzudenken, dann nicken sie und lassen Kagome passieren. Den Mädchen ist dabei heiß und kalt geworden, doch sie bemüht sich nach Kräften ihre Angst nicht zu zeigen um keinen Verdacht zu erregen. Mit etwas steifen Bewegungen folgt sie Myoga durch das Tor. „Myoga“, meint sie beeindruckt, „Ich wusste ja gar nicht, das du auch so... so sein kannst!“ „Tja“, meint der kleine Floh, „Wenn man eine so lange Zeit für eine Fürstenfamilie gearbeitet hat, dann weiß man wie man mit solchen Kerlen umgehen muss.“ Rasch gehen die zwei weiter. Vor ihnen liegt ein weiterer, dunkler Gang; nur erhellt durch einige Fackeln an den Wänden. Es ist kalt hier. Kagome schaudert. Schließlich treten sie aus dem Gang heraus und vor ihnen liegt ein großer, hoher Felsenraum. Sie stehen auf einem breiten Sims der sich von einer Wand zur anderen erstreckt. In der Mitte, direkt vor ihnen befindet sich eine schmale Steinbrücke die zu einem kleinen Podest in der Mitte des Raumes führt. Der Abgrund, der sich rings herum erstreckt, ist so tief, dass der Boden nicht auszumachen ist, doch in beachtlicher Tiefe zieht eine trübe Nebelbank dahin die gespenstisch rötlich schimmert. Kagome zieht erschrocken die Luft ein. Auf dem Podest vor ihr, in fast zehn Metern Entfernung, angebunden an einer steinernen Säule die bis zur Decke reicht, erkennt sie eine Gestalt. Sie hockt mit angezogenen Beinen und mit auf den Rücken gebundenen Armen an der Säule und hat den Kopf auf die Knie gestützt. Über die Brust und über die Gliedmaßen züngeln noch immer flimmernde Energiebänder und ihr Knistern hallt ein wenig in dem hohen Raum nach. „Inu Yasha!“, stößt Kagome aus. Der Angesprochene hebt den Kopf. Selbst aus dieser Entfernung kann sie sehen, dass er müde aussieht. Hastig läuft sie auf die schmale Steinbrücke zu. Sie ist kaum einen halben Meter breit. Bloß nicht hinuntersehen!, redet sie sich ein. Mit klopfendem Herzen, die Augen unverwandt auf den angebundenen Hanyou gerichtet, überquert sie die Brücke. Endlich springt sie auf das sichere Podest. Eilig läuft sie zu dem zusammengekauerten Hanyou hin und und sinkt dort zu ihm hinunter. „Kagome...?“, fragt er verwundert, „Was machst du hier?“, seine Stimme klingt etwas schwächer als gewöhnlich. Mit klopfendem Herzen legt Kagome ihre Hand auf sein Knie. Selbst durch den Stoff hindurch fühlt es sich kühl an. „Du frierst ja!“, meint sie besorgt, ohne auf seine Worte einzugehen. „Ach was! Bin Schlimmeres gewohnt!“, wehrt er ab und versucht ihren Blick zu meiden, „Kannst du mir mal sagen was du hier machst?“ „Ich wollte sehen... ob du auch in Ordnung bist“, antwortet sie wahrheitsgemäß. Der Hanyou legt den Kopf in den Nacken. Viel mehr bewegen kann er sich nicht. „Das war unnötig. Mir geht es gut!“, doch noch immer weicht er ihrem Blick aus. „Wie kann es dir gut gehen wenn du... hier so angebunden bist?“, erwidert Kagome hastig. „Danke, dass du mich daran erinnerst, ich hätte das fast vergessen!“, brummt er. „Oh verdammt, du Idiot! Kannst du das einfach mal lassen?“ Ihr Ausbruch zwingt ihn nun doch sie anzusehen. Erschrocken bemerkt er nun den Kummer in ihrer Miene. Ohne, dass sie es beabsichtigt hat, laufen ihr Tränen über ihre Wangen. „Was... was ist denn?“, stammelt er besorgt, „Warum weinst du denn schon wieder?“ „Na weil... weil...“, sie kämpft tapfer die Tränen nieder, „Ich hab mir Sorgen um dich gemacht. Ich hatte Angst... sie tun dir was Schlimmes an. Sie haben dich mit diesen schmerzhaften Ketten gefesselt und hier ist es so kalt und du bist ganz alleine und... und das erste was du machst, jetzt, da ich dich besuchen komme, ist wieder mit mir zu zanken!“, den letzten Satz fügt sie ein wenig trotzig hinzu. Doch dann lässt sie den Kopf sinken und wischt sich die Augen. Sprachlos hat Inu Yasha ihr zugehört. Innerlich schluckt er schwer. Ein dicker Kloß schnürt ihm die Luft ab und ein äußerst flaues Gefühl liegt ihm im Magen. Die Fesseln um seinen Körper brennen noch immer empfindlich und hinzu kommt noch die Schmerzen in seinen Gliedern die durch die Bewegungsbehinderung verursacht werden. Er fühlt sich steif und geschunden und er friert erbärmlich und nun kommt Sie! Dass er sich freut sie zu sehen, ist noch untertrieben. Aber er will sie doch nicht beunruhigen, nur deshalb gibt er vor, dass ihm nichts fehlt. Und nun ist ihr das auch nicht recht. Sie muss doch wirklich nicht wissen wie er sich gerade fühlt. Warum ist sie bloß so scharf darauf? Warum muss sie schon wieder weinen? Jetzt wo er sie nicht einmal trösten kann. Unwillkürlich überkommt ihn das Bedürfnis, sie in den Arm zu nehmen, doch ihm sind ja im wahrsten Sinne des Wortes die Hände gebunden. „Kagome!“, sagt er leise, „Ich... es tut mir leid! Es war nicht so gemeint. Mir fehlt wirklich nichts.“ Das Mädchen schnieft ein wenig. „Schon gut! Es ist ja meine Schuld! Ich vergesse immer, dass du ein Hanyou bist und viel mehr einstecken kannst als ein Mensch.“ Einen Moment lang herrscht Schweigen. Inu Yasha weiß nicht was er sagen soll. Schließlich blickt Kagome verlegen zur Seite. „Ich hab dir Suppe mitgebracht. Bist du hungrig?“ Inu Yasha will verneinen doch sein Magenknurren kommt ihm zuvor. „Ein wenig“, gibt er zu. Kagome greift nach der Schale die neben ihr steht: „Ich befürchte sie ist inzwischen etwas kalt geworden.“ „Das macht nichts.“ Plötzlich zuckt Kagome zusammen: „Ich blöde Kuh! Ich hab einen Löffel vergessen!“ Ein wenig enttäuscht schaut Inu Yasha auf die aromatisch duftende Schüssel in ihrer Hand. Wieder knurrt sein Magen. „Warte, ich werde dir helfen!“, meint Kagome kurzentschlossen. Rasch rückt sie etwas näher und hält ihrem Freund vorsichtig das Gefäß an die Lippen. Erst jetzt spürt Inu Yasha wie hungrig er in Wirklichkeit ist. Die Flüssigkeit ist zwar lauwarm, aber sie schmeckt nicht schlecht. Gierig nimmt er einen Schluck und verschluckt sich fast dabei. „Entschuldige!“, meint Kagome hastig und setzt die Schüssel ab. „Schon gut!“ Behutsam gibt sie ihm einen weiteren Schluck. Während er trinkt wird Inu Yasha seltsam wehmütig zumute. Er könnte nicht in Worten ausdrücken was in ihm vorgeht. Kagome, die sich so rührend um ihn kümmert und sich um ihn sorgt, so dicht bei sich zu haben und sie nicht mal berühren zu können, ist fast mehr als er ertragen kann. Als die Schüssel leer ist, seufzt er leicht und legt seine Wange auf seine Knie. Nachdenklich schaut er seine Freundin an. „Es tut mir leid, Kagome!“, sagt er leise. „Wofür entschuldigst du dich?“, fragt sie erstaunt. „Dafür... dass ich neulich so eklig zu dir gewesen bin.“ Für einen Moment muss Kagome überlegen was er meint. Dann dämmert es ihr. „Nein, ich muss mich entschuldigen. Ich war kein Stück besser. Ich hätte die Kette nicht benutzen dürfen, schon gar nicht in Gegenwart von Sesshomaru. Das war nicht in Ordnung!“ „Ach, schon gut!“, meint Inu Yasha, „Ich hatte es verdient! Ich... finde gar nicht, dass dein Essen doof ist. Du kannst... gut kochen!“ Kagome errötet und senkt den Blick. „Die Suppe ist gar nicht von mir“, gesteht sie ein. „Ist egal!“, Inu Yasha hebt den Kopf, „Du hast sie mir gebracht. Das reicht schon.“ Kagomes Lippe zittert ein wenig. „Sie... sie dürfen dich nicht hinrichten!“, stößt sie hervor, „Das...“ Das würde ich nicht ertragen!, will sie sagen, doch sie bringt es nicht hervor. „Das wäre einfach unfair!“, sagt sie stattdessen. „Mach dir keine Sorgen, Kagome!“, ein leichtes Lächeln spielt um Inu Yashas Lippen, „Ich bin unverwüstlich!“ Das ist zu viel für sie. „Inu Yasha!“, schluchzt sie und diesem plötzlichen Impuls folgend, will sie ihre Arme um ihn schlingen. Pass auf, Kagome! Die Fesseln! Du verbrennst dich!, will er rufen, doch schon schließen sich ihre Arme um ihn und er spürt sie an seiner Brust. Inu Yasha hat fest damit gerechnet, dass diese furchtbaren Energiebänder ihr sofort erhebliche Brandwunden zufügen würden, doch fassungslos muss er nun mitansehen wie die gleißenden Fesseln einfach durch ihren Körper hindurchdringen oder unbeschadet über sie hinwegzüngeln. Das Mädchen scheint es nicht bemerkt zu haben. Sie hält ihn noch immer fest umschlungen und vergräbt ihr Gesicht in seinem Kimono. „Kagome!“, kommt es verwundert, doch sie reagiert nicht. Sie spürt wie kühl seine Haut unter der Kleidung ist und sie hört wie sein Herz schnell und regelmäßig klopft. Sie hat auch keinerlei schlechtes Gewissen dabei. Irgendwie fühlt sie sich das hier richtig an. Sanft streichelt sie ihm über den Rücken. „Kagome!“, kommt es erneut, diesmal noch überraschter. Doch sie ignoriert es wieder. Sag jetzt nichts!, wünscht sie sich innerlich, Sag einfach nichts für eine lange, lange Zeit! Ich will nicht, dass es vorbeigeht! Doch plötzlich spürt sie wie sich vorsichtig zwei Arme um sie legen und sie behutsam dichter zu ihm ziehen. Kagome läuft ein Schauer über den Rücken. Wie sehr hat sie sich danach gesehnt! Doch urplötzlich stutzt sie. Das kann doch gar nicht sein! So sehr sie die sanfte Berührung auch genießt, nun schaut sie doch auf. Goldfunkelnde Augen blicken sie unverwandt an und in Inu Yashas Gesicht liegt eine solche Milde, dass es ihr fast das Herz zerreißt. „Du bist einfach unglaublich!“, sagt er leise und ein fast schon zärtliches Lächeln liegt um seine Lippen. Verwirrt setzt sie sich auf. „Du bist ja gar nicht mehr gefesselt!“ Sprachlos starrt sie ihn an. „Sieht ganz so aus“, antwortet er. „Aber wie...?“ „Ähäm!“, räuspert sich plötzlich jemand neben ihnen. Zwei Köpfe drehen sich dem Geräusch zu. „Ich will ja nicht stören!“, sagt Myoga, „Aber ich bin auch noch hier!“ „Myoga?“, staunt Inu Yasha. „Myoga, Inu Yashas Fesseln sind weg!“, ruft Kagome irritiert aber erleichtert aus, „Kannst du dir das erklären?“ „Tja, ich vermute, das hat irgendwas mit deinen eigenartigen Mikokräften zu tun“, vermutet er stirnrunzelnd, „Sehr interessant! Es sieht fast so aus, als könnte dir Arashitsumes Technik nichts anhaben. Wahrscheinlich hat deine Berührung sie einfach aufgelöst.“ „Meinst du wirklich?“, Kagome bekommt große Augen. „Es scheint so. Allerdings befürchte ich, dass das Arashitsume nicht gefallen wird, wenn er es erfährt“, meint Myoga besorgt. „Er muss es ja nicht erfahren!“, meint Kagome schnell. „Ich fürchte, das wird er spätestens wenn er feststellt, dass Inu Yasha-sama nicht mehr gefesselt an diesem Pfeiler sitzt“, bremst Myoga ihren Eifer. Nun streckt Inu Yasha seine Beine aus und steht auf. Genüsslich räkelt er sich und massiert seine eingeschlafenen Gliedmaßen. Man sieht ihm die Erleichterung förmlich an. „Von mir aus soll er doch!“, meint er schnippisch, „Jetzt wo es eh schon zu spät ist, kann er sich auch mal ein wenig seinen Kopf darüber zerbrechen. Von mir wird er jedenfalls kein Sterbenswörtchen erfahren.“ „Wahrscheinlich wird er wütend werden“, gibt Myoga zu bedenken. „Juckt mich nicht!“, meint Inu Yasha missmutig, „Ich habe auch überhaupt keine Lust, ihm eine angenehme Laune zu bereiten.“ Myoga atmet einmal vernehmlich durch: „Ich fürchte aber, euch wird nichts anderes übrigbleiben, Inu Yasha-sama. Euer Bruder hat mich beauftragt... ähm... euch zu unterrichten wie man sich in fürstlichen Kreisen zu verhalten hat.“ Inu Yashas Kopf fliegt herum: „Ist nicht dein ernst!“ „Ich fürchte, es ist ihm sehr ernst!“, beteuert Myoga, „Er gab mir zu verstehen, dass ein weiteres Fehlverhalten, von eurer Seite, nicht mehr zu tolerieren ist. Sesshomaru-sama legt großen Wert drauf, dass das Verhältnis zu den anderen Reichen nicht noch angespannter wird.“ „Ach, Sesshomaru!“, gnatzt Inu Yasha verstimmt. „Inu Yasha, bitte!“, mit einem flehenden Blick schaut Kagome ihn an, „Bitte versuche es doch wenigstens. Mir zuliebe! Lass dich von Myoga unterrichten! Gib Arashitsume keinen Grund... dir noch mal wehzutun!“ Bei dem Blick in ihre erneut feuchten Augen gibt es Inu Yasha einen Stich durchs Herz. Wie könnte er ihr widersprechen? Er seufzt einmal, dann sagt er: „Na schön, von mir aus! Ich versuch's!“ Sofort schenkt sie ihm ein dankbares Lächeln. „Ja, ja, ist ja gut!“, wehrt er ab, „Geh mal lieber zu den anderen zurück. Nicht, dass die sich auch noch Sorgen machen!“ Er ist verlegen und es ihm unangenehm, dass Kagome das mitbekommt. Unwillkürlich errötet das Mädchen. „Ähm, ja, ich schätze, ich sollte wohl wirklich wieder gehen, nicht, dass die Wachen noch Verdacht schöpfen.“ Hat sie ihn wirklich vorhin so umarmt? Wie peinlich! Hoffentlich kommt er jetzt nicht auf irgendwelche falschen Gedanken. Bestimmt war es ihm unangenehm. Rasch steht sie auf und wendet sich zum Gehen, doch schon nach zwei Schritten hält sie inne. Inu Yasha hat es bemerkt: „Ist noch etwas?“ „Ähm...“, kommt es zaghaft, „Das geht hier links und rechts ganz schön tief runter!“ Inu Yashas Augen fliegen auf: „Bitte? Vorhin hat dich das doch auch nicht gestört“ „Das war was anderes“, gibt sie kleinlaut zu, „Da hab ich gar nicht so drauf geachtet.“ Innerlich schimpft sie mit sich selbst. Einen feinen Eindruck muss sie geben. Kein Wunder, dass er so oft die Geduld mit ihr verliert. Doch in diesem Moment spürt sie eine Hand auf ihrer Schulter. Sie blickt sich um und blickt in Inu Yashas nachsichtiges Gesicht. „Komm, steig schon auf!“, fordert er sie auf und ohne Zögern steigt sie auf seinen Rücken und hält sich an ihm fest. Mit einem leichten Tritt ist er in drei Schritten auf der anderen Seite der Brücke angekommen und lässt sie herab. Wie beiläufig streicht seine Hand dabei über ihren Arm. Ihre Haut ist so weich und ihr Duft hüllt ihn noch immer ein. Er atmet noch einmal tief durch dann lässt er sie los. „Geh jetzt!“ Sie nickt. Dann wendet sie sich zum Gehen und hastig verlässt sie den Raum. Etwas wehmütig blickt der Hanyou ihr hinterher und unwillkürlich ballt er die Hand zur Faust. Meine Güte, was stellt dieses Mädchen bloß mit ihm an? Doch dann reißt er sich los und mit einem großen Sprung ist er wieder zurück auf der anderen Seite. „Also, Myoga!“, lässt er sich vor dem alten Floh zu Boden plumpsen, „Dann erzähl mir mal was!“ Mit raschen Schritten läuft Kagome den Gang entlang. Schon längst hat sie die beiden Wachen hinter sich gelassen. Sie ist sich nicht sicher, ob sie von Inu Yasha weg, oder zu ihren Freunden hin möchte. So ganz alleine durch das fremde Schloss zu laufen verursacht ihr eine Gänsehaut, besonders zu dieser späten Stunde. Kein Laut ist zu hören und zu sehen ist auch niemand. Hastig blickt sie sich um. Hier sind so viele Gänge. Ist sie vorhin diesen hier gekommen, oder den nächsten? Ach, hätte sie doch nur etwas besser aufgepasst, doch zu dem Zeitpunkt war sie in ihren Gedanken woanders gewesen. Alles sieht hier so gleich aus. Wie groß ist denn dieses verdammte Schloss? Es hilft nichts, sie wird es einfach irgendwo versuchen müssen. Sie biegt in den Gang ein der ihr am wahrscheinlichsten vorkommt und folgt ihm eine Weile. Langsam kommen ihr Zweifel. Ist sie hier richtig? Schließlich endet der Gang urplötzlich hinter der nächsten Ecke in einem kleinen Raum. Hier ist niemand, aber sie bemerkt eine weitere Tür an seinem hinteren Ende, eine Schiebetür die in einen Garten führt, wie sie durch ein paar Fenster sehen kann. Ist sie nicht vorhin an einem Garten vorbeigekommen? Sie erinnert sich eine Tür gesehen zu haben die in den Garten führte. Wenn sie den Garten durchqueren und diese Tür finden kann, ist es nicht mehr allzu weit von ihrem Quartier entfernt. Sie fasst einen Entschluss. Lieber versucht sie ihr Glück durch den Garten als vielleicht einen Youkai zu dieser späten Nachtzeit noch nach dem Weg zu fragen. Möglichst ohne ein Geräusch schiebt sie die Tür auf und schlüpft leise in den Garten. Hier draußen ist es zwar kühl, doch noch ein wenig hängt die Wärme des Tages zwischen den Bäumen. Es ist hübsch hier, stellt sie fest. Wer immer diesen Garten pflegt, versteht sein Handwerk. So leise wie möglich huscht sie durch die Dunkelheit. Zum Glück scheint der Mond so hell; es erleichtert es ihr, sich zurechtzufinden. Der Garten ist erstaunlich groß, größer als sie angenommen hatte. Aufmerksam hält sie nach dem Ausgang Ausschau. Plötzlich ist ihr als hätte sie etwas gehört. Sofort erstarrt sie zur Salzsäule. Wachsam schaut sie sich um. Ein Stück entfernt nimmt sie eine Bewegung wahr. Vorsichtig lugt sie hinter einem gewaltigen Jasminstrauch hervor. Der schwere Duft der Blüten betäubt ihr fast die Sinne, doch sie gibt keinen Mucks von sich und blickt hinüber zu der dunklen Gestalt die ein ganzes Stück entfernt an einem Baum lehnt und zum Himmel schaut. Es ist nur eine leichte Positionsverlagerung, doch nun fällt das blasse Mondlicht auf das Gesicht der Person. Kagome atmet erleichtert auf. Es ist Tenmaru. So ein Glück! Der junge Streuner kann ihr bestimmt den Weg zurück zeigen. Schon will sie hervorkommen und sich bemerkbar machen, doch in diesem Moment fliegt Tenmarus Kopf herum als hätte er etwas gehört und dann sieht Kagome, wie er sich urplötzlich auf dem Boden zusammenkauert, nein, er kniet nieder! Zunächst ist sie darüber verwundert, doch dann wird ihr klar, dass noch eine Person gerade dort aufgetaucht ist. Eine vor der Tenmaru offenbar gehörig Respekt hat, doch sie kann von hieraus niemanden erkennen. Es ist zu dunkel. Schon spielt sie mit dem Gedanken etwas näher heranzugehen, doch dann vernimmt sie Tenmarus Stimme und verwirft diese Idee umgehend wieder. „Arashitsume-sama!“, ruft der Streuner erschrocken. Aus den Schatten kommt einen seidige Stimme: „Ich hatte gehofft dich hier zu finden! Wie ich sehe habe ich recht gehabt. Tu mir den Gefallen und steh auf, ja?“ Zögernd kommt Tenmaru wieder auf die Füße. „Was wünscht Ihr von mir, edler Fürst?“ „Ich wollte mit dir einmal unter vier Augen sprechen“, kommt die Antwort. „Worüber denn, edler Fürst?“ Nun tritt Arishitsume ein Stück aus den Schatten heraus und das Mondlicht taucht sein Gesicht in einen gespenstischen Schimmer. „Ich frage mich, ob du mit dem Dienst für diesen Hanyou zufrieden bist.“ Kagomes Herz pocht heftig. Nur zu gut erinnert sie sich an das Gespräch zwischen Tenmaru und Sesshomaru damals. Der Streuner scheint ähnliche Gedanken zu haben, denn er sagt: „Es spielt doch keine Rolle ob ich damit zufrieden bin.“ Arashitsume lächelt sanft: „Da hast du wohl recht. Doch das beantwortet noch nicht meine Frage. Hast du, oder hast du nicht den Wunsch in seinem Dienst zu bleiben?“ „Welchen Sinn hätte es mir irgend so etwas zu wünschen?“, fragt Tenmaru der noch immer nicht recht mit der Sprache heraus will. „Das will ich dir sagen“, antwortet Arashitsume munter, „Was würdest du von der Idee halten, in meine Dienste zu treten?“ Verblüfft bleibt Tenmaru der Mund offen stehen: „Mein Fürst?“ „Nun mach doch nicht gleich so ein Gesicht!“, rügt ihn Arashitsume gespielt beleidigt, „Sag bloß nicht, dass du noch nie mit dem Gedanken gespielt hast. Dabei wäre es doch so naheliegend!“ Tenmaru sagt kein Wort. „Ich nehme einmal dein Schweigen als Bestätigung“, ergreift Arashitsume wieder das Wort, „Ich bin jedoch untröstlich, dass ich offenbar nicht deine erste Wahl war. Hast du dich denn nie gefragt warum euer Rudel all die Jahre von mir unbehelligt geblieben ist? Natürlich wollte ich nicht das Blut meiner Schwester an meinen Händen haben, oder das ihrer Familie!“ Aufmerksam beobachtet Arashitsume die Reaktion des Streuners aus den Augenwinkeln. Tenmarus Stirn legt sich in düstere Falten. „Eure Krieger haben versucht mich umzubringen!“, es klingt grimmiger als es sicher beabsichtigt war, „Ich verdanke es nur diesem Hanyou, dass ich heute noch vor Euch stehe!“ „Ach das!“, Arashitsume wirft Tenmaru einen Blick zu als würde er ihm einen kindischen Scherz verzeihen, „Das war doch nur ein Täuschungsmanöver. Die Fürstin des Nordens hätte doch Verdacht geschöpft, wenn ich nicht alles darangesetzt hätte, dich aufzuspüren. Wie dem auch sei, die Sache mit dem Hanyou, war gar nicht so geplant gewesen“, ein wenig verlegen legt Arashitsume seine Fingerspitzen aneinander, „Eigentlich hatten meine Krieger den Auftrag dich lediglich soweit zu verletzen, dass es überzeugend wirkte und dich dann zu mir zu bringen.“ „Die Kita-aitsu haben, Yaeba angefallen und Raihone getötet!“, die unterdrückte Wut in seiner Stimme ist jetzt deutlich zu hören. „Ein bedauerlicher Vorfall!“, nickt Arashitsume betrübt, „Doch ich will zugeben, dass keiner von ihnen das Potenzial mitbringt, das ich in dir sehe. Weißt du, es liegt dir im Blut.“ Der Ostfürst kommt näher an Tenmaru heran, der keinen Muskel rührt. Mit leichten Schritten umkreist er ihn. „Ich weiß nicht, wovon ihr sprecht“, beharrt Tenmaru doch seine Stimme klingt längst nicht mehr so überzeugend. „Oh, natürlich weißt du wovon ich spreche!“, säuselt Arashitsume. Von hinten tritt er an den jugendlichen Youkai heran und legt ihm die Hände auf die Schultern. Tenmaru steht stocksteif da. Nun beugt Arashitsume sich zu ihm heran und sein Mund nähert sich Tenmarus Ohr. Kagome kann nicht verstehen was der Ostfürst sagt doch urplötzlich zuckt Tenmaru am ganzen Körper zusammen, reißt sich von dem Fürsten los und starrt ihn entsetzt an. Arashitsume lässt ihn gewähren doch er lächelt selbstzufrieden. „Ihr irrt Euch!“, stößt Tenmaru hervor. Selbst von hier erkennt Kagome, dass der Streuner sehr aufgewühlt ist. „So, denkst du?“, Arashitsume hebt eine Braue, „Aber das denke ich nicht! Auf meine Nase ist für gewöhnlich Verlass.“ „Das... das ist...“ „Schon ok!“, beendet Arashitsume den Satz. Er lächelt genüsslich. Tenmaru starrt zu Boden. „Zerbrich dir nicht so den Kopf darüber“, meint Arashitsume, „Wichtig ist nur, was wir damit anfangen können.“ „Wir, edler Fürst?“ „Ja wir!“, nickt Arashitsume, „Und bitte lass doch die Förmlichkeiten! Nenn mich einfach Onkel!“ Kagome schlägt die Hand vor den Mund, damit ihr kein Laut entfährt, so erschrocken ist sie. Der Fürst des Ostens ist Tenmarus Onkel? Aber wie? Das kann doch nicht sein, das würde ja bedeuten...!“ Aufmerksam beobachtet Arashitsume den jungen Streuner. „Was... was habt Ihr nun vor, O... Onkel?“, presst Tenmaru bebend hervor. „Oh, ich bin froh, dass du fragst!“, gönnerhaft blickt Arashitsume auf Tenmaru herab, „Ich bin eine sehr großzügige Person, also werde ich einmal über den kleinen Schandfleck in deinem Lebenslauf hinwegsehen und dir ein einmaliges Angebot machen.“ „Was für ein Angebot meint Ihr?“ Wie beiläufig dreht Arashitsume ihm den Rücken zu, doch aus den Augenwinkeln beobachtet er den jungen Streuner. „Die Fürstin des Nordens hat geschworen ihren Vater zu rächen. Es ist nur eine Frage der Zeit bis sie jeden aus eurem Rudel getötet hat. Nur ein anderer Fürst wäre in der Lage, euch vor ihrer Wut zu schützen. Aber das weißt du sicher schon, warum sonst wärst du zu Sesshomaru gegangen“, ein boshaftes Lächeln fliegt über sein Gesicht, „Aber glaubst du wirklich, er würde dich jemals in seine Dienste nehmen? Sein Hass auf deine Mutter ist viel zu tief. Bestimmt hat sie dir doch erzählt was sie getan hat, oder?“ Tenmarus Gesicht verzieht sich zu einer schmerzhaften Grimasse und er senkt den Kopf. „Natürlich hat sie das!“, sieht Arashitsume seine Vermutung bestätigt, „Aber es schmerzt mich wirklich zu hören, dass sie mich trotz allem noch immer so sehr verachtet, dass sie es trotzdem vorzieht, dich zu ihm zu schicken!“ „Hört auf...!“, flüstert Tenmaru. „Du hast es doch bestimmt schon gemerkt, dass er nichts mit dir zu tun haben möchte. Warum also die Mühe?“ „Hört auf...!“, wiederholt Tenmaru gepresst. „Armer, kleiner Streuner! Das alles hat gar nichts mit dir zu tun. Es liegt allein an ihr! Ist es nicht unglaublich frustrierend zu wissen, dass sie dich zu ihm geschickt hat, aber genau wusste, dass deine Versuche vergeblich sein werden, wegen dem was sie vor 200 Jahren getan hat?“ „Hört auf!“ „Ihre Sturheit wird noch mal dein Untergang sein. Wäre sie in der Lage gewesen, über ihren Schatten zu springen, könntest du schon längst an meiner Seite sein und du müsstest nicht um dein Leben bangen. Du bräuchtest nicht so viel Energie aufwenden für etwas das von vornherein zum Scheitern verdammt war.“ „Seit still!“ Zitternd ist Tenmaru zusammengebrochen. Seine Klauen verkrallen sich krampfhaft im Boden. Er atmet schwer. Regungslos hat Arashitsume ihn beobachtet. „Sieh dich nur an! Es quält dich, nicht wahr? Du weißt es selber, dass es vergeblich ist, hab ich nicht recht?“ „Ihr wisst gar nichts! Ich... ich habe es geschworen!“, quetscht Tenmaru hervor, noch immer hat er den Kopf gesenkt. „Warum willst du noch länger leiden?“, Arashitsumes Stimme ist seidig, „Komm zu mir! Ich setze dich in Amt und Würden, wie es deinem Stand zusteht. Ich könnte dich sogar adoptieren, weißt du? Ich mache dich zu meinem eigenen Sohn und übertrage dir die Herrschaft über dein eigenes Reich, wie klingt das?“ Ruckartig fliegt Tenmarus Kopf hoch. Ungläubig starrt er den Fürsten an. „Von was für einem Reich sprecht ihr?“ Nun zieht ein messerdünnes Lächeln über Arashitsumes Gesicht: „Das Westreich, natürlich!“ Einige Sekunden vergehen ohne dass ein einziges Wort fällt. Tenmaru ist kreidebleich geworden während er versucht das Gehörte zu erfassen. „Ihr... Ihr meint...! Das kann nicht Euer Ernst sein!“ „Wieso nicht? Sesshomaru ist zwar der Herr des Westens, aber mehr auch nicht. Glaub nicht, dass das für immer so sein wird!“, hämisch funkeln Arashitsumes Augen. Sprachlos ist Tenmaru der Kiefer heruntergeklappt: „Ihr... Ihr könnt unmöglich planen ihn zu...“ „Ach, wie töricht du bist!“, unterbricht Arashitsume ihn, „Natürlich käme mir so etwas niemals in den Sinn! Aber... man kann ja nie wissen. Die Zeiten ändern sich!“, das boshafte Funkeln in seinen Augen nimmt zu. Erneut senkt Tenmaru den Blick. Seine Hände umklammern bebend einige Grasbüschel. Arashitsume beobachtet es. „Ich verstehe, dass das sehr viel für dich auf einmal ist“, sagt er nachsichtig, „Denk darüber nach. Wenn du entschieden hast wem deine Loyalität wirklich gelten sollte, dann komm zu mir. Bei mir wirst du immer einen Platz finden.“ Mit diesen Worten wendet sich der Fürst des Ostens ab und gemächlich verschwindet er im Schatten der Bäume. Zurück lässt er einen verstört dreinblickenden Streuner, der kaum in der Lage ist, den Kopf zu heben. Einige Minuten vergehen ohne dass Tenmaru sich von der Stelle rührt. Doch schließlich atmet er einmal tief durch und langsam kommt er wieder auf die Füße. Er wischt sich einmal mit der Hand über das Gesicht, dann seufzt er schwer und ohne ein weiteres Wort verschwindet auch er zwischen den Bäumen. Bibbernd sitzt Kagome hinter ihrem Busch und wartet darauf, dass ihr Herz aufhört so heftig gegen ihre Brust zu pochen. Sie kann nicht glauben was sie gerade gehört hat. Das ist einfach nicht zu fassen. Nach allem was sie bisher gehört hat ist Tenmarus Mutter die Schwester des Ostfürsten. Das muss sie erstmal verdauen. Er macht wirklich nicht den Eindruck von königlichem Blut zu sein. Aber warum ist er dann ein Streuner? War seine Mutter auch einer? Auf einmal erinnert sie sich an das, was Sokudo neulich gesagt hat. Die Anführerin des Streunerrudels wäre eine Daiyoukai gewesen. Die einzige in dem Rudel! Das muss wohl Tenmarus Mutter gewesen sein. Wahrscheinlich war er deshalb so wütend, über Sokudos Beleidigungen ihr gegenüber. Aber könnte das bedeuten, dass auch Tenmaru... ein Daiyoukai ist? Bei dem Gedanken zuckt Kagome unwillkürlich zusammen. Er ist so schnell, und unheimlich stark scheint er auch zu sein. Es wäre durchaus möglich! Doch mit Sicherheit kann man es nicht sagen. Scheinbar unterscheiden sich Youkais und Daiyoukais äußerlich nicht sehr von einander. Den einzigen Unterschied den sie bisher ausmachen konnte, ist das türkisfarbene Blitzsymbol auf Arashitsumes Stirn. Ob auch auf Tenmarus Gesicht ein türkiser Blitz zu sehen wäre, wenn er sein Stirnband abnehmen würde? Sie schaudert bei dem Gedanken. Ob er wirklich vor hat, Arashitsumes Angebot anzunehmen? Innerlich ertappt sie sich dabei, dass sie sich wünscht, er möge das Angebot ausschlagen. Nicht nur um Inu Yashas Willen. Irgendwie hat sie begonnen, ihn gut leiden zu können. Den Ostfürsten jedoch kann sie auf den Tod nicht ausstehen und diese Abneigung begründet sich nicht nur allein auf sein Verhalten Inu Yasha gegenüber. Nein, seine gesamte, schleimige Art ist ihr zuwider! Kagome schluckt schwer. Welch ein unglaublicher Wink des Schicksals war es doch, dass sie gerade hinter diesem penetrant riechenden Strauch Zuflucht gesucht hat. Andernfalls hätte der Ostfürst mit Sicherheit ihren Geruch bemerkt und was das bedeutet hätte, wagt sie sich gar nicht erst auszumalen. Hätte dieser Daiyoukai nur eine Sekunde lang den Verdacht gehabt, dass sie fast jedes seiner Worte gehört hat, wäre sie wohl schon nach wenigen Augenblicken nicht mehr am Leben gewesen. Noch immer schlägt ihr Herz in doppelter Geschwindigkeit. Das hier müssen ihre Freunde erfahren! Bestimmt steckt noch mehr hinter der ganzen Sache als auf den ersten Blick vermutet. Wo sind wir hier bloß hineingeraten? Mitten in eine Blutfehde der Youkaifürsten. Na, wenn wir da bloß heil wieder herauskommen! Kapitel 22: Hanaki ------------------ damals... Die Sonne hat den Zenit schon längst überschritten und dennoch brennt sie nach wie vor unbarmherzig vom Himmel. Der Regen vom Vortag hat aus der Region eine Art Backofen gemacht. Doch Sesshomaru beschließt es einfach zu ignorieren. Er ist ohnehin auf dem Weg in den Norden, dort wird er noch früh genug Abkühlung erhalten. Bis dahin muss er es wohl tolerieren, dass die brennende Sonne alles in ihrer Macht stehende tut, um ihn erschöpft und durstig zu Boden zu drücken. Doch zum Glück ist er ja ein Daiyoukai und das bedeutet, er schwitzt nicht so schnell. Unwillkürlich schnauft er ein wenig auf. Arashitsume sitzt jetzt bestimmt in seinem Garten und lässt sich von ein paar seinen Dienerinnen frische Luft zu fächeln. Nicht, dass er es nötig hätte, doch der Fürst des Ostens liebt es gerne bequem und luxuriös. Davon hat Sesshomaru sich in den letzten zwei Tagen zur Genüge überzeugen können. Er selbst hält wenig von Prunk und Luxus. Allzuviel Bequemlichkeit macht träge. Auch das ist ein Grund gewesen, weshalb er Arashitsumes Angebot, noch ein paar Tage zu bleiben, abgelehnt hat. Zudem ist seine Aufgabe dort erledigt, es gibt also keinen guten Grund eine Abreise zu verzögern. Außerdem möchte er die vor ihm liegende Wanderung dazu nutzen, etwas mehr über das Streunerrudel herauszubekommen. Zwar ist das nicht zwingend notwendig, doch er ist neugierig. Außerdem kann er damit eine andere leidige Pflicht noch eine kleine Weile hinauszögern. Da er sich ja noch nicht angekündigt hat, wird Inu Taihyouga es ihm sicher nicht übelnehmen, wenn er einen kleinen Umweg macht. Zwar hat Sesshomaru keine wirkliche Ahnung, wo er das Rudel finden kann, doch er hat beschlossen, an dem Ort zu beginnen, an dem er die Streunerin zum letzten Mal getroffen hat. Er braucht nicht lange, um die Lichtung wiederzufinden. Die Leichen sind inzwischen weggebracht worden, doch er schwere Geruch von Youkaiblut hängt noch immer in der Luft wie eine Dunstglocke. Besonders bei dieser Hitze potenzieren sich die Gerüche und der junge Fürst verzieht angewidert das Gesicht. Wenn er hier eine Witterung aufnehmen will, muss er wohl einen etwas größeren Radius ziehen. Aufmerksam untersucht er die Umgebung um die Lichtung in etwa einem Kilometer. Gerade als er schon die Suche aufgeben will, steigt ihm eine flüchtige, kleine Note in die Nase. Das ist sie! Nun, wo er ihren Geruch in der Nase hat, wird er die Fährte nicht mehr verlieren. Im bequemen Sprint läuft er zwischen den Bäumen entlang. Die Fährte führt ein wenig im Zickzack. Zwischendurch hält Sesshomaru mehrmals inne. Wie es aussieht hat sie sich inzwischen mit diesem Yaeba getroffen und da sind noch einige andere Fährten, die ihren Weg gekreuzt haben. Doch die Spuren laufen wieder auseinander. Offenbar nur ein kurzes Treffen. Doch plötzlich stutzt er. Diese eine Fährte! Sesshomarus Stirn legt sich in Falten. So ist das also! Nun das verspricht ja interessant zu werden. Nun ist er erst recht entschlossen, diese Streuner einmal aufzusuchen. Doch nun macht seine Fährte urplötzlich eine eigenwillige Wendung und schlägt direkt auf die Richtung dieser anderen Fährte ein. Sesshomaru hebt die Brauen. Wenn ihn nicht alles täuscht, dann führt diese neue Spur auf direktem Weg zu Arashitsumes Palast. Oder ist das alles bloß ein Zufall? Eilig macht er sich daran, der Fährte weiter zu folgen. Währenddessen ist die Sonne immer weiter gesunken. Es muss wohl bald Abend sein. Doch Sesshomaru stört sich nicht daran, dieser Spur kann er auch in völliger Dunkelheit folgen. Unvermittelt tritt er hinaus auf eine Ebene. Ein großer See erstreckt sich direkt vor seinen Augen, umrahmt mit Bäumen. Zögernd kommt Sesshomaru zum stehen. Hier endet urplötzlich die Spur. Sie führt noch bis zum Ufer, doch das Wasser verschluckt auch noch die letzte Essenz des Geruches. Sie muss wohl den See schwimmend überquert haben. Innerlich flucht Sesshomaru, dass er sich ein solches Schnippchen hat schlagen lassen. Aufmerksam sieht er sich um und zieht einmal mehr die Luft ein. Hier hängt der Geruch etwas stärker in der Luft. Sie muss erst kürzlich hier gewesen sein. Offenbar kommt sie öfters hierher. Es wird ihm wohl nichts anderes übrigbleiben, als das komplette Ufer des Sees nach ihrer Spur abzusuchen, wenn er nicht vorhat, hier auf ihren nächsten Besuch zu warten. Auf einmal stellen sich Sesshomarus Nackenhaare auf. Irgendetwas geht hier vor. Langsam wendet er sich wieder dem See zu. Die bisher so ruhige Oberfläche wird nun urplötzlich von kleinen, schnellen Wellen überspült und ein elektrisches Knistern liegt in der Luft. Irritiert schaut Sesshomaru auf das Wasser. Hier und da sieht er nun Fische die an die Oberfläche getrieben werden und dort, mit dem Bauch nach oben, vor sich hindümpeln. Was hat das zu bedeuten? Und auf einmal spürt er es! Eine mächtige Aura überflutet die Ebene und legt noch mal ein paar Tonnen mehr auf die ohnehin schon drückende Luft hier am See. Mehr interessiert als besorgt blickt der junge Westfürst sich um. Ein Verursacher ist zwar nicht zu sehen, doch das heißt noch nichts. Sein Blick wird nun angezogen von unzähligen, chaotisch plätschernden, kleinen Wellen die den See in einen brodelnden Kessel verwandeln. Gerade will er das Phänomen aus der Nähe in Augenschein nehmen, als plötzlich etwas seine Aufmerksamkeit einfängt. Auf dem See, in der Nähe des Ufers bricht nun ein Kopf durch die Wasseroberfläche und mit kraftvollen Schritten bewegt sich die Person, die dazu gehört, auf das Ufer zu. Sesshomaru blickt wie gebannt auf diese Erscheinung. Sie ist es! Mit geschmeidigen aber kraftvollen Bewegungen durchpflügt die schlanke Youkaifrau das Wasser als wäre es Gras. Ohne zu zögern, schreitet sie weiter auf den Strand zu. Ihre knielangen, schwarzen Haare schmiegen sich feucht um ihren Körper als wollten sie wenigstens ein wenig ihrer Blöße bedecken, denn sie ist vollkommen nackt. Selbst noch in der sinkenden Sonne wirkt ihre Haut unnatürlich blass und hat einen fast schon perlmuttfarbenen Teint. Natürlich hat sie Sesshomaru entdeckt und nun spielt um ihre Lippen ein sonderbares Lächeln. Ungeniert tritt sie ans Ufer und mit dunkelviolett schillernden Augen blitzt sie ihn amüsiert an. Und nun trifft es Sesshomaru wie ein Schlag ins Gesicht. Dieser Geruch! Unter der stickigen Luft steigert sich die Intensität ihrer Witterung ins fast schon schmerzlich Unerträgliche. Das Wasser hat jeglichen Fremdgeruch fortgespült und übrig bleibt nur noch die klare, unverfälschte Essenz dieser, im wahrsten Sinne des Wortes, atemberaubenden Silhouette vor der abendlich sinkenden Sonne. Unwillkürlich schnappt Sesshomaru nach Luft. Das hat er nicht erwartet. Niemals hätte er gedacht, dass ihm eine Witterung mal buchstäblich den Atem rauben könnte und er ist sich nicht sicher, ob ihm das gefällt. Noch immer steht sie einfach da und blickt ihn leicht belustigt an. Er kann es nicht verhindern, dass sich sein Herzschlag beschleunigt. Fieberhaft versucht er sich zu überlegen, was er nun tun soll, doch seine Gedanken wollen einfach nicht so, wie er will. Soll er wegsehen? Das würde seine Verlegenheit nur noch deutlicher machen. Doch wenn er sie weiter anschaut, könnte sie glauben, er würde Gefallen an ihr finden. Beide Möglichkeiten behagen ihm nicht. Sie ist eine Streunerin, verdammt noch mal! Ruft er sich innerlich scharf zur Ordnung. Es ist egal was sie denkt! Er ist der Fürst des Westens! Wenn er will, kann er sie ansehen so lange er will. Schließlich ergreift die Streunerin das Wort: „Na so was, Euch habe ich hier nun nicht erwartet.“ In diesem Moment wird Sesshomaru klar, dass es eigentlich keinen plausiblen Grund gibt, weshalb er hier ist. Aber muss er seine Anwesenheit wirklich rechtfertigen? Er schweigt, doch aus den Augen lässt er sie nicht. Der Streunerin ist sein fixierender Blick nicht entgangen. Leicht legt sie den Kopf auf die Seite: „Gefällt Euch, was Ihr seht?“ Für einige Sekunden hängt diese Frage schwer in der Luft, während der junge Fürst krampfhaft überlegt, was er darauf antworten soll. Gefällt es ihm tatsächlich? Diesen Gedanken muss er erst einige Male hin und her bewegen, ehe er darauf eine Antwort geben kann. Er ertappt sich dabei, dass ihm zum ersten Mal in seinem Leben gänzlich die Worte fehlen. Schließlich gelingt es ihm, seine Unsicherheit beiseitezustellen und so gleichmütig wie möglich sagt er: „Ich frage mich lediglich, ob du bereits des Lebens überdrüssig bist, so unbekümmert und freizügig wie du hier badest. Das ist sehr unvorsichtig.“ Dieses Mal erspart er sich die Höflichkeitsform. „Sagt bloß nicht, Ihr seid um meine Sicherheit besorgt“, das Lächeln um ihren Mund hat einen leicht skeptischen Zug bekommen. „Davon kann wohl kaum die Rede sein!“, gibt Sesshomaru zurück, „Ich kann mir jedoch nur schwer vorstellen, dass ein paar Schwimmzüge zum Vergnügen, dieses Risiko wert sind.“ Ist es ihr den überhaupt nicht peinlich, wie sie so dasteht? „Ach, das meint ihr!“, sie blickt über die Schultern und dann macht sie wieder ein paar Schritte in den See, packt rasch zu und hebt mehrere Fische heraus. „Das ist bloß Abendessen.“ Verwundert legt Sesshomaru die Stirn in Falten: „Eine etwas übertriebene Fangmethode, findest du nicht?“ „Sie ist effektiv!“, stellt die Streunerin entschlossen fest. Langsam bekommt Sesshomaru sich wieder in die Gewalt, auch wenn ihr Geruch ihn noch immer mit der Wucht einer Keule trifft. Doch selbstbeherrscht kommt er einen Schritt näher. Sie soll nicht denken, dass er ihre Stellung vergessen hätte. „Du lieferst dein Leben für ein paar Fische aus?“ Seine Stimme hat nun einen bedrohlichen Klang bekommen, und nun ist sie es, deren Augen schmal werden. „Wer sagt denn, dass ich es ausliefere!“ In diesem Moment nimmt Sesshomaru rechts von sich eine Bewegung wahr und er blickt sich um. Eine Gestalt kommt zwischen den Bäumen hervorgeschossen und einen Sekundenbruchteil später schiebt sie sich zwischen die Streunerin und Sesshomaru und richtet drohend einen Speer auf ihn. Es ist Yaeba. Sesshomaru hält inne und mustert den Krieger, der ihn wütend und entschlossen anfunkelt. „Keinen Schritt weiter, Nishi-aitsu! Oder deine Reise endet hier und jetzt!“ Mehr überrascht als eingeschüchtert hebt Sesshomaru die Brauen. Dies war scheinbar eine ernst gemeinte Drohung. Ob dieser Yaeba sich als so etwas wie ihren Leibwächter sieht? Wie töricht! Sie ist ein Daiyoukai. Sicher kann sie für sich selbst kämpfen. Doch irgendetwas sagt ihm, dass hier mehr hinter der Sache steckt. In Yaebas Augen liegt solch grimmige Entschlossenheit, dass es bereits über reines Pflichtgefühl hinausgeht. Mit halbem Kopf zurück ohne Sesshomaru aus den Augen zu lassen, fragt er nach hinten: „Chutaisho, seid Ihr in Ordnung, hat er Euch angefasst?“ Plötzlich legt sich eine Hand auf seine Schulter: „Nimm die Waffe runter, Yaeba!“ Der Befehl ist kurz und knapp. „Wir haben uns lediglich unterhalten. Es ist schon in Ordnung!“ Ruckartig fährt Yaeba herum: „Bitte, hört auf, Euch immer solchen Risiken auszusetzen!“ In seiner Stimme liegt Ärger aber auch Sorge und Resignation. Doch urplötzlich reißt er die Augen auf und hastig wendet er sich wieder ab. Sesshomaru erkennt selbst von hieraus, dass er errötet. „Und bekleidet Euch doch, verdammt noch mal!“, setzt er zerknirscht hinzu. Sie seufzt entnervt. „Ach, was du nur wieder hast!“ Für einen kurzen Moment senkt sie den Blick, dann hebt sie ihre Hand, die nun von einem zart rötlichen Licht umwabert wird und presst die Faust auf die Brust. Augenblicklich hüllt der rötliche Schimmer ihren gesamten Körper ein und nur Augenblicke später formen sich Konturen von Kleidung. Das Ganze dauert nur ein paar Sekunden und als das Licht verblasst, trägt sie einen edlen, hellblauen Hakama und einen türkis-weiß gemusterten Kimono. Darüber ist ihr Oberkörper in einen fein verzierten Lederbrustpanzer gehüllt und über ihre Schultern wallt ihr nun je ein hüftlanger Strang dunkelgrauer Pelz herab. Ihre Haare sind trocken und zu einem langen Zopf auf dem Hinterkopf zusammengebunden. Nur links und rechts hängt ihr eine Strähne schwarzes Haar am Gesicht bis zu dem blau-weißen Gürtel herunter. Unwillkürlich beeindruckt, schaut Sesshomaru sie an. In dieser Kleidung wirkt sie in der Tat eher wie ein Daiyoukai als wie ein dahergelaufener Streuner. „Ich dachte mir, diese Kleidung ist wohl ein wenig angemessener als meine übliche“, sagt sie nun mit einem leichten Lächeln, „Wir haben schließlich hochherrschaftlichen Besuch.“ „Wer sagt, dass ich zu Besuch bin?“, gibt Sesshomaru zurück. Ihre Brust hebt sich etwas als sie nun ihrerseits die Luft prüft. „Wie ich sehe, habt Ihr den Fürsten des Ostens bereits aufgesucht. Und da Ihr noch nicht versucht habt, mich zu töten, muss ich wohl annehmen, dass Arashitsume es nicht geschafft hat, Euch für seine Sache zu gewinnen. Somit interessiert es mich durchaus, zu welchem Zweck Ihr nun hier seid.“ Sie versteht es, sich gewählt auszudrücken, stellt Sesshomaru fest. Man merkt ihr ihre adlige Abstammung an. Trotzdem liest er in ihren Worten nichts von den Täuschungsversuchen, die Arashitsume angedeutet hat. Ein mal mehr ist sein Interesse geweckt. „Dein Bruder hat in der Tat verschiedenes über dich erzählt“, entschließt er sich zum Gegenangriff überzugehen, „Doch ich bilde mir lieber selbst meine Meinung!“ Für einen kurzen Moment hält sie innen. Dann macht sie ein paar Schritte auf Sesshomaru zu: „So, hat er Euch das also verraten?“ Sesshomaru lässt sie nicht aus den Augen. Wieder steigt ihr eigenartig verlockender Geruch zu ihm auf. „Früher oder später, hätte ich es ohnehin bemerkt“, entgegnet er, „Mein Geruchssinn ist ausgezeichnet!“ „So, ist er das?“, kommt die leicht herausfordernde Frage. Wieder mach sie ein paar Schritte auf ihn zu. Mit jedem Schritt nimmt ihr Duft an Intensität zu. Sesshomaru muss unwillkürlich nach Luft schnappen, doch er versucht mit aller Selbstbeherrschung, sich nichts anmerken zu lassen, doch sein gesamter Körper wird steif dabei. In seinem Kopf purzeln die Gedanken durcheinander und ein wohliger, warmer Dunst legt sich über seine Sinne. Was, zum Teufel, tut sie mit ihm? Um sich wieder in den Griff zu kriegen, mach er ein paar rasche Schritte an ihr vorbei und tritt an das Ufer des Sees. Hier lässt es sich leichter atmen. Er mag es nicht zugeben, aber was auch immer diese Frau mit ihm macht, es ist sehr effektiv! Ob das ein Test ist, ein Test, der seine Selbstbeherrschung prüfen soll? Was wird sie tun, wenn er sich auch nur die kleinste Blöße gibt? Verdammt, er verliert schon wieder die Initiative. Das kann er nicht zulassen. Nicht gegenüber einer Streunerin! Dann würde er für alle Zeiten sein Gesicht verlieren. Er schluckt einmal schwer, dann unterwirft er seine Zunge wieder seiner Kontrolle. „Dein Bruder hat offenbar recht gehabt. Du gefällst dir tatsächlich in der Rolle der Fürstentochter“, zu seiner Irritation gesellt sich nun auch Ärger, „Doch du bist nichts weiter als eine Streunerin!“, er wendet sich zu ihr um, „Keine Garderobe der Welt wird das ändern!“ Zum ersten Mal liegt nun Verblüffung auf ihrem Gesicht. Doch dann legt sich ihre Stirn verärgert in Falten: „Was hat denn mein ach so vollkommener, fürstlicher Bruder sonst noch so über mich erzählt?“ Erleichtert darüber, etwas Initiative zurückgewonnen zu haben, macht Sesshomaru wieder einen Schritt auf sie zu. „Eine ganze Menge. Er erzählte wie du deinen Vater verraten und das Geschenk für Inu Taihyouga gestohlen hast. Dann wärst du zusammen mit der Delegation aus dem Norden geflohen und dein Vater wurde von Inu Taihyouga getötet.“ Sesshomaru behält die Youkaifrau genau im Auge. Ihre Miene wechselt bei der Schilderung zunächst zu purer Erheiterung doch letztendlich zu mühsam unterdrücktem Ärger. Täuscht er sich, oder schieben sich ihre Reißzähne etwas unter ihren Lippen hervor. Überrascht stellt er fest, dass ihr Geruch sich leicht verändert hat, nun ist es etwas erträglicher. Dadurch ermutigt fügt er noch hinzu: „Versuch also nicht so zu tun, als würdest du auf einer Stufe mit mir stehen! Du bist eine Streunerin, eine Verräterin und eine Diebin und du tätest gut daran, zu erkennen wo dein Platz ist. Sei froh, dass ich noch so gnädig mit dir bin!“ Hoch aufgerichtet steht er da. Er legt so viel Geringschätzigkeit in diese Worte wie ihm möglich ist. Wie er nun feststellt ist auch Yaebas Gesicht mit jedem weiteren Wort finsterer geworden. Der Ostyoukai fletscht sogar die Zähne und fasst seine Waffe erneut fester. Drohend wendet er sich an Sesshomaru: „Hütet Eure Zunge, Nishi-aitsu! Wagt es nicht noch einmal in diesem Ton mit Chutaisho zu sprechen. Was wisst Ihr denn schon?“ Doch einmal mehr wird er unterbrochen. Mit einer ehrfurchtgebietenden Handbewegung schiebt Hanaki ihren Befehlshaber beiseite. Hoch aufgerichtet tritt sie auf Sesshomaru zu. Ihrem Blick fehlt nun jegliches Lächeln. „Ihr glaubt, alles über mich zu wissen, doch Ihr solltet besser kein Wort von dem glauben, was mein Bruder sagt.“ „Seltsam!“, meint Sesshomaru herablassend, „Das Gleiche sagte er auch über dich.“ Ihr Gesicht läuft purpurrot an und ihre Nasenflügel flattern. Als sie spricht ist ihre Stimme ein Grollen: „Arashitsume hat Euch von dem Geschenk erzählt, ja? Hat er denn auch erwähnt, dass ich dieses Geschenk sein sollte?“ Verblüfft schaut Sesshomaru sie an. Damit hat er tatsächlich nicht gerechnet. Ärgerlich verschränkt Hanaki die Arme. „Bei einem Besuch von Inu Taihyouga stellte mein Vater fest, dass der Fürst des Nordens... nun, Gefallen an mir gefunden hatte. Also beschloss, er mich mit Inu Taihyouga zu verheiraten. Er hoffte so, Einfluss über den Norden zu bekommen. Mein Vater hatte schon immer ein großes Interesse daran, Macht zu erlangen. „Und ja, ich weigerte mich! Ich sagte den beiden Kriegern aus dem Norden, die mich abholen sollten, dass ich nicht mit ihnen gehen würde und sie gerne versuchen könnten, mich aufzuhalten. Wie sich herausstellte, hatten die beiden nicht mit so viel Widerstand gerechnet.“ An dieser Stelle muss sie ein wenig schmunzeln, als würde sie sich an etwas Lustiges erinnern. „Letztendlich hatten sie kein Interesse, es auf einen Kampf mit mir ankommen zu lassen, also ließen sie mich ziehen. Doch da sie um ihr Leben bangen mussten, wenn sie unverrichteter Dinge zu Inu Taihyouga zurückkehren würden, beschlossen sie kurzerhand, sich mir anzuschließen. Mein Vater wurde sehr zornig, als er es erfuhr und vor Wut verstieß er mich aus unserem Clan. Natürlich war auch Inu Taihyouga sehr verärgert. Er warf meinem Vater Verrat vor und zog gegen ihn in die Schlacht. Bei diesem Kampf wurde mein Vater von Inu Taihyouga getötet.“ „Soweit hätte es gar nicht erst kommen müssen“, unterbricht Sesshomaru sie ernst, „Dieser Kampf wäre zu vermeiden gewesen. Du hättet einfach deiner Familie die Treue halten müssen. Immerhin warst du eine Fürstentochter. Wenn der Frieden eures Reiches deine Freiheit kostet, dann ist das nur ein geringer Preis, findest du nicht? Es ist zutiefst schändlich sein Reich im Stich zu lassen. Ein Fürst sollte immer das Wohl seines Reiches vor das eigene stellen. Wenn du dazu nicht bereit bist, verdienst du es nicht, eine Prinzessin zu sein!“ Sprachlos blickt sie ihn an. Entgeistertes Erstaunen liegt auf ihrem Gesicht. Es dauert einige Sekunden ehe sie ihre Sprache wieder findet. Als sie spricht ist ihre Stimme leise und kein bisschen mehr aggressiv: „Ich will... nicht behaupten, dass ich alles richtig gemacht habe, aber glaubt Ihr denn, ich hätte es nur aus Abneigung gegen Inu Taihyouga getan? Wäre es so, hättet Ihr sicher recht. Doch ich tat es, um meinen Vater vor einem gewaltigen Fehler zu bewahren! „Inu Taihyouga ist vielleicht wild und unbeherrscht, aber er ist gewiss nicht dumm! Selbst er wäre in der Lage, aus einer solchen Heirat Profit zu schlagen. Wäre ich seine Frau, stünde ihm der Weg zum Osten offen. Diese Heirat hätte dazu geführt, dass die beiden Reiche nicht mehr für sich selber stehen könnten und bei einem direkten Kräftemessen, würde mein Vater sicher unterliegen, wie wir ja leider erkennen mussten.“ Sie senkt den Blick. „Ich habe versucht ihn zu überzeugen, doch er war zerfressen von Gier!“, sie ballt die Faust, „Ich sah einfach keinen anderen Weg, um ihn aufzuhalten, als zu fliehen. Doch als ich hörte, dass er gegen Inu Taihyouga zu unterliegen drohte, konnte ich nicht mehr fern bleiben. Kegawa und Samushi begleiteten mich und gemeinsam fielen wir in den Kampf mit ein. Mein Vater war bereits tödlich getroffen, doch... wir kämpften verbissen weiter und schlugen Inu Taihyouga in die Flucht. „Mein Vater war bereits tot und da ich noch immer eine Ausgestoßen war, wurde Arashitsume der neue Fürst. Es stand nun in seiner Macht, mich wieder in den Clan aufzunehmen. Doch er weigerte sich! Er warf mir Verrat vor und, dass ich alleine Schuld am Tod unseres Vaters wäre. Doch einige seiner Soldaten konnten meine Gründe verstehen“, sie wirft einen fast schon milden Blick auf den Ostyoukai neben ihr, „Sie hielten zu mir und versuchten, ihn zu überzeugen, doch er blieb hart. „Ich befürchte, dass er eingeschüchtert war von meiner Stärke. Wahrscheinlich hatte er Sorge, ich könnte ihm die Macht entreißen, wenn ich wieder in den Clan aufgenommen würde, denn ich bin die Ältere von uns beiden.“ Ein schiefes Lächeln zieht über ihr Gesicht, „Kann man sich das vorstellen? Er bot mir an, mich wieder aufzunehmen, wenn ich doch noch in die Heirat einwilligen würde. Er hoffte wohl Inu Taihyouga damit von einem Vergeltungsschlag abhalten zu können. „Doch ich hatte einfach genug davon! Ich wollte nicht Fürstin werden, ich wollte einfach nicht mehr hören, dass die Leute sich mehr für meinen Rang interessieren als für meine Taten. Ich schwor Arashitsume zu beweisen, dass ein Status ohne Taten und Würde keinen Wert besitzt, dass man sich Respekt verdienen muss und ihn nicht einfach einfordern kann. Doch davon wollte er nichts hören. Er jagte mich fort und auch alle die zu mir hielten. Doch obgleich wir jetzt Ausgestoßene sind und keine Heimat mehr besitzen, fühle ich mich doch meiner ursprünglichen Heimat verbunden. Ich gehe nicht oft aus dem Osten fort, auch wenn Arashitsume das gerne sehen würde. Doch er wagt nicht, etwas gegen uns zu unternehmen. Er fürchtet noch immer unsere Stärke und unsere Einheit, denn auch wenn Arashitsume es nicht wahrhaben will, so erinnert er sich noch gut an den Kampf von damals und daran, wie wir Inu Taihyouga in die Knie zwangen.“ Hier endet sie. Aufmerksam hat Sesshomaru zugehört. Er ist erstaunt. Diese Erklärung leuchtet ihm mehr ein, als die Geschichte die der Fürst des Ostens erzählt hat, doch sagte er nicht auch, dass seine Schwester eine gute Schauspielerin sei? Er kann sich nicht helfen, trotz allem, glaubt er eher ihr als ihrem Bruder. Und ob er will oder nicht, irgendwie kann er ihre Gründe nachempfinden. Die Frage bleibt jedoch immer noch, ob er ihr trauen kann. Er ertappt sich dabei, das er ihr gerne glauben würde. Eine kleine Weile lang bewegt er ihre Worte in seinen Gedanken. Schließlich sagt er: „Warum erzählst du mir das alles? Es ist nicht meine Aufgabe, über diese Angelegenheit zu urteilen. Für mich kann nur von Interesse sein, ob von euch Streunern oder von den Fürsten der anderen Reiche eine Gefahr für den Westen ausgeht. Eure innenpolitischen Zwistigkeiten sind für mich wenig von Bedeutung, solange ihr sie nicht zu außenpolitischen macht.“ Sie hebt den Kopf und blickt ihn direkt an: „Ich erzähle Euch das, aus den gleichen Gründen weshalb Ihr hier seid! Ich trage die Verantwortung für meine Leute, sowie Ihr für die Euren. Auch ich muss wissen, ob der neue Fürst des Westens für mein Rudel eine Gefahr darstellt. Das war auch der Grund warum ich Euch neulich aufsuchte.“ Nun ist es an Sesshomaru die Initiative zu übernehmen. „Und zu welchem Schluss bist du gekommen?“ Für einen Moment mustert sie ihn abschätzend. „Ich denke, eine Art Waffenstillstand ist wohl die treffendste Bezeichnung. Was meint Ihr?“, gibt sie die Frage zurück. Sesshomaru überlegt kurz, da ist noch diese eine offene Frage. „Das werde ich entscheiden, nachdem ich dein gesamtes Rudel kennen gelernt habe.“ Sie nickt kurz. „Das klingt annehmbar!“ Nun wendet sie sich an Yeaba: „Ruf sie zusammen!“ Der Angesprochene bestätigt durch ein rasches Kopfnicken, dass er verstanden hat. Trotzdem wirft er Sesshomaru einen finsteren Blick zu und verlässt offenbar nur widerwillig die Seite seiner Anführerin. „Nehmt ihm sein Verhalten nicht übel!“, bemerkt sie als der Krieger zwischen den Bäumen verschwunden ist, „Er nimmt seine Aufgabe sehr ernst. Ich wünschte, ich könnte das von all meinen Untergebenen sagen. Er ist der einzige dem ich vollkommen vertraue.“ Sie lächelt ein wenig. Ihr Duft nimmt nun wieder an Intensität zu. Sesshomaru schluckt einmal schwer. Macht sie das mit Absicht, oder hat es andere Gründe? Doch er hat noch nie von jemandem gehört, dessen Geruch sich willkürlich ändern ließe. Zu gerne wüsste er was dahinter steckt, doch er fragt lieber nicht. Lieber beißt er sich die Zunge ab, als zuzugeben, dass ihn ihr Geruch erregt. Da plötzlich hebt Hanaki den Kopf. „Ah, sie sind da!“, sagt sie. Nur wenige Augenblicke später fallen um sie her sechs Youkais herab und kommen geschmeidig wieder zum Stehen. Sessomarus Gesicht legt sich in Falten als er die Neuankömmlinge mustert, denn er blickt nun in fünf purpurne, zwei eisblaue und ein goldgelbes Paar Augen. Kapitel 23: Streuner -------------------- damals... „Was hat der hier zu suchen?“ Samushi ist der erste der Neuankömmlinge, der seine Sprache wiederfindet. Folgsam sind die Streuner dem Ruf ihrer Anführerin gefolgt. Doch wie groß ist ihre Überraschung, als sie dort nun noch einen weiteren Daiyoukai antreffen. Nicht nur einen Daiyoukai sondern den Fürst des Westens persönlich. Überrumpelt, besorgt und skeptisch blicken die sechs Youkais Sesshomaru an. Ihnen ist ohne Zweifel anzusehen, dass sie seine Anwesenheit hier in keinster Weise gut heißen. Alleine die Nordyoukais wagen es, ihrem Ärger Luft zu machen. „Ja, verdammt!“, pflichtet Kegawa seinem Freund sofort bei, „Haben wir den Typen nicht erst neulich in seine Schranken gewiesen?“ „Nee, ham wir nicht!“, raunt Samushi ihm zu, „Yaeba kam uns dazwischen.“ „Ach ja, richtig!“, erinnert sich Kagewa und dann redet er wieder laut, „Aber wir hätten, wenn der Ostler uns nicht aufgehalten hätte!“ „Wollt ihr wohl die Klappe halten, ihr zwei Vollidioten?“, brummt nun einer der Ostyoukais, der ein Stück hinter Yaeba steht. „Halt doch selbst die Klappe, Katsubou!“, schnappt Samushi zurück. „Samushi, der Nishi-aitsu haut dich gleich, wenn du so weitermachst. Guck mal, der guckt schon ganz sparsam!“, die helle Stimme stammt von dem zierlichen Ostyoukai der ein paar Schritte entfernt auf dem Boden hockt und Sesshomaru mit blitzenden Augen und frechem Gesicht angrinst. „Ja, wahrscheinlich überlegt er sich gerade, ob du als Zwischenmahlzeit ausreichst“, fügt der große, kräftige Ostyoukai, der hinter dem Zierlichen steht, hinzu, „Aber da brauch er sich keine Sorgen machen, so fett wie du bist!“ Wütend springt Samushi auf den Ostyoukai zu und packt ihn am Brustpanzer. „Ich bin nicht fett, klar? Brauchst du schon wieder ne Abreibung, Raihone? Soll ich dir diesmal das Rückgrat brechen, damit du Ruhe gibst, oder reichen vielleicht ein, zwei Arme?“ „Schweigt!“, kommt der knappe aber scharfe Befehl von Hanaki. Erstaunlicherweise ist schlagartig Ruhe und sämtliche Streuner senken die Köpfe. Lediglich Samushi gibt Raihone noch einen schmerzhaften Hieb in die Rippen. Mit geschürzten Lippen blickt Hanaki kurz zu Boden. „Verzeiht mir Sesshomaru-sama, meine Untergebenen wissen offenbar nicht was sich in Gegenwart eines Fürsten gehört.“ Als wäre das ein Befehl, sinken augenblicklich sämtliche Youkais auf die Knie hinab und senken den Blick. Einen langen Moment mustert Sesshomaru nur schweigend die Szene. Ganz offenbar hat diese Frau ihre Leute fest im Griff. Mit langsamen Schritten kommt er näher und mustert die Youkais genauer. Keiner von ihnen wagt es, aufzubegehren, doch er erkennt wie ihm mehrere der Augenpaare verstohlen folgen. Was für ein undisziplinierter, verkommener Haufen von Raufbolden! Tatsächlich scheinen die Einzigen, die sich zu benehmen wissen, Yaeba und Dieser dort zu sein! Hoch aufgerichtet baut sich nun Sesshomaru vor dem einzigen Westyoukai in diesem Rudel auf. „Du, steh auf!“, befiehlt er. Geschmeidig kommt der Youkai auf die Füße und blickt Sesshomaru nun direkt an. Doch seine Bewegungen sind steif und seine Miene ist regungslos. Nur seine goldgelben Augen verraten, dass er am liebsten diese Situation vermeiden würde. „Kossoridoku!“, sagt Sesshomaru ruhig, „Hier bist du also!“ Der Angesprochene wagt nicht den Blick abzuwenden, doch er sagt auch kein Wort. „Das ist unerwartet.“, fügt Sesshomaru ausdruckslos hinzu. Kühl betrachtet er den Westyoukai. „Wie kommt es, dass du dich entschlossen hast, dich den Streunern anzuschließen?“ Der Angesprochene scheint einen Moment zu zögern, dann sagt er: „Ein Rudel von Wolfsyoukais stellte mir nach. Hanaki-dono kam mir zu Hilfe und aus Dankbarkeit gelobte ich ihr Treue.“ Sesshomarus Miene bekommt etwas verächtliches. „Weiß sie denn, was von deinem Treueschwur zu halten ist?“ Kossoridokus Augen sprühen nun vor Kälte: „Sie kann sich meiner Treue sicher sein. Ich verdanke ihr mein Leben!“ Doch Sesshomarus Blick sinkt gerade unter den Gefrierpunkt. Als er spricht ist seine Stimme ein Grollen: „Einer Streunerin schwörst du die Treue doch meinen Vater, einen Fürsten, verrätst du. Du verdienst deine Verbannung, daran besteht kein Zweifel. Müsste ich nicht damit rechnen, dass deine Gönnerin dich wieder beschützt, würde ich dir augenblicklich den Kopf von den Schultern trennen, schmutziger Verräter!“ Kossoridoku spürt instinktiv, dass der junge Fürst des Westens gerade ernsthaft über sein unmittelbares Schicksal entscheidet und so sieht er sich genötigt, etwas dazu zu sagen: „Ich kann nicht von Euch verlangen, dass Ihr mir verzeiht. Doch Euer Vater richtete bereits über mich, und er schenkte mir das Leben.“ Drohend kommt Sesshomaru näher: „Und du glaubst das rettet dich? Ich bin nun der Fürst! Ich entscheide!“ Unwillkürlich beginnt ein giftig grünes Licht um Sesshomarus Hand zu leuchten. Kossoridoku wird steif und seine Miene ist steinern. Nur seine Augen zeigen Beklommenheit. Doch gerade als Sesshomaru seine gespreizten Klauen zum Schlag erheben will, packt ihn ein fester Griff am Arm. Sei Kopf fliegt herum und sein Blick trifft den Hanakis. Unmissverständlich blickt sie ihn an: „Nein! Das gestatte ich nicht!“ Für ein paar Sekunden scheint Sesshomaru mit sich zu ringen. Wütend starrt er die Daiyoukai an und seine Kiefer mahlen grimmig. Dann schnaubt er einmal wütend auf, reißt sich von ihr los und Sekundenbruchteile später hat er dem Westyoukai vor ihm einen solch heftigen Schlag verpasst, dass er hart auf dem Boden aufschlägt. Vorsichtig setzt Kossoridoku sich wieder auf, fährt sich über seine zerfetzte Wange und doch wirkt er erleichtert. Er ist noch am Leben. Aufgewühlt versucht Sesshomaru sich wieder zu beruhigen. Er atmet einmal tief ein und aus, doch das ist ein Fehler. Wieder erfasst ihn der eigenartige Geruch der Streunerin und raubt ihm fast die Sinne. Er keucht. Rasch wendet er sich ab. Nein, er wird sich davon auf keinen Fall unterkriegen lassen. Das wäre ja gelacht! „Geh mir aus den Augen, Köter!“, zischt er giftig. Kossoridoku blickt zu seiner Anführerin hinüber. Sie nickt leicht. Dann schaut er noch einmal zu Sesshomaru hinüber und Augenblicke später ist er bereits im Wald verschwunden. „Ich bin überrascht, dass Ihr ihn tatsächlich verschont habt!“, sagt Hanaki. Sesshomaru schweigt. „Wollt Ihr mir sagen, weshalb er, Eurer Ansicht nach, den Tod verdient hat?“, versucht sie es erneut. „Hat er dir das nicht erzählt?“, fragt Sesshomaru grimmig zurück. „Die Vorgeschichte meiner Leute ist für mich nicht von Belang. Wichtig ist mir nur, wie sie sich unter meiner Führung verhalten.“ „Wozu willst du es dann jetzt wissen?“, meint Sesshomaru ärgerlich. Sie legt den Kopf schief: „Ich bin einfach neugierig, was Euch so sehr in Rage bringen könnte. Es ist sicher gut zu wissen, was zu vermeiden ist, wenn man nicht Euren Zorn erregen will.“ „Du willst sagen, es geht dir nur um das Wohl deines Rudels?“ „Ist das denn so abwegig?“, sie hebt das Kinn, „Ich nehme meine Rolle als Anführerin sehr ernst und ich bin sicher Euch geht es ebenso!“ „Hey, dem hat sie's gegeben!“, ertönt plötzlich die hämische Bemerkung. Sesshomaru wirft einen schweigsamen wenn auch finsteren Blick in die Runde. Offenbar wird nun auch Hanaki bewusst, dass die verbliebenen Streuner noch immer in ein paar Metern Entfernung stehen und die Unterhaltung mit großem Interesse und zum Teil hämischen Grinsen verfolgen. Ärgerlich wendet sie sich an die frechen Youkais: „Habt ihr nichts Besseres zu tun? Holt euch euer Essen und dann verschwindet! Ich bin beschäftigt!“ Schmollend und vereinzelt kichernd drehen sich die Angesprochenen um und stürzen sich mit lautem Platschen in den See, um so viele Fische wie möglich einzusammeln. Raiuko und Raihone machen einen Wettkampf daraus und es ist ihnen ein Spaß, den beiden Nordyoukais möglichst viele Fische vor der Nase wegzuschnappen. Wüstes Fluchen und anschließendes Lachen ist die Folge. Nur Yaeba ist am Ufer stehen geblieben und beobachtet kopfschüttelnd wie die anderen Streuner sich austoben. „Manchmal sind sie wirklich wie die Kinder!“, meint Hanaki entschuldigend. Dann wird ihre Miene wieder ernst. „Mögt Ihr mir nun erzählen, weshalb Kossoridoku den Westen verlassen musste?“ Ein wenig geistesabwesend beobachtet Sesshomaru das Treiben auf dem See. „Nein!“, sagt er kurz. Abschätzend legt Hanaki den Kopf schief: „Es scheint Euch doch sehr zu beschäftigen. Mögt Ihr es mir nicht doch anvertrauen?“ Nun wendet Sesshomaru sich ihr zu. „Ich sagte Nein!“, wiederholt er, „Welchen Grund hätte ich, dir irgendetwas derartiges anzuvertrauen? Du vergisst schon wieder deine Position!“ Sie weicht seinem Blick nicht aus, doch sie wirkt etwas irritiert. „Ihr seit völlig anders als alle Fürsten die ich bisher traf, Sesshomaru-sama!“ „Was willst du damit andeuten?“, fragt er wachsam. Sie öffnet schon den Mund, um zu antworten, doch dann überlegt sie es sich anders. „Gar nichts!“ „Dann rede nicht so daher!“, meint Sesshomaru unwirsch. Für eine Weile fällt kein Wort zwischen ihnen. Dann sagt sie: „Gewährt Ihr uns die Gunst, uns beim Essen Gesellschaft zu leisten? Es ist kein sehr anspruchsvolles Mahl, doch es wäre uns eine Ehre, es mit Euch zu teilen!“ Unwillkürlich gehen Sesshomarus Gedanken zurück zu Arashitsumes Bankett. Nein, sicher kommt diese schlichte Fischmahlzeit bei weitem nicht an die ausgefeilte Küche des Osten heran, doch selbst diese Raffinesse konnte ihm das Essen nicht schmackhafter machen. Die Gesellschaft hat es ihm verleidet. Nachdenklich blickt er wieder hinüber zu den ausgelassenen Streunern die noch immer im Wasser herumtoben. Der Nordyoukai Samushi hat Raihone zu fassen bekommen und ist gerade dabei, ihn gewaltsam ersäufen zu wollen, während der zierliche Youkai nun seinerseits Samushi im Würgegriff festhält und der Youkai mit Namen Kegawa gerade unbarmherzig auf den kleinen Ostyoukai einschlägt, um ihn von seinem Kameraden zu lösen. Der Ostyoukai Katsubou sammelt indessen seelenruhig die Fische um ihn her ein und scheint sich kein bisschen um den Kampf der anderen zu kümmern. Offenbar ist er solche Auseinandersetzungen gewöhnt. Sesshomarus Blick geht nun hinüber zu Yaeba der noch immer am Ufer des Sees steht, doch nun beobachtet er den Westfürsten aufmerksam und Sesshomaru wird das Gefühl nicht los, dass der Ostyoukai es am liebsten sähe, wenn er hier so bald wie möglich verschwinden würde. Doch warum sollte er ihm diesen Gefallen tun? Er wendet sich wieder an Hanaki. „In Ordnung!“, sagt er. Schlimmer als die Gesellschaft Arashitsumes kann das hier nicht sein. Nun geht ein strahlendes Lächeln über Hanakis Gesichts und Sesshomaru muss unwillkürlich schlucken. Sie ist einfach unbeschreiblich schön, wenn sie lächelt! Warum ist ihm das noch nicht früher aufgefallen? Doch augenblicklich ruft er sich wieder selbst zur Ordnung. Nein, es ist ein Ding der absoluten Unmöglichkeit, dass er sich auf irgendetwas in der Art einlassen kann! Ihr Aussehen hat ihm egal zu sein. Er hat eine Pflicht zu erfüllen. Ja, sie ist ja noch nicht einmal auf seinem Rang. So etwas kann niemals sein! Energisch verbannt er die Gedanken aus seinem Kopf. Er wird lediglich mit ihnen essen und dann sofort weiter ziehen! Hier gibt es nichts mehr für ihn zu tun. Die Streuner stellen für sein Reich wohl keine Bedrohung dar, solange Hanaki sie unter Kontrolle hat. Und das hat sie! Nach der Mahlzeit wird er also umgehend aufbrechen, naja... oder zumindest bald darauf. Sein Blick geht zum sich immer mehr verdunkelnden Himmel. Eigentlich ist es ja für diesen Tag schon zu spät zum Reisen. Da kann er auch ebenso gut heute hier lagern. Vielleicht erfährt er ja noch das eine oder andere was ihm nützlich ist. Womöglich könnte er die beiden Nordyoukai ein wenig über ihren Fürsten ausfragen, wenn sich ihm nun schon einmal die Gelegenheit bietet. Und danach kann er ja immer noch abreisen. Es besteht ja eigentlich kein Grund zur Eile. Gemächlich nähert er sich dem See und späht nach dem Fisch der ihm am nächsten ist. „Hier, nehmt!“, hört er neben sich. Er wendet sich um und sieht wie Hanaki ihm einen großen Karpfen entgegenstreckt. Wortlos ergreift er das leblose Beutetier und dabei berührt seine Fingerspitze für einen Sekundenbruchteil ihre Hand. Im selben Augenblick ist ihm, als hätte man ihm einen heftigen Hieb in den Magen verpasst. Doch er verkneift sich jegliche Reaktion. Wie ein starker elektrischer Schlag fühlte es sich an, doch seltsamerweise ist er sich sicher, dass dies kein Angriff war. Ja, es ist tatsächlich fraglich, ob sie das gerade überhaupt bemerkt hat. Unwillkürlich hat er den Fisch so fest umklammert, dass er ihn beinah in der Mitte durchquetscht. Wahrscheinlich ist es wirklich das beste, wenn er bald aufbricht. Morgen... irgendwann morgen! „Hah! War das etwa schon alles?“, triumphierend umtänzelt Samushi den am Boden knienden Raihone. „Sieh es ein, Higashi-aitsu, du wirst mir nie das Wasser reichen!“ Mit schmerzverzerrter Miene presst sich Raihone die Hand an die Brust. Blut sickert darunter hervor und tropft in dicken Tropfen auf die Erde. „Ja, verpass ihm noch eine!“, stachelt Kegawa seinen Kameraden begeistert an, „Sorg dafür, dass er sich nie mehr erholt!“ Schweigend beobachtet Sesshomaru das Treiben auf der Lichtung. Die beiden Nordyoukais und das Geschwisterpaar Raihone und Raiuko aus dem Osten liegen mal wieder im Dauerklinsch. Diesmal ist Raihone der Unterliegende. Wie üblich wird dieses spielerische Kräftemessen aufmerksam von Yaeba beobachtet, jederzeit bereit einzugreifen, sollte die Sache aus dem Ruder laufen. Fast eine ganze Woche ist er nun schon hier und diese Reibereien erlebt er jeden Tag. Wie er inzwischen herausgefunden hat, hocken die Streuner normalerweise nicht dauernd so eng aufeinander, doch Hanaki hat ihnen befohlen in der Nähe zu bleiben, damit Sesshomaru sich ein Bild von ihnen machen kann. Dadurch sind natürlich Spannungen vorprogrammiert. Die Ostyoukais Katsubou und Yaeba sind eher unproblematisch, doch die Auseinandersetzungen zwischen den Nordyoukais und dem Geschwisterpaar, laufen selten so glimpflich ab wie heute. Raihone kann von Glück sagen, dass er heute lediglich aufgespießt wurde, denn die Nordyoukais haben auch keine Hemmungen, ihren Gefährten irgendwelche Körperteile abzureißen. Dies beruht allerdings auf Gegenseitigkeit. Wenn er auch äußerlich nicht viel hermacht, so ist der zierliche Raiuko dennoch ein ernstzunehmender Gegner wenn die Wut ihn packt. Glücklicherweise greift Yaeba meist rechtzeitig ein, um das Schlimmste zu verhindern. Inzwischen kann Sesshomaru die Stärke der einzelnen Streuner recht gut einschätzen. Der schwächste von ihnen ist wohl Raihone, doch die Nordyoukais sind wirklich nur unwesentlich stärker. Raiuko hält sich mit den Kita-aitsu ziemlich die Waage doch der Westfürst vermutet, dass er noch längst nicht alles gezeigt hat, was er kann. Katsubou ist schwer einzuschätzen, da er sich selten an den Kämpfen beteiligt, doch alleine schon durch seine Erfahrung, wird er den anderen überlegen sein. Sesshomaru hat jedoch keine Probleme die Stärke des anderen Westyoukais einzuschätzen. Wenn Kossoridoku wollte, könnte er mit Sicherheit jeden einzelnen von ihnen besiegen. Mit Ausnahme von Yaeba! Der kräftige Ostyoukai gibt Sesshomaru manches Rätsel auf, besonders im Bezug auf Hanaki. An seinem Verhalten als Befehlshaber gibt es nichts auszusetzen. Ohne das leiseste Zögern führt er unverzüglich jede ihrer Anweisungen aus. Überhaupt scheint jeder einzelne der Streuner, seinen Chutaisho mit dem größten Respekt und tiefster Demut zu behandeln. Bisher hat er noch nicht einmal erlebt, dass ihr irgendjemand widersprochen hätte. Doch Yaebas Verhalten geht noch darüber hinaus. Der Westfürst ist sich sicher, würde sie sein schlagendes Herz fordern, er würde es sich selbst aus dem Leib reißen. Sesshomaru spürt, dass der kräftige Ostyoukai das Vertrauen, wenn auch nicht die Sympathie der anderen Streuner besitzt. Zwar widersprechen sie ihm gelegentlich, doch auf ein direktes Kräftemessen laufen diese Auseinandersetzungen selten hinaus. Aus gutem Grund. Wie er feststellt, hat Sesshomaru den Ostyoukai damals richtig eingeschätzt. Seine Stärke ist wirklich enorm! Aus einiger Entfernung könnte man seine Aura gut für die eines schwachen Daiyoukais halten. Ein wirklich interessantes Rudel. Er hätte nie gedacht, dass es eine Möglichkeit gäbe, wie Youkais aus drei verschiedenen Reichen friedlich miteinander leben könnten, nun ja, zumindest ohne sich gegenseitig zu töten. Er versucht sich gerne einzureden, dass es diese Tatsache ist, die ihn noch immer hier verweilen lässt, doch er weiß es besser. Aus irgendeinem Grund fällt es ihm unglaublich schwer, diese Gruppe zu verlassen... Sie zu verlassen! Er ist schon viel zu lange hier. Was tut er noch hier? Gedankenverloren beobachtet er wie Yaeba Raiuko davon abhält, Samushi und Kegawa aufzuschlitzen, die gerade darüber diskutiert haben, ob sie Raihone zerstückeln oder nur köpfen sollen. Auf einmal hebt er den Kopf. Wieder steigt dieser eigenartige Duft hinter ihm auf, der sein Herz jedes Mal zum Pochen bringt, wie das einer ängstlichen Maus. Er weiß, sie steht direkt hinter ihm. Er riecht es, er spürt den Luftzug wenn sie sich bewegt. „Ich werde meine Reise fortsetzen“, sagt er ruhig. Erst kommt keine Antwort, dann sagt sie: „Wann?“ „Bald!“, antwortet er, „Ich bin schon viel zu lange hier.“ „Ich verstehe!“, kommt die Antwort nach einer Weile, „Ich war verwundert, dass es so lange dauerte.“ „Das klingt als würdest du es bedauern.“ „Oh nein!“, wehrt sie rasch ab, „Ich dachte nur, Ihr würdet einer Bande von Ranglosen bald überdrüssig werden.“ Nun wendet Sesshomaru sich zu ihr um. „Wäre es dir lieber, ich würde deine Leute töten?“ Ernst blickt sie ihn an: „Glaubt Ihr, Ihr hättet das fertig gebracht?“ Ein kaum merkliches Lächeln legt sich um Sesshomarus Mundwinkel: „Mit Sicherheit!“ „Erwartet Ihr jetzt einen Dank, weil Ihr es nicht getan habt?“, kommt die skeptische Frage. „Es liegt mir fern, etwas von dir zu erwarten“, antwortet er, „Es gibt nichts, was ich von dir wollen könnte.“ Sie schweigt. Doch das stimmt nicht völlig, gesteht er sich ein. Es gibt da schon etwas... doch er schiebt den Gedanken sogleich zur Seite. Dies ist weder die richtige Zeit, noch die richtige Situation, ja, noch nicht einmal die richtige Person. Einen langen Moment blickt er sie mit ausdrucksloser Miene an. „Ich habe Verpflichtungen!“, sagt er schließlich, „Meine Reise ist noch nicht zu ende. Ich kann meine Verantwortung nicht länger leugnen.“ „Das verstehe ich“, sagt sie nachdenklich, „Ihr geht also in den Norden?“ „Ja!“ „Das ist gefährlich!“ „Sag bloß nicht, du bist um meine Sicherheit besorgt!“, sagt er und erneut legt sich ein leichtes Lächeln um seine Mundwinkel. Sie erwidert das Lächeln als sie ihre eigenen Worte erkennt. „Nein, durchaus nicht!“, entgegnet sie bestimmt, „Denn ich werde Euch begleiten!“ Sesshomarus Gesichtszüge entgleisen. Sprachlos starrt er sie an. „Schaut nicht so überrascht!“, rügt sie ihn erheitert, „Ich tue das nicht für Euch. Ich habe mit Inu Taihyouga eigene Angelegenheiten zu regeln. Auch ich schiebe sie schon seit längerem vor mich her. Es wird langsam Zeit, dass ich sie in Angriff nehme. Außerdem...“, sagt sie mit einem Augenzwinkern, „Was glaubt Ihr, was hier los ist, wenn der Westen seinen Fürsten verliert? Ich mach mir lediglich Sorgen um das Wohlergehen meines Rudels.“ Sofort will Sesshomaru energisch protestieren, doch er bringt kein einziges Wort heraus. Die Aussicht, noch eine erheblich längere Zeit, als ohnehin schon, mit ihr zu verbringen, weckt sehr zwiespaltige Gefühle in ihm. Einerseits hatte er gehofft, so endlich ihrem einnehmenden Wesen zu entkommen, doch andererseits ist da eine ganz leise Stimme in ihm, die sie nicht missen will. Warum sich dagegen wehren, es ist schließlich ihre eigene Entscheidung. „Tu was du nicht lassen kannst!“, meint er beiläufig. „Wenn das so ist, sollten wir besser sofort aufbrechen.“ Kaum ist diese Entscheidung gefallen, da bereut Sesshomaru es auch schon. Worauf hat er sich da bloß eingelassen? Er hätte einfach „nein“ sagen sollen. Er hätte... Er hätte es nicht gekonnt! Wann nur hat sie einen solch starken Einfluss auf ihn bekommen? War es bei ihren zahlreichen Gesprächen über Führungsstile und Verantwortung? Was ist es, das ihn so an ihr anzieht? Ist es ihre Intelligenz? Ihre beispiellosen Ansichten? Ihre Würde? Oder ist es doch nur ihre seltsame Ausstrahlung? Ihr Aussehen und dieser berauschende Duft, der von ihrer Haut aufsteigt und seine Sinne in Flammen setzt? Würde er sie noch immer anziehend finden, wenn ihn dieser Geruch nicht so sehr enthemmen würde? Verdammt, wohin soll das führen?, versucht er diese Gedanken beiseite zu wischen. Sie ist eine ranglose Daiyoukai, eine Streunerin, und weiter nichts! Gerade sieht er wie sie zu Yaeba hinüber geht, der noch immer mit Raiuko ringt, um ihn ruhig zu halten. Wer hätte gedacht, dass dieser zierliche Bursche solch üble Schimpfwörter kennt. Mit wenigen Schritten hat sie ihn erreicht und mit einem raschen, sicheren Griff packt sie den sich wie wild gebärdenden Youkai an der Kehle, hebt ihn mit Leichtigkeit hoch und schleudert ihn mit solcher Kraft zu Boden, dass er einige Meter weiter kugelt. Hoch aufgerichtet steht sie da und ihre Aura flammt für einen Moment in einem purpurnen Schimmern auf. Mit eisiger Miene blickt sie den ächzenden Youkai an. „Es reicht jetzt! Schluss damit!“ Raiuko hustet und fasst sich an den Hals. Betreten und scheu schaut er zu ihr auf. „Ja, Chutaisho!“, nuschelt er und dann senkt er den Blick. Auch die anderen sind jetzt still geworden. Kaum einer wagt auch nur zu atmen. „Das ist ja nicht länger mit anzusehen!“, sagt sie laut, „Euer Benehmen lässt ernsthaft zu wünschen übrig!“ Betreten blicken die Youkais zu Boden wie gescholtene Kinder. „Ich glaube“, fügt Hanaki nun hinzu, „Ihr solltet mal wieder etwas Luft schnappen gehen. Na los, verzieht euch schon! Aber seht zu, dass ihr euch nicht andauernd in Schwierigkeiten bringt, verstanden?“ Ein scharfer Blick geht zu Samushi und Kegawa hinüber. „Ja, ist angekommen!“, brummt Kegawa. Noch einmal werfen sich die Nord- und die Ostyoukais giftige Blicke zu und dann verschwinden sie eilig zwischen den Bäumen. Nur Yaeba ist noch geblieben. Hanaki winkt ihn zu sich. „Yaeba, ich werde in den Norden gehen“, sagt sie, „Ich übertrage dir die Verantwortung für die Bande. Mach dir keine Sorgen, ich werde bald zurück sein.“ Doch zu Sesshomarus Überraschung, fügt der Krieger sich nicht einfach, sondern er starrt sie ziemlich verständnislos an. „Was habt Ihr vor?“, fragt er ärgerlich, „Ihr geht mit ihm? Haltet Ihr das für klug?“ Doch offenbar hat die Anführerin mit dieser Reaktion gerechnet, denn nachsichtig erklärt sie: „Wenn Sesshomaru-sama vorgehabt hätte, mir etwas anzutun, hätte er in den vergangenen Tagen ausreichend Gelegenheit dazu gehabt. Meinst du nicht auch?“ „Es ist mir egal wozu er Gelegenheit hatte oder nicht!“, faucht Yaeba, „Ich werde Euch nicht mit ihm alleine lassen!“ Sie lacht amüsiert auf. „Hör nur, was du da redest! Man könnte fast meinen, du wärst eifersüchtig!“ Yaeba errötet unwillkürlich: „Das ist... doch völliger Unsinn! Ich kann es nur nicht gutheißen, dass Ihr gerade jetzt zu Inu Taihyouga geht. Der Fürst des Nordens wird ohnehin schon schlecht gelaunt sein, wenn Sesshomaru-sama dort auftaucht. Bringt Euch doch nicht immer unnötig in Gefahr!“ Sie winkt ab: „Ich liebe eben das Risiko.“ „Ach, verdammt, Chutaisho!“, schimpft er ärgerlich. Sie seufzt resigniert: „Manchmal kannst du einfach verflucht nervtötend sein, Yaeba, weißt du das? Du gönnst mir wirklich kein bisschen Spaß! Also von mir aus! Du kannst mitkommen.“ Wortlos hat Sesshomaru diesen Disput verfolgt. Er ist überrascht. Er hätte nicht damit gerechnet, dass dieser Streuner sich ihr so beharrlich widersetzen würde. Nun ja, es soll ihm egal sein. Es bestätigt nur das, was Arashitsume sagte, dass der Ostyoukais ein etwas anders geartetes Interesse an seiner Anführerin hat. Ohne weitere Worte wendet Sesshomaru sich um und geht davon, wohl wissend, dass zwei Paar leise Füße sich ihm rasch anschließen. Kapitel 24: Im Schloss des Ostfürsten ------------------------------------- Irgendwann hat Kagome sich wieder gefangen. Es gelingt ihr, ihren Beinen zu befehlen, aufzustehen und den Ausgang des Gartens zu suchen. Innerlich hofft sie an die tausendmal, dass ihr weder Tenmaru noch Arashitsume begegnet. Sie kann nicht sagen, wie sie dann reagieren würde. Von all dem müssen unbedingt ihre Freunde erfahren. Schließlich findet sie die Tür, die sie gesucht hat. So geräuschlos wie möglich schiebt sie sie auf und betritt wieder den Palast. Ja, von hier aus findet sie den Weg zurück zum Speisesaal des Personals. Eilig läuft sie los. Diese langen, dunklen Gänge sind ihr noch immer unheimlich. Man hat immer den Eindruck, als würde einem das Atmen schwerer fallen und als würde sich der ganze Körper schwer wie Blei anfühlen. Kaum zwei Minuten dauert es, bis sie den Eingang zum Speisesaal erreicht hat. Überrascht hält sie inne. Die Feuer sind heruntergebrannt und kein einziger Youkai ist mehr zu sehen. Nur an einer einzigen Feuerstelle, brennt noch Licht und daneben sitzen regungslos zwei Gestalten. Kagomes Augen weiten sich überrascht: „Sango, Kirara, was macht ihr hier? Wo sind die anderen?“ Die Dämonenjägerin erhebt sich. „Sie sind bereits in ihre Quartiere gegangen. Wir wussten ja nicht, wann du zurückkommen würdest. Ich habe noch auf dich gewartet, damit du dich nicht wunderst wo wir sind.“ Erleichtert läuft Kagome zu ihrer Freundin hin. Sie ist heilfroh, endlich wieder einer befreundeten Person zu begegnen. „Das ist lieb von dir, Sango-chan!“, sagt sie, „Und Kirara von dir auch!“, fügt sie mit einem Blick auf die große Katzendämonin hinzu. Wie als Antwort, reibt diese ihren Kopf kurz an Kagomes Handrücken. „Kirara, fühlt sich sehr unwohl hier“, erklärt Sango ernst, „Aber das ist auch verständlich, denn hier wimmelt es ja nur so von Hundeyoukais. Ich lass sie nur ungerne alleine hier, also haben wir gemeinsam gewartet. Du warst ja ziemlich lange weg. Hast du Inu Yasha gesehen?“ Kagome stutzt unwillkürlich. Natürlich Inu Yasha! Schon fast hat sie den Grund ihres Aufbruchs vergessen. „Ja, ich war bei ihm. Es geht ihm den Umständen entsprechend gut.“ Während sie reden setzen sich die beiden Mädchen und Kirara in Bewegung und machen sich auf den Weg in ihr Quartier. „Sie haben ihn in einem Felsenkerker eingesperrt, na ja nicht mehr wirklich eingesperrt.“ „Wie meinst du das?“, fragt Sango. Rasch schildert Kagome wie sie ihren Freund vorgefunden hat und gibt einen kurzen Abriss darüber, wie er seine Fesseln losgeworden ist. Dabei versucht sie ihre Umarmung, eher als Beiläufigkeit darzustellen, denn ein bisschen geniert sie sich doch deswegen. Doch die Dämonenjägerin ist taktvoll genug, nicht weiter darauf einzugehen. „Das heißt also Inu Yasha könnte vermutlich jederzeit von dort verschwinden“, meint Sango nachdenklich. „Es sind noch immer Wachen da“, gibt Kagome zu bedenken. „Ich glaube nicht, dass er sich davon aufhalten lassen würde. Aber wenigstens hört er jetzt auf Myoga.“ „Ja, ein Glück!“, Kagome ist erleichtert. Ihre Gedanken gehen wieder zurück an das Gespräch zwischen Arashitsume und Tenmaru. Wenn es tatsächlich stimmt, dass Arashitsume sich das Westreich aneignen will, wird dann Inu Yasha gegen ihn kämpfen müssen? Oder gegen Tenmaru? Was soll daraus werden, wenn Tenmaru tatsächlich ein Daiyoukai sein sollte? Ob ihr Freund ihm gewachsen sein wird? Aber wird der Streuner tatsächlich die Seiten wechseln? Immerhin hat er sogar Sesshomarus Angebot damals abgelehnt und ihn scheint er sogar, beeindrucken zu wollen. Arashitsume jedenfalls schien er nicht zu mögen, mehr noch, er schien direkt Angst vor ihm zu haben. Ist der Fürst des Ostens tatsächlich so schrecklich? All diese Fragen lassen ihr keine Ruhe. „Kagome, ist irgendwas?“, Sango ist stehengeblieben. Sie befinden sich nicht mehr weit entfernt von ihrem Quartier. Kagome beißt sich auf die Lippen. Vorsichtig sieht sie sich in alle Richtungen um. Das fehlte gerade noch, dass die falschen Ohren mitbekommen, was sie zu sagen hat. Gerade will sie von der nächtlichen Begegnung der beiden Ostyoukais erzählen, als sie urplötzlich erstarrt. Am Ende des Ganges steht Tenmaru und schaut wortlos zu den dreien hinüber. Hastig reagiert Kagome und klappt den Mund wieder zu. „Nein, es ist nichts!“ Verwundert blickt Sango ihre Freundin an. Kagome wirkt ziemlich nervös. Ob das mit dem Streuner zu tun hat. Hat er ihr irgendetwas getan? Misstrauisch fragt sie: „Ist auch wirklich alles in Ordnung?“ „Ja klar!“, lügt Kagome rasch, „Es ist nur, dieses Schloss. Es macht mich ganz nervös!“ „Das liegt an der ganzen dämonischen Ausstrahlung hier“, erklärt Sango, „Dieses Schloss ist dazu gedacht Youkais zu beherbergen, nicht Menschen. Wahrscheinlich werden wir uns die nächsten Tage nicht besonders gut fühlen. Am besten wäre es sicher, wenn wir nicht mehr allzulange hierbleiben würden.“ Dankbar darüber, dass die Dämonenjägerin das neue Thema aufgegriffen hat, schaut Kagome verstohlen zu Tenmaru hinüber, der noch immer am Eingang des Flures steht. Seine violetten Augen sind unverwandt auf sie gewandt und Kagome läuft ein kalter Schauer über den Rücken. Nun setzt er sich in Bewegung und überquert den Flur. In dem Moment als er sie passiert, zieht er einmal kurz die Luft ein. Kagome erstarrt. Sie wagt keinen Muskel zu rühren, oder auch nur zu atmen. Ihr wird abwechselnd heiß und kalt. Er weiß es!, schießt es ihr durch den Kopf. Doch obwohl der Streuner sie womöglich durchschaut hat, geht er an ihr vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen und verschwindet in ihrem Quartier. Ein wenig skeptisch hat Sango das beobachtet, doch sie ahnt, dass sie im Moment nicht mehr darüber erfahren wird. „Wir sollten auch schlafen gehen. Sicher werden wir unsere Kräfte hier noch brauchen.“ Kagome nickt. Dann folgen die drei dem Streuner, betreten ihr Quartier und begeben sich schließlich zu Bett. Gedankenversunken liegt Kagome noch eine Weile wach. In ihrem Rücken spürt sie Tenmarus Blick. Der Streuner hat es sich in einer Ecke des Raumes bequem gemacht und gibt vor zu schlafen. Doch zwischen den schmalen Schlitzen seiner Augen blitzt es noch immer wachsam hervor. Kagome fragt sich, ob der Streuner ahnt, was sie gehört hat. Was wird er nun tun? Im Moment lässt er sie lediglich nicht aus den Augen, doch was denkt er wirklich? Es lässt ihr keine Ruhe. Ob sie eine Gelegenheit finden wird, ihren Freunden von der nächtlichen Unterhaltung zu erzählen? Doch schließlich ist es die Erschöpfung die sie übermannt und ihr einen tiefen, unruhigen Schlaf beschert. Das helle Tageslicht weckt die kleine Gruppe Menschen aus ihrem Schlaf. Von den Youkais hat bis auf Shippo keiner geschlafen. Kagome reibt sich die Augen. Ihre Freunde verstauen gerade ihre Futons in dem dafür vorgesehenen Wandschrank. Von den Streunern Yaeba und Raiuko fehlt jede Spur. Nur Tenmaru lehnt in einer Ecke des Raumes und seine Augen sind noch immer direkt auf sie gerichtet. Kagome verzieht den Mund. Sie wäre ihm dankbar, wenn er das mal lassen könnte. Sie bemüht sich, ihn so wenig wie möglich zu beachten und beginnt ihr Bett wegzuräumen. Vielleicht ist es ja auch alles nur ihre gesteigerte Fantasie. Vielleicht hat er ja keine Ahnung, dass sie ihn belauscht hat und nur ihre Schuldgefühle lassen sie annehmen, dass er sie beobachtet. „Ich werde herausfinden, ob wir etwas zu essen bekommen“, verkündet Sango nun. „Ich begleite dich“, sagt Miroku sofort. „Du brauchst nicht mitzukommen, ich kann schon auf mich aufpassen“, meint Sango verstimmt, „Außerdem nehme ich Kirara mit.“ Doch der Mönch lässt sich nicht abschütteln. „Die dämonische Aura in diesem Schloss ist ziemlich intensiv. Du wirst jede Hilfe brauchen die du kriegen kannst.“ Die beiden Menschen und ihre Katzengefährtin machen sich daran das Zimmer zu verlassen. „Als wenn du mir eine Hilfe wärst“, hört man Sango noch verächtlich schnaufen, „Gib's zu, du hast es doch bloß auf die ganzen Dienstmädchen abgesehen“ Miroku brummt etwas Unverständliches und dann verebben ihre Stimmen hinter der geschlossenen Tür. „Miroku wird sich auch wirklich nie ändern!“, meint Shippo kopfschüttelnd, „Der macht ja nicht mal vor Youkaifrauen halt. Er ist einfach ein unverbesserlicher Schürzenjäger.“ Doch Kagome geht nicht darauf ein. Sie schiebt die Tür des Wandschrankes zu. Hinter ihrem Rücken fragt Rin gerade: „Was ist ein Schürzenjäger?“ woraufhin der kleine Fuchsdämon ziemlich ins Stottern gerät. Gerade will Kagome sich wieder umdrehen als sie unwillkürlich zusammenfährt. Direkt vor ihr steht Tenmaru und blickt sie ernst an. „Ich muss mit dir reden, sofort!“ Kagome sieht sich hilfesuchend um, doch Shippo ist noch immer schwitzend dabei, Rin die Bedeutung des Wortes „Schürzenjäger“ zu erklären. Die beiden Kinder werden ihr keine Hilfe sein. Sie ist dem Streuner schutzlos ausgeliefert. Doch offenbar will er wirklich nur reden, sonst würde er sicher anders reagieren. Nun ja, es kann ihr nur recht sein. Sie hatte ja auch vorgehabt, mit ihm zu reden. „Ok!“, nickt sie. „Nicht hier!“, raunt er, „Komm mit!“ Damit wendet er sich zum Gehen. Zögernd folgt sie ihm. „Shippo, pass mal eine Weile auf Rin aus. Ich bin bald zurück.“ Und noch ehe der verdatterte, kleine Kitsune darauf etwas antworten kann, haben die beiden den Raum verlassen. Eine Weile gehen die beiden schweigend durch die Gänge. Kagome ist sich nicht sicher wohin der hochgewachsene, schlanke Streuner möchte, doch sie beschließt ihm zu folgen. Schließlich bleibt Tenmaru mitten auf einem leeren Flur stehen und dreht sich zu ihr um. Seine Augen funkeln durchdringend. „Was war es, was du deiner Freundin gestern nicht sagen wolltest?“, fragt er. Kagome schluckt, er hat es also tatsächlich bemerkt. Im Grunde kann sie ja auch gleich ehrlich zu ihm sein. „Ich... hatte mich verlaufen auf dem Rückweg von Inu Yasha. Dabei bin ich durch den Garten gekommen. Ich... habe dich gesehen. Dich und Arashitsume.“ Irrt Kagome sich, oder ist Tenmaru gerade ein klein wenig zusammengezuckt. Schon will sie weiterreden als Tenmarus Blick plötzlich an ihr vorbeigeht. „Was willst du?“, fragt er unfreundlich. Zunächst denkt Kagome, dass sie gemeint ist, doch dann wird ihr klar, dass jemand hinter ihr steht. Rasch dreht sie sich um. Vor ihr steht eine junge Youkaifrau. Sie ist gewandet wie eine Dienerin und blickt ein wenig unsicher zu den beiden hinüber. Kaum hat Kagome sie entdeckt, fällt die Youkai zu ihrer Überraschung hinab auf die Knie und senkt den Kopf. „Verzeihung, ähm... Menschen-sama! Ich wollte nicht stören. Ich soll Euch ausrichten, dass Ihr bei der Küchenarbeit erwartet werdet. Das Festessen wird zubereitet und es werden noch helfende Hände gebraucht.“ Mit jedem Wort, scheint die Dienerin tiefer zu Boden zu sinken. Es ist offensichtlich wie unangenehm ihr ihre Botschaft ist. Völlig überrumpelt starrt Kagome die kniende Youkaifrau an. „Äh, ich soll was tun?“ Verunsichert fügt die Dienerin hinzu: „Ihr seid doch Fürst Inu Yashas Leibdienerin, so sagte man mir. Helft Ihr nicht mit bei den Festvorbereitungen?“ „Das reicht!“, energisch tritt Tenmaru zwischen Kagome und die Dienerin, „Diese Frau braucht diese Arbeit nicht tun. Sie nimmt ausschließlich Befehle von Inu Yasha-sama entgegen. Und nun verschwinde!“ Zunächst ist die Frau erschrocken zusammengezuckt und duckt sich wie unter einem Schlag, doch dann plötzlich hebt sie den Kopf. Mit großen Augen starrt sie Tenmaru an und dann errötet sie urplötzlich. Für ein paar Sekunden, blickt sie ihn einfach nur an, doch dann wird ihr ihr Verhalten bewusst und sie beginnt hastig, sich zu verbeugen. „Es tut mir Leid! Entschuldigung! Das konnte ich nicht wissen! Ich bitte untertänigst um Verzeihung!“ Missmutig packt Tenmaru Kagome am Arm und zieht sie mit sich. Die Dienerin bleibt, sich noch immer verbeugend, auf dem Gang zurück. Kagome spürt die harten Finger um ihren Oberarm. Sie beißt die Zähne zusammen während der Streuner mit ihr den Gang entlang hastet. Was ist nur in ihn gefahren? Fast schien er vor der jungen Frau Angst zu haben. Unsanft schiebt er sie über die Flure und schließlich öffnet er eine Schiebetür und zieht sie in einen leeren Raum. Erst als die Tür hinter ihnen geschlossen ist, lässt er sie los. Schmerzhaft reibt Kagome sich die Schulter. „Was sollte das?“, mault sie ihn empört an, „Ich wäre auch freiwillig mitgekommen.“ Tief durchatmend dreht sich Tenmaru nun zu ihr um. Sein Blick ist finster. „Du hättest diese Unterhaltung niemals mitbekommen dürfen! Wärst du entdeckt worden, wäre das dein Tod gewesen, das ist dir doch klar!“ Abschätzend schaut Kagome ihn an: „Du hast mich doch bemerkt.“ „Nicht sofort“, gibt er zu. „Also doch erst vor dem Quartier!“, nickt Kagome bei sich, „Woran hast du es gemerkt?“ Tenmaru wirft ihr einen sonderbaren Blick zu. „Du riechst noch immer nach Jasmin!“, sagt er, „Doch das ist jetzt nebensächlich. Was hast du gehört?“ Unsicher mustert Kagome ihn. Würde er ihr glauben, wenn sie behauptet, sie hätte nichts gehört? Sie entscheidet sich für die Wahrheit. „Das Meiste.“ Bedrohlich kommt Tenmaru noch dichter an sie heran. „Und was denkst du nun darüber?“, ein sarkastisches Schmunzeln zieht über sein Gesicht, „Ein feiner Diener bin ich, nicht wahr?“ Kagome überlegt. „Ich denke, dass du nicht sofort zugesagt hast, spricht eindeutig für dich.“ Verblüfft schaut er sie an. Dann wird er wieder ernst: „Du weißt doch gar nichts von mir!“ „Doch, ich weiß, dass deine Mutter eine Daiyoukai war, und dass Arashitsume dein Onkel ist. Stimmt das wirklich?“ Missmutig wendet Tenmaru sich ab: „Ja, es stimmt. Meine Mutter war seine Schwester.“ „Die beiden mochten sich wohl nicht besonders“, stellt Kagome die Vermutung an. „Sie haben sich gehasst!“ Tenmarus Nacken ist angespannt. „Wollte sie deshalb, dass du zu Sesshomaru gehst?“ Nun wendet Tenmaru sich ihr wieder zu. Sein Blick ist kühl. „Ich kann wohl nur vermuten, was sie sich dabei dachte“, sagt er leise. „Aber es war ihr letzter Wunsch, dass ich der Fürstenfamilie des Westens die Treue schwor.“ „Und nun dienst du Inu Yasha“, stellt Kagome zögernd fest, „Wie ernst ist dir dieser Schwur?“ Tenmarus Augen werden schmal. Langsam kommt er näher: „Was willst du mir unterstellen?“ „Gar nichts!“, meint Kagome hastig. Die nächsten Worte wählt sie mit Bedacht: „Ich denke mir nur, dass es für einen vollwertigen Youkai nicht sehr angenehm ist, einem Hanyou zu dienen. Mach dir das nicht zu schaffen?“ Verärgert blickt der Streuner sie an: „Warum bloß stellen mir immer alle diese Frage? Es spielt keine Rolle, was mir gefällt oder nicht. Ich schwor ihm die Treue, selbst wenn ich mir etwas anderes wünschen würde.“ Die letzten Worte kommen nur zögerlich heraus. „Was wünschst du dir denn?“, fragt Kagome, „Ziehst du Arashitsumes Angebot in Betracht?“ Ein wütender Blick trifft sie. Mit zwei Schritten steht er vor ihr. Eine klauenbewehrte Hand packt ihr Kinn und zwingt sie, ihn anzusehen. Eine eisige Kälte liegt in seinen Augen und Kagome wagt kaum zu atmen, doch sie erwidert seinen Blick. „Sag mal, fürchtest du denn gar nichts, Mensch?“, ein leises Grollen schwingt in seiner Stimme mit. Seine Klauen dringen ein wenig in ihre Haut ein. Sie gibt keinen Ton von sich, um ihn nicht noch unnötig zu reizen. „Wenn du gestern entdeckt worden wärst, hätte Arashitsume dich ohne eine Sekunde zu zögern getötet, für das was du gehört hast. Und heute bietest du wieder einem Youkai die Stirn und fragst ihn zu dieser Unterhaltung aus. Du reist mit Youkais und wohnst in ihrem Schloss. Du bist sogar mit ihnen befreundet. Du machst dir Sorgen um sie. Lass das! Das wird dich eines Tages das Leben kosten. Es wäre besser, wenn du Angst hättest!“ Kagomes Herz puckert heftig, doch sie hält seinem Blick stand. „Ich habe Angst!“, gibt sie zu, „Doch ich halte zu meinen Freunden. Was für eine Freundin wäre ich, wenn ich sie im Stich lassen würde?“ Tenmaru schnaubt verächtlich auf: „Was kannst du schon groß tun? Du bist nur ein kleiner, schwächlicher Mensch, umgeben von zahllosen Youkais die dich im Nu in Stücke reißen könnten. Mich eingeschlossen!“, sein Blick wird todernst. Kagome läuft es kalt den Rücken herunter. Doch dann schluckt sie ihre Angst herunter und sagt: „Das wirst du nicht tun!“ „Was macht dich da so sicher?“ Fest schaut sie ihn an. „Wenn du mich tötest, würdest du Inu Yashas Vertrauen missbrauchen und du hast ihm ja die Treue geschworen. Und selbst wenn dir das nichts bedeutet, wenn er es erfahren würde, würde er dich bestimmt eigenhändig töten, oder dich zumindest aus seinem Dienst entlassen. Damit wärst du eine leichte Beute für Sesshomaru. So dumm wirst du nicht sein.“ Im ersten Moment scheint Tenmaru mit sich zu ringen. Dann sagt er zerknirscht: „Du hast recht, ich werde dir nichts tun.“ Seine Finger öffnen sich und geben ihren Kiefer frei. Täuscht sie sich, oder sieht er traurig aus. Sie reibt sich das schmerzende Kinn. Dann fragt sie: „Das muss wirklich hart für dich sein.“ Schwach hebt Tenmaru den Kopf: „Was meinst du?“ „Na, dass du gezwungen bist, Inu Yasha zu dienen.“ Tenmaru lässt die Schultern sinken: „Das... ist es nicht. Inu Yasha-sama ist... eigentlich gar nicht so übel als Herr.“ Er wendet sich ab. „Doch, du möchtest viel lieber zu Sesshomaru, nicht wahr?“ Tenmarus Augen fliegen auf. „Wie... kommst du darauf?“, fragt er hastig. „Na ja, ich denke mir das so, weil du immer wieder versuchst, ihn zu beeindrucken.“ Tenmaru schweigt. Eine ganze Weile herrscht Stille. „Ist das so offensichtlich?“, kommt die leise Frage. Kagome beobachtet den Streuner aufmerksam. Offenbar trägt der jugendlich wirkende Youkai eine schwere Last mit sich herum. „Man merkt, dass dir wichtig ist, was er von dir hält.“ Seufzend legt Tenmaru den Kopf in den Nacken. „Sesshomaru-sama... ist der Fürst über sämtliche Hundeyoukais des Westens. Er ist ein Daiyoukai aus einer langen Reihe von Fürsten. Durch seine Adern fließt unverdünnt königliches Blut. Er ist bekannt für seinen Stolz und seine Beharrlichkeit. Und er ist unvorstellbar mächtig. Keiner der anderen Fürsten wäre in der Lage, ihn zu bezwingen, dessen bin ich mir sicher. Ich hingegen bin ein Streuner. Ein Ausgestoßener ohne Rang. Ich darf nicht einmal erhoffen, dass er irgendwie von mir Notiz nimmt.“ Er senkt den Kopf. „Und doch wünschst du es dir, oder?“, kommt Kagomes vorsichtige Frage. Tenmaru blickt trübsinnig zu Boden. Kagome beobachtet es. Irgendwie hat sie Mitleid mit ihm. Wenn sie nur irgendetwas wüsste, um ihn aufzumuntern. Dieser Streuner scheint doch ein ganz anständiger, junger Mann zu sein. Wen kümmert es, ob er ein Streuner ist oder nicht? Sesshomaru sollte dem sozialen Status nicht so viel Bedeutung beimessen. Nach allem was sie verstanden hat, könnte er doch Tenmaru ohne weiteres in seine Dienste nehmen, wenn er nur wollte. Immerhin ist er ein Fürst, der sich von niemandem etwas sagen lassen muss. Bleibt also die Frage warum will er nicht? „Sag mal, Tenmaru“, fragt sie vorsichtig, „Was war es, dass deine Mutter ihm angetan hat?“ Augenblicklich versteift sich der junge Streuner. Sein Gesicht gefriert zu einer reglosen Maske und sie kann sehen, dass seine Hände sich zu Fäusten ballen. Offenbar hat sie an dieser Stelle einen Nerv getroffen. Schon will sie sich entschuldigen, doch genau in diesem Moment fliegt die Tür auf und ein stattlicher Krieger steht davor. „So!“, sagt der kräftige Youkai, „Hier bist du also!“ Ärgerlich funkelt er Kagome an; die blickt ihm nur überrumpelt entgegen. „Ich hörte, dass du dich Arashitsume-samas Anweisungen widersetzt. Das wird dich teuer zu stehen kommen, Menschengezücht!“ Wütend kommt er auf sie zu und dabei lässt er seine Knöchel knacken. Rasch versucht Kagome, ihre Sprache wiederzufinden. Blitzartig schaltet sie. „Das... das muss ein Missverständnis sein. Ich wollte gerade... in die Küche. Gar kein Grund zur Aufregung!“ Hilfesuchend blickt sie zu Tenmaru hinüber. Der Streuner rührt keinen Finger. Noch immer steht er regungslos da mit dem Rücken zu ihr. Zornesfunkelnd steht der Ostyoukai jetzt vor ihr: „Du weißt hoffentlich was einer Dienerin blüht, die ihre Pflicht vernachlässigt“, grollt er gefährlich. Kagome bekommt es nun ernsthaft mit der Angst zu tun. Sie versteht nicht recht, was hier vor sich geht. Warum glaubt der Ostfürst, ihr Anweisungen geben zu müssen? Mal abgesehen davon, dass sie eigentlich gar keine Dienerin ist! Doch da sie mit dieser Scharade angefangen hat, muss sie ihre Rolle wohl weiterspielen. Ist es wirklich üblich, dass die Fürsten ungefragt über die Diener anderer Fürsten bestimmen? Irgendwie kommt ihr das spanisch vor. Doch sie wäre ja durchaus bereit, sich dessen erstmal zu fügen, wenn nicht dieser Krieger vor ihr aussieht, als wollte er sie mit Haut und Haar verschlingen. „Es tut mir leid!“, meint sie hastig, „Ich wollte keinen Ärger machen!“ „Den Ärger hast du bereits“, mit gezückten Klauen kommt der Youkai auf sie zu und Kagome weicht hastig zurück. Tenmaru rührt sich noch immer nicht. Wird er ihr nicht helfen? Ihr Herz rast und sie fühlt sich gerade kläglich im Stich gelassen. „Ich bring dir Manieren bei!“, faucht der Krieger und dann holt er blitzschnell mit seinen Klauen auf und schlägt nach ihr. Schützend schlägt Kagome die Arme vor ihr Gesicht und ein kleiner Schrei entfährt ihr, als ihr linker Unterarm von der Spitze seiner Klauen aufgerissen wird. Einige Tropfen Blut fallen zu Boden, doch zum Glück ist der Schnitt nicht tief. Vor Angst bebend drückt Kagome sich an die Wand des Raumes und starrt den großen Krieger an. „Auf die Knie, Weib, wenn ein Höherrangiger vor dir steht!“, droht der Ostyoukai ungehalten. Hastig lässt Kagome sich zu Boden plumpsen. Ihre Beine tragen sie ohnehin nicht mehr. Hämisch schaut der Youkai auf sie herab. „Da ist dein Platz, merk dir das!“ Eingeschüchtert schaut Kagome ihn an: „Ich... wollte doch bloß...“ „Du redest nur wenn du etwas gefragt wirst!“, schreit der Ostyoukai sie an, „Wertloser Mensch! Ihr seit doch alle nur eine unzivilisierten Bande von ehrlosen Schleichern! Auf diesem Schloss herrscht Arashitsume, Fürst des Ostens und wenn er dir einen Befehl gibt, führst du ihn aus, hast du verstanden, Sklavin! Aber das bring ich dir schon bei!“ Einmal mehr holt er mit seiner Klaue aus. Grimmige Wut liegt in seinem Blick. Kagome duckt sich und kneift die Augen zusammen, doch der erwartete Schlag bleibt aus. „Was zum...?“, hört sie den Youkai plötzlich keuchen und sie schaut auf. Hoch aufgerichtet steht Tenmaru zwischen ihr und dem Ostkrieger und mit stählernem Griff hat er den herabsausenden Schlag mitten in der Bewegung abgefangen. „Was erlaubst du dir, Streunerpack!“, fletscht der Youkai die Zähne. Tenmarus Blick ist eisig. „Das reicht!“, sagt er leise, doch mit tödlichem Ernst, „Sie untersteht nicht Arashitsumes Befehlen und wird es auch nie! Du hast ihr gar nichts zu sagen, also verschwinde! Wenn du sie noch einmal anrührst, breche ich dir sämtliche Knochen!“ „Das muss ich mir von einem lausigen Köter wie dir nicht sagen lassen!“, grollt der Youkai finster und seine Augen beginnen hellviolett zu funkeln. Seine Hand geht zu dem Schwert an seiner Seite. Tenmaru bemerkt es aus den Augenwinkeln und sofort packt er auch die andere Hand des Youkais und quetscht sie gnadenlos zusammen. „Suchst du Streit, Köter?“, presst der Krieger bitterböse hervor. Doch Tenmarus Miene ist reglos. In diesem Moment holt der Ostyoukai aus und schlägt seine Stirn mit voller Kraft in Tenmarus Gesicht, sodass der seinen Griff für einen kurzen Moment lockert. Sofort entwindet der Krieger sich ihm und augenblicklich hat er sein Schwert gezogen. „Ehrloses Pack!“, spuckt er aus, „Ich schneide euch beide in winzig kleine Fetzen!“ Zunächst rührt sich Tenmaru nicht doch dann von einem Augenblick auf den anderen stößt er sich vom Boden ab und mit einem wütenden Grollen packt er den Krieger und rammt ihn mit voller Wucht durch die Wand hinter ihm. Sprachlos hat Kagome das Ganze beobachtet. Die beiden Youkais sind nicht mehr zu sehen, doch dem Krachen zufolge, scheint es nicht bei der einen Wand geblieben zu sein. Vorsichtig lugt sie durch das Loch in der Wand. Auch in der gegenüberliegenden Flurwand klafft ein großes Loch und dahinter geht es noch durch ein paar weitere Räume und dann nach draußen. Mit klopfendem Herzen tritt sie auf den Flur. Zu ihrer rechten und linken sieht sie ein paar Gesichter die furchtsam nach dem Grund für diesen Tumult sehen, doch bei ihrem Anblick gleich wieder verschwinden. Mit noch immer zitternden Knien klettert Kagome durch die Löcher in den Wänden vor ihr und dabei presst sie unwillkürlich ihre Hand auf ihre blutende Wunde. Ihre Verletzung ist erstmal nebensächlich. Erst muss sie sehen, was mit Tenmaru geschieht. Sie ist wirklich zutiefst erleichtert, dass der junge Streuner, sich doch noch dazu entschlossen hat, ihr zu helfen. Warum er wohl erst gezögert hat? Die Furcht vor dem Ostkrieger kann es wohl kaum gewesen sein. Schließlich hat sie die Außenwand erreicht und späht hinaus ins Freie. Dahinter befindet sich eine große Fläche. Es sieht ein wenig aus wie ein Exerzierplatz. Sie erkennt einige Bedienstete und einige Youkais aus der Wache und Arashitsumes Leibgarde. Gerade beobachten alle Anwesenden ganz angespannt den Kampf der dort in der Mitte, auf dem mit flachen, blankpolierten Steinen ausgelegten Platz, tobt. Tenmaru und der Krieger schenken sich nichts. Doch von ausgefeilter Kampftechnik ist nicht viel zu merken. Was die beiden dort veranstalten, könnte man am ehesten als wütende Keilerei bezeichnen. Mit gezückten Klauen und zornig leuchtenden Augen schlagen sie aufeinander ein. Erneut trifft Tenmarus Faust einen empfindlichen Punkt seines Gegners mit aller Härte. Er ist wütend. Auf diesen Higashi-aitsu, auf Kagome und besonders auf sich selbst. Was hab ich mir bloß dabei gedacht?, fragt er sich stumm zum tausendsten Mal. Dieses Mädchen weiß schon viel zu viel und es wird nicht lange dauern, bis sie den Rest errät. Es wäre so einfach gewesen, diesen Higashi-aitsu die Drecksarbeit machen zu lassen. Hätte er sie getötet, hätte er jetzt eine bedeutende Sorge weniger. Er hätte einfach nichts machen sollen. Aber nein, stattdessen mischt er sich ein. Tenmaru versteht die Welt nicht mehr. Sein Körper hat sich ganz von alleine bewegt. Ehe ihm richtig bewusst worden ist, was er da tat, hatte er auch schon die gefährliche Klaue abgefangen. Ist ihr eigentlich klar, dass er sie eigentlich schon für ihre letzte Frage hätte töten lassen können? Stattdessen prügelt er sich jetzt hier mit diesem Ostkrieger und wofür das? Dafür, dass sie wahrscheinlich bald jedem brühwarm erzählen wird, was sie gehört hat. Tenmaru seufzt innerlich. Nein, es war ihm nicht möglich, sie ihrem Schicksal zu überlassen. Sicher hätte es Inu Yasha das Herz gebrochen. Es steht außer Frage, dass dieses Mädchen im Herzen des Hanyous einen wichtigen Platz einnimmt. Nein, sie ist keine Dienerin. Und ein ehrloser, oder sogar wertloser Mensch ist sie auch nicht. Im Gegenteil! Sie ist klug und mitfühlend und vor allem furchtlos. An ihr ist mehr dran, als man auf den ersten Blick sieht. Und er wird diesen Higashi-aitsu dafür bezahlen lassen, dass er die Auserkorene seines Herren angegriffen hat! Mit wütendem Knurren schlägt Tenmaru erneut nach dem Ostyoukai, der sich, so gut es nur geht, verteidigt. Immer wieder versucht er Tenmaru mit seinem Schwert zu treffen, doch der Streuner ist viel zu geschickt und weicht seinen Schlägen locker aus. Das versetzt den Krieger immer mehr in Wut. „Halt gefälligst still, Köter!“, grollt er wütend. Langsam bekommt Tenmaru seine Emotionen unter Kontrolle und er weicht nun gelassener aus. Die Klinge seines Gegners schlägt er immer wieder mit der bloßen Hand beiseite. Hämisch funkelt der Youkai ihn an. „Das bringt dir alles nichts, du Dummkopf! Glaubst du wirklich, du könntest hier wieder lebend herauskommen? Du bist längst völlig in der Unterzahl!“ Flüchtig geht Tenmarus Blick in die Runde. Er hat recht. Schon jetzt rücken einige der bewaffneten Soldaten um sie her näher. „Dann ist es wohl besser, wenn ich es schnell beende!“, sagt er ruhig. Unmittelbar darauf, verschwindet er aus dem Blick des Ostyoukais. Verwirrt schaut der Krieger sich um. Wo ist er hin? Doch die Unsicherheit hält nur Sekundenbruchteile an. Direkt hinter ihm ist der Streuner wieder aufgetaucht und mit einem blitzschnellen, kräftigen Schlag rammt er ihm seine Krallen in den Rücken und durchbohrt damit den Brustkorb des anderen. In seiner Hand hält er das noch immer heftig schlagende Herz des Youkais und mit einem kurzen, heftigen Griff zerquetscht er das Organ zwischen seinen Fingern. Leblos sinkt der Körper des Youkais zu Boden und fällt vor Tenmaru auf die steinernen Fliesen, auf denen sich jetzt eine dickflüssige Blutlache bildet. Achtlos lässt Tenmaru den Fleischklumpen in seiner Hand fallen. Konzentriert widmet er seine Aufmerksamkeit nun den fast zwanzig Kriegern die bedrohlich und mit gezückten Waffen auf ihn zukommen. Mit regloser Miene beobachtet Tenmaru es. Langsam gehen seine Hände hinab an seine Hüfte und ziehen seine beiden Dolche aus ihren Scheiden. Entschlossen streckt er sich. „Kommt nur!“, sagt er leise. Doch urplötzlich halten die Youkais inne, und wenden die Köpfe. Tenmaru braucht ihren Blicken nicht folgen. Er weiß auch ohne, dass er hinsehen muss, wer da am Rande des Platzes steht. „Was ist hier los?“, ertönt nun die seidige Stimme des Ostfürsten. Die Krieger sehen sich verstohlen an. „Arashitsume-sama!“, ruft der erste, „Dieser Streuner hat Sakebisentou angegriffen. Wir waren gerade dabei, ihn zur Verantwortung zu ziehen.“ Die Augen des Ostfürsten schimmern purpur und abschätzend blickt er nun auf Tenmaru. Dann sagt er leicht amüsiert: „Worauf wartet ihr dann noch? Erledigt ihn!“ Tenmaru fletscht die Zähne bei diesen Worten, doch er sagt kein Wort. Entschlossen rücken die Soldaten nun wieder näher. Auf einmal ertönt ein lauter Schrei hinter den Youkais. „Nein, lasst ihn in Frieden!“ Irritiert nehmen die Krieger wahr, dass eine schmale Gestalt zwischen ihnen hindurchhuscht und sich vor Tenmaru stellt. Mit weit ausgebreiteten Armen steht Kagome da und blickt mit entschlossener Miene direkt zu Arashitsume hinüber. Dem Streuner bleibt vor Verblüffung der Mund offen stehen. Was tut Sie hier? Warum bleibt sie nicht versteckt? Das ist doch Irrsinn, was rechnet sie sich für Chancen aus, das zu überleben? Der Fürst des Ostens hebt leicht die Brauen. „Oh, wen haben wir denn da? Fürst Inu Yashas kleine Dienerin! Du möchtest also mit diesem Streuner zusammen sterben?“ Doch Kagome nimmt all ihren Mut zusammen und trotzt seinem Blick. „Ihr dürft ihm nichts tun! Es ist nicht seine Schuld. Er hat mich nur verteidigt.“ Arashitsumes Augen werden schmal: „Ich frage mich, warum das wohl nötig war. Du willst doch wohl nicht behaupten, dass du dich unter meinem Dach in Gefahr fühlst, kleine Menschenfrau? Meine Untergebenen würden niemals ohne meine Erlaubnis, die Bediensteten meiner Gäste angreifen. Unterstellst du mir etwa, ich würde meine Pflicht als Gastgeber vernachlässigen?“ Trotzig reckt Kagome das Kinn: „Gehört zu diesen Pflichten auch, dass Ihr einfach den Bediensteten der anderen Fürsten, Befehle erteilt?“ Tenmaru ist bei diesen Worten unwillkürlich zusammengezuckt. Woher nimmt sie bloß den Mut so mit dem Fürst des Ostens zu reden? Das ist doch glatter Selbstmord! Mit einem giftigen Lächeln blickt Arashitsume Kagome an: „Das hast du dir ja fein ausgedacht. Zu schade nur, dass du für deine Behauptung keinerlei Beweise hast. Meinen Hauptmann kann ich ja nun nicht mehr dazu befragen. Somit muss ich wohl annehmen, dass du das nur erfindest, um deine schmutzige, kleine Haut zu retten, und diesen ehrlosen Ausgestoßenen hinter dir.“ „Es gibt einen Beweis!“, behauptet Kagome entschlossen. Innerlich verdreht Tenmaru die Augen. Halte doch den Mund! Du machst es nur noch schlimmer! Wenn du irgendwie an deinem Leben hängst, dann leg dich nicht unbedingt mit dem Fürsten aller Hundeyoukais des Ostens an! Belustigt schaut Arashitsume sie an: „Ach tatsächlich? Und was wäre das für ein Beweis?“ „Wir haben einen Zeugen!“, sagt Kagome. Nun kommt Arashitsume ein paar Schritte näher. „Doch hoffentlich nicht diesen kleinen Streuner hinter dir.“ „Nein! Eine Dienerin!“ Kagome weicht unwillkürlich ein wenig zurück als sie den Ostfürst auf sich zukommen sieht. „Eine Dienerin!“, wiederholt Arashitsume amüsiert. „Ja, sie überbrachte Euren Befehl noch vor eurem Hauptmann.“ Nun lächelt Arashitsume nicht mehr. „Es reicht! Ich habe keinen Spaß mehr an diesem Spielchen! Deine Lügen kommen dich teuer zu stehen.“ Rasch wirft er seinen Soldaten einen eindeutigen Blick zu. „Tötet sie! Alle beide!“ „Versucht Ihr etwa, Zeugen verschwinden zu lassen, Arashitsume-sama?“ Unwillkürlich erstarrt der Fürst des Ostens mitten in der Bewegung. Langsam dreht er sich um. „Sesshomaru-sama!“, stellt er mit einem süßlichen Lächeln fest, „Ihr seid bereits auf?“ Hoch aufgerichtet und mit ausdrucksloser Miene steht Sesshomaru am Rand des Platzes. „Lenkt nicht vom Thema ab!“, sagt er unbeirrt, „Ich will nicht hoffen, dass es stimmt, was das Mädchen sagt.“ Ein entwaffnendes Lächeln erscheint auf Arashitsumes Gesicht. „Aber lieber Freund, Ihr werdet doch wohl den Worten dieser Menschenfrau kein Gehör schenken, oder?“ Kühl schaut Sesshomaru ihn an: „Das käme Euch gelegen, nicht wahr? Ihr gebt also nicht den Dienern meines Bruders heimlich Befehle?“ Empört verzieht sich Arashitsumes Gesicht. „Wo denkt ihr hin? Ich werde doch in dieser ohnehin schon angespannten Situation nicht auch noch unnötig gegen die Etikette verstoßen.“ „Wenn es Eurer Sache dient, wärt Ihr selbst dazu fähig!“, entgegnet Sesshomaru ruhig. Nun wird Arashitsumes Blick hart: „Beleidigt mich nicht, Sesshomaru-sama. Ihr seid noch immer Gast hier in meinem Haus. Mein Wort gegen das Wort einer Menschenfrau sollte Euch genügen!“ Für einen Moment mustert Sesshomaru ihn mit schmalen Augen, doch dann sagt er gleichgültig: „Es ist Euer Haus. Ihr könnt hier tut, was Euch beliebt!“ Nun hellt sich Arashitsumes Miene wieder auf und dann wendet er sich zu Kagome und Tenmaru um: „Das habe ich auch vor!“, sagt er genüsslich und dann kommt er direkt auf Kagome zu. Das Mädchen wird nun doch bleich vor Schreck und all ihr Mut von eben scheint sich in Rauch aufgelöst zu haben. „Du Dummkopf!“, zischt Tenmaru ihr ins Ohr, „Warum bist du nicht einfach im Haus geblieben?“ „Ich konnte doch nicht zulassen, dass sie dich töten. Du hast mich doch wirklich nur verteidigt. Das hätte ich mir nie verzeihen können!“ „Ich werde aus euch Menschen nicht schlau“, schüttelt Tenmaru verwirrt den Kopf. Doch dann schiebt er sich an ihr vorbei und baut sich zwischen ihr und dem nahenden Arashitsume auf. Wachsam hebt er seine Klingen. Er ist zu allem bereit. Der Blick des Ostfürsten, hat nun nicht mehr die kleinste Spur eines Lächelns. Völlig berechnend kommt er auf die beiden zu und schon hebt er seine Klaue zum Schlag. Doch urplötzlich reißt er seine Augen auf und sein Kopf fliegt ruckartig nach oben. Nur Sekundenbruchteile später ist er schon der gewaltigen Klinge ausgewichen, die sich nun tief in die Steinplatten vor ihm gegraben hat. Arashitsume ist zunächst sprachlos doch dann legt sich sein sein makelloses Gesicht in Ärgerfalten. Mit zusammengebissenen Kiefern zischt er: „Du?“ „Das heißt „Ihr“, verdammt noch mal! Und wenn Ihr Kagome auch nur anrührt, seid Ihr ein toter Mann!“ Kagome, die ängstlich die Augen geschlossen hatte, reißt sie beim Klang der vertrauten Stimme unverzüglich auf. Grenzenlose Erleichterung steht ihr ins Gesicht geschrieben. „Inu Yasha!“, strahlt sie. Mit einem verwegenen Grinsen erwidert der Hanyou ihren Blick. „Hast du jemand anderen erwartet?“ Kapitel 25: Hanyou oder Fürstensohn ----------------------------------- „Das ist völlig unmöglich!“, das sonst so ebenmäßige Gesicht Arashitsumes ist nun verzerrt von unterdrückter Wut, „Wie kommt es, dass Ihr hier seid? Diese Fesseln waren unüberwindbar!“ Herausfordernd schaut Inu Yasha ihn an. „Mir scheint, Ihr unterliegt da einer Täuschung, was das angeht, Arashitsume!“ „Sama!“, wispert eine leise Stimme in Inu Yashas Ohr. „Sama!“, fügt Inu Yasha ein wenig widerwillig hinzu. Doch der Ostfürst nimmt von dem Beinah-Ausrutscher keine Notiz, er ist viel zu aufgebracht. „Ihr könnt Euch unmöglich aus eigener Kraft befreit haben!“, ruft er giftig, „Kein Hanyou überwindet meine Raishiba!“ „Ihr meint diese komischen Energiebänder?“, fragt Inu Yasha herablassen, „Als wenn die tatsächlich ein Hindernis für mich darstellen würden. Ich hielt es nur für... taktvoller, Euch nicht direkt vor all Euren Leute darauf hinzuweisen. Ich wollte schließlich nicht, dass Ihr in Eurem eigenen Haus das Gesicht verliert! Ihr seid schließlich der Herr dieses Schlosses und da Ihr mich ja unbedingt festsetzen wolltet, schien es mir angemessener, mich Eurem Wunsch zu fügen!“ Arashitsume macht ein Gesicht als hätte er sich gerade an einer dicken Kröte verschluckt. Sein überirdisches Gesicht ist wild verzerrt und seine Augen leuchten im gefährlichem Violett. Scharfe Reißzähne schieben sich unter seinen Lippen hervor und er presst die Kiefer grimmig aufeinander. Eine bedrohliche Aura hüllt ihn ein. Doch Inu Yasha weicht keinen Schritt zurück. Stattdessen hebt er nun Tessaiga wieder und streckt es unbeeindruckt Arashitsume mit einer Hand entgegen. Entschlossen erhebt er die Stimme: „Es war sicher nicht meine Absicht, Euch zu verärgern, Arashitsume-sama. Ich bin durchaus gewillt, Eure Autorität anzuerkennen, aber...“, und seine Stimme wird kühl, „Wenn Ihr meine Freunde angreift, erwartet nicht, dass ich tatenlos zusehe!“ Völlig ungehalten wendet sich Arashitsume zu Sesshomaru um. „Ihr wart das, gebt es zu! Ihr habt Euren Bruder hinter meinem Rücken befreit!“ Sesshomaru mustert den Ostfürsten mit einem ausdruckslosem Gesicht. „Mäßigt Euch, Arashitsume-sama!“, sagt er ruhig, „Ich habe nichts dergleichen getan. Erspart mir Eure haltlosen Unterstellungen!“ „Hey!“, ertönt es. Wieder fliegt Arashitsumes Gesicht zu Inu Yasha. „Ich erwarte eine Erklärung, was Ihr Euch dabei gedacht habt! Warum haben Eure Soldaten, meine Freunde angegriffen?“ In diesem Augenblick tauchen zwei keuchende Personen am Rande des Platzes auf. Es sind die beiden Youkais die vor Inu Yashas Gefängnis Wache gehalten haben. Sie sehen ziemlich erschöpft aus und als sie die Situation erfassen, werden sie kreidebleich. Wie zur Salzsäule erstarrt stehen sie da und als sich Arashitsume zu ihnen umdreht, beginnen sie am ganzen Körper zu zittern. Hoch aufgerichtet und mit unverkennbar zorniger Miene steht der Fürst des Ostens da und seine Lippen zucken vor unterdrückter Wut als er spricht: „Ihr! Ihr habt ihn entkommen lassen!“ Augenblicklich schmeißen sich die beiden Wachen zu Boden. „Vergebt uns Arashitsume-sama!“, fleht der eine, „Er rannte einfach an uns vorbei. Wie konnten wir denn ahnen, dass er nicht länger gefesselt war?“ „So erfüllt ihr also eure Pflicht? “, die leise Stimme des Ostfürsten bebt vor Anspannung, „Warum habt ihr nicht regelmäßig nachgesehen? Muss man euch denn jede Kleinigkeit erklären?“ „Vergebt uns, mein Fürst!“, jammert jetzt auch der andere, „Wie konnten wir das ahnen? Die Fesseln hätten ihn halten sollen.“ „Das weiß ich auch!“, faucht Arashitsume wütend, „Irgendjemand muss ihm geholfen haben. Habt ihr niemanden bemerkt?“ Zitternd halten die beiden den Blick gesenkt. „Nun... äh...“, beginnt der eine schwitzend. Unmittelbar darauf ragt Arashitsume direkt vor ihnen auf. Eine purpurne Aura hüllt ihn ein und sein Blick ist tödlich: „Ja?“ Wenn irgend möglich, pressen sich die beiden noch mehr auf die Erde. „Da war... dieser Floh und... das Mädchen da!“ „Was?“, schnappt Arashitsume gefährlich. „Sie haben Fürst Inu Yasha besucht. Fürst Sesshomaru hat sie geschickt, also ließen wir sie passieren.“ Arashitsumes eisiges Schweigen, das auf diese Worte folgt, ist womöglich noch bedrohlicher als seine Worte von eben. Langsam dreht er sich zu Sesshomaru um. „Was führt Ihr im Schilde, Sesshomaru-sama?“, fragt er finster. Doch der weißhaarige Youkaifürst erwidert seinen Blick mit gleichmütiger Miene. „Ihr solltet Euch wirklich gut überlegen, ob Ihr diesen Gedanken weiterdenken wollt, Arashitsume-sama! Wenn ich meinen Bruder befreien wollte, glaubt Ihr, ich hätte ihm einen Floh und ein Menschenmädchen geschickt! Ich hätte Euch für klüger gehalten!“ Grimmig presst Arashitsume seine Lippen aufeinander. Für einen Moment scheint es hinter seiner Stirn zu arbeiten, dann sagt er gepresst: „Ihr habt recht! Offenbar habe ich Euch vorschnell verdächtigt. Was hätte ein Mensch auch gegen meine Raishiba ausrichten können?“ Der Ostfürst ringt mühsam um seine Fassung. Doch letztlich glätten sich die Ärgerfalten auf seinem Gesicht wieder und ein sanftes Lächeln legt sich wieder um seine Lippen. Mit einer eleganten Bewegung wendet er sich wieder zu Inu Yasha um. „Mir scheint, ich habe Euch tatsächlich unterschätzt. Ihr überrascht mich in der Tat, Inu Yasha-sama!“ Erhobenen Hauptes, erwidert der Hanyou seinen Blick: „Das passiert mir öfter.“ „Und mir passiert das kein zweites Mal!“, zischt der Ostfürst gefährlich. Er kommt auf Inu Yasha zu. Um seine erhobene Klaue zucken grelle Blitze. „Offenbar muss ich bei Euch zu härteren Mitteln greifen, um Euch festzusetzen.“ Inu Yasha fletscht die Zähne und packt sein Schwert fester. „Traut Euch! Es wird Euch nichts nützen!“ „Wir werden sehen!“, meint der Fürst des Ostens lächelnd. Besorgt presst Kagome sich nun an ihren Freund. Ihr Herz schlägt bis zum Hals. Nein, Inu Yasha soll nicht noch einmal so leiden wie gestern. Wenn es stimmt, dass ihre Kräfte diese widerlichen Fesseln auflösen können, dann wird sie kein Stück mehr von seiner Seite weichen. „Kagome, geh zur Seite! Der meint es ernst“, zischt Inu Yasha ihr zu. Doch sie rührt sich kein Stück. „Oh, wie niedlich!“, schmunzelt Arashitsume amüsiert, „Das Mädchen ist wohl sogar bereit, ihr Leben für Euch zu opfern. Ich gebe zu, ich finde diese Loyalität faszinierend. Doch leider bringt es Euch überhaupt nichts.“ Gefährlich knistert die elektrische Ladung um seine Hand und in seinen Augen funkelt es unheilsvoll. Inu Yasha ist auf alles gefasst. Er wird seine Freundin beschützen und wenn er diesen Fürsten dafür umlegen muss. Vernehmlich lässt er die Knöchel knacken und dann hebt er Tessaiga. Arashitsume hat die geringfügige Gewichtsverlagerung bemerkt und blitzartig hebt er seine Klaue um nach Inu Yasha zu schlagen. Doch diesen Schlag führt er nie aus. Eiserne Finger haben sich um sein Handgelenk geschlossen und hindern ihn an der Bewegung. Wütend fährt Arashitsume herum und blickt in die eisigen Goldaugen von Sesshomaru. „Untersteht Euch, noch einmal Hand an meinen Bruder zu legen!“, in seinen leisen Worten liegt grimmiger Ernst. „Eure Technik vermag ihn offenbar nicht zu halten, deshalb werde ich jeden weiteren Versuch, als pure Beleidigung ansehen, mit der Ihr versucht eure sadistischen Gelüste zu befriedigen. Das dulde ich nicht!“ Zornesrot starrt Arashitsume den Fürst des Westens an: „Ihr beschützt ihn! Ihr verteidigt diesen Hanyou, diesen Missgriff der Natur?“ Nun schließen sich Sesshomarus Finger noch ein wenig fester um Arashitsumes Handgelenk. In seiner Stimme klingt ein leises Grollen mit: „Ihr vergesst Euch! Mein Vater erkannte ihn als seinen Sohn an und Ihr werdet ihm den Respekt entgegenbringen, den Recht und Sitte verlangen!“ Wütend funkelt der Ostfürst ihn an. Dann urplötzlich reißt er sich aus Sesshomarus Griff los. Sein Kimono scheint in der Luft zu schweben als er sich geschmeidig zu seinen beiden Untergebenen umwendet, die noch immer am Boden kauern. und Sekundenbruchteile später ergießt sich ein wahrer Schauer aus züngelnden Blitzen auf die beiden Unglücksraben und prasselt in greller Wut auf sie hernieder. Den beiden bleibt nicht einmal mehr Gelegenheit zu schreien. Unter den knisternden Ladungen vergehen sie zu einem bloßen Häufchen Asche. Geblendet beschirmt Inu Yasha die Augen. Er ist ziemlich aufgewühlt. Er hat nicht damit gerechnet, dass von diesem eingebildeten Schönling eine solche Zerstörungskraft ausgehen könnte. Fast ist er schon ein bisschen froh, dass ihn diese Technik nicht getroffen hat, allein schon um Kagomes Willen, die sich noch immer an ihn klammert. Diese Energiefesseln mag sie vielleicht auflösen können, doch dieses massive Blitzgewitter ist selbst für sie zu viel. Einmal mehr verflucht er seine Position. Myoga hat ihm eingeschärft, dass er den Fürsten auf keinen Fall angreifen darf, selbst wenn ihm danach sein sollte. Es käme einer offenen Herausforderung des Ostens gleich. Sollte er auch nur den Versuch unternehmen, ihn zu attackieren, bekäme er es mit sämtlichen Hundeyoukais des Ostens zu tun und daraufhin wäre Sesshomaru gezwungen, zu reagieren. „Selbst wenn Sesshomaru-sama Euch nicht leiden kann“, hatte der alte Floh erklärt, „So wird er sicher Eure Verurteilung abwarten, ehe er sich gegen Euch stellt. Bis dahin, ist er verpflichtet, Euch als Fürstensohn zu behandeln und dies auch von den anderen Fürsten zu fordern.“ „Und was ist, wenn er sich einfach nicht darum schert?“, hatte Inu Yasha gefragt, „Ich stehe auf seiner Beliebtheitsskala nicht unbedingt ganz oben.“ „Habt Vertrauen in Euren Bruder!“, hatte Myoga ihn beschworen, „Sesshomaru-sama nimmt seine Verantwortung viel zu ernst, als dass er sich von seinen Gefühlen für Euch daran hindern lassen würde.“ „Aber er hat es ohne weiteres zugelassen, dass dieser Bastard Arashitsume mich eingekerkert hat“, hatte er trotzig erwidert. „Das war notwendig, um Arashitsume-samas Gesicht zu wahren. Es ist sein Schloss, sein Reich und sein gutes Recht, Eure Festsetzung bis zur Verhandlung zu fordern. Dabei ist er beinah zu weit gegangen, immerhin hat er einem anderen Fürsten willentlich Schmerzen zugefügt. Glaubt mir, ein weiteres Mal wird Sesshomaru-sama das nicht dulden.“ Offenbar hat der alte Floh recht gehabt, denkt Inu Yasha bei sich. Zwar hat es ihn unheimlich Überwindung gekostet, abzuwarten, ob sein Bruder noch rechtzeitig handeln würde, doch seine Sorge war nicht begründet. Fast muss er schon ein wenig schmunzeln. Sicher hat weder Arashitsume noch Sesshomaru gefallen, wie diese Situation gerade abgelaufen ist. Es verschafft ihm ein kleines bisschen Genugtuung. Doch er traut dieser momentanen Pattsituation nicht. Noch immer stehen jede Menge gut gerüstete Ostkrieger um sie alle herum, wenn auch inzwischen etwas eingeschüchtert wegen der Strafaktion an ihren Kameraden eben. Auch einige einfache Bedienstete stehen herum. Inu Yasha bemerkt, dass fast sämtliche Ostyoukais hier ängstlich zu ihrem Fürsten hinüberspähen. Dieser Kerl ist anscheinend nicht wirklich beliebt bei seinen Leuten. Kein Wunder, so wie es aussieht, hat der Fürst kein wirkliches Interesse am Leben seiner Untergebenen. Inu Yashas Miene verfinstert sich. Es steht außer Frage, dass er den Fürst des Ostens immer weniger leiden kann. In diesem Moment sieht er plötzlich wie Tenmaru neben ihm zusammenzuckt und ein aufgeregtes Gemurmel unter den Youkais um sich greift. Und im selben Moment spürt er es. Eine enorme Aura überschwemmt seine Sinne. Unwillkürlich packt er sein Schwert fester und folgt der Blickrichtung der anderen. „Spürst du das, Kagome?“, wispert er ihr zu. „Ja!“, sie nickt. Zögerlich lässt sie ihn nun wieder los: „Eine gewaltige dämonische Aura und sie kommt hierher!“ Nun spielt wieder ein amüsiertes, kleines Lächeln um Arashitsumes Lippen. Fast könnte man meinen, sein kleiner Gefühlsausbruch von eben hätte gar nicht stattgefunden. „Ah, da ist Sie ja!“, sagt er, „Sie kommt früher als erwartet.“ Nun wendet auch Sesshomaru den Blick in die entsprechende Richtung. Was er denkt ist ihm nicht anzusehen. Der Ostfürst wendet sich zu ihm: „Da ich ihn nicht festsetzen darf, was soll nun mit ihm geschehen?“ Er nickt in Inu Yashas Richtung. „Er wird bis zur Verhandlung in meinem Quartier bleiben“, sagt Sesshomaru. Ein instinktiver Ruck der Empörung geht durch Inu Yashas Körper, doch er kann sich gerade noch am Riemen reißen. Verbissen ballt er die Hand zur Faust. Das fehlte gerade noch, dass er von seinem Bruder Hausarrest aufgebrummt kriegt und dann noch in seinem Quartier! Na, schönen Dank auch! „Wird er denn auch dort bleiben?“, kommt die Rückfrage. „Natürlich wird er das!“, antwortet Sesshomaru mit einem durchdringenden Blick auf Inu Yasha. Der Hanyou beißt krampfhaft die Zähne aufeinander. „Ihr habt mein Wort!“, souffliert Myoga leise. „Ihr habt... mein Wort!“, wiederholt Inu Yasha doch er muss sich jedes Wort abringen. Ein wenig herablassend mein Arashitsume: „Na ja, wenn Euch das genügt Sesshomaru-sama, dann soll es von mir aus so sein. Doch nun sollten wir die Fürstin des Nordens willkommen heißen. Sie und ihr Gefolge“, fügt er mit einem verächtlichen Tonfall hinzu. Und an Sesshomaru gewandt: „Kommt Ihr?“ „Ich werde Euch in Kürze folgen!“, antwortet der Westfürst. Ohne ein weiteres Wort wendet sich Arashitsume zum Gehen. Mit einer fast beiläufigen Handbewegung winkt er den umstehenden Kriegern, ihm zu folgen. Zurück bleiben Inu Yasha, Kagome Sesshomaru und Tenmaru. Nun endlich wagt es Inu Yasha sich zu seiner Freundin umzudrehen. „Was macht dein Arm?“ „Oh!“, sie errötet ein wenig, „Es ist nicht schlimm!“ „Red keinen Unsinn, zeig her!“, fordert Inu Yasha ungeduldig und schon hat er ihren Arm ergriffen. Als er den dicken Kratzer sieht, muss er schwer schlucken. Die Wunde hat zwar aufgehört zu bluten, doch sie hat eine dicke Schorfkruste gebildet und ihr ganzer Ärmel ist aufgerissen und mit halbgetrocknetem Blut verschmiert. Verdammt, das hätte auch ins Auge gehen können. Er wagt sich gar nicht auszumalen, was ihr dabei sonst noch hätte passieren können. Und alles nur, weil er nicht da war, um sie zu beschützen. „Wer war das?“, grollt er ärgerlich. „Er dort!“, sagt Kagome und deutet auf den toten Youkai ein Stück weiter. „Warum? Wie ist das passiert?“ „Das weißt du nicht?“, Kagome ist verwundert, „Aber warum bist du dann hier? Es war ziemlich riskant, Arashitsume deine Freiheit so beizubringen.“ Inu Yasha lässt behutsam ihren Arm los. Er wirkt etwas verlegen: „Ich hab es gerochen. Den Geruch deines Blutes würde ich überall wiedererkennen. Ich dachte du wärst... in Gefahr.“ Fast hat es den Eindruck als wollte er zunächst etwas anderes sagen. „Ja, und danach gab es kein Halten mehr für ihn!“, meldet sich jetzt auch Myoga empört zu Wort und hüpft von Inu Yashas Ohr auf seine Schulter, „Gerade waren wir noch mit der aktuellen Lektion beschäftigt und auf einmal springt Inu Yasha-sama auf, greift sich Tessaiga, sagt ich soll mitkommen und dann ist er losgerannt. Einfach vorbei an den verblüfften Wachen. Nicht mal zuhören wollte er mir noch.“ Inu Yasha ignoriert die Beschwerde des alten Flohs. Stattdessen wendet er sich jetzt an Tenmaru: „Du hast sie beschützt, nicht wahr?“ Nun ist es Tenmaru, der ein wenig verlegen aussieht. Statt zu antworten, nickt er nur kurz. Irgendwie entspannt sich Inu Yasha ein klein wenig. „Ich muss mich wohl bei dir... bedanken!“, sagt er, doch auch ihm merkt man an, dass er sich dabei ein wenig überwinden muss. Tenmaru weicht seinem Blick aus. „Das ist nicht nötig, Inu Yasha-sama!“ Ein wenig verstimmt schnappt der Hanyou wieder ein: „Hmh, wenn du meinst!“ „Inu Yasha!“ Augenblicklich fährt der Angesprochene herum. Für einen langen Moment schaut Sesshomaru ihn an. Fast scheint es, als ob der Westfürst zögert. Dann meint er: „Komm mit!“ Inu Yasha ist sich fast hundertprozentig sicher, dass sein Bruder eigentlich etwas anderes sagen wollte. „Wohin?“, die Frage kommt schneller heraus, als dass er sie sich verkneifen kann. Kühl schaut der Youkai ihn an. „In mein Quartier natürlich.“ Inu Yasha schnaubt genervt auf: „Warum ausgerechnet da?“ „Wäre dir der Felsenkerker lieber?“, der Zynismus ist kaum zu überhören. „Mir wäre es lieber, wenn du mich nicht andauernd herumkommandieren würdest“, brummt Inu Yasha verstimmt, doch er schickt sich an, seinem Bruder zu folgen. „Was geschieht mit meinen Freunden?“, hält er noch einmal inne. Sesshomaru mustert ihn kritisch, dann sagt er: „Du hast dich bereiterklärt, dich bis zur Verhandlung in meinem Quartier aufzuhalten. Die Fürstin des Nordens ist bereits eingetroffen. Es wird also nicht lange dauern. Bis dahin darfst du selbstverständlich über dein Dienstpersonal verfügen wie dir beliebt.“ Inu Yasha entgeht der äußerst geringschätzige Ton dieser Bezeichnung nicht. Schon will er etwas dazu sagen doch ganz unvermittelt wendet sich Sesshomaru an Tenmaru. „Von dir erwarte ich allerdings, dass du dich nicht vor der Fürstin des Nordens blicken lässt, ist dasklar?“ Tenmaru steht da wie zur Salzsäule erstarrt. Keinen Muskel wagt er zu rühren und ein flüchtiger Blick geht zwischen dem Westfürsten und seinem Halbbruder hin und her. „Hey!“, mein Inu Yasha ärgerlich, „Fängst du jetzt auch schon an, meinen Untergebenen Befehle zu erteilen?“ Sesshomaru scheint einmal still durchzuatmen, dann wendet er sich wieder an seinen Bruder. „Dann sag du es ihm!“ „Warum?“, kommt die skeptische Gegenfrage. Für einen Moment zuckt Ärger über Sesshomarus Gesicht, dann sagt er säuerlich: „Weil Fürstin Yarinuyuki nicht gerade bekannt für ihre... Selbstbeherrschung ist!“ Inu Yasha schaltet erfreulich rasch: „Du meinst, sie könnte versuchen ihn zu töten?“ „Ich meine, dass sie sich dazu hinreißen lassen könnte, das Protokoll etwas zu verletzen, wenn sie diesem Streuner begegnet.“ „Nette Umschreibung für einen Mord!“, gibt Inu Yasha sarkastisch zurück. Unergründlich schaut Sesshomaru ihn an. „Es liegt in deiner Macht, das zu verhindern.“ Ein schiefes Grinsen zieht nun über Inu Yashas Gesicht: „Seit wann bist du eigentlich so um Tenmarus Sicherheit besorgt?“ Kaum hat er das gesagt, fliegen Sesshomarus Augen auf und er starrt Inu Yasha an als würde er ihn bei lebendigem Leib verschlingen wollen. Der Hanyou kann sehen wie hart seine Kiefer mahlen, doch kein Wort kommt über seine Lippen. Ein langer Augenblick vergeht, dann hebt Sesshomaru den Kopf und nun ist sein Gesicht wieder eine Maske der Selbstbeherrschung. „Ich möchte lediglich einen Zwischenfall vermeiden“, sagt er gepresst, „Mit Sorge um seine Sicherheit hat das nichts zu tun!“ Wer's glaubt wird selig!, denkt Inu Yasha bei sich. Er tut es schon wieder. Er weigert sich einfach beharrlich, das anzuerkennen, was ihm nicht in den Kram passt. Hat er vielleicht doch Angst, dass diese... Yarinuyuki Tenmaru etwas antun könnte? Aber warum? Bisher war er doch eigentlich nicht besonders gut auf den Streuner zu sprechen gewesen. Zu gerne möchte er wissen, was zwischen Tenmaru und Sesshomaru vorgefallen ist. Irgendeine verzwickte Verbindung muss es doch geben, warum sollte sein Bruder sonst immer so heftig reagieren auf alles was mit diesem Streuner zu tun hat? Er kommt nur einfach nicht dahinter, was es sein könnte. Sesshomaru scheint eine tiefe Abneigung gegen Tenmaru zu haben und wie es aussieht, geht diese Abneigung sogar über das zu erwartende Maß hinaus. Tenmaru seinerseits scheint Sesshomaru irgendwie... zu bewundern. Innerlich seufzt Inu Yasha. Es ist ihm keineswegs entgangen wie ungern Tenmaru im Grunde in seinen Diensten steht, und trotzdem gehorcht er ihm folgsam aufs Wort. Wenn er seinen Herren auch nicht leiden kann, so hat der Streuner trotz allem ein starkes Ehrgefühl Inu Yasha gegenüber und allem was ihm wichtig ist. Kagome! Er hat Kagome beschützt. Es gibt nichts, was ihm einfällt, mit dem er dem Streuner seine Dankbarkeit dafür ausdrücken könnte. Inu Yasha weiß zwar nicht was genau passiert ist, aber er ist sich sicher, dass es Kagome das Leben gekostet hätte, wenn Tenmaru nicht eingegriffen hätte. Es bereitet ihm ein bisschen Magenschmerzen, in der Schuld des Streuners zu stehen. Da plötzlich kommt ihm ein kühner Gedanke. Er wendet sich an Sesshomaru. „Mag ja alles sein, aber ich habe eigentlich nicht vor, meinen Freunden Befehle zu erteilen. Und den Streunern auch nicht! Doch wenn dir das so wichtig ist, kann ich ihn dir ja mal ne Weile ausleihen!“ Fast muss er schmunzeln. Sesshomaru und Tenmaru sind fast gleichzeitig erstarrt. Sesshomaru findet als erster seine Sprache wieder. Er wirkt sehr aufgewühlt: „Was sollte ich mit solch einem Stück Abschaum anfangen?“ Doch Inu Yasha wehrt hastig ab: „Hey, nur keine falschen Schlüsse, bitte! Ich sagte nur leihen. Du kannst ihm von mir aus Befehle erteilen, bis die Sache hier vorbei ist, aber ich will ihn nachher in einem Stück wiederhaben, klar? Er gehört immer noch mir, aber ich übertrage dir die Verfügungsgewalt über ihn. Giftig starrt Sesshomaru ihn an. „Willst du mich verhöhnen? Was bildest du dir ein? Du überträgst mir die Verfügungsgewalt über diesen... diesen...!“ „Ja, so ist es!“, nun trotzt Inu Yasha entschlossen seinem Blick, „Hast du ein Problem damit, dann nur raus damit! Bis dahin, nimm es einfach hin. Aber denk dran, in einem Stück, und bitte möglichst lebend, ja?“ Für ein paar Sekunden hat man den Eindruck, als würde der weißhaarige Fürst des Westens einen heftigen Wutanfall unterdrücken, doch er sagt kein Wort. Sein Schweigen ist schon bedrohlich genug. Doch Inu Yasha lässt sich nicht einschüchtern, stattdessen fordert er sein Glück noch einmal heraus. „Du willst, dass er sich von der Nordfürstin fernhält? Dann sag ihm das selber! Ich werd' ihm gar nichts befehlen!“ Schließlich kommt doch eine Reaktion von dem Youkaifürsten. „Ist dir eigentlich klar, was das bedeuten würde?“ Nun hebt Inu Yasha den Kopf. „Ja, natürlich! Das heißt, er stünde dann offiziell in deinen Diensten und was das heißt, weißt du wahrscheinlich noch besser als ich. Aber um seine Loyalität wirst du dir wahrscheinlich keine Gedanken machen müssen.“ Ein langsamer Blick Sesshomarus geht hinüber zu Tenmaru. „Wahrscheinlich nicht“, sagt er in einem Ton der einem eine Gänsehaut verpassen könnte. Der fassungslose Blick Tenmarus ist noch immer auf ihn geheftet. Nun wendet Sesshomaru sich ab: „Also schön! Ich verbiete dir, in die Nähe der Nordfürstin zu kommen, Streuner! Du wirst in dein Quartier gehen und dort bleiben!“ Im ersten Moment starrt der junge Streuner Sesshomaru an wie vom Donner gerührt. Dann fällt er auf ein Knie herab und senkt den Blick. „Ja, mein Fürst!“, seine Stimme bebt. Dann springt er auf und ohne ein weiteres Wort zu sagen läuft er davon, direkt auf die Gebäude des Palastes zu. Als er Inu Yasha passiert, treffen seine Augen für den Bruchteil einer Sekunde die des Hanyous. Dann ist er auch schon an ihm vorbei und kurz darauf ist er verschwunden. „Und du wirst jetzt auch gehen!“, sagt Sesshomaru ernst an seinen Bruder gewandt. Mit etwas mehr Widerwillen nickt Inu Yasha. Dann wendet sich der stolze Westfürst zum Gehen. „Warte in meinem Quartier auf mich!“, sagt er noch und dann verlässt er den Platz und strebt auf den Palast zu. „Warum hast du das gemacht?“, die Stimme lässt Inu Yasha herumfahren. Kagome schaut ihn ungläubig an. „Was sollte das? Tenmaru hat mich beschützt, warum lieferst du ihn Sesshomaru aus?“ Missmutig blickt Inu Yasha zur Seite. „Das ist meine Sache.“ „Deine Sache, ja?“, die Empörung in ihrer Stimme ist unverkennbar, „Sesshomaru hasst ihn. Wenn er die Gelegenheit bekommt wird er Tenmaru sicher töten!“ „Darum hab ich ja gesagt, ich will ihn in einem Stück wieder“, fügt Inu Yasha verstimmt hinzu. „Na super!“, schimpft Kagome, „Meinst du Sesshomaru kümmert sich darum?“ „Ich will es hoffen!“ „Du willst es hoffen? Was soll das denn? Du spielst hier immerhin mit Tenmarus Leben.“ Ärgerlich schaut Inu Yasha seine Freundin an: „Was soll das schon wieder? Warum regst du dich jetzt wieder so auf?“ Kagome bebt. „Er hat mich beschützt!“, erklärt sie ernst, „Er ist kein so übler Kerl. Er hätte mich auch diesem Youkai ausliefern können, doch das hat er nicht. Er war dir immer loyal gegenüber. Immer!“ Sie zuckt zusammen, als hätte sie zuviel gesagt. Nein, Inu Yasha darf nichts erfahren von den heimlichen Gesprächen die sie belauscht hat. Sie kann sich nicht helfen, aber irgendwie ist ihr der Streuner ans Herz gewachsen. Er hat es nicht leicht. Seit dem die ganze Sache angefangen hat, musste er schon eine Menge mitmachen. Er hat es nicht verdient, dass er jetzt von Sesshomaru getötet wird, weil Inu Yasha der Meinung ist, seinem Bruder mehr Freiheiten über den Streuner einräumen zu müssen. Doch zu ihrer Überraschung schaut Inu Yasha nun ein wenig geknickt zu Boden. „Das weiß ich doch!“, sagt er, „Eigentlich wollte ich dich ja selbst beschützen, doch als es darauf ankam, war er da und ich nicht. Das kann ich mir niemals verzeihen!“ Kagome blickt ihn erstaunt an. „Inu Yasha...!“, sagt sie leise. Doch der Hanyou redet schon weiter: „Ich glaube nicht, dass ihm von Sesshomarus Seite eine Gefahr droht. Wenn Sesshomaru ihn tot sehen wollte, hätte er schon zig Mal die Gelegenheit dazu gehabt und zum Teufel mit dem was ich will!“ „Meinst du nicht, er könnte es dir übelnehmen, dass du ihn so einfach weitergereicht hast?“, gibt Kagome zu bedenken, „Außerdem kann er doch nicht wirklich sicher sein, was Sesshomaru mit ihm machen wird. Bestimmt macht er sich Sorgen darüber.“ Mit einer geschmeidigen Bewegung steckt Inu Yasha nun Tessaiga zurück in seine Scheide. Dann sagt er: „Das denke ich nicht. Ich glaube eher, dass er sich darüber sogar gefreut hat. Er hat gelächelt!“ Schemenhaftes Licht beleuchtet durch eine trübe Wolkendecke eine triste Gegend. Die gesamte Umgebung erscheint in einem eintönigen Grau. Hier und da stehen ein paar abgestorbene Bäume in der Gegend herum und dichtes, hohes Gras bedeckt den nebelverhangenen Grund der Senke. An manchen Stellen haben sich morastige Tümpel gebildet und warten scheinbar nur auf irgendein Lebewesen, dass sie in ihrem Schlick ertränken können. Doch die Gestalt, die durch diese Sumpflandschaft sprintet, ist geschickt und umgeht jedes Morastloch mit spielerischer Leichtigkeit. Dokuhari kennt den Weg. Er war schon einmal hier und genau aus diesem Grund, möchte er im Augenblick überall sein nur nicht hier. Je näher er seinem Ziel kommt, um so schneller klopft sein Herz. Fast muss er sich zwingen, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Es ist ein Befehl! Und wer Befehle nicht befolgt, wird schlimm bestraft! Immer wieder redet er sich das ein. Kalter Schweiß läuft ihm über den Rücken. Verdammt, ich bin so gut wie tot! Da auf einmal entdeckt er es. Es ist eine kleine Hütte die an eine Felswand gebaut worden ist. Unwillkürlich verlangsamt er sein Tempo. Jeder weitere Schritt kostet ihn Überwindung. Schließlich hat er die schmale Holztür erreicht, doch er wagt nicht, sie zu öffnen. Stattdessen macht er sich erstmal bemerkbar. „Miko Chihime-sama? Seit Ihr zu hause?“ Innerlich hofft er, dass dem nicht so sein möge. „Mein Herr Arashitsume-sama schickt mich. Er erbittet Eure Hilfe!“ Auf einmal ist ein eigenartiges Lachen zu hören. Es klingt wie das Röcheln eines Lungenkranken. „Der dreckige Hund hat wirklich Nerven!“, die Stimme klingt, als wäre sie seit Ewigkeiten nicht mehr benutzt worden. „Chihime-sama?“, fragt der junge Youkai vorsichtig, „Seid Ihr das?“ „Komm schon rein und sag mir was er will! Na los!“, die seltsame Stimme klingt ziemlich mürrisch. Zögernd öffnet Dokuhari die Tür. Vorsichtig lugt er hinein. Im Inneren befindet sich eine Feuerstelle und jemand sitzt dort zusammengesunken und in dicke Decken gehüllt mit dem Rücken zu ihm. „Chihime-sama?“, er zittert leicht, doch er nimmt all seinen Mut zusammen und tritt ein. „Mein Herr bittet Euch inständigst, Euch mit ihm zu treffen. Er benötigt Eure Hilfe. Er ist bereit... Euch den üblichen Preis dafür zu zahlen.“ „Ach, tatsächlich?“, die Stimme, die vom Feuer her kommt, hat etwas bedrohliches bekommen. Wer immer dort sitzt, klingt als hätte er mit Nägeln gegurgelt. „Dieser elende Bastard! Als ob ich nichts Besseres zu tun habe, als diesem Youkai mal wieder aus der Patsche zu helfen.“ Dokuhari wird es sehr unbehaglich zumute. Das hier läuft nicht so gut wie er erhofft hatte. „Soll das heißen, Ihr seid nicht interessiert? Dann vergebt, dass ich Eure Zeit verschwendet habe.“ Schon will er die Hütte rasch wieder verlassen. Doch nun wendet sich die Gestalt am Feuer langsam herum. „Das kann man so nicht sagen.“ Dokuhari zuckt zusammen. Zwei rotglühende Punkte leuchten an der Stelle wo eigentlich die Augen sein sollten, der Rest des Gesichtes ist durch den Schatten, den das Feuer hinter ihr wirft, nicht zu erkennen. „Dieser dreckige Köter weiß schon womit er mich gewinnen kann. Ich akzeptiere seinen Preis! Allerdings...“, sie kommt einen Schritt näher und mit schreckensgeweiteten Augen weicht Dokuhiri zurück, „Bis er mich ausbezahlt, nehme ich mir schon mal etwas als Anzahlung!“ Dokuhari erbleicht. Ohne noch einen weiteren Gedanken zu verschwenden, macht der junge Youkai auf dem Absatz kehrt und ergreift die Flucht. Doch kaum hat er auch nur einen Fuß aus der Tür hinaus, wird er mit einem heftigen Ruck zurückgerissen. Zwar versucht er noch sich im Türrahmen festzukrallen, doch unerbittlich wird er wieder hineingezerrt und nur wenige Augenblicke später gibt das Holz unter seinen Händen nach. Ein markerschütternder, rauer Schrei ertönt, gefolgt von einem mehrmaligen, vernehmlichen Knacken und dann auf einmal herrscht Stille. Es vergeht eine ganze Weile bis am Eingang der Hütte wieder eine Gestalt zu sehen ist. Sie ist hochgewachsen und schlank. Gekleidet ist sie in einen dunklen Kimono der mit zahlreichen roten Stickereien verziert ist. Langes, weißes Haar hängt ihr über die Schultern herab und sie fährt sich einmal kurz über ihre knallroten Lippen. Dann lächelt sie unheilvoll. Tiefschwarze Augen durchspähen wachsam die Finsternis. „Youkais! Diese Kreaturen sind wirklich nur für eine Sache zu gebrauchen!“ Ihre Stimme klingt melodisch und klar. Nun setzt sie sich in Bewegung. „Bin ja mal gespannt, dass dieser stinkende Köter nun wieder im Schilde führt!“ Kapitel 26: Die Ruhe vor dem Sturm ---------------------------------- Eine fast greifbare Stille liegt über dem Vorplatz des Palastes. Wie gebannt starren die dort postierten Youkais geschlossen auf das mächtige Steintor. Keiner von ihnen wagt den Blick abzuwenden. Jede Unaufmerksamkeit könnte fatal sein. Etwas befindet sich dort auf der anderen Seite des Tores und es reicht aus, um sämtliche Ostyoukais in Alarmbereitschaft zu versetzen. Die drückende Last einer gewaltigen Aura liegt schwer über dem Platz und es ist nur eine Frage der Zeit, bis ihr Verursacher durch dieses Tor schreiten wird. Da plötzlich erschüttert ein mächtiger Schlag das Tor. Sämtliche Ostyoukais zucken zusammen, doch sie sind nichtsdestotrotz kampfbereit. Ein zweiter Schlag versetzt die gewaltigen Flügel in Schwingungen. Unmittelbar ertönt eine laute Stimme: „Verdammt noch mal, macht gefälligst endlich auf! Sonst reiß ich euch eure Tür aus den Angeln!“ Die Stimme ist unverkennbar weiblich, obwohl sie ein wenig tiefer ist, als man annehmen könnte. Vielleicht liegt das auch nur an der seltsamen Sprechweise, denn in jedem der Worte schwingt ein dumpfes Knurren mit. In vorderster Reihe steht der Befehlshaber Raimeimaru und lässt das Tor nicht aus den Augen. Seine Kiefer sind hart aufeinandergepresst. Schließlich blickt er hinüber zu einigen Youkais neben dem Eingang und gibt ihnen einen stummen Wink. Rasch machen sie sich daran, das gewaltige Tor zu öffnen. Die mächtigen Flügel teilen sich und geben den Blick auf den Hohlweg frei. Der schmale Weg ist angefüllt mit Youkais. Nordyoukais! Scheinbar über hundert von ihnen drängen sich dort draußen zusammen. Allesamt sind sie in pelzartige Gewänder gekleidet und die Schattierungen ihrer Haartracht reicht von schmutzigem Grau bis hin zu blendendem Weiß. Allesamt sind sie gut gerüstet und auch ebenso gut bewaffnet. Und allesamt bewegen sie sich nun auf das geöffnete Tor zu. Doch allen voran schreitet eine hochgewachsene, imposante Gestalt. Sie trägt einen Kimono dessen Farbe von einem eisigen Blau in ein grelles Weiß übergeht und auf den unzählige feine Silberornamente aufgestickt sind die im trüben Tageslicht ein wenig unwirklich schimmern. Dazu trägt sie einen weitausladenden Hakama in dem sich die Farben des Kimonos wiederfinden. Ein prächtig verzierter, silberdurchwirkter Gürtel in dem ein langes, schmales Schwert steckt, rundet das Bild ab. Über ihre Schulter und quer über ihre Brust zieht sich ein langer, silberner Pelz und eine lange Mähne aus ebenso silbernen Haaren fällt ihren Rücken hinab. Ein kunstvoller, kammartiger Haarschmuck ziert ihr Haupt und grenzt den Pony, der in kinnlangen Fransen an ihrem Gesicht herabfällt, vom Rest der Frisur ab. Über die schmalen Wangenknochen und ihrer Haut mit dem ungewöhnlich bleichen Teint ziehen sich mehrere nachtblaue Sprenkel und unter den Ponyfransen zeichnet sich ein blitzendes, helles Eiskristallsymbol ab. Unnatürlich eisblaue Augen mustern ihre Umgebung mit zunehmender Skepsis und ein verächtlicher Zug legt sich um die blassrosa Lippen. Erhobenen Hauptes durchschreitet die Fürstin des Nordens das Tor. Sofort tritt Raimeimaru ihr entgegen. „Fürstin Yarinuyuki, wir haben Euch erst morgen erwartet.“ Augenblicklich ruckt ihr Kopf in seine Richtung und ein ärgerliches Funkeln glimmt in ihren Augen. „Wer hat dir erlaubt, mich anzusprechen, Lakai?“ Fast beiläufig streckt sie eine Hand aus und ein seltsamer weißer Dunst entsteht um ihre Finger. Es kostet sie kaum einen Gedanken als sie einen Schauer aus nadelspitzen Eiskristallen auf den Youkai abschießt. Nur Augenblicke später bohren sich die Spitzen schmerzlich in seinen Körper und holen Raireimaru von seinen Füßen, sodass er keuchend auf dem Rücken zu liegen kommt. Die anderen Ostyoukais fletschen die Zähne, wagen aber nicht einzugreifen. Die Nordyoukais grinsen hämisch und vereinzelt ist sogar ein Lachen zu hören. Verächtlich schaut die Nordfürstin auf den Befehlshaber der Ostyoukais herab und setzt sich dann wieder in Bewegung. „Idiot! Als ob ich auch nur eine einzige Sekunde verschwenden würde, wenn sich mir die Gelegenheit, bietet dieses elende Pack ein für allemal auszulöschen.“ Mit festen Schritten schreitet sie die Treppe zum Palasteingang hinauf. Kurz vor dem Eintritt hebt sie leicht die Hand und die Youkais, die ihr folgen, bleiben stehen. „Ihr wartet hier!“, sagt sie energisch. Unter einigem mürrischen Gemurmel machen es sich nun die Nordyoukais auf dem Vorplatz gemütlich. In vielen kleinen und größeren Grüppchen setzen sie sich hin und werden nur mit hasserfüllten Blicken von den umstehenden Ostyoukais beobachtet, die allerdings nicht ihre Posten verlassen. Zielstrebig durchquert die Fürstin den Torbogen zum Empfangssaal. Ihr Blick ist unverwandt auf das Ende des Raumes gerichtet. Den wachhabenden Leibwächtern an der Seite schenkt sie keine Beachtung. Stattdessen blickt sie direkt zu Arashitsume, der wieder auf seinem Thron Platz genommen hat. „Ich grüße Euch, Fürstin Yarinuyuki. Ich bin erfreut, dass Ihr meiner Nachricht so rasch gefolgt seid.“ Doch die Youkaifürstin schneidet ihm heftig das Wort ab: „Haltet Eure durchtriebene Klappe! Soweit kommt das noch, dass ich mich von Euch hierher zitieren lasse! Wo ist er?“ Arashitsumes Lächeln ist schlagartig verschwunden. „Wo ist wer?“, fragt er kühl zurück. Drohend nähert sich die Nordfürstin dem Thron. „Spielt nicht den Ahnungslosen! Wen soll ich wohl meinen? Wo steckt Sesshomaru?“ Arashitsumes Augen werden schmal und sein Mund bildet einen dünnen Strich. „Fürst Sesshomaru ist im Moment noch anderweitig beschäftigt und wird hier erscheinen, wenn es ihm gelegen ist.“ Yarinuyuki verschränkt empört die Arme. „Das könnte ihm wohl so passen! Es war seine Idee den Rat einzuberufen, und nun glänzt er durch Abwesenheit. Eine Frechheit ist das!“ Nun hält es Arashitsume nicht mehr auf seinem Platz. Geschmeidig erhebt er sich und kommt einen Schritt auf die Nordfürstin zu. Er überragt sie um fast einen halben Kopf. Mit stechendem Blick schaut er auf sie hinab. „An Eurer Stelle wäre ich ein wenig vorsichtiger mit dem Gebrauch dieses Wortes.“ Die Nordfürstin stemmt die Arme in die Seite. „Was wollt Ihr damit sagen?“ Im gleichen Maße wie Yarinuyuki lauter wird, wird Arashitsumes Stimme leiser, jedoch auch bedrohlicher. „Ich will damit sagen, wenn Ihr weiter so unverschämt seid, sehe ich mich gezwungen, dem Rechnung zu tragen!“ Laut lacht die Fürstin los. „Ihr beliebt zu scherzen! Arashitsume, Ihr seid ein D...“, hier unterbricht sie sich plötzlich und setzt schließlich mit kontrollierter Miene noch einmal neu an, „eindeutig im Irrtum, wenn Ihr glaubt, dass Ihr mich mit euren haltlosen Drohungen einschüchtern könnt.“ Sie wirft einen kritischen Blick in die Runde dann lächelt sie genüsslich. „Schaut sie Euch nur an, Eure Männer! Wie grimmig sie gucken! Ohne Zweifel würden sie mich am liebsten für meine Frechheiten zur Verantwortung ziehen, doch wie Ihr Euch sicher denken könnt, wäre es ein Fehler, ihnen freie Hand zu geben“, nun wendet sie sich ihm wieder zu, „Es sei denn, Ihr hängt nicht allzu sehr an ihren Leben.“ Schmal starrt Arashitsume sie an. Seine Kiefer sind hart aufeinander gepresst. „Ihr seid ungehobelt und dreist, Yarinuyuki-sama!“, zischt er, „Aber ich durchschaue Euch. Euch ist diese gesamte Farce ebenso zuwider wie mir, aber Ihr hofft, dass ich durch Eure Provokation vergesse was Recht und Sitte ist und das Protokoll missachte, dass mir Höflichkeit Euch gegenüber gebietet. Ihr kennt die Konsequenzen genau so gut wie ich. Wollt Ihr den Krieg so drängend, dass Ihr es wagt, mich derartig zu beleidigen?“ Grimmig starrt er sie an. Doch Yarinuyuki erwidert nur leicht verächtlich seinen Blick. „Ich schätze ich sollte mich wohl geehrt fühlen, dass Ihr mir so tiefgründige Motive unterstellt. Doch ich fürchte ich muss Euch enttäuschen, Arashitsume. Ich kann Euch ganz einfach nicht leiden!“ Das Gesicht des Ostfürsten wird zornesrot. „Ihr wagt es...!“, doch schon wieder unterbricht sie ihn unbeeindruckt: „Ach, regt Euch nicht gleich so auf, Arashitsume. Euch wäre es doch im Grunde ebenfalls lieber, wenn wir die ganze Angelegenheit schnell und sauber erledigen würden, ohne dieses ganze blabla. Dieser Rat ist doch pure Zeitverschwendung! Aber ob Ihr es glaubt oder nicht, ich habe beschlossen mich dem Protokoll zu fügen und dem Ruf eines der Fürsten zu folgen, der von mir verlangt, am Hohen Rat teilzunehmen“, ernst schaut sie ihn an, „Und danach werde ich mit Genuss dafür sorgen, dass die Mörder meines Vaters ihrer gerechten Strafe nicht entgehen. Ich werde ihnen mit meinen eigenen Händen die Kehlen herausreißen! Also zum letzten Mal, wo steckt Sesshomaru?“ Einen Moment lang sagt Arashitsume kein Wort und seine Miene ist unergründlich. Doch dann setzt er wieder ein sanftes Lächeln auf. „Er wird in Kürze da sein. Ich werde ihm ausrichten, dass Ihr nach ihm verlangt. Inzwischen werden meine Leute den Ratsort herrichten. Ich fordere allerdings von Euch, dass Eure Soldaten augenblicklich mein Schloss verlassen! Ich will keinen von ihnen hier haben. Sie können in der näheren Umgebung lagern, aber es ist ratsamer, dass sie nicht in die Nähe meiner Soldaten kommen. Ihr wisst, dass es nur allzu leicht zu einem Zwischenfall kommen könnte. Ich muss Euch sicher nicht daran erinnern, dass unsere Clans sich verabscheuen.“ Yarinuyuki grinst hämisch: „Was denn, Arashitsume? Schiss?“ Arashitsumes Miene ist komplett humorlos: „Mitnichten! Ich sehe nur keinen Grund ein Risiko einzugehen.“ Gelassen wendet sich die Nordfürstin zum Gehen: „Also mir würden da schon ein paar Gründe einfallen. Eure Sorge sollte allerdings unbegründet sein. Meine Krieger gehorchen mir nämlich, wenn ich ihnen das Kämpfen verbiete. Doch womöglich sind Eure Leute nicht ganz so diszipliniert. Aber von mir aus, Ihr sollt Euren Willen haben! Meine Soldaten werden im Wald vor Eurem Schloss lagern und die Einzigen, die etwas von ihnen zu befürchten haben werden, sind diese verdammten Streuner!“ Mit diesen Worten verlässt sie erhobenen Hauptes den Saal und lässt einen zähneknirschenden Arashitsume hinter sich. Wilder Hass steht ihm ins Gesicht geschrieben, als er ihr hinterherstarrt. Dann kaum ist sie außer Sicht, entlädt sich seine Wut und in einem wütenden Grollen zerfetzt er mit einem heftigen Hieb den Thron hinter ihm und mit einem weiteren Hieb stößt er die große Feuerschale um, sodass die glimmenden Holzstücke durch den ganzen Thronsaal schlittern. Mit Sorge haben seine Leibwächter es beobachtet. Sie können die Wut ihres Herren gut nachempfinden, doch keiner wagt es auch nur einen Finger zu rühren, aus Angst der Ärger ihres Fürsten könnte sich auf einen von ihnen entladen. So stehen sie nur eingeschüchtert da und schauen zu, wie ihr Herr seine Wut an der Einrichtung auslässt. Bebend steht Arashitsume in der Mitte des Raumes und seine Augen funkeln gefährlich violett. „Na, warte!“, grollt er leise, „Das wird sie mir büßen! Sie wird noch begreifen, wem man besser Respekt zollt und wen man auf keinen Fall verärgern sollte!“ Der mit groben Steinen gepflasterte Pfad führt hinter dem Palast hinauf zu den Felsen. Ohne sich weiter umzusehen folgt Yaeba diesem Weg. Er weiß, dass sein Ziel bereits hinter der nächsten Felsenkette liegt. Hinter ihm folgt ihm der Streuner Raiuko, ebenfalls ohne ein Wort zu verlieren. Mit gleichmäßigen Schritten, nähern sich die beiden dem Kamm. Schließlich haben sie den Felsenkessel erreicht, der trotz seiner beachtlichen Größe, aus der Entfernung nahezu unsichtbar ist. In seiner Mitte steht ein gewaltiger Monolith aus tiefschwarzem Stein. Unmittelbar vor ihm befindet sich noch ein weiterer Stein, der jedoch ein wenig kleiner ist und davor ein weiterer, der ebenfalls kleiner ist und trotzdem die beiden Neuankömmlinge um ein beträchtliches überragt. Zur rechten und zur linken Seite des großen Monolithen stehen jeweils ein kleinerer, heller Stein und ebenso wie die anderen Steine, sind auch diese beiden perfekt geschnittene und blankgeschliffene Quader. Die einzigen sichtbaren Einkerbungen sind drei Blitzsymbole die sich jedoch nur auf den schwarzen Steinen befinden und unmissverständlich das für Ostyoukais typische Zeichen der Herrscherfamilie darstellen. Nun kommt Yaeba direkt vor dem ersten, schwarzen Monolithen zum Stehen und schweigend betrachtet er die Gedenkstätte. An den Seiten ragen hohe Felswände auf und um die mächtigen Steine wirbelt ein kühler Wind. „Eigenartig, nach so langer Zeit wieder hier zu sein“, vernimmt er hinter sich. Raiuko hat die Hände hinter dem Kopf verschränkt und blickt zu den Monolithen hoch. „Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass ich je wieder hierher kommen würde.“ „Ich auch nicht“, sagt Yaeba, „Aber wenn alles gut läuft, steht uns der Weg hierher vielleicht bald wieder offen.“ „Was hast du vor?“, fragt Raiuko. Yaeba wendet sich nicht um, sondern betrachtet weiter die Gedenksteine. „Ich werde vor dem Rat sprechen!“ Fassungslos reißt Raiuko die Augen auf: „Bist du verrückt? Das ist doch glatter Selbstmord! Die lassen dich niemals sprechen!“ „Es ist schon alles arrangiert!“, antwortet Yaeba ruhig, „Ich habe bereits die Erlaubnis von zwei der Fürsten.“ „Im Ernst?“, ungläubig starrt der Streuner ihn an, „Sesshomaru hat dir die Erlaubnis gegeben? Wie hast du denn das geschafft?“ „Das braucht dich nicht interessieren“, stellt Yaeba klar, „Wichtig ist nur, dass ich die Gelegenheit bekomme, vor dem Rat zu sprechen.“ „Das heißt aber noch lange nicht, dass sie dir auch zuhören werden, geschweige denn tun was du willst.“ Nun wendet Yaeba sich ihm zu: „Das ist mir durchaus bewusst. Aber es ist meine Pflicht, es zumindest zu versuchen. Das bin ich Ihr schuldig.“ Er wendet sich wieder zu dem Monolithen vor ihm und legt seine Hand auf die glatte Oberfläche. „Sie sollte auch so einen Stein bekommen“, sagt er leise, „Sie hätte es verdient!“ „Das Einzige, was sie verdient hätte, hat sie bereits erhalten!“, ertönt eine laute, hämische Stimme hinter ihnen. Sofort drehen sich die beiden Streuner zu ihrem Verursacher um. Am Eingang des Kessels steht hoch aufgerichtet und in voller Rüstung Sokudo und blickt boshaft zu ihnen hinüber. Sofort fletscht Raiuko die Zähne: „Sokudo, was hast du hier zu suchen?“ Der Angesprochene erwidert den grimmigen Blick. „Das gleiche könnte ich auch euch fragen. Wer hat euch erlaubt, das Ahnenmal mit eurer Anwesenheit zu entweihen?“ „Wir haben das gleiche Recht, den verstorbenen Fürsten unseren Respekt zu erweisen, wie jeder andere Ostyoukai auch!“, schnaubt Raiuko aufgebracht. „Ihr habt überhaupt keine Rechte!“, schreit Sokudo wütend, „Ihr seid Streuner! Ausgestoßene! Genau wie eure elende Anführerin und es geschieht ihr ganz recht, dass sie sich von Inu Taihyouga hat zerfleischen lassen!“ „Was sagst du da?“, Raiukos Augen beginnen tief violett zu funkeln und er entblößt seine Reißzähne. Schon will er sich auf Sokudo stürzen, doch ein energischer Griff von Yaeba hält ihn zurück. „Beruhige dich!“, kommt der unmissverständliche Befehl, „Dies ist eine Gedenkstätte! Sie darf nicht mit Blut besudelt werden.“ Raiuko zittert vor unterdrückter Wut. Es ist ihm anzusehen wie sehr er um seine Beherrschung ringt. Der Blick den er Sokudo zuwirft ist tödlich. „Feigling!“, lacht Sokudo triumphierend. Doch nun ist auch Yaebas Blick finster geworden und er macht einen Schritt auf Sokudo zu. „Richte Arashitsume aus, dass er keinen Erfolg hat. Uns ist durchaus klar, dass unsere Unversehrtheit in diesem Palast davon abhängt, ob wir uns ruhig verhalten oder nicht. Aber dieser lächerliche Versuch, uns zu provozieren, kommt schon einer Beleidigung gleich. Wir werden nicht leichtfertig unseren Schutz aufs Spiel setzen, nur um unseren Sinn nach Vergeltung zu befriedigen!“ Sokudo macht ein Gesicht, als hätte man ihn geschlagen. „Mieser, dreckiger Köter!“, grollt er, „Was glaubt ihr, wie lange ihr noch dem unvermeidlichen Tod entkommen könnt? Schon eurer kleiner Gefährte hat sein Glück mehr als überstrapaziert, als er einen unserer Soldaten angriff und tötete.“ Yaebas Augen fliegen auf und er starrt Sokudo einen Moment lang sprachlos an. „Tenmaru!“, haucht er, dann ruft er wieder laut „Was ist mit ihm geschehen?“ Sokudo grinst genüsslich: „Machst du dir etwa Sorgen um den Kerl? Das solltest du auch! Die Fürstin des Nordens ist eingetroffen und der Rat wird schon bald beginnen. Ich wurde geschickt, um euch zu holen“, man sieht ihm deutlich an, dass er diese Aufgabe verabscheut, „In Kürze wird über sein und euer Schicksal entschieden werden und danach könnt ihr euch auf etwas gefasst machen!“ Mit diesen Worten dreht der Ostyoukai sich um und verlässt mit schnellen Schritten den Felsenkessel. „Elender Hund!“, grollt Raiuko, „Am liebsten würde ich ihm sämtliche Körperteile abreißen! Wenn es nach ihm ginge, würde er das Urteil selbst vollstrecken. Er hasst dich noch immer.“ Yaeba blickt zu Boden: „Das macht nichts. So wie die Dinge im Moment stehen, sind ihm die Hände gebunden. Aber er hat seine Niederlage gegen Tenmaru sicher weder vergessen, noch verwunden.“ Raiuko schnaubt verächtlich: „Was hat der Kerl jetzt wieder angestellt? Der Kleine macht ständig nur Ärger.“ „Das wüsste ich auch gerne“, mein Yaeba, „Allerdings wissen wir auch, dass er noch lebt. Das wundert mich. Wenn er einen Krieger des Ostens getötet hat, hätten sie ihn sicher nicht am Leben gelassen. Ob das mit diesem Inu Yasha zusammenhängt?“ „Du meinst diesen Hanyou, an dessen Rockzipfel er momentan hängt?“ Yaeba nickt. „Er mag ein Hanyou sein, aber er ist ein Fürstensohn des Westens. Ich glaube vorerst ist Tenmaru in seiner Obhut ganz gut aufgehoben.“ Der zierliche Streuner verdreht die Augen: „Oh bitte, Yaeba, hör auf, ihn ständig in Schutz zu nehmen! Er hat mal wieder Mist gebaut und bringt uns alle in Gefahr. Es wäre nicht das erste Mal. Muss ich dich daran erinnern, wer sich als erstes auf Inu Taihyouga gestürzt hat, nachdem...“ „Nein, musst du nicht!“, unterbricht ihn Yaeba schroff, „Ich habe es noch deutlich vor Augen! Aber das ist erstmal nebensächlich. Im Augenblick ist wichtig, dass wir ihr Andenken bewahren und das wofür sie ihr Leben gegeben hat. Zugegeben, die Chancen stehen schlecht dafür, aber sie hätte gewollt, dass ihr überlebt. Sie hat jeden Einzelnen von euch beschützt und wenn wir jetzt nicht alles tun, um am Leben zu bleiben, besudeln wir ihr Andenken!“ Missmutig verzieht Raiuko das Gesicht: „Ich hab nur den Eindruck, dass Tenmaru das wenig interessiert. Er scheint jedenfalls nicht sehr an seinem Leben zu hängen. Sonst würde er sich nicht andauernd in Schwierigkeiten bringen.“ Doch Yaebas todernste Miene bringt ihn augenblicklich zum Verstummen. „Tenmaru bewahrt ihr Andenken auf andere Weise!“, sagt Yaeba leise, „Gerade kämpft er an einer anderen Front und ich fürchte, dass wir eher mit dem Leben davon kommen werden, als das seine Aufgabe Erfolg haben wird. Lass ihn also in Ruhe!“ Beschwichtigend hebt Raiuko die Hände: „Schon gut! Kann mir ja auch egal sein. Und was machen wir jetzt?“ Yaeba strafft sich. „Wir gehen zurück und stellen sicher, dass keinem unserer Gefährten etwas geschieht, zumindest bis das Urteil gefällt wird.“ „Und wie willst du das anstellen? So wie ich Sokudo einschätze, wartet er nur darauf uns hinterrücks zu ermorden, wenn sich ihm die Gelegenheit bietet.“ „Das steht nicht zu befürchten. Sokudu untersteht direkt Raimeinmaru als dem Oberbefehlshaber der Garde und Raimeimaru untersteht Arashitsume und im Gegensatz zu Sokudo nimmt Raimeimaru seine Verantwortung äußerst ernst. Ohne Arashitsumes Befehl, wird er niemanden angreifen, oder auch nur einen Angriff gestatten.“ „Es hängt also alles an Arashitsume“, meint Raiuko. „Das kann man so sagen“, nickt Yaeba, „Und wie ich ihn kenne, sind wir nur solange vor ihm sicher, wie wir ihm noch von Nutzen sind.“ Raiuko lacht verächtlich auf. „Als ob wir von irgendwelchem Nutzen für ihn wären.“ „Täusch dich da mal nicht“, meint Yaeba von der Seite, „Was in Arashitsumes Kopf vorgeht, ist nicht immer logisch. Aber solang er einen Vorteil für sich sieht, wird er uns am Leben lassen. Ich mache mir nur Sorgen darüber, dass er bereits versucht uns loszuwerden.“ „Was willst du also tun“, fragt Raiuko. Yaebas Blick wird ernst: „Ich werde einmal mit Inu Yasha sprechen.“ Und sofort nach diesen Worten setzt er sich in Bewegung. Verdutzt schaut Raiuko ihm hinterher. Doch dann kommt wieder Bewegung in ihn. „Hey, warte mal! Was willst du denn von diesem Hanyou? Was versprichst du dir davon? Yaeba, warte!“ Und kurz darauf kehrt wieder Stille zwischen den Gedenktafeln ein. „Das war ausgesprochen dumm von dir, Kagome!“, empört schaut Sango ihre Freundin an. Gerade hat man Miroku und ihr von den vergangenen Ereignissen berichtet und nun macht sie ihrer Sorge Luft. „Du hättest getötet werden können!“ „Ich weiß!“, gibt Kagome kleinlaut zu, „Aber ich konnte doch nicht tatenlos zusehen, wie sie ihn töten. Immerhin hat er mich beschützt.“ „Trotzdem“, meldet sich Miroku zu Wort, „Dich einfach einer ganzen Horde Ostyoukais entgegenzustellen und dann noch dazu den Fürst des Ostens, des Hochverrates zu beschuldigen, das war ja wohl doch etwas zu riskant, oder?“ „Na ja...“, meint Kagome geknickt. „Lasst sie in Ruhe!“, kommt es unwirsch von Inu Yasha der an der Fensterseite des Raumes kniet und scheinbar bisher seinen eigenen Gedanken hinterhergehangen hat. „Und du unterstützt das auch noch?“, fragt Sango entrüstet, „Hast du dir denn gar keine Sorgen um sie gemacht?“ Inu Yasha senkt den Blick. „Natürlich hab ich das. Was denkst du denn?“, brummt er, „Aber ihr ist doch fast nichts passiert. Tenmaru hat doch das Schlimmste verhindert.“ „Na toll!“, schnappt Sango, „Und war wäre gewesen, wenn Tenmaru nun nicht gewesen wäre? Hast du daran mal gedacht?“ Inu Yashas Kopf sinkt noch ein wenig tiefer. „Dann würde ich jetzt vermutlich in der Palastküche stehen und Karotten schnippeln“, Kagome hat die Gelegenheit genutzt, um Partei für ihren Freund zu ergreifen, „In beiden Fällen wäre mir nichts passiert, also hör auf, auf ihm rumzuhacken!“ „Glaubst du wirklich?“, fragt Miroku nachdenklich, „Nach dem was du erzählt hast, scheint Arashitsume einen Grund zu suchen, um uns zu schaden.“ „Wie kommst du darauf?“, fragt Kagome. „Nun, wir wissen jetzt, dass es unüblich ist, dass die Fürsten den Dienern der anderen Fürsten ohne Erlaubnis Befehle erteilen. Ich glaube nicht, dass diese Youkaifrau aus eigenen Antrieb gehandelt hat und auch nicht der Krieger.“ „Du glaubst, Arashitsume steckt dahinter?“ „Das scheint mir plausibel“, nickt Miroku, „Wahrscheinlich hat er damit gerechnet, dass du dich weigern würdest und eine Befehlsverweigerung zieht eine Strafe nach sich.“ „Aber er hat mir doch eigentlich gar nichts zu sagen“, entgegnet Kagome. „Wahrscheinlich hat er darauf vertraut, dass uns das nicht bekannt ist, was ja auch stimmt“, meint Miroku nachdenklich, „Wir sind Menschen. Bestimmt denkt er, dass Inu Yasha uns das nicht erzählt hat, dazu stehen wir zu weit unter ihm im Rang, aus seiner Sicht“, fügt er rasch hinzu. „Du glaubst also, er nimmt uns nicht ernst?“, meint Sango. „Sicher nicht!“, nickt Miroku, „Arashitsume erscheint mir wie jemand, der sehr viel Wert auf Rang und Etikette legt und in seinen Augen sind Menschen völlig unbedeutend.“ „Aber warum will er uns dann loswerden?“, fragt Kagome verwundert, „Glaubst du er weiß, dass ich Inu Yasha befreit habe?“ Miroku schüttelt den Kopf. „Ich glaube, dann hätte er anders auf Inu Yashas Freiheit reagiert. Du sagtest doch, dass er zunächst Sesshomaru verdächtigt hat, weil ihm alles andere völlig abwegig vorkam und er schien es schließlich eingesehen zu haben, dass Inu Yasha sich aus freien Stücken befreit hat.“ „Aber was ist dann der Grund?“ Miroko überlegt kurz. „Vielleicht hatte er es gar nicht auf dich abgesehen.“ Kagome schaut überrascht auf: „Nicht? Aber auf wen dann?“ Miroku legt seine Hände in den Schoß. „Es kommt mir so vor, als würde er versuchen, die Streuner zu einem Fehler zu verleiten. Bestimmt wissen sie, wie die Gepflogenheiten in diesem Schloss sind, immerhin sind es auch Ostyoukais. Wahrscheinlich wollte er sie dazu verleiten, eine Dummheit zu machen, wie zum Beispiel, dich zu beschützen. Dann hätte er einen Grund sie zu töten, obwohl sie noch Inu Yasha unterstehen. Habe ich recht Myoga?“ Der alte Floh sitzt auf Mirokus Kragen und nickt. „Stimmt! Für den Tod eines Untergebenen durch den Untergeben eines anderen Fürsten, kann ein Fürst sofort Vergeltung fordern.“ „Und fast wäre es ja auch soweit gekommen“, fügt Sango hinzu, „Das Schlimmste konnte nur verhindert werden, weil Inu Yasha doch noch eingegriffen hat.“ „Ich glaube, du hast recht!“, meint Kagome und senkt den Blick, „Ich denke, Arashitsume hat es auf Tenmaru abgesehen. Er ist ihm praktisch in die Falle gegangen als er mich beschützt hat. Aber er hat nicht mit Inu Yashas Auftauchen gerechnet. Das hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wahrscheinlich hätte er in aller Ruhe mit Tenmaru abgerechnet und wenn Inu Yasha davon erfahren hätte, wäre es schon zu spät gewesen. Bestimmt war das sein Plan.“ „Ja, aber er hat dich unterschätzt, Kagome!“, sagt Sango ernst, „Ihm ist nicht in den Sinn gekommen, dass Inu Yasha durch einen Menschen hätte befreit werden können. Das ist sein großer Fehler! Wahrscheinlich hat ihn das gehörig in Schwierigkeiten gebracht, dass Inu Yasha plötzlich wieder für seine Untergebenen eintreten konnte, denn wie wir jetzt wissen, hat nun auch Sesshomaru davon erfahren und das hätte Arashitsume bestimmt lieber vermieden.“ Gedankenverloren schaut Kagome zu Boden. Schließlich fragt sie: „Myoga? Was geschieht eigentlich mit dem Untergebenen eines Fürsten, wenn er einen Untergebenen eines andere Fürsten tötet und der Herr des Mörders gerade nicht verfügbar ist? Kann der Fürst dann ganz beliebig mit ihm verfahren?“ Myoga legt die Stirn in Falten: „Na ja, ich denke schon, solange sein Herr nicht für ihn eintritt, kann er mit ihm machen was er will. In den meisten Fällen würde er wahrscheinlich getötet werden, aber manchmal nimmt der Fürst den anderen auch als Ersatz für seinen verlorenen Diener.“ „Und Arashitsume hat nicht damit gerechnet, dass Inu Yasha jemals wieder aus diesem Kerker rauskommt!“, beendet Kagome den Satz, „Wirklich hinterhältig!“ „Und skrupellos!“, fügt Sango hinzu, „Wenn man bedenkt, dass er bereit war, einen seiner Soldaten zu opfern nur um einen Streuner umzubringen.“ Kagome schaut auf. Soll sie es riskieren und ihren Freunden von der nächtlichen Unterhaltung erzählen? Doch sie entschließt sich dagegen. Inu Yasha muss nicht wissen, was Tenmaru von ihm denkt. Bestimmt wäre der Streuner dagegen, dass er es erfährt. Und so viel Taktgefühl ist sie ihm schuldig. Für sie steht außer Frage, dass Arashitsume beabsichtigt, Tenmaru in seine Finger zu bekommen, koste es was es wolle. Offenbar rechnet er nicht damit, dass Tenmaru seine Meinung noch ändern wird und nun zieht er alle Register. Wahrscheinlich könnte Tenmaru im Augenblick gar nicht besser aufgehoben sein, als unter Sesshomarus Obhut, denn an den Untergebenen des Westfürsten, wird sich Arashitsume sicher nicht so ohne weiteres vergreifen. Zumal es noch immer fraglich ist, ob Inu Yasha diese Verhandlung überleben wird. Bei dem Gedanken klopft ihr Herz wieder schneller und die Angst drückt ihr die Kehle zu. Kann es sein, dass Inu Yasha das beabsichtigt hat? Hat er deshalb Tenmaru an Sesshomaru übergeben? Rechnet er damit, nicht unbeschadet aus dieser Sache herauszukommen? Hat er schon aufgegeben? Nein, daran will sie gar nicht erst denken. Und was wäre, wenn Sesshomaru beschließen würde, Tenmaru an Arashitsume zu übergeben? Wird dann Arashitsumes Plan aufgehen, den Westen zu Fall zu bringen? Wird es dann Krieg geben? Alles nur das nicht! Irgendjemandem muss sie von der ganzen Sache erzählen! Takt hin oder her, aber das hier ist zu wichtig und wenn sie es nicht einmal ihren Freunden erzählen kann, wem dann? Sie zittert leicht. „Kagome, ist etwas?“, kommt Sangos behutsame Frage. Tapfer schaut Kagome auf. „Es ist schon ok, Sango-chan! Diese... Aura hier!“, es ist ein schwacher Versuch. Skeptisch schaut ihre Freundin sie an: „Ach, hör schon auf damit! Wir spüren es auch und schön ist es nicht, aber unerträglich ist es auch nicht. Was ist los?“ „Na ja...“ „Hat es etwas mit gestern zu tun? Mir schien du wolltest etwas sagen, aber als Tenmaru aufgetaucht ist, hast du lieber diesen Kram mit der dämonischen Aura erzählt. Also was ist passiert?“ Kagome seufzt. Manchmal wünscht sie sich, dass ihre Freundin nicht so schrecklich scharfsinnig wäre. „Na schön“, gibt sie nach, „Ich erzähl es euch. Ich bin gestern...“, doch weiter kommt sie nicht, denn in genau diesem Moment öffnet sich die Tür und Sesshomaru betritt den Raum. Einen langen, kühlen Blick wirft er in die Runde. Dann sagt er: „Der Rat beginnt in Kürze. Ihr solltet euch irgendwie nützlich machen. Helft in der Küche bei den Vorbereitungen für das Bankett, oder versucht sonst irgendwie dienlich zu sein!“ Ungläubig schauen sie ihn an. Schließlich ist es Inu Yasha der antwortet: „Du hast ihnen gar nichts zu sagen! Das sind immer noch meine Freunde! Also kommandiere sie nicht einfach so herum!“ Nun geht Sesshomarus Blick zu seinem Bruder hinüber. „Ich habe meine Gründe“, sagt er ruhig. „Ach ja, und die wären, bitte schön?“ „Ist das nicht offensichtlich? Ich beabsichtige mit dir unter vier Augen zu sprechen und es wäre unklug, sie in der Zwischenzeit willkürlich im Schloss umherstreifen zu lassen, denkst du nicht auch?“ Zerknirscht blickt Inu Yasha zu Boden. Man merkt ihm an, dass ihm das nicht passt, doch er hat wohl keine andere Wahl. Zum Glück wird ihm die Entscheidung abgenommen. „Ist schon in Ordnung, wir werden in die Küche gehen“, sagt Kagome, „Was sollen wir schließlich solange machen? Mach dir keine Sorgen, wir kommen schon klar.“ Mit diesen Worten schiebt Kagome ihre Freunde möglichst unauffällig zur Tür hinaus. Auch Shippo und Rin folgen und kurz darauf schließt sich die Tür hinter ihnen und die beiden Brüder sind alleine. Leise verebben die Stimmen auf dem Flur. Nun tritt Sesshomaru an das Fenster zum Garten heran. Lange Zeit sagt er kein Wort sondern blickt nur hinaus. Irgendwann ist Inu Yashas Geduld erschöpft. Noch immer kniet er auf dem Boden, wie Myoga ihm eingetrichtert hat, dass es schicklich ist, doch dieses drückende Schweigen zerrt an seinen Nerven. „Also, was willst du von mir?“, fragt er schließlich. Noch immer ist Sesshomarus Blick unverwandt aus dem Fenster gerichtet. Fast macht es den Eindruck als suche er nach den geeigneten Worten. Schließlich sagt er: „Ich kann dich nicht leiden!“ „Das ist mir nicht neu“, brummt Inu Yasha. Doch Sesshomaru redet schon weiter: „Ich sage das nur, damit du keine falschen Schlüsse ziehst. Ich werde gezwungen sein, in den kommenden Verhandlungen für dich Partei zu ergreifen. Das tue ich nur aus politischen Gründen!“ Missmutig blickt Inu Yasha zu Boden. „Bist du nur gekommen, um mir das zu sagen? Das hättest du dir schenken können.“ „Nein, das ist noch nicht alles“, Sesshomaru wendet sich um und blickt nun zur Tür. Täuscht Inu Yasha sich oder versucht sein Bruder, seinem Blick auszuweichen. Verwundert beobachtet Inu Yasha seinen Bruder. Sesshomarus Miene wirkt angespannt und fast schon etwas ausgezehrter als sonst. Er sieht irgendwie müde aus. Während der Hanyou sich noch darüber wundert, fällt ihm ein, dass sein Bruder wahrscheinlich seit Beginn ihrer Reise nicht mehr geschlafen hat. Und nun befinden sie sich in einem fremden Schloss, umringt von unzähligen, feindlichen Youkais und es wird nicht mehr lange dauern, bis sein Bruder über ihn Gericht sitzen wird. Er wird seine Partei ergreifen hat er gesagt. Inu Yasha wird bewusst, dass es sehr ungewöhnlich ist, dass sein Bruder ihm das sagt. Wahrscheinlich hat es auch ihn ungeheuer Überwindung gekostet. Und das ist noch nicht alles. Irgendwas liegt dem stolzen Youkaifürsten schwer auf der Seele, es ist ihm direkt anzusehen. „Was noch?“, stellt Inu Yasha die Frage. Sesshomaru hebt den Kopf. Noch immer meidet er Inu Yashas Blick. „Du hast Arashitsume ganz schön ins Schwitzen gebracht“, sagt er. „Ist das ein Problem für dich?“, meint Inu Yasha bissig. „Nicht direkt!“, kommt die ruhige Antwort. Inu Yasha fährt herum: „Was soll das heißen?“ „Das heißt“, sagt Sesshomaru, „Dass Arashitsume alles in seiner Macht stehende tun wird, um dich umzubringen, weil du ihn herausgefordert und bloßgestellt hast. Aber das hat er sich selbst zuzuschreiben!“ Ein harter Zug fliegt über Sesshomarus Gesicht und dann ist es wieder ausdruckslos. Irritiert blickt Inu Yasha seinen Bruder an. „Soll das heißen, du bist gar nicht sauer auf mich?“ Sesshomaru versteift sich unwillkürlich. „Das soll heißen, dass Arashitsume froh sein kann, dass ich ihn nicht gleich einen Kopf kürzer gemacht habe!“, Sesshomarus Stimme klingt bitter, „Er hat versucht, deine Untergebenen umzubringen und das obwohl sie in seinem Schloss unter diesen Umständen Gastschutz genießen. Zumindest bis zu deiner Verurteilung.“ Nun springt Inu Yasha doch auf. Ärgerlich starrt er seinen Bruder an. „Wenn du glaubst, dass ich mich so einfach...!“ „Halt den Mund!“, der Befehl ist kurz und scharf. Etwas ruhiger redet Sesshomaru weiter, „Ich bin noch nicht fertig!“ Wütend lässt sich Inu Yasha wieder in den Kniesitz plumpsen. „Ausbrüche dieser Art sind genau das, was dich zu Fall bringen kann!“, die Rüge trifft Inu Yasha wie eine Ohrfeige. „Ich nehme an, Myoga hat dich gut unterwiesen“, es ist mehr eine Feststellung als eine Frage. „Ja, hat er!“, knirscht Inu Yasha, „Nicht alles, aber ne ganze Menge.“ „Dann weißt du auch, dass der Rat normalerweise seine Entscheidungen mit einer einfachen Mehrheit trifft.“ Inu Yasha nickt. „Ja, sagte er.“ Doch Sesshomaru fährt schon fort: „Die einzige Ausnahme besteht darin, wenn über einen Fürsten oder jemanden aus seiner Familie gerichtet wird. In diesem Fall müssen alle Ratsmitglieder für eine Verurteilung stimmen.“ Überrascht blickt Inu Yasha auf: „Im Ernst?“ „Ja, und darum sollte dir wohl klar sein, wie du dich vor dem Rat zu verhalten hast.“ Nun wendet Sesshomaru sich doch zu Inu Yasha und schaut ihm direkt ins Gesicht. „So wie du dich vorhin verhalten hast, war es einem Fürstensohn würdig. Offenbar bist du doch dazu in der Lage. Gib mir also keinen Grund, dich verurteilen zu müssen!“ Sprachlos schaut Inu Yasha seinen Bruder an. Ein Lob? Ein Lob aus dem Mund seines Bruders, des Bruders, der ihn hasst? Diese Überraschung muss er erstmal verdauen. Vor Verblüffung klappt ihm die Kinnlade herunter. Offenbar ist sein Erstaunen auch Sesshomaru nicht entgangen, denn der stolze Westfürst wendet sich nun rasch wieder ab und Inu Yasha kann sehen, dass er die Hand fest zur Faust ballt. Noch ehe Inu Yasha seine Sprache wiederfindet, redet Sesshomaru schon weiter. „Ich habe eine Frage! Wie bist du Arashitsumes Fesseln entkommen? Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass du das aus eigener Kraft geschafft hast.“ Misstrauisch verzieht Inu Yasha das Gesicht: „Versuchst du mich auszuhorchen? Erst schmierst du mir Honig ums Maul und dann kommst du mit solchen Fragen. Was soll ich denn davon halten?“ Der weißhaarige Youkaifürst rührt keinen Muskel. Den Rücken zu Inu Yasha gewandt sagt er: „Du musst ja nicht antworten, wenn du nicht willst. Aber du kannst ganz beruhigt sein. Ich habe nicht vor, irgendeinen von deinen Kameraden, dafür zur Verantwortung zu ziehen.“ Überrascht blickt Inu Yasha auf. Also ahnt auch Sesshomaru, dass seine Freunde an seiner Freiheit Anteil haben. Ein wager Verdacht kommt ihm. „Ich will dir auch eine Frage stellen“, sagt er, „Hast du geplant, dass Kagome Myoga begleitet?“ Nun dreht Sesshomaru den Kopf ein wenig in seine Richtung und aus seinen Augenwinkeln blitzt es kurz auf. „Ich habe es... in Erwägung gezogen“, sagt er, „Dieses Mädchen hängt so sehr an dir, dass sie sich auch nicht scheuen würde, in ein Youkaigefängnis zu gehen, nur um dich zu besuchen.“ Sprachlos starrt Inu Yasha ihn an. Nun zieh sich ein leichtes, amüsiertes Lächeln um Sesshomarus Lippen. „Also war es tatsächlich dieses Mädchen, das dir geholfen hat“, stellt er fest. Inu Yasha fühlt sich ertappt. Doch dann wird sein Blick wieder ernst: „Wenn du auch nur daran denkst...!“ „Ich sagte doch schon“, unterbricht Sesshomaru ihn erneut, „Ich habe kein Interesse an deinen Kameraden. Ich habe Wichtigeres um das ich mich kümmern muss. Wenn das Mädchen tatsächlich über Kräfte verfügt, die denen eines Daiyoukais gewachsen sind, solltest du besser gut auf sie aufpassen. Das bedeutet natürlich, dass du die Verhandlung überstehen musst, also benimm dich entsprechend.“ Mit gemischten Gefühlen starrt Inu Yasha seinen Bruder an. „Du hast es geplant, nicht wahr? Du hast geahnt, was sie kann und darauf gebaut, dass sie Myoga begleitet.“ Sesshomaru wendet sich ab. „Vielleicht! Menschen sind manchmal erschreckend berechenbar. Sei froh, dass Arashitsume sich nicht um Menschen schert. Aber so ist seine Ignoranz ihr Schutz.“ Verwirrt blickt Inu Yasha seinen Bruder an. Er wird einfach nicht schlau aus ihm. Was führt er nur im Schilde? Er hilft ihm, er lobt ihn, er versucht seine Freunde zu beschützen und sogar Tenmarus Dienste hat er angenommen. Irgendetwas kann mit ihm nicht stimmen. Ob das Lob vorhin tatsächlich ehrlich gemeint war? War es ihm wirklich möglich, seinen Bruder zu beeindrucken? Irgendwie weiß er nicht recht, ob ihm das gefallen soll oder nicht. Aber er kommt zu dem Schluss, dass er wohl oder übel mit seinem Bruder zusammenarbeiten muss, wenn er unbeschadet aus der Sache herauskommen will. Zu seinem Besten und zu dem Wohl seiner Freunde. Plötzlich fällt ihm noch eine andere Sache ein, die ihm schon die ganze Zeit im Kopf herumgeht. „Ich hab noch eine Frage“, sagt er, „Was sollte das vorhin mit Tenmaru? Ich hätte ehrlich nicht gedacht, dass du ihn tatsächlich in deine Dienste nimmst. Warum ist es dir so wichtig, dass er der Nordfürstin nicht über den Weg läuft?“ Inu Yasha ist nicht entgangen, dass sein Bruder bei der Nennung des Streuners unwillkürlich die Faust geballt hat. „Das hat dich nicht zu interessieren!“, sagt Sesshomaru und diesmal klingt seine Stimme drohend. Doch Inu Yasha gibt nicht auf. „Du magst ihn nicht, du willst nichts mit ihm zu tun haben und doch machst du dir Sorgen um ihn und nimmst ihn in deine Dienste. Tut mir leid, aber das kommt mir schon etwas komisch vor.“ Mit einem wütenden Gesicht fährt Sesshomaru herum. Seine goldenen Augen funkeln vor Ärger. „Ich sagte, das geht dich nichts an! Du weißt gar nichts!“ Nun springt Inu Yasha auf. Auch er ist jetzt wütend und trotzig erwidert er den Blick. „Dann erklär es mir, verdammt! Hüll dich nicht ständig in Schweigen! Du willst, dass ich mich wie ein Fürstensohn benehme, aber du verheimlichst mir alles mögliche. Ich spiel dein Spielchen ja mit, aber dafür kannst du mir auch mal reinen Wein einschenken. Was ist mit Tenmaru? Warum hasst du ihn so und warum soll er sich von der Nordfürstin fernhalten?“ Nie hätte Inu Yasha sich träumen lassen, welche Wirkung seine Worte auf seinen Bruder haben könnten. Sesshomaru steht wie versteinert da und alle Farbe ist aus dem Gesicht gewichen. Wenn Inu Yasha dem Ausdruck in seinem Gesicht einen Namen geben müsste, würde er sagen, es ist Ratlosigkeit. Mehrere Sekunden hält diese Starre an, dann scheint der stolze Youkai sich wieder gefangen haben. Langsam kommt wieder Bewegung in ihn. Unergründliche, goldene Augen blicken Inu Yasha an und dem Hanyou wird bewusst, dass er sein Bruder, zum ersten Mal seit er ihn kennt, so angreifbar erlebt. „Das... ist meine Sache“, sagt Sesshomaru leise. Dann blickt er auf: „Frag das nie wieder!“ Verdutzt beobachtet Inu Yasha wie sich Sesshomaru zum Gehen wendet. „Ich werde jetzt Fürstin Yarinuyuki begrüßen gehen und wenn alle Vorbereitungen abgeschlossen sind, wird man dich holen. Bis dahin...“ „Ja, ja, bis dahin bleibe ich hier“, meint Inu Yasha verstimmt, „Ich habs ja begriffen.“ „Gut!“ mehr sagt der hochgewachsene Fürst nicht und nur wenige Augenblicke später hat er den Raum verlassen und die Tür hinter sich geschlossen. Eine Weile schaut Inu Yasha noch auf Tür. Doch dann schlägt er heftig mit der Faust auf den Boden, sodass die Dielen knirschen. „Verdammter Kerl! Wie, zum Teufel, soll man aus dem bloß schlau werden?“ In diesem Moment vernimmt er eine Stimme vor der Tür. „Inu Yasha-sama, dürfte ich Euch um eine Unterredung bitten?“ Verwundert schaut Inu Yasha auf. Yaeba! Was kann er wollen? Nun, es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. „Von mir aus, komm rein!“, ruft er. Nun öffnet sich die Tür und der Streuner betritt den Raum. Für einen Augenblick scheint er zu zögern, doch dann sinkt er vor dem Hanyou auf ein Knie hinab und senkt den Kopf. Inu Yasha verdreht die Augen. „Oh man, daran werd ich mich wohl nie gewöhnen! Komm hoch!“ Der Streuner erhebt sich. „Also los!“, seufzt Inu Yasha, „Was willst du?“ Nun blickt Yaeba ihn ernst an. Wieder scheint er einen Augenblick zu zögern. Dann sagt er: „Fürst Inu Yasha, es gibt da etwas um das ich Euch bitten möchte!“ Kapitel 27: Der Hohe Rat ------------------------ Gemächlich, geht Sesshomaru den Palastflur entlang. Doch die äußere Ruhe ist nur eine Fassade. Innerlich ist der stolze Westfürst ziemlich aufgewühlt. Schon bereut er es bitterlich, dass er seinem Bruder Anerkennung gezollt hat. Eigentlich hatte er nur vor, seine Bruder so zu einem annehmbaren Verhalten zu motivieren, damit er sich nicht auch noch um ihn kümmern muss. Nun ja, das scheint ja im Grunde geklappt zu haben, doch leider beginnt Inu Yasha mit zunehmenden Bewusstsein als Fürstensohn, auch damit, unangenehme Fragen zu stellen und das ist sehr lästig. Sesshomaru passiert einige Bedienstete, die sich immer wenn sie ihn sehen, sofort zu Boden werfen. Diese ständige Unterwürfigkeit reizt ihn noch zusätzlich. Schon lange ist er der Auffassung, dass ihm die Art, wie Arashitsume sein Reich führt, absolut nicht passt. Von seinen Untertanen erwartet er zwar auch Respekt, aber diese unterwürfige Kriecherei geht ihm gehörig gegen den Strich. Doch er wird sich hüten, etwas dagegen zu sagen. Im Grunde sollte es ihm egal sein. Warum nur ist es das nicht? Vielleicht weil auch Tenmaru sich so verhält? Er schüttelt sich innerlich. Dieser Name hat nichts in seinen Gedanken verloren. Er will nur hoffen, dass der Streuner sich an seine Anweisungen hält und in seinem Quartier bleibt. Doch wenn man es recht bedenkt, steht eine Gehorsamsverweigerung nicht zu befürchten. Der junge Streuner ist sicher viel zu froh darüber, sein Ziel erreicht zu haben. Wieder schüttelt Sesshomaru sich innerlich. Nein, er weiß genau, dass dieser Streuner etwas ganz anderes beabsichtigt, doch das steht völlig außerhalb jeder Frage. Er hat es sich geschworen! In diesem Moment kommt ihm ein weiterer Ostyoukai entgegen, und auch dieser fällt vor ihm zu Boden, doch dabei versperrt er ihm auch den Weg. Schweigend blickt Sesshomaru auf den Diener herab. „Verzeiht mir, Fürst Sesshomaru!“, bittet der Youkai, „Arashitsume-sama schickt mich. Ich soll Euch ausrichten, dass Fürstin Yarinuyuki eingetroffen ist und Euch zu sehen wünscht.“ Sesshomarus Miene ist ausdruckslos. „Wo ist sie?“, fragt er. „Sie befindet sich am Kashikomon (Tor der Weisheit)“, gibt der Youkai Auskunft, „Wenn Ihr mir folgen wollt. Ich werde Euch hingeleiten.“ „Ich kenne den Weg!“, sagt Sesshomaru. Mit diesen Worten wendet er sich von dem Diener ab und lässt ihn hinter sich, ohne sich weiter um ihn zu kümmern. Es überrascht ihn in keinster Weise, dass Arashitsume ausgerechnet diesen Ort für den Rat ausgewählt hat. Alles streng nach Protokoll. Solange er selbst sich daran hält, sollte es keine weiteren Probleme geben. Mit sicherem Schritt findet Sesshomaru seinen Weg durch die unzähligen, labyrinthartigen Flure des Palastes. Sein Richtungssinn ist ausgezeichnet, weshalb er kaum einmal aufschauen muss. Schließlich erreicht er das hintere Tor des Palastes und tritt hinaus in eine weitere weitläufige Gartenanlage. Nur beiläufig kommt ihm der Gedanke, dass der Architekt des Ostpalastes eine wahre Meisterleistung vollbracht hat, als er diese Anlage geschickt in die Hänge des nahen Berges eingearbeitet hat, wie Schmucksteine an einer Kette. Von der kleinen Treppe vor ihm gehen mehrere mit hellen, glatten Steinen gepflasterte Wege ab. Einer von ihnen führt weiter in den Garten hinein. Kurzentschlossen folgt Sesshomaru dem Weg. Er führt durch die Grünanlage bis er in der Ferne ein großes, gold-rot verziertes Holztor erkennen kann. Der Weg führt direkt durch es hindurch und schlängelt sich dann ein Stück hinauf in die Berge. Direkt neben dem Tor sieht er nun eine hochgewachsene Gestalt stehen, doch er hat schon lange vorher erkannt, wer das ist. „Sesshomaru!“, trompetet Yarinuyuki schon von weitem, „Wird ja mal Zeit, dass Ihr Euch auch mal blicken lasst!“ Innerlich verzieht Sesshomaru das Gesicht. Sie hat sich wirklich kein bisschen verändert. Ohne zu antworten kommt er näher. Schließlich hat er sie erreicht. Die Nordfürstin schaut ihn missbilligend an. „Ich wusste nicht, dass es wichtigere Angelegenheiten gibt, als eine Fürstin zu empfangen.“ Kühl blickt Sesshomaru sie an: „Dann habt Ihr jetzt wieder etwas gelernt.“ Yarinuyuki fletscht die Zähne. „Passt auf, was Ihr sagt! Ihr sprecht mit einer Fürstin!“ Unbeeindruckt erwidert Sesshomaru ihren Blick: „Benehmt Euch wie eine und ich behandele Euch wie eine.“ Die Nordfürstin schnappt nach Luft. „Ihr solltet besser nicht frech werden!“ Sesshomarus Augen werden schmal. „Der Norden hat kein Monopol auf Frechheit!“ Yarinuyuki knurrt grimmig. „Hütet Euch, Sesshomaru! Es ist nicht ratsam, sich den Norden zum Feind zu machen. Wenn Ihr wisst, was gut für Euch ist, dann solltet Ihr mich nicht noch einmal beleidigen!“ Nun tritt Sesshomaru auf sie zu. Kaum ein Schritt trennt die beiden noch. Als er spricht, schwingt ein leises Grollen in seiner Stimme mit: „Diese kleinen Machtspielchen könnt Ihr mit Arashitsume-sama spielen, aber nicht mit mir! Ich habe weder die Zeit noch die Lust, mich mit Eurem Mangel an Disziplin und Etikette zu befassen. Doch droht mir noch einmal und ich werde Euch Respekt lehren müssen!“ Mit hochrotem Gesicht starrt Yarinuyuki ihn an, doch sie beschließt, sich die nächsten Worte, die ihr auf der Zunge liegen, zu verkneifen. Stattdessen richtet sie sich nun hoch auf und setzt eine herablassende Miene auf. „Ihr habt Recht! Lassen wir doch dieses alberne Geplänkel! Ich möchte diese Farce so schnell wie möglich hinter mich bringen.“ Doch wenn es ihre Absicht war, das Gemüt, des Westfürsten zu beruhigen, so ist das missglückt. Kalt blickt Sesshomaru sie an. „Ihr seid noch nicht lange Fürstin, deshalb werde ich es Euch noch einmal sagen. Die Zeit des Spielens ist vorbei! Ihr tragt jetzt die Verantwortung Eures Reiches und ich werde es nicht dulden, dass Ihr dieser Angelegenheit nicht den gebotenen Ernst entgegenbringt!“ Yarinuyuki ballt die Hände zur Faust. Wutschnaubend funkelt sie ihn an. „Ihr wagt es, wir das zu sagen? Ihr hochnäsiger, aufgeblasener, schwachbrüstiger, weißschwänziger...“ Eine Flut aus wüsten Beschimpfungen geht auf Sesshomaru nieder, doch der Fürst des Westens tut so, als würde er sie nicht hören. „Ah, wie ich sehe, habt ihr euch bereits beschnuppert!“, gerade kommt Arashitsume den Weg hinunter und auf die beiden zu. Ein leicht hämisches Schmunzeln liegt um seine Lippen. Zwei Augenpaare starren ihm entgegen, das eine ist eisblau und schleudert ihm Blicke aus tödlichen Eisdolchen entgegen und das andere ist sattgold, hat aber dennoch nicht weniger Kälte. Gelassen kommt der Ostfürst näher. „Ich bin untröstlich, dass ihr warten musstet“, sagt er mit einem entschuldigenden Lächeln, „Meine Diener haben mich in Kenntnis gesetzt, dass der Sitz des Rates bereits hergerichtet ist. Wollen wir hinaufgehen?“ Mit diesen Worten geht er zwischen den beiden hindurch und folgt nun mit gemäßigtem Tempo dem gepflasterten Weg hinauf zu einem kleinen Wäldchen. Dort zwischen den Bäumen, am Ende des Weges taucht nun ein großer, aus dunkelrotem Holz gebauter, Pavillon auf. Die Grundfläche umfasst etwa zehn mal zehn Meter. Das pagodenähnliche Dach wird von vier mächtigen Säulen und in der Mitte der drei hinteren Seiten von je einem schmalen Stützbalken getragen. An jeder Seite hängen je vier rote Laternen herab und auf dem blankgeschliffenen Holzboden sind einige kunstvoll bemalte Bambusmatten ausgelegt auf denen drei vornehme Sitzkissen drapiert sind. Jedes von ihnen markiert einen Platz vor einer der drei hinteren Seiten des Pavillons. Man betritt das Gebäude über die Südseite. Wirklich geschickt gemacht. So stellt sich die Frage nach der Sitzordnung erst gar nicht. Sesshomaru ist unwillkürlich erleichtert. Eine Sorge weniger. Vor der Treppe die zu der Plattform hinaufführt, knien zur linken und zur rechten Seite mehrere Youkais und halten den Blick gesenkt. Als die drei Fürsten an ihnen vorbeischreiten, vorweg Arashitsume, dann Yarinuyuki und zum Schluss Sesshomaru, springen zwei von ihnen hastig auf, folgen den Fürsten auf das Podest und setzen sich links und rechts neben dem Eingang nieder. Erneut senken sie die Köpfe und warten auf mögliche Befehle, die man ihnen erteilen könnte. Jetzt von innen bemerkt Sesshomaru, dass das Gebälk über und über mit fantastischen, filigranen Malereien verziert ist. Unzählige Legenden und Mythen sind dargestellt und auch aus der Geschichte der Fürstenfamilie sind vielerlei Dinge abgebildet. Auch hier war ein Meister seines Faches am Werk. Doch nun senkt Sesshomaru seinen Blick wieder und ebenso wie die beiden anderen Fürsten auf ihren, nimmt er auf dem für ihn vorgesehenen Kissen auf der Westseite des Pavillons platz. Nun betritt einer von den Dienern das Podest und wirft sich vor den Fürsten zu Boden. „Ist alles zu Eurer Zufriedenheit, edle Fürsten?“, fragt er. Sesshomaru nickt leicht, ebenso wie Yarinuyuki. „Das habt ihr gut gemacht!“, sagt Arashitsume seidig, „Ihr dürft jetzt gehen.“ Sofort springen alle Diener, bis auf die beiden neben dem Eingang auf und eilen davon. Nun hebt Sesshomaru den Kopf und blickt zu den anderen beiden Fürsten hinüber. Er atmet einmal leise durch dann sagt er: „Hiermit berufe ich, Sesshomaru, Herr über die westlichen Länder, den Hohen Rat der Inuyoukaifürsten ein, damit die Ereignisse, die den Tod von Inu Taihyouga zur Folge hatten, und die Konsequenzen, die sich daraus für die anderen Reiche ergeben haben, erörtert werden können!“ „Bevor wir beginnen“, meldet Arashitsume sich zu Wort, „Möchte ich Euch daran erinnern, dass...“ „Ich habe Euch noch nicht das Wort erteilt, Arashitsume-sama!“, Sesshomarus Stimme ist hart. Doch der Ostfürst zeigt sich davon völlig unbeeindruckt. „Ich wollte Euch nur daran erinnern, dass es die Tradition verlangt, dass ein neues Mitglied im Hohen Rat angemessen begrüßt werden muss.“ Der Blick den Sesshomaru Arashitsume zuwirft, ist wahrlich zum fürchten. „Mir ist das Protokoll durchaus bekannt!“, sagt er mit Grabesstimme. „Oh, dann vergebt mir meine Unverfrorenheit!“, sagt Arashitsume mit aufgesetzter Reue in der Stimme. Sesshomaru beschließt, es zu ignorieren. Er wendet sich an Yarinuyuki. „Ihr seid ein neues Mitglied dieses Rates. Ihr habt nun die Gelegenheit Euch vorzustellen!“ Yarinuyuki nickt kurz dann sagt sie: „Ich bin Yarinuyuki, Fürstin über die nördlichen Länder, Tochter des Inu Taihyouga, Sohn des Inu Kourishiba, Sohn des Nezuyomaru! Es ist mir eine Ehre, Teil dieses Rates zu sein!“ Dann verneigt sie sich vor den beiden anderen Fürsten. Sesshomarus Miene ist unbewegt. „Ich, Sesshomaru, Fürst über die westlichen Länder, Sohn des Inu Taishou, Sohn des Okugaikaze, Sohn der Dokukasumi, Tochter von Reiseimaru, heiße dich willkommen!“ Es klingt, als zitiere er aus einem Buch. „Auch ich, Arashitsume, der Fürst über die östlichen Länder, Thronfolger des Inu Taiarashi, der der Sohn von Inu Kosame dem Listenreichen, der wiederum Sohn des legendären Warugashikomaru war, begrüße dich in diesem Rat, Yarinuyuki, Fürstin über die nördlichen Lande und hoffe, dass dieses Treffen dazu beiträgt, die Verhältnisse zwischen unseren Reichen wieder zu verbessern!“ Die beiden Fürsten verneigen sich kurz vor Yarinuyuki und dann richten sie sich wieder auf. „So, ich denke dem Protokoll ist damit wohl genüge getan“, meint Yarinuyuki unverblümt, „Kommen wir zum wichtigen Teil!“ Dabei ignoriert sie geflissentlich Sesshomarus ärgerlichen Blick. „In der Tat“, fügt Arashitsume hinzu, „Sesshomaru-sama, so erzählt uns doch nun, zu welchem Zweck Ihr diesen Rat einberufen habt, wo die Sachlage doch im Grunde völlig klar ist.“ Das hätte Ihr wohl gerne!, denkt Sesshomaru bei sich. Wie üblich versucht dieser Hund die Tatsachen, zu seinen Gunsten zu verdrehen. Doch damit ist er bei mir an der falschen Adresse. „Ob diese Sachlage, wie Ihr es ausdrückt, tatsächlich so klar ist, das festzustellen ist Aufgabe des Rates“, sagt Sesshomaru frostig, „Arashitsume-sama, Ihr werft dem Westen Verrat und Mord vor und Ihr wisst sehr genau, dass der Hohe Rat darüber beraten muss.“ „Ach wirklich?“, mischt sich nun Yarinuyuki ein, „Ich wusste gar nicht, dass es hier auch um Verrat geht. Das interessiert mich jetzt aber.“ Sie ist wie ein kleines Kind. Innerlich schüttelt Sesshomaru den Kopf. Man merkt ihr an, dass sie erst fünfzig ist. Ihr Vater war zwar auch so direkt, aber wenigstens wusste er, was sich gehört. „Vielleicht fangt Ihr einfach einmal am Anfang an“, wendet sich Arashitsume mit samtenen Lächeln an Sesshomaru, „Damit Fürstin Yarinuyuki ebenfalls über die Sachlage informiert ist.“ Säuerlich blickt Sesshomaru von einem der beiden zum anderen. Schließlich sagt er: „Ich schlage vor, dass Yarinuyuki-sama, zunächst einmal über die Ereignisse berichtet, die den Nachfolgenden zugrunde liegen.“ „Ihr sprecht von dem schändlichen Mord an meinem Vater durch dieses Streunerpack?“, Yarinuyukis Augen blitzen ärgerlich. „Ganz recht!“, nickt Sesshomaru ernst. „Da gibt es nicht viel zu sagen“, schnaubt sie grimmig, „Wie ihr vermutlich wisst, führten die Reiche des Nordens und des Ostens lange Zeit Krieg gegeneinander“, sie wendet sich an Arashitsume, „Vor etwa 250 Jahren, sah Euer Vater, Inu Taiarashi, ein, dass er das Reich des Nordens unmöglich unterwerfen konnte. Deshalb versuchte er meinen Vater gnädig zu stimmen, indem er ihn mit seiner Tochter, Eurer Schwester, verheiraten wollte. Doch das Ganze war nur ein schändlicher Trick! Die Verräterin Hanaki sollte zum Schloss meines Vaters eskortiert werden, doch sie kam niemals bei ihm an und obendrein verleitete sie noch zwei unserer Soldaten, zum Ungehorsam gegen meinen Vater.“ Empört funkelt sie Arashitsume an: „Die Behauptung, sie wäre dafür verbannt worden, ist meines Erachtens pure Augenwischerei! Es war das gute Recht meines Vaters, den Osten für diesen Verrat zur Verantwortung zu ziehen! Was immer Euer Vater mit der ganzen Sache beabsichtigt hatte, es hatte keinen Erfolg und alles was es ihm einbrachte, war der Tod! Zu Recht, wie ich finde!“ Arashitsumes Miene ist zunehmend finsterer geworden. „Meinen Vater traf keine Schuld daran, dass Euer Vater für jegliche Entschuldigungen und Argumente nicht zugänglich war. Auch an dem Fehlverhalten meiner Schwester hatte er keine Schuld. Doch das war Inu Taihyouga völlig gleich. Im Grunde hatte der Norden bloß auf eine Gelegenheit gewartet, sich den Osten zu unterwerfen. Schon immer war der Norden begierig darauf, sich die Ländereien des Ostens einzuverleiben. Was immer in die Reichweite seiner Klauen gelangte, das wollte er, der Preis war ihm völlig gleich. So wie er auch meine Schwester gewollt hatte. Nicht mein Vater hat sie ihm angeboten, sondern Inu Taihyouga konnte einfach seine Finger nicht von ihr lassen!“ Wütend springt Yarinuyuki auf und fährt Arashitsume an. „Das ist eine verlogene, böswillige Unterstellung! Als ob mein Vater auch nur irgendein Interesse an dieser Ostschlampe gehabt hätte! Stellt noch einmal eine solch ungeheure Behauptung auf und ich nagele Euch eigenhändig, an Euren Eingeweiden, an Euer Eingangstor!“ „Setzt Euch sofort hin, Yarinuyuki-sama!“, Sesshomarus Stimme lässt keinen Widerspruch zu, „Ihr verletzt die Unantastbarkeit des Rates!“ Wutschnaubend atmet die Nordfürstin ein und aus. Schließlich lässt sie sich äußerst widerwillig auf ihr Kissen zurückplumpsen. Es ist einfach nicht zu fassen! Sesshomaru brodelt vor Wut, doch er lässt es sich nicht anmerken. Ich hätte mir denken können, dass mit den beiden kein vernünftiges Gespräch zustande kommt. Auch wenn beide von herrschaftlichem Blut sind, sobald Norden und Osten aufeinandertreffen, fliegen die Fetzen. Doch sie sollten eigentlich so viel Reife besitzen, sich nicht vor den anderen Fürsten, so gehenzulassen. „Erzählt weiter!“, gebietet Sesshomaru in dem schwachen Versuch, den jüngsten Ausbruch mit Nichtbeachtung zu strafen. Ein paar Momente lang beißt sich Yarinuyuki auf den Lippen herum. Dann fährt sie brummend fort: „Damals forderte mein Vater Vergeltung für diesen unerhörten Verrat und zog mit seinen Kriegern gegen den Osten. Er forderte Inu Taiarashi zum Kampf und unterwarf ihn. Doch dann tauchte die Verräterin mit unseren abtrünnigen Soldaten auf. Ungefragt und unerlaubt mischte sie sich ein und mein Vater, der noch erschöpft vom Kampf gegen Inu Taiarashi war, wurde von ihr besiegt. Gedemütigt war er gezwungen, den Rückzug anzutreten.“ „Ich unterbreche Euch ja nur ungern, aber einen Zweikampf konnte man diesen feigen Überfall wohl kaum nennen“, meldet sich nun wieder Arashitsume zu Wort. Sesshomaru verdreht innerlich die Augen. Das tut er absichtlich! Er provoziert sie absichtlich und er hat auch Erfolg damit! „Es war ein Zweikampf!“, schreit Yarinuyuki aufgebracht, „Mein Vater forderte Inu Taiarashi heraus und er nahm an!“ „Ihm blieb keine Wahl! Euer Vater hatte mit seinen Kriegern unser Schloss überrannt und gebärdete sich wie wild. Er war völlig von Sinnen! Um ihn zu besänftigen und um unser Volk vor Eures Vaters Willkür zu bewahren, stellte sich mein Vater ihm zum Kampf.“ „Was tut das zur Sache?“, meint Yarinuyuki empört, „Es war noch immer ein Zweikampf! Diese schmutzige Verräterin hätte sich niemals einmischen dürfen! So verlangt es das Gesetz, verdammt noch mal!“ Ernst blickt Arashitsume die Nordfürstin an. „Ist das so? Haben nicht die Kinder des Getöteten, das Recht, ihren Vater zu rächen?“ Wütend stemmt Yarinuyuki die Hände auf den Holzboden vor ihr und beugt sich drohend zu Arashitsume hinüber. „Das gilt für die rechtmäßigen Thronerben! Aber die verlauste Schlampe war nach Euren Angaben, da bereits schon verbannt worden. Somit wäre es Eure Aufgabe gewesen, Euren Vater zu rächen. Ich frage mich, warum Ihr davon abgesehen habt!“ Arashitsumes Augen funkeln gefährlich: „Ich sah damals keinen Grund, den Entschluss meines Vaters, sich Eurem Vater zum Kampf zu stellen, in Frage zu stellen oder mein Volk weiter zu gefährden.“ Herausfordernd starrt Yarinuyuki ihn an: „Behauptet bloß nicht, dass Ihr es für Euer Volk getan habt! Gebt es ruhig zu, Ihr wart zu feige! Nur Eure Schwester, die Verräterin, hatte die Dreistigkeit, meinem Vater die Stirn zu bieten. Ich weiß nicht was schlimmer ist: Ihr fehlendes Ehrgefühl oder Euer frappierender Mangel an Mut?“ Arashitsume fletscht die Zähne: „Ihr sprecht von Mut? Vielleicht war es gar nicht der Mut Eures Vaters, der ihn dazu brachte sich fortwährend in Kämpfe zu stürzen, sondern einfach seine grenzenlose Dummheit!“ Yarinuyuki springt auf. „Was sagt Ihr da?“, schreit sie, „Ihr wagt es das Andenken meines Vaters zu besudeln mit Euren infamen Reden?“ „Setzt euch hin! Alle beide!“ Die ruhigen Worte klingen deutlich in die Pause die auf die letzten Beschimpfungen folgt. Zwei wütende Gesichter wenden sich Sesshomaru zu der noch immer regungslos auf seinem Kissen sitzt und scheinbar unbeteiligt vor sich zu Boden blickt. Doch nun hebt der Fürst des Westens den Blick und der Ärger darin ist unverkennbar. „Es ist eine wahre Schande, dass eine solche Ermahnung überhaupt nötig ist! Kommt es noch einmal zu solch einem inakzeptablen Ausbruch, werde ich nicht zögern, den Rat als gescheitert zu erklären! Überlegt es Euch also gut!“ Missmutig blicken Arashitsume und Yarinuyuki zu Boden. Sesshomaru mustert Arashitsume wachsam. Was führt er im Schilde? Nichts was der Fürst des Ostens sagt oder tut, geschieht ohne Hintergedanken. Ihm ist sicher sehr wohl bewusst, was ein gescheiterter Rat bedeuten würde. Es würde bedeuten, dass die Fürsten zu keiner Einigung kommen können und das wiederum würde offenen Krieg zwischen den Reichen zur Folge haben. Das kann Arashitsume nicht wollen, oder? „Ich denke nicht, dass das nötig sein wird, Sesshomaru-sama“, meint Arashitsume schließlich. „Pah, Ihr habt doch nur Angst, dass Ihr in dem darauf folgenden Krieg, unterliegen werdet, Arashitsume!“, schnaubt Yarinuyuki verächtlich. Doch ein scharfer Blick Sesshomarus bringt sie gleich darauf zum verstummen. Der Fürst des Westens richtet sich in seinem Sitz auf und bedenkt die anderen beiden Fürsten mit einem langen, missbilligenden Blick. Offenbar sind die beiden doch noch so vernünftig, eine offene Schlacht vermeiden zu wollen. Hoffentlich können die weiteren Verhandlungen jetzt ohne Zwischenfälle ablaufen. Diese Yarinuyuki, zeigt aber auch nicht den leisesten Funken Respekt. Wahrscheinlich verzichtet sie aus reinem Trotz auf die ehrbekundenden Suffixe. Doch vielleicht hat sie sich ja auch tatsächlich nicht im Zaum, oder es ist ihr wirklich egal. Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn sie Tenmaru gegenüber stünde. Doch rasch wischt Sesshomaru den Gedanken beiseite. Das hat jetzt hier nichts zu suchen! Er sollte seine Konzentration lieber darauf richten, den Rat zu einem zufriedenstellenden Ende zu bringen. Er wendet er sich an die Fürstin des Nordens: „Beendet Eurer Erzählung!“ Yarinuyuki verzieht das Gesicht, doch dann fügt sie sich. „Vor etwa zwei Wochen erhielt mein Vater Nachricht, wo sich die Verräterin versteckt hielt. Bis zu diesem Tag hatte er den Schmach dieser unrühmlichen Niederlage nicht verwunden und er entschloss sich, die Streunerin aufzusuchen und endlich Vergeltung zu fordern. Mein Vater ließ mich im Schloss zurück, deshalb kann ich über die Ereignisse, die zum Tod meines Vaters führten, nur das sagen, was man mir zutrug. „Man berichtete mir, dass mein Vater die Verräterin stellte und sie ihm anbot, sich ihm zum Zweikampf zu stellen, im Austausch für das Leben ihres Packs. Wie es nicht anders zu erwarten war, besiegte mein Vater sie mit Leichtigkeit, nun da er ausgeruht war und vor Rachegelüste brannte. Doch kaum, dass er ihr den entscheidenden Hieb verpasst hatte, stürzten sich die verbliebenen Streuner auf meinen Vater und gegen diese unerwartete Übermacht, vermochte er nichts auszurichten.“ „Übermacht?“, Arashitsume hebt die Brauen, „Verzeiht, aber wenn ich mich nicht täusche, handelte es sich bei den Angreifern um eine Hand voll streunernde Youkais. Für einen Daiyoukai von Inu Taihyougas Format, kaum eine Herausforderung.“ Grimmig funkelt Yarinuyuki ihn an: „Sucht Ihr schon wieder Streit, Arashitsume?“ „Oh nein!“, wehrt der Ostfürst ab, „Es kommt mir nur etwas verwunderlich vor, dass Euer Vater von ein paar hergelaufenen Streunern getötet worden sein soll.“ „Ich sagte bereits, dass dieser Übergriff überraschend kam“, quetscht Yarinuyuki mühsam beherrscht vor, „Außerdem, hatte mein Vater gerade einen Kampf hinter sich. Hinzu kommt noch, dass die Verräterin ihrem Pack gesagt haben soll, dass sie sie nicht rächen sollen, sollte sie unterliegen. Mein ehrenvoller Vater nahm deshalb an, das dieser Zweikampf so ablaufen würde, wie es sich von Rechtswegen gehörte. Wahrscheinlich hätte er damit rechnen müssen, dass man ihn erneut hintergehen würde. Doch was ist von dieser ehrlosen Bande auch anderes zu erwarten? Immerhin sind die meisten von ihnen Ostyoukais!“ „Vorsicht, Yarinuyuki-sama!“, warnt Sesshomaru, „Ihr geht wieder zu weit!“ „Ach, zum Teufel damit!“, zischt die Daiyoukai, „Was ich sagen will, ist, dass dieses stinkende Pack meinen Vater auf dem Gewissen hat. Der Kampf war ungerechtfertigt und unehrenhaft und ich werde sie höchstpersönlich für das bezahlen lassen, was sie meinem Vater angetan haben!“ „Womit Ihr bei mir bereits offene Türen einrennt, Yarinuyuki-sama“, nickt Arashitsume zustimmend, „Doch anscheinend ist Fürst Sesshomaru da anderer Ansicht, was das angeht.“ Skeptisch blickt die Nordfürstin zu Sesshomaru hinüber. Das Gesicht des schlanken Daiyoukais ist reglos. „Was Ihr nicht sagt! Erfahre ich also nun, was es mit dem Grund für diesen Rat auf sich hat?“ Die Fürstin verschränkt die Arme. Doch noch ehe Sesshomaru etwas sagen kann, hat Arashitsume wieder das Wort ergriffen. „Vielleicht kann ich das erklären. Nach dem Tod Eures Vaters batet Ihr um meine Genehmigung, die Streuner auch in meinem Revier verfolgen zu dürfen, was ich Euch, wie Ihr ja wisst, gestattete“, er wendet sich an Sesshomaru, „Ich bot Fürstin Yarinuyuki meine Hilfe an, bei der Suche nach den Streunern, denn schließlich ist es auch meine Verantwortung, diese kriminellen Elemente zur Strecke zu bringen. Immerhin hielten sie sich die meiste Zeit in meinem Revier auf und so war es nur recht und billig, dass ich bei der Ahndung dieser schändlichen Tat behilflich war. Der Mord an einem Inuyoukaifürsten, kann nicht ungesühnt bleiben, das versteht sich wohl von selbst.“ Schweigend hört Sesshomaru zu, doch Arashitsume redet schon weiter. „Wie sich jedoch herausstellte, war die Tapferkeit der verbliebenen Streuner nur von kurzer Dauer. Denn gleich nach der Tat stoben sie in alle Richtungen davon, um sich in Sicherheit zu bringen.“ „Meine Krieger nahmen sofort die Verfolgung auf“, erzählt Yarinuyuki weiter, „Und man informierte mich, was geschehen war. Ich hätte die Bastarde auch gerne eigenhändig erledigt, doch die Kerle waren erstaunlich flink und als ich eintraf, war keiner mehr von ihnen zu sehen. Nur noch mein Vater und der Kadaver dieser Verräterin lagen auf dem Platz ihres Kampfes. Mein Vater wurde unter großen Ehren zurück in unser Schloss gebracht. Was diese Ostschlampe angeht... nun um ihre Leiche habe ich mich persönlich gekümmert.“ Yarinuyuki lächelt genüsslich. Noch immer sagt Sesshomaru kein Wort sondern beobachtet die Fürstin des Nordens nur mit ausdrucksloser Miene. Lediglich seine fest aufeinandergepressten Kiefer geben Aufschluss über seine Gemütsverfassung. Nun redet Arashitsume wieder. „Meine Krieger erhielten die Anweisung, die flüchtenden Streuner aufzuspüren und zu töten, wo immer sie ihrer habhaft werden sollte. Doch nun, da ihre Anführerin gefallen war, ging ihre Einheit verloren und sie flohen in alle Himmelsrichtungen. Eile war geboten und so waren meine Krieger gezwungen, in die Ländereien des Westens zu gehen um die letzten Flüchtlinge aufzuspüren. Wo sie dann von Fürst Sesshomaru heimtückisch umgebracht wurden!“ Mit herausforderndem Blick auf Sesshomaru beendet Arashitsume seine Ausführung. Auch Yarinuyukis Kopf ruckt überrascht herum. „Ist das wahr?“, fragt sie scharf, „Sympathisiert der Westen etwa mit diesem Streunerpack?“ Nun hebt Sesshomaru den Kopf. Endlich lässt der miese Hund die Maske fallen. „Wiedereinmal verdreht Ihr die Tatsachen, Arashitsume-sama!“, sagt er ruhig, „Nicht ich habe Eure Krieger umgebracht, wie Ihr sehr wohl wisst und zum anderen, war es nur einer Eurer Krieger der den Tod gefunden hat.“ Empört setzt Arashitsume sich auf: „Es spielt keine Rolle, ob es einer oder zwei meiner Krieger waren. Schon Einer ist Einer zuviel! Ihr leugnet also, den Tod meines Kriegers befohlen zu haben?“ Sesshomarus Augen werden schmal und seine Lippen sind ein dünner Strich: „Selbstverständlich leugne ich es! Und selbst wenn ich irgendetwas derartiges befohlen haben sollte, so wäre es mein gutes Recht gewesen! Eure Krieger waren ohne meine Erlaubnis in meinem Revier und sie waren auf Kampf aus. Einen solchen Akt der Aggression, muss ich nicht tolerieren!“ „Habt Ihr nicht zugehört, Sesshomaru?“, mischt sich nun Yarinuyuki wieder ein, „Das Streunerpack war auf der Flucht, es blieb keine Zeit, Eure Erlaubnis einzuholen.“ Diese Frau ist wirklich nervtötend! „Das ist unerheblich!“, sagt Sesshomaru hart, „Es wäre Eure Pflicht gewesen, diese Erlaubnis einzuholen. In diesem Fall hätte der Westen sich selbstverständlich an der Jagd beteiligt.“ „Das behauptet Ihr“, meint Arashitsume skeptisch. „Was wollt Ihr damit sagen?“, fragt Sesshomaru verärgert. „Dass der Westen mit den Streunern sympathisiert und den Tod des Inu Taihyouga willkommen heißt!“ „Was?“, Yarinuyukis Augen fliegen auf. „Das sind schwere Anschuldigungen, Arashitsume-sama!“, sagt Sesshomaru ernst. Arashitsume zuckt mit den Achseln: „Dies ist der Hohe Rat, Sesshomaru-sama. Hier werden auch unbequeme Sachverhalte besprochen.“ Also darauf will er hinaus!, denkt Sesshomaru verärgert. Das sieht ihm ähnlich, mich als den Schuldigen hinzustellen und Yarinuyuki gegen mich aufzuwiegeln. Doch das sollte er besser gar nicht erst versuchen! „Was versprecht Ihr Euch davon, Sesshomaru?“, fragt Yarinuyuki aufgebracht, „Ihr nehmt diese Streuner in Schutz, Ihr untergrabt die Suchaktion und tötet die Krieger Eures Nachbarn. Ich wusste ja schon immer, dass der Westen sich für etwas Besseres hält, aber dass Ihr Euch für derart unantastbar haltet, grenzt schon wirklich an einer Dreistigkeit, die ich nicht länger bereit bin, hinzunehmen!“ Langsam dreht Sesshomaru ihr den Kopf zu. „Ihr solltet Euch vielleicht die Sachlage bis zum Ende anhören, ehe Ihr solche Anschuldigungen äußert, Yarinuyuki-sama! Auch meine Geduld ist nicht unerschöpflich und von Dreistigkeit solltet Ihr besser gar nicht sprechen!“ Yarinuyuki fletscht die Zähne. „Also schön! Dann lasst hören! Was habt ihr zu Eurer Verteidigung zu sagen?“ Mühsam beherrscht atmet Sesshomaru durch. „Es mag stimmen. Als Arashitsume-samas Krieger in meinem Reich auftauchten, hätte ich sie sofort töten können, doch ich entschied mich dagegen!“, finster blickt er den Ostfürst an, „Ich bin sicher, dass Euer Krieger Euch darüber informiert hat, dass ich die Jagd auf den Streuner gestattet habe!“ Arashitsume geht kaum darauf ein: „Und dennoch hat Euer Bruder nur wenig später Eure Erlaubnis Lügen gestraft und meinen Soldaten getötet, obwohl er ihm mitteilte, dass Ihr der Jagd zugestimmt habt.“ Sesshomaru richtet sich auf. Nun versucht er es also von dieser Seite! Ernst blickt er die beiden Fürsten an. „Mein Bruder hat nicht auf meinen Befehl hin gehandelt. Dem Streuner beizustehen, war seine eigene Entscheidung.“ „Wollt Ihr damit andeuten, dass Eure Autorität bei Eurem Bruder endet, Sesshomaru-sama?“, Arashitsumes Gesicht verzieht sich zu einem triumphierenden Lächeln, „Gelten Eure Beschlüsse nicht für Ihn, diesen rüpelhaften, ehrlosen Hanyou?“ Yarinuyukis Kopf fliegt herum: „Also ist es wahr? Euer Bruder ist ein Hanyou? Ich hielt es für ein Gerücht, doch offenbar ist es wahr was man über die Nishi-aitsu und ihre abartigen Neigungen sagt.“ Sesshomaru hat den Blick gesenkt doch seine Nackenmuskeln sind hart angespannt. Seine Hand ist fest zur Faust geballt. „Yarinuyuki-sama...“, seine Stimme ist mühsam kontrolliert, „Gebraucht auf keinen Fall noch einmal diese abwertende Bezeichnung in meiner Gegenwart! Und solltet Ihr noch einmal das Andenken meines Vaters verhöhnen, werdet Ihr die Konsequenzen dafür tragen!“ Die Nordfürstin blickt ihn abschätzend an. „Das beantwortet noch nicht Arashitsumes Frage. Warum erlaubt Ihr Eurem Bruder dieses eigenmächtige Handeln, vorausgesetzt er handelte tatsächlich aus eigenem Antrieb?“ „Ich habe es ihm nicht erlaubt!“, stellt Sesshomaru klar, „Er handelte noch bevor ich zur Stelle war, um ihn in seine Schranken zu weisen.“ „Ist es üblich bei Euch, dass diese Maßnahmen nötig sind?“, fragt Arashitsume. Sesshomaru erwidert finster seinen Blick. Wie zu erwarten, versucht er, mir aus Inu Yashas Verhalten einen Strick zu drehen. Elender Mistkerl! Verflucht, dass ich diesen Hanyou auch noch verteidigen muss! Verflucht, Vater, dass Ihr ihn anerkennen musstet! Wehe, wenn er sich daneben benimmt! Dann mach ich ihn eigenhändig einen Kopf kürzer! Die Menschen, die er immer mitschleppt, die Streuner und nun auch noch Tenmaru, den er mir untergeschoben hat. Der Bengel macht mir nichts als Scherereien! „Ich wüsste nicht, was diese Frage für eine Rolle spielt“, antwortet Sesshomaru verstimmt. „Vergebt mir!“, wehrt Arashitsume übertrieben ab, „Doch ich würde mich bedeutend wohler fühlen, wenn ich wüsste, dass Eurem Bruder nicht freie Hand gelassen wird. Besonders wenn man bedenkt wozu er ganz offensichtlich in der Lage ist.“ „So?“, fragt Yarinuyuki interessiert, wozu ist er denn in der Lage?“ „Er vermag es, meinen Energiefesseln zu trotzen“, erklärt Arashitsume, „Und ich denke, es kann kein Zweifel daran bestehen, dass er den Streunern wohlgesonnen ist. Zumindest scheint er eine Schwäche zu haben für die Menschen, die mit ihm reisen?“ „Menschen?“, Yarinuyuki verzieht angewidert das Gesicht, „Schon wieder so eine Abartigkeit! Und er sympathisiert mit den Streunern, sagt Ihr?“ Arashitsume nickt. „Zumindest einer der Streuner steht in seinen Diensten. Ich muss zugeben, dass er Köter das ziemlich geschickt eingefädelt hat. Solange er im Dienst eines Fürstensohnes steht, ist er für uns unantastbar.“ „Nur wird ihn das nicht vor meiner Rache schützen!“, grollt Yarinuyuki erbost, „Wenn dieser ehrlose Köter mir in die Finger gerät, mach ich kurzen Prozess mit ihm! Ganz gleich, wessen Diener er ist!“ „Ihr wollt wissentlich gegen das Gesetz verstoßen, Yarinuyuki-sama?“, fragt Sesshomaru kritisch. „Und Ihr wollt diesen Streuner in Schutz nehmen, oder wie soll ich das verstehen, Sesshomaru?“, kommt die aggressive Rückfrage. „Ganz sicher nicht!“, stellt Sesshomaru klar, „Doch mein Vater hat meinen Bruder offiziell als seinen Sohn anerkannt. Ich muss Euch wohl nicht daran erinnern, dass ihm damit auch das Recht zusteht, jeden in seine Dienste zu nehmen, der ihm beliebt. Solange mein Bruder für den Streuner eintritt, sind mir und Euch die Hände gebunden!“ Missmutig verschränkt Yarinuyuki die Arme. „Und wie ich das sehe, sitzen wir hier über seine Taten zu Gericht. Je schneller wir ein Urteil über ihn fällen, umso schneller bekomme ich meine Rache. Also lasst uns keine Zeit verschwenden!“ „Ich schlage vor“, sagt Arashitsume, „Dass wir zunächst einmal in Erfahrung bringen, ob der Hanyou tatsächlich aus eigenem Antrieb gehandelt hat.“ Kühl blickt Sesshomaru ihn an: „Zu eben diesem Zweck, habe ich ihn mitgebracht. Lasst ihn rufen, und er wird Euch Rede und Antwort stehen. Ihr werdet sicher schnell erkennen, dass er niemals in meinem Auftrag gehandelt hat. Und bis zu dem Augenblick seiner Verurteilung, erwarte ich von Euch, dass Ihr ihn mit Inu Yasha-ouji (Prinz) ansprecht, wie es sich gehört. Dass er nur ein Halbblut ist, hat in diesem Fall keine Bedeutung.“ Arashitsumes Blick wird schmal, doch dann zuckt er mit den Achseln: „Wie Ihr wünscht. Die Wahrung der Etikette muss Euch wirklich wichtig sein.“ „So wie Euch“, gibt Sesshomaru ungerührt zurück. Yarinuyuki verdreht die Augen. „Etikette hin oder her! Hey du!“, ruft sie einem der knienden Diener zu, „Geh, hole Inu Yasha hierher! Ich will die Sache hinter mich bringen.“ Rasch springt der Ostyoukai auf und sofort hastet er den Weg entlang und ist kurz darauf zwischen den Bäumen verschwunden. Mit großem Elan schneidet Kagome die Karotten in dünne Spalten. Fast eine ganze Schüssel hat sie bereits fertig. Neben ihr müht sich Sango an der Presse für die Azukibohnen ab. Ein wenig missmutig schaut sie dabei zu ihrer Freundin hinüber, deren Motivation offenbar noch immer ungebremst ist. Die Schlossküche ist gut besucht und unzählige Youkais sind damit beschäftigt, Gemüse zu putzen, Reis zu kochen, Fleisch zu zerkleinern, Suppen und Soßen zuzubereiten und verbrauchtes Geschirr abzuwaschen und zu stapeln. Anscheinend ist ein besonders vielseitiges Bankett geplant. „Kannst du mir bitte nochmal sagen, warum wir hier mitkochen müssen, Kagome?“, raunt Sango ihrer Freundin zu, „Wolltest du uns vorhin nicht etwas erzählen?“ „Pss!“, macht Kagome und sieht sich wachsam um, doch im Moment ist keiner von den Youkais in unmittelbarer Nähe. „Das erzähl ich euch schon noch, aber jetzt müssen wir erstmal den Anschein wahren. Wir sind schließlich Inu Yashas Diener. Das scheint uns erstmal Schutz zu bieten.“ Sango verzieht das Gesicht: „Das hätte ich mir auch nicht träumen lassen, dass ich Inu Yasha mal bedienen würde.“ Sorgsam sieht sie sich nach Shippo und Rin um, die beide damit beschäftigt sind, Fische auszunehmen, wobei sich das Mädchen wesentlich geschickter anstellt, als der Kitsune. Bis hierher hört man Shippo über die ekelhafte Arbeit schimpfen, doch ihm bleibt nichts anderes über. Überhaupt scheint es an ein Wunder zu grenzen, dass man sie überhaupt mitkochen lässt. Man hat ihnen erklärt, dass für gewöhnlich nur Youkais, die Lebensmittel berühren dürfen, die den Fürsten als Nahrung dienen. Aus eben diesem Grund wurde auch Miroku zum Töpfe schrubben abkommandiert, den die Chefköchin hat strengstens untersagt, dass der Mönch in die Nähe irgendwelcher Lebensmittel kommt. Miroku ist das nur recht. Das Putzen ist zwar eine harte Arbeit, doch er reist sich auch nicht darum, Gemüse zu schneiden. Also rückt er lieber mit Bürste und Wasser dem Geschirr zu Leibe. Sango wischt sich den Schweiß von der Stirn. „Anko herstellen ist eine wirklich mühsame Arbeit!“, schnauft sie. „Aber dafür schmeckt es umso besser!“, meint Kagome munter. Sango schüttelt den Kopf: „Dich bringt wohl gar nichts aus der Ruhe. Muss ich dich daran erinnern, dass wir hier in einem Schloss voller Youkais festsitzen und, dass man uns wahrscheinlich töten wird, wenn man Inu Yasha für schuldig erklärt?“ Kagome senkt den Blick. „Nein, natürlich nicht!“, sagt sie leise, „Aber ich versuche nicht daran zu denken. Wenn alles gut geht und Inu Yasha sich gut verkaufen kann bei der Verhandlung, dann hängt alles an Sesshomaru und ich will einfach glauben, dass Myoga recht hat und er Inu Yasha verteidigen wird.“ „Deinen Optimismus möchte ich haben!“, sagt die Dämonenjägerin nachdenklich. „Was bleibt mir anderes übrig?“, Kagome schmeißt die letzten Karottenspalten in ihre volle Schüssel, „Ich bin gleich wieder da.“ Kagome schnappt sich die Schüssel und verlässt rasch ihren Arbeitsplatz. Es fällt ihr schwer, ihre Fassung zu behalten. Sangos Worte haben alles wieder hochgeholt, was sie durch ihre Arbeitswut zu verdrängen versuchte. Wie gerne möchte sie sich ihrer Freundin anvertrauen, doch das ist hier vor all diesen Ostyoukais nicht möglich. Sie wird wohl oder übel warten müssen, bis man sie aus der Küche entlässt. Zum Glück gibt es hier so viel zu tun, dass man nur schwer ins Grübeln kommt. Bedächtig trägt sie die Schüssel durch die Küche, um sie zu den Köchen an den großen Töpfen zu bringen. Sie durchquert eine kleine Holztür und steht dann in dem großen Raum mit den Feuerstellen. Auch hier herrscht emsiges Treiben. Einige kräftige Youkais rühren in den mächtigen Töpfen und Pfannen über den Feuern und andere Dienerinnen reichen ihnen die Zutaten an. Kaum einer nimmt von Kagome Notiz. Suchen blickt sie sich nach einem freien Platz um, um ihre Schüssel abzustellen. Schließlich entdeckt sie einen längeren Tisch am Ende des Raumes. Es ist brütend warm hier drin und der Geruch der von den Töpfen aufsteigt, überwältigt ihre Sinne. So schnell wie möglich möchte sie die Küche wieder verlassen. Endlich hat sie den Tisch erreicht und stellt die Schüssel ab. Erleichtert atmet sie auf und massiert sich ein wenig ihre beanspruchten Handgelenke. Gerade will sie sich zum Gehen wenden, als ihr Blick auf eine Holzkiste neben einem der großen Kessel fällt und unmittelbar erstarrt sie in der Bewegung. Augenblicklich entgleisen ihr die Gesichtszüge und sie wird kreidebleich. Fassungslos starrt sie auf die Kiste, deren Inhalt vorbeigehende Youkais eifrig den Töpfen und Pannen daneben hinzufügen. Kagome beginnt zu zittern. Ganz oben auf diesem Berg aus Fleisch, der sich bei näherer Betrachtung als ein Gewirr aus Armen und Beinen entpuppt, liegt ein Kopf. Doch nicht irgendein Kopf. Es ist ganz unverkennbar der Kopf eines Youkais und Kagome erkennt das Gesicht augenblicklich wieder. Es ist die Dienerin, die sie ursprünglich zum Dienst in der Küche abholen sollte. Rückwärts taumelnd schlägt Kagome die Hand vor das Gesicht. Ihre Augen sind schreckensgeweitet. Das kann doch nicht sein! Ihr war ja klar, dass Youkais sich anders als Menschen ernähren, doch das sie so weit gehen würden, übersteigt selbst ihre kühnsten Vorstellungen. Im gleichen Moment kommt ihr noch ein ganz anderer Gedanke. Warum ist diese Dienerin tot? Ob es damit zusammenhängt, dass sie sich geweigert hat, ihr zu folgen? Ein kalter Schauer läuft ihr über den Rücken. Oder womöglich, weil sie sie als Zeugin für Arashitsumes Verrat angegeben hat? Würde der Fürst des Ostens wirklich seine Dienerin töten, nur um nicht sein Gesicht zu verlieren, wenn sie ihre Behauptung bestätigte? Die Antwort trifft sie sofort. Natürlich würde er das! Und sicher hat er dabei nicht mal das kleinste bisschen schlechtes Gewissen. Kagomes Lippe bebt. Das bedeutet, der Tod dieser Dienerin ist allein ihre Schuld! Wenn sie gleich zu Beginn mitgegangen wäre, hätte das alles nicht sein müssen. Tenmaru hätte sie nicht verteidigen müssen, Inu Yasha wäre nicht ausgebrochen und hätte Arashitsume nicht provoziert und diese Dienerin hätte nicht sterben brauchen, weil sie sie als Zeugin angegeben hat. Es ist alles ihre Schuld! Unwillkürlich füllen sich Kagomes Augen mit Tränen. Keuchend lehnt sie sich an den Tisch hinter ihr und stößt dabei ihre Schüssel mit den Karotten auf die Erde, wo sie mit einem lauten Scheppern zerspringt. „Was soll das?“, ertönt eine zornige Stimme. Wütend kommt die Chefköchin auf Kagome zu. „Dumme Göre! Kannst du nicht aufpassen? Räum das auf und dann scher dich aus meiner Küche!“ „Es tut mir leid!“, flüstert Kagome kleinlaut mit Tränen in den Augen. Doch die mollige, kleine Youkaifrau mit den grauen Haaren und den böse funkelnden Augen zeigt sich davon gänzlich unbeeindruckt. „Hier ist schon genug zu tun. Da kann ich nicht auch noch so einen Tollpatsch wie dich brauchen. Am besten nimmst du deine anderen Menschenfreunde gleich mit. Ihr gehört ohnehin hier nicht her. Wenn das hier sauber ist, will ich keinen von euch mehr hier drinnen sehen, verstanden?“ Mit einem dicken Kloß im Hals nickt Kagome und dann beginnt sie damit, die Scherben und das Gemüse in den Abfall zu befördern. Die umstehenden Youkais werfen ihr missmutige oder belustigte Blicke zu. Einige von ihnen machen hämische Bemerkungen und tuscheln schadenfroh miteinander. Kagome bekommt davon wenig mit. Sie ist zu geknickt. Endlich ist sie fertig und unter den missgünstigen Blicken der Youkais verlässt sie die Küche. Schon von weitem kann Sango erkennen, dass etwas nicht in Ordnung ist. „Kagome“, ruft sie erschrocken, „Was ist denn los? Du siehst ja furchtbar aus!“ Ein mal mehr schluckt Kagome schwer. Sie blickt zu Miroku hinüber und dann wieder zu Sango: „Kommt mit! Wir haben hier nichts mehr verloren. Wir gehen zurück zu Inu Yasha und dann muss ich euch etwas erzählen.“ Erleichtert lässt Sango ihre Schürze zu Boden plumpsen. „Das wurde ja aber auch Zeit!“ Ohne länger zu zögern, lassen Kagomes Freunde ihre Arbeit stehen und liegen und folgen dem Mädchen zurück zu Sesshomarus Quartier. Kapitel 28: Inu Yashas Feuertaufe --------------------------------- „Und vergesst nicht, immer höflich zu bleiben!“ Wachsam folgt Inu Yasha dem Ostyoukai, der vor ihm den Weg entlanggeht und lauscht dabei aufmerksam den letzten Anweisungen Myogas in seinem Ohr. Jetzt wird es also ernst! Nun ist der Moment gekommen, wo er zeigen muss, dass auch in seinen Adern fürstliches Blut fließt. Er ist ein wenig nervös und ehrlich gesagt heilfroh, dass der kleine Flohdämon ihn heimlich unterstützen wird. Wie lange ist es her, dass er eine noble Erziehung genossen hat? Fast zweihundert Jahre. Seit dem hat er sie nicht mehr gebraucht. Er ist auch so immer ganz gut klargekommen. Er hatte schon mit dem Gedanken abgeschlossen, seine Etikette je wieder brauchen zu müssen. Aber mal im Ernst! Der einzige Kontakt mit der Familie seines Vaters, war das gelegentliche Aufeinandertreffen mit seinem Bruder gewesen und diese Treffen sind niemals freundlich abgelaufen. Sein Groll auf seinen Bruder wird höchstens noch von dessen Groll auf ihn übertroffen. Sesshomaru hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er ihn und seinen Blutstatus für verachtenswürdig hält. Dass er ihm vorhin gesagt hat, dass er sein Verhalten, Arashitsume gegenüber nicht nur billigt sondern sogar gut heißt, ist eine extreme Seltenheit, die sich sicher nicht so bald wiederholen wird. Inu Yasha beißt sich etwas auf die Lippen. Eigentlich sollte ihm das völlig egal sein, was Sesshomaru von ihm hält, doch er kann sich nicht helfen. Es war irgendwie ein gutes Gefühl, Anerkennung von seinem Bruder zu erfahren, so bescheuert das auch klingt. Inu Yasha seufzt. Wahrscheinlich liegt es daran, dass er gezwungen ist, mit seinem Bruder zusammenzuarbeiten und daran, dass er langsam beginnt, ihn so zu sehen, wie die anderen Youkais aus den Clans und die Streuner; als Fürst des Westens, der sich um sein Reich sorgt und dem Stolz und Würde über alles geht. Missmutig ballt Inu Yasha die Faust. Es herrscht einfach eine große Diskrepanz zwischen seinen Erfahrungen mit seinem Bruder und der Art wie die anderen ihn sehen. Nun liegt es an ihm, für welche Sichtweise er sich entscheiden will. Doch im Grunde wurde diese Wahl bereits getroffen, als er sich entschloss, mit seinem Bruder in den Osten zu gehen. Alles was jetzt noch zu tun bleibt, ist, sich dieser Entscheidung würdig zu erweisen. In Inu Yashas Ohr macht sich Myoga einmal mehr bemerkbar. „Und wenn Ihr immer noch vorhabt, auf Yaebas Gesuch einzugehen, und ich halte das immer noch für eine riskante Idee, dann wartet auf jeden Fall den richtigen Moment ab. Wenn Ihr zu forsch seid, könnte das nach hinten losgehen.“ „Es ist nicht nötig, dass du mir das immer wieder sagst!“, murmelt Inu Yasha kaum hörbar, „Du wirst es nicht glauben, aber ich bin durchaus in der Lage mich zu beherrschen, wenn es nötig ist.“ „Es ist nötig!“, kommt es strengt zurück. „Ja, ja, weiß ich ja! Ich hab's versprochen und ich halt mich auch dran. Ich geb doch Sesshomaru keinen Grund zu sagen: Ich hab's doch gewusst!“ Nun kommt vor ihnen ein roter Pavillon in Sicht. Schon von weitem kann Inu Yasha die drei Gestalten sehen, die ihm regungslos entgegensehen. Er kommt näher und schließlich hat er die Stufen, die hinauf führen, erreicht. Der Youkai, der ihn hergeführt hat, nimmt rasch wieder neben der Treppe Platz und senkt den Blick. Nun steht Inu Yasha alleine vor den drei Fürsten die auf ihren Kissen knien und ihm schweigend entgegensehen. Ein wenig unwohl ist ihm schon zu Mute. Die Atmosphäre ist ziemlich frostig und noch immer sagt keiner ein Wort, sondern die drei mustern ihn höchstens aufmerksam, als wollten sie jeden kleinen Fehler, der ihm unterläuft, registrieren. Unter diesen durchdringenden Blicken stellen sich ihm die Nackenhaare auf und er muss sich sehr zusammenreißen, um keine patzige Bemerkung zu machen. Stattdessen steigt er langsam die Stufen zur Pagode hinauf und reckt dabei trotzig das Kinn. Die sollen bloß nicht, denken, dass sie ihn einschüchtern können. Nun steht er vor den drei Fürsten. „Kniet nieder!“, wispert Myoga leise. Steif befolgt Inu Yasha die Anweisung, ohne jedoch die drei Daiyoukais aus den Augen zu lassen. Das also ist die Fürstin des Nordens. Wirklich interessant, auf den ersten Blick könnte man sie für einen Knaben halten. Das liegt wahrscheinlich an ihrer fransigen Frisur und diesem ziemlich undamenhaften Gesichtsausdruck. Frech würde er dazu sagen, Sesshomaru würde es wahrscheinlich unverschämt nennen. Gerade jetzt grinst sie ihn ziemlich herablassend an und macht auch keinen Hehl daraus. Inu Yasha hat die starke Vermutung, dass diese Frau ihre Probleme auch lieber auf die direkte Art löst, statt lange Reden zu schwingen. Bestimmt ist sie eine starke Kämpferin. Sein Blick geht hinüber zu Arashitsume. Auch den Ostfürsten könnte man zunächst für eine Frau halten, dem Gesicht nach zu urteilen. Doch diese makellose Fassade täuscht. Der Kerl ist ein eiskalter Killer, gerissen und skrupellos. Nach allem was er bisher über ihn weiß, ist er hinterhältig, rechthaberisch und machtgierig und nicht zu vergessen maßlos arrogant. Wenn der wüsste, wem er in Wirklichkeit seine Freiheit verdankt. Doch wenn es nach Inu Yasha geht, wird er das niemals erfahren. Kagomes Sicherheit ist wichtiger. Angeblich sind seine Freunde zwar geschützt, weil sie als seine Diener gelten, doch wer weiß ob nicht Arashitsume einen Weg findet, ihnen trotzdem zu schaden. Versucht hat er es bereits und allein schon dafür, möchte er ihn am liebsten zur Verantwortung ziehen, doch zunächst muss er versuchen, heil aus dieser Sache rauszukommen, denn wenn man ihn für schuldig bekennt, ist das auch das Todesurteil für seine Freunde. Es liegt also an ihm, sie alle zu beschützen. Ebenso wie die Streuner. Nun blickt er zu Sesshomaru hinüber. Der Blick seines Bruders ist kühl und reserviert. Es ist ihm nicht anzusehen, was er denkt, doch Inu Yasha hat die Ahnung, dass er sich Gedanken macht, ob er sich auch zu benehmen weiß. Einmal mehr hat er den Eindruck, dass sein Bruder irgendwie erschöpft wirkt, doch wahrscheinlich ist er der Einzige der das bemerkt. „So, das ist er also!“, bricht nun Yarunuyuki die Stille und grinst amüsiert, „Sieht ja noch ganz manierlich aus. Hatte schon mit Schlimmerem gerechnet.“ Inu Yasha schürzt die Lippen, doch er verkneift sich die Bemerkung die ihm auf den Lippen liegt. „In der Tat, die Tatsache, dass sein Vater ein Fürst war, steht ihm recht gut zu Gesicht“, bemerkt nun auch Arashitsume und lehnt sich ein Stück zurück. Yarinuyuki legt den Kopf schief. „Aber ein bisschen schwächlich sieht er aus, finde ich. Und der soll einen Eurer Krieger getötet und Eure Fesseln überwunden haben?“ „Kaum vorstellbar, nicht wahr?“, meint Arashitsume, „Doch man berichtete mir, das zweifellos er es war, der meinen Krieger tötete als er den Streuner beschützte. Was nicht verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass er der Träger Tessaigas ist.“ „Was?“, ruckartig setzt Yarinuyuki sich auf, „Tessaiga? Eines der legendären Schwerter? Wie kommt es, dass dieser... dass er es besitzt?“ „Es war ein Vermächtnis meines Vaters!“, klar dringen Inu Yashas Worte zu ihnen hinüber. Er ist nicht länger bereit, schweigend hier zu sitzen, während diese Fürsten über ihn Fleischbeschauung halten. Trotz Myogas mahnendem Zischen im Ohr blickt er der Fürstin des Nordens unverwandt in die Augen. Nach diesen Worten herrscht erstmal Stille. Drei ernste Augenpaare blicken ihn an. „Ihr sprecht nur, wenn Ihr dazu aufgefordert werdet!“, sagt Arashitsume nun kühl an ihn gewandt, „Man hätte Euch entsprechend unterweisen sollen.“ Doch Inu Yasha trotzt seinem Blick. „Das ist mir bekannt! Aber ich nahm an, dass diese Frage an mich gerichtet war. Und es war mein Vater, der mir dieses Schwert vermacht hat!“ Yarinuyuki und Arashitsume werfen sich skeptische Blicke zu, nur Sesshomaru scheint seinen Bruder mit Blicken durchbohren zu wollen. „Seltsam, ich hätte angenommen, dass dieses Schwert Euch zugesprochen worden wäre, Sesshomaru“, meint Yarinuyuki keck an den Westfürsten gewandt. „Die Erbverteilung meines Vaters ist nicht Gegenstand dieses Rates“, antwortet Sesshomaru kühl. „Wie auch immer“, meint Arashitsume, „Damit ist wohl eindeutig geklärt, dass er wirklich Inu Taishos Sohn ist. Was ihn somit in den Rang eines Prinzen erhebt mit allen Rechten und Pflichten.“ Ein boshaftes Lächeln legt sich um Arashitsumes Mundwinkel. Er wendet sich nun direkt an Inu Yasha. „Inu Yasha-ouji, ist Euch klar, weshalb Ihr hier seid?“ „Ich habe Euren Krieger getötet?“, stellt Inu Yasha die Vermutung an. „Nicht nur“, sagt Arashitsume, „Was Euch und Eurem Bruder zur Last gelegt wird, wiegt viel schwerer. Es geht um nichts weniger als um Hochverrat!“ „Hochverrat?“, stößt Inu Yasha empört hervor, „Wie kommt Ihr darauf?“ Nun wirft der Fürst des Ostens ihm einen Blick zu, als müsste er einem kleinen Kind einen schwierigen Sachverhalt begreiflich machen. „Lasst es mich Euch erklären! Vermutlich habt Ihr noch nicht von den Drei Brüdern gehört.“ „Stellt Euch vor, das habe doch!“, antwortet Inu Yasha mit kaum weniger künstliche Nachsicht in seiner Stimme. Myoga sei dank! Zufällig hat der alte Floh in der vergangenen Nacht das eine oder andere davon erzählt. Den säuerlichen Blick Arashitsumes ignorierend, redet Inu Yasha weiter: „Die Drei Brüder waren die drei ersten Inuyoukaifürsten dieses Landes, die vor etwa dreitausend Jahren gelebt haben. Zunächst haben sie gegeneinander gekämpft und als sie merkten, dass keiner von ihnen siegen würde, und damit das Land nicht noch weiter verwüstet wurde, beschlossen sie, in ihre Reiche zurückzukehren und für die Zukunft einige Gesetze aufzustellen, die es ihnen erlaubten, miteinander umzugehen, ohne in Streit zu geraten. Sie gründeten auch den ersten Hohen Rat und legten die Richtlinien zu seiner Durchführung fest.“ „Inu Yasha-sama, ich bin ja so gerührt!“, mit tränenerstickter Stimme fiept Myoga in Inu Yashas Ohr, „Ihr habt mir also wirklich zugehört und Euch meine Worte zu Herzen genommen! Dass ich das noch erleben darf!“ „Pss!“, macht Inu Yasha kaum hörbar. Arashitsumes Miene ist ungerührt. „Ich bin wirklich erstaunt, dass Ihr darüber so gut bescheid wisst. Nun, dann muss ich Euch wohl auch nicht sagen, dass sich die Fürsten der Reiche, nicht an den Youkais der anderen Clans vergreifen dürfen.“ „Ohne guten Grund!“, fügt Inu Yasha ernst hinzu. Arashitsume schaut ihn missgünstig an: „Ihr wollt also behaupten, es war nicht Eure Schuld, dass es zu diesem Vorfall kam?“ „Vorsicht, Inu Yasha-sama!“, wispert Myoga in seinem Ohr, „Wenn Ihr es abstreitet, wird er Euren Bruder verdächtigen.“ Inu Yasha reckt sich. „Im Gegenteil!“, sagt er entschieden, „Diesen miesen Kerl in seine Schranken zu weisen, war eine Entscheidung die ich bis heute nicht bereue! Aber...“, und nun blickt er dem Ostfürst direkt in die Augen, „auch wenn ich hier und heute dafür Rechenschaft ablege, bin ich davon überzeugt, dass ich völlig im Recht war.“ „So?“, meint Arashitsume, „Und das obwohl Ihr durch meine Soldaten informiert wurdet, dass die Jagd von Eurem Bruder genehmigt wurde?“ Inu Yasha verschränkt die Arme. „Hmh! Die beiden hätten mir viel erzählen können. Alles was ich mit Sicherheit wusste, war, dass zwei fremde Youkais in unserem Revier waren und Jagd auf einen anderen Youkai machten, den ich zuvor schon kennengelernt und als unbedenklich angesehen hatte. Ich würde meine Aufgabe als Prinz vernachlässigen, wenn ich dem nur tatenlos zugesehen hätte.“ Flüchtig geht Inu Yashas Blick zu seinem Bruder hinüber. Sesshomaru hat leicht eine Braue angehoben. Tja, damit hast du wohl nicht gerechnet, was? Doch schon wird seine Aufmerksamkeit wieder von Arashitsume in Anspruch genommen. „Unbedenklich sagt Ihr? Er ist ein Streuner und sein Rudel hat einen hohen Youkaifürsten ermordet. So etwas seht Ihr als unbedenklich an? Verstehe ich das richtig, dass Ihr Inu Taihyougas Tod als Nebensächlichkeit anseht?“ Inu Yasha knirscht mit den Zähnen. „Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nichts davon.“ Der Ostfürst wirft Ihm einen geringschätzigen Blick zu: „Und es ist Euch nicht in den Sinn gekommen, dass Euer Bruder einen Grund dafür hatte, die Jagd zu gestatten?“ Trotzig starrt Inu Yasha ihn an: „Nein, verdammt! Weil das nämlich eigentlich nicht seine Art ist!“ Irgendwie wirkt Arashitsume zufrieden: „Ach tatsächlich?“ Hoch aufgerichtet kniet Inu Yasha da. „Sesshomaru hat kein Interesse an solchen schwächlichen Gegnern wie denen. Einfach weil sie ihm nicht das Wasser reichen können. Es wäre unter seiner Würde, sich mit ihnen zu befassen.“ „Und deshalb schickte er Euch?“, fragt Arashitsume gefährlich. „Nein!“, behauptet sich Inu Yasha, „Deshalb nahm ich an, dass er sie entweder selbst getötet oder sie ignoriert hätte, wenn er von ihrer Anwesenheit gewusst hätte. Es ist nicht seine Art, Eindringlinge in seinem Reich auch noch zu unterstützen!“ Böse funkelt Arashitsume ihn an. „Ihr habt also nicht wissentlich gegen seine Anweisungen verstoßen? Sagtet ihr nicht, ich zitiere wörtlich: 'Mir doch egal was der Kerl erlaubt hat oder nicht!'?“ Unbeeindruckt erwidert Inu Yasha seinen Blick: „Vielleicht hab ich ja gelogen!“ „Und was sollte der Grund für solch eine Lüge sein?“ Inu Yasha verschränkt erneut die Arme: „Ganz einfach! Ich kann ihn nicht leiden! Und wenn die Abneigung zu meinem Bruder gegen das Gesetz verstößt, müssten sämtliche Eurer Krieger ebenfalls hier angeklagt sein, Ihr eingeschlossen!“ Ein schallendes Lachen dringt nun von Yarinuyuki zu ihnen hinüber. „Na, der hat es Euch jetzt aber gegeben, Arashitsume!“, ruft sie, „Der Kleine ist mir gleich sympathischer geworden.“ Der Ostfürst wirft ihr einen vernichtenden Blick zu. „Ich bin entzückt, dass Ihr das so amüsant findet, doch es ändert nichts an den Tatsachen, dass er mit den Streunern sympathisiert. Schließlich hat er sie in seinen Dienst und damit in seinen Schutz genommen. Und statt sich über den ganzen Sachverhalt zu informieren, hat er meinen Krieger gnadenlos umgebracht und dabei ignorierte er böswillig, dass der Angriff auf diesen Streuner völlig legitim war.“ „Einen Augenblick!“, sagt Inu Yasha nun. Alle Augen richten sich auf ihn. „Ihr sagt, diese Jagd wäre legitim gewesen, doch das sollte vielleicht erstmal bewiesen werden. Ich habe da nämlich meine Zweifel.“ „Inu Yasha-sama“, wimmert Myoga in seinem Ohr, „Bitte überlegt Euch das noch mal!“ Wie beiläufig kratzt sich Inu Yasha am Ohr und mit einem leichten Schnippen bringt er Myoga zum Verstummen. Drei ernste Augenpaare starren den Hanyou nun an. Jegliches Lächeln ist aus Yarinuyukis Gesicht verschwunden. Wutschnaubend faucht sie ihn an: „Willst du damit sagen, dass die Ermordung meines Vaters als Grund nicht ausreicht? Diese dreckigen Streuner haben sich einmal mehr in einen ehrlichen Zweikampf eingemischt und die Gesetze mit Füßen getreten. Dieser Abschaum besitzt keine Ehre und keine Rechte und es steht völlig außer Frage, dass sie den Tod verdient haben! Wenn ich diese dreckige Brut vom Antlitz dieser Erde fege, brauch ich noch nicht mal einen Grund angeben! Legitimer kann eine Angelegenheit gar nicht sein.“ Inu Yashas Lippen sind fest aufeinandergepresst und seine Hände sind zur Faust geballt. Doch dann sagt er: „Vielleicht ist das so! Ich vermute, Ihr könnt in Eurem Reich machen was Ihr wollt, doch wenn Ihr diesen Vorfall als Grund angebt, weshalb Eure Krieger in feindlicher Absicht in unser Revier kommen, dann sollte uns wohl das Recht zustehen, die Angelegenheit zu überprüfen.“ „Das könnte dir so passen! Du versuchst doch nur Zeit zu schinden und von dir abzulenken!“, grollt Yarinuyuki ihn an. „Ich sehe das genauso!“, stimmt Arashitsume ihr zu, „Das Streunerrudel besteht aus Ausgestoßenen. Sie besitzen keine Rechte. Jede Diskussion über Schuld oder Unschuld von ihrer Seite ist völlig hinfällig!“ „Ich fürchte ich muss in diesem Punkt meinem Bruder zustimmen!“ Sämtliche Blicke gehen nun zu Sesshomaru hinüber. „Der Tod von Inu Taihyouga, den ich übrigens sehr bedaure, zu rächen, galt Euch als Grund in feindlicher Absicht in mein Reich einzudringen. Ich möchte Gewissheit haben, ob dies die tatsächliche Absicht war, oder ob es Euch nur gelegen kam, die Schuld auf Kreaturen abzuwälzen, die niemals die Gelegenheit haben würden, sich zu rechtfertigen!“ Empört funkelt Arashitsume ihn an: „Ihr unterstellt mir, dass...“ „Und was unterstellt Ihr mir?“, fällt ihm Sesshomaru energisch ins Wort, „Schon seit geraumer Zeit, höre ich von Euch nichts anderes als Anschuldigungen und Vorwürfen. Ich finde es ist langsam an der Zeit, mit Beweisen aufzuwarten, oder ich muss daraus schließen, dass Ihr nichts in der Hand habt sondern nur mutwillig Zwietracht zwischen unseren Reichen säen wollt.“ Mit bitterbösem Blick starrt Arashitsume den Fürsten des Westclans an. „Was für eine Art Beweis verlangt Ihr?“ „Sprecht mit einem Augenzeugen. Jemandem der bei dem Angriff auf Inu Taihyouga dabei war und uns darüber berichten kann.“ Arashitsumes Augen werden schmal: „Ihr meint doch sicher, einen von den Streunern, oder? Glaubt Ihr wirklich, Ihr erhaltet eine glaubwürdige Schilderung der Ereignisse von denen?“ „Was für einen Grund hätten sie, etwas zu verschönen. Sie müssen ohnehin damit rechnen, dass ihr Leben verwirkt ist. Lasst sie hier sprechen und urteilt dann, ob Ihr ihren Worten Glauben schenken wollt.“ „Auf keinen Fall!“, schreit Yarinuyuki, „Ich werde diesen miesen, kleinen Verrätern keine Gelegenheit geben, sich zu rechtfertigen! Sie werden das Andenken meines Vaters nicht mit ihren Lügen besudeln!“ „Ich sehe das ebenso!“, meint Arashitsume, „Von dieser Bande ist kein wahres Wort zu erwarten. Eine Befragung wäre reine Zeitverschwendung! Die Streuner werden nicht vor diesem Rat sprechen!“ Schmal schaut Sesshomaru ihn an. Dann sagt er: „Ich wundere mich, Arashitsume-sama, gabt Ihr nicht erst gestern dem Streuner Yaeba die Erlaubnis, vor dem Hohen Rat sprechen zu dürfen?“ Ungerührt erwidert Arashitsume den Blick: „Ich habe meine Meinung geändert, na und? Er ist ein Streuner; ich habe keine Verpflichtung, mein Wort zu halten.“ „Habt Ihr vielleicht irgendetwas zu verbergen?“, fragt Sesshomaru ernst. „Selbstverständlich nicht!“, kommt die Antwort, „Doch ich bin der Meinung, dass sich dieser Rat nicht mit Nichtigkeiten aufhalten soll.“ „Mord und Grenzbruch sind also Nichtigkeiten für Euch?“, kommt Sesshomarus scharfe Frage. „Das habe ich nicht gesagt. Ich sagte, dass es keinen Sinn macht, die Streuner zu befragen, da sie ohnehin nur zu ihrem Vorteil lügen würden.“ „Was spielt das für eine Rolle?“, wettert Yarinuyuki dazwischen, „Ich will dieses Pack nicht hier sehen! Und solange Arashitsume ebenfalls dagegen stimmt, erübrigt sich diese Diskussion!“ „Ich stimme dafür!“ Augenblicklich gehen sämtliche Blicke zu Inu Yasha hinüber. So selbstbewusst wie möglich erwidert der Hanyou ihren Blick. „Was sagt Ihr?“, fragt Arashitsume scharf. „Ich sagte, ich stimme dafür, dass Yaeba seinen Standpunkt vor dem Rat vertreten kann!“ Das Lächeln auf Arashitsumes Gesicht ist wahrlich zum Fürchten. „Ich enttäusche Euch nur ungern, doch bedauerlicherweise zählt Eure Stimme vor diesem Rat nicht!“ Inu Yasha reckt das Kinn: „So, meint Ihr? Ihr selbst habt festgestellt, dass ich ein Prinz bin und wenn ich mich nicht täusche, setzt sich der Rat aus Mitgliedern der Fürstenhäuser zusammen. Der Westen ist mit zwei Mitgliedern vertreten, und dass Ihr nicht weitere Angehörige aus Euren Reihen berufen habt, ist Euer eigenes Versäumnis! Ich weiß, dass ich natürlich nicht über mein eigenes Schicksal abstimmen kann, doch meine Zustimmung dafür zu geben, dass Yaeba vor dem Rat sprechen kann, ist immer noch mein gutes Recht! Und jetzt behauptet noch einmal, meine Stimme würde hier vor dem Rat nicht zählen!“ Arashitsume starrt ihn an, als wollte er ihn bei lebendigem Leib fressen. „Und warum seht Ihr das als Euer gutes Recht an? Was habt Ihr mit den Streunern zu schaffen?“ Entschlossen reckt Inu Yasha das Kinn: „Die Streuner unterstehen keinem Clan. Deshalb steht es jedem Fürsten frei, sie in ihre Dienste zu nehmen. Das habe ich getan! Ihr Anführer, hat sie mir alle unterstellt. Solange diese Verhandlungen laufen, werden sie sich friedlich verhalten und allen meinen Anweisungen Folge leisten. Ich bürge für sie! Und ich erwarte, dass keinem von ihnen ein Haar gekrümmt wird, solange ich es nicht gestatte!“ Jetzt weiß ich was Myoga meinte, als er sagte, dieses Thema könnte heikel werden, denkt Inu Yasha bei sich. Arashitsume macht ein Gesicht als ob er nicht glauben könnte, was er gerade gehört hat, die Nordfürstin sieht aus, als würde sie jeden Moment explodieren und Sesshomaru scheint ihn mit Blicken erdolchen zu wollen. Doch nun gibt es kein zurück mehr! Nun zieht ein giftiges Lächeln auf Arashitsumes Gesicht: „Ihr habt wirklich Mut, Inu Yasha-ouji, das muss man Euch lassen! Doch Ihr seid naiv, wenn Ihr glaubt, dass dieses Pack es Euch danken wird. Eure Mühe wird letztendlich vergeblich sein! Doch ich werde Eurem törichten Mut Tribut zollen. Soll der Streuner ruhig seine Meinung vertreten. Es wird weder ihm noch Euch etwas bringen, doch unterhaltsam könnte es werden.“ „Nein! Ich weigere mich, das zu akzeptieren!“, schreit Yarinuyuki zornig. „Es ist entschieden!“, sagt Sesshomaru streng, „Ihr seid überstimmt! Der Streuner Yaeba soll kommen und vor dem Rat sprechen!“ „Ja, von mir aus bringt ihn her, direkt in meine Reichweite!“, grollt sie gefährlich. „Und Ihr werdet ihn nicht anrühren!“, fügt Sesshomaru scharf hinzu, „Ihr habt meinen Bruder gehört. Er bürgt für ihn. Wenn Euer Anspruch auf seinen Tod gerechtfertigt ist, werdet Ihr noch früh genug Gelegenheit zur Vergeltung erhalten, also mäßigt Euch!“ Nachdenklich beobachtet Inu Yasha seinen Bruder. Er ist tatsächlich auf meiner Seite und das obwohl ihm sicher nicht passt, was ich über die Streuner gesagt habe. Doch offenbar hatte Yaeba Recht mit seiner Vermutung. Wenn ich kein Recht hätte, im Rat abzustimmen, hätte Sesshomaru mich niemals unterstützt. Ich hoffe, dieser Streuner weiß was er da verlangt. Indem ich mich für die Streuner verbürge, hab ich mir nicht gerade Freunde gemacht. Sesshomaru hätte mich sicher am liebsten erwürgt dafür. Aber Yaeba sagte, er könnte es schaffen, dass man mich frei spricht, wenn ich dafür sorge, dass er vor dem Rat sprechen kann. Er traut Arashitsume wohl auch nicht. Zu Recht, wie man ja gesehen hat. Mieser Wortbrecher! Hoffentlich weiß Yaeba wirklich was er tut! Reglos und mit gesenktem Blick kniet Tenmaru auf dem hölzernen Boden in seinem Quartier. Fast drei Stunden verharrt er nun schon in dieser Haltung. Niemand sonst ist hier und um ihn her herrscht Stille. Er hasst es. Ohne jegliche Ablenkung schweifen seine Gedanken in Bereiche ab, in denen sie nichts zu suchen haben. War es jetzt eine gute oder eine schlechte Entscheidung, diese Kagome gerettet zu haben? Er ist an seinen Schwur gebunden, sein Geheimnis zu bewahren und sie ist für einen Menschen erschreckend helle. Andererseits hatte das Ganze auch sein Gutes. Er ist sich sicher, dass Inu Yasha ihm dafür sehr dankbar ist. Das er seinen Bruder dazu gebracht hat, ihn in seine Dienste zu nehmen, wenn auch nur vorübergehend, war ohne Zweifel ein Zeichen seiner Dankbarkeit. Das hat er verstanden. Ob der Hanyou weiß, dass er ihm kaum eine größere Freude hätte machen können? Tenmaru fegt den Gedanken beiseite. Er sollte die Realität im Auge behalten. Näher wird er seinem Ziel wahrscheinlich niemals kommen. In diesem Augenblick wird die Tür aufgeschoben und Tenmaru blickt auf. Im Türrahmen steht der Befehlshaber der Streuner. „Yaeba?“, meint Tenmaru verwundert, „Du bist schon zurück?“ Doch der strenge Blick des Streuners lässt ihn rasch wieder den Blick senken. Yaeba schließt die Tür hinter sich und tritt auf Tenmaru zu. Direkt vor ihm bleibt er stehen. „Ich hörte, du hast einen von Arashitsumes Kriegern getötet?“ Tenmarus Kopf sinkt noch ein Stück tiefer. „Ja, das stimmt!“, sagt er leise. Der kräftige Streuner atmet einmal durch. „Ich will wirklich hoffen, dass du einen ausgezeichneten Grund dafür hattest.“ Tenmaru beißt sich auf die Lippen. „Ich weiß nicht.“ „Was ist vorgefallen?“ Aus den Augenwinkeln schielt Tenmaru zu Yaeba hoch. „Dieses Mädchen, Kagome, sie brauchte Hilfe. Arashitsume spielt ein falsches Spiel mit Inu Yasha-sama. Wenn ich sie nicht beschützt hätte, wäre sie getötet oder zumindest schwer verletzt worden.“ „Ich verstehe!“, nickt Yaeba langsam, „Tenmaru, du hast dich ziemlich verändert in den letzten Tagen.“ Nun blickt der junge Streuner überrascht auf. Yaeba schaut auf ihn herunter und Falten überziehen seine Stirn. „Ich erkenne dich kaum wieder. Du hast deine... Gleichgültigkeit verloren.“ Unsicher schaut Tenmaru ihn an: „Und ist das... schlimm?“ Yaeba verzieht das Gesicht und gibt ihm eine spielerische Kopfnuss: „Dummkopf, natürlich nicht! Das wurde verdammt noch mal Zeit! Chutaisho würde sich freuen, wenn sie das sehen könnte!“ Tenmaru senkt den Blick und er schluckt. „Glaubst du wirklich? Dabei habe ich doch noch immer nicht getan was sie wollte. Ich war doch immer nur eine Enttäuschung für sie.“ Nun geht Yaeba vor dem jungen Streuner in die Knie und in seinen Augen liegt auf einmal Milde. „Tenmaru, du weißt nicht, was du da redest! Chutaisho... deine Mutter, sie durfte niemals ihre Gefühle offen zeigen. Sie musste stets alle gleich behandeln, sonst hätte sie den Respekt ihrer Leute verloren und du weißt wie wichtig es ihr war, dass sie sich ihrer Anführerrolle als würdig erwies. Aber glaub mir, sie war stolz auf dich! Auch wenn... sie sich nie zu dir stellen konnte.“ Schweigend hat Tenmaru ihm zugehört. Dann sagt er leise: „Ich dachte, sie würde sich für mich schämen. Ich nahm an, sie hätte mich nie gewollt. Wahrscheinlich wäre es einfacher für sie gewesen, wenn es mich nie gegeben hätte.“ Ruckartig fliegen Yaebas Augen auf: „So etwas darfst du nicht sagen! Du hast dich trotz allem prächtig entwickelt! Du bist reif geworden, und du bist stärker als du denkst! Hanaki wusste das immer! Einen besseren Sohn könnte sich niemand wünschen! Ihre ganze Hoffnung liegt auf dir! Du wirst sie nicht enttäuschen, da bin ich sicher!“ Unsicher schaut Tenmaru ihn an: „Denkst du das wirklich? Glaubst du wirklich, ich könnte es schaffen?“ Ernst legt Yaeba ihm die Hand auf die Schulter: „Ich glaube, dass du alles versuchen wirst, was dir möglich ist. Du hast alles was man dafür braucht und ich könnte gar nicht stolzer auf dich sein... wenn du mein Sohn wärst!“ Der Streuner blickt zur Seite. Es ist schwer zu deuten, was in ihm vorgeht. Verwundert kräuselt sich Tenmarus Stirn. „Yaeba, warum... sagt du mir das jetzt? Ich finde es ja gut, dass du mich aufmuntern willst, aber...“, er senkt den Blick, „wirke ich wirklich schon so verzweifelt?“ Nun schaut er wieder auf und sofort treffen seine Augen den harten Blick des Streuners. Tenmaru schluckt unwillkürlich. Sein Mentor sieht verärgert aus. „Glaubst du, ich sage das nur so zum Spaß?“, kommt die scharfe Frage. Tenmaru beißt sich erneut auf die Lippen. „Entschuldige! Das war nicht so gemeint. Ich...“, er zögert, „ich habe mir oft vorgestellt, wie es wohl wäre, wenn ich... dein Sohn wäre. Ich wäre froh gewesen! Es bedeutet mir viel, dass du mich so hoch einschätzt, aber...“, ernst blickt er auf, „ein 'Was wäre wenn?' bringt mich nicht weiter.“ Nachdenklich betrachtet Yaeba den jungen Streuner. Seine Miene ist ausdruckslos. „Wahrscheinlich hast du recht!“, sagt er schließlich, „Keiner von uns kann sich mit Eventualitäten aufhalten. Es gibt Wichtigeres zu tun! Nach Hanakis Tod, bin ich euer Anführer und nun ist es meine Aufgabe, euch zu beschützen.“ „Und wie willst du das anstellen?“, fragt Tenmaru. Yaeba erhebt sich. „Im Augenblick seid ihr geschützt weil Inu Yasha für euch bürgt. Ich habe ihn darum gebeten und er hat zugestimmt. Doch die Fürsten werden versuchen, ihn deshalb zu Fall zu bringen, also muss ich ihnen ein besseres Ziel bieten.“ Tenmarus Augen fliegen auf. „Du willst dich ihnen ausliefern?“ Er springt auf. „Das werde ich nicht zulassen!“ „Keine Diskussion darüber!“, Yaebas scharfer Befehl lässt ihn verstummen, „Du wirst dich gefälligst bedeckt halten! Wenn herauskommt, wer du bist, ist dein Leben verwirkt.“ „Was spielt das für eine Rolle?“, ruft Tenmaru energisch, „Arashitsume weiß es! Er weiß es schon lange!“ Fest blickt Yaeba ihn an: „Er wird es nicht verraten. So dumm ist er nicht!“ Resigniert lässt Tenmaru den Kopf hängen. Schweigend mustert Yaeba ihn. Dann fährt er ein wenig milder fort: „Den Rat überlass mal mir! Du bleibst am besten solange hier!“ Tenmaru schaubt verächtlich auf. „Ich kann hier ohnehin nicht weg! Sesshomaru hat es mir verboten!“ Erstaunt hebt Yaeba die Brauen. „So, hat er das? Er gibt dir Befehle?“ Ein leichtes Lächeln spielt um seine Lippen. „Dann solltest du wohl besser tun, was er sagt!“ In diesem Moment ist ein Geräusch an der Tür zu hören. Die beiden Youkais fahren herum. Schon schiebt sich die Tür auf und ein Diener Arashitsumes steht davor. Er verneigt sich leicht und dann sagt er: „Der Streuner Yaeba ist vor den Rat gerufen worden!“, und an Yaeba gewandt, „Folge mir!“ Yaeba nickt kurz und dann verlässt er den Raum, ohne sich noch einmal zu Tenmaru umzusehen. Nur aus den Augenwinkeln wirft er noch einen Blick zurück und dann schließt sich die Tür hinter ihm. Tenmarus Herz pocht heftig. Wird sein Mentor sich wirklich für sie alle opfern? Hoffentlich muss es nicht dazu kommen! Was sollte dieses Gerede eben? Es schien ihm so wichtig zu sein. Fast als befürchtete er, die Worte könnten ungesagt bleiben. Yaeba, was hast du vor? Schließt du schon mit allem ab? War das ein Abschied? Verdammt, nein! In diesem Augenblick öffnet sich die Tür erneut. Im Türrahmen steht jetzt eine kleine Gruppe von Leuten. Da sind sie wieder! Kagome und die anderen betreten den Raum. Irritiert mustert Tenmaru die Invasion seiner Einsamkeit. „Was macht ihr hier?“, fragt er verwundert, „Warum seid ihr nicht bei Inu Yasha-sama?“ „Waren wir“, sagt Sango und geht gleich hinüber zu ihrer Ausrüstung um sie zu überprüfen. In diesem Schloss darf sie natürlich nicht in ihrer Uniform herumlaufen, doch wohl ist ihr auch nicht dabei, ihre Waffen hier im Quartier zu lassen. „Bis eben haben wir in der Küche mitgeholfen“, erklärt Shippo, „und dann wollten wir wieder zu Sesshomarus Quartier. Doch Inu Yasha wurde schon zum Rat abgeholt und da sind wie eben hierher zurückgegangen.“ Schweigend nimmt der Streuner die Erklärung zur Kenntnis. Doch dann wird sein Blick von Kagome eingefangen. Das Mädchen hat sich direkt ihm gegenüber niedergelassen und irgendetwas scheint sie zu beschäftigen. Unsicher aber ernst schaut sie ihn an. „Tenmaru“, sagt sie, „Wir müssen mit dir reden. Es ist wichtig!“ Alarmiert starrt er sie an. Hoffentlich geht es nicht um das, was er befürchtet. Nun haben sich auch die anderen zu ihm gesellt und blicken erwartungsvoll von ihm zu ihrer Freundin. Ein wenig druckst Kagome herum doch dann sagt sie: „Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, nichts darüber zu verraten.“ Tenmaru ahnt Schlimmes. „Aber die Situation hat sich geändert und ich bin der Meinung, meine Freunde sollten es erfahren.“ Verdammt!, flucht Tenmaru innerlich, jetzt muss ich sie wohl doch töten! Doch Kagome ist noch nicht fertig: „Aber ich wollte nichts verraten, bis ich dich nicht um Erlaubnis gefragt habe. Schließlich betrifft es ja dich und ich finde es unhöflich, hinter deinem Rücken über dich zu reden.“ Mit großen Augen starrt Tenmaru sie an. Meint sie das im Ernst? Sie überlässt ihm die Wahl? Sie würde es unhöflich finden, es einfach zu verraten? Kommt ihr denn gar nicht in den Sinn, was er tun könnte, wenn er nicht will? Wer oder was ist dieses Mädchen? Fürchtet sie wirklich nichts, oder ist sie einfach nur naiv? Aber irgendwie trifft beides nicht auf sie zu. Sie meint es wohl wirklich ehrlich! Kann er ihr denn wirklich vertrauen? Soll er ihr alles erzählen? Nein, das bringt er nicht über sich! Das was sie bereits weiß, muss reichen. Wenn sie diesen Menschen vertraut, kann er es vermutlich auch wagen. Er zögert einen langen Moment dann sagt er: „Wenn du meinst, dass das notwendig ist.“ „Ich denke schon“, nickt Kagome ernst, „Denn Arashitsume wird alles tun, um dich in seine Finger zu bekommen!“ Tenmarus Stirn legt sich in Falten: „Wie kommst du darauf?“ Ein wenig beklommen schaut Kagome drein: „Tenmaru, ist es üblich, dass Youkais... andere Youkais essen?“ Verwundert hebt Tenmaru die Brauen. Mit dieser Frage hat er nicht gerechnet. Ihre Freunden offenbar auch nicht, denn nun machen sie alle ziemlich angewiderte Gesichter. „Hmm!“, meint Tenmaru nachdenklich, „Ich würde nicht gerade sagen 'üblich', aber ungewöhnlich ist es auch nicht.“ „Iih!“, quietscht Shippo und verkriecht sich gleich hinter Miroku, „Ich hoffe du willst nicht mich essen!“ Fast schon muss Tenmaru schmunzeln. „Das steht wohl nicht zu befürchten“, meint er, „Für gewöhnlich werden Youkais nur dann verspeist, wenn der Betreffende sich eine Steigerung seiner Kraft davon verspricht. Und ich könnte mir nicht vorstellen, wer dich zu diesem Zweck auswählen sollte!“ Empört starrt Shippo ihn an. „Willst du damit sagen, dass ich schwach bin? Ich bin ein echter Youkai! Mein Papa war ein starker Fuchsdämon! Und sogar Inu Yasha hat anerkannt, dass ich gut kämpfen kann!“ „Aber du bist ein Kind!“, sagt Tenmaru mit aufrichtigem Ernst, „Wenn du groß bist, könnte vielleicht jemand auf die Idee kommen, durch dich stärker zu werden, doch im Moment bist du nicht der Rede wert!“ Fassungslos starrt Shippo ihn an, dann füllen sich seine Augen mit Tränen: „Whääh, Kagome, Tenmaru ist so gemein zu mir!“ Heulend wirft er sich dem Mädchen an den Hals. „Das war nicht nett von dir!“, tadelt sie den Streuner. Verwundert schaut dieser sie an. „Nicht? Ich dachte, es würde ihn freuen zu hören, dass er im Moment nicht in Gefahr ist und später mal richtig stark wird.“ „Oh!“, Kagome stutzt, „Ach, so war das gemeint. Na ja wenn man das von der Seite betrachtet!“ „Jedenfalls“, fährt Tenmaru fort, „Youkais ernähren sich eigentlich nur von anderen Youkais, um ihre Stärke in sich aufzunehmen.“ „So wie bei den beiden Donnerbrüdern!“, ruft Shippo laut dazwischen. Er hat sich wieder etwas beruhigt. „Stimmt!“, erinnert sich Kagome, „Der ältere von ihnen, hat das Herz seines Bruders gegessen nachdem wir ihn getötet hatten, und ist dadurch wesentlich stärker geworden. Sogar seine Attacken hatte er drauf.“ „Um deine Frage zu beantworten“, kommt Tenmaru wieder auf das Thema zurück, „Es kommt vor, dass Youkais andere Youkais essen, doch für gewöhnlich ernähren sie sich noch von anderen Dingen. Was nicht bedeutet, dass sie einen Youkai verschmähen würden, wenn er ihnen angeboten wird. Wie auch immer, die wirkliche Nahrung für Youkais, ist wohl für Menschen kaum genießbar.“ Behutsam umschifft er diesen pikanten Bereich. „Dann hast du das also gemeint, als Kagome dir ihre Suppe angeboten hat und du sagtest, dass du sie nicht runterbekommst.“ stellt Shippo die Vermutung an. Verblüfft schaut Kagome Tenmaru an, „Stimmt das wirklich?“ Ein wenig unbehaglich schaut Tenmaru sie an. Nur ungern wird er an den Vorfall während ihrer Wanderung erinnert. Er hatte sich schon Vorwürfe gemacht, dass er Schuld daran war, dass Sesshomaru wütend und Inu Yasha gedemütigt wurde. „Das ist es nicht!“, wehrt er rasch ab. Fieberhaft versucht er das Thema zu wechseln: „Warum stellst du mir Fragen über die Essgewohnheiten von Youkais?“ Nun macht Kagome ein unbehagliches Gesicht. „Ich habe in der Küche die Dienerin gesehen, die mich während unseres Gespräches abholen sollte. Sie war tot und sollte gekocht werden.“ Erschrocken und angeekelt schreien ihre Freunde auf. Nur Tenmaru hat es schweigend zur Kenntnis genommen. „Und seit dem weiß ich, dass Arashitsume vor nichts zurückschreckt, um dich zu bekommen“, fährt Kagome hastig fort, „Er wollte, dass du diesen Krieger tötest, damit er dich an seiner Stelle haben kann!“ „Was redest du da, Kagome?“, fragt Sango verwirrt, „Wieso sollte Arashitsume ihn haben wollen? Er ist doch ein Streuner und Arashitsume kann die Streuner nicht leiden. Warum betreibt er so viel Aufwand wegen ihm?“ Kagome blickt verschämt zu Boden. „Es tut mir leid, ich hätte es euch schon früher sagen sollen. Ich habe die beiden letzte Nacht belauscht, im Garten, nachdem ich bei Inu Yasha war.“ „Was hast du belauscht?“, fragt Miroku. Kagome atmet einmal tief durch: „Arashitsume hat Tenmaru angeboten, ihn im seine Dienste zu nehmen. Er wollte ihn... sogar adoptieren.“ Ungläubig reißen die anderen die Augen auf. „Was? Aber warum denn das?“, Sangos fragender Blick geht nun zu Tenmaru hinüber. Der Streuner hat die Lippen hart aufeinandergepresst und starrt stur zu Boden. „Na ja“, meint Kagome, „Ich glaube, weil Tenmaru sein Neffe ist!“ Kapitel 29: Yarinuyukis Forderung --------------------------------- Der Diener, der losgeschickt wurde, um den Streuner zu holen, lässt schon eine Weile auf sich warten. Ungeduldig schielt Inu Yasha immer wieder den Weg hinunter. Man hat ihn noch nicht entlassen. Im Moment kniet er neben seinem Bruder auf dem Boden, wenn auch ein Stück hinter ihm. Er kann das Gesicht seines Bruders nicht sehen, doch er zweifelt nicht daran, dass Sesshomaru keine Miene dabei verzieht, während er zuhört, wie die anderen beiden Fürsten sich verbale Spitzen zuwerfen. „Nein, es wird nicht nötig sein, dass Ihr bei der Bestattung meines Vaters dabei seid!“, meint Yarinuyuki gerade zu Arashitsume. „Ich verstehe Euch nicht!“, entgegnet der Ostfürst, „Ich nahm an, Euer Vater hätte eine Trauerfeier mit allen Ehren verdient. Sollten da die anderen Fürsten ihm keine Aufwartung machen?“ „Nicht wenn einer von ihnen der Bruder der Mörderin ist!“, stellt sie bissig klar. „Also wenn Ihr das so seht!“, meint Arashitsume steif, „Muss ich Euch daran erinnern, dass meine Schwester eine Ausgestoßene war? Die gehörte nicht mehr zum Osten!“ „Ach, Papalapap!“, ruft Yarinuyuki, „Familie ist Familie! Und auch der Status ändert nichts daran, wie man ja sieht! Nicht wahr Sesshomaru?“ Mit provozierendem Grinsen schaut sie den Westfürsten an. Inu Yasha bemerkt, dass sein Bruder seine Hand zur Faust ballt. Doch er antwortet nicht. Ein hämisches Lächeln legt sich um Arashitsumes Mundwinkel und er behält den Fürst des Westens, der ihm gegenübersitzt, genau im Auge. „Tja, was schon ein kleiner Moment der Schwäche ausmacht, nicht wahr?“, sagt er mit seidiger Stimme. Inu Yasha kann nur ahnen, wie sein Bruder darauf reagiert, denn Arashitsume redet rasch weiter als er dessen Blick sieht: „Verzeiht, Sesshomaru-sama, ich dachte dabei an den Moment als Euer werter Vater Euren Bruder anerkannte. Hätte er darauf verzichtet, hättet Ihr nun wesentlich weniger Scherereien.“ Noch immer kommt keine Reaktion von Sesshomaru. Dafür aber von Yarinuyuki: „Was blieb ihm auch anderes übrig! Blut ist dicker als Wasser! Sein kleiner Ausrutscher hatte nun mal Folgen und nun musste er eben die Konsequenzen tragen!“ Inu Yasha wirft der Daiyoukai einen vernichtenden Blick zu. Er fühlt sich herabgesetzt und gedemütigt. Sie redet über ihn wie ein Stück Abfall. Ein Versehen, etwas das nie hätte passieren sollen! Sie tut so, als hätte er keine Existenzberechtigung. Warum muss er sich das gefallen lassen? Ärgerlich knirscht er mit den Zähnen. Schlimm genug, dass Hanyous als wertlos gelten, doch es ärgert ihn maßlos, dass sie so abfällig von seinem Vater spricht. Er hat ihn zwar nie kennengelernt, doch er muss seine Mutter geliebt haben, warum sonst, hätte er ihn anerkennen sollen? Ihn anzuerkennen, bedeutet schließlich, der Welt mitzuteilen, dass sie zusammen waren! Und diese Frau zieht das in den Schmutz! Am liebsten würde er ihr dafür eine verpassen! „Yarinuyuki-sama!“, Sesshomarus ruhige, klare Stimme dringt an sein Ohr, „Selbstverständlich hatte mein Vater die Wahl! Ich versichere Euch, dass er niemals etwas Unüberlegtes oder Willkürliches tat. Und hatte er einmal eine Entscheidung getroffen, dann ließ er sich nicht umstimmen. Was ihn dazu bewog, dieser Menschenfrau, seine Aufwartung zu machen, kann ich allenfalls vermuten. Doch was immer es war, er tat es aus Überzeugung.“ Sprachlos starren die beiden Fürsten ihn an. Auch Inu Yasha ist die Kinnlade heruntergefallen. Nicht im Traum hätte er damit gerechnet so etwas von seinem Bruder zu hören. Doch der stolze Daiyoukai redet noch weiter: „Ich billige seine Entscheidung nicht, doch es ist nicht an mir, sie in Frage zu stellen.“ Nun bemerkt Inu Yasha, dass sein Bruder am ganzen Körper bebt vor unterdrückter Wut. Seine nächsten Worte haben eine tödliche Kälte als er sich an die Nordfürstin wendet: „Mein Vater hatte einen unvergleichlichen Willen und er war niemals..., niemals, damit Ihr es versteht, ein Spielball des Schicksals! Wenn Ihr seine Entscheidungen und seine Souveränität anzweifelt, dann dürft Ihr das denken, doch wagt es niemals wieder, das in meiner Gegenwart laut auszusprechen. Wenn Ihr noch einmal das Andenken meines Vaters beleidigt, werde ich Euch spüren lassen, warum ich, und ausschließlich ich, seine Nachfolge angetreten habe! Mit großen Augen hat Inu Yasha die Worte seines Bruders vernommen. Und nun dämmert es ihm. Es ging ihm genauso! Auch er muss sich bei der verächtlichen Rede der Fürstin verachtet und gedemütigt gefühlt haben. Vielleicht nicht, wegen seines Status wohl aber wegen seiner Abstammung. Ihm ist klar, dass Sesshomaru kein abwertendes Wort über seinen Vater dulden wird, auch wenn das bedeutet, dass er sich hinter seinen Bruder stellen muss. Für einen Moment scheint es der Fürstin tatsächlich die Sprache verschlagen zu haben. Doch dann sagt sie grimmig: „Und wollt Ihr auch wissen, weshalb ich die Nachfolge meines Vaters angetreten habe? Glaubt ja nicht, Ihr hättet so leichtes Spiel mit mir!“ „Ich sagte bereits vorhin, Ihr sollt diese Machtspielchen lassen!“, Sesshomarus Stimme bebt vor Zorn. Yarinuyuki fletscht herausfordernd die Zähne. Doch dann werden die beiden von Arashitsumes Stimme unterbrochen: „Zeigt etwas mehr Würde! Der Streuner kommt!“ Für einen Moment hält Sesshomaru inne, doch dann strafft er sich und setzt wieder eine gelassene Miene auf. Mit einem wütenden Seitenblick auf Sesshomaru brummt Yarinuyuki: „Verdammt! Ich möchte mal wissen wie er das macht!“ Doch nun gehen sämtliche Blicke hinüber zu dem Weg auf dem der Diener mit Yaeba im Schlepptau aufgetaucht ist. Wie zuvor bei Inu Yasha, nimmt der Bote rasch wieder neben der Treppe Platz. Nun betritt der Befehlshaber der Streuner die Plattform. Diesmal zögert er nicht, sondern sinkt gleich ehrbekundend auf die Knie und senkt den Blick. Trotzdem findet Inu Yasha, dass der Streuner mehr Würde ausstrahlt, als jeder dieser Fürsten hier. Verwundert fragt er sich, woran das wohl liegt. Ein tiefes Grollen dringt aus Yarinuyukis Kehle und sie fletscht die Zähne. Ein ermahnender Blick von Sesshomaru trifft sie und man sieht ihr deutlich an, dass es ihr schwer fällt, sich zu beherrschen. „Nun“, beginnt Arashitsume, „da ist er also! Stellt Eure Fragen, Sesshomaru-sama!“ „Und ich rate dir, dass du besser die Wahrheit sagst, Köter!“, grollt Yarinuyuki gefährlich, „Sonst reiß ich dich gleich hier und jetzt in Fetzen!“ Nun blickt Yaeba auf. Seine Miene wirkt unbeeindruckt. „Nichts anderes habe ich vor, edle Fürstin!“, sagt er ruhig. Nun wendet sich Sesshomaru an ihn. Zunächst mustert er ihn abschätzend, dann fragt er: „Warst du bei dem Kampf zwischen dem Fürsten des Nordens und eurer Anführerin anwesend?“ „Ja, edler Fürst!“, nickt Yaeba. „Schildere dem Rat, wie es zum Tod des Fürsten Inu Taihyouga kam!“ Yaeba atmet einmal durch und dann hebt er das Kinn. Aufmerksam behält er die drei Fürsten im Auge. „Vor etwa 250 Jahren sollte unsere Anführerin, die Daiyoukai Hanaki aus dem Ostreich, mit dem Fürsten des Nordens verheiratet werden, was diese ablehnte.“ „Dieser Teil ist dem Rat bereits bekannt!“, unterbricht ihn Arashitsume missgünstig, „Überspringe das!“ „Ist dem Rat denn auch bekannt, dass es nicht aus der Absicht des Verrates, oder aus Abneigung gegen Inu Taihyouga geschah?“, fährt Yaeba unbeirrt fort, „Sie tat es, weil sie niemandes Werkzeug sein wollte. Es war nicht ihre Schuld, dass Inu Taihyouga kein 'Nein' akzeptieren konnte!“ „Du sollst das überspringen!“, der Blick den Sesshomaru ihm jetzt zuwirft, ist so finster, dass der Streuner unwillkürlich schlucken muss. Schweren Herzens, wie es scheint, fügt er sich. „Vor zehn Tagen war ich mit unserem Chutaisho im nördlichen Teil des Ostreiches unterwegs. Unsere Kameraden hielten sich nicht weit entfernt von uns auf, doch ich war mit Hanaki alleine, als wir spürten, dass Inu Taihyouga auf dem Weg zu uns war. Ich riet ihr zur Flucht, doch sie sagte, sie hätte das schon viel zu lange vor sich hergeschoben. Sie wollte ihm die Stirn bieten. „Als er bei uns eintraf war er sehr wütend. Er hatte zehn seiner Krieger dabei, doch noch ehe er den Befehl geben konnte, uns zu töten, trat Hanaki ihm entgegen. Sie... sank vor ihm auf die Knie und bat ihn um Vergebung“, hier schwankt seine Stimme ein wenig, „Sie war bereit, seine Strafe zu empfangen doch Inu Taihyouga zögerte.“ „Das ist eine dreckige Lüge!“, unterbricht Yarinuyuki ihn aufgebracht, „Mein Vater hätte niemals gezögert, wenn sich ihm sein Ziel schon so bereitwillig anbot! Wahrscheinlich hat sie eher versucht, zu fliehen und ihre schmutzige Haut zu retten!“ „Sprich weiter!“, sagt Sesshomaru und ignoriert dabei konsequent Yarinuyukis letzten Ausbruch. Yaebas Miene ist steinern als er weiter redet. „In diesem Moment kamen auch unsere Kameraden auf der Lichtung an. Sie hatten Inu Taihyougas Aura gespürt und waren uns zur Hilfe geeilt. Zornig wollte Inu Taihyouga seinen Kriegern befehlen, uns alle zu töten, doch Hanaki stand auf und untersagte es ihm. Sie erklärte ihm, dass es ihre Pflicht sei, uns zu beschützen und dass sie mit ihm kämpfen würde, fair und ehrenhaft, wenn er uns dafür verschonte. Er sah darin aber erneut eine List und traute ihr nicht. Er befürchtete, wir könnten Rache üben, wenn sie unterliegen würde. „Doch Hanaki versuchte seine Bedenken zu zerstreuen und verbot uns, sie zu rächen, sollte sie fallen.“ „Und wir wissen ja, wie das geendet hat, nicht wahr?“, Arashitsume lächelt verächtlich, „Eine verlogene, ehrlose Bande, seid ihr allesamt!“ „Ich leugne nicht, dass einige von uns sich ihrem Befehl widersetzten“, sagt Yaeba fest, „Einer von uns... sah sie fallen und in seiner Trauer darüber, stürzte er sich auf ihren Mörder, und einige andere folgten ihm. Gemeinsam rangen sie Inu Taihyouga nieder noch ehe seine Krieger reagieren konnten. Als sie schließlich doch eingriffen, kamen unsere verbliebenen Kameraden den Kämpfenden zu Hilfe, doch Inu Taihyouga, der schon vom Kampf gegen Hanaki schwer angeschlagen war, hatte seinen wütenden Angreifern nichts entgegenzusetzen und wurde von ihnen getötet. „Als seine Krieger merkten was geschehen war, packte sie eine maßlose Wut und sie wollten sich auf uns stürzen. Doch ich war Hanakis erster Befehlshaber. Nach ihrem Tod bin ich nun der rechtmäßige Anführer über ihr Rudel! Die Streuner unterstehen nun meinem Befehl und meiner Verantwortung. Also befahl ich ihnen, zu fliehen und sich in Sicherheit zu bringen, was sie auch taten. Ich floh mit einem meiner Untergebenen in Richtung Westen und uns folgten fünf der Krieger. Mir meiner Verantwortung bewusst, stellte ich mich ihnen zum Kampf, damit mein Untergebener entkommen konnte. Nach einem langen, harten Kampf, gelang es mir, meine Gegner zu töten, doch ich war schwer verwundet. Ich brauchte einige Tage um mich wieder zu erholen und dann machte ich mich auf die Suche nach meinem Rudel. Ich sollte erst später wieder auf einige von ihnen treffen. Wie ich feststellte, war einer von ihnen bereits in die Dienste von Fürst Inu Yasha getreten. Einen weiteren von ihnen traf ich am nächsten Tag, als er vor einigen Nordkriegern flüchtete. Auch er war schwer verletzt und er berichtete mir, dass diese Krieger auch noch einen weiteren von uns getötet hatten. Was aus den anderen geworden ist, kann ich nicht sagen.“ Hier endet er. Aufmerksam hat Inu Yasha zugehört. Die Geschichte hört er so zum ersten Mal. Es verwundert ihn nur, wie nüchtern Yaeba das alles vorgebracht hat, fast als hätte er gar keinen Anteil daran sondern würde einfach nur einen Sachverhalt schildern. Wenn es dabei um seine Freunde gegangen wäre, hätte er sicher wesentlich emotionaler reagiert. Ist das vielleicht der Unterschied zwischen einem Hanyou und einem Youkai? Nein, sicher nicht, sonst müsste diese Yarinuyuki sich ja auch beherrschen können. Doch was könnte dann der Grund sein? „War es das, was Ihr hören wolltet, Sesshomaru-sama?“, durchbricht Arashitsume die Stille, „Die Verfolgung der Streuner hatte also seine Berechtigung und nun stehen sie im Schutz Eures Bruders. Ihr erwartet doch nicht wirklich, dass wir es dabei belassen können, oder?“ „Befehlt es ihm!“, ruft Yarinuyuki grimmig, „Befehlt ihm hier und jetzt, dass er die Streuner herausrücken soll! Ich werde es unter keinen Umständen dulden, dass diese Bande sich weiterhin meinem Zugriff entzieht! Wenn Ihr es nicht tut, werde ich so oder so dafür sorgen, dass dieser Hanyou diese Verhandlung nicht lebend verlässt!“ Doch noch ehe Sesshomaru etwas darauf erwidern kann, ergreift Yaeba energisch das Wort: „Das wird Euch gar nichts bringen, edle Fürstin!“ „Was hast du gesagt?“, grollt Yarinuyuki gefährlich. Fest erwidert Yaeba ihren Blick: „Fürst Inu Yasha, trifft bei dieser Sache keine Schuld! Alles was man ihm vorwerfen kann, ist, dass er zu gutmütig war und außerdem nicht über alles informiert! Wenn Ihr ihn tötet, verlieren wir lediglich unseren Schutz, doch damit erreicht Ihr nur, dass wir uns wieder über das ganze Land verteilen. Doch wenn Ihr Eure Rache schon bald wollt, dann bin ich bereit sie Euch zu verschaffen!“ Yarinuyuki kräuselt die Stirn: „Was soll das heißen?“ Yaeba reckt das Kinn: „Ich bin Yaeba, Oberbefehlshaber der Streuner, und nach dem Tod unseres Chutaisho, der neue Anführer des Streunerrudels! Es war allein meine Verantwortung dafür zu sorgen, dass der Befehl unserer Anführerin auch nach ihrem Tod befolgt wird. Dabei habe ich schmählich versagt! Ich bedaure den Tod Eures wehrten Vaters zutiefst und bin bereit, dafür die volle Verantwortung zu übernehmen! Verschont das Leben meiner Leute, dann sollt Ihr Eure Rache bekommen!“ Nach diesen Worten herrscht erst einmal Stille. Groß schaut Inu Yasha den Streuner an. Er macht tatsächlich ernst! Er ist bereit, sich zu opfern um seine Kameraden zu schützen. Vor einiger Zeit noch hätte er es für unsinnig gehalten, sein Leben einfach so wegzuwerfen, doch nun... Ihm wird klar, dass er nicht anders handeln würde, wenn er an seiner Stelle wäre und seine Freunde das Ziel wären. Diese Streuner müssen ihm wirklich viel bedeuten, dass er das auf sich nimmt. Doch nun vernimmt er Yarinuyukis wutgepresste Stimme: „Glaubst du wirklich, das stellt mich zufrieden, Streuner? Ihr... habt... meinen... Vater ermordet!“, bläulichglühende Augen funkeln ihn an und hinter ihren gefletschten Zähne, grollt es bedrohlich. „Ich habe geschworen, dass ich Euch alle einen nach dem anderen zur Strecke bringe! Keiner von euch verlausten Bastarden wird meiner Rache entgehen! Ich werde euch alle kriegen. Keine halben Sachen! Versteck dich nur hinter deinem Hanyou, doch früher oder später gehört ihr alle mir! Drei von euch haben meine Leute schon erledigt und die letzten die noch über sind, sind diese miesen, kleinen Deserteure, die sich bei euch verkrochen haben, du und die beiden anderen Köter, die sich was davon versprechen, dass sie am Rockzipfel dieses Hanyous hängen! Keiner von euch entkommt meiner Rache und wenn ich dazu diesen Hanyou zum Tode verurteilen muss, dann werde ich das mit Freuden tun!“ „Ihr gebt noch immer dem Falschen die Schuld!“, Yaebas Miene zeigt keinerlei Einschüchterung, sondern wirkt vielmehr noch entschlossener, „Euer Vater hat ehrenhaft gekämpft wie es einem Fürsten würdig war! Er achtete die Gesetze des Zweikampfes. Beschmutzt sein Andenken nicht, indem Ihr seine Entscheidung anzweifelt!“ Wild starrt Yarinuyuki ihn an: „Was erlaubst du dir, Köter! Willst du mir unterstellen, ich würde meinen Vater nicht achten?“ „Euer Vater“, gibt Yaeba ohne Zögern zurück, „stimmte dem Zweikampf gegen Hanaki zu, im Austausch für das Leben ihrer Untergebenen. Dafür, dass sie sich ihm stellte, wollte er die anderen gehen lassen! Wollt Ihr seine Entscheidung anzweifeln und mir verwehren, was er unserer Anführerin gestattete; mein Leben zu lassen zum Schutz meiner Leute?“ Yarinuyukis Augen haben einen finsteren Glanz bekommen. „Das war bevor dieses Gezücht den Befehl missachtet hat, der sie zum Nichteingreifen zwang! Sie hatten kein Recht sich einzumischen!“ Nun strafft Yaeba die Schultern und sein Blick wird fest. „Doch, das hatten sie!“ „Was soll das heißen?“, diesmal ist es Sesshomaru der fragt. Kühl liegt sein Blick auf Yaeba. Ungerührt schaut Yaeba ihn an: „Nach dem Gesetz ist es den Kindern eines Fürsten gestattet, ihre Eltern zu rächen!“ Sesshomarus Blick wird schmal. Doch Yaeba redet schon weiter: „Für unser Rudel war Hanaki unsere Fürstin. Daran bestand kein Zweifel! Unser Rudel war nur klein, doch wahrscheinlich war das der Grund, warum wir eine so starke Bindung zueinander fanden. Wir waren aufeinander angewiesen und sie war unser Mittelpunkt!“ Sein Blick geht nun hinüber zu Arashitsume. „Sie wurde von uns respektiert und geachtet. Ihr Verhalten als Fürstin war vorbildlich! Sie hat uns all die Jahre beschützt und uns aufgenommen, ungeachtet unseres Rangs oder Status! Man könnte sagen, dass sie uns adoptiert hat und wir haben sie geliebt wie eine Mutter! Vielleicht haben wir ihren Befehl missachtet, doch wir waren wie Kinder für sie; wir konnten einfach nicht anders, als ihren Tod zu rächen!“ Zunächst herrscht Stille, doch dann spricht Arashitsume und seine Stimme trieft vor Sarkasmus: „Was für eine rührende Geschichte! Doch leider muss ich dich enttäuschen. Dass ihr euch wie ihre Kinder gefühlt habt, ändert nichts an der Tatsache, dass ihr nicht ihre Kinder seid! Und selbst dann hat nur der rechtmäßige Thronerbe das Recht, den Tod seiner Eltern zu rächen und das wärst ja dann wohl du, aber ich kenne dich, Yaeba, und ehrlich gesagt kann ich mir gar nicht vorstellen, dass du ihren Befehl missachtet haben sollst! Dazu warst du ihr viel zu hörig!“ „Ist das wahr?“, blitzt Yarinuyuki den Streuner an, „Warst du oder warst du nicht an dem Angriff auf meinen Vater beteiligt? Bist du der erste gewesen, der sich auf ihn gestürzt hat?“ Zur allgemeinen Überraschung zögert Yaeba nun zum ersten Mal. Doch dieser kurze Moment reicht der Nordfürstin schon. „Also stimmt es! Du warst gar nicht daran beteiligt! Und warum sollte mir dein Tod dann für alle anderen gelten?“ Ärgerlich setzt sie sich auf und wirft ihm einen verachtenden Blick zu. Dann sagt sie: „Ich will den Köter sehen, der es war! Ich will wissen, wer es als erstes gewagt hat, gegen den Befehl dieser dreckigen Schlampe zu verstoßen! Ich will seinen Namen und ich will ihn hier haben!“ Ihre Stimme hat Grabeskälte. Nun sieht Inu Yasha wie Yaeba unwillkürlich schluckt und zu seiner Überraschung ist auch Sesshomaru bei diesen Worten auf seinem Platz erstarrt. Und langsam bekommt er eine Ahnung, von wem hier die Rede ist. Doch er soll rasch Gewissheit bekommen. „Sein Name!“, wiederholt Yarinuyuki schneidend. Yaeba senkt den Blick. „Es war Tenmaru, der sich als erstes über das Verbot hinwegsetzte“, sagt er leise. Yarinuyuki atmet einmal beherrscht durch. „Ich will ihn sehen! Holt ihn her!“ „Das genügt, Yarinuyuki-sama!“, meldet sich nun Sesshomaru zu Wort, „Es ist nicht nötig, jeden einzelnen Streuner zu befragen.“ „Wer redet denn von befragen?“, gibt sie giftig zurück, „Ich will mir nur sein Gesicht gut einprägen!“ „Missbraucht nicht den Rat für solche Lappalien!“, sagt der Westfürst tadelnd. „Lappalien?“, zischt sie, „Ich entscheide hier was Lappalien sind!“ „Nicht alleine!“, entgegnet Sesshomaru. Sie trotzt seinem Blick: „Ich will ihn sehen!“ „Ich will es nicht!“, antwortet Sesshomarus nicht weniger ernst. „Aber, aber, Sesshomaru-sama!“, meint Arashitsume mit seidigem Lächeln, „Woher der plötzliche Sinneswandel? Vorhin habt Ihr Euch noch klar dafür ausgesprochen, dass die Streuner vor diesem Rat sprechen dürfen.“ Finster blickt der stolze Westfürst ihn an: „Ich habe meine Meinung geändert!“ Arashitsume schüttelt missbilligend den Kopf: „Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr zu solchen Retourkutschen greift. Den Streunern wurde bereits gestattet, vor den Rat zu treten. Ich wüsste keinen Grund, weshalb sich das jetzt plötzlich ändern sollte. Ihr vielleicht?“ Der Blick, den Sesshomaru ihm zuwirft, zeigt tiefste Verachtung, doch er schweigt. Ein wenig irritiert ist Inu Yasha doch. Wenn sein Bruder einen Grund weiß, dann ist er nicht bereit ihn zu verraten. Doch er hat die Vermutung, dass er ihn schon bald erfahren wird. „Dann ist ja wohl alles klar!“, sagt Arashitsume auch schon und an einen der beiden Diener gewandt, „Holt den Streuner Tenmaru!“ „Ich kann es immer noch nicht glauben!“, meint Sango. Gerade hat Kagome ihre Schilderung über die vergangene Nacht beendet. Ungläubig starren nun alle den Streuner an. „Deine Mutter war also eine Daiyoukai“, stellt Miroku fest, „Das erklärt die starke Aura, die ich bei dir spüre. Doch ich verstehe noch nicht, warum Arashitsume es auf dich abgesehen hat. Deine Mutter war schließlich auch stark und sie war eine Ausgestoßene. Warum wollte er dich adoptieren? Weißt du, was er sich davon erhofft?“ Tenmaru senkt den Blick und sagt kein Wort. Kagome beugt sich ein Stückchen auf ihn zu. „Tenmaru, rede mit uns!“, sagt sie eindringlich, „Wir versprechen, dass wir dir helfen, wenn wir können!“ Nun blickt er auf. Verständnislos schaut er sie an: „Warum? Warum tut ihr das? Warum... seid ihr so nett zu mir? Ihr wisst doch gar nichts von mir.“ „Mag sein“, gibt Kagome zu, „Aber hast schon sooft bewiesen wofür du stehst. Das was du hier bei uns sagst und tust, das zählt für uns, nicht das was du vielleicht bist. Außerdem“, fügt sie hinzu, „wenn man nicht irgendwann beginnt zu vertrauen, findet man niemals Freunde.“ „Freunde?“, haucht Tenmaru tonlos. Völlig verblüfft schaut er die Menschen an. Die Blicke die auf ihm ruhen sind abschätzend aber nicht feindselig. Er spürt wie sein Herz schneller schlägt. 'Freunde' hat sie gesagt. Diesem Mädchen ist nicht zu helfen! Wie kann sie ihn als Freund ansehen? Er ist ein Youkai! Er hat schon mehrmals mit dem Gedanken gespielt, sie zu töten! Es ist dumm von ihr, ihm zu vertrauen! Und doch... Sie sagte, es spielt keine Rolle, wer er ist sondern nur, wie er sich bewährt. Schon immer haben seine Mutter und Yaeba ihm das eingetrichtert. Aber erst jetzt begreift er, was damit gemeint ist. Und nun weiß er auch, was er tun soll! Ich lag die ganze Zeit über falsch! Es waren die völlig falschen Gründe! Oh Mutter, dass mir das erst ein Menschenmädchen klar machen muss! Was würdest du wohl davon halten? Kann ich es wagen, ihr alles zu erzählen? Wäre das in deinem Sinne? Darf ich meinen Schwur für sie brechen? Darf ich versuchen, ihr zu vertrauen? Sein Herz klopft heftig und seine Hände beginnen zu schwitzen, als er sich innerlich darauf vorbereitet, die stählernen Ketten von dem zu lösen, was schon seit so langer Zeit sein tiefstes Geheimnis ist. Kagome und die anderen beobachten sein reges Mienenspiel aufmerksam. Endlich scheint er sich schwer zu etwas durchgerungen zu haben. Gerade sieht es so aus als wolle er etwas zu sagen, doch genau in diesem Moment öffnet sich hinter ihnen die Schiebetür und ein Ostyoukai steht davor. „Der Streuner Tenmaru ist vor den Rat gerufen worden! Folge mir!“ Verblüfft starren Kagome und die anderen den Diener an. Tenmaru ist weiß wie eine Wand geworden. Nein, unmöglich! Das kann nicht sein! Das darf nicht passieren! Er versucht sich wieder zu fangen. „Man hat mir verboten, mein Quartier zu verlassen!“, bringt er so überzeugt wie möglich hervor. Doch der Diener zeigt sich davon gänzlich unbeeindruckt. „Der Hohe Rat der Youkaifürsten verlangt nach dir. Du wirst mir jetzt folgen, wenn du nicht ihren Zorn auf dich ziehen willst!“ Wie versteinert sitzt Tenmaru da, doch dann kapituliert er. „Es scheint, mir bleibt keine Wahl“, sagt er leise. Mitleidig blicken die anderen ihm hinterher als er aufsteht und dem Diener folgt. Leise schließt sich die Tür hinter ihm. „Was soll das denn?“, fragt Sango verwundert, „Ich dachte Sesshomaru wollte nicht, dass er vor der Nordfürstin auftaucht.“ „Vermutlich ist er überstimmt worden“, überlegt Miroku, „Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass er so plötzlich seine Meinung ändert. Immerhin hat er Tenmaru in seine Dienste genommen, um ihm zu befehlen, fern zu bleiben. Was geht da bloß vor?“ „Er sah richtig verzweifelt aus“, meint Kagome nachdenklich, „Man hätte meinen können, er ginge direkt zu seiner Beerdigung“ „Vielleicht stimmt das sogar“, meint Miroku, „Wollen wir hoffen, dass sich die Nordfürstin zusammenreißen kann!“ Ungeduldig erwartet Inu Yasha das Auftauchen des Streuners. Hinter ihm kniet Yaeba und hat den Blick gesenkt er wirkt irgendwie resigniert und das nach der flammenden Rede die er vorhin noch geschwungen hat. Er ist sich sicher, dass der Streuner alle Register gezogen hat, um ihn aus der Schusslinie zu halten. Er hat wirklich versucht, sein Versprechen zu halten. Ein Jammer nur, dass es nicht geklappt hat! Inu Yasha ballt die Faust. Die beiden anderen Fürsten waren aber auch wirklich unerbittlich. Sie scheinen ihn wirklich tot sehen zu wollen. Warum nur hat er den Eindruck, dass der Fürst des Ostens noch irgendetwas anders im Schilde führt? Vielleicht weil sein Bruder gerade ungewöhnlich nervös wirkt? Wahrscheinlich fällt das nur ihm auf, doch Sesshomaru wirft ungewöhnlich oft einen Blick hinüber zum Weg, so als könnte er nicht abwarten, was passieren wird, wenn der Streuner auftaucht. Wie er jetzt feststellt, scheint das Arashitsume nicht entgangen zu sein, denn der Fürst des Ostens lächelt viel zu zufrieden, wenn er zu Sesshomaru hinübersieht. Dieser miese, arrogante Fatzke! Dieses selbstzufriedene Lächeln ist ihm gehörig ein Dorn im Auge. Die Fürstin des Nordens hingegen, mit ihrer unbeherrschten Art, kann er zumindest ein wenig nachvollziehen. Er hat nie verstanden, wie sein Bruder es fertig bringt, ständig diese enorme Gemütsruhe an den Tag zu legen. Dies war immer ein Punkt in dem sich die beiden Brüder stark unterschieden haben. Es verschafft ihm ein wenig Befriedigung, dass sein Bruder mal nicht die Ruhe selbst ist, doch es macht ihm auch ein wenig Sorge, denn was immer in der Lage ist, die gelassene Fassade seines Bruders aufzubrechen, sollte wirklich Grund zur Beunruhigung geben. Da schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, erkennt man zwei Gestalten auf dem Weg, die sich langsam nähern. „Na endlich!“, brummt Yarinuyuki, „Da ist er ja!“ Langsam wendet Sesshomaru ihr den Kopf zu: „Bedenkt Eure Position! Ihr seid eine Fürstin! Zeigt Würde!“ „Als hätte ich Eure Ratschläge nötig!“, grollt sie verbissen. Arashitsume schmunzelt verstohlen. Schließlich haben die beiden den Pavillon erreicht und der Diener nimmt rasch wieder Platz. Zögernd tritt Tenmaru näher. Inu Yasha bemerkt, dass er flüchtig zu Sesshomaru hinübersieht und seine Miene sieht reumütig aus. Doch das Gesicht seines Bruders ist eine steinerne Maske und alles was er tut, ist dem Neuankömmling starr entgegenzuschauen. Tenmaru atmet einmal tief durch und dann steigt er die Treppe hinauf. Inu Yasha kann sehen, dass der junge Streuner bleich ist und seine Hände leicht zittern. Doch er wirkt gefasst. Scheinbar ist er bereit alles, was kommen wird, zu akzeptieren. Nun steht er vor den drei Fürsten und dann sinkt er rasch auf die Knie und senkt den Kopf. In diesem Moment hört man ein vernehmliches Keuchen. Sämtliche Blicke gehen zu Yarinuyuki hinüber. Die Fürstin des Nordens sitzt mit weitaufgerissenen Augen auf ihrem Platz und presst sich die Hand auf die Brust. Es scheint als ringe sie um Luft und dabei starrt sie den jungen Streuner ungläubig an. Tenmaru schluckt schwer. Kein Wort kommt über Yarinuyukis Lippen doch nun atmet sie heftig ein und aus und ihre bleichen Wangen bekommen eine blassrosa Farbe. Irritiert blickt Inu Yasha von einem zum anderen. Was geht hier vor? Er schaut zu seinem Bruder hinüber und stellt fest, dass sein Bruder den Blick gesenkt und die Kiefer fest aufeinandergepresst hat. Sein Nacken ist angespannt und seine Hand ist heftig zur Faust gepresst. Ganz im Gegensatz zu Arashitsume. Der Ostfürst sitzt völlig entspannt auf seinem Kissen und betrachtet mit einem zufriedenen Lächeln das Schauspiel, das sich ihm hier bietet. Scheinbar ist er kein bisschen überrascht von der Reaktion der Nordfürstin. Noch immer atmet Yarinuyuki fast gierig ein und aus. Ihre Augen sind unverwandt auf Tenmaru gerichtet. Unvermittelt steht sie auf und kommt auf ihn zu. Mit geschmeidigen Schritten umrundet sie ihn und dabei zieht sie weiter die Luft ein. Gelegentlich streift einer ihrer Finger über Tenmarus Rücken. Der junge Streuner sitzt wie erstarrt da und blickt zu Boden. Ungläubig beobachtet Inu Yasha das Geschehen. Was soll das, was tut sie da? Schnüffelt sie etwa an ihm? Was hat das zu bedeuten? Erneut saugt Yarinuyuki wie im Rausch die Luft ein. „Wer bist du?“, flüstert sie fast andächtig, „Was bist du? Dieser Duft... !“ Sie geht vor ihm in die Knie und streicht ihm mit ihren langen, schmalen Fingern über das Gesicht. Ihre Pupillen sind stark geweitet und ihre Brust hebt und senkt sich heftig. Hart fassen ihre Finger sein Kinn und ziehen ihn zu sich hoch auf Augenhöhe. Ihre Lippen beben und noch immer scheint sie wie betrunken von seiner Witterung. Tenmaru versucht ihren Blick zu meiden; er sieht unglücklich aus. Mit beiden Händen streicht sie ihm nun über das Haar und ein behagliches Brummen entfährt ihr. „Was für ein betörender Geruch!“, meint sie sinnlich und wieder umrundet sie ihn genüsslich. „Du wirst mir viele Freunden bereiten!“ Nun hat Inu Yasha genug. Im ersten Moment war er noch völlig perplex von dem Verhalten der Fürstin. Wer hätte denn auch damit rechnen können? Offenbar die anderen beiden Fürsten, denn Arashitsumes Mundwinkel steigen immer höher, je mehr die Nordfürstin Tenmaru umgarnt und ein genüssliches Funkeln schimmert in seinen Augen. Sesshomaru hingegen scheint an Ort und Stelle zur Salzsäule erstarrt zu sein und nun dämmert Inu Yasha, dass sein Bruder wohl geahnt hat, was passieren würde. Deshalb also hat er verboten, dass Tenmaru vor der Nordfürstin auftaucht. Nicht um ihn zu schützen, sondern um Yarinuyuki vor dieser Peinlichkeit zu bewahren. Sagte er nicht, dass die Fürstin des Nordens keine große Selbstbeherrschung besitzt? Er muss zugeben, dass er das von seinem Bruder ziemlich nobel findet, doch das erklärt noch nicht, wie es überhaupt dazu kommen kann. Die Nordfürsten kann ja gar nicht mehr die Finger von Tenmaru lassen. Sie scheint gar nichts anderes mehr wahrzunehmen. Wohin soll das denn führen? So langsam reicht es wirklich! „Hey!“, ruft Inu Yasha empört, „Nun ist mal Schluss! Lasst ihn in Ruhe!“ Wie nach einem tiefen Schlaf wendet Yarinuyuki sich um. Ihre Wangen glühen und in ihrem Gesicht steht unverkennbar Ekstase geschrieben. „Halt dich da raus Hanyou! Das hat dich nicht zu kümmern!“ „Und ob mich das kümmert!“, ruft Inu Yasha ärgerlich, „Ihr könnt doch nicht einfach ungefragt meine Untergebenen anbaggern!“ Ruckartig fliegt ihr Gesicht zu ihm herum. Ein kaltblaues Leuchten schimmert um ihre Augen und ihre Reißzähne schieben sich grimmig unter ihren Lippen hervor. Noch einmal atmet sie tief durch und erneut muss sie keuchen, doch sogleich fixiert sie Inu Yasha wieder mit einem tödlichen Blick. Lange Krallen beginnen an ihren Klauen zu wachsen, ein tiefes Grollen entfährt ihrer Kehle und dann schreit sie: „Schweig, Missgeburt! Ich mach dich kalt!“ Augenblicklich springt sie auf ihn los und nur einen Sekundenbruchteil später steht sie vor ihm. Die Klaue tödlich zum Schlag erhoben. Völlig überrumpelt starrt Inu Yasha zu ihr hoch. Er hätte nicht gedacht, dass sie so dermaßen übertrieben reagieren könnte. Schon greift er nach seinem Schwertgriff um sich zu verteidigen, doch im gleichen Moment schieben sich blitzartig zwei Gestalten vor ihn. Es sind Tenmaru und Yaeba. Reflexartig fängt der junge Streuner den tödlichen Schlag von ihr, mit dem Unterarm ab und auch Yaeba funkelt sie zu allem entschlossen an, während er sich zum Angriff duckt. Doch der Hieb hatte bei weitem nicht so viel Kraft wie erwartet. Unwillkürlich hat die Fürstin abgebremst, als sich das Objekt ihrer Begierde ihr in den Weg stellte. „Lass mich durch!“, schreit sie drohend. Doch Tenmaru trotzt energisch ihrem Blick. „Nein!“ Blitzartig packt sie ihn und schleudert ihn gewaltsam beiseite. „Ich sagte aus dem Weg!“ Heftig prallt Tenmaru gegen den mittleren Stützpfeiler der Westseite, der unter der Wucht sofort nachgibt. Unsanft purzelt der Streuner in den Garten. Nun steht nur noch Yaeba zwischen Inu Yasha und der Nordfürstin. Grimmig versperrt er ihr den Weg. Inzwischen ist auch Inu Yasha aufgesprungen. Er ist nicht länger gewillt, sich verteidigen zu lassen. Er hat auch seinen Stolz und diese Fürstin bettelt schon eine ganze Weile nach einer Abreibung. Die kann sie gerne von ihm bekommen! Entschlossen zieht er sein Schwert. „Geh aus dem Weg, Yaeba!“, sagt er, „Die übernehme ich!“ „Gar nichts wirst du!“, Sesshomarus Stimme ist klar und deutlich über dem Tumult zu hören. Auch er ist inzwischen aufgesprungen und keine Sekunde später steht er hinter der wutschnaubenden Nordfürstin. Mit einem raschen Griff hat er ihren Oberkörper umschlossen und hält sie mit stählerner Entschlossenheit fest. Yarinuyuki gebärdet sich unter seinem Griff wie wild. „Lass mich los! Dreckiger Hund! Rühr mich nicht an! Ich mach den kleinen Bastard alle! Ich bring diese Missgeburt zum Schweigen! Er wird ihn mir nicht wegnehmen! Er gehört mir! Mir alleine und ich geb ihn nicht mehr her! Lass mich los, verdammt, damit ich ihn in Stücke reißen kann!“ Fassungslos beobachtet Inu Yasha die Daiyoukai die sich wie wahnsinnig aufführt. Was ist nur in sie gefahren? Und warum kann sein Bruder nur so gelassen bleiben? Sesshomaru verzieht keine Miene während Yarinuyuki in seinem Arm kämpft wie eine Furie. Doch bei genauerer Betrachtung bemerkt Inu Yasha in dem starren Blick seines Bruders etwas, das er 'betrübt' nennen würde. Niemandem sonst scheint es in diesem Tumult aufzufallen, doch sein Bruder sieht irgendwie traurig aus und sein Blick scheint in weite Ferne zu gehen. „Arashitsume-sama!“, sagt Sesshomaru nun ruhig, „Sitzt nicht nur so da! Unternehmt etwas!“ Der Ostfürst hat sich bei all dem noch nicht von seinem Platz gerührt. Doch nun steht er mit nachsichtigem Lächeln auf und tritt an die beiden ringenden Daiyoukai heran. „Verzeiht mir, Yarinuyuki-sama“, sagt er mitleidig, „Es ist zu Eurem eigenen Besten!“ Und dann holt er einmal blitzschnell aus und rammt ihr dann mit voller Wucht seine Faust in den Magen. Augenblicklich bleibt der Nordfürstin die Luft weg und durch die Wucht des Schlages werden die beiden Daiyoukai einmal quer durch den Pavillon geschoben. Hart prallt Sesshomaru mit dem Rücken an einem der mächtigen Pfeiler auf. Doch nun hat der heftige Widerstand seiner Gefangenen etwas nachgelassen. Für einen Moment hängt sie erschlafft und benommen in seinem Arm. Nun geht Sesshomarus finstere Miene zu Inu Yasha hinüber. „Schaff diese Streuner hier fort! Auf der Stelle! Ihr habt hier nichts mehr verloren!“ Erst will Inu Yasha etwas erwidern, doch dann nickt er. Er winkt Yaeba, ihm zu folgen und dann springt er über das Geländer des Pavillons hinaus in den Garten zu Tenmaru. Der Streuner scheint unverletzt zu sein, doch er wirkt trotzdem mitgenommen. Auf Inu Yashas Wink hin, macht er sich daran ihm zu folgen. Nur noch einmal kurz dreht er sich zu den Fürsten um und tiefe Qual liegt in seinem Blick. Dann wendet er sich ab und rasch verschwindet er mit Inu Yasha und Yaeba aus ihrem Blickfeld. Kalt schaut Sesshomaru Arashitsume an. „Ihr habt das willentlich in Kauf genommen!“, funkelt er böse. „Was macht das schon?“, zuckt der Ostfürst mit den Achseln, „Ihr ebenso! Ihr hättet sie warnen können!“ Sesshomaru schweigt. Ein verstohlenen Lächeln legt sich auf Arashitsumes Gesicht: „Nun, wenn ihr nicht wollt! Von mir wird sie es nicht erfahren. Vorerst!“ Nun kommt auch wieder Leben in die Nordfürstin. Sesshomaru lässt sie los. Augenblicklich hat sie sich zu ihm umgedreht und verpasst ihm noch aus der Drehung eine heftige Ohrfeige. Der Westfürst nimmt es wortlos hin. „Nehmt Eure Finger von mir!“, zischt sie. „Vielleicht können wir jetzt den Rat ohne Unterbrechungen fortsetzen“, sagt Sesshomaru ruhig. Doch die Fürstin starrt ihn nur durchdringend an. „Nein!“, sagt sie fest. „Wie meint Ihr?“, hebt Sesshomaru die Braue. „Ich sehe keinen Sinn darin, das Urteil weiter hinauszuzögern!“, eiskalte Berechnung liegt in ihren Worten, „Wir haben die Angelegenheit nun von allen Seiten betrachtet und nun gibt es nichts mehr hinzuzufügen!“ „Das sehe ich anders!“, sagt Sesshomaru, „Ich glaube, dass Eure jüngste Gemütsverfassung Eure Urteilskraft beeinflusst.“ „Und wenn schon, was ist daran so schlimm?“, gibt sie unverblümt zurück, „Sagt mir nicht, dass Ihr Eure Entscheidungen nicht auch von Euren Gefühlen abhängig macht!“ „So ist es aber!“, antwortet Sesshomaru, „Ich bin der Fürst meines Reiches und meine Wünsche müssen stets hinter den Interessen meines Clans zurückstehen.“ Boshaft funkelt sie ihn an: „Das glaube ich Euch nicht! Niemand ist so selbstlos, selbst Ihr nicht!“ „Glaubt es, oder lasst es sein!“ Wütend verschränkt Yarinuyuki die Arme: „Ich hasse den Westclan und sein verdammtes Erbe! Doch lasst Euch eines gesagt sein: Niemand stellt sich zwischen mich und die Dingen die ich begehre! Und ich will diesen Streuner! Darüber gibt es keine Diskussion! Es gibt nichts, was für mich mehr zählt!“ „Nicht einmal Eure Rache an den Streunern?“, fragt Arashitsume leicht erstaunt. Yarinuyuki schnaubt verächtlich. „Diese verlausten Köter sind die Mühe nicht wert! Ich will einzig diesen Kerl, der meinen Vater als erstes angesprungen hat! Die anderen können mir gestohlen bleiben!“ „Inu Yasha-ouji wird seinen Untergebenen aber sicher nicht freiwillig herausgeben“, gibt Arashitsume nun zu bedenken. Fest schaut Yarinuyuki ihn an: „Dann ist der Hanyou so gut wie tot!“ Erneut schaut sie zu Sesshomaru hinüber: „Bringen wir es hinter uns! Ich will eine Entscheidung und ich will sie jetzt!“ Nun tritt Arashitsume an die beiden heran. „Ich bin ihrer Meinung! Wir haben das Unvermeidliche lang genug hinausgezögert. Bringen wir es zuende. So wie es sich gehört!“ Mit diesen Worten nimmt er wieder auf seinem Sitzkissen Platz. Ein wenig missmutig schlendert Yarinuyuki zu ihrem Platz zurück und mit einem geschmeidigem Schwung lässt sie sich darauf nieder. Erwartungsvoll schauen die beiden Sesshomaru an. Was dem Westfürsten durch den Kopf geht ist ihm nicht anzusehen. „Sesshomaru-sama?“, fragt Arashitsume auffordernd. Nun kommt wieder Bewegung in den stolzen Youkaifürsten. Mit steifen Bewegungen geht er zu seinem Platz zurück und kniet sich hin. Sein Blick ruht vor ihm auf dem Boden. „Also schön!“, beginnt Yarinuyuki, „Nach ausreichender Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Inu Yasha, ein Prinz des Westens, absichtlich die Verfolgung dieser kriminellen Köter boykottiert hat und sich offen gegen die anderen Reiche wandte, als er den Streunern Schutz gewährte und einen ihrer Verfolger tötete. Ich sehe das als böswilligen Akt an und für diesen Hochverrat kann es nur eine Strafe geben: Seinen Tod!“ „Auch ich habe mir alle Argumente angehört“, sagt Arashitsume mit einer betont gleichmütigen Miene, „Es steht völlig außer Frage, dass Inu Yasha-ouji keinerlei Reue für seine Tat empfindet. Mehr noch, er sieht es als sein Recht an, die Youkais eines anderen Clans zu töten. Er ist von ihnen auf die Erlaubnis hingewiesen worden; es wäre seine Pflicht gewesen, ihre Aussagen zu überprüfen! Das hat er nicht getan! Scheinbar sieht er seinen älteren Bruder nicht als Autorität an. Angesichts seiner Uneinsicht, seiner Böswilligkeit und seines ungezügelten Benehmens, halte ich ihn für eine Gefahr für unsere Reiche! „Heute ist es vielleicht nur einer meiner Krieger. Wer weiß, was morgen ist. Ich bin nicht bereit, ihm seine Tat zu verzeihen und ich halte es für das Beste, wenn dafür gesorgt wird, dass er nicht noch weiteren Schaden anrichten kann. Ich stimme Yarinuyuki-sama zu. Sein Tod ist die beste Alternative! Wo kämen wir denn hin, wenn wir es ihm ermöglichen, jeden Kriminellen in seine Dienste zu nehmen nur um ihn vor seiner gerechten Strafe zu bewahren. Schon bald würden jegliche Gesetze unserer Vorfahren hinfällig werden, wenn eine Übertretung keine Konsequenzen mehr hätte. Zum Wohl des Friedens, muss er sterben!“ Ein sanftes Lächeln liegt auf seinen Lippen und würdevoll wendet er sich nun an Sesshomaru. „Wie steht es nun mit Euch, Sesshomaru-sama? Sicher müsst auch Ihr einsehen, dass es keine andere Wahl gibt. Verurteilt ihn und wir können uns in Frieden trennen, oder sprecht ihn frei und erklärt damit den Rat als gescheitert! Ihr wollt doch sicher keinen Krieg, nicht wahr?“ Noch immer blickt Sesshomaru schweigend zu Boden. Er rührt keinen Muskel. Eine ganze Weile sitzt er so da, dann hebt er den Kopf. Seine Miene ist gänzlich unberührt als er sagt: „Dies ist eine schwere Entscheidung! Und ich kann und werde sie mir auch nicht leicht machen! Ihr habt die Lage klar erkannt, Arashitsume-sama. Nun gilt es für mich abzuwägen, womit unseren Reichen am meisten gedient ist. Doch da Ihr betont habt, wie viel von meiner Entscheidung abhängt, bitte ich mir bis morgen eine Bedenkzeit aus!“ „Wie könnt Ihr noch zögern?“, ruft Yarinuyuki empört, „Der Hanyou muss sterben, daran führt kein Weg vorbei!“ Ernst blickt Sesshomaru sie an: „Im Augenblick heißt es noch Inu Yasha-ouji für Euch!“ Doch noch ehe Yarinuyuki etwas darauf erwidern kann, richtet Arashitsume das Wort an den Westfürsten: „Was kann Euch dieser eine Tag bringen? Was erhofft Ihr Euch dadurch? Die Fakten werden morgen die selben sein. Trefft Eure Entscheidung jetzt!“ Doch Sesshomaru bleibt ungerührt. „Ihr sagt es! Die Fakten bleiben die selben, also übt Euch in Geduld, oder fürchtet Ihr, dass sich etwas zu seinen Gunsten ergeben könnte? Morgen früh werde ich meine Entscheidung getroffen haben! Bis dahin werde ich mich zurückziehen!“ Er erhebt sich und ohne sich noch einmal umzudrehen, verlässt er würdevoll den Pavillon und schreitet erhobenen Hauptes davon. Mit verstimmter Miene blicken die beiden Fürsten ihm nach. „Also schön!“, sagt Arashitsume leise, „Es hat Zeit!“ Doch in Gedanken fügt er hinzu: Ich werde sie nutzen! Kapitel 30: Verschwörung ------------------------ Mit fliegenden Schritten läuft Inu Yasha den Weg hinunter, ihm dicht auf den Fersen, folgen ihm die beiden Streuner. Ein flüchtiger Blick zurück informiert Inu Yasha, dass die beiden ziemlich zerknirscht aussehen. Auch sie scheinen, über das was vorgefallen ist, Bescheid zu wissen. Offenbar ist er hier der Einzige der im Dunkeln tappt. „Was war das gerade?“, fragt er also. Doch Tenmaru sagt kein Wort sondern meidet seinen Blick. „Nicht hier!“, antwortet Yaeba an seiner statt, „Im Quartier!“ „Ich hoffe die Erklärung ist wirklich gut!“, brummt Inu Yasha. Es dauert nicht lange, bis sie den Palast erreichen. Rasch trappeln ihre flinken Füße über den Holzboden und erreichen schließlich die Schiebetür zu ihrem Quartier. Mit einem Ruck reißt Inu Yasha die Tür auf. In dem Raum sitzen all seine Freunde und blicken ihn ziemlich überrascht an. Doch nun hellt sich Kagomes Miene auf. „Inu Yasha!“, strahlt sie. Hinter dem Hanyou drücken sich die beiden Streuner in das Zimmer. „Da seid ihr ja wieder!“, meint Sango, „Ist der Rat schon vorbei?“ Inu Yashas Miene verfinstert sich: „Das kann man wohl sagen!“ „Und nun?“, fragt Sango, „Was ist jetzt?“ „Haben sie dich verurteilt?“, fragt Shippo neugierig. Mürrisch starrt Inu Yasha den kleinen Fuchs an: „Glaubst du, dann stünde ich jetzt hier vor dir?“ „Aber was ist denn nun passiert?“, fragt Sango, „Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. „Ist es etwas Schlimmes?“, fragt Kagome besorgt, „Ihr macht ein Gesicht, als ob ihr gerade noch mal davongekommen wärt.“ „Genau, das ist das Problem!“, meint Inu Yasha und lässt sich neben seiner Freundin zu Boden plumpsen. Herausfordernd schaut er Yaeba an: „Aber Yaeba wollte gerade erzählen, was da eigentlich los gewesen ist, nicht wahr?“ Der kräftige Streuner verzieht ein wenig das Gesicht, dann nickt er Tenmaru kurz zu, sich zu setzen und nimmt dann ebenfalls bei den anderen Platz. Zögernd hockt Tenmaru sich dazu, doch er hält den Blick gesenkt. Yaeba atmet einmal tief durch und als er merkt dass sämtliche Aufmerksamkeit, ihm gewidmet ist, beginnt er zu reden: „Wir waren beim Rat. Wir haben unsere Argumente vorgebracht, doch ich befürchte, sie haben nicht sonderlich viel Gehör gefunden“, er blickt zu Inu Yasha hinüber, „Es tut mir leid, Inu Yasha-sama, ich konnte mein Versprechen nicht halten, obwohl Ihr wie versprochen für uns gebürgt habt!“ „Ach, Schwamm drüber!“, wehrt Inu Yasha ab, „Du hast es ja versucht. Ist ja nicht deine Schuld, dass diese Fürsten eine Bande von völlig verbohrten Holzköpfen sind! Die sähen mich am liebsten schon ein paar Fuß unter der Erde, da hilft alles nichts! Von denen werde ich nie eine faire Chance bekommen!“ Ärgerlich verschränkt er die Arme. „Dabei habt Ihr Euch im Grunde sehr gut geschlagen, Inu Yasha-sama!“, hört er nun die Stimme in seinem Ohr. Hurtig springt Myoga heraus und setzt sich auf Inu Yashas Knie. Tränen der Rührung stehen ihm in den Augen. „Ich bin noch immer so ergriffen, dass Ihr Euch meine Worte so zu Herzen genommen habt. Ihr habt Euch geschickt und klug verteidigt! Heute habt Ihr Eurem Vater alle Ehre gemacht!“ Inu Yasha errötet ein klein wenig. „Ach red' doch nicht! Das Meiste davon hab ich von dir oder Yaeba. Ohne euch wüsste ich doch gar nichts über die Youkaigesetze und hättest du mir nicht von den Drei Brüdern erzählt, hätte ich vor Arashitsume wie ein Trottel dagestanden. Ich wäre auch auf seine miesen Fangfragen hereingefallen, also war es doch eher dein Verdienst, dass sie mich nicht gleich an Ort und Stelle umgebracht haben. Ich... sollte dir wohl danken!“ Ungläubig starrt Myoga ihn an. Dann fällt er auf seine winzigen Knie und verbeugt sich eifrig vor dem Hanyou. „Inu Yasha-sama, das ist zuviel der Ehre! Ich habe doch nur meine Pflicht getan. Oh, Ihr habt ein so großes Herz, Inu Yasha-sama! Ihr ähnelt sehr Eurem werten Herrn Vater! Ihr seid wahrhaftig sein Sohn! Ich habe solches Lob in keinster Weise verdient!“ „Ja, ja!“, wehrt Inu Yasha ab, „Nun reicht es aber!“ Sein Blick geht nun wieder zu Yaeba. „Ich erwarte noch immer eine Erklärung! Was war das vorhin?“ „Wieso, was ist den vorgefallen?“, fragt Kagome verwundert. Weder Yaeba noch Tenmaru wollen so recht mit der Sprache heraus. Inu Yasha verdreht die Augen: „Dann erzähle ich das eben! Die Fürstin des Nordens hat sich in Tenmaru verliebt, obwohl 'verliebt' vermutlich nicht der richtige Ausdruck ist!“ Ungläubig starren die anderen ihn an. Tenmarus Gesicht ist hinter seinen Ponyfransen verborgen, doch selbst so kann man erkennen, dass er knallrot im Gesicht ist. Doch Inu Yasha redet schon weiter: „Anscheinend wissen alle darüber Bescheid außer mir! Kann mich vielleicht auch mal einer aufklären?“ Verstohlen schielt Tenmaru zu Yaeba hinüber; der Streunerhauptmann starrt mit steinerner Miene geradeaus. „Das ist nicht leicht zu erklären!“, sagt er. „Versuch es trotzdem!“, fordert Inu Yasha. Der Streuner sucht nach den richtigen Worten, doch gerade als er mit der Erklärung beginnen will, fliegt sein Kopf herum und auch Tenmaru blickt erschrocken auf. Inu Yasha lässt entnervt den Kopf hängen: „Oh man, nicht der jetzt auch noch!“ Kagome sieht zu ihren Freunden hinüber. „Ich spüre es auch!“, nickt Miroku, „Eine starke Aura nähert sich.“ „Ja, das ist Er!“, bestätigt Inu Yasha gereizt. Es dauert keine drei Sekunden, bis die Schiebetür erneut mit einem heftigen Schwung aufgestoßen wird. Hoch aufgerichtet und mit eisiger Miene steht Sesshomaru davor. Sofort findet sein Blick den seines Bruders: „Was hast du hier zu suchen!“, schnaubt er unverkennbar ärgerlich, „Sagte ich nicht, du sollst in meinem Quartier bleiben?“ Inu Yasha springt auf. „Ich konnte ja nicht wissen, dass das immer noch gilt!“ „Meine Entscheidungen ändern sich nicht!“, grollt der Daiyoukai, „Bis zum Ende der Verhandlung bleibst du in meinem Quartier, keine Wiederworte!“ Doch so einfach gibt der Hanyou nicht auf: „Ach, ich dachte das wäre sie längst, nach dem was vorhin passiert ist!“ Mühsam muss sich der Fürst des Westens beherrschen: „Die letzte Entscheidung wird morgen früh fallen! Bis dahin stehe gefälligst zu deinem Wort und bleib dort! Vielleicht hast du dann noch eine winzige Chance zu überleben!“ Abschätzend schaut Inu Yasha ihn an. „Ich hätte gedacht, dass die beiden anderen mich lieber heute schon als morgen aus dem Weg haben wollen. Wer von denen ist sich noch unschlüssig?“ Ein hasserfüllter Blick trifft ihn, doch der Daiyoukai sagt nur: „In mein Quartier! Sofort! Bevor ich noch endgültig die Geduld mit dir verliere!“ Inu Yasha klappt die Kinnlade herunter. „Es ist gar keiner von den anderen!“, stellt er verblüfft fest. Sesshomarus Gesichtszüge zucken kurz doch dann grollt er: „Raus! Jetzt!“ Zur allgemeinen Überraschung fügt der Hanyou sich nun ohne jegliches weitere Gemurre. Er blickt noch einmal in die Runde und verlässt dann das Zimmer. „Und du...“, wendet Sesshomaru sich jetzt mit eisiger Stimme an Tenmaru, doch anstatt weiterzusprechen, wirft er ihm nur einen bitterbösen Blick zu, dann schmeißt er urplötzlich wütend die Schiebetür zu und kurz darauf, ist von ihm nichts mehr zu sehen oder zu hören. „Was war das denn gerade?“, staunt Sango. Doch nun meldet sich Miroku zu Wort: „Was soll das heißen, dass die Fürstin des Nordens in Tenmaru verliebt ist?“ Alle Augen gehen zu den Streunern hinüber. „Man kann nicht wirklich von Verliebtheit reden“, sagt Yaeba nun, „Es ist eher eine Art hoffnungslose Vernarrtheit. Es liegt an Tenmarus Witterung. Wir sind Hundeyoukais. Wir reagieren ungewöhnlich stark auf die Gerüche der anderen. Doch bei Tenmaru ist das noch etwas anders. Sein Geruch ruft bei anderen Youkais ein starkes Gefühl der... Lust und des Verlangens hervor.“ Ungläubige Blicke gehen zu dem jungen Streuner hinüber der nur noch mehr versucht ihrem Blick auszuweichen. „Alle Youkais des anderen Geschlechtes reagieren so auf ihn“, erklärt Yaeba weiter, „Die Fürstin des Nordens bildet da keine Ausnahme. Im Gegenteil! Die Nase eines Daiyoukai ist noch um ein Vielfaches feiner, deshalb reagieren sie darauf noch viel empfindlicher!“ Verblüfft schaut Kagome Tenmaru an. „Jetzt versteh ich es!“, meint sie, „Diese Dienerin von neulich, sie hat dich auch so verliebt angeschaut und dann war es ihr furchtbar peinlich! Das muss den gleichen Grund gehabt haben!“ Tenmaru nickt. „Das stimmt! Ich habe es sofort gemerkt, doch ich wollte nicht, dass du es mitbekommst.“ „Das stelle ich mir nicht sehr angenehm vor!“, meint Kagome, „Kannst du das denn nicht irgendwie abstellen?“ Tenmaru und Yaeba schauen sich an. „Nein!“, antwortet Yaeba, „Könntest du deinen Geruch verändern? Oder die Farbe deiner Augen? Diese Witterung gehört zu ihm, wie sein Arm oder sein Bein. Sie lässt sich nicht abschalten.“ „Deshalb wollte Sesshomaru nicht, dass du bei der Fürstin des Nordens auftauchst“, zieht Miroku den Schluss, „Es hätte nur für Unruhe auf dem Rat gesorgt.“ „Was es ja wohl auch hat!“, bemerkt Shippo. „Das stimmt!“, nickt Yaeba ernst, „Fürstin Yarinuyuki ist der Witterung sofort verfallen. Das Problem dabei ist, dass danach für den Betreffenden nichts weiter zählt, als den Verursacher dieses Hochgefühls in seinen Besitz zu bringen. Sie ist sogar auf Inu Yasha-sama losgegangen, nur weil er ihr den Kontakt verbieten wollte. Dadurch hätte sie fast den Rat zum Scheitern gebracht. Doch das war ihr egal. Unter diesem Einfluss ist man kaum noch zu einer rationalen Handlung fähig. Nur Sesshomaru-samas raschem Eingreifen ist es zu verdanken, dass es nicht schlimmer gekommen ist.“ „Das hört sich gar nicht gut an!“, meint Sango besorgt. „Es gibt noch ein Problem!“, fährt Yaeba fort, „Für eine Verurteilung zum Tode müssen sich alle Fürsten einig sein und ich befürchte, dass Fürstin Yarinuyuki Inu Yasha-sama auf keinen Fall freisprechen wird. Wenn er uns nicht länger beschützen kann, hat sie leichtes Spiel mit uns und sie wird keine Ruhe geben, bis sie Tenmaru nicht bekommen hat.“ „Was soll das heißen 'bekommen hat'?“, fragt Kagome. Ernst schaut Yaeba drein: „Das bedeutet, dass sie ihn mit in ihre Heimat nehmen und ihn sich dort als Liebessklaven halten wird, ohne Rechte, ohne eigenen Willen und ohne die Chance jemals von ihr los zu kommen!“ „Was?“, ruft Kagome aus, „Das ist doch schrecklich! Das dürfen wir doch nicht zulassen!“ „So sieht es aber im Moment aus!“, sagt Yaeba, „Aber was mir noch mehr Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass Fürst Arashitsume es offenbar genau darauf abgesehen hat. Ich bin sicher, er hat geplant, dass das passiert. Deshalb wird er Inu Yasha-sama sicher auch nicht freisprechen.“ „Das heißt also, Inu Yasha hatte recht und es ist Sesshomaru der sich noch unschlüssig ist!“, führt Sango den Gedanken weiter, „Das hätte ich ehrlich gesagt nicht von ihm erwartet.“ „Scheinbar hat Sesshomaru Arashitsumes Strategie durchschaut“, stellt Miroku die Vermutung an, „Deshalb wollte er wohl vermeiden, dass Tenmaru ihr überhaupt über den Weg läuft. Er ist wohl im Moment wirklich auf Inu Yashas Seite.“ „Aber was passiert denn, wenn Sesshomaru Inu Yasha doch noch für unschuldig erklärt?“, fragt Kagome. „Tja“, seufzt Yaeba, „Ich fürchte, dann wird es Krieg geben.“ „Aber warum das denn?“, fragt Shippo erschrocken. „Weil sich die Fürsten bei dieser Entscheidung einig sein müssen, so verlangt es das Gesetz. Außerdem wäre es einfach die logische Folge. Die anderen Fürsten würden zwangsläufig versuchen, ihren Willen durchzusetzen und Sesshomaru-sama müsste darauf reagieren, und das bedeutet es kommt zum Kampf!“ „Aber Sesshomaru zögert doch noch“, wirft Sango ein, „Er mag Inu Yasha doch nicht besonders und wenn es zum Krieg kommen könnte, wäre es doch eher verständlich, wenn er ihn auch verurteilen würde. Warum riskiert er das?“ „Sesshomaru-sama ist nicht dumm!“, sagt Yaeba, „Er weiß wohl, dass Arashitsume versucht, ihm eine Falle zu stellen, deshalb hat er sich eine Bedenkzeit geben lassen bis morgen. Er möchte keinen Krieg riskieren aber er möchte auch nicht Arashitsume in die Hände spielen, weil er seinen Bruder zum Tode verurteilt. Wahrscheinlich hofft er, dass ihm bis morgen noch eine andere Lösung einfällt.“ „Also hängt alles an Sesshomaru“, stellt Miroku fest, „Wahrscheinlich wäre es anders gekommen, wenn Tenmaru nicht vor dem Rat erschienen wäre. Sesshomaru muss versucht haben, das Problem im Vorfeld schon einzudämmen.“ „Dann habe ich noch eine Frage“, sagt Sango, „Woher wusste Sesshomaru eigentlich davon?“ Gemächlich schreitet Arashitsume durch die Gartenanlage seines Palastes. Doch ganz so gelassen, wie er nach außen hin wirkt, ist er nicht. Gerade hat er noch die Fürstin des Nordens verabschiedet, die es vorgezogen hat, bei ihren Leuten zu verweilen, bis das traditionelle, abendliche Bankett stattfindet, doch bis zum Abend sind es noch ein paar Stunden. Verdammt, ich hätte nicht gedacht, dass Sesshomaru so kaltschnäuzig ist! Ich dachte, wenn ich es schaffe, Tenmaru herzubringen, bliebe ihm einfach keine andere Wahl, als diesen Hanyou zu verurteilen. Und was macht der miese Hund? Bittet sich eine Bedenkzeit aus! Der Kerl hat echt Courage! Ich wüsste wirklich zu gerne, was er im Schilde führt! Er muss noch irgendeinen Plan haben, aber ich werde nicht zulassen, dass er mir meine Pläne durchkreuzt! Ein für allemal! Nun stößt er sich geschmeidig vom Boden ab und gleitet die Felswand hinauf, die vor ihm aufragt. Elegant schwebt er darüber hinweg und sobald er sein Hindernis überquert hat, zieht er seine Sinne zu Rate. Ja, dort drüben ist die Stelle! Es kann nicht mehr allzu lange dauern. Galant setzt er auf dem Boden auf. Suchend schaut er sich um und schließlich steuert er auf den Wald zu der hinter dem Gebirgszug liegt. Ohne zu zögern, taucht er in das trübe Licht der Bäume ein. Er muss nicht lange suchen sondern steuert zielstrebig auf einen großen, verästelten Baum zu, der gut und gerne schon seine tausend Jahre auf dem Buckel hat. Dort angekommen zieht er erneut die Luft ein. Langsam wendet er den Kopf in die Richtung aus der die Witterung kommt, die ihm jetzt in die Nase steigt. „Wird auch Zeit!“, vernimmt er nun eine wohlklingende Frauenstimme die unverkennbar ärgerlich klingt, „Ich warte immerhin schon seit ein paar Stunden! Es ist nicht ratsam, mich warten zu lassen, wenn man bedenkt, wer du bist und was ich für dich tun soll!“ Arashitsume setzt ein gewinnendes Lächeln auf: „Aber meine Liebe! Es gibt keinen Grund so unhöflich zu werden! Ich habe dich schließlich gebeten zu kommen, warum sollte ich dich da versetzen?“ Nun tritt die Frau hinter dem Baum hervor. Langes, schneeweißes Haar fällt über ihren dunklen Kimono und ihre pechschwarzen Augen mustern den Youkaifürsten hasserfüllt. „Verschone mich mit diesem honigsüßen Geschwätz! Du und deine ganze Sippe widert mich an! Ich hätte gar nicht erst kommen sollen!“ „Und doch bist du hier!“, lächelt Arashitsume, „Dafür muss es einen Grund geben.“ Ein boshaftes Lächeln legt sich nun auch um ihre auffallend roten Lippen: „Deine kleine 'Kostprobe' hat mich neugierig gemacht! Also sag schon, was du willst! Ich habe nicht ewig Zeit!“ „Tja, wie soll ich sagen?“, meint Arashitsume gelassen, „Sicher erinnerst du dich noch an den letzten Gefallen, den du mir erwiesen hast. Bedauerlicherweise hat sich daraus eine recht unangenehme Situation ergeben.“ Verächtlich schaut sie ihn an: „Mach bloß nicht mich dafür verantwortlich! Ich habe getan, wofür du mich bezahlt hast, nun versuch auch mit den Konsequenzen klar zu kommen!“ „Wenn das so einfach wäre!“, meint Arashitsume seufzend, „Leider sind mir da als Fürst ein wenig die Hände gebunden. Ich fürchte, ich muss zu härteren Mitteln greifen!“ „Und da komme ich ins Spiel!“, verschränkt sie die Arme, „Ich wusste schon immer, dass ihr Youkais einfach nichts taugt! Wenn ihr schon die Hilfe einer Miko in Anspruch nehmen müsst, um euer Ziel zu erreichen, kann es mit eurer Macht nicht weit her sein!“ „Das Ziel ist kein gewöhnlicher Gegner!“, sagt Arashitsume ernst, „Wäre er nur ein gewöhnlicher Youkai, könnte ich ganz anders mit ihm verfahren, doch er ist ein Daiyoukai und es ist mir einfach zu riskant, es auf einen Kampf mit ihm ankommen zu lassen!“ „Feigling!“, schmunzelt die Miko. „Nein, Stratege!“, korrigiert Arashitsume, „Kämpfe sind nicht der einzige Weg zum Erfolg!“ „Aber die Hilfe einer Miko kann wohl kaum eine akzeptable Alternative sein“, stichelt sie nach. Arashitsume lächelt schief: „Vielleicht! Wenn die anderen Fürsten wüsten, dass wir auch nur miteinander reden, würde ich vermutlich ernste Probleme bekommen. Du siehst also, wie ernst es mir damit ist!“ „Das bringt mich gleich zum nächsten Thema!“, sagt sie, „Du hast von der üblichen Bezahlung gesprochen. Wenn ich auch nur irgendeinen Handschlag für dich tun soll, dann will ich sie im Voraus und zwar sofort!“ „Nur die Ruhe!“, meint Arashitsume gelassen, „Du bekommst deinen Lohn schon. Habe ich dich je enttäuscht?“ Mit diesen Worten greift der Fürst des Ostens in sein Gewand und zieht eine kleine Kristallphiole hervor. Mit einem seidigen Lächeln hält er sie zwischen Daumen und Mittelfinger und entfernt dann den kleinen Verschluss. Mit einer grazilen Bewegung schnippt er die Kuppe seines Zeigefingers gegen die scharfe Kralle an seinem Daumen und beobachtet zufrieden, wie einige dicke, rote Tropfen seines Blutes in das kleine Gefäß fallen. Aus schmalen, purpurfarbenen Augen schaut er zu der Schwarzen Miko hinüber und stellt mit einem amüsierten Lächeln fest, dass die Frau auf einmal ganz hibbelig geworden ist und mit fiebernder Sehnsucht zu dem kleinen Behälter in seiner Hand hinüberstarrt. Ihre Bewegungen sind zittrig geworden und wie von einer unsichtbaren Kraft angezogen, kommt sie ein paar Schritte auf den Daiyoukai zu. „Das riecht gut, nicht wahr?“, schmunzelt er. Ihre Lippen beben und sie ist nicht in der Lage ihren Blick von dem Fläschchen zu wenden. Mit einer geschmeidigen Bewegung steckt Arashitsume den Stopfen auf die Flasche. Sie zuckt zusammen. „Das sollst du selbstverständlich haben!“, sagt er, „Natürlich erwarte ich dafür eine entsprechende Gegenleistung!“ Sie atmet einmal tief durch, dann strafft sie sich wieder. „Um wen geht es?“ „So gefällst du mir schon besser!“, Arashitsumes Lächeln wird breiter, „Diesmal habe ich auch eine echte Herausforderung für dich. Es ist niemand geringeres als der Fürst des Westens persönlich! Und diesmal keine halben Sachen, verstanden?“, sein Blick wird hart. Verächtlich schaut sie ihn an: „Du willst ihn tot, habe ich das richtig verstanden?“ „Hast du ein Problem damit?“ „Wenn du damit Skrupel meinst, dann sicher nicht!“ „Und was deine Fähigkeiten betrifft?“ Sie stemmt die Arme in die Seite und blickt ihn spöttisch an: „Wenn du daran Zweifel hättest, hättest du mich nie gefragt.“ Doch Arashitsume verzieht diesmal keine Miene. „Ich frage noch mal: Schaffst du das?“ Ein geringschätziges Grinsen zieht über ihr Gesicht: „So ein kleiner Mord ist sicher etwas anspruchsvoller als jemanden einfach nur zu lähmen. Ich habe noch nicht vergessen, was dieser 'kleine Gefallen' mich das letzte Mal gekostet hat, aber mit diesem kleinen Energieschub da“, sie zeigt auf das Fläschchen, „sollte das kein Problem sein.“ Für einen Moment zögert Arashitsume, doch dann erhellt sich seine Miene wieder und mit einer lässigen Bewegung wirft er ihr die Phiole zu. Mit hungrigem Blick fängt sie sie auf. Kaum hat sie sie in den Händen, reißt sie den Stopfen von der Flasche und setzt den roten Trank an die Lippen. Mit einem lustvollen Stöhnen lässt sie sich die noch warme Flüssigkeit die Kehle hinunterrinnen. Als sie schließlich wieder aufschaut, liegt ein eigenartiges, rötliches Schimmern in ihren tiefschwarzen Augen und befriedigt schaut sie den Ostfürsten an. „Besser?“, fragt Arashitsume mit erhobener Augenbraue, „Wenn alles läuft wie geplant, bekommst du noch mehr! Ein ganzes Fläschchen von mir aus.“ Genüsslich leckt sie sich über die Lippen: „Warum müsst ihr Youkais bloß so verdammt gut schmecken? Gar nicht erst zu sprechen davon, wie sehr meine Kräfte dadurch zunehmen. Besonders das Blut eines Daiyoukais ist so außergewöhnlich exquisit!“ „Genau darum, kommst du zu mir“, lächelt Arashitsume. Kaum einen Wimpernschlag später ragt die Schwarze Miko direkt vor ihm auf und ein eisiger Blick liegt auf ihrem Gesicht. Mit stählernem Griff schließen sich ihre Finger um seine Hand und drücken schmerzhaft zu: „Bild dir bloß nichts darauf ein! Dein Blut mag für mich unwiderstehlich sein, doch irgendwann bereust du es vielleicht, dass du mir so bereitwillig davon gibst! Vergiss niemals, dass du mein Todfeind bist! Vielleicht bekomme ich irgendwann Lust, dich ein für allemal in die Hölle zu schicken! Und dann hast du selbst mich dazu befähigt. Fordere also dein Glück nicht heraus!“ Doch Arashitsume erwidert ihren Blick unbeeindruckt: „Du wirst doch deine liebste Nahrungsquelle nicht so einfach aufgeben! Dieser Handel bringt dir doch viel zu viel Nutzen!“ Behutsam löst er ihren Griff von seinem Arm. „Im Moment noch!“, sagt sie ernst, „Mir soll es recht sein! Kann mir ja egal sein, welchen Youkaifürsten ich ins Jehnseits befördere. Wie ist sein Name und wo kann ich ihn finden?“ „Da liegt das Problem!“, kratzt sich Arashitsume am Kopf, „Sesshomaru hält sich im Moment noch in meinem Palast auf und ich halte es für keine gute Idee, dass du da auftauchst.“ „Dann siehst du besser zu, dass du ihn irgendwie herauslockst!“ „Das ist ein Unterfangen, dessen es ein wenig Fingerspitzengefühls bedarf“, meint Arashitsume nachdenklich. „Was soviel heißt wie: Du hast bereits einen Plan!“, meint sie geringschätzig. „In der Tat!“, schmunzelt Arashitsume. Ich werde dafür sorgen, dass Sesshomaru den Palast verlässt und du wirst ihn für mich erledigen, so unauffällig wie sonst auch!“ Skeptisch schaut sie ihn an: „Darf ich fragen, wie du das anstellen willst?“ Sie blickt an ihm vorbei. „Ist vielleicht noch jemand mit von der Partie?“ Arashitsume dreht sich nicht zu der Gestalt um die unter den Bäumen hinter ihm im Schatten steht. „Das brauchst du nicht zu wissen. Kümmere du dich nur um deinen Teil der Abmachung! Bis spätestens morgen früh muss alles erledigt sein, sonst ist unser Abkommen nichtig!“ Die Schwarze Miko schnaubt einmal verächtlich aus. „Also schön! Sieh zu, dass er zu mir rauskommt, dann erledige ich ihn! Lass dir, von mir aus, von deinen kleinen Handlangern helfen! Wäre ja nicht das erste Mal! Ich hoffe nur, dass Sesshomaru darauf genau so anbeißt wie Taihyouga!“ Damit dreht sie sich geschmeidig um und eine Sekunde später ist sie zwischen den Bäumen verschwunden. Ernst blickt Arashitsume ihr nach. Unbewusst reibt er sich das Handgelenk, über dem sich die Abdrücke einer Hand schmerzlich in sein Fleisch gebrannt haben. Dann dreht er sich zu der Person hinter sich um. „Ich habe mich schon gefragt, wann du endlich auftauchst! Ich habe eine Aufgabe für dich! Wir müssen Sesshomaru aus dem Palast locken, doch es wäre zu riskant, dich direkt zu ihm zu schicken. Also werden wir es ein wenig anders angehen!“ Nun zieht ein boshaftes Lächeln über das Gesicht der Gestalt vor ihm und dann sinkt sie vor dem Ostfürsten auf die Knie. „Ich höre!“ Kapitel 31: Keine Wahl! ----------------------- „Also, woher weiß er es nun?“, fragt Sango ungeduldig. Doch die beiden Streuner schweigen sich noch immer aus. Schließlich meint Yaeba: „Selbst wenn Sesshomaru nicht empfänglich für diese Witterung sein sollte, ist sie ihm bestimmt aufgefallen. Er hat genug Erfahrung, um sich denken zu können, was dieser Geruch bedeutet.“ „Ihr meint, er hat es geraten?“, fragt Sango ungläubig, „Das halte ich für unwahrscheinlich! Ihr verheimlicht uns doch etwas!“ Ernst schaut der Streuner sie an: „Alles was ihr wissen müsst, habt ihr erfahren!“ Sango verschränkt die Arme: „Etwa so wie die Tatsache, dass Tenmaru der Sohn eurer Anführerin, der Schwester des Ostfürsten, ist?“ Ruckartig reißt Yaeba die Augen auf, dann fliegt sein Blick wütend zu Tenmaru hinüber. „Es tut mir leid, Yaeba!“, duckt sich Tenmaru schuldbewusst, „Sie haben es von alleine herausgefunden!“ Tief atmet der alte Streuner durch. „Jetzt ist es nicht mehr zu ändern!“, und an die anderen gewandt, „Ich hoffe, euch ist klar, was das bedeutet! Wenn der Rat davon erfährt, dass unsere Anführerin einen Sohn hatte, wird man fordern, dass er seinen Platz als ihr Nachfolger einnimmt. Für den Augenblick, kann ich noch, als ihr erster Befehlshaber, diese Rolle übernehmen, doch wenn heraus kommt, wer Tenmaru ist, wird ihn nichts mehr vor Yarinuyuki retten können. Sie ist ohnehin schon scharf auf ihn, und dieser Umstand würde ihr nur in die Hände spielen!“ „Wir haben verstanden!“, sagt Kagome ernst, „Von uns wird es niemand erfahren!“ Nachdenklich betrachtet Yaeba die kleine Gruppe Menschen vor ihm. Dann schaut er wieder zu Tenmaru hinüber und dann wieder zurück zu dem Mädchen. „Du bist ein seltsamer Mensch!“, sagt er zu Kagome, „Aber ich kann verstehen, warum Tenmaru euch vertraut. Vielleicht wird doch noch alles gut.“ Er erhebt sich. „Ich werde einmal nach Raiuko sehen. Er weiß noch nichts vom Stand der Dinge. Ob sich Sesshomaru nun für oder gegen einen Krieg entscheiden sollte, ich will, dass wir vorbereitet sind!“ Damit erhebt er sich. „Warte, ich komme mit dir!“, ruft Tenmaru. „Nein! Bleib besser hier!“, meint Yaeba, „Es ist wahrscheinlich keine gute Idee, wenn du hier so durch die Flure springst.“ Tenmarus Mundwinkel sinken. Mit diesen Worten verlässt der Streuner das Zimmer und schließt die Tür hinter sich. „Du hängst ganz schön an ihm!“, stellt Shippo fest. Tenmaru seufzt. „Ich kenne es einfach nicht anders. Er war da, seit ich mich zurückerinnern kann. Wenn er nicht da ist... komme ich mir manchmal ein wenig hilflos vor. Manchmal kommt es mir so vor, als wäre er...“ „Dein Vater?“, fragt Shippo ungeniert. Im selben Moment zuckt Tenmaru heftig zusammen und starrt den kleinen Fuchs fassungslos an. „Nein, nein!“, meint er sofort, „Das ist... das kann gar nicht sein! Ich meine...“, hilflos blickt er in die Runde, „So ist das nicht!“ „Das muss dir doch nicht peinlich sein!“, meint Kagome sanft. Sie möchte dem Streuner gerne beruhigen. „Da ist doch nichts Schlimmes dabei!“ Doch Tenmaru schüttelt nur unbeirrt den Kopf: „Du verstehst nicht! Das ist... das wäre ja...!“ Irgendwie fehlen ihm die Worte. Noch einmal setzt er an: „Meine Mutter hätte das niemals getan!“ „Warum das?“, fragt Kagome. Endlich zeichnet sich ein wenig Licht am Horizont von Tenmarus Vergangenheit ab und nun ist sie nicht mehr bereit, ihn vom Haken zu lassen. Der junge Streuner blickt etwas beklommen drein. „Meine Mutter war unsere Anführerin! Sie musste ausgestoßenen Youkais aus allen drei Reichen unter sich vereinen. Wenn sie nicht alle völlig gleich behandelt hätte, hätte sie den Respekt der anderen verloren. Hätte sie mit... mit...“, er schafft es nicht, es auszusprechen, „Es hätte bedeutet, dass sie ihn bevorzugt hätte. Außerdem“, und nun senkt sich sein Pony noch mehr über sein Gesicht, „sagt man, dass...“, seine Stimme wird immer leiser, „Youkaikinder, die aus... Liebe gezeugt werden... nichts taugen!“ Er verstummt. „Das glaubst du doch nicht wirklich?“, meint Kagome empört, „Wer erzählt den so einen Unsinn?“ „Also gehört habe ich das auch schon“, meldet sich nun Sango zu Wort, „Ob das allerdings nur Aberglaube ist oder tatsächlich auf irgendwelchen Tatsachen beruht, kann ich nicht sagen.“ „Na toll!“, meint Kagome verstimmt, „Lass das bloß nicht Inu Yasha hören, sonst macht er wieder einen tierischen Aufstand!“ „Es tut mir leid!“, sagt Tenmaru und mit einer raschen Bewegung kommt er auf die Füße, „Ich muss an die frische Luft!“ Mit diesen Worten verlässt er den Raum und lässt eine kleine, verdutzt guckende Menschengruppe hinter sich. „Der hat es ja eilig!“, meint Shippo. „Weil du deine Klappe nicht halten kannst!“, meint Sango ärgerlich. „Wahrscheinlich weiß er es und will es nur nicht wahrhaben“, vermutet Miroku. „Der arme Kerl!“, meint Kagome, „Irgendwie kann er einem leid tun. Wenn er diesen Mythos glaubt, dann ist es verständlich, warum er sich einredet, dass es nicht so ist.“ „Wer weiß, ob es ein Mythos ist“, gibt Sango zu bedenken, „Immerhin haben wir in unserem Dorf auch schon davon gehört.“ „Ach, das glaube ich einfach nicht!“, behauptet Kagome fest, „Er ist ein anständiger Kerl! Vielleicht etwas schüchtern, aber ziemlich stark. Da kann mir keiner sagen, er würde nichts taugen!“ „Vielleicht beurteilen Youkais das etwas anders“, stellt Miroku die Vermutung an, „Was meinst du, Shippo?“ „Ich?“, fragt der kleine Fuchs überrumpelt. „Ja, du bist doch auch ein Youkai“, meint Sango, „Ist da etwas dran an der Behauptung?“ Shippo kratzt sich am Kopf: „Weiß nicht, ich hab davon noch nichts gehört. Mein Papa und meine Mama haben zwar nicht zusammen gewohnt, aber ich glaube schon, dass sie sich lieb hatten und mich stört das nicht! Könnte mir höchstens vorstellen, dass bei den Hunden die Ehen abgesprochen werden, damit viele, starke Kinder dabei rauskommen. Wahrscheinlich werden die richtig gezüchtet! Wenn sich dann einer verguckt, heißt das vielleicht, dass er nicht den richtigen Partner abgekriegt hat!“ Groß schauen sie den kleinen Kitsune an. „Shippo, das ist gar keine so dumme Idee!“, stellt Miroku fest, „Tenmarus Mutter war schließlich ein Daiyoukai. Wahrscheinlich wäre es eine Schande für sie, einen Partner unter ihrem Stand zu haben, selbst als Ausgestoßene.“ „Kein Wunder, dass Tenmaru es nicht wahrhaben will“, nickt Sango, „So wie er seine Mutter gegen die Beschimpfungen dieses Ostyoukais verteidigt hat, scheint er nichts auf sie kommen lassen zu wollen.“ In Gedanken versunken blickt Kagome zu Boden. „Glaubt ihr, dass Tenmarus Mutter auch so eine betörende Ausstrahlung hatte wie ihr Sohn?“ Verdutzt schauen die anderen sie an. „Das könnte gut sein!“, meint Miroku. Nun blickt Kagome auf: „Vielleicht, möchte Tenmaru nur nicht glauben, dass er das Produkt dieser Lockstoffe ist, die er selbst nicht unter Kontrolle hat.“ Mit trüber Miene schlendert Tenmaru durch die Gänge des Palastes. Er fühlt sich müde. Wann hat das alles endlich ein Ende? „Ach, Tenmaru!“, hört er auf einmal eine piepsende Stimme vor sich auf dem Boden, „Was machst du denn hier auf dem Flur? Ich hoffe du bist nicht auf Ärger aus, jetzt wo Inu Yasha-sama für euch gebürgt hat!“ „Myoga, richtig?“, meint der Streuner verdutzt, „Wo kommst du denn her?“ Der kleine Flohdämon stemmt eines seiner Armpaare in die Seiten. „Direkt von Inu Yasha-sama!“, erklärt er, „Aber er hat mich weggeschickt!“ Ein wenig bekümmert guckt der kleine Floh drein. „Ich soll Kagome ausrichten, dass sie sich keine Sorgen machen braucht! Unter uns gesagt, ich glaube Inu Yasha-sama befürchtet, dass sie ihn wieder besuchen kommt. Er möchte wohl nicht, dass sie Sesshomaru-sama über den Weg läuft. Er hat gerade keine gute Laune und Inu Yasha-sama ist wohl der Meinung, dass Sesshomaru-sama wieder versuchen könnte, ihre Miko-Kräfte für seine Zwecke einzusetzen.“ „Miko-Kräfte?“, fragt Tenmaru verwundert, „Sie ist eine Miko?“ „Ja! Ähm... nein!“, der kleine Floh beginnt etwas zu schwitzen, „Also das ist nicht so einfach zu erklären! Jedenfalls verfügt sie über ein paar außergewöhnliche Kräfte und Sesshomaru-sama weiß wohl davon. Aber ich rede schon wieder zu viel! Wäre besser, wenn Arashitsume-sama nichts davon erfährt, hörst du?“ „Eine Miko also!“, Tenmaru scheint in Gedanken versunken zu sein, „Deshalb fühle ich mich wahrscheinlich so unwohl in ihrer Gegenwart.“ „Hast du mir zugehört?“, hüpft der kleine Floh aufgeregt auf und ab. „Ja, ja!“, meint Tenmaru beiläufig, „Von mir erfährt es niemand! Das wäre... unhöflich!“ Er schmunzelt ein wenig in sich hinein. „Nun gut, also ich werd dann mal weiterhüpfen“, meint Myoga, „Ach, ja, du gestattest sicher!“ Mit diesem Wort hüpft er dem Streuner auf die Schulter und piekt seinen Saugrüssel in die Haut seines Halses ehe Tenmaru auch nur irgendwas sagen kann. Wie erstarrt ist Tenmaru zusammengefahren. Die Sekunden verstreichen und dann löst sich der kleine Floh von ihm. Offene Verwirrung steht dem alten Youkai ins Gesicht geschrieben und er trippelt ein paar Schritte auf Tenmarus Schulter zurück. Nun schaut er dem Streuner mit großen, fassungslosen Augen ins Gesicht. Für einen kurzen Moment bleibt Tenmaru das Herz stehen und ohne, dass er es verhindern kann, beginnt er am ganzen Körper zu zittern. Er weiß es! Ungläubig schaut Myoga zu dem jungen Streuner auf und die Kinnlade fällt ihm runter. „Unmöglich! Ihr...“, doch weiter kommt er nicht. Ein heftiger Schlag von Tenmarus Hand schickt ihn unsanft zu Boden. Völlig panisch, als würde er sich vor einer Spinne ekeln, beginnt der Streuner mit dem Fußballen auf dem kleinen Floh herumzutrampeln. Erst nach einer ganzen Weile lässt er von dem Flohdämon ab und sein Atem geht heftig und stoßweise. Verdammt! Verdammt, verdammt! Das hätte nicht passieren dürfen! Und nun wird ihm auch klar, was er getan hat. Mist verdammter! Rasch kniet er sich zu der winzigen, zerquetschten Gestalt hinunter. Sein Herz schlägt bis zum Hals. Vorsichtig kratzt er das kleine Geschöpf vom Boden auf und schließt die Hand darum. Suchend blickt er sich um. Dort drüben ist der Ausgang zum Kampfplatz. Er öffnet die Tür. Wachsam sieht er sich um, doch hier scheint niemand zu sein. Allmählich beginnt auch die Sonne zu sinken und das Licht lässt langsam nach. Nach nochmaligem Umsehen wagt er es und huscht hinaus ins Freie. So schnell ihn seine Füße tragen, folgt er einem der Steinpfade hinauf in eine der Grünanlagen des Palastes. Nachdem die Gebäude aus seinem Blickfeld verschwunden sind, blickt er sich suchend um. Schließlich sieht er einen kleinen Fluss der sich seinen Weg durch die Felsen bahnt. Noch einmal schaut er sich wachsam um und dann schnippt er den zerquetschten Floh ins Wasser. Nun erst atmet er durch. Der wird ihm nicht mehr gefährlich werden! Noch immer ziemlich aufgewühlt tritt er den Rückweg an. Doch kaum hat er ein paar Schritte gemacht, da stellen sich seine Nackenhaare auf und er erstarrt. „Was für ein Zufall!“, der Klang der körperlosen Stimme hallt zwischen den Bäumen hindurch. Zunächst rührt Tenmaru keinen Muskel, doch dann sinkt er auf die Knie und lässt den Kopf hängen. Seine Kiefer sind fest aufeinander gepresst. „Tenmaru!“, hört er die verhasste Stimme nun auf sich zukommen, „Ich bin etwas überrascht, dich hier zu treffen, doch es soll mir recht sein! Es spart Zeit!“ Arashitsume tritt zwischen den Bäumen hervor. Diesmal lächelt er nicht. Ernst blickt er auf den jungen Streuner herunter. „Was wollt Ihr von mir, edler Fürst?“, quetscht Tenmaru hervor. Ohne Umschweife kommt Arashitsume zum Punkt: „Hast du dir mein Angebot überlegt?“ Nun blickt Tenmaru auf: „Das habe ich!“ Arashitsume hebt die Brauen. „Nun, was ist? Wie lautet deine Entscheidung?“ Fest schaut Tenmaru ihn an. „Tut mir leid, edler Fürst, doch mein Schwur bindet mich noch, ich muss Euer Angebot ablehnen!“ Eine Weile steht der Ostfürst nur schweigend da, doch dann sagt er: „Ich habe es im Guten versucht. Ich habe dir wirklich viel Zeit gelassen und jede Menge Gelegenheiten. Ich hatte wirklich viel Geduld mit dir und das ist nun der Dank?“ Seine Augen bekommen nun einen gefährlichen Purpurschimmer und sein typisches Lächeln ist einer todernsten Miene gewichen. „Du undankbarer, kleiner Bastard! Dir ist wohl noch nicht so ganz deine Situation klar. Nach der kleinen Aktion vorhin, wird Yarinuyuki dich nicht mehr weglassen. Der Hanyou kann dich nicht mehr lange beschützen und Sesshomaru wird es ganz bestimmt nicht tun!“ Nun packt Tenmaru die Wut. „Das hattet Ihr doch so geplant!“, schreit er, „Ihr habt es doch eingefädelt, dass ich dort hin musste!“ „Selbstverständlich!“, sagt Arashitsumes ungerührt, „Glaubst du, ich überlasse das dem Zufall? Ich habe zu lange daran gearbeitet, dich in die Hände zu bekommen, als dass ich dich jetzt noch entwischen lasse. „Ich werde es dir erklären! Ich war der Meinung, dass es leichter für dich wäre, wenn du das Gefühl hättest, die Wahl zu haben. Daran kannst du sehen, wie sehr ich um dein Wohl besorgt war. Doch jetzt ist Schluss damit! Der Spaß ist jetzt vorbei! Du wirst gefälligst tun, was ich dir sage! Für dich gibt es keine Entscheidung und ich glaube, das weißt du auch!“ Zerknirscht blickt Tenmaru zu Boden. Der Ostfürst tritt etwas näher: „Du bist von unschätzbarem Wert für mich! Deine Fähigkeit, die Nordfürstin zu manipulieren, kommt mir nur gelegen und sobald ich dich adoptiert habe, werden wir die Heiratsbedingungen aushandeln“, genüsslich lächelt er auf den bebenden Streuner hinab, „Ich glaube zwar nicht, dass du viel Spaß daran haben wirst, aber das ist ein Opfer, dass ich bereit bin zu bringen!“ „Ich hasse Euch!“, eisig kommen die Worte von Tenmarus Lippen, „Jetzt weiß ich, wie sich meine Mutter damals gefühlt hat als ihr Vater sie verschachert hat!“, wütend blickt er dem Fürst des Ostens direkt ins Gesicht, „Ihr seid keine Spur besser als er! Nein, eigentlich seid Ihr noch viel schlimmer, denn Ihr habt nicht das Geringste daraus gelernt!“ „Was hast du da gerade gesagt?“, kommt die gefährlich unbekümmerte Frage von Arashitsume, „Sag das doch noch mal! Hast du mich gerade angeschrien? Kann das sein?“ Tiefste Verachtung steht nun im Gesicht des Ostfürsten und plötzlich bricht es aus ihm heraus: „Du beleidigst mich? Mich? Du wagst es tatsächlich, mich zu belehren?“, mit diesen Worten tritt er dem jungen Streuner einmal mit aller Kraft ins Gesicht, sodass er sich nach hinten überschlägt und sich ächzend die Nase hält. „Dreckiges, wertloses Gezücht! Ich bin im Grunde noch viel zu gut zu dir! Wo wärst du denn ohne mich? Doch bei dieser miesen, kleinen Schlampe! Und was würdest du da machen? Durch die Gegend rennen, in Höhlen hausen, dich von Abfall ernähren? Verachtet, gehasst, gejagt wo immer ihr hinkommt! Keinen Anspruch auf Rang und Würde. Ich habe dich gerettet, weißt du das eigentlich? Ich biete dir hier eine einmalige Chance und du lehnst ab?“ Wutschnaubend steht Arashitsume über dem Streuner: „Du zögerst nur das Unausweichliche heraus! Der Hanyou wird bald hingerichtet und mit ihm euer gesamtes Pack! Yarinuyuki hat ihre Entscheidung längst getroffen und wenn sich Sesshomaru doch noch querstellt, muss er die Konsequenzen tragen!“ „Was meint Ihr damit?“, Tenmaru hat sich wieder aufgerappelt und hält sich die blutende Nase. Einen kurzen Moment hält Arashitsume inne, dann sagt er gefährlich: „Was kümmert dich das? Mach dir lieber Sorgen um dich selbst! Wenn es zum Krieg kommt, hat Sesshomaru die versammelten Krieger zweier Reiche gegen sich. Welche Chancen rechnest du dir aus, dann noch unter seinem Deckmäntelchen Schutz zu suchen?“ Nun kommt Tenmaru langsam wieder auf die Füße. Ein tödlicher Blick fixiert Arashitsume: „Das war es nicht was Ihr gemeint habt!“ Der Fürst des Ostens weicht seinem Blick nicht aus: „Ich sag es dir noch mal: Du hast im Augenblick völlig andere Sorgen! Wenn du auf deinem aberwitzigen, engstirnigen und sturen Standpunkt beharrst und dich nicht freiwillig fügst, zwingst du mich zu Mitteln, die ich in deinem Interesse lieber vermeiden würde!“ Tenmaru zuckt ein wenig zusammen und die Entschlossenheit in seinem Gesicht nimmt ab. Boshaft behält ihn Arashitsume im Auge: „Ich sehe, wir verstehen uns also! Sicher möchtest du nicht, dass ich ein kleines Pläuschchen mit Sesshomaru halte! Du siehst also, du hast keine Wahl!“ Grimmig beißt Tenmaru die Zähne aufeinander und ballt die Hand so sehr zur Faust, dass das Blut hervortritt. „Ihr seid verachtenswürdig!“, quetscht er hasserfüllt hervor, „Seid ihr wirklich so scharf auf meinen Fluch, dass ihr so weit gehen würdet?“ „Um zu kriegen was ich will, würde ich noch viel weiter gehen!“, sagt Arashitsume kalt. Tenmaru speit etwas blutige Spucke aus. Der Blick, den er Arashitsume zuwirft, könnte Granit spalten. Eine ganze Weile scheint er mit sich zu ringen. Schließlich senkt er resigniert den Blick. „Also gut!“, quetscht er hervor, „Ihr habt gewonnen! Ich werde Euer kleines Werkzeug! Doch dafür sorgt Ihr dafür, dass Inu Yasha-sama nichts geschieht!“ Hart trifft ihn der Blick des Ostfürsten: „Du bist keinesfalls in der Position, Forderungen zu stellen! Bedingungen werden hier nicht erfüllt!“ Ungehalten starrt Tenmaru ihn an: „Warum tut Ihr das? Ich zappele doch schon längst an Eurem Haken! Ich tue doch, was Ihr wollt! Was kann es Euch bringen, ihn trotzdem hinrichten zu lassen?“ „Ich wüsste nicht, was dich das angeht!“, meint Arashitsume verächtlich, „Von mir aus nenne es Unterhaltung! Der Kerl hat mich lächerlich gemacht, das lasse ich nicht ungestraft!“ „Ihr tut das zu Eurem Vergnügen?“, fragt Tenmaru ungläubig, „Ihr riskiert einen Krieg nur so zum Spaß? Was ist wenn Sesshomaru-sama sich doch noch hinter seinen Bruder stellt?“ „Oh, darüber mach ich mir keine Sorgen, und du solltest das auch nicht! Das Kapitel deines Lebens, solltest du hinter dir lassen! Schließlich beginnt nun ein Neues für dich!“ Boshaft blickt Arashitsume ihn an: Ach ja, du bist ja noch immer an deinen Schwur gebunden! Treue der Fürstenfamilie des Westens bis in den Tod!“, meint er theatralisch, „Ich sag dir was: Ein Wort von diesem Gespräch zu einem von denen und der Rat wird alles erfahren!“ Tenmaru schluckt. „Mir bleibt wirklich keine Wahl, oder?“, fragt er tonlos. „Nein!“, sagt Arashitsume nun wieder sanft lächelnd, „Keine!“ „Darf ich... mich wenigstens noch verabschieden?“, kommt die zögerliche Frage. „Was soll dir das bringen?“, fragt Arashitsume spöttisch. Mit bleichem Gesicht schaut Tenmaru auf. „Bitte!“, sagt er leise, „Ich werde auch nichts verraten, ich will es nur... für mich abschließen!“ Verächtlich schnauft Arashitsume auf: „Wenn du so unbedingt willst! Von mir aus! Lauf zu deinen kleinen Streunern und deinen dreckigen Menschenfreunden! Sag ihnen von mir aus Lebe wohl! Verabschiede dich von deinem kümmerlichen Leben, doch dann kommst du zu mir!“ „Danke!“, flüstert Tenmaru und sinkt wieder auf die Knie. Dabei zittert er am ganzen Körper. Noch ein letztes Mal schaut der Fürst des Ostens genüsslich auf den Streuner hinunter, doch dann wendet er sich ab und geht mit geschmeidigen Schritten durch die Nacht davon. Es dauert eine ganze Weile, ehe das Zittern in Tenmarus Gliedmaßen nachlässt. Mit bleichem Gesicht kommt er langsam wieder auf die Füße. Jetzt ist alles aus! Keine Chance mehr! Keine Hoffnung, nur noch schwarze Leere und ein tiefes Loch angefüllt voller Verzweiflung! Tenmaru schluckt schwer, doch der stählerne Knoten in seiner Kehle will einfach nicht weggehen. Dabei war er seinem Ziel doch schon so nahe gewesen! Wenn doch nur seine verfluchte Gabe nicht wäre! Wäre der Fürst des Ostens tatsächlich bereit, 'noch viel weiter' zu gehen um sein Ziel zu erreichen? Tenmaru hegt keinen Zweifel mehr daran. Alles was noch Inu Yashas Schuldspruch und damit seine Auslieferung an die Nordfürstin verhindern könnte, ist die Entscheidung von Sesshomaru, die wiederum einen Krieg auslösen könnte. Doch Arashitsume schien sich davor kein bisschen zu fürchten. Das kann eigentlich nur eines bedeuten: Er rechnet nicht damit, dass diese Entscheidung jemals gefällt wird! Tenmaru läuft es kalt den Rücken hinunter. Würde er wirklich so weit gehen und einen Fürsten ermorden? Seine Hände beginnen wieder zu zittern. Ja, das würde er! Doch das darf nicht geschehen! Auf keinen Fall! Nicht solange noch ein Fünkchen Leben in ihm ist! Wenn es irgendetwas gibt, mit dem er das verhindern kann, dann wird er das tun! Warum sonst, sollte er sich auf diesen Handel mit Arashitsume einlassen? Warum sollte er ihm sonst die Notwendigkeit dafür entziehen? Wenn Inu Yasha-sama ihn nicht mehr beschützen muss, dann besteht auch kein Grund mehr, ihn zu verurteilen. Nur deshalb will die Fürstin des Nordens seinen Tod. Wird sie sich umstimmen lassen, wenn sie ihr Ziel auch so erreicht? Wieder muss er schlucken. Eigentlich gibt es jetzt nur noch eine Sache zu tun und dieser Gang wird ihm alles abverlangen, was er noch an Mut übrig hat. Diese eine Sache wird sein Schicksal endgültig besiegeln, das weiß er! Diese Entscheidung wird ihn alles kosten, was er noch besitzt und doch bleibt ihm keine andere Wahl. Es gab nie eine! Und der einzige Trost, der ihm noch bleibt, ist die Hoffnung, das Richtige zu tun! Kapitel 32: Tenmarus Tribut --------------------------- Die letzten Lichtstrahlen des Tages versinken hinter dem Gebirge und tauchen den Palastgarten erneut in schummriges Licht. Einmal mehr steht Sesshomaru neben dem kleinen Teich mit den Seerosen und sein Blick geht klar hinauf in die anbrechende Nacht. Keine Regung geht über sein ewigjunges Gesicht, doch wenn man genau hinschaut, liegen erste Anzeichen von dunklen Ringen unter den goldglänzenden Augen. Er genießt die Einsamkeit und das sanfte Rauschen der Bäume um ihn her. Es ist das Einzige, was ihm im Moment noch Ruhe verschaffen kann. Selten zuvor waren seine Gedanken derartig in Aufregung und selten zuvor war eine Situation so kompliziert und vor allem emotionsbehaftet. Vergeblich versucht Sesshomaru alle die Gefühle in ihm, unter Kontrolle zu bringen. Diese Flut an Emotionen ist einfach überwältigend! Immer wieder stellt er sich die Frage, ob das alles zu vermeiden gewesen wäre, wenn der den jungen Streuner gleich getötet hätte. Er hätte es tun sollen! Stattdessen hat er es vorgezogen, ihn zu ignorieren und den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen. Das hat er nun davon! Doch es hilft nicht, über verschüttete Milch zu klagen. Nun muss er mit seiner Entscheidung leben. Sesshomarus Kiefer werden hart. Wie sehr er es doch verabscheut hat, für seinen Bruder Partei zu ergreifen! All die Dinge, die er über ihn sagen musste! Dabei muss er sich eingestehen, dass sein Halbbruder sich erstaunlich gut geschlagen hat, für seine Verhältnisse. Wer hätte gedacht, dass der Bengel außer Kämpfen noch etwas anders kann! Wahrscheinlich war er der Einzige, der das leise Flüstern Myogas im Ohr seines Bruders gehört hat und das auch nur, weil er wusste, dass der Floh da war. Immerhin hat er auf ihn gehört und das Argument, ob die Verfolgung auch gerechtfertigt war, kam sogar von ihm selbst! Im Grunde war das ziemlich geschickt! Und trotzdem hat es ihn Überwindung gekostet, für seinen Bruder einzutreten, wenn er auch damit gerechnet hat, dabei mehr Widerwillen zu empfinden. Soll er es wirklich riskieren und sich für Inu Yashas Unschuld aussprechen? Keiner der anderen Fürsten wird von seiner Entscheidung abrücken und wenn keine Einigung zustande kommt, wird der Rat als gescheitert erklärt. Wenn wenigstens noch ein weiterer der Fürsten sich gegen Inu Yashas Tod ausspräche, dann würden seine Chancen in dem darauf folgenden Krieg besser stehen, doch das ist wohl nicht zu erwarten. Es ist zum verrückt werden! Im Grunde ist es gleich was er tut; Krieg wird es in jedem Fall geben! Hätte er damals gewusst, was einmal daraus werden würde, hätte er den Streuner sicher sofort getötet, höchstwahrscheinlich! In diesem Augenblick horcht der Fürst des Westens auf. Hinter sich vernimmt er kaum hörbare Schritte auf dem Gras und unwillkürlich ballt er die Hand zur Faust. Mit zögernden Schritten nähert sich Tenmaru der hochgewachsenen Gestalt am Teich, die ihm den Rücken zugewandt hat und ihn zu ignorieren scheint. Sein Herz klopft bis zum Hals und immer wieder muss er sich auf die Lippen beißen, damit sie nicht unkonntrolliert zucken. So behutsam wie möglich kommt er näher und als ihn noch etwa fünf Meter von dem Youkaifürsten trennen, sinkt er rasch auf die Knie und presst zitternd seine Stirn auf den Erdboden. Es vergeht eine ganze Weile, in der von dem weißhaarigen Youkai keine Reaktion kommt. Schließlich wagt Tenmaru, ihn anzusprechen: „Mei... mein Fürst?“ Noch immer reagiert Sesshomaru nicht. „Bitte! Mein Fürst, darf ich das Wort an Euch richten?“, versucht der junge Streuner es erneut. Wieder schweigt der Youkaifürst. Tenmaru beschließt dies als ein 'Ja' aufzufassen. Er schluckt noch einmal schwer dann sagt er: „Mir ist klar, dass Ihr mich nicht sehen wollt...“ „Dann verschwinde!“, sagt Sesshomaru emotionslos. Tenmaru ballt die Hände zur Faust: „Das werde ich, mein Fürst! Doch ich bitte Euch, mich anzuhören!“ Sehr langsam dreht sich nun Sesshomaru zu ihm um und blickt auf ihn hinunter. „Hast du nicht schon genug Schaden angerichtet?“, fragt er. „Das war nicht meine Absicht!“, beteuert Tenmaru, „Doch ich bin entschlossen, es wieder gut zu machen, soweit mir das möglich ist!“ Schweigend mustert Sesshomaru ihn. „Erkläre mir das!“, sagt er. Nun blickt Tenmaru leicht auf. Sein Gesicht ist blass. „Ich bereue den Wirbel den ich verursacht habe. Ich habe Euch damit in eine sehr missliche Lage gebracht! Nur wegen mir wird es wahrscheinlich zum Krieg kommen. Ich verstehe nun, warum ihr mich für nutzlos haltet. Ich habe Euch schwer enttäuscht!“ Wieder beißt er sich auf die Lippen. „Und jetzt willst du mir dein Leben als Wiedergutmachung anbieten?“, fragt Sesshomaru hart, „Glaubst du, das würde jetzt noch irgendetwas ändern? Mit deinem Tod ist nun auch keinem mehr geholfen! Nachdem Fürstin Yarinuyuki einmal deiner Witterung ausgesetzt war, wird sie alles tun, um dich in die Finger zu bekommen. Dein Tod bringt mir nun eher Schaden als Nutzen. Aber vielleicht ist dir der Tod ja lieber, als ein Leben lang im Sklavenstand. Wahrscheinlich wäre es für dich eine Erlösung, wenn ich deinem Leben ein Ende setzen würde. Lieber den Tod als die Schande, ist es nicht so? Doch das werde ich nicht tun! Ich werde nicht zulassen, dass du dich aus der Verantwortung davonstiehlst.“ Tenmaru atmet einmal schwer ein und aus. Dann hebt er den Kopf und blickt den Fürsten des Westens direkt an. „Das habe ich auch gar nicht vor, mein Fürst!“ Sesshomaru hebt leicht die Brauen: „So?“ Tenmaru schluckt erneut den schweren Kloß in seinem Hals herunter, dann wird sein Blick fest: „Ich habe mich entschlossen, mich Yarinuyuki auszuliefern! Soll sie mit mir machen, was sie will! Es ist mir gleich! Aber vielleicht sieht sie dann keine Notwendigkeit mehr, Euren Bruder zu verurteilen und es muss nicht zum Krieg kommen. Ich glaube nicht, dass Arashitsume es riskieren wird, sich gleich mit zwei Reichen anzulegen.“ Sesshomarus Blick wird nun schmal: „Was führst du im Schilde? Ich glaube nicht, dass du das aus so selbstlosen Motiven tust. Du hättest mir das doch gar nicht erzählen brauchen. Also sag schon, was willst du? Warum bist du zu mir gekommen?“ Nun senkt Tenmaru den Blick und man sieht ihm an, wie sehr er um seine Fassung ringt unter den durchdringenden, kaltgoldenen Augen des Westfürstens. Als er wieder aufblickt ist sein Gesicht leichenblass. „Ich weiß, was Ihr von mir denkt“, seine Stimme ist kaum noch ein Flüstern, „Doch ich erwarte gar nichts von Euch! Nicht mehr! Nur noch eine letzte Sache erbitte ich von Euch!“ „Und die wäre?“, Sesshomarus Stimme hat Grabeskälte. Eine schmerzliche Seelenqual liegt nun auf Tenmarus Gesicht als er sagt: „Bitte entlasst mich aus meinem Schwur!“ Sesshomarus Augen fliegen auf. „Was?“, fragt er ungläubig. „Ich habe der Fürstenfamilie des Westens ewige Treue geschworen“, sagt Tenmaru leise, „Ich habe es vielleicht nicht immer verstanden, aber es war eines der wenigen Dinge in meinem Leben, die ich mit vollem Herzen gelebt habe. Auch wenn es nicht immer leicht war, hat es mich... glücklich gemacht! Ich bedauere, dass ich Euch so wenig zu Diensten sein konnte! Ich hätte es mit Freuden getan, doch ich verstehe nun, dass das niemals passieren wird! „Wenn auch nur für diesen einen kurzen Befehl, den Ihr mir gabt, so war es mir doch eine Ehre, Euch zu dienen! Ich kenne Euch noch nicht sehr lange doch ich... schätze Euch sehr! Zu sehr, als dass ich es über mich bringen könnte, meinen Schwur, Euch gegenüber zu brechen, wenn ich im Dienste von Yarinuyuki möglicherweise dazu gezwungen bin. Deshalb bitte ich Euch: Gebt mich aus meinem Schwur frei, damit ich nicht eidbrüchig werde, wenn ich im Dienst der Nordfürstin stehe! Nur Ihr könnt das tun, denn Ihr seid das Oberhaupt Eurer Familie. Gewährt mir nur diese Bitte und dann werdet Ihr mich niemals wiedersehen!“ Er verstummt. Eine ganze Weile sagt Sesshomaru kein Wort sondern er mustert den jungen Streuner nur mit einem unergründlichen Blick. Dann sagt er: „Ist das alles, was du willst?“ Tenmaru nickt: „Ja, mein Fürst! Das ist alles!“ „Bist du dir sicher?“, kommt noch einmal die scharfe Frage. Tenmarus Lippen beben und sein Gesicht ist aschfahl. „Ja!“, haucht er tonlos. Noch immer liegt Sesshomarus Blick schwer auf ihm. Dann wendet sich der Westfürst ab. „In Ordnung! Du sollst deinen Willen haben! Hiermit entlasse ich dich aus dem Schwur, der von dir Treue zur Fürstenfamilie des Westens fordert! Tu mit deiner neuen Freiheit was du willst!“ „Danke!“, flüstert Tenmaru und dann kommt er langsam wieder auf die Füße. Schon will er sich abwenden, doch dann zögert er. Noch immer nagt da etwas an seiner Seele. „Mein Fürst?“, wagt er noch einmal vorsichtig zu fragen. „Ich bin nicht länger dein Fürst!“, kommt die ruhige Antwort. Tenmaru beißt sich schmerzhaft auf die Lippen. „Ich... ich wollte Euch nur noch warnen!“ Keine Reaktion. Mit allem verbliebenen Mut ringt er sich zu den Worte durch die ihm nur schwer über die Lippen wollen: „Arashitsume hat vor Euch zu töten!“ Zunächst herrscht Schweigen. „Hat er das gesagt?“, kommt die ungerührte Frage. Tenmaru senkt den Blick: „Nein, nicht direkt, aber ich weiß es! Er hasst Euch!“ „Das weiß ich!“, kommt die kühle Antwort, „Wenn du keine Beweise hast, erspare mir deinen Anschuldigungen!“ Wie betäubt steht Tenmaru da. Er hat es immerhin versucht. Mehr kann er nicht tun. Noch immer zögernd wendet er sich nun ab und nachdem er noch einen letzten Blick auf den Rücken des Fürsten geworfen hat, dreht er sich um und verschwindet zwischen den Bäumen. Sesshomaru hat keinen Muskel gerührt. Doch nun ballt er hart die Hand zur Faust und er bemerkt nicht einmal das Blut, dass ihm dabei über die Finger läuft. „Verdammt!“, murmelt er. Ohne darauf zu achten wohin ihn seine Füße tragen, läuft der junge Streuner durch die Gänge des Palastes. Niemand begegnet ihm, doch er würde es auch nicht bemerken. Alles was er will, ist, so weit wie möglich wegzukommen! Ohne es zu merken, schlägt er den Weg zum Kampfplatz ein. Er läuft was seine Lungen hergeben um den stechenden Schmerz in seiner Brust zu betäuben. Den Kampfplatz hat er nun passiert und wieder biegt er auf einen Weg in die riesige Parkanlage ein. Kalt rauscht die abendliche Luft in seinen Lungen, doch auch das reicht noch nicht aus. Schließlich bleibt er keuchend stehen. Sein Herz pocht heftig gegen seine Rippen und urplötzlich spürt er einen unaussprechlichen Druck in seiner Brust. Tief atmet er ein und dann mit einem verzweifelten Schrei, stößt er seinen Schmerz und seinen Kummer in die kühle Abendluft hinaus in der Hoffnung, dass es ihm irgendwie Erleichterung verschaffen würde. Doch der Klang dieses leidgepeinigten Geräusches hallt nur ungehört von den Felsen wieder und dann kehrt wieder Stille um ihn ein. Grenzenlose Hoffnungslosigkeit überfällt Tenmaru nun und ehe er merkt, wie ihm geschieht, knicken ihm die Knie ein und er fällt kraftlos hinab ins feuchte Gras. Mit regloser Miene blickt er hinauf in den Abendhimmel, auf dem schon die ersten Sterne erschienen sind. Sie sehen seltsam verschwommen aus, doch das wird wohl an der unstillbaren Flut aus Tränen liegen, die in stillen, heißen Bächen über sein Gesicht laufen. Über die Gedenkstätte der verstorbenen Fürsten senkt sich die Nacht. Andächtig steht der Streuner Raiuko vor den großen, schwarzen Steinen und hängt seinen Gedanken hinterher. Schon mehrere Stunden hat er auf diese Weise verbracht und dabei nicht einmal das Voranschreiten der Zeit bemerkt. Seinen Anführer hat er schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Er hat es vorgezogen, hierzubleiben und seiner gefallenen Kameraden zu gedenken. Raihone!, grollt er innerlich, diese verlauste Brut wird mit deinem Tod nicht ungeschoren davon kommen, das schwöre ich dir! Du wolltest mich beschützen, doch gleich drei von ihnen, waren einfach zu viel für dich! Wenn ich jemals die dreckige Visage von dem Köter wiedersehe, der dir das Herz herausgerissen hat, dann kann der sich auf was gefasst machen! Ich werde ihn bei lebendigem Leibe in winzig kleine Teile brechen! Dieses feige Nordpack! Halten sich für was Besseres, nur weil sie noch einem Clan angehören! Sie glauben, das gibt ihnen das Recht, uns jederzeit abschlachten zu können! Das macht mich ganz krank! Aber auch ich bin mal Soldat der Ehrengarde gewesen! Die sollen mich bloß nicht unterschätzen, das würden sie bitterlichst bereuen! Stumm steht er da und blickt auf einen der beiden kleinen, weißen Monolithen an der Seite. Ehrwürdiger Hankou-sama, was würdet Ihr heute sagen, wenn Ihr sehen würdet, wie es Euren Nachkommen ergeht; wie wenig sie noch geachtet sind? Würde Euch erneut die Wut packen? Mit Sicherheit! Ihr würdet dieses unwürdige Nordgezücht persönlich in der Luft zerreißen! Ich wünschte inniglichst, dass ich Eurem Andenken einmal Ehre machen kann! In diesem Moment vernimmt Raiuko ein Geräusch über sich und alarmiert schaut er hinauf zu den zerklüffteten Felsen. Irgendetwas, oder irgendjemand stürzt gerade von dort auf ihn hinab. Schon ist Raiuko bereit zum Sprung; auf seine Reflexe ist Verlass. Doch urplötzlich reißt er die Augen auf und im letzten Moment entscheidet er sich doch anders und statt auszuweichen, streckt er nun die Arme aus, um die herabstürzende Gestalt vor einem heftigen und sicherlich schmerzhaften Aufprall zu bewahren. Mit kräftigen Armen fängt er ihren Sturz ab und behutsam lässt er die Person zu Boden sinken. „Kossoridoku!“, ruft er irritiert aus, „Was zum Teufel machst du denn hier?“ Heftig keuchend setzt sich der Streuner aus dem Westreich nun auf. Sein Gesicht ist bleich und seine Augen haben eine etwas wässrige Farbe. Mit etwas Mühe stützt er sich auf seine Arme. „Raiuko!“, meint er schwach, „Also habe ich mich doch nicht getäuscht.“ Fassungslos starrt der zierliche Ostyoukai ihn an: „Wie kommst du denn hierher?“, nun fällt sein Blick auf einen großen, dunklen Fleck an der Seite seines Kimonos, „Ist das Blut? Wer hat dich denn so zugerichtet? Du siehst je echt beschissen aus!“ Der hagere Westyoukai lächelt schwach: „Dreimal darfst du raten! Diese elenden Kita-aitsu haben mich in die Finger bekommen!“ Vorsichtig lüftet er die linke Hälfte seines Kimonos und entblößt eine große, klaffende Wunde die aber bereits aufgehört hat zu bluten. „Sie haben mich ziemlich fertig gemacht, doch dann nahmen sie zum Glück an, dass sie mich erledigt hatten“, schildert Kossoridoku, „Nachdem sie dann abgezogen waren, bin ich leise weggeschlichen. Ich hab euch dann gesucht, aber erst eben hab ich durch reinen Zufall deine Witterung aufgeschnappt. Sind die anderen auch hier? Hat jemand überlebt?“ Raiuko beißt die Zähne zusammen. „Yaeba und Tenmaru sind auch hier, aber die Kita-aitsu... haben Raihone umgebracht!“ Betroffen nickt der Westyoukai: „Das tut mir leid! Und was aus den anderen geworden ist, weißt du nicht?“ Verbissen schüttelt Raiuko den Kopf : „Nein, seit wir im Schlepptau von diesem Hanyou hängen, habe ich keinen von den anderen mehr gesehen?“ „Was für ein Hanyou?“, fragt Kossoridoku verwundert. „Richtig, das kannst du ja nicht wissen!“, meint Raiuko, „Du wirst es nicht glauben, aber gerade in diesem Augenblick wird dem Halbbruder von deinem ehemaligen Fürsten der Prozess gemacht!“ Erstaunt blickt Kossoridoku auf: „Inu Yasha-ouji ist hier? Was hat das denn zu bedeuten?“ Raiuko seufzt. „Das ist eine lange Geschichte! Ich erzähl sie dir nachher. Erstmal sollten wir Yaeba suchen und ihm sagen, dass du auch noch lebst“, mit einem Blick auf die Verletzungen seines Kameraden, „so gerade noch!“ Mit kräftigem Griff zieht der schmächtige Ostyoukai seinen Kameraden auf die Füße. „Ich kann es noch gar nicht fassen, dass du uns ausgerechnet hier gefunden hast. Dir ist schon klar, wo du dich befindest, oder?“ Ahnungslos blickt Kossoridoku ihn an: „Nein, wo denn?“ Raiuko verdreht die Augen: „Ist das zu fassen? Du dringst in die Schlossanlage des Ostfürsten ein und merkst es noch nicht einmal!“ Verblüfft reißt Kossoridoku die Augen auf: „Ist das dein Ernst? Das hier ist der Ostpalast? Das habe ich gar nicht gemerkt, mir war im Grunde alles recht, um meine Verfolger abzuschütteln und darum bin ich einfach so schnell, wie mir noch möglich war, über den nächsten Gipfel geklettert. Dich hab ich dann nur durch Zufall bemerkt.“ Raiuko ist hellhörig geworden. „Was für Verfolger?“ „Na, die Kita-aitsu!“, meint der Westyoukai unverblümt, „In dieser Gegend wimmelt es nur so von ihnen! Offenbar hat Yarinuyuki ihr gesamtes Heer mitgebracht. Sie lagern draußen vor den Felsen.“ Raiuko reißt die Augen auf: „Was?“ „Ja“, meint Kossoridoku, „Jede Menge kleine Grüppchen. Jetzt weiß ich auch, wovon sie gesprochen haben, als ich vorbeigeschlichen bin. Sie haben sich damit gebrüstet, einen von uns erledigt zu haben. Nannten ihn einen winselnden Schwächling!“ Nun schaut der Westyoukai zu seinem Kameraden hinüber und stutzt. Raiuko steht da wie zur Salzsäule erstarrt. Sie Fäuste sind geballt und seine Augen leuchten in einem gefährlichen Violett. Wütend fletscht er die Zähne. „Das haben sie gesagt, ja? Die elenden Bastarde, die meinen Bruder getötet haben, lagern hier in der Nähe des Ostschlosses und wagen es dann noch solche Reden zu schwingen? Die mach ich alle!“ Tödliche Entschlossenheit zeichnet das Gesicht des zierlichen Streuners und noch ehe Kossoridoku reagieren kann, ist der wütende Ostyoukai wie von der Sehne geschossen, losgesprungen und mit nur wenigen Sätzen hat er schon den Gipfel der Felsen erreicht und verschwindet aus seinem Blickfeld. Wortlos schaut Kossoridoku ihm nach. Dann auf einmal wendet er den Kopf. Hinter ihm ist gerade jemand aufgetaucht. „Kossoridoku! Du hier?“ „Yaeba!“, meint der Westyoukai nun, „Ja, ich hab es gerade noch bis hierher geschafft!“ Der Anführer der Streuner wirft einen Blick hinauf zu den Felsen. „War das gerade Raiuko? Ich hab ihn schon die ganze Zeit gesucht. Wo will er denn hin?“ Der Westyoukai zuckt mit den Achseln: „Vermutlich seinen Bruder rächen, jetzt wo die Kita-aitsu direkt hinter den Felsen lagern.“ Zunächst blickt in Yaeba nur ungläubig an, doch dann verfinstert sich seine Miene. „Oh nein, verdammt!“, brummt er, „Dieser Idiot!“ Verständnislos schaut Kossoridoku ihn an: „Gibt es da ein Problem? Wir können doch froh sein, wenn er ein paar von denen mit ins Jenseits nimmt.“ „Halt die Klappe! Du hast keine Ahnung!“, schimpft Yaeba, „Das könnte ein echtes Problem werden. Ich muss ihn sofort zurückholen, ehe er noch alles verdirbt!“ „Worum geht es eigentlich?“, fragt Kossoridoku irritiert. „Keine Zeit jetzt dafür!“, meint Yaeba unwirsch, „Ich muss ihn schnell einholen. Du gehst am besten runter zum Palast! Folge einfach meiner Witterung, dann findest du auch das Quartier wo Tenmaru und die anderen untergebracht sind. Er soll dir alles erklären! Und sag auf keinen Fall ein Wort darüber zu Inu Yasha, bis ich wieder da bin!“ Mit diesen Worten stößt sich der kräftige Streuner ab und kurz darauf ist auch er hinter den Felsen verschwunden. Eine kleine Weile blickt der Streuner aus dem Westen ihm noch hinterher, doch dann wendet er sich ab und mit etwas weniger eleganten Schritten als gewöhnlich folgt er dem gepflasterten Weg hinab zu den Palastgebäuden. Kapitel 33: Unvermeidlich ------------------------- Damals an der Grenze zum Nordreich... „Da drüben ist sie!“, Hanakis schlanke Hand zeigt in die entsprechende Richtung, „Das ist die Grenze zum Norden.“ Sesshomarus Blick folgt ihrem Finger. Sie weist auf eine karge Felsenkette ein Stück entfernt. „Das weiß ich“, sagt er ruhig, „Ich kenne den Weg.“ „Natürlich, wie dumm von mir!“, meint sie pikiert. Ohne ein Wort geht Sesshomaru weiter und sie folgt ihm. Je näher sie den Felsen kommen, desto unruhiger wird Yaeba. Sein Nacken ist angespannt und er lässt den Blick ständig über die Gegend streifen. Schließlich haben sie die Felsformation erreicht. Ein schmaler Trampelpfad führt hinauf, doch Sesshomaru beachtet ihn erst gar nicht. Mit einem sanften Tritt stößt er sich vom Boden ab und ohne einen größeren Gedanken daran zu verschwenden, schwebt er elegant an der Felswand empor. Es ist für ihn beinah so selbstverständlich wie Atmen. Ärgerlich blickt Yaeba ihm hinterher, doch Hanaki schmunzelt nur nachsichtig und mit einem geschmeidigen Schwung tut sie es ihm gleich. „Warte bitte hier, Yaeba!“, wendet sie sich noch einmal an ihren Befehlshaber, „Ich verbiete dir auch nur einen Fuß auf nördlichen Boden zu setzen, ist das klar?“ Zerknirscht schaut Yaeba sie an. Dann nickt er, doch man merkt, dass er es nur äußerst widerwillig tut. Leicht wie eine Feder schwebt die Anführerin der Streuner die Klippe hinauf und setzt kurze Zeit später ein paar Schritte von Sesshomaru entfernt wieder auf. „Glaubst du, er gehorcht dir?“, kommt die Frage von Sesshomaru. „Ich will es hoffen, für ihn“, erwidert Hanaki ironisch. Der junge Fürst des Westens beschließt, darauf nichts zu erwidern und setzt ohne Umschweife seinen Weg fort. „Habt Ihr Euch inzwischen überlegt, wie Ihr Inu Taihyouga gegenübertreten wollt?“ Sesshomaru beißt die Kiefer aufeinander. Seit Tagen nervt sie ihn nun schon damit. „Das ist meine Sache!“, stellt er einmal mehr klar. Sie zuckt mit den Achseln: „Es war lediglich eine Frage.“ „Wie ich meine Regierungsgeschäfte führe, musst du bitteschön mir überlassen“, meint er gereizt, „Misch dich nicht ein!“ Ihre Schritte hinter ihm verstummen. Sie ist stehengeblieben. „Kann es sein, dass du noch gar keine klare Vorstellung hast?“ Augenblicklich bleibt Sesshomaru wie angewurzelt stehen. Langsam dreht er sich um. „Was hast du gerade gesagt?“, fragt er und seine Stimme zittert vor unterdrückter Wut. Ihre Augen werden schmal, doch sie wiederholt den Satz nicht noch einmal. Nun kommt er auf sie zu. Seine Schritte sind leicht und geschmeidig. Er wirkt wie ein Raubtier auf der Jagd. Nur wenige Zentimeter vor ihr kommt er zum Stehen. Er überragt sie um fast eine halbe Kopflänge und seine Augen glühen gefährlich. „Ich will hoffen, dass ich mich verhört habe!“ Seine Stimme ist leise, doch ein bedrohliches Grollen schwingt in ihr mit, „Hast du mich wirklich gerade geduzt?“ Trotzig reckt sie das Kinn: „Und wenn es so wäre?“ Ein bedrohliches Knurren dringt aus seiner Kehle. „Ich habe lange Zeit Geduld mit dir und Deinesgleichen gehabt, Streunerin! Ich habe dir deine Eskapaden lange genug durchgehen lassen. Ziehe bloß keine falschen Schlüsse! Nur weil ich nicht mit dir umgegangen bin, wie man es erwartet hätte, bedeutet das nicht, dass ich dir alles durchgehen lasse. Ich bin Sesshomaru, Sohn des Inu Taishou, Fürst des Westens und du bist nur ein Streuner, also erwarte ich gefälligst auch, dass du mir den angebrachten Respekt entgegenbringst!“ Zunächst hat sie ihm nur trotzig in sein wütendes Gesicht geblickt, doch nun verfinstert sich ihre Miene und sie richtet sich zu ihrer vollen Größe auf. Nur wenige Zentimeter trennen die beiden noch und die eisige Spannung die sich plötzlich zwischen ihnen aufgebaut hat, ist beinah greifbar. „Spiel dich bloß nicht so auf!“, sagt sie ärgerlich und ein eisiger Blick trifft Sesshomaru, „Du solltest dich mal hören! Du redest schon genau so wie Arashitsume! Dein Rang, deine Abstammung, Respekt! Ist das alles woran du denken kannst? Glaubst du, wir sollten dir auf Knien danken, weil der große Sesshomaru sich dazu herabgelassen hat, uns mit seiner Anwesenheit zu beehren?“, ihre Worte triefen vor Sarkasmus, „Ich sag dir mal was, so funktioniert das nicht! Man kann Respekt nicht einfach einfordern, man muss ihn sich verdienen! Wenn du das nicht begreifst, wirst du immer ein Knabe bleiben!“ Kaum sind die giftigen Worte verhallt, fällt Hanakis Blick auf Sesshomaru und unwillkürlich verpufft ihr Zorn. Der junge Youkaifürst starrt sie wie vom Donner gerührt an. Seine Miene ist von Fassungslosigkeit gezeichnet. Sesshomaru schluckt innerlich schwer. Etwas schnürt ihm gerade schmerzhaft die Luft ab und diesmal ist es nicht allein ihre betörende Ausstrahlung. Ihre Worte gerade haben ihn wie gnadenlose Schläge getroffen und irgendetwas ist dabei wie ein Kartenhaus zusammengefallen. Er findet keine Worte für all das, was ihm gerade durch den Sinn geht. Wie kann sie so etwas nur sagen? Er hat ihr doch überhaupt nichts getan, obwohl es sicher jedermann erwartet hätte. Besonders Arashitsume. Warum, zum Teufel, vergleicht sie ihn mit Ihm? Allein der Gedanke, er könnte etwas mit dem Fürsten des Ostens gemeinsam haben, lässt seinen Magen aufbegehren. Er hat Besseres verdient als das! Weder hat er sie angegriffen, noch einen ihrer Leute. Er ließ ihr die Verfügungsgewalt über ihr Rudel und akzeptierte ihre Autorität. Er hat sich nicht in ihren Führungsstil eingemischt oder ihr irgendwelche Ultimaten gestellt. Er hat viel mehr Zeit als nötig mit den Streunern verbracht und dafür seine Pflichten vernachlässigt. Ja, verdammt, er hat sich sogar mit ihr ausgiebig unterhalten und er hat sogar Interesse an ihren Ansichten gezeigt. Er hat sie beinah schon als Gleichrangige behandelt! Ist es da wirklich zu viel verlangt, auf das höfliche „Ihr“ zu bestehen? Ihre Worte treffen ihn härter, als er es für möglich gehalten hat. Einen Knaben sieht sie in ihm? Mehr nicht? Er hat völlig versagt und zwar auf ganzer Linie! Das alles war ein riesiger Fehler! Schon Arashitsume hat ihn nicht ernst genommen und seine größte Sorge war Inu Taihyouga. Doch noch nicht einmal die ranglosen Streuner respektieren ihn. Mit Hass hätte er gerechnet, doch mit solcher Geringschätzigkeit nicht. Soll das bedeuten, dass er nicht in der Lage ist, seine Aufgabe als Fürst des Westens zu erfüllen? Wird er sein Reich im Stich lassen und seinen Schwur brechen? War das alles hier umsonst? Oh, Chichi-ue, wie sehr könnte ich jetzt Euren Rat gebrauchen und Euren Beistand. Warum musstet Ihr sterben? Warum habt Ihr euer Reich im Stich gelassen? Warum habt Ihr mich mit dieser erdrückenden Bürde im Stich gelassen? Sagt mir, was ich tun soll! Doch da ist keine Antwort und er spürt, dass er alleine ist. Nun ist er der Fürst und er wird die Entscheidungen treffen müssen. Niemand kann ihm das abnehmen. Eine eisige Kälte greift nach seinem heftig pochenden Herz und eine urplötzliche Traurigkeit überkommt ihn. Ratlos schaut er die Streunerin an und dann weicht er ein paar Schritte zurück. Das Leid in seinem Gesicht ist nicht zu übersehen. Verständnislos mustert Hanaki ihn. Seine Miene ist schwer zu deuten, doch Ärger zeigt sie nicht länger und das überrascht sie. Schweigend blickt er sie an. Nach einer ganzen Weile sagt er leise: „Was soll ich denn noch tun?“ Er scheint schwer mit den Worten zu kämpfen. „Bist du eigentlich niemals zufrieden? Was verlangst du denn noch? Deine Leute sind auf dich angewiesen, ihr Respekt ist dir sicher. Aber glaubst du wirklich, irgendjemand hätte dir in den vergangenen Tagen mehr Respekt entgegengebracht, als ich? Sag mir, wer spielt sich hier auf?“ Hanakis Gesichtszüge entgleisen. Sprachlos schaut sie ihn an. Nie hätte sie erwartet, dass er sich diese Worte so sehr zu Herzen nehmen würde, so sehr ist sie daran gewöhnt, ihren Standpunkt verteidigen zu müssen. Doch nun wo sie darüber nachdenkt, wird ihr klar, dass der Fürst des Westens von Anfang an, Nachsicht mit ihr hatte. Ihr wird nur zu schmerzlich bewusst, dass ihre Ansichten eine extreme Ausnahme darstellen, und sein Verhalten ihr gegenüber bei weitem keine Selbstverständlichkeit ist. Betreten senkt sie den Blick. Sie und ihre verfluchte Impulsivität! Warum musste sie gerade den Einzigen verärgern, der für sie Verständnis gezeigt hat? Irgendwie muss sie das wieder gut machen. Vor Sesshomarus Augen sinkt sie nun auf die Knie hinunter und neigt den Kopf. „Bitte, verzeiht mir, Sesshomaru-sama. Mein Verhalten war ungebührlich. Ich habe mir mehr herausgenommen, als mir zustand!“ Schweigend blickt Sesshomaru auf sie herab. Dann wendet er sich müde ab: „Komm wieder hoch! Jetzt brauchst du das auch nicht mehr zu tun!“ Mit bekümmerter Miene schaut sie ihm hinterher. Sie hat ihn verletzt! Das hat sie nicht gewollt. Langsam kommt sie wieder auf die Füße. „Sesshomaru-sama, ich...“ Doch weiter kommt sie nicht. Schlagartig hält sie inne und prüft angespannt die Luft. Auch Sesshomaru ist erstarrt. Wachsam sieht er sich um. Doch nur Sekundenbruchteile später springt er geschickt zur Seite, denn dort wo er gerade stand, bohrt sich ein gewaltiger Eiskegel in den Boden und friert das Gras in zwei Meter Umkreis ein. „Kita-aitsu!“, grollt er. Da sind sie auch schon! Aus den umliegenden Bäumen und zwischen den Büschen hervor kommen jetzt eine große Anzahl grimmig dreinblickender Youkais hervor. Alle sind sie gut gerüstet und bewaffnet. Einer von ihnen tritt nun hervor, offenbar ist er der Befehlshaber. Ärgerlich schaut er Sesshomaru an und ohne weitere Umschweife kommt er zum Thema: „Fürst Sesshomaru, was wollt Ihr hier? Wieso kommt Ihr ohne Ankündigung in Fürst Inu Taihyougas Revier und warum ist Sie auch hier? Was hat diese dreckige Verräterin hier verloren?“ Wut köchelt in dem Youkai und Sesshomaru erkennt, dass er vor Wut fast bebt. Seine Miene verfinstert sich nun ebenfalls. Diese Kita-aitsu kommen ihm gerade gelegen! Irgendwie braucht er ein Ventil für diese ganzen verwirrenden Gefühle und er ist irgendwie froh darüber, dass er hier nicht willkommen geheißen wird. „Geh mir sofort aus dem Weg, Kita-aitsu!“, grollt er und seine Reißzähne schieben sich unter seinen Lippen hervor, „Was ich hier will, geht dich nicht das Geringste an! Wenn du nicht den Weg freigibst, werde ich jeden einzelnen von euch töten und es wird mir ein Vergnügen sein.“ Nun bleckt der Youkai unverhohlen die Zähne. „Wenn Ihr es so wollt!“, ruft er grimmig und dann wendet er sich an seine Leute, „Macht sie nieder! Reist sie in Stücke!“ Darauf hat Sesshomaru nur gewartet. Seine Augen beginnen gefährlich rot zu leuchten und nun bleckt auch er die Zähne. Von einem Moment auf den anderen stößt er sich ab und stürmt den angreifenden Youkais entgegen, die sich mit wütendem Kampfschrei auf ihn stürzen. Die meisten von ihnen tragen lange Speere oder mächtige Kettenwaffen mit scharfen Klingen. Mit lautem Schrei greifen sie den Westfürsten an. Schon haben die ersten drei ihn erreicht und mit grimmiger Wut schießen die drei Speere auf seine empfindlichen Punkte zu. Doch Sesshomaru braucht sich nur ein wenig zur Seite drehen um den Waffen auszuweichen. Blitzartig geht seine erhobene Klaue nieder und fällt gleich die ersten drei auf einen Schlag. Sofort dreht er sich um, denn schon sind die nächsten fünf an ihm dran. Mit einer geschmeidigen Wendung springt er aus dem Weg und die Waffen treffen ins Leere. Nur zwei Hiebe später, liegen auch diese fünf schmerzhaft entstellt am Boden. Grüner Nebel dringt aus Sesshomarus Klauenspitzen und sein Gesicht mit den purpurnen Streifen ist grimmig verzerrt. Ruckartig geht sein Kopf herum als er eine Bewegung wahrnimmt. Dort drüben kämpfen vier Youkais mit Hanaki. Jedes Mal wenn ihre Waffen die Erde berühren, schießen gigantische Eiskegel aus dem Boden und versuchen alles was sich über ihnen befindet, aufzuspießen. Zwar kann die Streunerin ihnen mit Leichtigkeit ausweichen, doch ihre Angreifer sind hartnäckig. Sie lassen sich weder abschütteln noch vertreiben. Mit der Grimmigkeit eines Bluthundes hängen sie an ihren Fersen und versuchen mit allen Mitteln, sie fest zunageln. Doch gerade im Augenblick, kann Sesshomaru ihr nicht seine volle Aufmerksamkeit widmen, denn nun tritt ihm der Befehlshaber entgegen, zusammen mit weiteren sechs Nordyoukais. Mit Kraft schwingt er einen gewaltigen Kettenkreisel über seinem Kopf und von einer Sekunde zur nächsten springt er mit wildem Kampfschrei auf Sesshomaru zu. Unter ohrenbetäubendem Krachen schlägt das Metallrad mit den tödlichen Spitzen daran auf dem Boden auf, genau dort wo Sesshomaru gerade noch gestanden hat. Der Westfürst mustert seinen Angreifer wachsam. Dieser Youkai hat schon etwas mehr drauf. Hinter dieser Waffe steht eine enorme Zerstörungskraft, sollte sie treffen. Dort wo sich das Rad in den Boden gegraben hat, ist nun eine tiefe Furche und fast die gesamte Ebene hat sich nun in eine spiegelglatte Fläche verwandelt. Mit einem geschickten Zug an der Kette springt die Waffe wieder zurück in die Hand des Befehlshaber. Sesshomaru bemerkt, dass seine Untergebenen sich ein wenig zurückziehen. Sofort packt der Nordyoukai seine Waffe mit beiden Händen und nun beginnt sie in grellem blau zu leuchten. Er lässt eine Hand fahren und mit der anderen schleudert er sie mit aller Kraft direkt auf Sesshomaru. „Kourimori!“, schreit er und im selben Moment als die rasiermesserscharfen Klingen den Boden berühren, platzen die Zacken davon ab und werden über das gesamte Feld geschleudert. Ein geschickter Sprung von Sesshomaru lässt ihm den scharfen Klingen ausweichen. Doch damit nicht genug. Das Leuchten der Spitzen nimmt zu und kaum treffen sie auf dem Boden auf, schießen auf der gesamten Eisfläche, unzählige dünne Eissäulen mit tödlichen Spitzen aus dem Boden und durchbohren alles was nicht schnell genug aus dem Weg springen kann. Offenbar haben die meisten Nordyoukais diese Technik kommen gesehen, denn sie haben sich rasch in Sicherheit gebracht. Nur ein paar wenige sind nicht mehr schnell genug weggekommen und so entfaltet dieser Wald aus Eisspeeren an ihnen seine tödliche Wirkung. Rasch hat Sesshomaru die Situation erfasst und kaum, dass er diese Eisklingen auf sich zurasen sieht, reagiert er. Aus jeder seiner Hände strömt nun ein grünliches Energieband. Nur wenige Schläge mit den Energiepeitschen genügen und die Eissäulen werden unter heftigem Klirren zertrümmert. Hoch aufgerichtet lässt er sich nun wieder auf den Boden herab. Bedrohlich funkelt er seinen Gegner an. „Ist das etwa alles? Weißt du eigentlich, mit wem du dich anlegst? So eine lächerliche Technik hat keine Wirkung auf mich!“ Der Nordyoukai fletscht die Zähne: „Na warte! Das war noch längst nicht alles!“ Er vollführt eine Handbewegung und die verstreuten Kristallspitzen sammeln sich wieder. Mit fast spielerischer Leichtigkeit beginnt er nun seine Waffe über dem Kopf kreisen zu lassen. Das Leuchten der schwebenden Klingen nimmt wider zu. Doch nicht nur das, auch sämtliche Eissplitter die hier verstreut liegen erheben sich vom Boden und fangen an zu funkeln. „Ihr habt einen einen schweren Fehler gemacht, als ihr meinen Eiswald zerschlagen habt“, grinst er nun, „Das wird Euch nun teuer zu stehen kommen. Haka no Kesshou(Kristalsarg)!“ Mit diesen Worten schickt er seine Waffe auf den Weg und im selben Moment blitzen sämtliche Splitter auf und schießen direkt auf Sesshomaru zu. Alarmiert geht der Westfürst in Verteidigungsposition. Doch noch bevor er weiter reagiert, schiebt sich eine andere Gestalt zwischen ihn und die heranfliegenden Kristallsplitter. Hoch aufgerichtet steht Hanaki da. In ihren Händen liegen zwei kurze Schwerter aus gleißendem Licht. Eine enorme Energie geht von den Klingen aus und ihr flackerndes Licht taucht die eisüberzogene Ebene in ein schauriges Licht. Doch nun kommt wieder Bewegung in sie. Mit fließenden Bewegungen und einer atemberaubenden Geschwindigkeit lässt sie die Schwerter vor sich tanzen. „Yushu Nibai no Kamikizu!“, sagt sie und in eben dem Moment als die Splitter auf sie einstürzen wollen, reißt sie die Arme auseinander und eine gewaltige Energiewelle walzt alles nieder was sich in der Umgebung befindet. Von dem Kristallregen ist schon nach wenigen Augenblicken nichts mehr übrig. Erstaunt schaut Sesshomaru sie an. Eine wirklich beeindruckende Stärke! Und geschickt ist sie außerdem, denn wie er feststellt hat diese mächtige Energieentladung ihn selbst nur um wenige Zentimeter verfehlt und erst hinter ihm ihre tödliche Gewalt entfesselt. Die Nordyoukais sind ebenfalls überrascht, doch man muss ihnen zu Gute halten, dass sie über ausgezeichnete Reflexe verfügen. Die meisten von ihnen sind der Energiewelle gerade noch entgangen. Es sind wohl noch etwa dreißig von ihnen übrig. Ein wenig vorsichtiger umkreisen sie nun die beiden Daiyoukais die sich in ihrer Mitte befinden. „Glaubt ihr, damit werdet ihr durchkommen?“, ruft der Befehlshaber nun, „Ich gebe zu, ihr versteht es zu kämpfen. Aber was wäre das Leben ohne eine kleine Herausforderung von Zeit zu Zeit!“, er grinst, „Ich sollte mich vielleicht vorstellen. Mein Name ist Himoku und ich wache über die Grenze zum Norden. Ohne meine Erlaubnis betritt niemand unser Revier, auch keiner der anderen Fürsten und schon gar keiner dieser dreckigen Streuner!“ „Was du nicht sagst!“, erwidert Sesshomaru nun kühl, „Wenn das so ist, dann werde ich nicht länger Rücksicht auf dich nehmen.“ „Versucht es doch!“, ruft Himoku zurück, „Na los, nehmt sie alle beide auseinander!“ Sesshomaru lächelt leicht: „Arme Irre!“ Die Youkais um sie her rücken nun näher. Grimmige Entschlossenheit liegt in ihrem Blick. Plötzlich spürt Sesshomaru etwas in seinem Rücken. Hinter ihm steht Hanaki und ihre Schulterblätter berühren sich kurz. Erneut erscheint es Sesshomaru als würde ihn ein elektrischer Schlag durchzucken. Doch diesmal versetzt ihn dieses Gefühl eher noch mehr in Kampflaune. Sein Herz pocht als wollte es zerspringen. Alle seine Sinne sind geschärft und wieder steigt ihm ihr atemberaubender Duft in die Nase, diesmal gepaart mit dem Geruch von Blut und Schweiß. Diese entzückende Mischung berauscht ihn geradezu. Er grinst gefährlich. Ein flüchtiger Blick zu ihr und ihre Augen treffen sich. Auch sie lächelt kampfbereit. Wie auf ein unsichtbares Zeichen stoßen sie sich beide gleichzeitig von der Stelle ab und stürmen auf ihre Angreifer zu. Was dann passiert, nimmt Sesshomaru nur noch beiläufig wahr. Unbarmherzig und mit tödlicher Präzision gehen seine Klauen auf die Krieger nieder, keiner von ihnen hat ihm etwas entgegenzusetzen. Fast wie im Traum weicht er Klingen und Ketten aus, pariert Eisdolche und umgeht Hagel aus blitzenden Kristallen. Das Blut rennt heiß durch seine Adern und er empfindet tödliches Vergnügen daran, diese dreisten Nordyoukais in ihre Schranken zu weisen. Gelegentlich geht sein Blick hinüber zu Hanaki. Ihre geschmeidigen Bewegungen sind so schnell, dass man sie kaum mit dem Auge sehen kann und so präzise, dass es schon fast erschreckend ist. Wie in einem grausigen Tanz bewegt sie sich mit ihren Klingen durch die Reihen der Youkais, doch nicht einmal ein einziger Tropfen Youkaiblut trifft ihre Gewänder, so geschickt bewegt sie sich. Es ist ein wahrhaft beeindruckendes Schauspiel und Sesshomaru wird klar, dass er es hier trotz ihrer Verbannung mit einer wahren Daiyoukai zu tun hat. Es ist in keinster Weise verwunderlich, dass die Streuner derartig von ihr eingeschüchtert sind. Doch in diesem Moment wird seine Aufmerksamkeit von Himoku in Anspruch genommen. Entschlossen stellt der Nordyoukai sich ihm entgegen. Sein Gesicht ist eine Fratze der Wut: „Dafür stirbst du Nishi-aitsu!“ Mit kontrollierten Bewegungen kommt er auf ihn zu und hebt seine Waffe. „Du wirst mich noch nicht mal berühren!“, gibt Sesshomaru finster zurück und dann treffen die beiden aufeinander. Blauschimmernde Stacheln ragen nun an jeder Stelle des Rades heraus und mit tödlicher Präzision saust die Waffe auf den Westfürsten hernieder. Nur wenige Handbreit vor ihrem Ziel leuchten die Spitzen erneut auf und unzählige Nadeln fahren daraus hervor und strecken sich blutdurstig nach Sesshomaru aus. Doch mit atemberaubender Geschwindigkeit reagiert der Fürst des Westens und streckt seine Klaue nach der Waffe aus. Urplötzlich zucken um seine Finger grelle, gelbe Blitze und treffen mit ohrenbetäubendem Knirschen auf das Metall der Waffe auf. Nur Zentimeter vor Sesshomarus Schulter bleibt die Klinge in der Luft hängen. Himokus Augen fliegen auf. Tödliche Entschlossenheit steht dem Fürst des Westens ins Gesicht geschrieben. „Du hättest dich niemals mit mir anlegen dürfen, törichter Köter!“, seine Stimme hat Grabeskälte und dann bohrt sich seine linke, von grünem Dunst umwaberte Klaue durch den Brustkorb des Nordyoukais samt seinem Brustpanzer. Ächzend krümmt Himoku sich zusammen. Seine Waffe fällt scheppernd zu Boden und jegliches Leuchten ist verschwunden. Sein Gesicht spiegelt Fassungslosigkeit wieder, dann brechen seine Augen und leblos gleitet er zu Boden und rührt sich nicht mehr. Auch wenn er es nach außen hin nicht zeigt, so pulsiert doch in Sesshomaru gerade die pure Euphorie. Dies war genau die richtige Ablenkung, um ihn wieder auf andere Gedanken zu bringen. Es ist einfach unglaublich befreiend. Er wendet sich zu Hanaki um, doch in eben diesem Moment packt ihn irgendetwas am Fuß. Er hält inne und blickt hinab. Mit rötlichem Schaum vor dem Mund und kreidebleichem Gesicht starrt Himoku zu ihm hoch. „Glaubst du... du hättest so einfach gewonnen... Nishi-aitsu?“, keucht er röchelnd, „Nun... habe ich dich doch berührt...und das nächste Mal mach ich dir... ganz den Gar aus!“ Er lacht gurgelnd und seine Miene ist voller Triumph. Doch noch ehe Sesshomaru darauf reagieren kann, landet auf einmal ein harter Tritt auf dem Hals des Youkais und bringt ihn ein für allemal zum verstummen. „Für dich gibt es kein nächstes Mal mehr!“, sagt Hanaki verächtlich. Dann schaut sie auf. Fasziniert starrt Sesshomaru sie an. Ihre Brust hebt und senkt sich rasch und er kann hören wie aufgeregt ihr Herz pocht, gleichmäßig und stark. Ihre Haut schimmert durch die Aufregung rosig und in ihren tiefpurpurnen Augen liegt ein fast schon ekstatisches Strahlen. Ohne Zweifel hat der Kampfrausch auch sie mitgerissen. Ein begeistertes Lächeln spielt um ihre Lippen als sie ihn anschaut. Wie versteinert steht Sesshomaru da. Er kann es nicht fassen, wie ihn ihre Erscheinung gerade mitreißt. Wie gebannt starrt er sie an und nichts vermag es, seine Konzentration in diesem Moment zu brechen. All seine Sinne sind auf sie gerichtet und er muss unwillkürlich schlucken. Alles was er tun muss, ist die Hand ausstrecken und dieses bezaubernde Wesen zu berühren, doch er vermag es nicht. Er kann sich nicht rühren. Alle Rationalität wurde von irgendetwas anderem weggewischt und alles was er tun kann ist, sich an diesem Anblick zu betrinken wie an süßem Gift. Auch sie schaut ihn an, wortlos, gefangen. Für ein paar lange Augenblicke hängt dieses seltsame Prickeln zwischen ihnen in der Luft. Da plötzlich sinken ihre Mundwinkel und ihr Gesicht wird ernst. Zwei Herzschläge hält das an und dann plötzlich schlingt sie ihre Arme um ihn und presst ihre Lippen auf die Seinen. In Sesshomarus Kopf explodieren unzählige Feuerwerke. Völlig überrumpelt lässt er es geschehen, noch immer unfähig sich zu rühren. Er spürt die weiche Haut ihrer Lippen, und darunter die nadelspitzen Reißzähne. Ihr Duft hüllt ihn ein und raubt ihm den Atem. Ja, er schmeckt ihn sogar nun in seinem Mund. Diese exquisite Witterung wirft seinen Herzschlag völlig aus der Bahn und bringt ihn zum Stolpern. Zur gleichen Zeit fühlt er sich, als würde sein Körper von Wogen aus Adrenalin überspült. Es schmerzt, es erfüllt ihn mit Freude, es setzt ihn außer Gefecht! All das auf einmal. Wie soll er das bloß ertragen? Es wäre so einfach, sich fallen zu lassen, so einfach! Alles was er tun muss, ist, seinen verzweifelten Widerstand aufzugeben und diesen leidenschaftlichen Kuss zu erwidern. Er möchte es. Er möchte es mehr als alles andere! Alles in ihm schreit nach ihr und er versteht es nicht. Nie zuvor hat er sich so hilflos und ausgeliefert gefühlt. Unwillkürlich kriecht ihm einen schreckliche Angst den Rücken hoch. Was tut er hier bloß? Wie kann er das bloß in Erwägung ziehen? Mit aller Selbstkontrolle, die er noch aufzubringen vermag, stößt er sie so heftig von sich, dass sie zu Boden geschleudert wird. Er keucht auf und dreht sich weg. Alles in seinem Kopf wirbelt durcheinander und er kann keinen klaren Gedanken fassen. „Mach das... nicht noch einmal!“, presst er mühsam um seine Fassung ringend hervor. Verstört blickt sie zu Boden. „Es... tut mir leid! Verzeih mir! Es ist... einfach so über mich gekommen.“ „Du duzt mich ja schon wieder“, noch immer hat er ihr den Rücken zugewandt doch seine Stimme klingt seltsam schwach. Sie schaut auf. „Ich befolge nur deine Anweisungen, du sagtest schließlich, das wäre jetzt auch nicht mehr wichtig.“ Sie kann sehen, wie er einmal tief ein und ausatmet. Dann dreht er sich zu ihr um. „Was denkst du dir dabei?“, empört blickt er sie an, „Du spielst nach Belieben mit den Gefühlen anderer und dabei ist dir offenbar kein Mittel zu schmutzig. Du... bringst mich ganz durcheinander. Hör auf damit!“ Es klingt fast verzweifelt. Langsam erhebt sie sich. Ein wenig betrübt blickt sie zu Boden. „Ich... kann verstehen, dass du wütend bist“, sagt sie leise, „Doch ich versichere dir, es liegt nicht in meiner Absicht, dich zu kränken, oder zu verwirren. Es ist nur... ich kann es nicht ändern!“ Verständnislos schaut er sie an: „Was soll das heißen?“ „Ganz einfach!“, erklärt sie schlicht, „Mein Geruch macht Männer verrückt, ich kann es nicht verhindern. Das war schon immer so.“ „Und so nutzt du das aus?“, kommt die missbilligende Frage. „Nein, das ist...“, sie bricht ab. Schweigsam mustert Sesshomaru sie. Sein Blick spiegelt Traurigkeit wieder. „Wenn das alles ist, was du dazu zu sagen hast, dann sollten wir weitergehen!“ Langsam dreht er sich herum und setzt sich in Bewegung. Irgendwie fühlt er sich um Jahre gealtert. Nur beiläufig nimmt er wahr, dass sie ihm folgt. Irgendwo in seinem Inneren breitet sich ein tiefes, schwarzes Loch aus. Auch wenn er nun eine Erklärung für seine Reaktion auf sie hat, stellt ihn das in keinster Weise zufrieden, im Gegenteil! Grenzenloses Bedauern überschwemmt ihn. Mehr ist es nicht? Nur ein paar Lockstoffe in der Luft? Eine natürliche Veranlagung? Nun wo er es weiß, sollte es nicht schwer sein, dagegen anzukämpfen. Techniken anderer Youkais haben ihn noch nie endgültig in Verlegenheit gebracht. Mit der Zeit wird diese Fähigkeit keinen Effekt mehr auf ihn haben, da ist er sich sicher. Warum tut ihm diese Tatsache dann so furchtbar weh? Warum nur wünscht er sich so sehnlich, es möge anhalten? Ist denn da vielleicht doch... mehr? Vor seinem inneren Auge steht sie vor ihm in ihrer ganzen Pracht. Einmal mehr erinnert er sich an die Begegnung am See. Ihr makelloser Körper vor der untergehenden Sonne, die kraftvollen und doch so geschmeidigen Bewegungen. Ihre feingliedrigen Finger die die Flügel eines Schmetterlings streicheln könnten, ohne dass er es merkt und eine Sekunde später spielend einem Youkai das Herz aus dem Leib reißen. Ihre duftenden, schwarzen Haare die so geheimnisvoll unter dem Mond schimmern wenn sein Licht darauf fällt. Und ihr Lächeln, dass die Sonne heraufbeschwört und ihn alles andere um ihn her vergessen lässt. Innerlich seufzt Sesshomaru aus vollem Herzen. Es hat keinen Sinn, sich länger etwas vorzumachen. Da ist eindeutig mehr! Wie, um alles in der Welt, konnte es bloß passieren, dass er sich so bedingungslos und unsterblich in sie verliebt hat? Kapitel 34: Kossoridoku ----------------------- „Wer ist das denn?“, Shippos irritierter Ausruf klingt durch den kleinen Raum. Gerade noch haben er und seine Freunde mit wachsamem Interesse auf die Tür geschaut, in der Hoffnung, dass es einer der Streuner ist, der sich dort über den holzvertäfelten Boden nähert, doch als die Tür aufging, war es keiner der drei grauhaarigen Ostyoukais, sondern ein völlig fremder Youkai in einem eleganten Kimono, an dessen linker Seite sich ein dunkelroter Fleck abzeichnet, mit langen, blaustichig weiße Haaren, und leicht verwirrt dreinblickenden, goldenen Augen. „Das ist jedenfalls nicht Sesshomaru!“, stellt der kleine Kitsune fest. „Und Inu Yasha auch nicht“, bemerkt Miroku überflüssigerweise. Verblüfft starren sie in das jugendliche Antlitz des Fremden mit den waagerechten, roten Wangenstreifen. „Wer bist du und was willst du hier?“, fragt nun Sango. Der fremde Youkai steht noch immer etwas unschlüssig in der Tür. Schließlich fragt er zögernd: „Ihr kennt Inu Yasha-ouji?“ „Du bist ein Inuyoukai vom Westclan, nicht wahr?“, fragt Shippo jetzt ungeniert. Der Angesprochene nickt leicht, dabei behält er die sonderbare Gruppe aufmerksam im Auge. „Was willst du denn von Inu Yasha?“, fragt nun Kagome. Nun endlich scheint sich die Starre des Fremden etwas zu lösen. „Verzeiht meine Unhöflichkeit!“, sagt er, „Ich bin etwas überrascht euch statt Tenmaru hier anzutreffen.“ „Ach, du kennst Tenmaru?“, fragt Kagome erstaunt, „Kann es sein, dass du auch ein Streuner bist?“ Er nickt. „Mein Name ist Kossoridoku. Yaeba schickte mich hierher, um Tenmaru zu treffen. Der pure Zufall hat mich hier in diesen Palast geführt und Tenmaru sollte mir die Sachlage erklären, solange Yaeba versucht, Raiuko zurückzuholen.“ „Zurückzuholen?“, fragt Miroku, „Er ist weg? Hat er irgendwas angestellt?“ Nun betritt Kossoridoku das Quartier und schließt die Tür hinter sich. Abschätzend mustert er die Gruppe. Dann meint er: „Ihr scheint ziemlich gut über uns Bescheid zu wissen. Woher?“ „Wir reisen zusammen mit Inu Yasha“, erklärt Miroku, „Auf die Streuner sind wir unterwegs gestoßen. Und jetzt reisen wir gemeinsam.“ Kossoridokus Augen werden schmal. „Gemeinsam? Wie kommt das?“ "Das ist eine lange Geschichte“, meint Kagome. „Hmm“, meint der Westyoukai, „Wenn Tenmaru nicht hier ist, kann ich sie sicher auch von euch erfahren.“ Mit geschmeidigen Bewegungen hockt er sich zwischen sie und blickt dann Kagome mit aufmerksamen, goldenen Augen an. Ein wenig irritiert ist sie schon, diese Augen vor sich zu sehen, ohne, dass eine ihr bekannte Person zu ihnen gehört. Doch scheinbar hat der Westyoukai aufrichtiges Interesse an den Sachverhalten. Ist er tatsächlich auch ein Streuner? Und wenn nicht, was hat er dann hier im Schloss verloren? Immerhin kennt er die anderen drei Streuner und woher sollte er sie kennen, wenn er nicht selbst einer ist. Zu gerne möchte sie wissen, was er sich zu Schulden kommen lassen hat. Von den anderen kennt sie in etwa die Vorgeschichte, doch dieser Westyoukai ist noch ein Buch mit sieben Siegeln. Nun ja, sie wird einmal über die vergangenen Ereignisse berichten und dabei auf seine Reaktion achten. „Tja, also das Ganze begann vor etwa zehn Tagen“, erzählt Kagome. Mit knappen Worten schildert sie ihr Treffen mit Tenmaru, das Aufeinandertreffen mit den beiden Ostyoukais, Sessomarus Befehl an Inu Yasha, ihm zu folgen und die Umstände, die Tenmaru in Inu Yashas Dienst verschlagen hat. Sie berichtet von ihrem Treffen mit Yaeba und Raiuko und ihrer Ankunft im Schloss. Schließlich endet sie mit den Worten: „Und nun müssen wir nur noch die Entscheidung, des hohen Rates abwarten. Im Augenblick seid ihr noch sicher, weil Inu Yasha für euch gebürgt hat, aber wer weiß, was passiert, wenn Sesshomaru ihn doch noch für schuldig erklärt. Ich fürchte uns bleibt nicht viel mehr übrig, als abzuwarten und uns so gut wie möglich zu benehmen.“ Schweigend hat der Westyoukai zugehört. Dann sagt er: „Das sind wirklich interessante und ungewöhnliche Neuigkeiten. Mir scheint, ich habe einiges verpasst. Aber was mir zu denken gibt, ist etwas was du gerade sagtest. Nämlich, dass Inu Yasha-ouji für uns gebürgt hat. Das könnte ein Problem werden.“ „Mach dir mal keine Sorgen!“, meint Kagome, „Inu Yasha weiß schon was er tut. Yaeba hat ihn darum gebeten und er wird zu seinem Wort stehen.“ Leicht schüttelt Kossoridoku den Kopf: „Das meine ich nicht. Inu Yasha-oujis Ansichten mögen ehrenhaft und lauter sein, doch gerade in diesem Moment befindet sich Raiuko auf der Suche nach den Nordyoukais, die seinen Bruder getötet haben. Inu Yasha-ouji hat für ihn gebürgt. Wenn Raiuko auch nur eine Hand an einen Nordyoukai legt, wird das als kriegerischer, aggressiver Akt gedeutet, für den Inu Yasha-ouji die Verantwortung tragen muss. Er gab sein Wort, dass die Streuner, die sich in seinem Dienst befinden, sich friedlich verhalten würden. Wenn sie nun einen Kampf vom Zaun brechen, wird Sesshomaru-sama, das nicht mehr tolerieren können und wäre gezwungen, zu handeln und Inu Yasha-ouji schuldig zu sprechen.“ Fassungslos starren die anderen ihn an. „Ist das dein Ernst?“, fragt Kagome schockiert. „Es klingt plausibel“, meint auch Miroku, „Vielleicht bleibt nun Sesshomaru keine andere Wahl mehr, als ihn zu verurteilen.“ „Aber das müssen wir doch irgendwie verhindern können!“, meint Kagome besorgt. „Yaeba folgt ihm bereits“, bemerkt Kossoridoku, „Ich hoffe allerdings, dass er ihn findet, ohne in Kämpfe verwickelt zu werden. Auch das könnte als kriegerischer Akt ausgelegt werden.“ „Wir müssen Inu Yasha warnen!“, kräht Shippo beunruhigt, „Er muss doch wenigstens Bescheid wissen.“ „Vielleicht keine schlechte Idee“, meint Kossoridoku, „Inu Yasha-ouji hat noch bis zur Verurteilung den Rang eines Fürsten inne. Wahrscheinlich ist er der Einzige, der die beiden zurückholen kann, ohne dass es zu einem Zwischenfall kommt.“ „Was sitzen wir dann noch hier rum?“, ruft Shippo, „Wir müssen zu Inu Yasha!“ Kagome und die anderen springen auf. Sango schnappt sich ihre Waffen. „Wenn Inu Yasha die beiden zurückholen muss, dann werden wir ihm helfen. Ich habe ohnehin genug vom Rumsitzen hier! Den ganzen Tag, konnten wir noch nichts Produktives machen. Aber jetzt werden wir auch mal unseren Beitrag leisten!“ „Du hast recht, Sango!“, bestätigt Miroku, „Wenn wir die Möglichkeit haben, müssen wir ihn unterstützen und die bietet sich jetzt hier.“ Fest entschlossen verlässt die kleine Gruppe das Quartier. Zögerlich schließt sich Kossoridoku ihnen an. Da die kleine Rin bereits erschöpft eingeschlafen ist, haben sie beschlossen, sie lieber schlafen zu lassen. Diesmal finden sie Sesshomarus Quartier ohne größere Probleme. Ein wenig unwohl ist Kagome doch zumute. Was ist, wenn Sesshomaru ebenfalls dort ist? Sollen sie Inu Yasha wirklich direkt vor dem Fürsten des Westens über die Sachlage informieren. Oh, hoffentlich ist er nicht da! Unterwegs begegnen ihnen einige Bedienstete, die sie nur mit unsicheren und missgünstigen Blicken ansehen, sie aber nicht aufhalten. Schließlich stehen sie vor der Tür zu Sesshomarus Quartier. Mit klopfendem Herzen öffnet Kagome die Tür. Dort unter dem Fenster lehnt mit verschränkten Armen Inu Yasha und nun beim Eintreffen seiner Freunde hebt er irritiert den Blick. Erleichtert stellt Kagome fest, dass er alleine ist. „Inu Yasha!“, ruft sie und läuft zu ihm. „Kagome?“, kommt es verblüfft von ihm, „Was habt ihr denn hier alle verloren? Sag nicht, du hast dir schon wieder Sorgen um mich gemacht. Dabei habe ich Myoga extra gesagt, dass...“ „Halt den Mund und hört zu!“, meint Kagome ernst. Inu Yasha zögert zunächst, doch dann erhebt er sich. „Was ist jetzt wieder so wichtig, dass du doch wieder hergekommen bist?“ „Es gibt ein Problem!“, erklärt Sango an Kagomes statt, „Raiuko ist zu den Nordyoukais draußen gegangen, um seinen Bruder zu rächen und Yaeba verfolgt ihn.“ „Und das Problem dabei ist?“, fragt Inu Yasha mit verschränkten Armen. „Das Problem ist, dass Ihr für sie gebürgt habt“, sagt nun Kossoridoku. Kritisch mustert Inu Yasha den Westyoukai. „Wer bist du eigentlich?“ Unverzüglich sinkt nun Kossoridoku vor Inu Yasha auf die Knie. Der Hanyou verzieht das Gesicht. „Hört doch verdammt noch mal auf, euch ständig vor mir zu verbeugen! Das ist ja nicht zum aushalten! Also schön, noch mal! Wer bist du?“ Kossoridoku kommt langsam wieder hoch. „Mein Name ist Kossoridoku. Ich gehöre zu Yaebas Rudel.“ „Ach, noch ein Streuner!“, hebt Inu Yasha die Brauen, „Du stammst aus dem Westen, nicht wahr?“ Kossoridoku nickt. „Und wo kommst du nun wieder so plötzlich her?“, fragt der Hanyou. „Das erzählen wir dir später, Inu Yasha!“, meint Sango hastig, „Erstmal müssen wir Raiuko und Yaeba zurückholen!“ „Und warum das?“ „Du hast für sie gebürgt“, versucht Miroku zu erklären, „Wenn sie die Nordyoukais angreifen, giltst du als wortbrüchig und Sesshomaru muss dich doch noch verurteilen!“ „Was?“, ungläubig reißt Inu Yasha die Augen auf, „Davon hat mir keiner was gesagt! Das hätte Yaeba vielleicht mal erwähnen sollen! Und nun?“ „Ihr solltet sie zurückholen, noch bevor es zu einem Zwischenfall kommt“, meint Kossoridoku. „Und warum gerade ich?“, fragt Inu Yasha ärgerlich. „Weil es erstens Eure Aufgabe ist, da Ihr für sie gebürgt und damit die Verantwortung für sie übernommen habt und zum anderen weil nur Ihr im Moment einen Rang besitzt, der es Euch erlaubt, Euch unbehelligt zwischen den Nordyoukais zu bewegen.“ „Na prima!“, brummt Inu Yasha, „Diese Streuner machen wirklich nur Schwierigkeiten!“ „Was ist nun?“, fragt Sango, „Willst du sie nun zurückholen, oder nicht? Wir kommen auch mit, du wirst jede Unterstützung benötigen, die du kriegen kannst!“ Inu Yasha senkt den Kopf: „Ich... kann nicht!“ „Was? Was soll das heißen?“, meint Sango empört. Er schaut auf und blickt die Dämonenjägerin direkt an: „Ich habe versprochen, in diesem Quartier zu bleiben!“ „Das ist nicht dein Ernst, oder?“, meint Sango ungläubig, „Was für eine Ausrede soll das denn sein?“ Inu Yasha ballt die Fäuste: „Ich habe es Sesshomaru versprochen! Einmal im Leben ist er auf meiner Seite und offenbar weiß er ganz gut was er tut. Ich kann nur ahnen, welche Überwindung es ihn gekostet hat, gemeinsame Sache mit mir zu machen. Aber im Moment versucht er, einen Krieg zu vermeiden und dafür benötigt er zum ersten Mal meine Hilfe. Ich möchte nicht gezwungen sein, sein schwaches Vertrauen in mich zu missbrauchen, indem ich plötzlich als wortbrüchig dastehe!“ Sango nickt langsam: „Ja, du hast recht! Ich war auch überrascht, dass er dich in Schutz genommen hat. Wenn du ihn jetzt enttäuschst, wird er dir das wahrscheinlich niemals verzeihen!“ Auch die anderen blicken etwas ratlos drein. „Ich zerstöre eure Illusionen zwar nur ungern“, meldet sich nun Kossoridoku zu Wort, „aber ihr redet, als würde sich schon alles zum Guten wenden, als gäbe es eine Zeit nach dieser Verhandlung! Wenn es darum geht, einen Krieg zu verhindern, ist Nichtstun wahrscheinlich genau so falsch. Wenn Raiuko auch nur einen der Nordyoukais tötet, wird es egal sein, ob sich Inu Yasha-ouji in seinem Quartier befindet oder nicht. Da er für sie gebürgt hat, ist er für sie verantwortlich und wenn er nicht versucht, sie aufzuhalten ist das ein Versäumnis, das Sesshomaru nicht ignorieren kann!“ „Meinst du?“, fragt Kagome besorgt. „Ich meine, dass der Vorsprung, den die beiden haben mit jeder Sekunde, die verstreicht, größer wird“, stellt Kossoridoku fest. Inu Yasha beißt die Zähne aufeinander. „Verdammt! Diese blöden Kerle! Ich schätze, es hilft wohl nichts! Ich werde sie suchen gehen. Und wenn ich sie gefunden habe, dann bekommen die von mir ne Abreibung verpasst, die sich gewaschen hat!“ Er blickt zu seinen Freunden: „Ihr bleibt besser hier! Das regele ich schon alleine!“ „ Kommt nicht in Frage!“, meint Sango ernst, „Draußen wimmelt es nur so von Nordyoukais. Ich werde hier nicht tatenlos rumsitzen, während du dich mit einer ganzen Armee anlegst! Da würde ich meiner Familie ja Schande machen!“ „Sieh es ein, Inu Yasha!“, meint nun auch Miroku, „Wir sind deine Freunde und wir kämpfen gemeinsam!“ Auch Kagome schaut ihren Freund unverwandt an: „Ich lasse nicht zu, dass sie dir noch mal wehtun!“, sie greift ihren Bogen fester, „Die werden mich kennen lernen!“ Doch Inu Yasha legt seine Hand auf ihren Arm: „Das hier sind Youkaikrieger und keine Energiefesseln. Was willst du gegen die ausrichten?“ Trotzig blickt sie ihn an: „Das wirst du schon sehen!“ „Blödsinn, du bleibst hier!“, bestimmt Inu Yasha fest. „Ich bleibe auch hier!“, sagt Kossoridoku nun, „Ich wäre da draußen keine Hilfe. Schließlich bin auch ich ein Streuner und im Moment kann ich nicht so kämpfen, wie ich möchte. Außerdem kenne ich Sesshomaru-sama. Ich denke, ich weiß wie ich seinem Zorn entgehen kann, wenn er entdeckt, dass Ihr fort seid, Inu Yasha-ouji.“ Inu Yasha beißt die Kiefer aufeinander: „Stimmt, er wird bestimmt sauer wenn er es merkt. Ich glaube, du bleibst doch besser bei mir, Kagome. Diesmal werde ich dich beschützen! Myoga kann ihn über die Sachlage aufklären. Da fällt mir ein, wo steckt der überhaupt? Bestimmt, hat er wieder heimlich die Flucht ergriffen.“ „Macht Euch keine Sorgen, ich werde es Sesshomaru-sama erklären!“, bietet Kossoridoku an. „Pass bloß auf!“, warnt Sango, „Sesshomaru ist nicht besonders gut auf Streuner zu sprechen.“ Der Westyoukai lächelt schwach: „Ich passe schon auf mich auf. Aber ihr solltet besser zusehen, dass ihr loskommt! Vielleicht haben die beiden sich schon mit den Nordyoukais angelegt.“ „Er hat recht, wir haben keine Zeit zu verlieren!“, meint Miroku und ohne weitere Diskussionen verlässt die kleine Gruppe das Quartier. Schweigend blickt Kossoridoku ihnen hinterher, doch dann begibt er sich in die Mitte des Raumes und sinkt hinunter in den Kniesitz, bereit, Sesshomaru zu begegnen. Tief in Gedanken versunken nähert sich Sesshomaru seinem Quartier. Bis zu dem traditionellen Abendessen dürfte es nicht mehr lang hin sein. Hunger verspürt er im Moment allerdings nicht, auch wenn er den ganzen Tag noch nichts hatte. Das alles macht einfach keinen Sinn! Er hatte angenommen, die Motive dieses Streuners klar einschätzen zu können und nun hat er sich die Befreiung aus seinem Schwur erbeten. Wie passt das alles zusammen? Hat er eingesehen, dass es vergeblich ist und wendet sich nun anderen Zielen zu? Doch was kann er damit bezwecken? Sonderbar, er hatte ihm schon fast seine Loyalität abgekauft. Doch vermutlich ist er, genau wie seine Mutter damals, ein guter Schauspieler. Sie wird ihn gut vorbereitet haben. Fast hatte man den Eindruck, dass es ihm tatsächlich leid tat, dass er nun nicht mehr der Fürstenfamilie des Westens zur Treue verpflichtet war. Der Geruch von Angst und Trauer war fast schon zu überzeugend. Ein wirklich begnadeter Schauspieler! Zugegeben, hätte er das Ganze tatsächlich ernst gemeint, dann wäre das wirklich sehr beeindruckend gewesen. Nie hätte er gedacht, dass der Streuner das tun würde. Und wofür? Zum Wohl des Reiches? Damit kein Krieg beginnt? Für... Ihn? Sesshomaru beißt die Kiefer aufeinander. Das ist Unsinn! Es muss eine Täuschung sein! Es kann gar nichts anderes sein! Das würde gegen alles sprechen, was er glaubt! Nein, im Grunde will dieser Streuner sich doch nur bei ihm einschmeicheln. Das versucht er doch schon die ganze Zeit! Warum, zum Teufel, will er sich dann jetzt in den Dienst der Nordfürstin begeben? Sesshomaru ballt die Faust. Der dumme, kleine Köter! Yarinuyuki wird ihn zu Grunde richten. Dieser Witterung entgeht niemand! Er weiß wovon er spricht. Sie wird ihn zerstören mit ihrer Leidenschaft, daran besteht kein Zweifel. Wahrscheinlich geschieht es ihm ganz recht so! Warum bereitet ihm dieser Gedanke dann Unbehagen? Warum ist dann da dieser eiserne Knoten in seinem Magen wieder? Das ist doch völlig irrational! Sesshomaru schüttelt sich. Das fehlte wirklich noch, das er jetzt auf einmal Gewissensbisse bekommt. Doch nicht wegen einem Streuner! Nicht wegen ihm! Der Junge muss irgendwas anderes im Schilde führen, wenn er nur wüsste was! Urplötzlich werden seine Gedankengänge unterbrochen und er hebt verärgert den Kopf. Irgendetwas stimmt hier nicht! Dort vorne liegt sein Quartier. Doch die Witterung seines Bruders dringt nicht von da zu ihm. Inu Yasha ist fort! Doch dafür nimmt er eine ganz andere Witterung wahr und unwillkürlich fletscht er die Zähne. Das gibt es doch nicht! Er ist es! Er ist hier! Mit zwei Schritten ist Sesshomaru vor der Tür und reißt sie auf. Sofort geht sein hasserfüllter Blick hinüber zu dem schlanken Westyoukai, der mit gesenktem Kopf in der Mitte des Raumes sitzt und sich nicht rührt. „Kossoridoku!“, grollt Sesshomaru mit einem wütenden Knurren in der Stimme. Nun blickt der Westyoukai auf. „Ich grüße Euch, Sesshomaru-sama!“, sagt er. Dann verbeugt er sich. Sesshomaru atmet heftig ein und aus und man sieht, dass er schwer um seine Fassung ringt. Gleich mehrere Fragen schießen ihm durch den Kopf. Schließlich fragt er wütend: „Warum bist du hier und nicht mein Bruder?“ Kossoridoku setzt sich wieder aufrecht hin. „Ich floh vor den Nordyoukais und landete hier. Als er aufbrach, bot ich mich an, hier auf Euch zu warten.“ „Er ist aufgebrochen?“, fragt Sesshomaru gefährlich, „Wohin?“ „Er hat mit seinen Freunden und den anderen Streunern das Schloss verlassen. Er wollte zu den Nordyoukais.“ „Was?“, zischt Sesshomaru aufgebracht, „Was wollte er da?“ Kossoridoku weicht seinem Blick nicht aus: „Offenbar... haben einige meiner Gefährten den Wunsch verspürt, an den Nordyoukais Rache, für den Tod unserer Kameraden, zu üben. Ich schätze, er wollte dafür sorgen, dass sie dabei nicht getötet werden.“ Nun tritt Sesshomaru dicht an den Youkai heran: „Du lügst! So dumm kann er einfach nicht sein!“ „Welchen Grund hätte ich, Euch anzulügen?“, fragt Kossoridoku. Sesshomarus Gesicht wird finster: „Welchen Grund hattest du, meinen Vater zu verraten?“ Nun senkt der Westyoukai beschämt den Kopf: „Ich bedaure zutiefst, was damals vorgefallen ist, mein Fürst! Ich tat nur, was ich für richtig hielt!“ „Was du für richtig hieltst?“, grollt Sesshomaru bitter, „Mein Vater hat dir vertraut und doch hast du ihn verraten! Die Hintergründe spielen keine Rolle! Du hattest kein Recht dazu, meiner Mutter zu erzählen, was du über ihn und diese Menschenfrau weißt! „Du verdankst es nur den Schuldgefühlen meines Vaters, dass du noch lebst! Wenn ich damals etwas zu sagen gehabt hätte, wärst du nicht einmal bis zur Grenze des Reiches gekommen, nachdem zu fortgelaufen bist! Ich hätte dafür gesorgt, dass unsere Soldaten dich noch am selben Tag zur Strecke bringen! Aber er wollte deinen Vater nicht noch mehr beschämen! Du hast ihm auch so schon genug Schande bereitet!“ „Haltet meinen Vater da raus!“, grollt Kossoridoku nun. Seine Miene ist nicht länger teilnahmslos sondern offen verärgert. Schmal und mit eisiger Miene schaut Sesshomaru auf ihn herunter: „Soll das eine Anweisung sein? Darüber sind wir längst hinaus! Ich werde jetzt gehen und meinen Bruder zurückholen und nachdem ich ihn für seine Dummheit und seine Gehorsamsverweigerung bestraft habe, komme ich zurück und dann, rechnen wir beide ab!“ Mit diesen Worten dreht sich der Westfürst um und mit tödlich entschlossenem Blick verlässt er das Zimmer. Rasch entfernen sich die leichten Schritte auf dem Flur. Langsam kommt wieder Bewegung in den Westyoukai und er erhebt sich. Er atmet einmal tief durch und dann schüttelt er leicht den Kopf. Ein dünnes Lächeln stiehlt sich auf sein Gesicht. „Das war fast schon zu leicht!“ Kapitel 35: Yarinuyuki ---------------------- Wachsam bewegt sich Yaeba zwischen den Bäumen hindurch. Seine Sinne sind auf das Äußerste gespannt. Bei jedem noch so leisen Knacken im Gebüsch, fährt sein Kopf ruckartig herum und sein tiefviolettes Auge durchforsten die Nacht. Wie weit kann er in dieser kurzen Zeit gekommen sein? Sein Vorsprung kann unmöglich schon so groß sein, völlig egal wie schnell er ist. Einmal mehr verflucht Yaeba innerlich den zierlichen Ostyoukai aus seinem Rudel und seine Fähigkeit sich lautlos und völlig unbemerkt durch die Wälder zu bewegen. Er hat immer gewusst, dass Raiuko sehr an seinem Bruder hängt und sein Tod muss ein schwerer Schlag für ihn gewesen sein. Aber dass er so völlig übertrieben handeln würde, damit hat er nicht gerechnet. Zugegeben, der schmächtige Youkai ist sehr impulsiv und neigt zu Kurzschlussreaktionen, aber er ist nicht dumm! Warum sollte er seinen Tod und den Schutz der anderen riskieren nur um seine Gelüste nach Rache zu befriedigen, wenn er doch sicher auch später noch dazu Gelegenheit hat? Yaeba sucht weiter. Es gibt nur eine Sache, die ihn etwas beruhigt. Bisher ist er schon an mehreren Lagern der Nordyoukais vorbeigekommen, alle unversehrt. Das kann nur bedeuten, dass Raiuko es auf ein paar bestimmte Youkais abgesehen hat und das wiederum lässt hoffen, dass er nicht vollkommen unüberlegt handelt. Vielleicht kann er ihn wieder zur Vernunft bringen, wenn er ihn findet. Aufmerksam zieht Yaeba seine Nase zurate. Ganz schwach ist die Spur zu erkennen. Rasch folgt er dem flüchtigen Geruch durch die Nacht. Bisher hat sein Untergebener sein Ziel wohl noch nicht erreicht. Wäre dem so, würde er bestimmt rasch Kenntnis davon bekommen. So unauffällig wie möglich schleicht sich Yaeba zwischen den vereinzelten Grüppchen von Nordyoukais hindurch. Raiuko, ich schwöre dir, das wird ein Nachspiel haben! Als würde er mit den Schatten verschmelzen, weicht Raiuko in das Dunkel der Bäume zurück. Nein, er wird sich nicht zu erkennen geben! Wenn Yaeba ihn in die Hände bekommt, dann kann er seine kleine Racheaktion vergessen. Zum Glück wird Ostyoukais schon von frühster Kindheit an beigebracht, ihre Aura so zu unterdrücken, und sich so zu verbergen, dass sie für unliebsame Ohren und Augen praktisch unauffindbar bleiben. Er war darin stets exzellent! Nein, Yaeba, du wirst mir nicht dazwischenfunken! Diese miesen Kita-aitsu werden bekommen, was sie verdienen! Vielleicht kann er es nicht mit ihnen allen aufnehmen, aber zumindest kann er den Anführer der Jagdgruppe, die seinen Bruder und ihn eingekreist hat und für Raihones Tod verantwortlich ist, mit sich in die Hölle nehmen! Der Hanyou wird sie nicht mehr lange schützen können und er riskiert lieber seinen eigenen Tod bei diesem Unterfangen, als nichts unternommen zu haben, um seinen Bruder zu rächen. Ehrwürdiger Hankou-sama, das wäre nicht in Eurem Sinne, so kampflos zu sterben! Yaeba kann das nicht verstehen, er stammt nicht von Euch ab! Aber wir, Eure Nachkommen, leben für den Kampf! Ich lasse nicht zu, dass mein Bruder getötet und dann auch noch geschmäht wird! Diesen Kita-aitsu fehlt jeglicher Sinn für Ehre! Gleich drei von ihnen haben ihn niedergerungen und dann hat dieser elende Kerl seine Brust durchbohrt! Und ich konnte nichts tun! Ich konnte nicht tun! Das wird sich jetzt ändern! Ich werde das Lager dieser dreckigen Feiglinge finden und dann werden sie einen langsamen und qualvollen Tod sterben! Leise löst er sich von dem Baum der ihm als Deckung dient und geräuschlos setzt er seine Suche fort. Schwer atmend, ihr langes, schmales Schwert, dessen Klinge wie ein Eiskristall schimmert, vor sich ausgestreckt, steht Yarinuyuki da. Es reicht noch nicht! Es reicht immer noch nicht! Sie bekommt noch immer Luft! Dabei hat sie in den vergangenen Stunden sämtliche Schwertkatas durchgefochten die ihr nur in den Sinn gekommen sind. Aber sie ist immer noch nicht erschöpft genug, um zu vergessen, was passiert ist. Hart pressen ihre Hände den Griff ihres Schwertes zusammen. Wie konnte mir das bloß passieren? Ich habe mich vor den anderen Fürsten komplett lächerlich gemacht! Wütend startet sie die nächste Kata; sie wird sie zwanzig Mal in Folge wiederholen. Warum hat mein Vater mir nie gesagt, wie kompliziert Politik ist? Ich dachte immer, man muss nur stark sein, um als Fürst anerkannt zu werden. Ich habe mich ganz offenbar getäuscht! Diese beiden Kerle amüsieren sich bestimmt köstlich über meine Unbeholfenheit! Aber ich lasse mich nicht herabsetzen! Sie stößt einen wütenden Kampfschrei aus, als sie die nächste Endpose erreicht. Aus einiger Entfernung wird sie von ihren Untergebenen besorgt beobachtet. Keiner von ihnen ist so lebensmüde, sich gerade jetzt in ihre Nähe zu wagen. Ihre Fürstin hat zwar nur wenig erzählt von den Ereignissen auf dem Rat, doch offensichtlich laufen die Verhandlungen nicht gut. Wütend drischt Yarinuyuki auf ein paar umstehende Bäume ein. Fast als würde ihre Klinge auf keinerlei Widerstand stoßen, dringt das Schwertblatt durch die massiven Holzsäulen und lassen sie in einem Schauer aus wirbelnden Eiskristallen in sich zusammenfallen. Es reicht noch immer nicht! Wie kann das sein? Wie konnte mein Vater unterliegen? Gegen ein paar ranglose Youkais! Das ist unmöglich! War diese miese Schlampe wirklich so stark? Hat sie ihn derartig erschöpft, dass er sich nicht einmal mehr wehren konnte? Sie schüttelt hart den Kopf. Nein, das kann unmöglich sein! Wir sind Nordyoukais! Wir haben das Erbe der Ausdauer! Ein Ostyoukai kann einfach nicht stärker sein! Diese feigen Hunde! Diese elenden Streuner! Diese selbstgefälligen Fürsten! Ein wilder Wutschrei dringt aus ihrer Brust und sie beginnt wieder von vorne mit ihrem Kata-Sortiment. Da ist es wieder! Das Gesicht! Verdammt, denk an was anderes! Dieser Geruch! Verdammt, nicht daran denken! Was ist das gewesen? Dieser Streuner war mehr als nur anziehend. Er war über alle Maßen faszinierend und sein Geruch war, atemberaubend! Sie schüttelt sich wütend. Schon wieder krampft sich ihr der Magen zusammen, wenn sie an ihn denkt. Was hat er mit mir gemacht? Das ist doch nicht normal! Und dennoch sieht sie sich selbst vor ihrem inneren Auge, wie sie den jungen Streuner umkreist, spürt erneut wie ihre Fingerspitzen über seine Haut streifen. Spürt die aufsteigende Wärme in ihren Wangen. Schmeckt seine Witterung auf ihrer Zunge. Empfindet wieder den elektrischen Schlag der sie durchzuckt hat, als sie ihn berührte. Wie wäre es wohl gewesen, wenn sie es nicht bei dieser Berührung belassen hätte? Wenn ihre Hände über den muskulösen Rücken gefahren wären, wenn ihre Lippen die seinen gefunden hätten, wenn er sie berührt hätte, wenn er... Sie kneift die Augen zusammen. Ein tiefes Grollen entfährt ihr. „Nein!“, schreit sie wütend, „Das lasse ich nicht zu!“ Ich muss an etwas anderes denken! Aber... ich kann nicht! Wieder ist eine Kata beendet. Ablenkung, ich brauche mehr Ablenkung! Rasch sucht sie sich die komplizierteste Kata aus, die ihr einfällt. Warum habe ich gesagt, ich würde auf meine Rache an den anderen verzichten? Weil er der erste war, der sich auf meinen Vater gestürzt hat? Nein, ich weiß es besser! Weil er in dem Moment das Einzige war, an das ich denken konnte! Sie schnaubt verächtlich auf. Sie mussten mich schlagen! Ich hätte den kleinen Hanyou sonst ohne zu zögern gemeuchelt! Welche Schande! Warum sollte mich ein Hanyou so völlig aus der Fassung bringen? Das habe ich gar nicht nötig! Sie wiederholt die Kata zum dritten Mal. Der Hanyou interessiert mich nicht! Soll mir doch nur recht sein, wenn er ein paar Leute von diesem Schleimer ins Nirwana schickt. Aber ich will diesen Streuner! Ich will ihn immer noch! Und ich gebe nicht wieder her, was ich will! Sie stößt erneut einen Kampfschrei aus. Ob die beiden gewusst haben, was passieren würde? Es hatte fast den Anschein! Wahrscheinlich glauben die beiden immer noch, ich hätte nicht mitbekommen worüber sie geredet haben. Ich wüsste gerne, wovor Sesshomaru mich warnen sollte. Hat er schon vorher gewusst, wie ich reagieren würde? Das schmeckt mir gar nicht, so durchschaubar zu sein! Was verheimlichen die beiden mir? Sie hält inne. Hat es etwas mit meinem Vater zu tun? Ist es möglich, dass...? Yarinuyuki reißt die Augen auf. Nein, das kann nicht sein! Mein Vater hat sich niemals so für Frauen interessiert! Sogar meine Mutter hat er getötet, nur weil sie ihm keinen männlichen Nachfolger schenken konnte! Ein tiefes, kehliges Grollen entfährt ihr. Auch wenn er mich wie einen Jungen erzogen hat, wenn es nach ihm gegangen wäre, wäre ich niemals Fürstin geworden! Es kann einfach nicht sein, dass er so vernarrt in eine Frau war, schon gar nicht in eine Ostyoukai und erst recht keine Streunerin! Eine Gänsehaut kriecht ihr über den Rücken. Aber ist Er nicht auch ein Streuner? Und noch immer fällt es ihr schwer, ihn aus ihren Gedanken zu vertreiben. Es ist, als würde der Geruch sie noch immer umwehen. Grimmig schließen sich ihre Hände um ihr Schwert. Er ist ein Streuner, verdammt! Ein mieser, kleiner Streuner und ein Mörder! Ich sollte ihn bei der nächsten Gelegenheit ein für allemal töten! Ich sollte wirklich! Mit heftigen Schlägen geht ihr Schwert hernieder. Chichi-ue (Ehrenwerter Vater)ich habe geschworen Euren Tod zu rächen! Ich werde nicht wortbrüchig werden! Ich gebe Euch keinen Anlass, zu bedauern, dass ich Eure Nachfolge angetreten habe! Der Norden wird nicht hinter den anderen Reichen zurückstehen, solange noch ein Funken Leben in mir ist! Ich habe vielleicht nicht die diplomatische Erfahrung der anderen beiden, aber wenn Sesshomaru sich auf die Seite seines Bruders stellt, kommt es zum Kampf und dann werden wir nicht unterliegen! Arashitsumes Armee ist kaum der Rede wert und Sesshomaru ist alleine. Das wird ein Kinderspiel werden! Der Hanyou gehört bald der Geschichte an, und dann steht niemand mehr zwischen mir und diesem Streuner! Ich werde mir einige nette Sachen für ihn überlegen! Gerade will sie ihre nächste Kata beginnen, als sie urplötzlich zusammenfährt. Wie erstarrt und mit weitaufgerissenen Augen steht sie da. Das kann nicht sein! Er ist es! Er kommt hierher! Augenblicklich verdoppelt sich ihr Herzschlag und beinah wäre ihr das Schwert aus der Hand gefallen. Zum Teufel auch! Sie hatte sich schon eingeredet, dass dieser Geruch in Zukunft keine so verheerende Wirkung auf sie haben würde. Doch schon spürt sie wieder, wie ihr das Blut in die Wangen schießt. Heftig muss sie keuchen, und ihr scheint es als würden sich ihre sämtlichen Innereien zusammenballen. Was ihr Training nicht geschafft hat, gelingt Ihm innerhalb weniger Augenblicke. Yarinuyuki sinkt auf ein Knie hinab und ringt nach Luft. „Yarinuyuki-hime, stimmt etwas nicht?“, kommt nun die zögerliche Frage von einem der Nordyoukais, der behutsam an seine Fürstin herangetreten ist. Die Krieger kennen ihre Herrin gut genug, dass dieser feine Unterschied in ihrem Verhalten bereits auffällig ist. Heftig atmet Yarinuyuki ein und aus und es kostet sie all ihre Selbstbeherrschung, diesen Störenfried nicht augenblicklich mit einem Hieb ihres Schwertes zu zerteilen. Unter zusammengebissenen Zähnen zischt sie: „Wenn dir dein Leben lieb ist, Itakouri, dann sprich mich auf keinen Fall noch einmal an!“ Wachsam aber gehorsam weicht der Krieger ein Stück zurück. Mit steifen Bewegungen kommt Yarinuyuki wieder auf ihre Füße. Ihre Hände zittern und das Denken fällt ihr immer schwerer. Er ist schon ganz nah! Wer weiß, wie sich diese Witterung auf ihre Männer auswirken wird. Wenn es nur annähernd so verheerend ist wie bei ihr, dann wird die gesamte Kampfstärke ihres Heeren augenblicklich zunichte gemacht. Ihre Gedanken verwandeln sich immer mehr in Watte, sie muss schnell handeln. „Itakouri!“, presst sie mühsam beherrscht hervor, „Du übernimmst die Führung des Heeres solange ich fort bin! Keiner von euch darf mir folgen! Wer sich auch nur in die Richtung wagt, in die ich gegangen bin, wird sofort getötet! Verstanden?“ Zwar blickt der Befehlshaber etwas verständnislos drein, doch dann senkt er gehorsam den Kopf und sagt: „Jawohl, Yarinuyuki-hime!“ Nun wendet sich die Fürstin um und mit raschen Schritten verschwindet sie zwischen den Bäumen. Mit flinken Schritten läuft Inu Yasha durch den nächtlichen Wald. Seine goldenen Augen erkennen dennoch jede Kleinigkeit sehr gut. Auf seinem Rücken trägt er Kagome und in leichtem Abstand folgen ihnen Miroku, Sango und Shippo auf Kirara. Um sie her herrscht Finsternis. „Sind wir hier auch richtig?“, meint Shippo besorgt, „Von den Nordyoukais ist noch keine Spur zu sehen.“ „Bestimmt versuchen sie unauffällig zu bleiben“, meint Sango, „Sie können im Dunkeln sicher mindestens so gut sehen wie Inu Yasha und ich denke nicht, dass sie Lagerfeuer benötigen. Sie könnten hier praktisch überall sein.“ Der kleine Fuchs bekommt eine Gänsehaut: „Heißt das, wir sind vielleicht schon ganz in der Nähe?“ „Nein, noch nicht!“, ruft Inu Yasha halblaut, „Ich würde sie riechen, wenn sie in der Nähe wären.“ „Kannst du denn auch erkennen wo Yaeba und Raiuko sind?“, fragt Miroku zurück. Inu Yasha prüft kurz die Luft. „Raiukos Witterung ist kaum wahrzunehmen aber Yaeba ist in diese Richtung gelaufen!“ Hastig laufen sie weiter. „Warum uns Yaeba wohl nicht Bescheid gesagt hat, was er vorhat“, wundert sich Kagome. „Vielleicht war die Zeit zu knapp“, vermutet Inu Yasha. „Aber glaubst du, dass wir diesem Kossoridoku trauen können?“, fragt sie zurück. „Tatsache ist, ohne ihn hätten wir gar nicht davon erfahren!“, meint Inu Yasha, „Wenn es stimmt, dass ich der einzige bin, der die beiden zurückholen kann, dann bleibt uns gar keine andere Wahl! Außerdem ist alles besser als in diesem elenden Zimmer zu hocken und Däumchen zu drehen!“ „Bestimmt wird Sesshomaru unheimlich sauer auf dich!“, meint Kagome besorgt, „Immerhin hast du ihm dein Wort gegeben.“ Inu Yasha beißt die Zähne zusammen: „Ja, das weiß ich! Und es kotzt mich selbst an, dass er diesmal damit auch recht hat! Aber wenn er mir diesen Zimmerarrest nicht aufgebrummt hätte, wäre das gar nicht nötig gewesen. Wenn er mir nur einmal vertrauen würde, hätte er sich jetzt viele Probleme erspart. Aber er will mich ja immer noch nicht in alles einweihen. Wenn er nicht ständig etwas vor mir verheimlichen würde, dann würde es uns wesentlich leichter fallen...“, er bricht ab. „Zusammenzuarbeiten?“, hilft Kagome aus. „Diese Angelegenheit hinter uns zu bringen!“, behauptet Inu Yasha energisch. „Ah, verstehe schon!“, meint Kagome, „Da hast du sicher recht. Aber so ist er nun mal, du kennst ihn doch!“ „Das dachte ich auch, bis vor einer Weile“, brummt Inu Yasha, „Aber im Augenblick ist er irgendwie... ich weiß nicht... anders! Ich kann es nicht recht beschreiben. Aber er hat noch keinem von uns etwas getan, nicht mal den Streunern. Er hat mich aus diesem Kerker rausgeholt. Indirekt versteht sich. Kagome, er weiß über dich Bescheid und er hat es so eingefädelt, dass du Myoga begleitest. Er hat mich vor dem Rat verteidigt und er hat mich sogar gelobt. Das will mir einfach nicht in den Kopf! Was zum Teufel ist bloß los mit ihm?“ „Glaubst du die Situation ist so ernst, dass er lieber gemeinsame Sache mit dir macht, als sich den anderen Fürsten zu stellen?“, fragt Kagome. „Will ich mal nicht hoffen! Mir ist es tausendmal lieber, wenn er mich wieder wie Dreck behandelt, als dass hier ein ausgewachsener Youkaikrieg tobt! Diesmal bin ich sogar seiner Meinung, dass es besser wäre, das zu vermeiden. Du hast Myoga nicht gehört. Das was er über den letzten großen Krieg erzählt hat, war alles andere als feierlich!“ „Die Frage ist, ob wir hier gerade im Moment einen Krieg verhindern oder ihn auslösen!“, überlegt Kagome. Inu Yasha zuckt zusammen: „Immer hast du solche Schauergeschichten auf Lager! Versuch doch mal die Sache positiv zu sehen, ok?“ Auf einmal hält er inne. Aufmerksam zieht er seine Nase zurate. „Verdammt noch mal!“, murmelt er, „Was hat der jetzt auch noch hier zu suchen?“ „Was ist los?“, fragt Kagome verwundert. „Tenmaru!“, meint Inu Yasha als Antwort, „Ich kann ihn riechen, er ist vor kurzem erst hier vorbeigekommen.“ „Aber was kann er denn hier draußen wollen?“, wundert sich Kagome. „Wenn ich das wüsste!“, antwortet Inu Yasha. Noch einmal zieht er die Nachtluft ein und sein Blick wird finster: „Aber mir passt gar nicht wohin er unterwegs ist!“ Für einen kurzen Moment scheint er mit sich zu ringen, dann wendet er sich zu den anderen um: „Miroku, Sango, versucht weiter, die beiden anderen Streuner zu finden. Ich folge Tenmaru!“ „Was hast du vor, Inu Yasha?“, ruft Sango ihm nach, doch mit einem geschmeidigen Satz ist er auch schon in den Büschen verschwunden. „Dieser unverbesserliche Hitzkopf!“, seufzt Sango kopfschüttelnd, „Als wenn er sich was abbricht, wenn er uns auch mal etwas erzählt!“ Plötzlich richtet sich Miroku auf. „Sango ich denke wir sollte einmal in dieser Richtung dort nachsehen.“ „Aber Inu Yasha sagte, sie wäre in diese Richtung gelaufen.“ Doch das Gesicht des jungen Mönchs ist ernst geworden. „Das mag sein, doch ich halte es für wichtig, wenn wir dort einmal nach dem rechten sehen. Ich spüre eine starke, düstere Aura aus dieser Richtung!“ „Youkais?“, fragt Sango argwöhnisch. Miroku verzieht keine Miene: „Eben nicht!“ Lautlos schleicht Raiuko durch das Gebüsch. Er prüft die Luft, späht durch die Finsternis, lauscht auf jedes Geräusch. Immer wieder passiert er Grüppchen von Kriegern des Nordens. Oh, diese Ahnungslosen! Er muss unwillkürlich grinsen. Der widerliche Geruch der Nordyoukais verpestet hier überall die Luft. Soll dieses Geschmeiß ruhig dahin zurückkehren woher es gekrochen kam! Nicht jedoch, bevor er es gehörig dezimiert hat! Immer mit der Ruhe, ihr kommt alle noch dran! Aber zuerst knöpfe ich mir den Typen vor, der meinem Bruder das Herz herausgerissen hat, und wenn es das Letzte ist, was ich tue! Wahrscheinlich könnte es tatsächlich das Letzte sein. Aber sollte er widererwartend überleben, dann wird er ein für allemal unter den Kita-aitsu aufräumen! Ich werde ihnen zeigen, aus wessen Linie ich komme! Hankou-samas Abkömmlinge sind zum Kampf geboren! Nur dafür wurden wir erschaffen! Wir sind das Schwert des Ostens! Der Norden hat nicht die einzigen fähigen Kämpfer! Ich mag zwar ausgestoßen sein, doch ich werde sicher nicht vergessen woher ich stamme und was meine Bestimmung ist! Ich werde sie niedermetzeln, einen nach dem anderen, bis diese verlausten Köter es nie wieder wagen werden, über die Krieger des Ostens zu spotten! Einmal mehr prüft er die Luft und urplötzlich verfinstert sich seine Miene zu einer Maske grimmiger Wut! Da ist er! Kein Zweifel besteht! Da ist der Geruch den er sucht! Ein kaum wahrnembares Grollen entfährt ihm und seine Augen beginnen gefährlich zu leuchten. Geschmeidig wendet er sich der gesuchten Witterung zu. Wie ein Raubtier auf der Jagd bewegt er sich trittsicher durch das Unterholz des Waldes. Ein genüssliches Kampfgrinsen legt sich um seine Lippen und noch während er läuft, verzerren sich seine Züge und an Stelle des schmächtigen Ostyoukais tritt seine wahre Natur. So schnell sie ihre Füße tragen, läuft Yarinuyuki durch den Wald. Die berauschende Witterung führt sie. Schließlich tritt sie aus dem Wald heraus auf eine große grasbewachsene Ebene die von Bäumen und Felsen gesäumt ist. Darüber steht die zunehmende Sichel des Mondes groß am Himmel. Mitten auf dieser Wiese steht eine einzelne Person und ihre schlanke Silhouette zeichnet sich deutlich vor dem Licht am Himmel ab. Yarinuyuki bleibt stehen. Sie muss einmal schwer schlucken. Schon jetzt ist dieser betörende Duft so intensiv, dass es ihr die Sinne benebelt. Tief nimmt sie einen weiteren Zug und dann kommt sie näher. Dieses Mal muss sie zumindest versuchen, sich ihre Würde zu bewahren. Aber der Kleine riecht einfach so verdammt lecker! Erhobenen Hauptes aber tief ein und ausatmend überquert sie die Wiese. Der junge Streuner blickt ihr nur wortlos entgegen. Im hellen Gegenlicht des Mondes ist sein Gesicht kaum zu erkennen, nur zwei hypnotische, violette Augen funkeln in der Dunkelheit. Mit leichten Schritten tritt sie auf ihn zu und als sie nur noch fünf Meter von ihm entfernt ist, fällt der junge Streuner auf die Knie und senkt den Kopf. Yarinuyuki versucht, sich einen klaren Gedanken zu bewahren, was ihr nun mit jedem Schritt schwerer fällt. Mehrmals lässt sie die Knöchel ihrer Hand knacken und sie bemüht sich nach Kräften, sich an ihren Hass auf ihn zu erinnern. Schließlich steht sie direkt vor ihm. Das Atmen fällt ihr schwer und ihre Adrenalinproduktion schiebt Überstunden. Heftig trommelt ihr Herz gegen ihre Brust und ihr Magen verkrampft sich. Mühsam versucht sie ihre Lippen wieder unter Kontrolle zu bringen. „Ich möchte gerne glauben, dass du nur durch Zufall hier bist, doch dem ist nicht so!“ Es ist eine Feststellung. Noch ehe sie recht bemerkt wie ihr geschieht, beginnt sie ihn mit federnden Schritten zu umrunden und ihre Fingerspitzen fahren spielerisch durch einige Strähnen seines Zopfes. Yarinuyuki erschaudert. Tenmaru erstarrt. Schlanke aber kräftige Finger graben sich nun in seinen Schopf und befördern den Streuner auf ihre Augenhöhe. Ihr Gesicht ist nun dicht neben dem seinen. „Das bringt mich zu der Frage, was du hier willst!“, haucht sie und ihre Pupillen sind stark geweitet. Tenmaru versucht ihrem Blick auszuweichen. Sein Gesicht ist starr. „Ich kam, um Euch einen Handel anzubieten, edle Fürstin.“ Belustigt schaut sie ihn an; dabei fährt ihr Handrücken wie beiläufig über seine Wange. „Einen Handel?“ Sie nimmt einen weiteren Zug seiner Witterung. Nun tritt sie hinter ihn und ihre Finger fahren sanft über seinen Nacken. Tenmaru verkrampft sich ein wenig. „Wie interessant!“, ein behagliches Brummen entfährt ihr. Nun legen sich ihre Hände von hinten behutsam auf seine Schultern. Er spürt ihren warmen Atem an seinem Ohr und wieder erstarrt er. „Was verlangst du denn?“, vernimmt er ihre warme Altstimme. Tenmaru ballt die Fäuste. „Ich bitte Euch, verzichtet darauf, Inu Yasha schuldig zu sprechen!“ Ihre Hände, die bis eben an seinem Rücken hinuntergewandert sind, halten bei seiner Taille inne. „Und warum sollte ich das tun? Was bekomme ich denn als Gegenleistung?“ Tenmaru schließt müde die Augen und atmet einmal schwach durch. „Ihr bekommt mich!“ „Sieh mal einer an!“ Ihre Hände greifen nun kraftvoll in seine Seite. Tenmaru beißt die Zähne zusammen. Nun vernimmt er wieder ihre Stimme direkt neben seinem Ohr als sie flüstert: „Aber dich habe ich doch bereits!“ Er bemerkt wie sich ihre Arme um seinen Körper schließen und spürt nun ihren Körper eng an den seinen gepresst. Ein Schauer läuft über seinen Rücken, als er ihren heißen Atem in seinem Nacken spürt. Schmerzhaft beißt er sich auf die Lippen. „Dann gibt es doch für Euch keinen Grund mehr, Inu Yasha zu verurteilen“, versucht er es erneut. Ihre Hände wandern langsam zu seinem Oberkörper hinauf. „Was interessiert dich der Hanyou?“, fragt sie leicht verstimmt, „Wenn du den Dienst für ihn ernst nehmen würdest, wärst du nicht hier!“ Sanft fahren ihre Finger über seine Brust. „Ich stehe nicht mehr in seinem Dienst!“, sagt Tenmaru leise und wieder muss er schwer schlucken. Erneut halten ihre Finger inne. „Dann verstehe ich nicht, warum du das tun willst.“ Tenmaru hebt den Kopf und blickt hinauf in den klaren Sternenhimmel. „Weil ich mich so entschieden habe!“ Nun vernimmt er ein leichtes, belustigtes Lachen. „Aber du entscheidest hier gar nichts, Kleiner! Du bist ein Streuner! Du hast keine Wahl!“ Tenmarus Miene wird starr. „Man hat immer eine Wahl! Jeder hat das! Auch Ihr habt sie, so wie Euer Vater oder meine Mutter!“ Nun spürt er wie sich ihre Arme widerstrebend von ihm lösen und dann schließt sich eine Klaue schmerzhaft um seinen Oberarm. Unsanft dreht sie ihn zu sich um. Hell glühen ihre eisblauen Augen durch die Dunkelheit und nageln ihn mit einem finsteren Blick fest. „Was weißt du über meinen Vater, Streuner?“ Nun klingt in ihrer Stimme wieder ein dunkles Grollen mit. Tenmarus Augen schimmern in einem warmen Violett. „Ich weiß, dass er nicht hätte sterben brauchen, wenn er sich anders entschieden hätte.“ Ein tiefes Grollen entfährt ihrer Kehle. „Beleidige nicht das Andenken meines Vaters!“, faucht sie, „Du warst es, der ihn umgebracht hat und dafür wirst du mir bezahlen!“ Tenmarus Miene ist ausdruckslos. „Nur zu! Haltet Euch nicht zurück! Glaubt mir, es spielt keine Rolle mehr für mich. Ich bitte Euch lediglich, es mit der Rache an mir genug sein zu lassen! Ich war es, der sich über Ihren Befehl hinwegsetzte. Die anderen trifft keine Schuld, genau so wenig wie Inu Yasha! Lasst nicht sie für meinen Fehler bezahlen! Tötet mich oder tut mit mir, was immer Ihr wollt, doch bitte verschont meine Freunde!“ Yarinuyukis Augen werden schmal. „Du bietest mir dein Leben und deinen Körper an, nur damit ihnen nichts geschieht? Warum?“ Nun blickt der junge Streuner auf. Klar schaut er sie an: „Manchmal muss man kämpfen für das was einem wichtig ist! Und manchmal muss man selbst das aufgeben, um etwas zu beschützen, das einem noch mehr bedeutet!“ Verächtlich blickt Yarinuyuki ihn an: „Für einen Haufen wertloser Streuner und einen Hanyou mit Stammbaum?“ Ernst ruht Tenmarus Blick auf ihr: „Für meine Familie!“ Yarinuyuki lacht auf: „Eine feine Familie!“ Wieder atmet sie tief ein und aus. Ihr Blick bekommt wieder etwas lüsternes. „Aber vielleicht kann ich mich mit diesem Gedanken anfreunden!“ Sie legt ihre Hände sanft auf seine Schultern und nun wandern ihre Finger sinnlich seinen Hals hinauf zu seinen Wangen. Tenmaru rührt keinen Muskel; er lässt es wortlos geschehen, doch er weicht ihrem Blick nicht länger aus. Ihr Gesicht ist nun direkt vor seinem und er spürt ihren warmen Atem in seinem Gesicht, kann sehen wie heftig sich ihre Brust hebt und senkt. Immer näher kommen ihre Lippen den seinen und er spürt wie der Griff ihrer Klauen an seiner Wange fester wird. Tenmaru schließt die Augen. Er wird auch das ertragen, vielleicht wird es gar nicht so schrecklich wie er befürchtet hat. Doch kurz bevor sich ihre Lippen berühren, ertönt auf einmal ein aufgeregter Schrei: „Tenmaru!“ Ruckartig fahren die beiden herum. Aus Yarinuyukis Kehle dringt nun ein grimmiges Knurren und sie hat die Zähne gefletscht, bereit, augenblicklich jeden aufzuschlitzen, der sie in diesem Moment stört. Tenmarus Augen weiten sich, als er sieht wer dort steht. „Inu Yasha-sama?“, fragt er ungläubig. Keine zehn Schritt entfernt befindet sich der weißhaarige Hanyou und neben ihm steht Kagome; ihren Bogen hat sie in der Hand. „Was zum Teufel tust du hier?“, ruft Inu Yasha verärgert. „Hanyou!“, grollt Yarinuyuki tödlich und ihre Augen beginnen in einem eisigen Blau zu leuchten. Tenmaru bemerkt den Ernst der Lage sofort. „Geht zurück, Inu Yasha-sama!“, ruft er, „Hier gibt es nichts für Euch zu tun!“ „Ich hör wohl schlecht!“, meint Inu Yasha empört, „Sag du mir nicht, was ich zu tun oder zu lassen habe!“ „Tenmaru, was hast du vor?“, fragt nun auch Kagome besorgt. Ernst blickt der Streuner zu den beiden hinüber: „Ich habe mich in Yarinuyuki-samas Dienste begeben!“ „Was?“, kommt der ungläubige Ausruf von Inu Yasha, „Spinnst du jetzt völlig?“ „Warum tust du das, Tenmaru?“, fragt nun auch Kagome, „Ich dachte du dienst Inu Yasha!“ Tenmaru senkt den Kopf. „Jetzt dient er mir!“, grollt Yarinuyuki gefährlich und schiebt sich vor den Streuner. „Tenmaru!“, versucht Kagome es noch mal, „Das sieht dir überhaupt nicht ähnlich! Du hast doch deinen Schwur so ernst genommen! Was ist denn passiert?“ Tenmaru beißt die Zähne aufeinander: „Du kennst mich eben überhaupt nicht! Seht zu, dass ihr verschwindet!“ „Das akzeptiere ich nicht!“, meint Kagome trotzig, „Ich will wissen, was du dir dabei gedacht hast!“ Nun ist ein tiefes Knurren von Yarinuyuki zu hören und mit einer geschmeidigen Bewegung zieht sie ihr Schwert. „Dieser Mensch fängt an mich zu nerven!“, zischt sie. Langsam setzt sie sich in Bewegung und ihre blauglühenden Augen sind direkt auf Kagome gewandt. „Kagome, Vorsicht!“, ruft Inu Yasha. Auch er hat die Bewegung der Nordfürstin erkannt und im gleichen Moment zieht er Tessaiga. Groß leuchtet die Klinge auf. „Inu Yasha-sama! Nicht, sie wird Euch töten!“, versucht Tenmaru ihn zu warnen. „Halt den Mund!“, ruft Inu Yasha grimmig, „Ich lasse nicht zu, dass sie auch nur einen Finger an Kagome legt!“ Wachsam baut er sich zwischen Kagome und seiner herankommenden Gegnerin auf. Nur noch wenige Meter trennen sie. Yarinuyukis Blick ist kalt und berechnend. Nur noch drei Schritte und sie hat ihn erreicht. Inu Yasha greift seine Waffe fester. Blitzartig holt die Nordfürstin zum Schlag aus. „Nein!“, ertönt ein Schrei und dann keinen halben Augenblick später schiebt sich eine Gestalt zwischen Inu Yasha und das Schwertblatt der Nordfürstin. Yarinuyuki fletscht die Zähne und starrt mit bitterbösem Blick auf den Streuner, der mit dem Schneidblatt seiner Dolche den Hieb abgefangen hat. „Ihr dürft nicht kämpfen, Inu Yasha-sama!“, sagt Tenmaru ohne sich umzusehen. Inu Yasha knurrt wütend: „Du brauchst mich nicht beschützen, Kerl! Glaub nur nicht, ich wäre so schwach, dass ich immer wieder auf deine Hilfe angewiesen wäre!“ „Das meine ich nicht!“, ruft Tenmaru und mit einem kräftigen Stoß schiebt er die Fürstin des Nordens von sich weg. „Du kleiner Bastard!“, schnaubt sie wütend, „Geh auf der Stelle aus dem Weg!“ “Nein!“, stellt Tenmaru unbeirrt klar. „Was soll das heißen?“, ruft Inu Yasha nun wieder. „Ihr seid noch immer ein Fürst des Westens!“, erklärt Tenmaru während er Yarinuyuki wachsam im Auge behält, „Wenn Ihr die Klinge mit ihr kreuzt, ist das eine direkte Herausforderung des Nordens! Wenn ein Fürst einen anderen Fürsten angreift, gibt es Krieg, daran führt kein Weg vorbei!“ „Ich sagte: Aus dem Weg!“, schreit Yarinuyuki wutentbrannt!“ „Nein!“, wiederholt Tenmaru grimmig. „Dann lässt du mir keine Wahl!“, faucht sie tödlich. Eine eisblaue Aura beginnt ihr Schwert zu umgeben und dann hebt sie die Klinge. Sie scheint zu allem bereit. In geduckter Haltung hat sich Tenmaru vor ihr aufgebaut; in jeder Hand einen Dolch. Er lässt sie nicht aus den Augen. „Yarinuyuki-sama, entsinnt Euch!“, versucht er es noch mal, „Ihr wolltet sie verschonen, wenn ich mich Euch ausliefere! Tut nichts, was Ihr später bereut!“ Ein tiefes Knurren dringt aus ihrer Kehle und ihre Augen leuchten noch immer gefährlich. Doch sie scheint kurz zu zögern. „Inu Yasha-sama, geht! Bringt Euch in Sicherheit und kümmert Euch nicht um mich!“, ruft Tenmaru nun den Blick unverwandt auf die Nordfürstin gerichtet, bereit jederzeit dazwischen zu gehen, sollte sie einen Angriff starten. Doch von dem Hanyou kommt keine Reaktion. „Was ist nun? Geht!“, ruft der Streuner erneut und es klingt ein wenig verzweifelt. Nun hebt Inu Yasha den Kopf und seine Miene ist ernst. „Nein!“, sagt er, „Ich werde sicher nicht feige die Flucht ergreifen, wenn du bereit bist dein Leben für mich aufs Spiel zu setzen. Wenn ich zulassen würde, dass du unsere Sicherheit mit deinem Leben oder deiner Würde bezahlst, dann könnte ich mir nie wieder in die Augen sehen!“ „Inu Yasha-sama?“, verwundert riskiert Tenmaru einen flüchtigen Blick hinüber zu dem Hanyou. Doch Inu Yasha redet schon weiter: „Es ist ein feiner Zug von dir, dass du das tun willst, aber es ist einfach nicht mein Stil, mein Leben auf Kosten anderer zu retten!“ Nun meldet sich auch Kagome zu Wort: „Du musst uns vertrauen! Wir lassen unsere Freunde niemals im Stich!“ Sprachlos schaut sich Tenmaru zu ihnen um. Diesen Augenblick der Unachtsamkeit nutzt Yarinuyuki aus und wie von der Sehne geschossen, ist sie auch schon über ihn hinweggesprungen und mit einem wütenden Schrei fährt ihre Klinge auf Inu Yasha nieder. Doch wenige Zentimeter bevor ihr Schwert auf Tessaigas Schneide auftrifft, wird ihr Arm heftig zurückgerissen und nur wenige Augenblicke später findet sie sich nach einem unsanften Aufprall auf dem Boden wieder. Hoch aufgerichtet steht Tenmaru über ihr. Seine Miene spiegelt grimmige Entschlossenheit wieder. „Nein!“, wiederholt er einmal mehr, „Ihr werdet ihn nicht anrühren! Ich bin der den Ihr wollt! Richtet nicht Euch und Euer Volk zugrunde wegen einer unüberlegten Handlung!“ Noch immer sitzt sie auf der Erde. In ihrer Miene findet ein heftiges Wechselspiel der Gefühle statt. Unkontrollierte Wut wechselt sich ab mit zügellosem Verlangen und hilfloser Ratlosigkeit. Ihre Hände zittern und plötzlich bahnt sich ein tiefes Grollen aus ihrer Kehle seinen Weg und steigert sich zu einem markerschütternden, zornigen Wutschrei. Gefährliche blaue Auraschwaden umgeben sie nun und Inu Yasha, Kagome und Tenmaru haben alle Mühe, sich auf den Füßen zu halten. Mit einem unkontrollierten Wutausbruch rammt sie eine ihrer Klauen in den Boden und durch die Wucht des Aufpralls entsteht ein regelrechter Krater auf der Wiese. Heftig atmet sie ein und aus. Und dabei verschluckt sie sich mehrmals selbst an ihrem Atem. Aus einiger Entfernung beobachten die drei das Geschehen mit wachsamen Mienen. Nach einer ganzen Weile scheint sie sich wieder etwas beruhigt zu haben. Mit steifen Bewegungen erhebt sie sich wieder und man erkennt in ihrem Gesicht deutlich, welche immense Anstrengung dahinter stecken muss. Noch immer zucken ihre Finger und ihr Schwert hängt kraftlos herunter. Dann ganz langsam hebt sie den Kopf. Das Leuchten in ihren Augen ist verschwunden aber der Blick den sie nun Tenmaru zuwirft ist nicht weniger eisig. „Sag mir, Streuner“, fragt sie leise, „Hatte auch deine Mutter einen solch betörenden Geruch? War Sie es, die mein Vater nicht aufgeben konnte?“ Nun senkt Tenmaru betrübt den Kopf: „Ja, auch meine Mutter Hanaki hatte diesen Fluch. Es war nie ihre Absicht, Euren werten Vater derartig in ihren Bann zu schlagen, doch es erging ihm wie Euch nun und er vermochte nicht mehr von ihr zu lassen.“ Für einen Moment zucken ihre Lider kurz, dann sagt sie leise: „Deine Mutter also, ich verstehe!“ „Moment mal!“, mischt sich nun Inu Yasha ein, „Was soll das heißen 'Mutter'?“ „Die Anführerin der Streuner war Tenmarus Mutter“, erklärt Kagome nun ihrem Freund, „Sie war die Schwester von Arashitsume.“ „Was? Und das erfahre ich erst jetzt?“, empört sich Inu Yasha, „Sag bloß, du hast davon gewusst und mir nichts davon gesagt!“ „Ich hatte bisher keine Gelegenheit!“, verteidigt sich Kagome. „Na toll!“, meint Inu Yasha ärgerlich, „Das wäre aber mal wichtig gewesen, meinst du nicht auch?“ „Dann wusste es Arashitsume also auch!“, vernimmt man nun Yarinuyukis Stimme, „Sehe ich das richtig?“ Tenmaru nickt bekümmert. „Und Sesshomaru?“ Tenmaru nickt wieder. „Ja, auch er weiß davon!“ Die Miene der Nordfürstin legt sich in Ärgerfalten: „Nur mir hat man das verheimlicht!“, sie fletscht die Zähne, „Das werden sie mir büßen, diese miesen Köter! Es wird ihnen noch bitterlich leidtun, dass sie mich nicht ernstgenommen haben!“ Tenmaru macht ein paar vorsichtige Schritte auf sie zu: „Was habt Ihr jetzt vor, edle Fürstin?“ Ihre Augen fliegen auf: „Halt!“, ruft sie scharf, „Keinen Schritt näher, Streuner!“ Erneut ballt sie die Hände zur Faust und ihre Lippen zucken unkontrolliert. „Es ist nicht...“, sie kneift die Augen zusammen, „Es ist nicht der geeignete Augenblick!“ In eben diesem Moment wird der Erdboden von einer leichten Erschütterung heimgesucht. Sämtliche Blicke gehen nun in die selbe Richtung. „Was war das?“, fragt Kagome besorgt. „Das kommt aus der Richtung in der ich die Nordyoukais rieche!“, stellt Inu Yasha fest. Yarinuyuki fletscht die Zähne. „Jemand greift unser Heer an! Das werde ich nicht dulden!“ Schon springt sie los. Doch noch im Laufen ruft sie Tenmaru zu: „Und wehe du wagst es, mir zu folgen!“, und dann ist sie auch schon zwischen den Bäumen verschwunden. Irritiert schauen die anderen ihr hinterher. „Meinst du, das ist Raiuko?“, fragt Kagome ihren Freund besorgt. Inu Yasha zieht die Luft ein. „Oh ja!“, stellt er ernst fest, „Das ist er zweifellos!“ Erschrocken fährt Kagome zusammen: „Das heißt er hat die Nordyoukais gefunden!“ „Nicht nur“, meint Inu Yasha, „Ich rieche Blut!“ „Was hat Raiuko getan?“, Tenmarus Stimme ist ernst. „Er versucht den Tod seines Bruders zu rächen, so scheint es“, meint Inu Yasha, „Offenbar hat Yaeba ihn nicht rechtzeitig gefunden.“ Tenmaru ballt die Faust: „Dieser Idiot!“ Geschmeidig steckt er seine Dolche in ihre Scheiden zurück und dann setzt er sich in Bewegung. „Wo willst du jetzt wieder hin?“, fragt Inu Yasha ärgerlich, „Sie hat doch gesagt, du sollst von ihr fernbleiben und diesmal bin ich ihrer Meinung!“ „Tenmaru!“, ruft auch Kagome, „Bleib hier! Sie wird dich töten!“ „Mag sein!“, ruft Tenmaru zurück, „Aber vorher sorge ich dafür, dass ich der Einzige bleibe!“ Und dann ist auch er ihren Blicken entschwunden. „Was hat der denn auf einmal?“, wundert Inu Yasha sich. Doch nun setzt sich auch Kagome in Bewegung und läuft auf den Wald zu. „Kagome!“, ruft Inu Yasha ihr nach, „Was soll das? Wo willst du jetzt auch wieder hin?“ „Na hinterher!“, antwortet sie im Laufen, „Oder wolltest du ihn etwa alleine gehen lassen?“ Inu Yasha beißt die Zähne zusammen: „Nein, wollte ich nicht, aber... ach verdammt!“ Sofort springt er ihr in großen Sätzen hinterher und mit einer geschmeidigen Bewegung schwingt er sie sich auf den Rücken und nur Augenblicke später kehrt wieder Ruhe auf der Ebene ein. Kapitel 36: Rache! ------------------ Mit gleichmütiger Miene kniet Arashitsume auf einem Sitzkissen in seinen Gemächern. Er verschwendet kaum einen Gedanken, an seine eifrigen Bediensteten, die sich mit geschickten Fingern bemühen, Frisur und und Gewandung ihres Herren in eine aufwendige und perfekt konstruierte Ordnung zu bringen. Seine Leibdiener sind fähig und erfahren; alles wird zu seiner Zufriedenheit sein, wenn das Bankett beginnt. Eine leidige Pflicht, dieses Essen, und völlig überflüssig, aber das Protokoll muss gewahrt bleiben, zumindest noch so lange wie nötig. Arashitsume lächelt. Alles fügt sich so, wie er es eingefädelt hat. Tenmaru gehört nun ihm und damit auch schon bald Yarinuyuki und Sesshomaru wird bald schon tot sein! Es könnte gar nicht besser laufen! Sein kleiner Spion hat gute Arbeit geleistet! Sich seine Dienste zu sichern, war von unschätzbarem Wert bisher, ebenso wie die Dienste dieser Miko. Wenn Sesshomaru erst mal aus dem Weg ist, werde ich Tenmaru adoptieren und mit der Fürstin des Nordens verloben. Dieses unmündige Mädchen wird dieser verlockenden Witterung nichts entgegenzusetzen haben. Es wird nicht lange dauern und sie wird mir aus der Hand fressen. Dann kann ich endlich mit ihr machen, was ich will! Nein, Yarinuyuki, du hast mich zum letzten Mal verhöhnt! Schon bald bist du meinem Neffen hilflos verfallen und Tenmaru wird genau das tun, was ich von ihm verlange! Er hat gar keine Wahl! Der Norden ist mir damit praktisch schon sicher und der Westen hat keinen Erben; es wird ein Kinderspiel werden, ihn einzunehmen! Keiner von den Ratsleuten dort hat das Zeug zum Herrscher und diesem Hanyou überlassen sie das Reich bestimmt nicht. Mit dem Norden als Verbündeten, wird es nicht lange dauern, bis wir auch den Westen eingenommen haben. Dann setze ich Tenmaru als Verwalter ein und dann gehört das Land mir! Arashitsumes Lächeln wird breiter. Vielleicht sollte er einmal in Erfahrung bringen, wie weit die Lage schon ist. Mit jahrhundertelanger Erfahrung leert er seinen Geist und dann konzentriert er sich. Es bedarf für ihm kaum noch einer Anstrengung, den Klang seiner Stimme an einen anderen Ort zu schicken. Hin zu der Person, die er zu sprechen wünscht. „Kossoridoku!“, raunt die Stimme. Es dauert nicht lange und er erhält eine Antwort in seinen Gedanken. „Wie kann ich Euch zu Diensten sein?“ Arashitsume lächelt noch immer. Diese Art der Kommunikation ist doch wesentlich stilvoller als lautes Geschrei oder Gerenne. „Ich habe einen Auftrag für dich. Ich erwarte Tenmaru bereits seit einer Weile zurück. Sieh doch einmal nach wo er steckt und schick ihn dann zu mir!“ „Ja, edler Fürst!“, kommt die Antwort. „Ach ja, noch etwas“, fügt Arashitsume hinzu, „Ich wüsste gerne, wie es um Sesshomaru steht. Bring auch das in Erfahrung! Aber halte dich bedeckt! Es ist noch nicht an der Zeit deine Tarnung abzulegen!“ „Ihr kennt mich doch, mein Fürst! Habe ich Euch jemals enttäuscht?“ Arashitsume legt die Stirn leicht in Falten. „Es war sehr bedauerlich, dass du dich damals hast von Sesshomaru erwischen lassen. Einen geeigneteren Spion hatte ich nie zuvor im Westen. Es ist wahrlich ein Jammer, dass mir nach deiner Flucht diese Informationsquelle verschlossen blieb!“ „Das tut mir aufrichtig leid, mein Fürst!“ Arashitsumes Gesicht glättet sich wieder. „Es ist schon in Ordnung! Auch an deinem neuen Platz hast du mir gute Dienste geleistet. Es war wohl eine weise Voraussicht, dass ich dich in das Rudel meiner Schwester geschickt habe.“ „Ich bin froh, wenn ich dienlich sein konnte!“ „Das weiß ich und ich bin sehr zufrieden mit dir!“ „Habt Dank, mein Fürst!“ „Was macht deine Verletzung?“ „Sie ist nicht der Rede wert, mein Fürst!“ Arashitsume schmunzelt. „Ein geschickter Zug, dich selbst zu verletzen.“ „Ich überlasse ungern etwas dem Zufall.“ „Keine halben Sachen! Du bist ein Mann nach meinem Geschmack!“ „Es ehrt mich, dass Ihr so große Stücke auf mich haltet!“ Arashitsume hebt den Kopf etwas. „Doch nun genug mit dem Geplänkel! Tu worum ich dich gebeten habe!“ „Wie ihr befehlt, mein Fürst!“ Dann bricht der Kontakt ab. Nun gibt Arashitsume seinen Dienern einen Wink und sofort lassen sie von ihm ab, knien sich zu Boden und der Fürst des Ostens erhebt sich. Mit erhobenem Haupt verlässt er nun seine Gemächer und begibt sich auf den Weg zum großen Speisesaal. Nicht mehr lange und Yarinuyuki wird eintreffen und sobald Tenmaru ebenfalls eingetroffen und Sesshomaru tot ist, kann das Fest beginnen. Nachdenklich blickt der kräftige, hochgewachsene Nordyoukai mit den schneeweißen Haaren und den wasserblauen Augen in die Richtung, in der seine Fürstin verschwunden ist. Wenn er doch nur dahinter kommen könnte, was die aufbrausende Daiyoukai so aus der Bahn geworfen hat. Fast schien es als hätte sie Schmerzen. Gerne würde er ihr folgen und sich von ihrer Unversehrtheit überzeugen, wie es seine Pflicht ist. Doch sie hat ja klar und deutlich gesagt, dass er hier bleiben soll. Ob sie eine Bedrohung wittert, der sie sich lieber alleine stellen möchte? Doch was könnte so schlimm sein, dass dafür ihre persönliche Aufmerksamkeit erforderlich ist? Nun, es ist nicht an ihm, ihre Befehle in Frage zu stellen. Yarinuyuki-hime ist bei ihren Untertanen beliebt, fast mehr noch als es ihr Vater war. Niemand hat Einspruch erhoben, als sie nach seinem Tod, den Thron für sich beansprucht hatte, obwohl jeder wusste, dass es nicht in Inu Taihyougas Sinne gewesen wäre. Doch einen anderen Anspruch gab es nicht und der Nordclan ist es gewöhnt, Autoritäten nicht in Frage zu stellen. Solange sie sich ihrem Erbe als würdig erweist, werden ihre Krieger ihr folgen! Nun wendet sich Itakouri an seine Soldaten: „Ihr habt sie gehört! Ihr haltet euch von dort fern!“ Die acht anderen Youkais in diesem Lager nicken als Zeichen, dass sie verstanden haben. Dabei kauen sie weiter genüsslich an drei Kühen, die sie sich über ihr Lagerfeuer zum rösten gehängt haben und von denen sie gelegentlich mit ihren Dolchen einen Fetzen abschneiden. „Faules Pack!“, grummelt Itakou mürrisch, „Habt ihr eigentlich sonst nichts zu tun, als hier rumzusitzen und zu fressen?“ „Wasch will't du, Ita'oui, scholln wia edwa vom Fleisch fall'n?“, nuschelt einer der Krieger und schaut seinen Hauptmann in aller Seelenruhe an. Der Nordyoukai fletscht die Zähne. „Muss ich euch eigentlich ständig daran erinnern, dass wir diese verdammten Streuner suchen sollen, ihr elenden Fresssäcke?“ „Krieg dich wieder ein, Itakouri!“, meint ein anderer gelassen, „Wir sind schon den ganzen Tag auf der Suche gewesen, gönn uns ne Pause!“ „Ich hab mich wohl verhört!“, schnaubt Intakouri ärgerlich, „Was seid ihr doch für Schlappschwänze!“ „Komm, Itakouri, setz dich zu uns und nimm dir auch was!“, meint ein dritter nun, „Du hast seit vier Tagen nichts gegessen. Nicht, dass du noch einen Schwächeanfall bekommst! Seit dir der eine Streuner neulich entkommen ist, hast du ständig schlechte Laune!“ „Was geht dich das an?“, faucht der Befehlshaber, „Es ärgert mich halt, dass das kleine Wiesel mir abgehauen ist! Aber denn krieg ich schon, warte nur ab!“ Er ballt die Faust. „Ja, wart nur ab!“, grinst einer der Krieger, „Vielleicht erspart er dir die Mühe und kommt direkt hierher in unser Lager!“ In diesem Moment zucken die Krieger zusammen und sämtliche Köpfe gehen in die selbe Richtung. „Damit könntest du vielleicht sogar recht haben!“, grollt Itakouri, „Er kommt tatsächlich hierher!“ Augenblicklich ist der Braten vergessen. Die Nordyoukais springen auf und greifen zu ihren Waffen. Auch Itakouri packt seinen Speer fester. Keine Sekunde zu früh, denn im nächsten Augenblick hört man ein heftiges Knacken im Unterholz, begleitet von einen wütenden Knurren und dann schießt eine gewaltige Hundegestalt zwischen den Bäumen hervor und wetzt direkt auf den Befehlshaber zu; ihre Augen glühen hellviolett vor Wut. Mit einem geschickten Sprung weicht Itakouri der Bestie aus, die gerade mit ihren mächtigen Kiefern nach seinem Kopf geschnappt hat. Doch der drei Meter hohe Hund, fährt augenblicklich herum und schnappt erneut zu. Wieder weicht der Nordyoukai aus, doch diesmal erwischt ihn einer der scharfen Zähne am Arm und hinterlässt eine unschöne Wunde. Die erste Überraschung hat Itakouri nun überwunden und ein amüsiertes Kampflächeln zieht auf sein Gesicht. Mit einem heftigen Schlag seines Handrückens schlägt er den Kopf des Hundes beiseite. Das Ungeheuer taumelt für einen Moment. „Nicht schlecht, Streuner!“, grinst Itakouri verwegen, dann leckt er sich das Blut vom Arm und greift seinen Speer wieder fester. Mit tiefem Grollen steht der riesenhafte Hund vor ihm und belauert ihn. Itakouri winkt ihn zu sich: „Komm nur! Darauf habe ich nur gewartet! Ich mach dich nieder wie deinen fetten Freund!“ Ein tiefes Knurren entfährt Raiukos Kehle und dann vernimmt man schaurig klingende, kehlige Worte aus seinem Rachen: „Er war mein Bruder!“ Und mit diesen Worten stürzt sich der Streuner auf seinen Gegner. Der Befehlshaber der Nordyoukais grinst noch breiter: „Um so besser, heute rotte ich eure ganze Sippe aus!“ Und dann stürmt auch er auf den Streuner zu. Mit einem mächtigen Satz landet Raiuko dort wo Itakouri gerade gestanden hat, doch der Nordyoukai ist gerade noch ausgewichen und rammt dem Hund hart die Spitze seines Speers in die Schulter. Die Bestie jault kurz auf doch dann schnappen ihre Kiefer blitzschnell nach seinem Gegner und diesmal erwischt er den Arm. Itakouri unterdrückt einen Schmerzensschrei, doch er schafft es sich loszureißen und seinen Arm zu behalten. Er blutet stark. „Itakouri!“, ruft einer seiner Gefährten und schon wollen ihm die anderen zu Hilfe eilen. „Bleibt wo ihr seid!“, faucht Itakouri giftig, „Den erledige ich selbst!“ Vor ihm steht Raiuko und seine Lefzen sind zu einem gemeinen Grinsen verzerrt; aus seinem Maul tropft roter Speichel. Itakouris Kehle entfährt ein boshaftes Grollen. Er packt seinen Speer wieder fester. „Dafür bezahlst du mir, Köter! Wertloses Stück Dreck!“ Bei diesen Worten leuchten Raiukos Augen wieder auf und blitzschnell springt er auf den Befehlshaber zu. Ein kräftiger Hieb seiner Pranke kegelt den Youkai einmal quer über den Platz. Mit bitterbösem Blick rappelt sich Itakouri wieder auf, sein Atem geht heftig und seine Zähne sind gefletscht. „Du bist so was von tot!“, und nun verzerren sich auch seine Gersichtszüge und nehmen immer animalischere Formen an. Nur wenige Augenblicke später steht ein zweiter riesiger, wenn auch schneeweißer Hund vor seinem dunkelgrauen, zottigen Gegner. Ein tiefes Knurren entfährt ihm und im nächsten Augenblick springt er vor und fällt den Streuner an. Eine wilde Balgerei beginnt wobei der inzwischen verkohlte Rinderbraten, zusammen mit einigen der umstehenden Bäume, unter den mächtigen Körpern plattgewalzt wird. Beide Tiere bemühen sich mit grimmiger Entschlossenheit die eigenen Kiefer um die Kehle des anderen zu schließen, doch bisher gelingt es keinem. Ein wütender Kampf entbrennt, bei dem die anderen Nordyoukais nur mit grotesker Begeisterung mitfiebern. Doch keiner wagt, in den Zweikampf mit einzugreifen. Durch den Tumult angelockt, haben sich inzwischen noch weitere Nordyoukais eingefunden. „Was ist hier los?“, fragt einer. „Der Hauptmann, bringt gerade den Streuner um!“, kommt die hämische Antwort. In der Tat. Raiuko wehrt sich nach besten Möglichkeiten, doch er muss immer mehr Hiebe und Bisse einstecken. Der weiße Hund überragt ihn um fast einen halben Meter und er ist wesentlich muskulöser. Aber Raiuko denkt nicht im Traum daran, aufzugeben. Verbissen kämpft er weiter. Wieder erwischt ihn der Nordyoukai am Hinterbein und er jault unwillkürlich auf. Ein kehliges Lachen entfährt Itakouri: „Tut's weh?“ Raiuko fletscht die Zähne. Er humpelt, einige Sehnen sind gerade in Mitleidenschaft gezogen worden. Diese Gelegenheit nutzt der kampferprobte Nordyoukai und stürzt sich wieder auf seinen Gegner. Tief graben sich seine Pranken und Zähne in Raiukos Seite. Der Streuner winselt. Sein Kopf fliegt herum und erwischt seinen Gegner an Schulter und Ohr. Doch der Nordyoukai lässt nicht los. Noch immer halten seine Kiefer ihn fest. Ein Zittern geht durch Raiukos Körper. Mit einem heftigen Ruck löst sich der Nordyoukai von ihm und nimmt dabei einen Mund voll seines Gegners mit. Wieder jault Raiuko auf und dann bricht er zusammen. Warme Ströme dunklen Blutes rinnen aus seiner Seite und sein Atem rasselt. Sein Kopf fällt auf die Seite und im selben Moment beginnt seine mächtige Gestalt zu schrumpfen. Nur wenige Augenblicke vergehen und er hat wieder seine menschliche Gestalt angenommen. Sein Gesicht ist nun schmerzverzerrt und sein Atem geht stoßweise. Das Leuchten in seinen Augen ist verschwunden und die Farbe seiner Iris wirkt wie ausgebleicht. „Elender Bastard!“, presst er unter heftigem Keuchen hervor. Er kneift die Augen zu und versucht verzweifelt sich hochzustemmen, doch ihm knicken immer wieder die Arme weg. Boshaft steht der gewaltige Nordyoukai über ihm und blickt verächtlich auf ihn herab: „Jämmerlich!“, knurrt die riesenhafte Gestalt, „Genau wie dein Bruder!“ „Gib ihm den Rest!“, hört man nun von den Umstehenden, „Mach ihn alle, den Köter!“ Raiuko fletscht die Zähne. Wieder versucht er sich hochzustemmen, doch nun setzt der riesige Hund seine Pranke auf seinen Brustkorb. Raiuko stöhnt schmerzerfüllt auf. Itakouri grinst boshaft: „Das war's jetzt für dich! Grüß mir deinen Bruder in der Hölle!“ „Ist das ne Privatangelegenheit, oder dürfen wir mitmachen?“, tönt auf einmal ein lauter Ruf über den Platz. Augenblicklich wenden sich dem Verursacher sämtliche Blicke zu. Am anderen Ende des Platzes stehen zwei kräftige, weißhaarige Youkais mit hüftlangen Pferdeschwänzen, zerschlissener Kleidung und einem missgünstigen Grinsen im Gesicht. Ihre Augen sind eisblau und über ihre Wangen ziehen sich dunkelblaue Sprenkel. Schwach blickt Raiuko zu ihnen hinüber. „Samushi? Kegawa?“, murmelt er. Ein bedrohliches Knurren entfährt dem riesigen Hund. „Ihr?“, offenbar hat auch er nun die Neuankömmlinge erkannt. Die beiden Streuner aus dem Norden behalten ihn wachsam im Auge. Samushis Blick ist jetzt todernst. „Itakouri! Geh auf der Stelle von ihm weg, oder ich werde dir wehtun müssen!“ Der Befehlshaber entblößt seine Reißzähne. „Ihr habt wirklich Nerven hier wieder aufzutauchen! Das werdet ihr noch bereuen!“ „Nicht so sehr wie du!“, grollt Kegawa und von einer Sekunde zur nächsten stoßen sich die beiden Streuner ab und keinen halben Moment später sind sie schon bei ihm und versetzen dem gewaltigen Hund einen derartigen Schlag mit der Faust, dass er ein ganzes Stück zur Seite fliegt. Ihre Augen funkeln eisblau vor grimmiger Wut. Samushi hat nun seinen Speer vor sich gestreckt und behält Itakouri aufmerksam im Auge und Kegawa beugt sich zu dem verletzten Raiuko hinunter und zieht ihn hoch. „Warum tut ihr das?“, fragt der schmächtige Streuner mit schmerzverzerrtem Gesicht, „Ihr hättet mich sterben lassen sollen!“ „Sei nicht albern, Raiuko!“, schnaubt Samushi ernst, ohne seinen Gegner aus den Augen zu lassen. „Dieser miese Köter hat bereits unseren Otouto (jüngerer Bruder) auf dem Gewissen! Unseren Ani (älterer Bruder) bekommt er nicht auch!“ Sprachlos starrt der Ostyoukai seine Gefährten an. Dann flüstert er: „Danke, Kyoudai (Brüder)!“ „Genug Sentimentalitäten ausgetauscht!“, grollt der riesige Hund, „Kommen wir zu dem Punkt, wo ihr für euren Verrat bezahlt und sterbt!“ Mit einem mächtigen Satz springt er auf sie zu. Es vergehen kaum zwei Sekunden, da stehen alle drei Streuner in ihrer wahren Gestalt da, bereit, ihn zu empfangen. Raiuko blutet zwar noch immer stark und er wankt, aber verbissen hält er sich aufrecht. Mit der Wucht einer Naturgewalt wirft sich Itakouri gegen Samushi und kaum, dass die mächtigen Körper aufeinander prallen, rollen sie sich auch schon in einem wütenden Gerangel am Boden. Und diesmal ist es Samushi, der seinen Gegner um ein gutes Stück überragt und ihm mit kräftigen Bissen und Prankenhieben zusetzt. Bis hierher tatenlos, haben die anderen Youkais zugesehen, doch nun, da ihr Hauptmann bedroht ist, greifen auch sie ein. Mit wütenden Mienen stürzen sie sich auf Kegawa und Raiuko und versuchen ihnen den Gar aus zu machen. Doch Kegawa gibt ihnen keine Gelegenheit. Wachsam verteidigt er seinen schwer verletzten Kameraden gegen die gegnerischen Angriffe, während Samushi mit Itakouri kämpft. Ein heißes Gefecht entbrennt auf der Lichtung. Unbarmherzig schlägt Samushi auf seinen Gegner ein. Seine mächtige Pranke verpasst Itakouri links und rechts heftige Hiebe und seine Kiefer sind jedes Mal nur ein kleines Stück von seiner Kehle entfernt. Doch der Befehlshaber der Nordyoukais kämpft verbissen weiter. Schließlich gelingt es ihm, Samushi abzuschütteln. Seine Wunden ignorierend belauert er sich nun mit dem Streuner. „Du hast nachgelassen, alter Mann!“, grollt Itakouri hämisch. Samushis Grinsen ist zum Fürchten: „Nein, du bist nur besser geworden, Welpe! Aber das hilft dir auch nichts!“ Wachsam umkreisen sie sich, während um sie her Kegawa und Raiuko weiterhin versuchen, ihre Gegner auf Abstand zu halten. „Gibt auf, Samushi!“, knurrt Itakouri, „Ihr seid hoffnungslos in der Unterzahl! Ihr könnt nicht entkommen!“ „Wer redet hier von entkommen?“, kommt es verächtlich zurück, „Hast du vergessen, mit wem du sprichst?“ „Mit einem feigen Verräter!“, grollt Itakouri. Samushis Miene verzerrt sich zu einer hasserfüllten Fratze: „Junge, du weißt gar nichts!“ Mit diesen Worten stürzt er sich auf den Befehlshaber der Nordyoukais und der Kampf beginnt von neuem. Das Geschehen ist kaum noch überschaubar. Ein ausgewachsenes Kampfgetümmel hat sich inzwischen daraus entwickelt. Raiuko und Kegawa werden von inzwischen über dreißig Nordyoukais bedrängt, was den Vorteil hat, dass der Platz etwas begrenzt ist und sich nicht alle auf einmal auf sie stürzen können, ohne sich gegenseitig ins Gehege zu kommen. Der Kampf zwischen den beiden Hundeyoukais läuft allerdings bisher nur zwischen den beiden ab; die Soldaten respektieren die Würde ihres Befehlshabers. Sie beschließen stattdessen, ihren eigenen Auftrag zu erfüllen. Eine gefühlte Ewigkeit wogen die Kämpfe hin und her, dabei sind kaum fünf Minuten seit dem ersten Angriff vergangen. Immer wütender schnappt Itakouri nach seinem Gegner, den er jedoch immer knapp verfehlt. Wieder umkreisen sich die beiden riesigen Hunde mit einem grimmigen Knurren in der Kehle. Itakouri blutet aus mehreren Wunden, doch auch Samushi hat einige Bisse einstecken müssen. Beide warten nur auf einen Moment der Unachtsamkeit des anderen, um erneut zum Angriff überzugehen. In genau diesem Moment hört man Kegawa aufjaulen, dem einer der Nordyoukais einen Speer tief in die Flanke gebohrt hat. Für einen Sekundenbruchteil zucken Samushis Augen hinüber zu seinem Kameraden, doch dieser kurze Moment genügt Itakouri. Mit unglaublicher Geschwindigkeit katapultiert er sich nach vorne und stürzt sich auf den Streuner. Doch kurz bevor er ihn erreicht, stellen sich reflexartig seine Ohren auf und sein Instinkt befiehlt ihm, zur Seite zu blicken. Im selben Augenblick taucht eine gewaltige, dunkle Gestalt neben ihm auf, packt mit messerscharfen Zähnen seine Schulter und reißt ihn mehrere Meter mit sich, ehe er recht begreift, wie ihm geschieht. Schon fühlt er sich mit unbändiger Kraft in die Luft gehoben und dann schleudert ihn der riesige, graue Hund mit der langen, zottigen Mähne und einem einzelnen, violettfunkelnden Auge hart zu Boden. So hart schlägt er auf der Erde auf, dass die Erschütterung die Umstehenden fast von den Beinen holt. Zornesfunkelnd und mit einem angsteinflößenden, tiefen Knurren steht der mächtige Hund nun über ihm. Itakouri, noch immer etwas irritiert durch den unerwarteten Angriff, fletscht wütend die Zähne. „Yaeba!“, bellt Samushi nun verärgert. „Was mischst du dich ein? Ich habe mit dem Kerl noch eine Rechnung offen!“ Mit zornigem Funkeln schaut Yaeba ihn an: „Nein, jetzt ist Schluss damit!“, donnert er und seine Stimme hallt bedrohlich über den ganzen Platz, „Ihr habt schon genug Unheil angerichtet!“ Die anderen Youkais haben nun innegehalten und beobachten den Neuankömmling hasserfüllt aber abschätzend. Der Anführer der Streuner ist groß! Sehr groß sogar! Die eindrucksvolle Erscheinung misst gut und gerne ihre fünf Meter Körpergröße und ihr Blick ist wahrlich zum Fürchten. Langes, graues Fell überzieht seinen Körper und sein Schwanz ist buschig und starr in Drohhaltung nach hinten gestreckt! Samushi fletscht die Zähne. „Yaeba! Er gehört mir!“ Doch der mächtige Streuner ist unerbittlich. „Kein Blutvergießen mehr!“, knurrt er. Unwillig tritt Samushi ein wenig auf der Stelle; es ist ihm deutlich anzusehen, wie ihm dieser Befehl missfällt. Angespanntes Schweigen liegt über der Lichtung, was geschieht nun? Schließlich hat sich Samushi zu einer Entscheidung durchgerungen. Unter den wachsamen Augen seines Anführers macht er ein paar Schritte auf den noch immer am Boden liegenden und bedrohlich knurrenden Itakouri zu. Nun steht Samushi über ihm und entblößt seine Fänge, dabei funkelt er den Nordyoukai hasserfüllt an. Tief grollt das Knurren aus seiner Kehle. Itakouri verstummt. So wie es aussieht ist der Kampf wohl entschieden; der Rest ist eher eine Formalität. Mit wütender Miene reckt der Nordyoukai den Hals und Samushis Kiefer schließen sich einmal wie beiläufig um seine Kehle, dann lässt er wieder von ihm ab und trottet zu seinem verwundeten Kameraden hinüber. Noch im Gehen verwandelt er sich in seine menschliche Gestalt zurück. Nun tut Itakouri es ihm gleich. Hasserfüllt hockt er auf dem Boden und funkelt dem Streuner aus dem Norden hinterher. „Ich mach dich fertig, Samushi!“, macht er seinem Zorn Luft, „Eines Tages wirst du mir nicht mehr entkommen! Ich reiß dich in Stücke! Ich zerfetz dich in der Luft!“ Aus den Augenwinkeln schielt Samushi zurück. „Noch nicht!“, sein Blick ist ernst, „Vielleicht irgendwann, aber noch nicht!“ Itakouri stößt einen grimmigen Wutschrei aus und mit seiner Klaue schlägt er einmal so heftig wie er es vermag auf den Boden. „Verdammte Scheiße!“ In genau diesem Moment wird die Aufmerksamkeit sämtlicher Youkais auf den Rand der Lichtung gerichtet. Nur wenige Augenblicke später taucht das Subjekt dieser Ablenkung auch schon auf. Mit erhobenem Haupt tritt Yarinuyuki auf den Platz des Geschehens und es bedarf nur weniger Sekunden für sie, um die Situation zu erfassen. Ein bedrohliches Knurren entfährt ihr, als sie den Anführer der Streuner bemerkt. „Was ist hier los!“, faucht sie wütend. Abschätzend mustert Yaeba sie. Hat er eine Chance, wenn er es auf einen Kampf mit ihr ankommen lässt? Die Chancen stehen nicht gut; die Daiyoukai hat alle Vorteile auf ihrer Seite. Ein taktischer Rückzug ist sicher das Beste, besonders mit seinen verletzten Untergebenen. Ohne die Fürstin aus den Augen zu lassen, knurrt er seinen Leuten zu: „Samushi, Kegawa, nehmt Raiuko und verschwindet von hier!“ „Aber, Yaeba...!“, setzt Kegawa an. „Das ist ein Befehl!“, bellt Yaeba scharf. Doch er hat die Rechnung ohne Yarinuyuki gemacht. „Ihr geht nirgendwo hin!“, grollt sie, „Es war ein tödlicher Fehler hierher zu kommen! Hier kommt ihr nicht mehr weg!“ Grimmig beginnen ihre Augen zu leuchten und und sie zieht ihr Schwert. Yaeba duckt sich zum Sprung. Er wird wohl kämpfen müssen. „Worauf wartet ihr noch?“, knurrt er den anderen zu, „Seht zu, dass ihr verschwindet!“ Doch nur ein flüchtiger Blick von Yarinuyuki und die Nordyoukais schließen die Fluchtwege ab. Nun sind die vier Streuner von fast zweihundert grimmigen Kriegern aus dem Norden umzingelt, bereit, beim kleinsten Befehl kurzen Prozess mit ihm zu machen. Wachsam drängen sich die drei verletzten Streuner mit dem Rücken an ihren Anführer der seine Gegner aufmerksam im Auge behält. Auch Itakouri hat sich wieder aufgerafft und steht nun neben seiner Fürstin. Hämisch funkelt er Samushi an. „Das Blatt hat sich gewendet!“, sagt er gehässig, „Ich sagte doch, ihr kommt hier nicht mehr weg!“ Samushi und Kegawa schauen sich flüchtig an. „Hätte nicht gedacht, dass wir mal so sterben werden, eingekesselt wie die Ratten!“, raunt Kegawa seinem Kameraden zu. Noch immer stützt er den halb besinnungslosen Raiuko mit seiner Schulter. „Wer redet hier von sterben!“, meint Samushi zurück, „Ich habe vor ewig zu leben!“ „Sieht schlecht damit aus“, bemerkt Kegawa grinsend. „Stimmt, irgendwann erwischt die Youkai-Räude jeden!“, grinst der zurück. „Klappe!“, schnappt Yaeba ärgerlich, „Ich mach euch den Weg frei und ihr versucht zu entkommen!“ „Vergiss das lieber gleich wieder, Streuner!“, ruft nun Yarinuyuki gefährlich. Mit erhobenem Haupt und gezücktem Schwert tritt sie vor. „Schmutzige Verräter! Wenn ich mit euch fertig bin, wird von euch nicht mal mehr etwas zum bestatten übrig sein!“ Bedrohlich macht sie einen Schritt auf die Streuner zu. Doch in genau diesem Augenblick verpufft das eisige Leuchten in ihren Augen und die Wut in ihrem Gesicht weicht einer fassungslosen Miene. „Oh nein, verdammt!“, zischt sie und verzieht das Gesicht. Unwillkürlich muss sie husten. „Ich hatte ihm doch befohlen, fern zu bleiben!“ Mit urplötzlich gequälter Miene blickt sie sich um. „Das büßt er mir!“, grollt sie ärgerlich und dann springt sie über die Köpfe ihrer Leute hinweg auf die andere Seite des Lagers. Verständnislos schauen ihre Untertanen ihr hinterher. „Yarinuyuki-hime?“, fragt Itakouri verwirrt. Wütend funkelt Yarinuyuki ihn an: „Na los, macht sie nieder! Worauf wartet ihr noch?“ Dann dreht sie sich um und verschwindet zwischen den Bäumen. Noch immer etwas verdattert schauen die Nordyoukais sich an. Dieses Verhalten ist äußerst untypisch für ihre Anführerin. Was mag sie in die Fluch geschlagen haben, oder wie soll man dieses Verhalten sonst deuten? Doch diese Verwirrung kommt den Streunern zugute. Für einen Moment sind die Nordyoukais abgelenkt und die Gelegenheit nutzt Yaeba um plötzlich blitzschnell seinen mächtigen Körper gegen einige der Krieger zu rammen, sodass sie hart auf dem Rücken zu liegen kommen. Sofort reagieren Samushi und Kegawa und nur Augenblicke später haben sie den Kreis verlassen. Nun kommt auch wieder Bewegung in die Nordyoukais. „Lasst sie nicht entwischen!“, schreit Itakouri ungehalten und seine Leute reagieren prompt. Doch noch ehe sie ihrer habhaft werden, bauen sich plötzlich zwei Gestalten vor ihnen auf und haben ihre Waffen gezogen. „Kaze no Kizu!“, schreit Inu Yasha und die gewaltigen Energieentladungen prasseln mitten unter die Nordyoukais. Erschrocken reagieren diese und stieben augenblicklich auseinander. „Versucht, sie nicht zu töten, Inu Yasha-sama!“, ruft Tenmaru neben ihm, dessen schlanke Dolche gerade zwei weitere Youkais niedergestreckt haben, noch ehe sie Gelegenheit hatten, auszuweichen. „Als wenn das so einfach wäre!“, faucht Inu Yasha zurück, „Ist doch nicht meine Schuld, wenn die nichts abkönnen!“ Die erste Überraschung ist rasch überwunden und nun wenden sich die Nordyoukais wütend den beiden Neuankömmlingen zu. Itakouri bebt vor Zorn, als er Tenmaru erkennt. „Das ist er!“, grollt er, „Das ist der dreckige Köter, der unseren Fürsten auf dem Gewissen hat! Tötet ihn! Tötet sie beide!“ „Komm her und versuch's doch!“, meint Inu Yasha verwegen. „Haltet Euch zurück, Inu Yasha-sama! Lasst mich das regeln!“, ruft Tenmaru ihm zu, „Ihr repräsentiert den Westen. Wenn Ihr sie angreift, riskieren wir einen Krieg!“ Ernst blickt Inu Yasha zu ihm hinüber. „Mach die Augen auf, Tenmaru! Dafür ist es inzwischen längst zu spät! Nun müssen wir das Beste aus der Situation machen!“ Einen kurzen Moment lang scheint Tenmaru mit sich zu ringen, dann lenkt er ein. „Ihr habt recht Inu Yasha-sama. Es ist zu spät!“ Fast zweihundert grimmige, gut bewaffnete Nordyoukais stehen ihnen jetzt gegenüber, ihnen voran Itakouri, und machen sich bereit, sich auf sie zu stürzen. Inu Yasha wendet sich an Yaeba: „Hey, nimm deine Leute und verschwinde! Und nimm Kagome mit!“ Das Mädchen steht ein Stück hinter ihnen bei einem Baum und schaut ein wenig furchtsam zu ihnen hinüber. Doch nun kommt wieder Leben in sie und sie packt ihren Bogen fester. „Auf keinen Fall! Ich werde dich unterstützen!“, ruft sie empört. Inu Yasha fletscht die Zähne: „Kommt nicht in Frage! Ich bring dich nicht noch einmal in Gefahr!“ Genau diesen Moment hat Itakouri abgewartet und nun gibt er den Angriffsbefehl. „Los, auf sie!“ Im selben Moment stürmen sämtliche Nordyoukais auf Inu Yasha und die Streuner zu. Doch der Hanyou reagiert geschickt. „Kaze no Kizu!“, ruft er und eine weitere Energiewelle rollt über die Ebene; die meisten der Nordyoukais weichen ihr geschickt aus. „Yaeba!“, ruft Inu Yasha erneut und wehrt mit Tessaiga die ersten beiden Youkais ab, die an ihm vorbei wollen. Neben ihm kämpft auch Tenmaru verbissen und mit blitzschnellen Streichen seiner Dolche, wehrt er jeden der Krieger ab, der ihn passieren will. Bisher hat es noch keiner geschafft, die verletzten Streuner hinter ihnen zu erreichen. „Yaeba, verdammt! Beeil dich gefälligst!“, ruft Inu Yasha einmal mehr. In diesem Moment verwandelt sich Yaeba wieder in seine menschliche Gestalt zurück und tritt auf Kagome zu. „Komm, kleiner Mensch!“, sagt er, „Du bist hier nicht mehr sicher!“ Mit diesen Worten schnappt er sich das verblüffte Mädchen und schwingt sie sich über die Schulter. Kagome kreischt auf. „Hey, lass mich sofort runter! Das kannst du nicht machen! Inu Yasha, sag ihm er soll mich runterlassen!“ Doch ihr Freund ist noch immer schwer damit beschäftigt die angreifende Horde solange zurückzuhalten, bis seine Untergebenen entkommen können. Dabei muss er höllisch aufpassen. Die Nordyoukais sind ausgezeichnete Kämpfer. Wenn auch nur einer von ihnen durchbricht, sind seine Freunde in Gefahr. Das kann er nicht zulassen! „Bring dich in Sicherheit, Kagome! Du kannst hier nichts tun!“, ruft er, „Sucht Sango und Miroku und dann verschwindet von hier!“ „Was ist mit dir?“, kommt die bange Frage zurück. „Kümmer dich nicht um mich!“, schnaubt er verbissen und schlägt einen weiteren Nordkrieger nieder, „Ich komme nach! Seht zu, dass ihr verschwindet!“ Nun wendet sich Yaeba an Inu Yasha: „Wir bringen sie und die Verletzten in Sicherheit und dann kommen wir zurück und helfen Euch!“ „Ihr seid ja immer noch hier!“, faucht Inu Yasha, „Verschwindet, das ist ein Befehl!“ Nun wenden sich Yaeba und die anderen zum Gehen. Yaeba trägt die strampelnde Kagome und Kegawa hat sich den bewusstlosen Raiuko über die Schulter geworfen. Ohne weitere Worte setzen sie sich in Bewegung und verschwinden zwischen den Bäumen. Nur aus der Ferne hört man noch Kagome schimpfen: „Nein, lasst mich runter! Er braucht meine Hilfe! Sie werden ihn umbringen! Inu Yasha!“ Dann verstummt auch das. Ernst packt Inu Yasha nun sein Schwert fester. „So, nun brauchen wir keine Rücksicht mehr nehmen!“ Grimmige Entschlossenheit funkelt in seinen Augen. Ein kurzer Blick geht hinüber zu Tenmaru und der Streuner nickt. Unverzüglich gehen die beiden zum Angriff über. Eine wilde Flut an Hieben und Schlägen geht auf die Nordyoukais nieder, doch durch ihre große Menge behindern sie sich gegenseitig. „Wir müssen den anderen nur genug Zeit geben, zu entkommen“, ruft Tenmaru, „Dann folgen wir ihnen. Wir werden sie nicht alle besiegen können!“ Inu Yasha nickt. „Es ist zwar nicht meine Art, einfach davon zu laufen, aber du hast wohl recht!“ Plötzlich taucht Itakouri direkt vor ihm auf. Wutschnaubend funkelt er den Hanyou an. „Das denkst du dir so! Du glaubst doch nicht wirklich, dass wir euch noch entkommen lassen! Wir machen euch hier an Ort und Stelle nieder oder hetzen euch zu Tode. Such es dir aus, Hanyou!“ „Mein Name ist Inu Yasha!“, grollt der Angesprochene, „Und wenn selbst mein Bruder mich nicht erledigen konnte, was rechnest du halbe Portion dir dann für Chancen aus?“ Mit einem wilden Stoß, versucht Itakouri Inu Yasha seinen Speer in die Seite zu rammen, doch der Hanyou pariert den Schlag mit Tessaiga, nur um dann gleich wieder zu einem anderen Youkai hinüberzuspringen, der die Richtung seiner Freunde einschlagen will. „Oh nein, hiergeblieben!“, ruft er und mächtig rollt das Kaze no Kizu über die Ebene. Der Nordkrieger bricht getroffen zusammen, gemeinsam mit noch zwei weiteren. Doch an seine Stelle treten sofort wieder fünf Neue. Es nimmt einfach kein Ende! Nun haben sich Inu Yasha und Tenmaru wieder zwischen den Nordyoukais und der Fluchtrichtung ihrer Freunde aufgebaut. Doch es gelingt ihnen immer schwerer, die Angreifer zurückzuschlagen. Schon beginnen die Krieger sie einzukreisen. Inu Yasha und Tenmaru stehen mit dem Rücken zueinander und wehren verbissen jeden Angreifer ab, doch die Flut der Krieger ist unerschöpflich. Wenn sich erst der Kreis um sie schließt, gibt es kein Entkommen mehr. Wieder schlägt Inu Yasha zwei Angreifer nieder und auch Tenmaru erwehrt sich geschickt seiner Haut, doch die Lage scheint aussichtslos. Doch urplötzlich dringt eine bekannte Witterung in Inu Yashas Nase und ein kurzer Blick zu Tenmaru lässt ihn wissen, dass auch er den Geruch erkannt hat. Auch die Nordyoukais scheinen für einen kurzen Moment zu zögern und dies nutzen die beiden, um sich wieder freizukämpfen. Doch die Erleichterung ist nur von kurzer Dauer, denn in genau diesem Augenblick, triff der Verursacher dieser Witterung auf der Lichtung ein. Es ist Sesshomaru und seine Miene verheißt alles andere als Gelassenheit. Im Gegenteil, unverhehlte Wut steht ihm ins Gesicht geschrieben und es bedarf kaum eines Blickes, dass er die beiden Unruhestifter bemerkt. „Sesshomaru!“, ruft Inu Yasha aus, „Ich kann verstehen, dass du sauer bist, aber...!“ „Sauer ist gar kein Ausdruck!“, grollt der Fürst des Westens mit Grabeskälte, „Zu behaupten, ich wäre sauer, ist wohl die Untertreibung des Jahrhunderts!“ Inu Yasha wirft Tenmaru einen unbehaglichen Blick zu: „Verdammt, ich glaube diesmal ist er wirklich wütend!“ Dann wendet er sich wieder an seinen Bruder: „Na schön, du bist stinksauer und du hast auch allen Grund dazu, aber ich kann dir alles erklären!“ „Ich will nichts hören!“, schreit Sesshomaru und seine Augen leuchten gefährlich rot. Die Nordyoukais haben inzwischen erst einmal innegehalten und mustern den Neueingetroffenen wachsam. Niemand möchte sich mit dem ärgerlichen Daiyoukai anlegen ohne eindeutigen Befehl. „Du hast mich einmal zu viel der Lächerlichkeit preisgegeben!“, grollt Sesshomaru tödlich und kommt bedrohlich auf Inu Yasha zu, „Das werde ich nicht länger tolerieren!“ „Verdammt!“, schnaubt Inu Yasha ärgerlich und streckt seinem Bruder sein Schwert entgegen, „Das ist jetzt nicht der geeignete Moment, mit mir abzurechnen! Wir sind hier mitten in einem Kampf!“ „Den du selbst verursacht hast!“, grollt Sesshomaru. „Das war nicht meine Schuld!“, schreit Inu Yasha. „Du trägst die Verantwortung seit du für die Streuner gebürgt hast!“, fletscht Sesshomaru die Zähne, „Also trägst du auch die Konsequenzen! Kaum ein paar Schritte trennen ihn noch von den anderen Nordyoukais die noch immer zwischen ihm und Inu Yasha stehen. „Willst du nicht mal wissen, was passiert ist?“, ruft Inu Yasha empört. „Inu Yasha-sama!“, meint Tenmaru neben ihm, „Es hat keinen Sinn! Er hört Euch nicht zu. Wir sollten fliehen solange wir noch können! Die anderen dürften genug Vorsprung haben.“ Nur sehr widerwillig lässt Inu Yasha sich von Tenmaru mitziehen, doch schließlich sieht er ein, dass die augenblickliche Situation zu verfahren ist und rasch verschwinden die beiden im Gebüsch. Aus Sesshomarus Kehle dringt ein tiefes Knurren, als er seinen Bruder entkommen sieht. Schon will er mit einem geschmeidigen Sprung über die Köpfe der Youkais hinwegsetzen um ihn zu verfolgen, doch in eben diesem Moment schiebt sich eine andere Gestalt in seinen Weg. Es ist Yarinuyuki. „Sesshomaru!“, grollt sie und ihre Augen glühen eisigblau. Der Daiyoukai hällt inne und fletscht die Zähne. „Yarinuyuki-sama! Geht aus dem Weg!“ Doch die Miene der Fürstin ist eisern: „Das hättet Ihr wohl gerne! Aber ich garantiere Euch, Ihr kommt hier nicht vorbei, ehe wir nicht einiges geklärt haben!“ „Ich wiederhole mich ungern!“, knurrt er. „Und ich schon gar nicht!“, zischt sie erbost. „Ich dachte Euer Bruder hätte für diese Streuner gebürgt. Warum greifen sie dann meine Leute an? Und was hat Euer Bruder hier zu suchen, wo er doch sein Wort gab, dass er in Eurem Quartier bleiben würde? Standet nicht auch Ihr für die Glaubwürdigkeit seines Wortes ein? Was soll das, Sesshomaru? Wollt Ihr mich mit Euren Lügen verhöhnen? Wollt Ihr den Krieg?“ Wütend glühen Sesshomarus rote Augen zu ihr hinüber. „Diese Anschuldigungen, höre ich mir nicht länger an! Hättet Ihr mich nicht aufgehalten, hätte ich meinen Bruder und sein Gefolge schon längst für ihren Verrat zur Verantwortung gezogen!“ „Spart Euch diese billigen Ausflüchte!“, schreit Yarinuyuki, „Ihr versucht nur Eure dreckige Haut zu retten, so wie schon auf dem Rat! Verrat ist doch alles, was vom Westen zu erwarten ist! Ja, Ihr macht sogar gemeinsame Sache mit dem Osten. Weder Arashitsume noch Ihr nehmt mich ernst. Ihr schmiedet Pläne hinter meinem Rücken und verheimlicht mir diese verheerende Witterung dieses Streuners. Gebt zu, dass Ihr davon wusstet und mich wissentlich im Unklaren gelassen habt. Ihr wolltet mich demütigen und in Misskredit bringen! Ihr habt mich verraten und lächerlich gemacht, das ist mit nichts zu entschuldigen!“ Nun kann man sehen wie Sesshomaru hart die Kiefer aufeinanderbeißt. All seine Selbstbeherrschung ist von Nöten um sich wieder unter Kontrolle zu bringen. Das Leuchten in seinen Augen verschwindet, doch seine Miene ist nach wie vor eisig. „Yarinuyuki-sama“, sagt er zwischen zusammengebissenen Zähnen, „Es war niemals meine Absicht Euch zu demütigen! Ich versichere Euch jedoch, meine Verschwiegenheit über diesen Streuner hatte gute Gründe. Was meinen Bruder betrifft, so hat er den Bogen nun deutlich überspannt und sich einmal zu viel über meine Anweisungen hinweggesetzt. Er wird seiner Strafe nicht entgehen. Also geht mir aus dem Weg!“ Doch das Gesicht der Nordfürstin ist ungerührt. „Ich glaube Euch nicht! Glaubt Ihr, eine solche Erklärung stellt mich zufrieden? Um die Streuner werden sich meine Leute kümmern und Ihr werdet Euch keinen Schritt vom Fleck rühren, ehe ich nicht eine zufriedenstellende Erklärung bekommen habe!“ „Ich habe jetzt keine Zeit für lange Debatten!“, grollt Sesshomaru. „Ich denke aber doch!“, entgegnet sie herablassend, „Ich wüsste nicht, was Ihr für eine andere Wahl habt. Seht Euch nur um! Ihr seid umringt von meinen besten Kriegern. Selbst Ihr könnt es unmöglich mit ihnen allen aufnehmen. Nicht zuletzt, da auch ich Euer Gegner sein werde!“, sie streckt ihm ihr Schwert entgegen, „Seht es ein! Die Zeit der Verhandlungen sind vorbei! Über zweihundert meiner tapfersten Soldaten sind mit mir hier und Ihr seid allein! Auch wenn Ihr ein Daiyoukai sein mögt, gegen diese Übermacht, seid selbst Ihr machtlos! Der Krieg wird kommen und wir werden ihn gewinnen, daran besteht kein Zweifel!“ Nun richtet sich Sesshomaru zu seiner vollen Größe auf und blickt in die Runde. Dann blickt er die Fürstin des Nordens direkt an. „Wir beide wissen, was ein Krieg bedeuten würde. Seid Ihr wirklich bereit, es darauf ankommen zu lassen?“ Verächtlich schnaubt sie auf. „Das liegt längst nicht mehr in meiner Hand! Nicht ich habe das Kämpfen begonnen, aber ich werde es beenden! Doch so wie ich das sehe, wird es gar nicht erst zum Krieg kommen, nun da Ihr uns ausgeliefert seid!“ Langsam atmet Sesshomaru durch, dann hebt er den Kopf wieder und blickt sie mit klarem Blick an: „Yarinuyuki-sama! Diese Situation war schon zu Beginn äußerst angespannt. Der Ausbruch eines Krieges stand jederzeit zu befürchten. Wie kommt Ihr also darauf, ich wäre allein? Glaubt Ihr allen Ernstes, ich wäre der einzige Fürst, der ohne sein Heer angereist sei?“ In eben diesem Augenblick beginnen sich die Büsche und Sträucher um das Lager herum zu bewegen und die Nordyoukais reißen sprachlos die Augen auf. Auch Yarinuyuki blickt sich verwirrt um. Aus dem Dunkel der Nacht schieben sich nun Youkais aus dem Wald hervor. Unzählige, goldene Augenpaare mit dazugehörenden, kampfbereiten Westkriegern füllen immer mehr den Platz hinter Sesshomaru und um das Lager. Immer mehr Youkais versammeln sich nun hier und mit grimmigen Mienen behalten sie die Nordkrieger wachsam im Auge. Fast dreihundert von ihnen sind nun zu sehen und jeder von ihnen trägt eine elegante, bezahnte Rüstung und ist bewaffnet mit einem Schwert oder einer anderen Klingenwaffe. Ganz vorne zwischen zwei noch etwas eleganter gerüsteten Youkais, ist nun eine kleine, grüne Gestalt zu sehen die sich ein wenig furchtsam zwischen all den großen Westyoukais hindurchgedrückt hat und sich nun vor dem beachtlichen Heer aufbaut. „Ich habe sie hergebracht, Sesshomaru-sama!“, ruft der kleine Gnom mit stolzgeschwellter Brust, „Genau wie Ihr es befohlen habt, haben wir uns versteckt gehalten bis zum geeigneten Augenblick!“ Auch ohne sich umzudrehen, ist die Zufriedenheit des hochgewachsenen Youkaifürsten zu erkennen als er sagt: „Das hast du gut gemacht, Jaken!“ Kapitel 37: Das Ultimatum ------------------------- Fassungslos starrt Yarinuyuki auf diese urplötzliche Übermacht und sie packt ihr Schwert fester: „Was hat das zu bedeuten?“, raunt sie. Doch Sesshomaru steht noch immer regungslos vor ihr und behält sie im Auge. „Wollt Ihr den Krieg nun immer noch, Yarinuyuki-sama?“, fragt er ruhig, „Überlegt es Euch gut. Ich gebe Euch ausreichend Zeit, es Euch zu überlegen! Und zwar so lange, bis ich mit meinem Bruder abgerechnet habe!“ Nun hat Yarinuyuki die erste Überraschung abgeschüttelt und wutschnaubend funkelt sie Sesshomaru an. „Das ist eine Ungeheuerlichkeit!“, keift sie, „Wieder so ein heimtückischer Täuschungsversuch! Ihr wagt es wirklich mir zu drohen? Ihr setzt mir ein Ultimatum?“ Nun wird Sesshomarus gelassene Miene hart: „Ja, ich glaube das tue ich!“ Sprachlos blickt Yarinuyuki ihn an. Ihr fehlen die Worte. „Unsere Krieger sind kampfbereit!“, fährt Sesshomaru ungerührt fort, „Es liegt nicht in meinem Interesse, dass die Situation eskaliert. Wenn Ihr auf einen Kampf besteht, werden meine Krieger Euch entgegentreten, doch ich würde es begrüßen, wenn das zu vermeiden wäre! Denkt darüber nach, Fürstin des Nordens!“ Mit diesen Worten dreht er ihr den Rücken zu und geht zu seinen Leuten hinüber. Fassungslos starrt ihm Yarinuyuki hinterher. Schon will sie in wütende Beschimpfungen ausbrechen, doch im letzten Moment entschließt sie sich anders. „Wir ziehen uns zurück! Vorläufig!“, ruft sie ärgerlich, „Aber bedenkt eines, Sesshomaru!“, und ihr Miene ist nun gezeichnet von tödlicher Entschlossenheit, „Wenn die Sonne aufgeht, und Euer Bruder und diese Streuner sind noch immer am Leben, dann werden meine Krieger und ich nicht zögern, Euch entgegenzutreten und dem Andenken unserer Vorfahren alle Ehre machen! Nun liegt es an Euch, diesen Krieg zu verhindern, Sesshomaru!“ Doch Schweigen ist die einzige Antwort, die sie erhält. Ein Blick in die Runde sagt ihr, dass sämtliche ihrer Leute zu ihr blicken um eine Anweisung von ihr zu erhalten. Mit grimmiger Miene winkt sie ihren Leuten und sofort ziehen sich die Nordyoukais knurrend und ihren Gegnern hasserfüllt zufunkelnd in die Wälder zurück. Nun tritt Sesshomaru an die beiden Youkais mit den stattlichen Rüstungen heran. Der eine wirkt recht jugendlich und sein helles Haar ist zu einem hüftlangen Pferdeschwanz gebunden, der andere trägt sein Haar offen, doch seine dunkelgoldenen Augen verleihen seinem strengen Gesicht mit den kantigen Zügen noch mehr Ernst. Als Sesshomaru sie erreicht hat, sinken die beiden ehrerbietend auf ein Knie herab und senken das Gesicht. „Wir kamen, wie befohlen!“, informiert ihn der jugendliche Youkai. „Wenngleich der Bote auch ein wenig ungewöhnlich war!“, fügt der strenge Youkai mit einem leicht verächtlichen Seitenblick auf Jaken zu. „Ich muss doch sehr bitten!“, empört sich der kleine Gnom, „Ich genieße Sesshomaru-samas vollstes Vertrauen!“ „Ihr habt gut daran getan, auf ihn zu hören!“, sagt Sesshomaru. Nun kommen die beiden Youkai wieder auf die Füße. „Er wusste sämtliche Parolen“, erklärt der strenge Youkai schlicht. „Und er besaß das hier!“, fügt der Jüngere hinzu. Er streckt dem Fürsten des Westens eine Handvoll feines, gekräuseltes, weißes Haar hin. Sesshomaru schenkt dem feinen Gespinst kaum Beachtung. „Verbrennt es! Es hat seinen Zweck erfüllt.“ „Dürfen wir nun erfahren, wie die Situation genau ist, mein Fürst?“, fragt der Ältere nun. „Leider habe ich keine Zeit dazu, Dokutoge-sama“, sagt Sesshomaru an ihn gewandt, „Ich muss mich zunächst um eine andere wichtige Sache kümmern.“ „Was habt Ihr vor, Sesshomaru-sama?“, fragt nun der Jüngere. Ernst schaut der Fürst des Westens ihn an: „Ich werde meinen Bruder töten, Chitsurao-sama!“ Der jugendlich wirkende Krieger verstummt. „Also stimmt es, was der Gnom sagte“, mischt sich jetzt Dokutoge wieder ein, „All das geschieht durch verschulden dieses Hanyous!“ „Nicht nur!“, erwidert Sesshomaru, „Aber er lässt mir diesmal keine Wahl mehr!“ Nun blickt der Fürst des Westens den Youkai vor ihm direkt an. „Ich werde mich selbst um meinen Bruder kümmern. Ihr bleibt hier und behaltet die Kita-aitsu im Auge! Aber keine Kämpfe, ehe ich nicht den Befehl dazu geben! Und achtet auch auf die Higashi-aitsu! Sobald Arashitsume mitbekommt, was hier vor sich geht, lässt er mit Sicherheit seine Truppen ausrücken.“ „Ja, mein Fürst!“, nickt der Youkai gehorsam. Nun wendet Sesshomaru sich an den jüngeren Krieger: „Ich übertrage dir das Kommando über die Truppen, Chitsurao!“ Der Angesprochene nickt gehorsam, jedoch nicht ohne einen unbehaglichen Seitenblick auf seinen Kameraden. Nicht ohne Grund. Dokutoge reißt die Augen auf. „Mein Fürst!“, stößt er verstimmt hervor, „Habe ich mir etwas zu schulden kommen lassen, dass Ihr mich meiner Pflichten enthebt? Das könnt Ihr nicht wirklich meinen!“ Schmal blickt Sesshomaru ihn an: „Kann ich das nicht, Dokutoge?“ Seine Augen sind kühl. Der Krieger beißt die Zähne zusammen, doch dann senkt er den Blick. „Ihr habt recht! Verzeiht mir, es stand mir nicht zu, Euch zu maßregeln! Es wird nicht wieder vorkommen!“ „Das will ich auch hoffen!“, meint Sesshomaru kühl, „Denn ich habe für dich eine andere Aufgabe vorgesehen.“ Nun blickt der Youkai wieder auf und der Ärger verschwindet aus seinem Gesicht. „Was soll ich für Euch tun, mein Fürst?“ Einen Momentlang blickt Sesshomaru ihn abschätzend an, dann sagt er: „Er ist hier! Ich möchte, dass du dich um ihn kümmerst.“ Bei diesen Worten sind dem strengen Youkai für einen Moment die Gesichtszüge entgleist. Ungläubig starrt er Sesshomaru an. „Kossoridoku ist hier?“, fragt er noch einmal um sich Gewissheit zu verschaffen. Sesshomaru nickt leicht. „Im Moment befindet er sich vermutlich in Arashitsumes Palast, aber sicher ist das nicht. Verfahre mit ihm, wie dir beliebt!“ Für einen kurzen Moment steht der kräftige Krieger da wie erstarrt, doch dann fasst er sich wieder. „Ich verstehe, mein Fürst! Habt Dank für Euer Vertrauen!“ Nun wendet sich Sesshomaru noch einmal um und bedenkt Jaken mit einem durchdringenden Blick: „Jaken, du begleitest Dokutoge in den Palast und suchst Rin. Bring sie so weit von hier weg wie möglich!“ Der kleine Gnom verneigt sich bis hinab auf den Boden und ignoriert dabei die verständnislosen Blicke der umstehenden Youkais. „Ihr könnt Euch auf mich verlassen, Sesshomaru-sama! Ich werde Eurem Befehl gehorchen und wenn es mich das Leben kostet. Ich werde... Sesshomaru-sama?“ Doch der Fürst des Westens beachtet ihn längst nicht mehr. Nun wendet er sich zum Gehen. Noch ein letztes Mal wendet er sich an Chitsurao: „Ihr wisst was ihr zu tun habt. Um meinen Bruder kümmere ich mich alleine! Niemand sonst darf mir folgen! Bis Sonnenaufgang bin ich spätestens wieder da!“ Mit diesen Worten wendet er sich ab und nur wenige Augenblicke später ist er zwischen den Bäumen verschwunden. Leiser als ein Windhauch gleiten die Westkrieger nun in das schützende Dunkel der Bäume zurück. Nur Chitsurao, Dokutoge und Jaken sind geblieben. „Kossoridoku ist also hier“, sagt Chitsurao leise, „Was wirst du tun, wenn du ihn nach all der Zeit wiedersiehst?“ Doch Dokutoge blickt nur starr geradeaus. „Das, was ich schon vor zweihundert Jahren hätte machen sollen!“, sagt er fest. Dann gibt er Jaken einen Schubs mit dem Fuß. „Komm, kleine Kröte! Du hast ihn gehört! Auf ins Schloss des Ostfürsten!“ „Ich verbitte mir eine solche Behandlung!“, zetert der kleine Kobold, „Immerhin bin ich Sesshomaru-samas engster Vertrauter. Es gibt niemanden, dem er mehr vertraut! Lasst Euch das gesagt sein! Hey, wartet auf mich!“ Mit einem leicht amüsierten Lächeln blickt Chitsurao dem eigenartigen Pärchen hinterher. Dann verschwindet auch er im schattigen Dunkel der Nacht. Mit leichten Sprüngen bahnt sich Kirara ihren Weg durch den Wald. Sie kann spüren, dass die drei Personen auf ihrem Rücken immer unruhiger werden. Ihre Körperspannung verrät es. Wachsam blickt Miroku sich um. „Gleich dort vorne muss es sein!“, meint er ernst. „Bist du sicher, du weißt, was du tust, Miroku?“, fragt Shippo auf seiner Schulter. „Ich irre mich nicht, wenn du das meinst!“, antwortet der Mönch, „Irgendetwas ist dort, und ich würde mich wesentlich wohler fühlen, wenn ich weiß, was es ist.“ „Und du bist sicher, es ist kein Youkai?“, meint Sango nun. „Ziemlich! Die Aura ist... anders!“ Vor ihnen taucht nun eine kleine Waldlichtung auf. Sangos Augen weiten sich: „Tatsächlich, dort ist jemand!“ Vorsichtshalber verkriecht Shippo sich erstmal hinter Mirokus Rücken. Auch er kann die unzähligen Witterungen der Youkais um ihn her riechen und es behagt ihm überhaupt nicht. Er geht lieber auf Nummer sicher. Nun treten sie aus dem Wald heraus. Dort bei einem der riesigen Bäume steht eine Frau. Mit einer geschmeidigen Handbewegung schlägt sie ihr langes, weißes Haar über ihren Rücken zurück. Gleichmütig blickt sie den Neuankömmlingen entgegen. Kirara kommt zum Stehen. Wachsam behalten Sango und die anderen die Frau im Auge. „Sieh mal einer an!“, sagt die Fremde nun leicht belustigt, „Reisende in dieser gefährlichen Gegend. Ihr solltet besser dahin zurückkehren, woher ihr gekommen seid. Dieser Ort ist nicht länger sicher. Hier wimmelt es nur so von blutrünstigen Youkais!“ Sango und Miroku steigen von Kiraras Rücken. Die Dämonenjägerin hat ihren Knochenbumerang geschultert. „Das ist uns bekannt“, sagt sie, ohne die Frau aus den Augen zu lassen, „Aber das schreckt uns nicht ab.“ Nun setzt die Frau eine etwas freundlichere Miene auf und legt die Fingerspitzen zusammen. „Ihr müsst sehr mutig sein, wenn ihr es mit einer ganzen Horde von ihnen aufnehmen wollt.“ „Sagen wir mal, wir haben einige Erfahrung im Kampf mit Youkais!“, entgegnet Miroku. Die Frau hebt die Brauen: „Oh, seid ihr womöglich auch Exorzisten?“ Ein wenig verblüfft schaut Miroku drein: „Ihr seid eine Miko?“ Die Frau schmunzelt nun. „Was hattest du denn gedacht?“ Doch Miroku lässt sich nicht beirren: „Dann müsst auch Ihr diese düstere Aura wahrgenommen haben, die sich hier in der Nähe befindet.“ „Ihr müsst ein gutes Gespür haben“, meint sie anerkennend, „In der Tat liegt über dem ganzen Wald eine düstere Aura heute Nacht. Youkais rotten sich zusammen. Ich fürchte, es wird schon bald zu Kämpfen kommen. Ihr solltet euch nicht in Gefahr bringen und euch lieber in Sicherheit bringen!“ Doch Mirokus Blick ist ernst: „Es sind nicht die Youkais, die diese Aura verursachen. Etwas anderes hält sich in den Wäldern auf und es ist sicher das Beste, es zur Strecke zu bringen, solange wir noch die Möglichkeit haben dazu.“ Zunächst schweigt sie, dann macht sie ein paar Schritte auf die kleine Gruppe zu. Ein sanftes Lächeln liegt um ihre Mundwinkel. „Ich hoffe, dass Ihr Euch da nicht zu viel vorgenommen habt, ehrwürdiger Mönch! Ihr wisst doch noch nicht einmal mit was Ihr es hier zu tun habt!“ In diesem Moment ertönt aus Kiraras Kehle ein gefährliches Knurren und ein Fauchen entfährt ihr. Ihre Nackenhaare sind buschig aufgestellt und sie fletscht ihre Zähne. Das Lächeln der Frau wird breiter. „Miroku, sie ist es!“, ruft Sango warnend und ergreift ihre Waffe, „Sie verursacht diese Aura!“ Grimmig packt Miroku seinen Stab: „Ja, ich weiß!“ Nun grinst die Frau boshaft: „Wahrlich ein gutes Gespür, kleiner Mönch!“ Mit einem wütenden Grollen will sich Kirara auf die schwarzgekleidete Frau stürzen, doch diese reagiert blitzschnell. In atemberaubender Geschwindigkeit vollführt sie ein paar Handzeichen wobei sie etwas unverständliches murmelt und nur eine Herzschlag später, richtet sie ihre Hand auf die heranstürmende Katzendämonin. Für einen kurzen Augenblick funkeln ihre Augen blutrot auf und im nächsten Moment stürzt die Dämonenkatze mitten aus der Luft gerissen schwer zu Boden und rührt sich nicht mehr. „Kirara!“, schreit Sango besorgt und mit wütender Miene hebt sie ihre Waffe. „Was hast du mit ihr gemacht!“ Die Frau lacht boshaft. „Ihr seid doch ein Youkai!“, grollt die Dämonenjägerin. Nun wird die Miene der Frau wieder ernst. „Wirf mich nicht in einen Topf mit diesem Abschaum!“ Sie kommt noch ein paar Schritte auf Sango zu. „Nein, Ihr seid kein Youkai!“, stellt Miroku ernsthaft fest, „Ihr seid noch wesentlich verwerflicher!“ Bitterböse fliegt ihr Blick zu dem jungen Mann hinüber: „Du magst mich durchschaut haben, Mönch, doch das gibt dir noch nicht das Recht, dir ein Urteil über mich anzumaßen!“ „Eine Schwarze Miko?“, fragt nun Sango ungläubig, auch sie kann sich die Zusammenhänge nun zusammenreimen. „Es sieht so aus!“, bestätigt Miroku. „Aber was macht Ihr hier?“, wendet sich Sango wieder an die Miko. „Das hat euch nicht das Geringste zu kümmern!“, schnaubt die Frau, „Aber ich kann auch nicht zulassen, dass ihr mir in die Quere kommt!“ Wieder macht sie ein paar Handbewegungen. Miroku und Sango sehen sich an und wie auf ein unsichtbares Zeichen stürmen sie los. Mit kraftvollem Schwung holt die Dämonenjägerin mit ihrem Bumerang aus. „Hiraikotsu!“, ruft sie und schon rauscht die riesige Waffe der Frau entgegen. Doch in diesem Moment leuchten deren Augen gefährlich rot auf und dann streckt sie ihre Hand vor sich. „Atem des Seedrachens, Schlag des Feuervogels, Kraft der Perle, Erwache!“ Nur einen Sekundenbruchteil später trifft Sangos Waffe auf einer knisternden Kugel aus violetter Energie auf und fällt dann kraftlos zu Boden. „Verdammt, sie hat einen Schutzschild!“, schimpft Sango. „Dem werden wir abhelfen!“, ruft Miroku und sofort schickt er einige seiner Bannzettel auf den Weg. Unter prickelnden Entladungen finden sie ihr Ziel. Doch schon einen Moment später verglimmen sie zu kleinen Rauchschwaden. Miroku beißt die Zähne zusammen. „Zwecklos, kleiner Mönch!“, ruft die Schwarze Miko verächtlich, „Deine schwächlichen Kräfte können sich niemals mit meinen messen!“ Nun zückt Sango ihren Dolch. Grimmig stürmt sie auf die Miko zu. Doch wieder macht diese einige Handzeichen: „Hauch des Eisdrachen, Kralle des Feuervogels, Schlange des Abgrundes, Griff des Affenkönigs! Erstarre!“ Im selben Moment geht ein Ruck durch Sangos Körper und sie erstarrt mitten in der Bewegung. Ihre Augen sind schreckensgeweitet und sie ist nicht fähig auch nur einen Finger zu rühren. „Sango!“, ruft Miroku aus. Grimmig fährt sein Kopf wieder zu seiner Gegnerin. „Was habt Ihr mit ihr angestellt?“ „Ich sagte doch schon, das braucht dich nicht kümmern“, meint die Miko höhnisch, denn du wirst ihr gleich Gesellschaft leisten.“ „Das werden wir sehen!“ Miroku ist zu allem entschlossen. Groß baut er sich zwischen seiner Freundin und der Miko auf. Dann setzt er seinen Stab vor sich auf die Erde. Dann hebt er eine Hand und beginnt mit geschlossenen Augen etwas zu murmeln. Nun tritt die Schwarze Miko näher. „Was soll das werden? Ein Bannkreis? Wie lächerlich!“ Doch Miroku lässt sich nicht aus dem Konzept bringen sondern konzentriert sich weiter darauf, das Schutzsiegel aufrechtzuerhalten, dass ihn und seine beiden Kameraden umgibt. Nun steht die Frau direkt davor. Mit einer Fingerspitze berührt sie den Bannkreis. Es zischt einmal und ihre Hand zuckt unwillkürlich zurück. „Oh!“, murmelt sie anerkennend, „Nicht schlecht! Aus dir hätte wirklich noch mal was werden können!“ Nun beginnen ihre Augen wieder unheilvoll zu leuchten. „Bedauerlicherweise muss ich dich enttäuschen! Du machst dir keine Vorstellungen, mit welchen Mächten du dich hier anlegst! Selbst diese Daiyoukais hatten keine Chance gegen meine Fessel! Für jemanden wie dich genügt mir schon ein einziger Finger!“ Mit diesen Worten setzt sie ihren Zeigefinger wieder auf den Bannkreis. Es zischt erneut doch diesmal wird ihr Grinsen nur noch breiter. Mit kräftigem Druck schiebt sie nun die Spitze ihres Finger durch das Schutzsiegel und dann hat sie ihn durchbrochen. Die Spitze des Fingers zielt nun genau auf Miroku. „Hauch des Eisdrachen, Kralle des Feuervogels, Schlange des Abgrundes, Griff des Affenkönigs! Erstarre!“ Im selben Moment zuckt Miroku zusammen und der Stab in seiner Hand entgleitet ihm. Fassungslos blickt er auf und dann frieren auch seine Bewegungen ein. Die Miko steht nun direkt vor ihm. Wenn er sich auch nicht bewegen kann, so bekommt er doch alles mit was sie tut. Zufrieden grinst sie ihn an, doch sie atmet auch schwer und unter ihren Augen liegen nun dunkle Ringe. „Ihr seid eine ziemlich hartnäckige Bande!“, schnauft sie, „Ihr zwingt mich wirklich an meine Reserven zu gehen! Ich würde euch ja den Rest geben, doch das kostet mich jetzt zu viel Kraft. Ich habe noch eine Aufgabe zu erledigen und ich will mich nicht verspäten. Arashitsumes kleiner Helfer wird mir meine Beute sicher schon hergelockt haben, ich kann meine kostbare Zeit also nicht mit euch Würmern verschwenden!“ Ihr Kopf ruckt herum und bleibt auf Kirara hängen. „Ich denke es wird nicht schaden, wenn ich meine Kräfte wieder etwas aufstocke. Ich will sie ja nicht im falschen Moment verlieren!“ Nun beginnen ihre Augen wieder blutrot zu leuchten und dann bewegt sie sich auf die reglose Katzendämonin zu. Schon hat sie sie erreicht und kniet neben ihr nieder. Kirara knurrt, zu mehr ist sie nicht fähig. Dann leckt sich die Schwarze Miko über die Lippen und beugt sich zu ihr hinab. Ein Fauchen entfährt der Dämonenkatze als sich scharfe Zähne in ihren Hals graben. Ein wütendes Heulen ist von Sango zu hören, es ist die einzige Möglichkeit wie die Dämonenjägerin ihrer Verzweiflung Luft machen kann. Parallelisiert muss Sango mit ansehen, wie die Schwarze Miko am Hals ihrer Gefährtin hängt und mit großen Schlucken ihr Blut aussaugt. Der Schmerz der sie dabei am eigenen Körper überkommt, ist unerträglich. Hilflos muss sie mitansehen, wie dieses grausige Geschöpf ihrer Freundin die Lebenskraft aussaugt. Tränen treten ihr in die Augen. Mehr kann sie nicht tun. Es tut so weh! So viele die ihr nahe standen hat sie schon verloren. Wie kann sie nun auch noch ihre treue Reitgefährtin verlieren? Das ist nicht fair! Doch in genau diesem Augenblick passieren mehrere Dinge. Zunächst fliegt ein kleiner Gegenstand auf die Miko zu und einen Augenblick später verwandelt sich das winzige Objekt in einen riesigen, surrenden Kreisel, der die überrumpelte Miko zu Boden drückt und keine halbe Sekunde später wird die Lichtung in eine dichte Rauchwolke gehüllt. Der Rauch verzieht sich so schnell wie er gekommen ist und zurück bleibt nur eine verblüffte Miko und drei Baumstämme die frappierende Ähnlichkeit mit zwei Menschen und einer gewaltigen Katze haben. Kein Geräusch ist zu hören und nur der Wind bläst leicht über den Waldboden. „Was, bei allen Welten...?“, murmelt die Miko. Dann kommt sie langsam wieder auf die Füße. Wachsam blickt sie sich um. Kein Geräusch ist zu hören. Sie schließt die Augen und sinnt einen Augenblick. Dann blickt sie wieder auf. „Sie sind geflohen! Zu ärgerlich!“ Verächtlich blickt sie auf die Baumstämme hinab. Dann wischt sie sich über die Lippen. Ihre Wangen haben wieder Farbe bekommen und die dunklen Ringe um ihre Augen sind verschwunden. „Aber ich habe jetzt keine Zeit, mich um diese kleinen Plagen zu kümmern. Ich muss Sesshomaru finden!“ Wütend funkelt sie in den Wald hinein. „Um euch kümmere ich mich später, verlasst euch drauf!“ Dann huscht sie mit flinken Schritten davon und verschwindet ebenfalls zwischen den Bäumen. Ein ganzes Stück entfernt durchdringt auf einmal ein 'Plopp' die Stille des Waldes und ein völlig erschöpfter, kleiner Fuchsdämon lässt seine schwere Bürde erleichtert ins kühle Gras plumpsen. Sein Atem geht rasseln und er zittert am ganzen Körper. Sein Gesicht ist nassgeschwitzt und nun liegt er wie erschlagen auf dem Rücken und streckt alle Viere von sich. „Ich glaub das nicht! Ich glaub das nicht! Ich glaub das nicht!“, murmelt er in einer Tour. Gerade hat er noch seine Freunde in ihrer misslichen Lage beobachtet, aus sicherer Entfernung zwischen den Bäumen versteht sich. Doch dann hat diese Vampir-Miko sich an Kirara zu schaffen gemacht und ihm wurde klar, dass jetzt sein Handeln gefragt war. Sein magischer Quetschkreisel sorgte für die Ablenkung und die Rauchkugeln verschleierten die Technik mit der er die Körper seiner Freunde mit drei Baumstämmen vertauschte. Nie zuvor hat der kleine Fuchs so schwer zu schleppen gehabt. Neben sich hört er nun ein Stöhnen. „Shippo...!“ Es ist Miroku. Der Mönch ist noch immer gelähmt, doch der Bann scheint sich ein wenig gelockert zu haben. „In meiner Tasche...“, flüstert er, „Geweihtes Salz...“ Trotz seiner Schwäche und seinen zittrigen Pfoten, begreift der kleine Fuchs sofort. So umsichtig wie möglich durchwühlt er das Gewand des Mönchs und fördert schließlich eine kleine Papiertüte hervor. „Pühh!“, entfährt es ihm. Mit einer Hand an der Nase fasst er das Tütchen mit spitzen Fingern und schüttet dann ein paar der weißen Kristalle auf den Mönch. Miroku sackt in sich zusammen. Er stöhnt etwas und dann stemmt er sich mit wackeligen Armen hoch. „Danke Shippo!“, in seinen Worten liegt aufrichtiger Dank. Er befreit den kleinen Fuchsdämon von der Tüte und dann streut er etwas Salz auf den Rücken seiner Freundin. „Kirara!“, ruft Sango, noch ehe sie auch nur den Kopf hebt. Mit zittrigen Bewegungen erhebt sie sich und läuft zu der Katze hinüber. Tränen laufen ihr über die Wangen. Mit bebenden Fingern fährt sie durch das Fell ihrer Gefährtin. „Oh, Kirara!“, schluchzt sie. Nun tritt auch Miroku zu ihr und streut ein wenig von dem Salz auf den Rücken der Katze. Sofort zuckt die mächtige Katze zusammen und knurrt gefährlich. Feine Rauchschwaden steigen von ihrem Fell auf und sie springt auf und schüttelt sich energisch. Dann plötzlich bricht sie wieder kraftlos zusammen. „Verzeih mir, Kirara!“, sagt Miroku der sich nun auch neben ihr niederlässt, „Dieser Bann war so stark, dass normale Mittel nicht helfen würden.“ Die Katze knurrt schwach. „Wie kann das möglich sein!“, fragt Sango noch immer mit zittriger Stimme, während sie ihre Freundin zur Beruhigung krault. Erschöpft senkt Miroku den Kopf: „Schwarze Mikos haben den Pfad der Erleuchtung verlassen. Wer kann wissen, zu was sie in der Lage sind, wenn sie sich mit dunklen Mächten einlassen. Diese Frau war alles andere als schwach. Mein Bannkreis war überhaupt keine Hürde für sie.“ „Ob sie ihre Kraft daraus gewinnt, dass sie das Blut von Youkais trinkt?“, in Sangos Stimme spiegelt sich ihre Sorge und ihre Hilflosigkeit wieder. „Das wäre gut möglich. Aber was mir noch mehr Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass sie offenbar mit Arashitsume unter einer Decke steckt.“ „Ein Youkaifürst, der gemeinsame Sache mit einer Schwarzen Miko macht?“, ungläubig starrt Sango ihn an. „Ja, du hast recht!“, nickt Miroku, „Das Ganze stinkt zum Himmel! Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir noch nicht einmal die Hälfte von dem erfahren haben, was hier so alles im Busch ist.“ „Von was für einer Beute sie wohl gesprochen hat?“, fragt Sango sich. „Ich weiß es nicht, aber sie sprach davon, dass Arashitsumes Handlanger sie herlocken würde.“ „Was für eine Art Handlanger mag das sein?“ „Wahrscheinlich jemand, den man auf keinen Fall verdächtigen würde.“ „Vielleicht einer der Streuner? Was wissen wir schließlich über sie? Was ist mit Tenmaru?“, Sango ballt die Faust, „Er ist schließlich Arashitsumes Neffe. Vielleicht arbeiten die beiden ja zusammen.“ „Ich glaube nicht, dass Tenmaru uns etwas vormacht. Kagome vertraut ihm und ich denke wir können ihrem Urteil trauen.“ Verbissen gräbt sich Sangos Hand in Kiraras Fell: „Kagome läuft auch in Youkaigefängnisse und bietet Daiyoukais die Stirn! Und gerade im Moment befindet sie sich mit Inu Yasha zusammen im schönsten Kampfgetümmel, möchte ich wetten. Natürlich können wir ihrem Urteil trauen!“, die letzten Worte presst sie ziemlich bitter hervor. Sanft legt Miroku nun seine Hand auf ihren Arm. „Sango, ich weiß du bist bestürzt über Kiraras Verletzungen aber jetzt tust du Kagome unrecht!“ Der Kopf der Dämonenjägerin sinkt herab. „Das weiß ich doch!“, kommt es schluchzend, „Und es tut mir leid!“ Mit diesen Worten vergräbt sie ihr Gesicht in Mirokus Gewand und lässt ihren Tränen freien Lauf. Zunächst schaut der junge Mönch ein wenig verblüfft drein, doch dann legt er sanft seine Arme um sie. Es dauert eine Weile bis sich Sango wieder beruhigt hat. Nun schnieft sie noch ein paar mal und dann löst sie sich von ihm. Mit leicht geröteten Wangen blickt sie zur Seite. „Das muss dir nicht peinlich sein, Sango!“, meint Miroku nun mit einem sanften Lächeln. „Nein, es ist nur...“, sie stutzt ein wenig. „Was?“, kommt die verwunderte Frage. „Du... hast diesmal gar nicht versucht mich zu betatschen!“ Und wieder errötet sie. Miroku setzt eine skeptische Miene auf. „Sango!“, sagt er mit großem Ernst, „Selbst ich weiß, was manchmal einfach nicht angebracht ist! Allerdings, wenn du darauf bestehst...!“ Seine Hand nähert sich ihrem Busen. Doch der Schlag einer Faust hält ihn unmittelbar darauf auf Abstand. „Nein, kein Bedarf!“, grollt sie mit tödlicher Miene. „Schon gut, schon gut!“, nuschelt Miroku hastig und hält sich die Nase, „Doch nun wissen wir noch immer nicht wer dieser Handlanger ist.“ „Vielleicht dieser Kossoridoku!“, meldet sich nun auch Shippo zu Wort, „Der Typ kam mir gleich so komisch vor und schließlich war er es, der uns dazu gebracht hat das Schloss zu verlassen.“ „Du könntest Recht haben“, meint Miroku nachdenklich, „Es kam mir auch ein wenig suspekt vor, dass er gerade jetzt aufgetaucht ist. Wahrscheinlich wollte er Inu Yasha eine Falle stellen, indem er ihn dazu gebracht hat, gegen Sesshomarus Anweisungen zu handeln.“ „Also ist Sesshomaru nun gezwungen, Inu Yasha zu verurteilen und das heißt, Arashitsume hat freie Bahn, wenn er Tenmaru in seine Gewalt bringen will.“ „Aber warum ihn dann noch von einer Miko töten lassen?“ „Vielleicht ist ja gar nicht Inu Yasha das Ziel!“, meldet sich Shippo wieder zu Wort, „Vielleicht hat diese Miko es ja auf jemand ganz anderen abgesehen.“ „Und warum überhaupt eine Miko?“, führt Miroku den Gedanken fort, „Warum diese Umstände?“ „Vielleicht ist Arashitsume einfach zu schwach um es selbst zu machen?“, zuckt Shippo mit den Achseln. Miroku setzt sich auf. „Oder sein Gegner ist so stark, dass er dafür eine Miko braucht, die es mit Daiyoukais aufnehmen kann!“ Kapitel 38: Heulen in der Nacht ------------------------------- „Wisst Ihr eigentlich wohin Ihr lauft, Inu Yasha-sama?“, vernimmt der Hanyou ein kleines Stück hinter sich, während er zielstrebig durch den Wald hastet. „Natürlich!“, meint er zurück, „Sie sind dort entlang gelaufen!“ „Wie könnt Ihr da so sicher sein?“, fragt Tenmaru verwundert, „Raiuko und Yaeba unterdrücken ihre Aura und hier wimmelt es überall von Nordyoukaifährten, dass man kaum sagen kann, welche davon zu Kegawa und Samushi gehören. Ich meine, ich erkenne sie zwar, aber woher wisst Ihr das? Nicht, dass ich behaupten möchte, die Nase eines Hanyous wäre weniger...“ „Kagome!“, unterbricht ihn Inu Yasha unwirsch. „Kagome?“, fragt der Streuner verwundert. Inu Yasha nickt. „Ihren Geruch würde ich überall wiedererkennen!“ Entschlossen spurtet er weiter. „Tatsächlich!“, vernimmt er nun hinter sich den überraschten Ausruf, „Ich rieche sie auch. Ihr Geruch fällt eigentlich gar nicht so auf. Es ist mehr wie eine unterschwellige Wahrnehmung. Ob das an ihren Miko-Kräften liegt? Inu Yashas Kopf fliegt im Laufen herum. „Woher weißt du davon?“ Tenmaru zuckt ein wenig zusammen: „Ich glaube sie erwähnte mal so was und den Rest habe ich mir selbst zusammengereimt. Immerhin scheint Ihr ein großes Interesse an ihr zu haben.“ „Was mich und Kagome betrifft, geht dich einen feuchten Kehricht an, klar?“, schnaubt Inu Yasha ärgerlich. „Verzeiht mir, Inu Yasha-sama, ich wollte Euch nicht in Verlegenheit bringen!“ „Keh! Du und deine Leute habt mich schon genug in Verlegenheit gebracht!“, meint Inu Yasha verärgert, „Euretwegen hat Sesshomaru nun eine Stinkwut auf mich und das will was heißen, nach seinen normalen Maßstäben gemessen. Für gewöhnlich begnügt er sich nämlich damit, mich einfach zu hassen.“ Tenmaru neben ihm verstummt. Dann sagt er: „Von Sesshomaru gehasst zu werden, ist wahrscheinlich nicht das Schlimmste. Er könnte Euch auch einfach ignorieren!“ „Manchmal wäre mir das wirklich lieber!“, brummt Inu Yasha. „Aber hättet Ihr Gefallen daran zu wissen, dass er Euch mit Missachtung straft? Würde es Euch nicht zu schaffen machen, wenn Ihr in seinem Leben keine Rolle spielt? Wenn er selbst Eure Existenz leugnete?“ Inu Yasha seufzt. Dann schüttelt er einmal kurz den Kopf. „Tenmaru! Ich werde wohl nie verstehen, was du in meinem Bruder siehst, aber falls das ein Trost für dich ist, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass du ihm egal bist! Dafür reagiert er viel zu emotional auf alles was nur irgendwie mit dir zu tun hat. Du magst vielleicht vieles für ihn sein, aber gleichgültig bist du ihm sicher nicht!“ Die Schritte hinter Inu Yasha verlangsamen sich. Irritiert blickt er sich um. Tenmaru ist stehen geblieben. Er ist bleich wie eine Wand. Nun hält auch Inu Yasha inne. „Was ist?“, fragt er ungeduldig. Unverwandt und mit einem fast flehenden Blick schaut Tenmaru ihn an: „Glaubt Ihr das wirklich?“ Inu Yasha verdreht die Augen: „Meine Güte, wenn ich gewusst hätte, dass meine Worte dich so umhauen, hätte ich den Mund gehalten! Sieh bloß zu, dass du wieder in die Gänge kommst. Wir haben die anderen bald eingeholt und Sesshomaru wird uns auch nicht ewig einen Vorsprung geben. Komm schon!“ Damit setzt er sich wieder in Bewegung und stellt befriedigt fest, dass sich Tenmaru ihm wieder angeschlossen hat. Es dauert in der Tat nicht lange und die beiden entdecken eine kleine Lichtung im Wald auf der sich mehrere Personen befinden. Sie sind es! Raiuko liegt reglos am Boden und neben ihm hocken die beiden Nordyoukais und machen besorgte Gesichter. Daneben steht Yaeba und behält die Umgebung wachsam im Auge. Ein Stück entfernt von ihm steht Kagome und auch in ihrer Miene liegt Besorgnis. „Inu Yasha!“, ruft sie erleichtert als sie ihren Freund entdeckt und rasch läuft sie ihm entgegen. Ehe er noch etwas sagen kann, wirft sie sich an seine Brust: „Endlich bist du da! Dir ist nichts geschehen, ich bin so froh!“ „Ähäm!“, hüstelt Inu Yasha verlegen und sogleich wird ihr bewusst, dass sie nicht alleine sind und löst sich von ihm. Ein leichtes Rot legt sich auf ihre Wangen. „Habt ihr sie besiegt?“, fragt sie jetzt stattdessen. „Nein, haben wir nicht!“, er ballt die Hand zur Faust, „Sesshomaru ist uns dazwischen gekommen.“ „Sesshomaru?“, fragt sie, „Aber wieso...?“ „Wieso wohl!“, meint Inu Yasha verstimmt, „Er will mich töten! Und ich glaube diesmal meint er es ernst!“ „Er muss bemerkt haben, dass du weg bist!“, meint Kagome. Nun fliegt Yaebas Kopf herum: „Soll das heißen, Ihr habt Euer Wort gebrochen und seid uns ohne seine Erlaubnis zu Hilfe gekommen?“ „Wäre es euch lieber gewesen, ich hätte Euch der Nordfürstin überlassen?“, schimpft Inu Yasha zurück. „Mir wäre es lieber gewesen, Ihr hättet zu Eurem Wort gestanden!“, funkelt der alte Streuner, „Nun hat Sesshomaru allen Grund uns zu jagen.“ „Keh! Nur keinen Dank!“, grollt Inu Yasha verstimmt, „Mein Wort gab ich auch, als ich für euch gebürgt habe! Wenn es dir so wichtig war, dass ich in meinem Zimmer bleibe, dann hätte dein Kumpel seine kleine Extratour lassen sollen!“ Yaeba verzieht das Gesicht. „Raiuko hat einen schweren Fehler begangen. Ich werde ihn dafür zur Verantwortung ziehen! Aber das ist meine Aufgabe! Ihr hättet Euch gar nicht damit befassen sollen!“ „Ach, hör auf mit dem Unsinn!“, schnappt Inu Yasha, „Ich bin doch nicht blöde! Natürlich ist es meine Verantwortung! Ich habe schließlich für euch gebürgt. Glaubst du, ich weiß nicht, dass ich damit für euer Handeln verantwortlich bin? Du meinst vielleicht, ich hätte keine Ehre, aber ich neige dazu, mich meiner Verantwortung zu stellen. Und ich nehme meine Versprechungen sehr ernst!“ „Wenn ich etwas anderes annehmen würde, hätte ich Euch nie um diesen Gefallen gebeten!“, grollt Yaeba nun ebenfalls aufgebracht, „Doch bedauerlicherweise war es nicht nur völlig vergeblich sondern auch ein schwerer Fehler von mir. Ich konnte nicht ahnen, wie es um Raiukos Gemütsverfassung bestellt war. Ich hätte nicht gedacht, dass er einen Alleingang starten würde. Ich wollte ihn zurückholen, noch bevor Ihr davon erfahrt, damit Ihr gar nicht erst in die Notwendigkeit geratet, für uns eintreten zu müssen! Deshalb habe ich Kossoridoku auch ausdrücklich gesagt, er solle Euch nichts davon erzählen, bis ich wieder da bin!“ Inu Yasha verschränkt die Arme: „Ausdrücklich, ja? Dafür war er aber ziemlich gesprächig, was das angeht!“ Yaebas Augen fliegen auf: „Was soll das heißen?“ Auch Tenmaru guckt verwundert: „Kossoridoku ist hier? Seit wann das denn? Ich dachte wir wären die Einzigen die überlebt haben!“ „Dafür war er aber ziemlich lebendig, als er mit den anderen bei mir reingeschneit kam und mir riet, euch nachzulaufen!“ Ernst funkelt Inu Yasha die Streuner an. Zunächst blicken die sich nur verwundert an. „Aber das ergibt doch gar keinen Sinn!“, meint Yaeba, „Warum sollte Kossoridoku so etwas tun?“ Skeptisch schaut Inu Yasha ihn an: „Sag du es mir! Er ist schließlich euer Kumpel!“ Yaeba schüttelt den Kopf: „Ich weiß nicht was das zu bedeuten hat. Kossoridoku sollte wissen, dass Sesshomaru Euren Ungehorsam auf keinen Fall dulden kann.“ „Mir hat er erzählt, dass es keine Rolle spielt, ob ich den Raum verlasse oder nicht. Sobald Raiuko einen der Nordkrieger umbringt, bricht auf jeden Fall ein Krieg aus und es wäre ein Versäumnis meinerseits, wenn ich es nicht verhindere!“ Sprachlos schaut Yaeba ihn an. „Er hat gelogen! Es spielt eine große Rolle! Ihr hättet Euren Bruder darüber in Kenntnis setzen und ihn um seine Erlaubnis für die Verfolgung bitten müssen. Das wäre der richtige Weg gewesen!“ „Aber er sagte, er wolle Sesshomaru selber darüber informieren!“, meldet sich nun Kagome zu Wort, „Wenn er gewusst hat, dass das falsch ist, warum hat er es uns dann nicht gesagt?“ „Das wüsste ich auch gerne!“, meint Yaeba finster. „Yaeba...?“, ertönt eine schwache Stimme. Der Youkai dreht sich zu ihr um. Raiuko hat die Augen halb geöffnet und blickt mit fast weißen Iriden zu ihm hinüber. Sein Gesicht ist leichenblass. Nun kommt Yaeba auf ihn zu und kniet sich zu ihm hinab. Sein Gesicht wirkt wie um Jahre gealtert. Mit schwachen Fingern ergreift der schmächtige Streuner seine Hand. Dabei unterdrückt er eine schmerzverzerrte Miene. Auch Inu Yasha, Kagome und Tenmaru treten nun näher. „Er hat viel Blut verloren!“, bemerkt Kegawa leise, „Ich glaube, er schafft es nicht!“ „Verdammt, Raiuko, mach keinen Scheiß!“, brummt der alte Streuner doch die Besorgnis in seiner Stimme ist nicht zu überhören. Er packt die Hand des schlanken Ostyoukai etwas fester. Raiuko atmet schwer ein und aus und sein Atem rasselt. Es macht den Anschein, als müsse er um jeden Atemzug ringen. „Yaeba!“, keucht er, „Es... tut mir leid! Ich... konnte gar nichts ausrichten und... ich habe... uns alle in Gefahr gebracht dabei!“ „Heb dir das für später auf!“, rügt der alte Streuner halbherzig, „Wenn du wieder fit bist, kannst du dich auf eine saftige Strafe dafür gefasst machen!“ Doch der Ostyoukai schüttelt nur schwach den Kopf. „Ich zahle bereits... den Preis für meinen Ungehorsam..., Yaeba! Doch ich bereue es dennoch nicht, es... versucht zu haben! Der Kita-aitsu... wird sich ein Leben lang an mich... erinnern!“ „Halt deine dumme Klappe, Higashi-aitsu!“, schnaubt nun Samushi aufgebracht, „Das raubt einem Schwächling wie dir bloß noch das letzte bisschen Kraft!“, doch es ist ihm anzusehen, dass er diese Worte nicht einmal halb so meint. Raiuko lächelt schwach. „Auf einmal... nicht mehr... Ani, hmm?“ Unwillkürlich stiehlt sich nun die Schamröte in Samushis Gesicht: „Das ist... Da musst du irgendwas falsch verstanden haben!“ Ein gluckerndes Lachen dringt aus Raiukos Kehle und sofort muss er husten und sein Atem ist nur noch ein Röcheln. Schließlich bekommt er wieder Luft. „Ich bedauere nur, dass... ich es nie geschafft habe... dir gehörig in den Arsch zu treten!“ „Lass das sentimentale Gerede, du Depp!“, schimpft Samushi, „Du wirst noch reichlich Gelegenheiten haben, es zu versuchen!“ Doch der zierliche Streuner lächelt nur sanft. „Das weißt du besser, Samushi!“, flüstert er. Der Nordyoukai beißt die Zähne aufeinander und wendet sich ab. Doch nun suchen Rauikos farblose Augen noch einmal den Blick seines Anführers. „Yaeba! Du... musst mir glauben! Ich hatte nie die Absicht... ungehorsam zu werden! Aber... sie haben meinen Bruder verhöhnt! Kossoridoku hat es mir erzählt... er wusste schon immer... womit er mich... zur Weißglut bringen kann!“ Yaebas Blick wird finster: „Kossoridoku! Was führst du im Schilde!“ Ein beängstigendes Zittern läuft nun durch Rauikos Körper und auf seiner Stirn stehen kalte Schweißtropfen. „Irgendwann könnt ihr mir... hoffentlich verzeihen!“, flüstert er, „Es war mir eine Ehre... mit Euch gekämpft zu haben! Ihr wart... die einzige... Familie... die ich je gekannt habe!“ Sein blasser Blick geht nun zu Tenmaru hinüber. „Tenmaru, ich wünsche dir... von Herzen, dass... deine Mission Erfolg hat! Ich durfte so sterben... wie ich es immer wollte..., im Kampf! Ich wünsche dir..., dass dir einmal... das selbe Schicksal vergönnt ist!“ Mit letzter Kraft drückt der schmächtige Ostkrieger die Hand seines Anführers. Sein Blick wandert nun ziellos durch die Gegend und das Zittern in seinen Gliedern beginnt erneut. „Macht das Beste aus meinem Fehler..., Kyoudai!“, haucht er und dann erschlafft seine Hand, sein Kopf sinkt auf die Seite und seine Augen blicken nun nirgendwo mehr hin. Eine beklemmende Stille legt sich über den Platz. Sämtliche Streuner senken nun den Kopf und ihr heftiger Atem ist das einzige Geräusch, das zu hören ist. Neben sich spürt Inu Yasha wie sich Kagomes Hand um seinen Oberarm schließt. Sie zittert. Sein Blick geht hinüber zu seiner Freundin und er muss schlucken. Eine unstillbare Flut an stillen, heißen Tränen läuft über ihre Wangen, so sehr nimmt sie Anteil am Tod des Streuners. Behutsam legt er seine Hand auf die ihre und nun hört er sie leise vor sich hin schluchzen. Dann blickt er wieder hinüber zu den Streunern. Noch immer stehen Yaeba und die beiden Nordyoukais um den leblosen Körper herum und atmen vernehmlich ein und aus. Und dann plötzlich, wie auf ein unsichtbares Zeichen, umgibt die drei Streuner ein helles Glühen und vor Inu Yashas Augen verwandeln sich die Streuner in ihre gewaltige Hundegestalt. Einer nach dem anderen legt nun den Kopf in den Nacken und mit einem langgezogenen, klagenden Jaulen machen sie ihrem tiefen Kummer Luft. Das schaurige Heulen verursacht Kagome eine Gänsehaut, so ergreifend ist diese so natürliche Klage über den Tod ihres Kameraden, nein ihres Familienmitgliedes. Unwillkürlich drückt sie ihr Gesicht an Inu Yashas Schulter und schluchzt vor sich hin. Zunächst fühlt sich Inu Yasha recht unbehaglich bei dieser plötzlichen Zutraulichkeit, doch dann überwindet er seine Scheu und behutsam legt er den Arm um seine Freundin. Seltsam, auch er fühlt sich im Augenblick schrecklich wehmütig und das obwohl er den Streuner kaum kannte. Doch er muss sich eingestehen, dass ihm Raiukos Tod doch irgendwie nahe geht. Soweit hätte es nicht kommen dürfen! Was hat sich dieser Kossoridoku bloß dabei gedacht? Warum wollte er uns aus dem Schloss weg haben? Sein Blick geht nun hinüber zu dem einzigen Streuner, der noch immer in seiner menschlichen Gestalt dasteht und das beklemmende Schauspiel schweigend beobachtet. Ob Tenmaru dem Verstorbenen keine freundschaftlichen Gefühle entgegenbringt, oder weshalb beteiligt er sich nicht an der Totenklage seiner Kameraden? Einmal mehr stellt er fest, dass ihm die Motive und Gedanken des Streuners völlig schleierhaft sind. Er beschließt seiner Neugierde nachzugeben und zu fragen. „Willst du nicht zu ihnen gehen?“ Tenmaru wendet den Blick nicht von dem traurigen Schauspiel ab. „Nein, will ich nicht!“, sagt er leise. „Warum nicht?“ „Ich habe meine Gründe!“ Inu Yasha seufzt. Aus dem soll einer schlau werden! Doch in genau diesem Moment verstummt das Heulen und die riesigen Wölfe blicken geschlossen in eine Richtung. Unmittelbar darauf beginnen die gewaltigen Körper wieder zu schrumpfen und nun stehen die drei wieder in Menschengestalt da. Yaeba sucht Inu Yashas Blick: „Er kommt! Er hat uns bemerkt!“ Inu Yasha zieht Tessaiga aus seiner Scheide. „Darauf habe ich nur gewartet!“ Er wendet sich an Tenmaru: „Und diesmal mischst du dich gefälligst nicht ein! Das ist etwas, dass ich mit Sesshomaru selbst klären muss!“ „Aber Inu Yasha-sama!“, widerspricht der Streuner, „Glaubt Ihr, Ihr seid ihm gewachsen? Was wenn er Euch tötet! Ich kann Euch doch helfen!“ Ärgerlich funkelt der Hanyou ihn an: „Du hilfst mir am meisten, wenn du Kagome beschützt! Außerdem brauche ich deine Hilfe nicht! Ich habe schon zu oft gegen diesen Mistkerl gekämpft, als dass ich jetzt kneifen würde! Bisher konnte ich mich immer gegen ihn behaupten und heute wird das nicht anders sein, verlass dich drauf!“ „Aber...!“ „Kein 'Aber', verdammt! Tu was ich dir sage!“ In genau diesem Moment flammt zwischen den Bäumen ein grelles, blaues Licht auf und eine mächtige Energiewelle fetzt sich eine gewaltige Bresche in den Wald. „Souryuuha!“, ertönt eine bedrohliche Stimme und nur im letzten Augenblick gelingt es Inu Yasha und den anderen der Attacke soweit aus dem Weg zu gehen, dass sie an ihnen vorbeirauscht. „Verdammt noch mal!“, schimpft Inu Yasha, „Er meint es wirklich ernst!“ Und dann sieht er ihn. Direkt vor ihm taucht nun Sesshomaru auf und die Miene auf seinem Gesicht verheißt nichts Gutes. Wütend streckt Inu Yasha seinem Bruder sein Schwert entgegen. „Sesshomaru! Das sieht dir überhaupt nicht ähnlich, dich so heimlich anzuschleichen und aus dem Hinterhalt anzugreifen!“ Unbeirrt und mit flammendroten Augen kommt der Daiyoukai auf ihn zu. „Hätte ich das, wärst du jetzt tot und ich zufrieden!“ Erneut hebt er sein Schwert. „Tenmaru! Yaeba! Nehmt Kagome mit und verschwindet von hier! Ich kümmere mich um ihn!“ Inu Yasha lässt seinen Bruder nicht aus den Augen. Zunächst zögern die Streuner, doch dann wenden sie sich um und treten die Flucht an. „Wir geben gut auf sie Acht!“, ruft Yaeba noch, dann nickt er Tenmaru zu, der das Mädchen auf seinen Rücken hebt. Doch Kagome sträubt sich erneut. Mit wilden Fäusten trommelt sie auf Tenmaru ein. „Nein, lass mich los! Tenmaru, lass mich sofort runter! Wir müssen Inu Yasha helfen! Du hast es geschworen! Du hast es geschworen!“ Doch der Streuner ignoriert die wütenden Schläge und ohne sich noch einmal umzublicken, folgt er seinem Anführer durch die Büsche. Nun verzieht sich Inu Yashas Miene zu einem Grinsen. „So die Störenfriede sind endlich weg! Jetzt können wir beginnen!“ „Wir haben schon längst begonnen!“, wütend geht Sesshomarus Schwert auf ihn nieder, doch Inu Yasha pariert mit einem heftigen Schlag Tessaigas. Erneut geht Tokijins Klinge auf ihn nieder, doch der Hanyou pariert auch die. Immer wieder und wieder prasseln die heftigen Schläge auf ihn nieder und wieder und wieder hält er verbissen dagegen. Mit einem heftigen Rundumschlag verschafft Inu Yasha sich etwas Luft. „Mehr hast du nicht zu bieten? Ich dachte, jetzt, wo du es wirklich mal ernst meinst, krieg ich von dir ein bisschen mehr zu sehen!“ Sesshomarus Blick ist zum Fürchten. „Du verhöhnst mich? Das wird dir gleich vergehen! Du wirst gleich feststellen, wie ernst es mir ist!“ „Ach ja, da bin ich mal gespannt!“ Mit einem großen Sprung erhebt sich Sesshomaru in die Luft und mit rotglühendem Blick geht die mit Youki aufgeladene Klinge auf Inu Yasha nieder. Ein heftiges Knistern ertönt als die beiden Schwerter aufeinandertreffen. Inu Yasha geht in die Knie. Die Gelegenheit nutzt Sesshomaru um ihm den Knauf seines Schwertes heftig ins Gesicht zu schlagen. Inu Yasha taumelt rückwärts. Doch schon ist der Daiyoukai wieder bei ihm und schlägt wieder zu. Inu Yasha presst mit aller Kraft die Klinge zur Seite und dann spuckt er einen Schwall Blut aus. Grimmig funkelt er seinen Bruder an. „Willst du meinen Tod so sehr, dass du schon zu schmutzigen Mitteln greifst?“ Doch der Daiyoukai geht nicht darauf ein. Erneut schnellt er vor und attackiert den Hanyou mit wütenden Schlägen und Hieben. Inu Yasha hat alle Mühe sie zu parieren. Erneut geht ein mächtiger Hieb auf ihn nieder und verbissen hält Inu Yasha dagegen. Er sieht die tödliche Entschlossenheit in den Augen seines Bruders direkt vor sich. „Ich weiß warum du wütend bist!“, meint Inu Yasha verbissen. Er drückt Sesshomaru von sich, doch der folgt ihm sofort. Wieder prallen die Schwerter aufeinander. „Und ich gebe ja zu, du hast diesmal Recht damit!“, redet Inu Yasha weiter. Ein heftiges Aufeinanderprasseln der Schwerter folgt. Wieder kommt es zum Kräftemessen. „Aber wenn du glaubst, dass ich mich dafür ohne Widerstand töten lasse, hast du dich mächtig getäuscht!“ Zwei wütende Hiebe Sesshomarus drängen ihn zurück. „Du hast mal wieder nicht kapiert, was du angerichtet hast!“, grollt Sesshomaru nun, „Deine elenden Streuner haben die Nordkrieger angegriffen und nun droht mir die Fürstin des Nordens mit Krieg!“ Inu Yasha fängt den nächsten Schlag geschickt ab und hält dagegen. Ernst funkelt er seinen Bruder an: „Glaubst du das weiß ich nicht? Hältst du mich wirklich für so blöd, dass ich nicht merke was hier abgeht?“ Mit einem wuchtigen Stoß drückt er Sesshomaru von sich. „Es scheint dir jedenfalls egal zu sein!“, kommt es grimmig zurück. „Egal?“, schnappt Inu Yasha erbost. Diesmal geht er zum Angriff über. „Glaubst du allen Ernstes, dass ich das alles mitmachen würde, wenn es mir egal wäre?“ Ein mächtiger Schwinger von Tessaiga lässt Sesshomaru ausweichen. Ärgerlich schlägt Inu Yasha weiter nach ihm. „Glaubst du wirklich, ich hätte mir die Entscheidung abzuhauen, leicht gemacht? Nur zu deiner Information, das habe ich keines Wegs!“ Mit diesen Worten holt er einmal heftig aus und dann walzt die grelle Energiewelle des Kaze no Kizu über den Waldboden. Doch geschickt weicht Sesshomaru der Attacke aus. „Und trotzdem war es die Falsche!“, bemerkt er kühl. Und im nächsten Moment steht er schon wieder neben seinem Bruder. Schmerzhaft trifft Tokijins Klinge Inu Yashas Schulter. Der Hanyou beißt die Zähne zusammen. Doch sofort reißt er sich wieder zusammen und mit einem Wutschrei schlägt er nach seinem Bruder. „Das weiß ich doch du, verdammter Dreckskerl! Jetzt weiß ich das auch!“ Sesshomaru verzieht keine Miene als er zum nächsten Schlag ausholt. „Jetzt erst?“ Und erneut fegt Tokijins alles zerfetzende Attacke über die Ebene. „Lass mich runter! Sofort! Auf der Stelle! Tenmaru!“ Noch immer tönen Kagomes energische Befehle zu dem jugendlichen Streuner hinunter, doch der scheint sie zu ignorieren. Nun verlegt sie sich aufs Bitten: „Bitte, Tenmaru! Wir dürfen ihn nicht so im Stich lassen! Du hast doch geschworen ihn zu beschützen! Bedeutet dir das denn gar nichts mehr?“ Doch die Miene des Streuners bleibt steinern. Traurig laufen Kagome wieder ein paar Tränen über die Wange. „Wenn du ihm schon nicht helfen willst, dann lass wenigstens mich runter!“ Doch Tenmaru schüttelt nur den Kopf. „Nein, ich werde dich nicht in Gefahr bringen!“ „Warum befolgst du gerade diesen Befehl von ihm, statt bei ihm zu bleiben und ihn zu verteidigen wie du es bisher immer gemacht hast?“ Der Streuner senkt den Blick: „Das ist meine Sache.“ „Ach, findest du?“, meint sie ärgerlich, „Langsam habe ich die Nase voll von euch Youkais! Keiner von euch spricht aus, was er wirklich denkt! Immer hüllt ihr euch in Schweigen. Nur nicht bei euren Fürsten, da seid ihr dann plötzlich ganz gesprächig!“ „Was weißt du schon?“, brummt der Streuner verstimmt. „Eine ganze Menge!“, behauptet Kagome entschieden, „Bei Arashitsume hast du ganz klar und deutlich Stellung bezogen, genau wie bei Sesshomaru!“ Nun geht ein Ruck durch Tenmaru. „Was?“, fragt er verdattert. Seine Schritte werden langsamer. „Ich habe gehört wie du mit Sesshomaru über Inu Yasha gesprochen hast. Damals auf dem Herweg.“ Nun bleibt Tenmaru stehen. Von vorne ertönt Yaebas Ruf: „Tenmaru?“ „Lauft ihr voraus, ich hole euch ein!“, ruft der Streuner zurück und der Anführer der Streuner blickt ihm nur kurz nach und setzt dann seinen Weg mit seinen Gefährten fort. Nun setzt Tenmaru Kagome ab. Mit kräftigen Händen packt er ihre Oberarme und schaut sie direkt an. Unheilvoll glimmen seine violetten Augen im Mondschein. Unter diesem Blick bekommt Kagome eine Gänsehaut, doch sie weicht seinem Blick nicht aus. Unergründlich schaut der junge Streuner sie an, dann sagt er: „Warum ist es mein Schicksal, dass ausgerechnet du immer alles über mich herausfindest? Kannst du mir das sagen?“ Langsam schüttelt Kagome den Kopf. Noch immer hält Tenmaru sie fest. „Vergiss das! Vergiss das alles und tue einfach so, als wären wir uns niemals begegnet!“ Wieder schüttelt Kagome den Kopf. Tenmaru verzieht das Gesicht und lässt den Kopf sinken. „Bitte, Kagome!“, nun klingt seine Stimme wirklich verzweifelt, „Bitte, vergiss alles was du von mir weißt und gib mir damit die Chance, es dir gleich zu tun!“ Mit klarem Blick schaut Kagome ihn an. Ein tiefes Mitgefühl für diesen Streuner überkommt sie; er leidet, das kann sie deutlich sehen. Behutsam legt sie eine Hand auf seinen Arm. „Wovor hast du bloß solch schreckliche Angst?“, fragt sie leise. Temarus Hände beginnen zu zittern und dann plötzlich geht er vor ihr in die Hocke und krümmt sich zusammen, das Gesicht in den Händen vergraben. Ein wenig ratlos steht Kagome da. Sie kann hören wie Tennmaru mit tiefen Atemzügen um seine Fassung ringt und sie fragt sich was dem stolzen Youkai bloß so schrecklich zusetzt. Schließlich geht sie neben ihm in die Knie. „Ich habe immer gedacht, Youkais hätten keine Gefühle wie wir Menschen!“, sagt sie behutsam. Tenmaru atmet einmal tief durch und dann hebt er den Kopf. Eine schreckliche Müdigkeit liegt in seinem Blick. „Das stimmt nicht!“, sagt er schwach, „Es ist eher so, dass die Gefühle eines Youkais... bestimmt sechs mal so stark sind wie die eines Menschen! Aus diesem Grund unterdrücken wir sie die meiste Zeit. Stell dir nur vor, wie es wäre, wenn wir es nicht täten!“ „Das muss schrecklich sein!“, meint Kagome betroffen, „Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn ich mir nicht erlauben dürfte, zu fühlen!“ Noch einmal atmet Tenmaru tief durch und dann richtet er sich wieder auf. „Es ist... kein einfaches Los, aber man gewöhnt sich mit der Zeit daran.“ Nun erhebt sich auch Kagome. „Das heißt also, Youkais tun immer nur so gefühlskalt“, stellt sie nachdenklich fest, „Aber in Wirklichkeit fressen sie ihre wahren Gefühle nur in sich hinein! Ich habe Mitleid mit ihnen!“ Verwundert schaut Tenmaru sie an. „Du bist ein eigenartiger Mensch!“, sagt er leise. „Tenmaru?“, wendet sie sich plötzlich an ihn, „Was passiert, wenn ein Youkai seinen Gefühlen nachgibt?“ Ein wenig unbehaglich schaut er sie an: „Ich vermute, dann kann alles Mögliche passieren.“ „Wird er dann gefährlicher?“ Unsicher schaut er sie an: „Schon möglich. Aber du brauchst dir keine Sorgen machen. Ich werde dir nichts tun!“ Sie schüttelt den Kopf: „Das meine ich nicht. Du sagst, alle Youkais unterdrücken ihre Gefühle?“ „Ja...“ Groß schaut sie ihn: „Auch Sesshomaru?“ Tenmarus Miene gefriert. Kagome seufzt tief. „Bitte, Tenmaru, mach nicht jedes Mal so ein Gesicht wenn ich diesen Namen sage! Es stimmt also! Und als wir gingen, war er wirklich wütend auf Inu Yasha. Ich mache mir Sorgen, dass er ihm diesmal womöglich wirklich etwas antut! Bitte lass uns zurückgehen! Ich habe keine Ruhe, bis ich nicht weiß, ob er in Ordnung ist!“ Einen langen Moment scheint Tenmaru zu zögern, doch dann seufzt er. „Also gut!“, meint er resigniert, „Ich werde zurückgehen und nach ihm sehen! Du bleibst solange hier und wartest auf uns!“ „Ich komme mit dir!“, ruft Kagome entschlossen, „Ich kann dir helfen!“ „Nein!“, entschieden schaut er sie an. „Warum denn nicht?“, fragt sie bittend. Ernst blickt er sie an. „Weil du das Wichtigste bist, das Inu Yasha besitzt! Und das gilt es um jeden Preis zu schützen!“ Mit diesen Worten dreht er sich um und nur wenige Augenblicke später ist er schon ihren Blicken entschwunden. Ein wenig beklommen schaut Kagome sich nun um. Auf einmal wirkt der Wald um sie herum wesentlich schwarzer und die Bäume viel bedrohlicher. Sie ist allein! Niemand sonst ist auch nur in der Nähe! Ihr Herz beginnt schneller zu pochen. Warum musste er sie gerade hier jetzt alleine lassen! Hier müssten doch überall Nordyoukais in der Nähe sein. Ob das wirklich so eine tolle Idee war, sie hier zurück zu lassen? Auf einmal vernimmt sie ein Rascheln hinter sich im Gebüsch. Erschrocken fährt sie herum und mit zittrigen Fingern spannt sie ihren Bogen. „Wer ist da!“, ruft sie so mutig wie sie sich traut. Doch auf einmal vernimmt sie eine vertraute Stimme: „Kagome? Bist du das?“ Kagome reißt die Augen auf. „Sango? Miroku?“ Nun schieben sich ihre beiden Freunde aus dem Gebüsch des Waldes hervor. In Sangos Armen schlummert die kleine, zusammengerollte Kirara und auf Mirokus Schulter hängt Shippo wie ein nasser Sack, den Kopf auf Mirokus Haaren gebettet, und schläft den Schlaf der Gerechten. Rasch läuft Kagome zu ihren Freunden hin. „Ich bin so erleichtert, euch zu sehen!“, ruft sie. Die beiden lächeln ihr entgegen. Doch dann fragt Sango: „Kagome, was machst du hier so ganz alleine? Wo ist Inu Yasha, ist er nicht bei dir?“ Kagome seufzt: „Das ist eine lange Geschichte. Aber was ist mit euch? Ihr habt die Streuner ja anscheinend nicht gefunden.“ Miroku macht ein ernstes Gesicht: „Das stimmt aber dafür haben wir etwas viel Schlimmeres gefunden!“ „Etwas Schlimmeres?“, fragt Kagome besorgt. Sango nickt. „Ohne Shippo hätte es diesmal schlimm ausgehen können mit uns. Wir erzählen dir gleich alles, aber erstmal müssen wir Inu Yasha warnen. Wir vermuten, dass dieser Kossoridoku ein falsches Spiel mit uns spielt.“ Kagome nickt: „Ja, zu dem Schluss sind wir auch schon gelangt. Er hat Inu Yasha belogen, als er ihm riet, das Zimmer zu verlassen und Raiuko hat er erst zu seinem Rachefeldzug angestachelt. Und wer weiß, was er womöglich Sesshomaru erzählt hat. Inu Yasha kämpft gerade mit ihm und diesmal scheint er wirklich wütend zu sein.“ Nachdenklich nickt Miroku. „Das würde zu dem passen, was wir auch schon vermutet haben.“ Er blickt auf: „Kagome, wenn Kossoridoku tatsächlich ein Verräter ist, dann handelt er aber nicht aus eigenem Antrieb!“ „Wir haben erfahren, dass Arashitsume einen Handlanger hat“, fügt Sango hinzu. „Was?“, erstaunt blickt Kagome sie an, „Ihr glaubt er arbeitet für Arashitsume?“ „Es kommt noch besser!“, meint Miroku, „So wie es aussieht, hat sich Arashitsume die Hilfe einer Schwarzen Miko gesichert!“ Groß blickt Kagome ihn an: „Eine Schwarze Miko? Wie kommt ihr darauf?“ Tief atmet Miroku einmal durch, dann meint er: „Lass dir erzählen!“ Mit eiligen Schritten läuft Dokutoge durch den Wald, in seinem Schlepptau der vernehmlich schnaufende und keuchende Jaken. Es ärgert ihn, dass er gezwungen ist, seine Geschwindigkeit dem kleinen Dämon anzupassen, doch Sesshomaru hat ja verlangt, dass er ihn begleitet. Allmählich sollte er sich wirklich daran gewöhnen, dass nicht mehr länger Inu Taishou der Fürst des Westens ist, sondern sein Sohn. Er muss sich eingestehen, dass ihm das noch immer schwer fällt. Besonders jetzt, da er gezwungen ist, wieder an die Ereignisse von damals zu denken. Nein, er verdrängt den Gedanken. Sesshomaru hat mehr als nur einmal bewiesen, dass er der Fürstenrolle würdig ist. Der stolze Prinz mag vielleicht nicht das Format seines Vaters haben, aber er wird seines Amtes gerecht und das Wohlergehen seines Reiches, steht bei ihm an erster Stelle; ein Ziel das er mit allem gebührendem Ernst verfolgt. Nein an dem neuen Fürsten des Westens gibt es nichts auszusetzen. Welch übergroßes Bedauern, dass man das nicht auch über seinen Vater sagen kann. Doch seine Buhlerei mit einer gewöhnlichen Menschenfrau, die ihn letztlich das Leben gekostet hat, wird für immer ein Schandfleck auf seiner Weste sein. Zum Glück ist wenigstens sein Sohn über diese Makel erhaben. Beiläufig dreht er sich nun um; das Rasseln des Atems hinter ihm nimmt zu. „Doku...toge...-sama..., wartet!“ Der kräftige Krieger kommt missmutig zum Stehen. „Beil dich, kleine Kröte, ich kann mich nicht ewig mit dir aufhalten!“ Schnaufend kommt Jaken heran. Sein Atem pfeift. Verächtlich blickt Dokutoge auf ihn hinab: „Ich verstehe nicht, was Sesshomaru-sama an einem wie dir findet!“ Jaken will etwas erwidern, doch noch immer bringt er außer schnaufen nichts zustande. Schon will Dokutoge weiterlaufen, als er plötzlich innehält und die Luft prüft. Seine Miene verfinstert sich sofort und ein dunkles Knurren kommt aus seiner Kehle. Ein wenig verschreckt schaut Jaken zu ihm hoch, doch der Youkai beachtet ihn kaum, seine Augen sind auf den Wald gerichtet. Dann sagt er: „Ich fürchte, kleine Kröte, du musst alleine zum Schloss gehen! Du findest es leicht, es ist gleich da hinten! Ich habe einen Auftrag zu erfüllen!“ „Ja, aber wie soll ich denn hineingelangen, Dokutoge-sama?“, ruft Jaken aufgeregt. Doch der Youkai hat sich bereits zum Gehen gewandt. „Das ist nicht mein Problem!“, ruft er noch und dann ist er auch schon verschwunden. „Dokutoge-sama!“, ruft Jaken ihm nach, doch es ist vergebene Mühe. Jaken beginnt zu schwitzen. „Sesshomaru-sama wird mich umbringen, wenn ich Rin nicht aus dem Schloss bekomme! Er wird furchtbar wütend werden!“, doch dann strafft er sich wieder, „Ich muss seinem Befehl gehorchen, koste es was es wolle! Sesshomaru-sama verlässt sich auf mich! Auf mich! Ich darf ihn nicht enttäuschen!“ Mit diesen Worten macht er sich wieder auf den Weg, so schnell ihn seine Füße tragen, in Richtung Schloss. Kapitel 39: Klare Verhältnisse ------------------------------ Bedrohlich walzt Tokijins Attacke auf Inu Yasha zu, doch der Hanyou sieht der gewaltigen Druckwelle nur grimmig entgegen. „Nein!“, ruft er, „So leichtes Spiel hast du nicht mit mir! Bakuryuuha!“ Und mit diesen Worten hebt er Tessaiga und so stark wie er es vermag, schickt er die mächtige Konterattacke seines Schwertes auf den Weg. Ein tosender Windwirbel umschließt die herannahenden Energieschwaden, durchdringt sie und mit einem reißenden Wirbel aus tosender Energie schleudert er den Angriff seines Bruders auf ihn zurück. Sesshomarus Augen weiten sich und dann, nur wenige Augenblicke später, unmittelbar bevor die Druckwelle ihn erreicht, springt er aus dem Weg. Mit heftiger Wucht zerfetzt die Energiewelle die umstehenden Bäume, sodass nur noch ein paar klägliche, abgeknickte Stümpfe übrig bleiben. Inu Yasha blickt hoch. Über ihm sieht er seinen Bruder. Für einige Sekunden scheint er leicht in der Luft zu schweben dann sinkt er wieder herab. „Verdammt!“, grollt Inu Yasha. „Ist das alles was du kannst?“, Sesshomarus Stimme ist eisig. „Ich werde gerade erst warm!“, wettert Inu Yasha zurück, „Ich wollte uns nur etwas mehr Platz schaffen!“ „Wer es glaubt!“, entgegnet Sesshomaru ungerührt und schon sprintet er wieder auf seinen Bruder zu. Wieder geht Tokijin auf seinen Gegner nieder. Inu Yasha pariert erneut. Er schnauft ein wenig. Die Kraft seines Bruders ist wirklich ungeheuerlich! Doch er wird sich auf keinen Fall geschlagen geben! Tief gräbt er sich mit seinen bloßen Füßen in den Boden und stemmt sich gegen seinen Bruder. Ein wütendes Knurren entfährt ihm. Sesshomarus kalte Augen leuchten direkt vor ihm auf. „Dein Widerstand ist völlig sinnlos!“, grollt der Daiyoukai. „Ach ja?“, quetscht Inu Yasha hervor und dann setzt er einen Fuß vor und drängt Sesshomaru damit zurück. Für einen Sekundenbruchteil flackert eine Art von Erstaunen über Sesshomarus Miene doch dann ist er wieder ernst. Nun entfährt dem zornigen Daiyoukai ein grimmiges Knurren. „Gib endlich auf!“ Doch Inu Yashas weicht keinen Millimeter zurück: „Auf keinen Fall!“ Mit diesen Worten stößt der Hanyou seinen Bruder heftig zurück und nur einen Augenblick später geht er zum Angriff über. Wütend schlägt er auf Sesshomaru ein, der nun seinerseits die Hiebe seines Bruders pariert. „Warum bloß bist du so stur!“, grollt er, „Du solltest doch begriffen haben, dass dir das gar nichts bringt! Als du mein Quartier verlassen hast, hast du dir damit dein eigenes Grab geschaufelt! Ich kann diese Gehorsamsverweigerung nicht tolerieren!“ Wieder schlägt Inu Yasha auf seinen Bruder ein: „Ich weiß, ich hätte dich fragen müssen, ob ich die Streuner zurückholen darf.“ Erneut saust Tessaiga herab, Sesshomaru fängt sie ab und einmal mehr ist das wütende Knistern der beiden Schwertauren zu hören die miteinander ringen. „Aber dazu war leider keine Zeit! Ich bin nur hinterhergegangen, um einen Krieg zu verhindern!“ Sesshomarus Augen werden schmal und dann stößt er Inu Yasha kraftvoll von sich. „Was soll das heißen, zurückholen? Bist du nicht mit ihnen fortgegangen?“ Entrüstet starrt Inu Yasha ihn an: „Das hast du gedacht? Ich bin doch nicht bescheuert! Glaubst du für mich zählt Stolz oder Würde gar nichts? Glaubst du, ich hätte nur aus Spaß oder Unwissenheit für die Streuner gebürgt? Ich wusste genau worauf ich mich einlasse!“ Mit diesen Worten holt er aus und schickt seinem Bruder einmal mehr ein Kaze no Kizu entgegen. Sesshomaru springt geschickt aus dem Weg, doch die wenigen Bäume hinter ihm haben weniger Glück. Unbarmherzig werden sie von der mächtigen Attacke zerfetzt. Wieder schwebt der Daiyoukai für ein paar Momente in der Luft ehe er wieder hinabsinkt. Mit erhobenem Schwert mustert er den Hanyou. „Es war ein Fehler, für sie zu bürgen!“ „Was du nicht sagst!“, funkelt Inu Yasha zurück, „Aber ich bin ja gewillt aus meinen Fehlern zu lernen!“ „Und die Konsequenzen zu tragen!“, gibt Sesshomaru ungerührt zurück. „Du bist doch selbst schuld, du elender Mistkerl!“, ruft Inu Yasha nun erbost, „Wenn du nicht auf diesen Hausarrest bestanden hättest, wäre das alles gar nicht nötig gewesen! Aber es ist ja mal wieder das Selbe wie immer! Du kannst mich nicht leiden und wolltest mich aus dem Weg haben und das hast du nun davon! Und ich habe jetzt den Ärger, weil ich gleichzeitig mein Wort in zwei gegensätzlichen Sachen halten muss! Kannst du mir mal sagen, wie ich das anstellen soll?“ Grimmig funkelt er zu seinem Bruder hinüber, der ihn noch immer mit eisigen Augen in Schach hält. „Also habe ich mich für das Versprechen entschieden, bei dem ich hoffte, dass ich am ehesten einen Krieg damit verhindere. Leider war das nun das Falsche! Das ist dumm gelaufen, aber mir sagt ja auch keiner was! Dazu bist du dir wieder viel zu fein! Du machst dir das alles so verdammt leicht!“ Sesshomarus Augen fliegen auf und nun verzieht eine grimmige Wut sein Gesicht. „Leicht? Du glaubst ich mache es mir leicht? Du hast nicht die geringste Ahnung!“ Mit diesen Worten stürmt er wieder auf Inu Yasha zu und seine Augen flammen erneut rot auf. So heftig treffen die Schwerter aufeinander, dass durch die Druckwelle ein Krater im Boden entsteht. „Verfluchter Dreck!“, grollt Inu Yasha und bemüht sich verbissen der mörderischen Kraft seines Bruders stand zu halten, „Was habe ich denn jetzt wieder Falsches gesagt?“ Unheilvoll sieht er das wütende Gesicht seines Bruders vor sich. Zornig schlägt Sesshomaru auf ihn ein: „Du... hast... keine... Ahnung!“, jedem Wort folgt ein weiterer Hieb. Den letzten Schlag fängt Inu Yasha ab und stemmt sich mit aller Kraft dagegen. „Dann klär mich auf! Sag mir endlich was los ist, verdammt noch mal!“ Tödlich funkelt Sesshomaru ihm entgegen. „Nie im Leben!“, grollt er leise, „Nicht so und nicht dir!“ „Na schön! Fein!“, schreit Inu Yasha, „Sag es mir eben nicht! Bitte schön! Wäre ja auch mal was Neues!“ Mit aller Kraft stößt er ihn von sich und direkt darauf schickt er seinem Bruder ein weiteres Kaze no Kizu hinüber. Sesshomarus Augen fliegen auf und züngelnde Blitze aus bläulichen Energien rauschen der Attacke entgegen. Wütend treffen die beiden Kräfte aufeinander und die gewaltige Druckwelle, die darauf folgt, holt beide Kämpfer von den Beinen. Schnaufend liegt Inu Yasha auf dem Rücken, die Hand noch immer um Tessaigas Schwertgriff geballt. Für ein paar Sekunden gönnt er sich einfach nur nach Luft zu schnappen. Da plötzlich schiebt sich ein Gesicht in sein Blickfeld. Es ist Sesshomaru. Seine Haare sind in Unordnung geraten und auch sein Gewand sieht etwas mitgenommen aus. Hoch steht er über Inu Yasha, aber auch er scheint außer Atem zu sein und im fahlen Mondlicht, das auf sie hinunterscheint, treten die dunklen Ringe unter seinen, nun nicht länger leuchtenden Augen, deutlich zutage. Er wirkt müde und angeschlagen, aber nun streckt er sein Schwert nach Inu Yasha aus. „Wärst du nur gleich zu mir gekommen!“, sagt er und es klingt irgendwie erschöpft, „Aber so bleibt mir nun keine andere Wahl mehr, als dich zu töten! Auch ich muss einen Krieg verhindern!“ Inu Yashas Faust ballt sich um seinen Schwertgriff und er beißt die Zähne aufeinander. „Sesshomaru!“, sagt er ernst, „Du bist doch kein Diplomat! Wir beide... du und ich, wir sind zum Kämpfen geboren! Dieser Kampf hier beweist es! Wenn du mich nur aus politischen Gründen töten willst, dann ist das wirklich ärmlich!“ Sesshomaru beißt die Zähne zusammen. Seine Hand umfasst den Schwertgriff so fest, dass es knirscht. Er scheint schwer mit sich zu ringen. Dann sagt er: „Du begreifst nicht! Ich muss dich töten, es gibt keinen anderen Weg! Die Fürstin des Nordens will deinen Tod!“ „Zum Teufel damit, was sie will!“, funkelt Inu Yasha zu ihm hoch, „Bist du nun auch ein Fürst oder nicht? Fürchtest du den Krieg so sehr? Ich hätte gedacht du wärst so tapfer, dass du es mit jedem aufnimmst! Und da spielt es keine Rolle, was die anderen wollen! Du wolltest doch schon immer deinen Willen durchsetzen, komme was wolle! Anders kenne ich das gar nicht von dir! Warum versteckst du dich jetzt hinter billigen Ausflüchten wie Protokollen und Etiketten und Hierarchien, statt für das zu kämpfen was du willst?“ Nun plötzlich verändert sich Sesshomarus Gesicht und für einen kurzen Moment zuckt eine leidvolle Miene über sein Gesicht. Auch sein Schwert liegt nicht mehr ganz so fest in seiner Hand. Für ein paar Atemzüge blickt der stolze Daiyoukai nur auf seinen Bruder hinunter, dann sagt er: „Wenn das nur so einfach wäre!“ Ratlos schüttelt Inu Yasha den Kopf: „Ich werde dich wohl niemals verstehen!“ In genau diesem Augenblick fährt Sesshomarus Kopf herum und im selben Moment bemerkt auch Inu Yasha es. Doch noch ehe er seine Gedanken in Worte fassen kann, wird Tokijins Klinge von einer präzisen Attacke zur Seite gestoßen und zwischen den Hanyou und seinem Bruder schiebt sich eine vertraute Gestalt. „Tenmaru!“, ruft Inu Yasha überrascht, „Was suchst du hier?“ Der junge Streuner wendet nicht den Blick von Sesshomaru. „Verzeiht, Inu Yasha-sama, ich habe Eure Befehle einmal mehr missachtet!“ „Das ist ja furchtbar!“, ruft Kagome erschrocken aus, „Wie geht es Kirara nun?“ Sango schaut hinab auf das Dämonenkätzchen in ihren Armen. „Es geht ihr wieder besser. Aber sie hat viel Blut verloren und ist noch sehr erschöpft. Aber sie wird schon wieder!“ „Shippo ist auch erschöpft“, sagt Miroku, „Wir verdanken ihm diesmal unser Leben. Sie hätte uns sonst sicher getötet.“ „Ihr hattet wirklich Glück!“, meint Kagome, „Und sie sagte, sie solle für Arashitsume jemanden töten?“ „So kam es rüber!“, bestätigt Miroku. „Wer könnte es sein?“ „Vermutlich jemand mit dem Arashitsume nicht selbst fertig wird“, meint Miroku. „Einen der Streuner vielleicht. Oder einen der Fürsten?“, stellt Kagome die Vermutung an. „Schon möglich!“, meint Sango, „Mit Sicherheit wissen wir das erst, wenn sie zuschlägt.“ „Wir sollten sie suchen!“, meint Kagome energisch, „Wir dürfen nicht zulassen, dass sie jemanden ermordet!“ „Das wird nicht so einfach sein. Sie ist wirklich schrecklich mächtig!“, gibt Miroku zu bedenken. „Dann lasst uns Inu Yasha warnen und vielleicht auch gleich Sesshomaru!“, redet Kagome weiter, „Wenn Sesshomaru erfährt, dass Arashitsume mit einer Schwarzen Miko gemeinsame Sache macht, überlegt er es sich vielleicht noch mal und lässt Inu Yasha am Leben!“ „Einen Versuch ist es wert!“, meint Sango, „Wir sollten keine Zeit mehr verlieren! Solange Kirara sich erholt, können wir nicht auf ihr reiten.“ Ohne ein weiteres Wort zu verschwenden machen sich die drei auf den Weg, nur geleitet von der hellen Sichel des Mondes am Horizont. „Wartet einen Moment!“, Yaeba ist stehengeblieben. Auch seine beiden Begleiter halten an. „Was hast du, Yaeba?“, fragt Samushi. Kritisch blickt der Youkai hinter sich zurück. „Irgendwas gefällt mir nicht!“, murmelt er. „Werden wir verfolgt?“, fragt Kegawa. „Nein!“, meint der Anführer der Streuner, „Und das verwundert mich etwas. Tenmaru müsste uns schon längst eingeholt haben. Stattdessen habe ich den Eindruck, dass sich seine Aura von uns entfernt.“ Samushi tritt näher an seinen Anführer heran: „Was hat das zu bedeuten?“ „Das kann ich nur raten“, meint der Ostyoukai, „Aber mein Instinkt sagt mir, dass das nichts Gutes verheißt!“ „Glaubst du, er geht zurück und legt sich mit der Nordfürstin an?“, fragt Kegawa. Yaebas Miene wird ernst. „Schlimmer noch, wahrscheinlich mit Sesshomaru!“ „Dieser Hornochse!“, brummt Samushi verstimmt, „Er soll es einfach gut sein lassen! Aber er hat ja noch nie begriffen, wann ein Kampf verloren ist!“ „So wie du!“, grinst Kegawa. „Bei mir ist das was anderes!“, meint Samushi unwirsch, „Ich kämpfe weil ich mir nichts Schöneres vorstellen kann. Aber der Bengel hat ja leider wirklich gute Gründe!“ Yaeba erstarrt. Dann wendet er sich langsam zu seinen beiden Kameraden um. „Was wisst ihr über Tenmarus Gründe?“, fragt er scharf. Die beiden Nordyoukais sehen sich ein wenig unbehaglich an. Dann gibt Kegawa seinem Freund einen Stoß in die Seite: „Ach verdammt, sag es ihm schon! Jetzt isses eh egal!“ Samushi seufzt. Dann blickt er Yaeba an. „Also ganz einfach gesagt“, und er zuckt kurz mit den Achseln, „Im Prinzip alles!“ Yaeba macht ungläubig einen Schritt auf ihn zu. „Was?“, zischt er fassungslos. „Jetzt reg dich nicht auf, Yaeba!“, ruft Kegawa dazwischen, „Das haben wir alle gewusst!“ Sprachlos schaut der Ostyoukai seine beiden Kameraden an. „Ihr wusstet es alle? Woher?“ „Bitte, Yaeba“, Samushi verschränkt geringschätzig die Arme, „Jeder der den Kleinen einmal in seiner wahren Gestalt gesehen hat, weiß sofort Bescheid!“ Noch immer steht der Anführer der Streuner da wie vom Donner gerührt. „Warum habt ihr denn nie etwas gesagt?“, fragt er schließlich. Die beiden Nordyoukais sehen sich an. Schließlich meint Kegawa: „Du und Chutaisho wart so emsig bemüht, es zu verheimlichen.“ Und Samushi fügt hinzu: „Es gab nichts zu wissen, also wussten wir nichts!“ Geplättet schüttelt Yaeba den Kopf: „Ich fasse es nicht! Wir dachten, wir wären so vorsichtig gewesen.“ „Man, Yaeba, wie lange kennst du uns?“, Kegawa verzieht das Gesicht, „Denkst du, wir könnten all die Jahre mit euch zusammenhocken und es nicht bemerken? Unsere Nasen funktionieren noch einwandfrei!“ „Aber ein wenig enttäuscht sind wir doch, dass du uns noch immer so wenig vertraust!“, fügt Samushi hinzu. Nachdenklich blickt Yaeba zu Boden. „Ihr habt recht, wir hätten es euch sagen sollen. Aber Hanaki entschied, dass es so das Beste für ihn wäre. Wie hätte ich ihr widersprechen können?“ Nun tritt Samushi an Yaeba heran: „Hanaki war eine kluge Frau mit der größten Weitsicht die mir je untergekommen ist. Ich bin mir sicher, sie wusste genau was sie tat. Und deshalb haben wir jede ihrer Entscheidungen respektiert. Jede, bis auf die Letzte!“ Auch Kegawa tritt nun näher: „Als Tenmaru losstürmte, hielt uns nichts mehr. Inu Taihyouga wusste gar nicht wie ihm geschah“, der Nordyoukai grinst ein wenig, „Er starrte uns nur mit großen Augen an und rührte keinen Muskel, aber da war Tenmaru schon an seiner Kehle. Er hatte keine Chance! War mir ein gutes Gefühl, ihn fertigzumachen, den feigen Mörder!“ Nun hebt Yaeba den Kopf und blickt seine Gefährten an. „Ihr habt es wirklich alle gewusst?“ Die beiden nicken. „Etwa auch Kossoridoku?“ Nun blicken sich die beiden Nordyoukais unbehaglich an. „Sieht wohl so aus!“ „Oh, verdammt!“, brummt Yaeba, „Das hat gerade noch gefehlt! Wir müssen sofort zurück! Wer weiß, was er mit diesem Wissen anstellt!“ Ein kurzes Nicken zwischen den Inuyoukais und die Streuner machen auf der Stelle kehrt und laufen den Weg zurück, den sie gekommen sind. Gemächlich spurtet Kossoridoku wie ein Schatten durch den Wald. Das Schloss hat er schon seit einer Weile hinter sich gelassen. Tenmaru hat er dort nirgends gefunden, also muss er das Schloss verlassen haben. Doch warum? Was mag er im Schilde führen? Forschend prüft er seine Sinne. Es verwundert ihn, so wenigen Nordyoukais zu begegnen. Auf seinem Herweg, hat er viele, kleine Grüppchen von ihnen passiert. Doch nun wirkt der Wald wie ausgestorben. Das gefällt mir nicht!, denkt er bei sich. Was kann die Kita-aitsu so in Aufregung versetzt haben, dass sie sich zusammenrotten, satt in Gruppen zu lagern? Irgendwas geht hier vor und er findet wohl besser schnell heraus was es ist, denn was immer es ist, es ist sicher von größter Wichtigkeit für Fürst Arashitsume. Tenmarus Witterung ist kaum noch wahrzunehmen und auch Sesshomaru scheint schon einen großen Vorsprung zu haben. Verdammt, es wäre wohl besser, wenn ich schnell herausfinde, was aus ihnen geworden ist. Doch plötzlich stutzt er. Unwillkürlich verlangsamt er seinen Schritt und hält schließlich an. Wachsam hält er seine Nase in den Nachtwind und urplötzlich fliegen seine Augen auf. „Was...?“, wispert er ungläubig. Ruckartig fährt sein Kopf herum und wendet sich dem Wald zu. So ein verdammter Mist!, denkt er bei sich, Das hat mir gerade noch gefehlt! Was, zum Teufel, hat ausgerechnet Er hier zu suchen? Ein kalter Schauer läuft ihm über den Rücken. Im Grunde kann es nur eine einzige Erklärung dafür geben. Nämlich, dass Sesshomaru bei weitem nicht so nachlässig ist, wie Arashitsume vermutet hatte. Kossoridoku beißt die Kiefer zusammen.Verflixt! So wie es aussieht, ist wohl das der Grund, warum sich die Nordyoukais zusammenrotten. Sie sind alle hier! Und Er mit ihnen! Und Er kommt direkt hierher! Fieberhaft beginnt Kossoridokus Gehirn zu arbeiten. Das passt mir im Augenblick gar nicht! Ich muss so schnell wie möglich Arashitsume Bericht erstatten, dass das Heer des Westens eingetroffen ist. Das wirft unsere Pläne ganz schön aus der Bahn! Aber noch ist nicht alles verloren. Sobald Sesshomaru tot ist, wird ihnen nichts anderes übrig bleiben, als sich zurückzuziehen. Trotzdem wäre es besser, wenn Arashitsume seine Truppen schon mal mobilisieren würde. Man weiß ja nie, vielleicht sind Sesshomarus Soldaten heute ja einmal besonders motiviert! Kossoridoku seufzt. Von einem weiß er das zumindest ganz genau. Es hätte keinen Sinn, davonzulaufen. Er wird nicht ruhen, bis er ihn gefunden hat. Anscheinend ist Er wirklich darauf aus, es heute zu ende zu bringen. Er kann Ihn also im Grunde auch gleich hier erwarten. Gelassen, greift er nach dem schlanken Schwert an seiner Seite. Wirklich ein Jammer! Eigentlich bin ich heute gar nicht in der Stimmung, ihn zu töten! Mit wachsamen Augen, das Schwert ruhig in seiner Hand liegend, steht er da und wartet auf die Person, die sich ihm mit unglaublicher Geschwindigkeit nähert. Da plötzlich bewegt sich etwas im Unterholz und nur Augenblicke später baut sich eine hochgewachsene Gestalt in einer eleganten Rüstung mit langen, weißen Haaren vor ihm auf und blickt ihn mit dunkelgoldenen Augen finster an. Kossoridoku erwidert den Blick, ohne eine Miene zu verziehen. Für einen langen Moment mustern sich die beiden nur, dann sagt der Neuankömmling mit dunkler Stimme: „Ich wollte es nicht glauben, als es hieß, du seist hier!“ Kossoridoku schweigt. „Hast du mir gar nichts zu sagen?“, knurrt der stattliche Youkai nun ärgerlich. Doch noch immer sagt Kossoridoku kein Wort. Der andere fletscht die Zähne: „Rede, verdammt!“ Nun endlich beschließt Kossoridoku zu antworten: „Was willst du hören?“ Dokutoge knurrt gefährlich. Kossoridoku behält ihn im Auge. „Willst du eine Erklärung? Eine Entschuldigung? Was willst du?“ „Ich will nur einen einzigen Grund, um dich nicht augenblicklich in Stücke zu reißen!“, grollt Dokutoge grimmig. Doch Kossoriodoku erwidert seinen Blick nur gelassen. „Willst du hören, dass es mir leid tut? Dass ich einen Fehler gemacht habe? Dass ich großes Unrecht auf mich geladen habe? Das ich meiner Familie Schande gemacht habe? Wärst du dann zufrieden, wenn ich um mein Leben betteln würde? Ich fürchte, ich muss dich enttäuschen! Ich bereue nichts von dem, was ich getan habe und würde es jederzeit wieder tun!“ Dokutoge erstarrt und fassungslos starrt er nun zu dem Streuner aus dem Westen hinüber. „Ich weigere mich zu glauben, dass das wirklich deine Meinung ist!“, meint er leise. „Finde dich besser damit ab!“, sagt Kossoridoku kühl, „Meine Meinung ändert sich nicht!“ „Nein!“, Dokutoge schüttelt den Kopf, „Das will ich nicht glauben!“ Nun hebt Kossoridoku eine Braue: „Nicht? Bitte sag mir, dass du dich nicht all die Jahre an diese Hoffnung geklammert hast. Ich wüsste nicht, womit man seine Zeit mehr verschwenden könnte!“ Nun bekommt Dokutoges Blick wieder etwas gefährliches: „Pass auf in welchem Ton du mit mir redest, Kossoridoku! Muss ich dir erst wieder beibringen, was Respekt ist?“ „Respekt?“, Kossoridokus Stimme trieft vor Sarkasmus, „Das brauchst du mir nicht beibringen! Ich weiß sehr genau was Respekt ist und besonders auch, wie man ihn verliert!“ „Was willst du damit sagen?“, grollt der Krieger gefährlich. Kossoridokus Hand schließt sich fest um seinen Schwertgriff. „Kannst du dir das nicht selbst denken?“ Finster blickt der Youkai ihn an: „Wovon reden wir hier? Von deinem schändlichen Verrat, oder von dir und mir?“ „Hängt das nicht alles zusammen?“, Kossoridokus Blick ist nun ebenfalls finster geworden. Dokutoges Stirn legt sich in Falten: „Wie sollte es?“ Kossoridokus Augen werden schmal. „Du warst es doch, der mir ohne Unterlass erzählt hat, wie großartig unsere Fürstenfamilie wäre! Du warst es, der mir sagte, dass nichts die Herrlichkeit Inu Taishous beflecken könnte, dass es eine Ehre, ja eine Gnade sei, ihnen zu dienen! Du sagtest, dass ihre Macht mit nichts zu vergleichen wäre und wie gewaltig der Unterschied wäre zwischen unsereins und einem Daiyoukai der Adelsfamilie. Du sagtest, wir sollten sie als schillerndes Beispiel ansehen, als etwas, dessen Vollkommenheit wir niemals erreichen würden! Du selbst warst es, der mir immer wieder sagte, ich solle mir an Sesshomaru ein Beispiel nehmen! Ganz gleich wie ich mich bemühte, ich war niemals gut genug für dich! Ich war nicht Er!“ Sprachlos schaut Dokutoge ihn an. Schließlich sagt er: „Ich habe dich niemals herabgesetzt! Ich war sehr stolz auf dich, als dich Inu Taishou als Kampflehrer für seinen Sohn auswählte.“ Doch Kossoridoku schüttelt nur bitter den Kopf: „Ich konnte dich niemals stolz machen. Nicht einmal habe ich von dir ein Wort der Anerkennung gehört. Alles was ich hörte war, was für eine Ehre es sei, den zukünftigen Herrscher auszubilden und welche gewaltigen Taten Sesshomaru sicher einmal vollbringen würde. Und weißt du was? Eine Zeit lang, habe ich das sogar selbst geglaubt. Ich hatte angenommen, dass die Daiyoukais tatsächlich so weit über uns stünden, dass jeder Versuch, sie zu erreichen, im vornherein zum Scheitern verurteilt war! Du warst es, der sie so glorifizierte und ich habe gelernt es dir gleich zu tun!“ Hart blickt Kossoridoku den Krieger vor sich an: „Kannst du dir nur annähernd meine Enttäuschung vorstellen, als ich erkannte, dass sich unser so vielgepriesener Fürst mit etwas so unwürdigem wie einer Menschenfrau vergnügte? Dass er seine Geburtswürde mit Füßen trat? Dass er seine Ehre und sein Volk verriet für einen erbärmlichen Menschen? Dass er gar nicht so viel anders war als wir?“ Mit steinerner Miene blickt Dokutoge ihn an. Dann sagt er leise: „Inu Taishous Schwäche war ein schwerer Schlag für uns alle! Nicht nur du warst enttäuscht, doch das rechtfertigt noch nicht deinen Verrat! Wir haben ihm die Treue geschworen und das hat nichts mit Sympathie oder Antipathie zu tun!“ Nun fliegen Kossoridokus Augen ärgerlich auf und er funkelt seinen Gegenüberstehenden böse an. „Du hast doch nicht die geringste Ahnung!“, ruft er zornig auf, „Du bist noch immer ein solcher Ignorant! Und noch immer hältst du an diesen naiven Ansichten fest, die Daiyoukais wären über jeden Fehl erhaben! Dabei sind sie kein Stück besser als wir! Weißt du was Inu Taishou getan hat? Er ließ mich Schmiere stehen, während er dieses billige Flittchen beglückte! Er wählte mich aus, um Wache zu halten, wenn er sich zu ihr stahl wie ein Dieb in der Nacht! Wo war da seine Würde? Seine Überlegenheit? Seine über jeden Zweifel erhabene Unfehlbarkeit?“ Unverhehlte Wut liegt nun in seinem Blick: „Er war es der seiner Familie Schande bereitet hat, nicht ich! Ich habe lediglich erkannt was er war: Ein gewöhnlicher Mann mit gewöhnlichen Gelüsten der noch nicht einmal den Mut hatte, es offen zuzugeben! Das konnte ich einfach nicht ertragen! Warum sollte ich jemandem die Treue halten, der so ganz offensichtlich vergessen hatte, was es heißt, ein Daiyoukai zu sein? Also entschloss ich mich zu dem einzigen was ich noch mit meinem Gewissen vereinbaren konnte. Ich beschloss Fürstin Mimaru über seinen Verrat zu informieren, die Einzige der ich noch Respekt und Mitgefühl entgegenbringen konnte.“ „Das stand dir nicht zu!“, grollt Dokutoge nun, „Du hättest zu mir kommen sollen!“ „Wozu? Um mir eine weitere deiner Lobreden über sie anzuhören? Nein, keiner von ihnen verdient meinen Respekt! Nicht Inu Taishou und nicht Sesshomaru! Er ist genau wie sein Vater! Überheblich, selbstverliebt, er wähnt ausschließlich sich im Recht und würde niemals einen Fehler zugeben. Du hättest sein Gesicht sehen sollen, als er den Brief las, den er mir abgenommen hatte! Fassungslosigkeit wäre noch untertrieben gewesen! Er ist genau so erbärmlich wie sein Vater und ich bereue es kein Bisschen, dass ich so klug war, dieser Familie der Schande den Rücken zu kehrte!“ Einen langen Augenblick sagt Dokutoge kein Wort, dann ergreift er den Griff seines Schwertes und zieht es aus der Scheide. Langsam streckt er es Kossoridoku entgegen. „Wenn das deine Entscheidung ist, dann bleibt mir keine andere Wahl mehr!“, sagt er ernst, „Fürst Sesshomaru überließ mir die Art deiner Bestrafung und dafür muss ich ihm dankbar sein! Denn so kann ich nun selbst meinen Fehler korrigieren, dass ich dir offenbar nicht genug über Ehre und Loyalität beigebracht habe! Ich werde nicht dulden, dass du die Ehre unsere Familie weiter so beschmutzt! Ich werde dich mit meinen eigenen Händen töten!“ Nun zieht ein hämisches Lächeln über Kossoridokus Gesicht. „Versuchst du noch immer ihm zu gefallen, oder ist das tatsächlich deine Meinung? Ich hätte gedacht, dass dich Inu Taishous offensichtliche Ehrlosigkeit härter treffen würde, so wie du ihn vergöttert hast.“ „Das tut nichts zur Sache!“, kommt es energisch zurück, „Ich diene jetzt Fürst Sesshomaru. Er ist ein stolzer Herrscher und obwohl er es war, der dich überführt hat und obgleich ich es ihm zu Beginn übelnahm, dass er sich auf die Seite seines Vaters stellte, ist aus ihm eine Person geworden, die sich meinen Respekt verdient hat. Ich bin stolz ihm dienen zu dürfen und deshalb werde ich dein Verbrechen nicht ungestraft lassen!“ Nun wirft Kossoridoku ihm einen verächtlichen Blick zu. Dann sagt er mit bitterem Mitleid in der Stimme: „Oh, Vater, du weißt absolut nichts über ihn!“ Dann hebt er sein Schwert und wie auf ein unsichtbares Zeichen springen die beiden aufeinander los. Mit entschlossener Miene bietet Tenmaru Sesshomaru die Stirn. Hinter ihm rappelt Inu Yasha sich wieder auf. „Ich brauche deine Hilfe nicht!“, schnaubt er ärgerlich, „Ich habe hier alles unter Kontrolle!“ Ein kurzes Zögern huscht über Tenmarus Gesicht: „Ihr lagt am Boden, ich dachte...“ „Dass ich verloren hätte?“, vollendet Inu Yasha den Satz, „Da kennst du mich aber wirklich schlecht“ „Du sagtest, du würdest mir nie wieder unter die Augen treten!“ Augenblicklich wendet sich Tenmarus Aufmerksamkeit wieder Sesshomaru zu. Der stolze Daiyoukai hat den Kopf leicht gesenkt und nur unter seinem Pony funkeln zwei goldene Augen mit einem tödlichen Glühen hervor. Man kann nun deutlich sehen, dass der Fürst des Westens schwer um seine Beherrschung ringt. Tenmaru schlägt schuldbewusst die Augen nieder. „Eine weitere Sache für die ich Euch um Verzeihung bitten muss!“, sagt er leise. Nun blickt Sesshomaru auf. „Das wird nicht mehr nötig sein! Yarinuyuki forderte neben dem Tod meines Bruders auch den euren. Ich beabsichtige sie zufriedenzustellen!“ Mit diesen Worten hebt er sein Schwert. Tenmaru sieht den Schlag kommen, doch er weicht nicht aus. Stattdessen fängt er den mächtigen Hieb mit den Klingen seiner Dolche ab. Sein Gesicht ist verbissen. Sesshomarus Augen funkeln ihm unheilvoll entgegen. „Tenmaru, hör auf dich einzumischen!“, ruft Inu Yasha erbost, „Das hier ist mein Kampf und ich habe vor, ihn zu gewinnen!“ Nun ruckt Sesshomarus Blick zu Inu Yasha hinüber: „Das sehe ich anders!“ Schon will er an Tenmaru vorbei und seinen Bruder erneut attackieren, doch seine Klinge erreicht ihr Ziel nicht. Wieder wehrt Tenmaru den Schlag ab. Grimmig blickt er Sesshomaru entgegen. Der stolze Daiyoukai bedenkt ihn mit einem zutiefst verächtlichen Blick: „Du beginnst wirklich mich zu verärgern, Bursche! Suchst du den Tod so sehnlich?“ Doch Tenmaru schweigt und lässt ihn nicht aus den Augen. „Zum letzten Mal, Tenmaru!“, ruft Inu Yasha ernst neben ihm, „Hau ab und lass mich die Angelegenheit alleine zu ende bringen!“ Doch der Streuner schüttelt nur den Kopf. „Ich lasse nicht zu, dass Euch etwas geschieht, Inu Yasha-sama. Schließlich habt Ihr noch jemanden, der sich um Euch sorgt. Deshalb ist Euer Leben um so vieles kostbarer als meines!“ Verblüfft starrt Inu Yasha ihn an. Doch noch ehe er etwas sagen kann, geht ein weiterer heftiger Hieb von Sesshomaru in seine Richtung nieder, aber wieder pariert Tenmaru ihn. Ein tiefes Knurren entfährt Sesshomaru und nun wendet er sich hasserfüllt Tenmaru zu: „Du suchst wirklich den Tod! Du sollst ihn bekommen!“ Mit diesen Worten lässt er erneut Youki in sein Schwert hineinfließen und kaum einen Augenblick später geht ein wahrer Hagel aus wütenden Schlägen auf den jungen Streuner nieder. Mit geschickten Hieben seiner beiden Dolche wehrt Tenmaru die Attacken ab. Verbissen ist sein Blick auf Sesshomaru gerichtet, der nun seine Angriffe offenbar voll auf ihn konzentriert. Ein Stück entfernt seht Inu Yasha. Er hat Tessaiga geschultert und beobachtet den Kampf der beiden. „Dummer Kerl!“, schimpft er leise, „Sesshomaru wird ihn in kleine Fetzen schnippeln!“ Doch im Augenblick, scheint sich Tenmaru noch recht gut behaupten zu können, auch wenn er immer weiter zurückweicht. Mit grimmiger Wut geht Sesshomarus blauzüngelnde Klinge auf den Streuner nieder. Doch Tenmarus Dolch wehrt sie ab. Sofort setzt der Daiyoukai zum nächsten Schlag an, doch auch den schlägt Tenmaru zur Seite. Nun stößt sich Sesshomaru hart vom Boden ab und mit einem kräftigen Sprung setzt er über ihn hinweg. Schon will er dem Streuner sein Schwert von hinten in den Leib rammen, doch blitzartig fährt Tenmaru herum und wieder treffen die Klingen aufeinander. Mit einem heftigen Stoß, drückt Tenmaru den zornigen Daiyoukai von sich weg. Sesshomarus Augen fliegen auf. „ Souryuuha!“, sagt er mit Grabesstimme und augenblicklich walzen die ungezügelten Energien Tokijins auf den Streuner zu, bereit alles niederzumähen, was ihnen im Weg steht. Doch Tenmaru reagiert blitzschnell. Mit einem energischen Hieb reißt er seine Dolche von vorne zur Seite. „Nibai no Kamikizu!“, ruft er und im selben Moment flammen seine Futaba auf und die gewaltigen Energien werden in mehrere saubere Stücke gerissen und rauschen harmlos an ihm vorbei, um dann hinter ihm in den kläglichen Überresten der Bäume ihre verheerende Wirkung zu entfalten. Sesshomaru bedenkt ihn mit einem zutiefst verächtlichen Blick. „Ist das etwa alles was du kannst? Mit solch erbärmlichen Fähigkeiten wirst du mich niemals besiegen!“ Entschlossen hält Tenmaru seinem Blick stand. „Das liegt auch gar nicht in meiner Absicht!“, stellt er klar. Sesshomarus Augen fliegen erbost auf: „Wenn dir an deinem Leben etwas liegt, solltest du diese Absicht ändern!“ Und mit diesen Worten stürmt er erneut auf den Streuner zu und setzt ihn mit einem massiven Hagel aus Schlägen unter Druck. Verbissen wehrt Tenmaru die Schläge ab, doch wieder weicht er zurück. „Jämmerlich!“, grollt Sesshomaru finster und ein weiterer seiner Schläge endet an der Dolchklinge des Streuners, „Einfach nur jämmerlich!“ Nun fletscht Tenmaru die Zähne und heftig stößt er den Fürst des Westens von sich. Doch nur eine Sekunde später ist Sesshomaru wieder neben ihm und nur Tenmarus außergewöhnlichen Reflexe verhindern, dass sich Tokijins Klinge in seine Seite bohrt. Mit beiden Dolchen hält der junge Streuner das Schwert des Daiyoukais auf Abstand. Grimmig prasseln die Auren der Waffen aufeinander. Wieder löst sich Tenmaru mit einem heftigen Stoß aus der Pattsituation. Doch Sesshomaru nimmt sogleich die Verfolgung auf. Mit flinken Sprüngen versucht Tenmaru ihm auszuweichen, doch der Fürst des Westen ist schnell, sehr schnell! Wieder geht sein Schwert blitzartig nieder und diesmal erwischt es Tenmaru knapp an der Schulter. Der Streuner beißt die Zähne aufeinander. Ein boshaftes Glimmen erscheint in Sesshomarus Augen. „Du bist schwach!“, sagt er ernst, „Aber du könntest wenigstens versuchen dich zu wehren!“ Wieder schlägt er zu und wieder weicht Tenmaru aus. „Ich will gar nicht mit Euch kämpfen!“, ruft er entschieden. „Danach wirst du gar nicht gefragt!“, kommt es tödlich von Sesshomaru und erneut züngeln unheilvolle, blaue Energieschwaden um die Klinge seiner Waffe. Die herumwirbelnde Waffe hinterlässt feine, dünne Lichtstreifen in der kühlen Nachtluft. Der junge Streuner pariert die präzisen Schläge noch immer mit großem Geschick, doch er weicht immer mehr zurück und langsam wird seine Miene immer verzweifelter. „Ich sagte ich will nicht kämpfen!“, ruft er. Doch Sesshomaru scheint es zu überhören. Immer wieder und wieder saust seine Klinge mit aller Kraft auf seinen Gegner nieder und dem jungen Streuner fällt es scheinbar immer schwerer, sie zu parieren. „Bitte!“, ruft er flehend, „Zwingt mich nicht dazu, Euch zu verletzen!“ Wieder kommt es zum Kräftemessen. Eisige Goldaugen starren Tenmaru an. „Warum glaubst du, dass du das könntest?“, kommt die frostige Rückfrage und dann verpasst der stolze Daiyoukai ihm einen solch heftigen Hieb, dass der junge Streuner mehrere Schritt zur Seite geschleudert wird. Mühsam fängt sich Tenmaru auf einem Knie ab, doch er hat kaum Zeit sich zu sammeln, denn schon ist Sesshomaru wieder bei ihm und die leuchtende Klinge verfehlt ihn nur um Haaresbreite. Hastig springt Tenmaru zurück, doch Sesshomaru reagiert ebenso schnell. „Souryuuha!“, ruft er erneut und sofort schießt das wütende Energiegewitter auf den jungen Streuner zu. Nun richtet sich der junge Streuner hoch auf und mit entschlossenem Blick vollführt er ein paar Bewegungen und wie schon vorhin, reißt er seine Dolche auseinander und ruft: „Nibai no Kamikizu!“ Einmal mehr rauschen die zerstückelten Energien an ihm vorbei ohne ihm zu schaden. Doch diesmal hat er die Rechnung ohne Sesshomaru gemacht. Denn beinah im selben Moment, als die mächtigen Energieschwaden Tenmaru passieren, flammt Sesshomarus Aura hell auf und die blauzüngelnden Energien ballen sich hinter dem Streuner wieder zusammen und als der Daiyoukai sein Schwert ausstreckt, rasen die Energien geradewegs auf die Spitze der Waffe zu; direkt durch Tenmaru hindurch. Verzweifelt beißt der junge Streuner die Zähne aufeinander als ihn das mörderische Blitzgewitter von Kopf bis Fuß einhüllt, aber kein Ton dringt über seine Lippen. Für ein paar kurze Sekunden, die Tenmaru wie Ewigkeiten erscheinen, prasselt das Youki des Westfürsten durch seinen Körper und raubt ihm fast den Atem. Schließlich verflüchtigen sich die Energiemassen und der Streuner sackt kraftlos in sich zusammen. Aber noch hält er sich auf den Beinen. Schwer keuchend, doch mit ungebrochener Entschlossenheit in seinen Augen, blickt er zu Sesshomaru hinüber. Gnadenlos mustert der Fürst des Westens ihn. „Ich sage es dir noch mal! Mit diesen jämmerlichen Fähigkeiten, bist du kein Gegner für mich! Du bist schwach! Deine Attacken sind schwach und deine Mutter hat diese Waffen tausendmal besser beherrscht als du! Du machst ihr wahrlich Schande!“ Tenmaru zuckt unwillkürlich zusammen. Sprachlos starrt er den Daiyoukai an. Dann plötzlich wird sein Blick hart. Er atmet einmal tief durch und dann richtet er sich zu seiner vollen Größe auf. Mit fester Miene schaut er Sesshomaru an. „Ich will noch immer nicht gegen Euch kämpfen! Aber mir bleibt keine Wahl! Wenn ich nicht hier und heute mit aller Kraft gegen Euch kämpfe, belüge ich nicht nur Euch, sondern würde auch zulassen, dass Sie sich für mich schämen muss!“ Mit diesen Worten streckt Tenmaru seine Dolche seitlich von sich und plötzlich beginnen seine Augen gefährlich violett zu leuchten. Seine gesamte Erscheinung wird nun von einer hellen Aura umhüllt und die beiden Klingen in seinen Händen beginnen gleißend zu leuchten. Inu Yasha, der das ganze Schauspiel bis zu diesem Moment aus der Entfernung beobachtet hat, legt nun die Stirn in Falten. Der junge Streuner konzentriert seine Energien, daran besteht kein Zweifel. Doch es erstaunt ihn schon, wie viel Energie in ihm schlummert. Der jugendliche Youkai zeigt nun nicht mehr die kleinste Spur von Ermüdung. Erstaunlich! Stattdessen trotzt er Sesshomaru mit entschlossener Miene während sich sein Youki immer stärker in den beiden Dolchen in seiner Hand konzentriert. So grell leuchten die Klingen, dass Inu Yasha ein wenig die Augen zusammenkneifen muss. Woher nimmt der Kerl bloß dieses riesige Kraftpotenzial? Doch nun weiten sich Inu Yashas Augen doch wieder vor Erstaunen. Die beiden Klingen in Tenmarus Händen beginnen sich nun in die Länge zu ziehen und aus den beiden kurzen Dolchen, werden zwei stattliche Kurzschwerter die in einem beängstigenden, türkisen Farbton in die Nacht hinein leuchten. Mit kräftigem Griff schließen sich Tenmarus Finger um die Griffe seiner Waffen. „Okirufutaba (Erwachter Doppelzahn)!“, sagt er ernst und dabei wirft er Sesshomaru einen Blick zu, der nicht an seiner Entschlossenheit zweifeln lässt. Sesshomarus Augen werden schmal. Bittere Kälte liegt in seinen Worten als er sagt: „Es sieht so aus, als wärst du nun doch bereit zu kämpfen! Doch gegen mich helfen dir auch keine abgelegten Techniken einer toten Daiyoukai!“ Im selben Augenblick beginnen Tenmarus Augen erneut zu leuchten und er fletscht die Zähne. Ein grimmiges Knurren rollt aus seiner Kehle und mit einem wütenden Schrei stürmt er auf Sesshomaru zu, der ihn mit einem genüsslichen Lächeln empfängt. Kapitel 40: Offenbarung ----------------------- So schnell sie ihre Beine tragen, spurten Kagome und die anderen durch den Wald. Schmerzlich wird ihnen bewusst wie sehr sie sich bisher auf ihre Youkaifreunde verlassen haben, wenn es darum ging, möglichst schnell von hier nach da zu kommen. Bei dem Tempo, dass sie jetzt an den Tag legen, ist es gut möglich, dass sie erst ankommen, wenn alles schon vorbei ist. Kagome beschleunigt ihren Schritt, obwohl ihr das Luftholen bereits schwerfällt. Nein, sie darf Inu Yasha und Tenmaru nicht ihrem Schicksal überlassen! Sie müssen einfach rechtzeitig da sein! Auf einmal blickt Miroku sich um. „Ich spüre hinter uns drei starke Auren, die sich schnell nähern. Alarmiert bleiben die drei Menschen stehen und sehen sich um. Sango ergreift ihren Bumerang und Mirokus Hand geht an seine Gebetskette. Auch Kagome hat ihren Bogen ergriffen und richtet ihn auf die Richtung aus der sie gekommen sind. Die drückende Stille, lässt ihre Nerven blankliegen. Doch dann plötzlich sehen sie es! Drei Gestalten tauchen nun zwischen den Bäumen auf und mit erstaunten Gesichtern kommen sie nun zum Stehen. Kagome lässt den Bogen sinken. „Yaeba?“, fragt sie ungläubig. Der Streuner und seine Gefährten schauen nicht weniger überrascht. „Kagome-san?“, ist Yaebas Rückfrage, „Was tust du hier? Wo ist Tenmaru?“ „Noch zwei Streuner?“, kommt Sangos misstrauische Frage. „Was dagegen?“, gibt Kegawa patzig zurück. Für einen Moment halten sich die sechs wachsam im Auge. Doch nun kommt wieder Leben in Kagome und sie läuft auf den Anführer der Streuner zu: „Bin ich froh, dass ich euch treffe! Ihr müsst uns sofort zu Inu Yasha bringen!“ „Und warum?“, fragt er zurück, „Ich denke nicht, dass du ihm irgendwie behilflich wärst.“ Sie schüttelt energisch den Kopf: „Darum geht es nicht! Aber wir müssen Sesshomaru warnen, dass Kossoridoku wahrscheinlich ein falsches Spiel mit ihm treibt! Wir müssen verhindern, dass Sesshomaru Inu Yasha umbringt!“ Ernst schaut Yaeba sie an. „Warum glaubst du, dass es etwas ändern würde, wenn Sesshomaru das erfährt?“ „Weil wir glauben, dass Kossoridoku für Arashitsume arbeitet und versucht, ihm eine Falle zu stellen!“, antwortet jetzt Sango an Stelle ihrer Freundin. Sehr langsam geht Yaebas Blick nun zu der Dämonenjägerin hinüber. „Was hast du gesagt?“, fragt er leise und ein gefährliches Drohen liegt nun in seiner Stimme. Auch die beiden Nordyoukais starren sie nun mit tödlichem Ernst an. „Woher wollt ihr das wissen?“, kommt es gefährlich, „Könnt ihr das beweisen?“ Fest erwidert Sango seinen Blick. „Wir wissen es nicht ganz genau, aber wir sind gerade auf eine Schwarze Miko getroffen, die behauptete, für Arashitsume zu arbeiten. Sie behauptete, dass Arashitsume noch einen weiteren Handlanger hätte, der jemanden zu ihr locken soll. Wir gehen davon aus, dass es Kossoridoku ist, den sie meinte und, dass Sesshomaru vermutlich das Ziel sein soll!“ Einen langen Moment sagen die drei Streuner kein Wort, sondern versuchen lediglich das Gehörte zu erfassen. Vor Verblüffung steht Yaeba der Mund offen. Dann wird er wieder ernst. „Wenn das stimmt, dann dürfen wir keine Zeit mehr verlieren!“ Ohne viel weitere Worte zu machen, nickt er seinen Gefährten zu. „Nehmt sie mit! Wir müssen uns beeilen!“ Mit diesen Worten schnappen sich die drei Youkais je einen der Menschen, setzen ihn sich auf den Rücken und in Windeseile setzen sie ihren Dauerlauf durch die Nacht fort. Mit unverkennbarer Entschlossenheit sprintet Tenmaru auf Sesshomaru zu. Seine Schwerter ziehen dabei leuchtende Schlieren hinter sich her und seine purpurfarbenen Augen glimmen gefährlich unter seinen Ponyfransen hervor. Es dauert kaum eine Sekunde und er hat den Daiyoukai erreicht. Mit einem wütenden Schrei lässt er seine Okirufutaba auf den Fürst des Westens niedergehen. Doch mit stählerner Kraft hält Sesshomaru dagegen. „Das reicht nicht!“, grollt er geringschätzig. Wieder schlägt Tenmaru auf ihn ein und wieder fegt der Daiyoukai die Klingen beiseite. „Das auch nicht!“, fügt er eisig hinzu. Wütend sausen Tenmarus Klingen erneut hernieder, doch wieder fängt Sesshomaru den Schlag geschickt ab. „Und das schon gar nicht!“ Ein heftiger Rundumschlag schleudert den Streuner zurück. Nun geht Sesshomaru zum Angriff über. Doch diesmal gelingt es ihm nicht, den jugendlichen Streuner zurückzudrängen. Tenmaru behauptet mit verbissener Miene seine Position. Immer schneller werden seine Bewegungen und der Daiyoukai findet einfach keine Lücke in seiner Verteidigung. Wieder stoßen sich die beiden voneinander ab und nun springen sie wie auf ein unsichtbares Zeichen in die Luft und lassen in schwindelnder Höhe ihre Klingen aufeinandertreffen. Doch diesmal siegt die Kraft über die Geschwindigkeit und ein wuchtiger Hieb Sesshomarus schleudert den Streuner aus der Bahn. Hart stürzt er zu Boden, doch er rollt sich geschickt ab und kommt rasch wieder auf die Beine. Sein Kampfwille ist ungebrochen und grimmig funkelt er den Daiyoukai an. Langsam sinkt Sesshomaru auf den Boden zurück. „Was soll dir das bringen?“, fragt er verächtlich, „Du wirst mich nicht besiegen! Du bist nur ein Streuner, du stehst unendlich weit unter mir! Dein Tod ist beschlossen! Wofür kämpfst du also noch?“ Tenmaru erwidert seinen Blick, doch er schweigt verbissen. Sesshomarus Blick ist kalt. „Für die Ehre? Oder vielleicht für ihn?“, sein Kopf ruckt einmal kurz in Inu Yashas Richtung, „Du stehst nicht mehr in seinem Dienst! Du schuldest ihm nichts!“ „Das mag stimmen!“, funkelt Tenmaru grimmig, „Aber ich tue es trotzdem! Nicht weil ich es muss, sondern weil ich es will!“ Verächtlich schnauft Sesshomaru auf. „Das ist so unglaublich lächerlich! Was kann er dir schon bedeuten? Du bist von deinem Schwur befreit, also warum hältst du immer noch zu ihm?“ Mit steinerner Miene schaut Tenmaru ihn an: „Aus dem gleichen Grund, weshalb Ihr mich so hasst!“ Nun fliegen Sesshomarus Augen zornig auf und er fletscht die Zähne. „Du maßt dir an, meine Gründe zu kennen? Du wirst keine Zeit mehr haben diese Überheblichkeit zu bereuen! Ich werde dich und deinesgleichen töten, wie ich es Yarinuyuki zugesagt habe!“ Entschlossen ballen sich Tenmarus Hände um seine Schwertgriffe. „Dann werde ich mich weiter wehren!“ Kein weiteres Wort fällt. Im selben Moment stoßen sich die beiden ab und nur Sekundenbruchteile später prallen ihre Waffen aufeinander. Ein hitziger Kampf entbrennt, bei dem keiner dem anderen etwas schenkt. Aus der Entfernung beobachtet Inu Yasha noch immer das Spektakel. Von hier bekommt man den Eindruck, als wären die beiden gleichstark. Er versteht zwar nur ein paar Wortfetzen von dem was die beiden reden, doch es ist deutlich zu erkennen, dass sein Bruder bei jedem Wort des Streuners wütender wird. Erstaunlich, dass Tenmaru sich schon so lange gegen ihn behaupten kann. Nun ja, vermutlich liegt es daran, dass seine Mutter ebenfalls eine Daiyoukai war. Er kann deutlich spüren wie es ihn in den Fingern juckt, in den Kampf einzugreifen, doch irgendwie spürt er instinktiv, dass dies hier etwas ist, was diese beiden selbst klären müssen. Er seufzt. Hoffentlich kriegen die ihre Differenzen nun endlich auf die Reihe. Manchmal ist da ein kleiner Kampf ganz hilfreich. In Gedanken geht er an seinen eigenen Kampf mit seinem Bruder zurück. Es überrascht ihn selbst, doch er schien diesmal zumindest für einen kurzen Moment Zugang zu seinem Bruder gefunden zu haben. Für einen kurzen Moment, schienen die beiden sich zu verstehen. Ein Jammer, dass Tenmaru dazwischen geraten ist! Aufmerksam verfolgt Inu Yasha den Schlagabtausch der beiden. Seltsam, sie scheinen sich wirklich ebenbürtig zu sein. Womöglich mag es auch daran liegen, dass Sesshomaru schon bei dem Kampf gegen ihn viel Energie verbraucht hat. Inu Yashas Stirn legt sich erneut in Falten als er an ihr Gespräch zurückdenkt. Noch nie zuvor hat er seinen Bruder je so erschöpft erlebt. Doch davon ist im Augenblick nichts zu merken. Der stolze Daiyoukai kontert Tenmarus Schläge mit aller Kraft und seine mächtigen Attacken treffen den Streuner so heftig, dass er gelegentlich ins Wanken gerät. Inu Yashas Augen werden schmal. Nein, er täuscht sich nicht. Tenmarus Aura ist stärker geworden und auch seine Aggressivität hat zugenommen, aber der jugendliche Streuner scheint trotzdem noch nicht mit voller Kraft zu kämpfen. Es scheint, als würde er immer nur so viel Kraft aufwenden, wie nötig ist, um Sesshomarus Angriff zu parieren. Er verzieht das Gesicht. Ah, verstehe! Deshalb wird Sesshomaru also mit jedem Schlag wütender. Würde mir sicher auch nicht schmecken, wenn ich das Gefühl hätte, dass sich mein Gegner meinetwegen zurückhält. Ich hoffe nur, dass Tenmaru weiß was er tut. Es ist bestimmt nicht ratsam, Sesshomaru in dieser Verfassung noch zusätzlich zu verärgern! Wieder sprinten die beiden Kämpfer in atemberaubender Geschwindigkeit aufeinander zu. Die Druckwelle, als die Klingen aufeinandertreffen, reißt einen mächtigen Krater in den Boden. Mit gefletschten Zähnen funkeln sich die beiden Youkais an. „Hast du noch immer nicht genug?“, zischt Sesshomaru tödlich. „Nicht bevor Ihr genug hattet!“, kommt es grimmig von Tenmaru zurück. Sesshomarus Augen fliegen zornig auf. „Vorlauter Bengel!“, schreit er und für den nächsten Schlag konzentriert er seine gesamte Kraft in seiner Waffe. Begleitet von einem wütenden Schrei fährt die gleißende Klinge auf Tenmaru nieder. Wieder versucht der Streuner dagegen zu halten, doch diesmal ist die Attacke des Daiyoukai zu stark. Mit enormer Wucht schlägt Sesshomaru die Schwerter des Streuners beiseite und gnadenlos schlitzt Tokijins Klinge über Tenmarus Brust. Mit einem kurzen Ächzen presst Tenmaru eine Hand auf die stark blutende Wunde. Doch noch immer steht er auf den Beinen. Er atmet heftig ein und aus und dann plötzlich leuchten seine Augen gefährlich violett auf. Ein tiefes Grollen dringt aus seiner Kehle und steigert sich zu einem verzweifelten Wutschrei. Mit einer blitzschnellen Bewegung steht er nun vor Sesshomaru und noch ehe der Daiyoukai reagieren kann, drischt der wütende Streuner mit all seiner Kraft auf die untere Hälfte von Tokijins Klinge ein. Mit vor Verblüffung geweiteten Augen starrt Sesshomaru auf sein Schwert, dass nun direkt neben ihm im Gras liegt. Noch immer vibriert seine Hand schmerzhaft von der unglaublichen Wucht der entwaffnenden Attacke. Schwer atmend steht Tenmaru vor ihm und seine purpurfarbenen Augen haben einen unerschütterlichen Glanz bekommen. Mit fassungsloser Miene starrt Sesshomaru ihn an doch dann plötzlich verzieht sich sein Gesicht zu einer wutverzerrten Grimasse und seine Augen leuchten gefährlich rot. „Oh nein, so nicht!“, grollt er und dann von einem Moment auf den anderen springt er auf Tenmaru zu, die gespreizten Klauen bedrohlich nach ihm ausgestreckt. Noch ehe der Streuner weiß wie ihm geschieht, ragt der zornige Fürst des Westens direkt vor ihm auf und bevor er es verhindern kann, rammt Sesshomaru ihm heftig seine Hand ins Gesicht und seine scharfen Klauen pressen seine Stirn schmerzhaft zusammen. „Dokkaso!“, sagt Sesshomaru mit eiskalter Berechnung und im selben Moment hüllt der grüne Nebel um seine Hand das Gesicht des Streuners ein und die ätzenden Schwaden entfalten ihre grausame Wirkung. Ein gepresster Schmerzensschrei entfährt Tenmaru und mit verzweifelter Kraftanstrengung reißt er sich aus dem stählernen Griff des Westfürsten los. Kraftlos fallen seine Waffen zu Boden und schmerzgepeinigt kniet er auf der Erde. Mit bebenden Hände bedeckt er sein gemartertes Gesicht. Verzweifelt beißt er die Zähne aufeinander während er sich blind vor Gift und Schmerz auf dem Boden zusammenkrümmt. Er zittert am ganzen Körper doch kein Ton kommt mehr über seine Lippen. Noch immer steigen scheußlich riechende Dämpfe von seinem Gesicht auf und die kläglichen Überreste seines Stirnbandes fallen achtlos zu Boden. Zerzaust und in Mitleidenschaft gezogen, fallen seine langen Ponyfransen nun ungehindert über sein Gesicht. Doch bis auf das dumpfe Pochen einer Klaue die immer wieder heftig auf den Boden schlägt, um damit dem Schmerz Ausdruck zu verleihen, ist kein Geräusch auf der Ebene zu hören. Hoch aufgerichtet steht Sesshomaru neben ihm. Vernehmlich lässt er die Knöchel seiner Hand knacken. Tiefe Verachtung steht in seinem Gesicht geschrieben. „Wie siehe es jetzt aus?“, fragt er ruhig, „Hast du jetzt genug?“ Mit zusammengebissenen Kiefern hebt Tenmaru den Kopf. Zwischen seinen zittrigen Fingern spähen zwei purpurne Augen hervor. „Habt Ihr es denn?“ Sesshomarus Blick gefriert. Noch einmal lässt er seine Knöchel knacken. „Jetzt ist Schluss mit den Unverschämtheiten!“, und dann holt er zum Schlag aus, um dem Streuner vor ihm den Rest zu geben. Doch genau in diesem Moment schiebt sich eine rotgekleidete Gestalt zwischen ihn und den Streuner und mit wütendem Knirschen treffen seine Klauen auf der breiten Klinge Tessaigas auf. „Man schlägt niemanden, der am Boden liegt!“, funkelt Inu Yasha energisch, „Selbst du nicht!“ Wütend fliegen Sesshomarus Augen auf. „Misch dich nicht ein!“, faucht er. „Und was wenn doch?“, trotz Inu Yasha ihm herausfordernd, „Falls du dich erinnerst, unser Kampf war noch nicht vorbei!“ Nun richtet sich Sesshomaru hoch auf und man kann direkt sehen, wie er um seine Beherrschung ringt. „Wenn ich mich korrekt erinnere, warst du mir bereits ausgeliefert!“, sagt er bedrohlich. „Und trotzdem hast du davon abgesehen, mich zu töten!“, hält Inu Yasha dagegen, „Ich frage mich woran das wohl liegt!“ Sesshomaru fletscht die Zähne. „Gib es zu!“, ruft Inu Yasha ärgerlich, „Ich hatte Recht mit dem was ich sagte und du weißt das ganz genau!“ Noch einmal atmet Sesshomaru vernehmlich durch. „Zum letzten Mal! Geh sofort aus dem Weg!“ „Und wenn nicht? Tötest du mich dann? Wolltest du das nicht sowieso? Weißt du überhaupt noch was du willst?“ Energisch fasst Inu Yasha sein Schwert fester. Drohend kommt Sesshomaru einen Schritt auf ihn zu. „Der Streuner muss sterben! Und da du für diese Bande gebürgt hast, kann ich auch dich nicht mehr am Leben lassen! Niemand hat ihnen gesagt, dass sie sich mit den Nordyoukais anlegen sollten. Nun müssen sie die Konsequenzen ihres Handelns tragen.“ Inu Yashas Stirn legt sich in Falten. „Da wir gerade davon sprechen, da gibt es noch etwas was ich vergessen habe zu sagen!“ „Behalte es für dich!“, schnaubt Sesshomaru wütend, „Ich bin nicht interessiert an deinen Ausflüchten! Und nun geh aus dem Weg, damit ich diesen Wurm ins Jenseits befördern kann!“ „Nur über meine Leiche!“, grollt Inu Yasha. Sesshomarus Blick sinkt unter den Gefrierpunkt: „Das lässt sich einrichten!“ Doch genau in diesem Moment hält der aufgebrachte Daiyoukai inne und sein Blick geht hinüber zum Saum der Bäume. Auch Inu Yasha blickt nun in die Richtung; auch er spürt es. Da kommt jemand! „Inu Yasha!“ Selbst aus der Entfernung ist die Stimme unverkennbar. Der Hanyou reißt die Augen auf. „Kagome?“ Schon tauchen zwischen den Bäumen drei Gestalten auf mit jeweils einer etwas eigenwilligen Bürde. Nun haben sie die beiden Brüder erreicht und kommen zum Stehen. „Was zum Teufel tust du hier?“, ruft Inu Yasha aufgebracht. Rasch gleitet das Mädchen von Yaebas Rücken und läuft auf ihn zu. Inu Yasha entgeht nicht der finstere Blick den Sesshomaru den Neuankömmlingen nun zuwirft. „Du solltest dich doch in Sicherheit bringen!“, schimpft er, „Du störst hier nur!“ „Inu Yasha!“, ruft sie besorgt, „Tut mir ja leid, aber diesmal ist es wirklich wichtig!“ „Sehr zuvorkommend, dass ihr mir die Mühe erspart, euch einzeln suchen zu müssen!“, lässt sich jetzt Sesshomaru vernehmen. Er wirft einen unheilverkündenden Blick in die Runde. Doch diesmal lässt sich Kagome nicht einschüchtern. „Sesshomaru!“, ruft sie und blickt den Daiyoukai nun direkt an, „Du musst uns anhören! Man hat dich reingelegt! Man hat uns alle reingelegt!“ Erstaunlicherweise zeichnet sich nun tatsächlich so etwas wie Interesse im Gesicht des Fürsten ab. Fast muss Inu Yasha unwillkürlich schmunzeln, 'Reingelegt' ist ein Wort mit dem sein Bruder nur sehr schwer klarkommt. „Erklär mir das!“, befiehlt der Daiyoukai nun unwirsch. „Jemand hat die Streuner gegen die Nordyoukais aufgewiegelt!“, erklärt Kagome bestimmt, „Und offenbar hat dieser Jemand auch Inu Yasha einen falschen Rat gegeben, wie er sich beim Ungehorsam der Streuner verhalten sollte.“ „Und wer sollte so etwas tun, deiner Meinung nach?“, Worte könnten kaum gefährlicher klingen. Doch Kagome hält seinem vernichtenden Blick stand: „Wir wissen es nicht mit Sicherheit, aber höchstwahrscheinlich derjenige, der auch dich über den Sachverhalt informiert hat, zumindest den Sachverhalt, von dem du dachtest, dass er wahr wäre!“ Für einen kurzen Moment hält Sesshomaru inne, dann wird sein Blick wieder finster. „Kossoridoku!“, quetscht er zwischen seinen Zähnen hervor und seine Augen beginnen erneut in einem wütenden Rot zu leuchten. Kagome nickt eifrig. „Ja, es scheint als würde er ein falsches Spiel mit uns spielen!“ „Es kommt noch mehr!“, meldet sich nun Sango zu Wort. Auch Miroku tritt nun vor: „Wir glauben, dass Kossoridoku für Arashitsume arbeitet.“ Augenblicklich ruckt Sesshomarus Kopf zu ihnen herum. „Was?“, ruft er fassungslos aus. „Wir wissen es nicht genau“, meint Kagome, „Aber wir werden es bestimmt herausbekommen, wenn wir ihn fragen!“ Unwillkürlich fährt Sesshomaru etwas zusammen. Für einen kurzen Moment erstarrt sein Blick und dann ballt er die Faust. „Oh, verdammt!“, stößt er urplötzlich hervor und ohne ein weiteres Wort zu verschwenden, dreht er sich um und dann sprintet er in atemberaubendem Tempo davon; im Vorbeirennen hebt er noch rasch sein Schwert vom Boden auf und dann ist er auch schon ihren Blicken entschwunden. „Warte, Sesshomaru!“, ruft Kagome ihm aufgeregt hinterher, „Das war doch noch nicht alles!“ „Meine Güte! Der hat das ja eilig!“, meint Sango verwundert, „Was kann er nur vorhaben?“ „Vielleicht ist er auf der Suche nach Kossoridoku bevor er sich absetzen kann.“ „Oder bevor ihn jemand anderes findet!“, meldet sich nun Inu Yasha zu Wort und mit sicherem Griff verstaut er Tessaiga wieder in seiner Schwertscheide. „Da könnte was dran sein!“, gibt Miroku zu, „Kossoridoku ist im Moment der einzige Beweis für Arashitsumes Verrat. Wenn ihn jemand vor Sesshomaru findet und tötet, verliert Sesshomaru seinen einzigen Zeugen.“ „Was... meinst du damit!“, eine schwache Stimme dringt nun an ihr Ohr. Sogleich drehen sich die Umstehenden ihrem Verursacher zu. In einigen Metern Entfernung steht Tenmaru. Er steht auf wackligen Beinen, doch er steht. „Was für eine Rolle spielt Arashitsume dabei?“, wiederholt er. Das glimmen seiner purpurnen Augen im Mondlicht ist alles was man von seinem Gesicht sieht. „Anscheinend hat Arashitsume vor, Sesshomaru zu töten!“, meldet sich jetzt Yaeba an ihrer statt zu Wort. Tenmaru hebt den Kopf. Dann nickt er schwach. „Ich habe es bereits geahnt!“, sagt er leise, „Doch er wird keinen Erfolg haben. Sesshomaru-sama ist einfach zu stark!“ „Nicht wenn es stimmt was wir vermuten und Arashitsume sich die Hilfe einer Schwarzen Miko gesichert hat“, ruft Kagome energisch. Nun fliegt Tenmarus Gesicht zu ihr. „Was...?“, haucht er fast tonlos. „Es stimmt!“, bestätigt Sango, „Wir haben sie selbst gesehen! Wir haben am eigenen Leib gespürt, wozu sie in der Lage ist!“ „Sie bannte uns mit einem Lähmungszauber, dem wahrscheinlich selbst ein Daiyoukai nicht gewachsen wäre“, fügt Miroku hinzu, „Sie ist unglaublich stark! Und skrupellos, wenn man bedenkt, dass sie in Arashitsumes Auftrag handelt. Sie sagte, Arashitsumes Handlanger würde ihre Beute schon in ihre Nähe locken. Wir denken, dass sie mit dem Handlanger Kossoridoku meint und dass ihr Ziel Sesshomaru ist. Und wahrscheinlich läuft ihr Sesshomaru gerade direkt in die Falle!“ Für einen Moment herrscht Schweigen über der Lichtung, dann geht Kagomes Blick wieder zu Tenmaru hinüber. Erstaunt weiten sich ihre Augen. Der jugendliche Streuner ist an Ort und Stelle erstarrt, doch nun bemächtigt sich ein unkontrolliertes Zittern seines Körpers. „Wa... was?“, stammelt er, „Was, sagtest du, hat sie mit euch gemacht?“ „Sie lähmte uns!“, wiederholt Miroku, „Ihr Bann war so stark, wir konnten nichts tun! Wir waren nicht in der Lage auch nur einen Finger zu rühren.“ „Wir konnten nur hilflos mitansehen, wie sie meiner Freundin das Blut aussaugte!“, auch Sangos Stimme zittert leicht bei diesen Worten, „Sie meinte, selbst Daiyoukais, könnten sich ihrer Fessel nicht... erwehren!“, die Dämonenjägerin stutzt. Rasch sucht sie Kagomes Blick und an dem fassungslosen Ausdruck in ihrem Gesicht, erkennt sie, dass ihre Freundin zu der gleichen Schlussfolgerung gelangt ist. „Nein, das darf einfach nicht sein!“, haucht Kagome entsetzt. Sofort fliegt ihr Blick wieder hinüber zu Tenmaru. Der Streuner steht da wie vom Donner gerührt, nur seine Hände zittern unkontrolliert. Mehrmals schnappt er vergeblich nach Luft. Dann flüstert er: „Ich muss ihm nach!“ „Nein, Tenmaru!“, ruft nun Inu Yasha energisch, „Das wäre Selbstmord! Wenn du ihm noch mal unter die Augen trittst, bringt er dich garantiert um!“ „Das spielt keine Rolle!“, sagt Tenmaru tonlos, „Ich muss ihm nach!“ Doch Kagome schüttelt den Kopf: „Inu Yasha hat recht! Es wäre glatter Selbstmord! Du bist verletzt! Du könntest sicher nicht gegen ihn bestehen!“ „Unwichtig!“, sagt Tenmaru hohl und damit wendet er sich zum Gehen. Doch damit gibt sich Kagome nicht zufrieden. Mit zwei Schritten ist sie bei ihm und packt seinen Arm. „Bleib hier! Er wird dich töten! Wir werden ihn schon warnen, aber bring dich nicht schon wieder in Gefahr!“ Sie spürt wie heftig sein Atem nun geht und das Zittern in seinem Körper wird stärker. „Lass... mich los!“, flüstert er. Doch Kagome schüttelt den Kopf. „Nicht bevor du zur Vernunft gekommen bist!“, meint sie entschieden, „Ich kann ja verstehen, dass du dir Sorgen um ihn machst, aber so wütend wie er gerade ist und so verletzt wie du gerade bist, bist du ihm keine Hilfe! Du würdest gar nichts erreichen, höchstens, dass er noch wütender auf dich wird. Wir werden ihm folgen und ihn warnen, aber du solltest besser hier bleiben und warten bis sich die Lage beruhigt hat! Ich begreife einfach nicht, warum du das nicht einsehen willst!“ In diesem Moment dringt ein tiefes Grollen aus Tenmarus Brust, sein ganzer Körper bebt nun und dann quält sich ein verzweifelter Schrei aus seiner Kehle. Erschrocken zuckt Kagome zusammen, doch schon einen Wimpernschlag später hat sich der Streuner ihr zugewandt, packt ihre Schultern mit seinen kräftigen Klauen und starrt sie mit stechendem Blick durchdringend an. „Sieh mich an!“, fordert er drohend. Kagome bekommt eine Gänsehaut. „Kagome!“, ruft Inu Yasha aufgeregt und schon packt er seinen Schwertgriff und will er seiner Freundin zu Hilfe eilen. „Bleibt wo Ihr seid, Inu Yasha-sama!“, ruft Tenmaru entschieden; den Blick unverwandt auf Kagome gerichtet. Das Mädchen erwidert seinen Blick mit banger Miene. „Sieh mich an!“, wiederholt Tenmaru drängend. „Tenmaru, ich...“, stammelt Kagome verwirrt. „Sieh mich an!“, rau fliegt der verzweifelte Schrei über die Ebene. Ratlos blickt Kagome in das Gesicht des Streuners. Nun erkennt sie die schrecklichen Male der Giftattacke Sesshomarus. Sie ziehen sich wie der Abdruck einer Hand über sein ganzes Gesicht. Eine unendliche Verzweiflung liegt in den glimmenden, purpurnen Augen und seine grauen Ponyfransen hängen wirr und vom Schweiß getränkt über seine geschundene Stirn. Und plötzlich weicht Kagome sämtliche Farbe aus dem Gesicht und ihre Kinnlade sinkt vor grenzenloser Verblüffung herab. Ihre Augen weiten sich fassungslos und sie muss heftig schlucken. „Oh, mein Gott!“, haucht sie, „Ich sehe es!“ Gequält lässt Tenmaru den Kopf hängen. Er atmet schwer. Unwillkürlich entfährt ihm ein kurzer Schluchzer und dann lässt er sie los. Mit unendlicher Traurigkeit in der Miene weicht Kagome ein Stück zurück. „Oh, Tenmaru, warum nur hast du uns das nicht erzählt?“ Mit schmerzverzerrtem Gesicht blickt er sie an: „Weil jeder eine Wahl haben sollte!“ Sie schluckt schwer. Tiefe Verzweiflung liegt nun in Tenmarus Blick. „Ich muss gehen!“, wiederholt er leise und diesmal, nach einem langen Zögern, nickt Kagome. Nun atmet der Streuner einmal tief durch: „Kagome, danke für alles!“ Dann dreht er sich mit einer eleganten Bewegung um und läuft los; hinein in die schwarze Nacht, dem Fürst des Westens folgend. Mit sehr gemischten Gesichtsausdrücken blicken die Verbliebenen ihm hinterher. Inu Yasha findet als erstes seine Sprache wieder. „Was sollte das?“, fragt er leicht verärgert, „Warum hast du ihn jetzt gehen lassen? Sesshomaru macht Kleinholz aus ihm.“ Doch Kagome blickt nur bestürzt vor sich zu Boden. „Ja, das kann sein!“, sagt sie leise. Inu Yasha verdreht die Augen: „Meine Güte, würde mich vielleicht auch mal einer aufklären? Habe ich irgendwas verpasst? Warum lässt du ihn jetzt so einfach gehen?“ Doch Kagome schweigt. „Er wäre sowieso gegangen!“, hört man jetzt Yaebas Worte. Nun wendet sich Inu Yasha den verbliebenen Streunern zu. Die drei machen nun ziemlich betrübte Gesichter. Yaeba blickt auf: „Ich glaube, nicht einmal ich hätte ihn aufhalten können.“ Inu Yasha schnaubt verächtlich: „Man, der nimmt seinen Schwur aber wirklich ernst!“ Yaebas Miene ist erstarrt. Sein Gesicht ist bleich und er rührt keinen Muskel. „Ja!“, meint er leise, „Es scheint so!“ „Tenmaru sah irgendwie so erschrocken aus“, meint nun Miroku nachdenklich, „Ich glaube nicht, dass es nur die Sorge um Sesshomarus Sicherheit war.“ „Das denke ich auch nicht!“, sagt Sango ernst und dann blickt sie die Streuner an, „Ich glaube, ihm ist etwas eingefallen, dass die Abgründe von Arashitsumes Verrat nur noch umso bodenloser macht.“ Ein wenig irritiert schauen die Streuner sie an. „Was willst du damit sagen?“, kommt Samushis patzige Frage. Doch es ist Kagome die antwortet: „Dass es womöglich nicht nur einen Daiyoukai gab, den Arashitsume loswerden wollte!“ Wie vom Donner gerührt, reißen die Streuner nun die Augen auf. Für einen langen Moment kann man direkt sehen, wie es hinter ihren Stirnen arbeitet. Und dann ganz allmählich schleicht sich die grausige Erkenntnis auf ihre Gesichter. Samushis Miene verzieht sich nun zu einer wutentbrannten Grimasse. „Kossoridoku!“, brüllt er tödlich, „Ich schwöre dir, das büßt du mir!“ Unheimliche Kälte liegt nun in seinen hellblauglühenden Augen und er hat die Hand so heftig zur Faust geballt, dass das Blut über seine Finger rinnt. „Den Kerl kauf ich mir! Wie konnte er es wagen?“, brüllt nun auch Kegawa wütend. Beunruhigt beobachten Inu Yasha und die anderen wie sich der Ärger der Streuner immer mehr steigert. Die beiden Nordyoukais ergehen sich in wüste Beschimpfungen und Flüche auf ihren Kameraden und nur Yaeba steht schweigend da mit gesenktem Kopf. Doch man kann nun deutlich sehen, wie heftig er ein und ausatmet. Ein grimmiges Knurren schwingt in seiner Brust und dann hebt er den Kopf. Unwillkürlich weicht Kagome ein Stück zurück. „Nie zuvor hat sie den Anführer der Streuner so wütend gesehen. Sein Gesicht ist eine Grimasse des Hasses und sein Auge leuchtet in einem tödlichen Violett. Scharfe Reißzähne haben sich unter seinen Lippen hervorgeschoben und er bleckt die Zähne. Die Klauen an seinen Händen treten nun deutlich hervor und ohne ein weiteres Wort zu sagen, wendet er sich nun um und setzt sich in Bewegung; direkt in die Richtung in der Tenmaru und Sesshomaru verschwunden sind. Augenblicklich folgen die beiden Nordyoukais ihm. „Und wieder sagt mir niemand was hier gespielt wird!“, brummt Inu Yasha verstimmt. „Meine Güte, Inu Yasha!“, stößt Sango hervor, „Stell dich doch nicht immer so begriffsstutzig an! Ist das nicht offensichtlich? So wie es aussieht, soll die Schwarze Miko nicht nur Sesshomaru töten, sondern ist vermutlich auch für den Tod von Tenmarus Mutter verantwortlich, wenn nicht sogar auch für den des Nordfürsten!“ „Was?“, Inu Yasha reißt die Augen auf, „Au, verdammt noch mal! Du meinst an dem ganzen Schlamassel sind vielleicht gar nicht die Streuner schuld, sondern diese Miko?“ „Und damit dann Arashitsume, denn offenbar arbeitet sie ja für ihn!“, nickt Sango ernst. Inu Yasha fletscht die Zähne: „Dieser dreckige Mistkerl! Und das erfahre ich erst jetzt?“ „Wir haben es doch auch gerade erst herausgefunden!“, schimpft Sango zurück. „Inu Yasha?“, meldet sich nun Kagome zu Wort. Der Hanyou dreht sich zu ihr um und stutzt. Die Sorge in ihrem Gesicht ist unverkennbar. „Bitte, können wir ihnen folgen? Wenn die Miko tatsächlich so stark ist, werden sie jede Hilfe brauchen, die sie kriegen können!“ Der Hanyou braucht nicht lange um sich zu entscheiden. „Los, steig auf! Ich habe nämlich mit diesem Kossoridoku auch noch ein Hühnchen zu rupfen! Ich hoffe die Streuner lassen mir noch ein bisschen von ihm über!“ Rasch nimmt er sie auf seinen Rücken. „Tut mir leid, Sango, Miroku!“, meint er mit einem bedauernden Blick, „Ich fürchte ihr müsst selbst hinterher kommen!“ „Das werden wir!“, meint Sango bestimmt, „Lauft los! Wir holen euch schon ein!“ Und dann setzt sich der Hanyou mit Kagome auf dem Rücken in Bewegung und folgt den anderen auf der Suche nach Kossoridoku. Mit lautem Klirren prallen die Klingen der beiden Westyoukais aufeinander. Der verbissene Kampf dauert nun schon einige Minuten an. Die Umgebung wurde bereits gehörig in Mitleidenschaft gezogen, doch bisher konnte noch keiner der Kämpfer dem anderen eine Wunde zufügen. Wieder prallen die beiden Schwerter aufeinander. „Wie es scheint, hast du noch nichts verlernt!“, funkelt Dokutoge seinen Sohn an. Dieser wirft ihm über die Klingen hinweg einen verächtlichen Blick zu. „Wenn man sich permanent auf der Fluch befindet, hat man keine Gelegenheit dazu!“ Energisch stößt Dokutoge ihn von sich. „Du warst ein so ausgezeichneter Kämpfer! Dein Verrat war eine solche Verschwendung!“ Herablassend blickt Kossoridoku ihn an: „Ich bin noch immer ein ausgezeichneter Kämpfer! Nur diene ich nicht länger dieser Schande für unsere Rasse!“ Grimmig starrt Dokutoge ihn an. „Sprich nicht in diesem Ton über sie!“ Kossoridoku schnaubt verächtlich. „Ich spreche über sie, wie ich will! Das wirst du nicht verhindern können!“ Tödlich blickt Dokutoge ihn an: „Das werden wir sehen!“ Wieder stürzt er sich auf den Streuner und ein neuer Hagel an Schlägen geht auf ihn nieder. Doch geschickt pariert Kossoridoku diese Hiebe. „Da gibt es nichts, was du tun kannst!“, meint er amüsiert, „Hast du noch immer nicht eingesehen, dass ich dich längst übertroffen habe? Schon damals war ich dir überlegen und seit dem bin ich nicht müßig gewesen.“ Grimmig knurrt Dokutoge ihn an und wieder schlägt er mit voller Kraft auf seinen Sohn ein. Doch Kossoridoku weicht dem Schlag geschickt aus und mit einer geschmeidigen Bewegung steht er nun hinter ihm. Es ist ein blitzschneller Stoß und dann bohrt sich die schmale Klinge seines Schwertes durch den Oberkörper des kräftigen Westkriegers. Dokutoge erstarrt in der Bewegung. Fassungsloses Erstaunen legt sich auf sein Gesicht. Verblüfft blickt er auf die Schwertspitze, die aus seiner Brust ragt. Ein Schwall Blut läuft nun über seine Brustpanzerung und er keucht vernehmlich. Fast schon gelangweilt zieht Kossoridoku die Klinge wieder aus dem Körper seines Vaters. Der Westyoukai taumelt einen Schritt vorwärts. Sorgfältig wischt der Streuner seine Klinge an seinem Gewand ab. „Glaub mir, ich hätte das gerne vermieden“, meint er beiläufig, „Aber wahrscheinlich ist es besser, wenn ich dich töte, als wenn du dir Zeit deines Lebens die Frage stellst, warum dein Sohn nicht so geraten ist, wie du ihn dir immer gewünscht hast. Ich werde dir die Schande ersparen, in dem Wissen weiterzuleben, dass ich den mächtigsten Daiyoukai, seit Ewigkeiten, mit purer Absicht und Berechnung verraten habe!“ Zunächst starrt der blutende Krieger seinen Sohn nur fassungslos an, doch dann verzerrt sich seine Miene, er hebt sein Schwert und mit einem Wutschrei stürzt er sich auf ihn. Kossoridokus Reflexe lassen ihn den Schlag parieren, doch ein wenig überrascht blickt er trotzdem auf. „Ganz schön zäh bist du ja! Hätte nicht gedacht, dass du das so einfach wegsteckst!“ Wütend funkelt Dokutoge ihn an: „Soweit sind wir noch lange nicht! Ich werde dich für deinen Verrat und deine Überheblichkeit büßen lassen!“ Wieder schlägt er auf ihn ein und diesmal fällt es dem Streuner schon schwerer, den Attacken seines Vaters zu entgehen. Das heftige Aufeinandertreffen der Klingen hallt laut durch den Wald. Erneut geht Dokutoges Klinge auf Kossoridoku hernieder. Mit aller Kraft fängt der Streuner den Schlag ab und hält dagegen. „Du solltest besser wissen, wann man aufhört“, sagt er ernst, „Du kannst doch kaum noch aufrecht stehen.“ „Ich werde auch noch bis zum letzten Atemzug kämpfen, wenn das nötig sein sollte, um dich zu erledigen!“, grollt Dokutoge tödlich zurück. Wieder prallen die Klingen aufeinender. „Warum diese Aufopferung?“, fragt Kossoridoku verächtlich, „Warum bist du bereit, dein Leben für die nicht länger existente Ehre eines abgehalfterten Fürstensohnes zu opfern?“ Dokutoge knurrt ärgerlich. „Du sollst ihn nicht so nennen!“ Nun glimmen Kossoridokus Augen gefährlich auf und in seiner Stimme liegt blanker Hass als er sagt: „Dann sag mir, wie ich einen Fürstensohn, der einer ausgestoßenen Streunerin schöne Augen macht, sonst nennen soll?“ Dokutoge hält mitten in der Bewegung inne. Fassungslos starrt er seinen Sohn an. „Du lügst! Sesshomaru würde so etwas niemals tun! Nicht nach dem, was sein Vater getan hat!“ Nun verzieht sich Kossoridokus Gesicht zu einem gehässigen Grinsen. „Oh, ich versichere dir, er würde und er hat!“ Dokutoges Gesicht wird bleich und er atmet schwer. „Das ist nicht wahr!“ „Glaub was du willst!“, meint Kossoridoku ernst. Mit einem Wutschrei stürzt sich Dokutoge auf ihn und in diesem verzweifelten Schlag liegt all seine Kraft. Doch es bedarf für Kossoridoku nur eine kleine Kraftanstrengung um den Hieb soweit abzulenken, dass der verletzte Westkrieger ins Leere strauchelt. Ein gut gezielter Tritt bringt ihn aus dem Gleichgewicht und der Youkai fällt vornüber. Mit wackeligen Bewegungen versucht er verbissen, sich wieder hochzustemmen. Doch schon steht Kossoridoku über ihm und einmal mehr versenkt er seine Klinge im Rücken seines Vaters. Der Youkai beißt schmerzhaft die Zähne zusammen und stöhnt. Noch einmal und noch einmal stößt Kossoridoku zu und seine Miene zeigt dabei nicht das leiseste Bedauern. Eiskalt lässt er die Spitze seiner Klinge auf den zunehmend hilflosen Youkai niedergehen. Dann hält er inne und blickt abschätzend auf sein Opfer vor ihm. Mit zittrigen Bewegungen, bemüht sich Dokutoge, sich auf den Rücken zu drehen. Seine Kleidung ist blutverschmiert und auf seinem bleichen Gesicht stehen kalte Schweißtropfen. Das dunkle Gold seiner Augen ist nun einem blassen Gelb gewichen und mit ungläubiger und zugleich zutiefst betrübter Miene blickt er zu seinem Sohn hoch. Kossoridoku verdreht genervt die Augen; sein Schwert ruht auf seiner Schulter gelehnt. „Würdest du bitte den Anstand haben und endlich sterben? Ich habe heute noch was anderes zu tun!“ „Du ehrlose Kreatur!“, keucht Dokutoge, „Ich werde dir nie verzeihen, dass du... deinen Treueschwur gebrochen hast!“ Geringschätzig legt Kossoridoku den Kopf auf die Seite: „Das hatten wir heute schon ein paar Mal. Willst du dir nicht vielleicht ein paar stilvollere Letzte Worte überlegen?“ Nun streckt er sein Schwert aus und lässt es berechnend direkt über dem Hals seines Vaters schweben: „Was ist nun?“ Dokutoges Gesicht ist leichenblass und eine tiefe Traurigkeit liegt nun in seinen beinah farblosen Augen. Als er spricht ist seine Stimme gerade noch ein Flüstern: „Ich bin zwar über alle Maßen enttäuscht von dir, aber ich habe niemals aufgehört, dich zu lieben, mein Sohn!“ Kossorodoku verdreht die Augen: „Oh bitte! Erspar mir das bloß!“ Mit diesen Worten hebt er sein Schwert. Kalte Berechnung liegt in seinem Blick. Doch unmittelbar bevor er dem Leben seines Vaters ein Ende bereiten kann, hält er inne und seine Augen fliegen auf. Ruckartig fährt er herum und in genau diesem Moment sieht er ihn bereits. Mit unglaublicher Geschwindigkeit kommt eine weißhaarige Gestalt auf ihn zu. Ein gefährlich rotes Leuchten liegt in ihren Augen und mit einem einzigen Hieb seiner Hand schleudert Sesshomaru den Streuner einmal quer über die Fläche mit den entwurzelten Bäumen. Mit einem Keuchen will Kossoridoku wieder hochkommen, doch noch ehe er das vermag, ist der Fürst des Westens schon bei ihm, packt mit stählerner Klaue seinen Hals, presst sein Knie schmerzhaft auf seine Brust, dass ihm die Luft wegbleibt und funkelt ihn mit einem gnadenlosen Blick an. „So!“, zischt Sesshomaru mit tödlicher Entschlossenheit, „Jetzt unterhalten wir zwei uns einmal!“ Kapitel 41: Erlösung -------------------- Laufen! Schneller! Du hast keine Zeit zum Atmen! Es gibt nichts, was Tenmarus verzweifelten Sprint hindern kann. Keine Felsen, kein Unterholz, keine Bäche. Er läuft wie er noch nie in seinem Leben gelaufen ist. Ich darf nicht zu spät kommen! Ich darf es einfach nicht! Wer weiß, ob diese Miko nicht vielleicht schon in Position ist. Wie konnte mir das nur entgangen sein! Dabei war es doch von Anfang an so klar! Tenmaru schüttelt sich innerlich. Ich habe es nicht gemerkt! Niemand von uns hat es gemerkt! Dabei hätte es uns gleich stutzig machen müssen. Sie war viel zu stark! Sie kämpfte, um uns zu beschützen. Natürlich war sie stark! Es gab überhaupt keinen vernünftigen Grund dafür, warum sie plötzlich mitten im Kampf stolpern sollte. Inu Taihyouga hat seinen Vorteil sofort genutzt. Er hat sie getötet, wehrlos wie sie war! Wehrlos, verdammt! Ich hätte es merken müssen! Ich hätte merken müssen, dass da etwas nicht stimmte, als ich Inu Taihyouga angriff und er sich nicht wehrte, ja nicht mal rührte! Natürlich hätte er sich gewehrt! Er war doch noch viel zu sehr auf Kampf eingestellt, als dass er sich hätte überrumpeln lassen. Nicht mal seine Leute haben reagiert. Erst als er tot vor mir lag, kam wieder Bewegung in sie. Was war ich doch für ein Idiot! Ich hätte es merken müssen, aber ich habe sie nicht gerochen! Nicht bewusst jedenfalls. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, hätte es mir klar sein müssen! Kein Wunder, dass ich mich in Kagomes Nähe so schrecklich unwohl gefühlt habe. Sie riecht genau so! Auch sie riecht nach Miko! Diese feine, unterschwellige Nuance hat mich die ganze Zeit irritiert. Es besteht kein Zweifel daran, damals war eine Miko in der Nähe! Und diese Miko hat meine Mutter auf dem Gewissen! Ein Knurren entfährt ihm. Sie hat sie gebannt und Inu Taihyouga dann den Rest machen lassen. Dann lähmte sie ihn und wir haben die Drecksarbeit gemacht. Was für ein mieser Plan! Arashitsume! Du hast das alles von Anfang an geplant! Hat Kossoridoku schon damals für dich gearbeitet? Hat er dir alles erzählt, was wir getan haben? Wusstest du durch ihn von meiner Existenz? Wolltest du mich so verzweifelt, dass du bereit warst, deine eigene Schwester zu ermorden und einen Krieg zu riskieren? Du sagtest, du hättest mich gerettet. Du fragtest, wo ich wohl ohne dich wäre. Du bist es gewesen! Du hast mein Leben zerstört! Du hast meine Mutter umgebracht! Schwer muss Tenmaru schlucken. Der schmerzhafte Druck in seiner Brust wird langsam unerträglich. Seine Gliedmaßen fühlen sich taub und schwer an, aber er läuft weiter. Arashitsume, du bist Schuld daran, dass sie mich zu Ihm geschickt hat. Sie wusste schon immer, dass du mich wolltest, und dass es nur einen Weg gab, wie du mich nicht bekommen konntest. Ich dachte, das wäre der einzige Grund gewesen, aber jetzt weiß ich, dass sie etwas anderes im Sinn hatte. Sie wollte Vergebung! Vergebung für das, was sie damals tat. Tenmarus Herz droht in seiner Brust beinah zu zerspringen. Die vertraute Witterung ist direkt vor ihm. Er darf nicht zu spät kommen! Nicht hierbei! Er hat bereits seine Mutter verloren, er wird Ihn nicht auch noch verlieren! Koste es was es wolle! Es reicht einfach nicht! Er ist nicht schnell genug! Eine weitere Witterung dringt ihm schwach in die Nase und seine Augen fliegen panisch auf. Sie ist da! Sie ist hier irgendwo ganz in der Nähe! Er hat nicht mehr viel Zeit. Er muss sich beeilen! Nun spielt es auch keine Rolle mehr, wer ihn sieht. Kagome weiß es und die Erleichterung, sein Geheimnis mit jemanden teilen zu können, ist unbeschreiblich. Ja, nun hat er die Kraft, Ihm entgegenzutreten, nun wo es heraus ist! Ohne größere Aufmerksamkeit darauf zu verschwenden, beginnt Tenmarus Körper sich zu verformen und in die Länge zu ziehen und nur wenige Augenblicke später läuft an seiner Stelle ein gigantischer Hund mit langer, hellgrauer Mähne durch die Nacht; unaufhaltsam seinem Ziel entgegen. Grimmig presst Sesshomaru Kossoridoku auf den Boden. Der Streuner blickt erst ein wenig besorgt zu ihm hoch, doch dann verzieht er keine Miene mehr sondern erwidert den stechenden Blick des Daiyoukais nur mit unverhehltem Trotz. „Du hast mir erzählt, Inu Yasha hätte das Schloss zusammen mit deinen Kameraden verlassen“, sagt der Fürst des Westens leise. Ungerührt schaut Kossoridoku ihn an: „Das stimmt ja auch!“ Sesshomaru fletscht die Zähne. „Du sagtest, er wolle zu den Nordyoukais, weil einige von euch Rache nehmen wollten.“ „Auch das stimmt!“, erwidert Kossoridoku kalt. Ein grimmiges Knurren klingt in Sesshomarus Kehle und er kommt ganz dicht an das Gesicht des Streuners heran: „Du sagtest, er wollte sie bei ihrem Vorhaben unterstützen!“ Nun fletscht auch Kossoridoku die Zähne: „Ich sagte: Ich schätze! Dass meine Vermutung unkorrekt war, ist nicht meine Schuld!“ Sesshomarus Klauen schließen sich nun immer stärker um seinen Hals. „Halte mich nicht zum Narren, Kossoridoku!“, faucht er, „Du hast mir wissentlich falsche Informationen gegeben.“ Doch der Blick des Streuners zeigt keinerlei Reue. „Macht nicht mich dafür verantwortlich, wenn Ihr die falschen Schlüsse zieht!“ Sesshomarus Knie drückt hart auf seine Brust und Kossoridoku keucht auf. „Ich habe dir deine Dreistigkeiten schon viel zu lange durchgehen lassen!“, raunt Sesshomaru gefährlich. Doch nun zieht ein gehässiges Lächeln über Kossoridokus Gesicht: „Und was wollt Ihr nun deswegen tun? Hmm? Wollt Ihr mich töten? Nur zu! Was hindert Euch?“ Tödlich funkelt Sesshomaru ihn an und seine Zähne sind gefletscht, doch er rührt sich nicht. Verächtlich blickt Kossoridoku zu ihm hinauf: „Gebt es zu! Ihr werdet es nicht tun, sonst hättet Ihr es schon längst getan!“ Mit einem heftigen Druck presst Sesshomaru sein Knie auf das Brustbein des Streuners. Ein trockenes Knacken ertönt, als dabei einige Rippen brechen. Kossoridoku ächzt auf und er verzieht schmerzhaft das Gesicht. Nun legt sich eine angewiderte Miene auf Sesshomarus Gesicht. „Ich höre Arashitsumes Worte aus deinem Mund, Kossoridoku! Es ist also wirklich wahr, dass du zu seinem, kleinen Dienstboten verkommen bist.“ Mit wütendem Gesicht starrt der Streuner nun zu ihm hoch. „Selbst wenn es so wäre, und das bedeutet nicht, dass ich irgendetwas zugebe, dann wäre ich tausendmal lieber sein Dienstbote, als Euer Kampflehrer, Sesshomaru!“ Nun gefriert Sesshomarus Miene zu einer starren Maske. „Ist das so?“, fragt er ruhig, „Was siehst du in ihm?“ Boshaft funkelt Kossoridoku zu ihm hoch: „Einen Fürsten, der sich seine Würde bewahrt hat. Einen Fürsten, der seinem Erbe und seiner Familie keine Schande gemacht hat. Einen Fürsten, der weiß, was einen Daiyoukai ausmachen sollte und der es verdient, dass man ihm bedingungslose Loyalität schwört! Einen Fürsten, der die Taten seiner treusten Untertanen zu würdigen weiß und sie nicht dadurch belohnt, dass er sie dazu zwingt, an der Fürstenfamilie, der sie Treue geschworen haben, Verrat zu üben!“ Einen lange Moment blickt Sesshomaru ihn schweigend an. Dann sagt er leise: „Kossoridoku, du weißt überhaupt nicht wie Arashitsume ist! Du idealisiert ihn genau so, wie zuvor meinen Vater. Du wirst wieder enttäuscht werden!“ Doch der Streuner funkelt ihn nur vernichtend an und dann spuckt er dem Fürst des Westens hinauf ins Gesicht. Unmittelbar darauf, packt Sesshomarus Hand Kossoridokus Hals fester und dann schlägt er ihn einmal mit voller Wucht auf den Boden. Seine Augen glühen. Ein gurgelndes Lachen dringt aus Kossoridokus Kehle. „Tötet mich doch! Na los!“ Wieder lacht er leicht röchelnd durch den Luftmangel. Tiefer Hass liegt nun in Sesshomarus Gesicht. „Das hättest du wohl gern!“, grollt er, „Aber fürs Erste brauche ich dich noch! Du wirst mir jetzt ein paar Fragen beantworten! Also, wie lange arbeitest du schon für Arashitsume?“ In einiger Entfernung zwischen den Bäumen späht eine weißhaarige Gestalt hervor. Sie lächelt. Das wird einfacher werden, als gedacht! Beiläufig fährt Chihime sich durch ihre Haarsträhnen. Es scheint ein glücklicher Wink des Schicksals zu sein, dass Arashitsumes kleiner Helfer hier aufgetaucht ist. Solange er den Kopf hin hält und den Fürsten des Westens mit seinen Frechheiten beschäftigt, wird er sicher nicht merken, was sich hinter seinem Rücken anbahnt. Es wird ein Kinderspiel werden! Das wird recht praktisch sein, da diese Technik sie enorm viel Kraft kosten wird und sie nur einen Versuch unternehmen kann, ehe sie ihre Kräfte wieder aufladen muss. Aber wozu sich Sorgen machen. Der Daiyoukai sitzt ihr hier praktisch auf dem Präsentierteller und er ahnt noch nicht mal etwas von seinem bevorstehenden Ende. Sie kichert lautlos. Er wird überhaupt nicht merken, wie ihm geschieht. Wenn sie Glück hat, dann wird der andere, kleine Youkai diese Technik vielleicht sogar überleben und sie kann ihn gleich zum Wiederauffrischen ihrer Kräfte nutzen. Und dann wird sie sich auf die Suche nach diesem Mönch und seinen Freunden machen. Es geht ja nicht an, dass jemand, der über sie Bescheid weiß, unbehelligt durch die Weltgeschichte marschiert. Mit einem eleganten Schwung zückt sie zwei Haarstäbchen und mit einer routinierten Bewegung, steckt sie damit ihre Haare hoch, sodass sie aus dem Weg sind. Dann krempelt sie die Ärmel hoch und fixiert ihr Ziel. Einmal mehr lächelt sie boshaft. Fahr zur Hölle, Youkai! Unbarmherzig presst Sesshomaru Kossoridoku den Hals zusammen. Seine Stimme klingt erschreckend ruhig als er fragt: „Muss ich mich wiederholen?“ „Ich sage gar nichts!“, quetscht Kossoridoku hervor. „So ein Jammer!“, meint Sesshomaru kühl und dann lässt er ihn plötzlich los, jedoch nur um ihm unmittelbar darauf einen kräftigen Hieb mit der Klaue ins Gesicht zu verpassen. Blut spritzt auf und der Youkai hält sich unwillkürlich die aufgeschlitzte Wange. Hoch aufgerichtet steht Sesshomaru nun über ihm und schaut geringschätzig auf ihn hinab. „Schon seit damals, als ich dir diese Wunde das letzte Mal verpasst habe?“ Kossoridoku lächelt genüsslich und schüttelt den Kopf; dabei spritzen mehrere Blutstropfen auf den kühlen Waldboden. „Ich habe Euch nichts zu sagen!“ Scharf schaut Sesshomaru ihn an. „Danach?“ Kossoridoku lächelt und starrt zu Boden. In der Dauer eines Augenblicks, zieht Sesshomaru sein Schwert und bohrt es mit einem gezielten Stich in Kossorodokus Schulter. Der Youkai verbeißt sich den Schmerz, doch er verzieht das Gesicht. Gnadenlos dreht Sesshomaru die Spitze in der Wunde herum. Kossoridoku keucht. „Etwa davor schon?“ Hasserfüllt starrt der Streuner ihn an. Grimmig fletscht er die Zähne. „Wie lange davor schon?“, Sesshomarus Stimme wird kälter. Mit einem Ruck reißt Kossoridoku sich los. Schon will er hinüber zu seinem Schwert hasten, doch der Fürst des Westens verstellt ihm den Weg. Mit kalter Berechnung starrt Sesshomaru ihn an. Kossoridoku beißt die Zähne zusammen. Nein, an dem Daiyoukai wird er nicht vorbeikommen. Nun hebt Sesshomaru sein Schwert und streckt es ihm entgegen. Seine Augen beginnen gefährlich zu leuchten. „Ich habe gefragt, wie lange davor schon!“, wiederholt ruhig, „Gleich nach deiner Flucht?“ Nun wird es Kossoridoku doch etwas mulmig zumute. Der Fürst des Westens scheint entschlossen, eine Antwort zu erhalten. Eine Flucht wird nicht möglich sein. Doch auf einmal weiten sich seine Augen ein wenig. So unauffällig wie möglich, geht sein Blick an dem Fürst des Westens vorbei und bleibt in den Bäumen hinter ihm hängen. Vielleicht ist eine Flucht gar nicht mehr nötig! Ein triumphierendes Lächeln legt sich jetzt um seine Mundwinkel und dann blickt er dem Daiyoukai direkt ins Gesicht. „Nein!“, sagt er mit erhobenem Kinn, „Schon viel länger! Um genau zu sein, seit Euer Vater damit begonnen hat, diese Menschenfrau zu begatten!“ Sesshomarus Augen weiten sich vor Erstaunen. Er bringt kein Wort heraus. Dann fragt er: „Und der Brief?“ Gehässig grinst Kossoridoku ihn an: „Was könnte ein Reich besser schwächen, als eine Fürstenfamilie die zerstritten ist!“ Noch immer sprachlos blickt Sesshomaru ihn an. Dann sagt er: „Also hat Arashitsume dir den Auftrag gegeben, meiner Mutter davon zu erzählen!“ Kossoridoku lächelt. „Scharfsinnig bis zuletzt, Sesshomaru!“ In genau diesem Augenblick hebt Sesshomaru ruckartig den Kopf. Im Bruchteil einer Sekunde hat er sich umgedreht. All seine Instinkte sagen ihm, dass er sich in Gefahr befindet, doch er erkennt nicht woher. Und im selben Moment spürt er eine gewaltige Aura, die sich ihm in rasendem Tempo nähert. Sofort wendet sich der stolze Daiyoukai dem Waldrand zu und nur einen Augenblick später sieht er, wie eine gigantische, monströse Gestalt aus dem Dickicht bricht und mit atemberaubenden Tempo direkt auf ihn zuhält. Es kostet Sesshomaru kaum einen Gedanken, dem gewaltigen, hellgrauen Hund vor ihm seine Waffe entgegenzustrecken. „Also doch!“, murmelt er finster, „Er hatte also doch andere Ambitionen!“ In diesem Moment passieren mehrere Dinge. Der stolze Daiyoukai aus dem Westen holt mit seinem Schwert aus, um den Angreifer niederzustrecken, der gewaltige Hund springt direkt auf ihn zu und aus den Büschen, in einiger Entfernung, löst sich ein schwaches, violettes Glimmen, rast direkt und unaufhaltsam auf Sesshomaru zu und noch ehe der Fürst des Westens merkt wie ihm geschieht, hat sich der mächtige Hund auch schon zwischen ihn und die heranrauschende Energie geworfen und fängt die Wucht des Angriffes mit seinem riesigen Körper ab. Ein erbärmliches Jaulen entfährt der hünenhaften Gestalt und wie ein mächtiger Felsbrocken stürzt der gewaltige Hundeyoukai schwer zu Boden und bleibt unter einem scheußlichen Zucken und Röcheln schließlich liegen. Sesshomaru benötigt ein paar Augenblicke, um zu erfassen was passiert ist. Sprachlos blickt er zunächst auf Kossoridoku, dann auf die Stelle von der dieser offenbare Angriff ausging und schließlich hinüber zu Tenmaru, dessen Körper nun in ein unheimliches Leuchten gehüllt ist. Man kann direkt dabei zusehen, wie sich die mächtige Hundegestalt verflüchtigt und der Streuner sich zunehmend in seine menschliche Gestalt zurückverwandelt. Doch damit nicht genug. In genau diesem Moment tauchen aus der Richtung, aus der Tenmaru gekommen ist, drei weitere Gestalten auf. Es sind die drei übrigen Streuner und mit wutglühenden Augen stürmen sie auf die Lichtung. Hier kommen sie nun zum Stehen. Mit wilden Mienen blicken sie sich um und schließlich bleiben die Blicke der beiden Nordyoukais an Kossoridoku hängen. Mit einem bedrohlichen Knurren kommen sie nun auf ihn zu und in Kossoridokus Miene zeichnet sich zum ersten Mal Furcht ab. Nein, das läuft ganz und gar nicht so, wie er sich das gedacht hatte. „Kossoridoku!“, schon fliegt Kegawas mörderischer Schrei zu ihm hinüber. Die beiden Nordyoukais setzen sich in Bewegung. „Lass ihn nicht entkommen!“, knurrt Samushi tödlich. Die beiden sind keine zwei Meter mehr entfernt, als Kossoridoku den Ernst der Lage erfasst und beschließt, lieber die Flucht zu ergreifen. Rasch wendet er sich um, doch er hat den Zorn seiner ehemaligen Kameraden gründlich unterschätzt. Mit einem wilden Schrei werfen sich die beiden auf ihn und reißen ihn zu Boden. Wie von Sinnen schlägt Samushi auf den Westyoukai ein. Seine Augen leuchten in einem gefährlichen Blau. So energisch wie möglich bemüht sich Kossoridoku, dem Griff seiner früheren Kampfgefährten zu entkommen, doch die Klauen der Nordyoukais halten ihn wie Schraubstöcke fest. „Schmutziger Verräter!“, schreit Samushi außer sich, „Ich reiß dich in Fetzen für das was du getan hast!“ Doch eine kalte Stimme schiebt dem sofort einen Riegel vor. „Wenn ihr ihn umbringt, seid ihr tot!“ Groß ragt Sesshomaru neben den Ringenden auf. Seine Augen leuchten rot und seine Reißzähne sind unter seinen Lippen deutlich sichtbar. Wutschnaubend starren die beiden Nordyoukais den Fürsten an. Es ist ihnen anzusehen, dass sie mit einer schweren Entscheidung ringen. Doch Sesshomarus Miene ist unmissverständlich. „Samushi, Kegawa! Lasst ihn leben, aber bewacht ihn gründlich!“, Yaebas Stimme fliegt energisch zu ihnen herüber. Noch immer scheinen die beiden schwer mit sich zu ringen. „Tut was er sagt!“, die Ruhe in Sesshomarus Stimme könnte einem eine Gänsehaut verursachen. Nun kommt der Anführer der Streuner zu ihnen hinüber. Ein scharfer Blick auf seine Untergebenen genügt und dann fügen sie sich, wenn auch mit großem Widerwillen. Mit steinerner Miene betrachtet Yaeba den Streuner aus dem Westen. Kossoridoku blutet an Gesicht und Oberkörper aus vielen Wunden. Seine Haare sind wild zerzaust und blutgetränkt. Die beiden Nordyoukais halten seine beiden Arme mit einem eisernen Griff fest und ihre langen Klauen bohren sich schmerzhaft in sein Fleisch. Sein Blick ist ein wenig verschleiert, doch unter den wirren Fransen in seinem Gesicht starrt er den Youkai aus dem Osten noch immer mit tiefster Verachtung an. Yaebas Miene ist hart. „Du gehst nirgendwo mehr hin, Verräter!“, knurrt er leise, „Du bist der Beweis für Arashitsumes Verrat und du wirst nicht sterben, bevor er für das bezahlt hat, was er getan hat!“ „Und dann kannst du dich auf was gefasst machen!“, grollt Samushi tödlich neben seinem Ohr, „Dachtest du wirklich, wir würden nicht merken, wo du gewesen bist, ein paar Tage vor Ihrem Tod? Als ob ich jemals vergessen würde, wie es in Inu Taihyougas Palast riecht. Die Geschichte von dem Kampf mit den Nordyoukais, habe ich dir nie wirklich abgekauft! Aber vielleicht wollte ich auch nicht sehen, was für eine miese Ratte du bist!“ „Oh nein, wir kommen zu spät!“, ertönt auf einmal eine helle Stimme hinter ihnen. Die Youkais blicken auf. Dort zwischen den Bäumen taucht nun auch Inu Yasha mit Kagome auf dem Rücken auf. Rasch kommt er bei ihnen zum Stehen und sogleich ist das Mädchen auch schon von seinem Rücken herunter. Eilig läuft sie zu den Youkais hinüber; Inu Yasha folgt ihr. Sein Blick geht in die Runde. Offenbar haben sie das Meiste verpasst. Kossoridoku ist überwältigt und in Gewahrsam, Sesshomaru hat anscheinend das Attentat überlebt und Tenmaru...? „Tenmaru!“, ruft Kagome erschrocken aus. Hastig läuft sie zu der reglosen Gestalt hinüber, die da leblos, und noch immer in ein seltsames Glühen getaucht, am Boden liegt. Sofort sinkt das Mädchen neben dem Youkai hinab. Sein Kopf liegt auf der Seite. Mit zittrigen Fingern, fasst sie unter seine Wange und wendet sein Gesicht ihr zu. Der junge Streuner hat die Augen geöffnet und sein Blick fixiert unter scheinbar großen Anstrengungen ihr Gesicht. Seine Haut ist blass, nein nicht direkt blass, eher beinah durchscheinend. Seine Lippen sind grau und unter seinen purpurnen Augen liegen dunkle Ringe. Er scheint nicht in der Lage zu sein, sich zu rühren. Alles was er tut, ist, sie sehr erschöpft anzusehen und ein eigenartig sanftes Lächeln liegt um seine Mundwinkel. Kagome hebt schwach den Kopf, als sie bemerkt, dass nun eine weitere Gestalt an sie herangetreten ist. Es ist Sesshomaru. Schweigend und mit ausdrucksloser Miene steht er neben ihnen und blickt auf sie hinunter. Kein einziges Wort kommt über seine Lippen. Auch Inu Yasha und Yaeba treten nun zu ihnen und der Hanyou bemerkt, dass das Gesicht des Streuneranführers nun mit Sorgenfalten durchzogen ist. „Oh, Tenmaru!“, murmelt er kraftlos. „Was ist denn mit ihm?“, fragt Inu Yasha behutsam genug um niemanden vor den Kopf zu stoßen. Kagome schaut auf; ihre Augen sind trocken, doch das heißt nichts, sie ist noch viel zu geschockt über die Verfassung des Streuners. „Ich weiß es nicht!“, sagt sie leise, „Ich glaube, er vergeht. Was immer sie mit ihm angestellt hat, ich wüsste nicht, wie wir es aufhalten könnten.“ Sanft gleitet ihre Hand über Tenmarus Arm. Der Streuner zieht scharf die Luft ein. Ein gequälter Zug fliegt über sein Gesicht, doch nun bewegen sich seine Gliedmaßen wieder ein wenig. „Tenmaru?“, fragt Kagome besorgt. Der junge Streuner wendet ihr den Kopf zu. Er lächelt sanft. „Es ist schon in Ordnung!“, sagt er leise, „Es ist endlich zu ende! Wenn ich Raiuko treffe, sage ich ihm..., dass sein Wunsch sich erfüllt hat! Auch ich durfte so sterben... wie ich es wollte!“ Kagome schlägt die Hand vor den Mund, doch sie bringt keinen Ton heraus. Das Glimmen um Tenmarus Körper nimmt immer mehr zu. Dicke Schweißperlen laufen über sein Gesicht und seine Haut ist fahl wie Asche. Für einen Moment schließt er kurz die Augen und schluckt einmal schwer. „Hast du Schmerzen?“, fragt Kagome zaghaft. „Es... geht schon!“, kommt die schwache Antwort. Dann plötzlich geht sein Blick hinüber zu Sesshomaru. Eine entsetzliche Sehnsucht liegt auf einmal in seinen Augen und schwach hebt er die Hand und streckt sie nach ihm aus. Er stöhnt einmal schwer vor Anstrengung, dann flüstert er: „Bitte..., vergebt mir meine Unzulänglichkeit! Ich muss... eine schwere Enttäuschung für Euch gewesen sein. Sicher habt Ihr etwas... anderes erwartet, etwas Besseres! Etwas, das Euer... würdig ist! Ich bereue es zutiefst..., dass ich Euch nicht nützlicher war! Aber...“, und nun legt sich ein glückliches Lächeln um seine Lippen, „ich bin... froh, dass ich Euch zumindest ein einziges Mal... nützlich sein konnte... Vater!“ Mit diesen Worten scheint den jungen Streuner auch noch das letzte bisschen Kraft zu verlassen. Die ausgestreckte Hand plumpst herab, der angehobene Kopf sinkt zurück und die Augen des Streuners schließen sich. Das Leuchten um ihn nimmt immer mehr zu und hüllt seine Erscheinung in einen Schein der immer mehr durch ihn hindurchdringt wie durch Milchglas. Und nun ist es im Glanz des gespenstischen Lichtes deutlich für alle Beteiligten erkennbar; das dunkelblaue, sichelmondförmige Symbol auf Tenmarus verätzter Stirn! Es ist das Letzte was noch verbleibt, bevor der Schein der Läuterung Tenmarus gesamten Körper umhüllt und ihn schließlich, vor ihren Augen, vollständig auflöst. Leuchtende Pünktchen, der Mikoenergie umwirbeln die Umstehenden und fließen dann rasch auseinander, um die kleine Lichtung wieder in beklemmende Dunkelheit zu tauchen. Für einen langen Moment hängt ein bedrückendes Schweigen über der Lichtung. Dann wendet sich Inu Yashas ernster Blick seinem Bruder zu. „Sesshomaru?“, kommt die kühle Frage, „Was meinte er mit 'Vater'?“ Doch der Fürst des Westens schweigt und verzieht keine Miene. Inu Yasha ballt die Faust. „Ich frage noch mal!“, sagt er mühsam beherrscht, „Was meinte er mit 'Vater'?“ Nun hebt Sesshomaru den Kopf und blickt seinen Bruder herablassend an. „Ich habe nicht die geringste Ahnung!“ Doch nun fletscht Inu Yasha ärgerlich die Zähne: „Du mieser Dreckskerl! Du lügst doch!“ Sesshomaru hebt eine Braue: „Glaubst du?“ „Oh ja!“, schnaubt Inu Yasha erbost, „Und zwar ohne rot zu werden!“ Sesshomarus Miene ist hart. „Du irrst dich! Er ist nicht mein Sohn!“ „Hör auf mit diesen elenden Lügen!“, schreit Inu Yasha nun energisch, „Meinst du, ich bin blind? Ich hab das Symbol auf seiner Stirn auch gesehen! Nur unsere Familie trägt den Mond. Wie sollte er also dazu kommen?“ Noch immer blickt Sesshomaru ihn regungslos an. „Er ist nicht mein Sohn!“, wiederholt er. Doch Inu Yasha geht gar nicht darauf ein. „Natürlich ist er das!“, schnaubt er wütend, „Und weißt du was, jetzt wo ich es weiß, fällt mir auch auf, wie ähnlich ihr beide euch seid!“ „Ähnlich?“, die Frage klingt ziemlich verächtlich. „Ja, ähnlich!“, funkelt Inu Yasha, „Und damit meine ich nicht nur sein Gesicht, dass dir bei näherer Betrachtung wirklich erschreckend ähnlich ist, ich rede von seiner ganzen Art. Sein Stolz, seine Sturheit und ganz besonders seine Verschwiegenheit!“ Sesshomaru lässt seinen Bruder nicht aus den Augen. Seine goldenen Augen leuchten im Mondschein unergründlich. Dann steckt er sein Schwert zurück in den Gürtel. „Er war nicht mein Sohn!“, wiederholt er einmal mehr und dann wird sein Blick eiskalt, „Ich habe ihn niemals anerkannt!“ Fassungslos starrt Inu Yasha ihn an. „Ist das dein Ernst? Sag mir bloß nicht, dass du das schon länger weißt!“ Sesshomaru blickt gleichgültig auf: „Sei nicht töricht! Ich wusste das natürlich von Anfang an! Ich wusste es, in dem Moment, als ich ihn zum ersten Mal sah! Glaubst du, ich würde meinen eigenen Geruch nicht erkennen, oder Ihren?“ Seine Goldaugen funkeln nun gefährlich. Sprachlos blickt Inu Yasha ihn an. „Du bist unglaublich!“, meint er frostig, „Und es kam dir nicht in den Sinn, uns das vielleicht zu erzählen?“ „Nein, kam es nicht!“, stellt Sesshomaru kühl klar, „Da ich nicht beabsichtigte, ihn anzuerkennen, erübrigte sich jede Debatte!“ „Aber er ist dein Sohn!“, ruft Inu Yasha empört. „Nicht, wenn ich es nicht offiziell bestätige!“, sagt Sesshomaru entschieden. Wütend baut sich Inu Yasha vor ihm auf. „Was für ein hirnverbrannter Blödsinn!“, faucht er, „Dadurch, dass du ihn nicht anerkennst, wird er doch nicht weniger dein Sohn!“ „Wieder falsch!“, erwidert Sesshomaru kalt, „Solange ich ihn nicht anerkenne, ist er überhaupt nicht mein Sohn!“ „Warum, zum Teufel, hast du es dann nicht einfach getan?“, schreit Inu Yasha zornig. Nun friert Sesshomarus Miene ein: „Meine Gründe brauche ich dir nun wirklich nicht verraten!“ Wütend ballt Inu Yasha die Fäuste. Für einen kurzen Moment funkelt er seinen Bruder lediglich missbilligend an, doch dann fragt er mit unterdrückter Wut in der Stimme: „Gab es tatsächlich irgendetwas, was dagegen gesprochen hätte? Ich habe Tenmaru nicht lange gekannt, doch ich wüsste nichts Schlechtes über ihn zu sagen. Er war mutig und er war stark. Ich hab ihn kämpfen gesehen. Er war mindestens so stark wie du! Und er war loyal, daran besteht überhaupt kein Zweifel! Wenn du es von ihm verlangt hättest, hätte er sich ohne zu zögern selbst getötet, und das alles war dir immer noch nicht genug? Ich weiß ja nicht, was du für Ansprüche an einen Sohn stellst, aber ich bin überzeugt davon, dass Tenmaru sie in jedem Fall erfüllt hätte.“ Mit regloser Miene blickt Sesshomaru ihn an. „Ich sagte bereits, dass meine Gründe dich nichts angehen. Und das sollten sie auch nicht, denn das Thema ist jetzt ohnehin erledigt!“ „Ach, meinst du!“, schnappt Inu Yasha bissig, „So einfach ist das für dich? Er ist tot und du gehst einfach zur Normalität über? Er starb um dich zu schützen und es ist dir einfach scheißegal?“ Sesshomarus Lippen bilden nun einen dünnen Strich: „Niemand hat das von ihm verlangt! Ich habe ihn nicht darum gebeten!“ „Als ob das eine Rolle spielen würde!“, grollt Inu Yasha, „Hast du es schon vergessen? Er war durch seinen Schwur an uns gebunden. Es war seine Pflicht, dich zu schützen und du dankst es ihm nicht mal, dass er sein Leben für dich geopfert hat.“ „Und wieder bist du im Irrtum!“, meint Sesshomaru mit kühler Miene, „Er war nicht länger an den Schwur gebunden!“ „Was soll das heißen?“, diesmal ist es Yaeba der sich einmischt. Die ganze Zeit schon, hat er mit gesenktem Kopf die Debatte verfolgt, doch nun blickt er auf, „Tenmaru würde seinen Schwur niemals verraten! Das war nicht seine Art!“ „Hat er auch nicht!“, sagt Sesshomaru gleichgültig, „Er kam zu mir und wollte aus seinem Schwur freigelassen werden. Ich habe ihm diese Bitte gewährt.“ Sprachlos blicken die Umstehenden den stolzen Daiyoukai an. Da plötzlich meldet sich eine leise Stimme zu Wort: „Das bedeutet also, dass Tenmaru sich aus freien Stücken für dich geopfert hat!“ Kagome blickt Sesshomaru direkt an. In ihrem Gesicht liegt tiefe Trauer und Enttäuschung. „Es war eine der wenigen Entscheidungen, die er selber getroffen hat, ebenso wie die Entscheidung, sich Yarinuyuki auszuliefern und Inu Yasha zu verteidigen.“ Mit reglosem Gesicht blickt Sesshomaru sie an. Er sagt kein Wort. Doch Kagome fährt schon fort: „Ich verstehe jetzt, warum er das getan hat, obwohl er Inu Yasha gar nicht leiden kann. Er gehört einfach zur Familie, der einzigen Familie die er noch hat. Es muss schwer gewesen sein, jemandem zu dienen, den man um alles beneidet, was er hat, am meisten jedoch für die Tatsache, dass Inu Yasha von seinem Vater offiziell anerkannt wurde.“ Sie macht nun einen Schritt auf Sesshomaru zu und blickt ihm direkt in die Augen. „Alles was er je wollte, war nur deine Anerkennung, dass du ihn ein wenig beachtest! Er wollte lediglich die Aufmerksamkeit von der Person, von der das eine Selbstverständlichkeit sein sollte; seinem Vater! Aber er hat es niemals gefordert. Er hat sich mit dem zufriedengegeben, was du bereit warst, ihm aus freien Stücken zu geben.“ Noch immer blickt Kagome den hochgewachsenen Youkaifürsten an, doch ohne dass sie es bemerkt, laufen ihr nun wieder Tränen über die Wange. „Er hätte das alles so viel leichter haben können. Ich weiß jetzt, warum er die ganze Zeit kein Wort darüber verloren hat; er wollte dich nicht zwingen! Er sagte, jeder müsse eine Wahl haben! Er selbst hatte so selten die Wahl. Er war stets gezwungen, zu tun was andere verlangten, oder zu akzeptieren, dass Leute nur wegen seiner besonderen Witterung an ihm Interesse hatten. Er wusste, was es bedeutet, gezwungen zu werden zu etwas, das man nicht will. Das wollte er dir ersparen. Er hat dich so sehr respektiert, so sehr... geliebt! Alles was er wirklich wollte, war, dass du stolz auf ihn bist!“, immer wieder tropfen die Tränen von ihrem Gesicht und sie macht sich nicht einmal die Mühe, sie wegzuwischen. „Er war so schrecklich einsam und er hat so sehr gelitten! Kannst du denn nicht einmal ein kleines bisschen Mitleid für ihn aufbringen?“ Sesshomarus Miene ist reglos. Für einen langen Moment blickt er Kagome nur an, dann sagt er ruhig: „Bist du jetzt fertig?“ Kagome reißt die Augen auf. Diese kalten Worte treffen sie mitten ins Herz und sie schluchzt auf. Doch Sesshomaru wirft ihr nur einen teilnahmslosen Blick zu. „Welchen Zweck hätte es, ihn nun noch zu bedauern? Er ist tot und das hätte er sich ersparen können. Es war seine eigene Entscheidung und damit auch seine eigene Schuld! Ich habe weder die Zeit, noch das Interesse mich mit dem Tod eines Streuners länger als unbedingt nötig zu befassen!“ Kagome starrt ihn an wie vor den Kopf geschlagen. Sie kann nicht glauben was sie hört, doch ihr fehlt die Kraft für weiteren Protest. Doch nun meldet sich Inu Yasha wieder zu Wort: „Was bist du doch für eine gefühlskalte Kreatur!“ Der Hanyou bebt praktisch vor Wut und seine Stimme hat Grabeskälte. „Er war nicht irgendein Streuner, sondern dein Sohn, völlig egal was du sagst! Und er ist tot, weil er dich beschützen wollte! Er hat dich vergöttert und Gott weiß, warum das so war! Du hast eine solche bedingungslose Loyalität gar nicht verdient! Bis zu seinem Ende, hast du ihn ignoriert, beleidigt und angegriffen. Du hast sogar die Ostyoukais auf ihn gehetzt und ihn wie ein Stück Dreck behandelt und trotzdem hat er dich immer verteidigt und wollte nichts weiter als in deiner Nähe sein!“ Sesshomaru wirft seinem Bruder einen finsteren Blick zu, dann wendet er sich ab. „Du solltest aufhören, dich da so sehr hineinzusteigern! Es nützt ja doch nichts!“ „Den Teufel werd ich tun!“, schimpft Inu Yasha ungehalten, „Du wirst dir gefälligst einmal anhören, was ich dir zu sagen habe! Mir stinkt deine ständige Arroganz und Gleichgültigkeit nämlich schon lange! Jetzt sag ich dir mal was! Ich habe ja schon einige Male mitbekommen, was für ein hartherziger und selbstverliebter Kerl du bist, aber das was du mit Tenmaru gemacht hat, ist so ziemlich das Niederträchtigste was du dir je geleistet hast!“ Sesshomarus Nacken verspannt sich: „Halt deine Klappe!“ „Ich denk nicht dran!“, wettert Inu Yasha, „Kein Vater lässt sein Kind im Stich! Auch unser Vater hat das nicht getan! Er kam und rettete meiner Mutter und mir das Leben! Und das obwohl er schwer verletzt war! Auch du hast Tenmaru verwundet! Du hast mit ihm gekämpft, obwohl er nicht wollte! Er wollte nicht! Er konnte es nicht über sich bringen, dich zu verletzen, so sehr hat er dich respektiert!“ „Ich sagte, halt die Klappe!“ „Und als er erfuhr, dass du in Gefahr warst, gab es kein Halten mehr für ihn. Er lief dir nach, ohne an seine eigene Verfassung zu denken! Er konnte den Gedanken nicht ertragen, auch noch seinen Vater zu verlieren!“ „Du sollst den Mund halten!“ „Kagome hat recht, er hätte dich auch zwingen können, ihn anzuerkennen! Hätte er etwas gesagt, wäre die Sache wahrscheinlich früher aufgeflogen, aber er wollte dich nicht in Verlegenheit bringen. Er wollte nicht, dass du dein Gesicht verlierst!“ „Sei still!“, Sesshomaru ballt die Hand zur Faust. „Er hat immer nur an andere gedacht und dann erst an sich selbst. Kagome hat recht, er hat dich geliebt und du trittst diese Treue mit Füßen! Erst ganz am Schluss, als er wusste, dass es für ihn keine Hoffnung auf ein gutes Ende mehr gab, hat er sich zu dir bekannt. Ja, er hat sich zu dir bekannt! Er wollte der Welt endlich mitteilen, was für einen tollen Vater er hat!“, Inu Yashas Stimme trieft vor Sarkasmus und er hat die Arme verächtlich verschränkt, „Ich weiß nicht, ob ich das getan hätte? Hätte ich einen Vater wie dich, würde ich wahrscheinlich auch versuchen es zu verheimlichen, aber der Unterschied zu uns ist, dass er es sagen wollte und nicht durfte! Ich bin mir felsenfest sicher, dass es ihm verboten wurde! Wenn ich eines von ihm gelernt habe, dann dass er die Eide die er abgelegt hat, bedingungslos erfüllt hat.“ „Inu Yasha!“, Sesshomarus Stimme ist gepresst. „Aber warum rede ich hier eigentlich mit dir? Du bist und bleibst ein verbohrter Holzkopf, der nur an sich selber denkt und dem sein Sohn völlig egal ist! Selbst wenn du es fertig bringen könntest, dir nur ein winziges Quäntchen Mitgefühl abzuringen, es würde nichts mehr bringen! Er wird es niemals erfahren! Die Chance ist vertan! Er ist tot und du wirst ihm niemals wieder sagen können, was du von ihm hältst, ganz gleich was es ist.“ „Inu Yasha...!“ „Du hattest die einmalige Gelegenheit, einen Sohn zu bekommen, auf den du stolz sein kannst, aber nun ist er tot und nicht einmal du kannst ihn zurückbringen! Nicht mal mit Tenseiga! Du kannst nichts mehr daran ändern, nicht an seinem Tod und nicht an eurer Beziehung weil du zu überheblich warst, die Gelegenheit zu ergreifen, als sie sich dir bot! Wen juckt es, ob er ein Streuner war! Du hättest das jederzeit ändern können! Bist du wirklich so blasiert, dass es für dich auch nur auf den Rang ankommt, wie bei Arashitsume, und es keine Rolle spielt, ob sich jemand bewährt? Bist du wirklich so erbärmlich?“ „Inu Yasha...“ Wütend schnaubt der Hanyou seinen Bruder an, der noch immer mit dem Rücken zu ihm steht und inzwischen am ganzen Körper bebt: „Was ist?“ Zuerst gibt Sesshomaru keinen Ton von sich, doch dann sagt er leise: „Bitte, sprich nicht mehr weiter!“ Ungläubig starrt Inu Yasha seinen Bruder an, hat er richtig gehört? Doch dann ganz langsam dreht sich der Daiyoukai zu ihm herum und blickt ihn an. Unwillkürlich weicht Inu Yasha einen Schritt zurück und seine Augen weiten sich. Auf diesen Anblick war er nicht gefasst. Sesshomarus Gesicht ist leichenblass und nun sieht man die Ringe unter seinen Augen deutlich. Die sonst so selbstverständliche Gelassenheit des Fürsten ist verschwunden und eine grenzenlose Traurigkeit liegt auf seinem Gesicht. Seine goldenen Augen spiegeln solches Leid wieder, dass Inu Yasha eine Gänsehaut bekommt. Er kann es nicht glauben! Ist es möglich, dass sein Bruder sich seine Worte doch zu Herzen genommen hat? Doch nicht nur er, auch alle Umstehenden blicken ihn nun sprachlos an. Sesshomaru scheint sich nicht darum zu kümmern. Er steht einfach da mit leicht gesenktem Kopf, zitternden Fingern und einer verdächtig bebenden Unterlippe. Völlig perplex starrt Inu Yasha ihn an. „Sesshomaru, du...“, doch der Daiyoukai hebt nur schwach die Hand, als wollte er seinen Bruder dadurch zum Verstummen bringen. „Nicht...!“, flüstert Sesshomaru und schließt die Augen, „Bitte!“ Was Sesshomarus Geste vielleicht nicht vollbringt, das schafft nun der verzweifelte Ausdruck in seinem Gesicht. Inu Yasha gibt keinen Ton mehr von sich. Sprachlos blickt er seinen Bruder an und seine Augen weiten sich. Nie hatte er geglaubt, das jemals im Gesicht seines Bruders zu sehen. Tränen! Sesshomaru weint! Deutlich bahnt sich eine Träne ihren Weg über seine Wange und scheinbar kümmert es ihn nicht, wer es sieht. Seine Schultern beben und seinem Körper scheint plötzlich jede Kraft zu fehlen. Mit einer schwachen Bewegung fährt sich Sesshomaru über das Gesicht. Für einen Moment blickt er wortlos auf seine feuchten Fingerspitzen, dann lässt er den Kopf hängen. Er schluckt einmal schwer. Dann urplötzlich wendet er sich ab, seine Beine setzen sich in Bewegung, immer schneller und schneller, und schließlich ist von ihm nichts mehr zu sehen. Zurück bleiben nur fünf Youkais, ein Hanyou und ein Mensch, die nicht wissen, was sie sagen sollen. Kapitel 42: Dem Himmel so nah! ------------------------------ Die Nacht ist kalt. Eiskalt! Zumindest kommt es Sesshomaru so vor. Er fröstelt am ganzen Körper und das obwohl er rennt was seine Lungen hergeben. Wohin er läuft ist ihm egal. Es geht ihm noch nicht einmal darum, von den anderen wegzukommen. Er versucht lediglich irgendetwas zu tun! Irgendetwas, dass ihn von den Gefühlen und Bildern ablenkt, die seinen Kopf und seinen Körper überfluten wie grausame Wogen einer Sturmflut. Nie wieder! Er wollte nie wieder daran denken! Nie wieder sollte das Damals solchen Einfluss auf ihn haben! Dabei hatte er sich solche Mühe gegeben, alles was mit Damals zusammenhängt, aus seinem Erlebnishorizont zu verdrängen. Er hat es wirklich versuch! Er hatte so gehofft, wenn er den Streuner... Tenmaru... nein, den Streuner! Ach verdammt! Wenn er ihn nur energisch genug ignorierte, könnte er die Ereignisse von damals für immer in der Versenkung der Vergessenheit verschwinden lassen. Er hatte nie vorgehabt, Tenmaru eine größere Bedeutung einzuräumen, als die, die einem gewöhnlichen Streuner zustand. Doch zu seinem Leidwesen muss er sich eingestehen, dass der Junge ihn, mehr als nur einmal, tief beeindruckt hat! All seine kleinen Prüfungen hat er zufriedenstellend gemeistert. Sesshomaru verlangsamt seine Schritte und dann hält er an. Er wankt leicht. Ihm ist schwindelig. Unbeholfen lehnt er sich mit dem Rücken an einen Baum und lässt seinen Kopf müde nach hinten an das kühle Holz sinken. Sein Atem geht stoßweise und erschöpft schließt er die Augen. Ehe er sich's versieht, geben seine Beine nach und er rutscht kraftlos an dem Stamm hinunter. Mit halbgeschlossenen, bernsteinfarbenen Augen, blickt er hoch in die Nacht und hilflos wird er sich bewusst, dass ihm beim Atmen noch immer leichte Schluchzer entfahren. Doch ihm fehlt einfach die Kraft, sie zu unterdrücken. All seine Stärke scheint sich verflüchtigt zu haben und hat ein jämmerliches Häufchen Elend zurückgelassen. So kommt es ihm zumindest vor. Wie unglaublich erniedrigend! Doch die Wahrung seiner Würde spielt in seinen Gedanken, gerade eine eher untergeordnete Rolle. Eine andere Frage quält ihn viel mehr im Augenblick: Habe ich das Richtige getan? Sofort steht ihm wieder die empörte Miene seines Bruders vor Augen. Warum er ihn nicht anerkannt habe, hat er gefragt. Wie könnte er das erklären? Wie könnte er von der schlimmsten Demütigung seines Lebens berichten? Wie könnte er es über sich bringen, davon zu erzählen, jetzt, da er nicht mal mehr in der Lage ist, einen klaren Gedanken zu fassen? Wie wirre Bilder, fast vergessener Träume flimmern Erinnerungen an seinem inneren Auge vorbei. Erinnerungen von damals. Erinnerungen die es ihm unmöglich gemacht haben, seinen eigenen Sohn anzuerkennen! Erinnerungen, die kaum weniger schmerzen, als die quälende Leere in seinem Herzen! Er ist tot! Nichts wird das ungeschehen machen! Er ist tot und Sesshomaru weiß ganz genau, dass er das sein ganzes Leben lang bedauern wird! Damals... Zwei Tage sind seit dem Kampf mit den Nordyoukais vergangen. Es sind zwei Tage des Schweigens. Zwischen Sesshomaru und der Streunerin fallen selten Worte. Der Fürst des Westens gibt sich unnahbar und in sich gekehrt. Mit nichts lässt er sich anmerken, dass sich etwas zwischen ihnen geändert haben könnte. Mit würdevollen Schritten bewegt er sich durch den kühler werdenden Wald. Einmal mehr senkt sich die Sonne. An der Quelle eines kleinen Gebirgsbaches, der sich in ein steinernes Becken ergießt, machen sie halt. Seither sind sie noch nicht wieder auf Youkai aus dem Norden getroffen. Ein wenig verwundert das Sesshomaru. Die Kita-aitsu sind im allgemeinen rachsüchtig. Sollen sie nur kommen! Er wird sie wärmstens empfangen. Sesshomaru ist des Wanderns überdrüssig. Am liebsten möchte er die ganze Angelegenheit schnell hinter sich bringen. Allmählich sehnt er sich nach seiner Heimat. Er hat zwar noch keine Ahnung, wie er es über sich bringen soll, sie zurückzulassen, doch ihm bleibt keine andere Wahl. Wie könnte es schließlich eine Chance dafür geben? Gedankenverloren blickt er auf die kleinen Wellen, die von dem leise plätschernden Wasser aufgewühlt werden. Der Knoten in seiner Brust schmerzt. Jedes Mal, wenn er an diesen Vorfall vor zwei Tagen zurückdenkt, brennt ihm wieder das Gefühl ihre Lippen auf den seinen. Es schmerzt, sie direkt neben sich zu wissen und sich nicht gestatten zu dürfen, sie auch nur zu berühren. Er ist fest davon überzeugt, wenn er sich das erlaubt, wird alles besiegelt und es wird ihm nicht mehr möglich sein, sich im Zaum zu halten. Es schmerzt! Es schmerzt, sie nicht halten zu dürfen! Krampfhaft ballt sich seine Hand zur Faust. „Sesshomaru-sama?“, ihre vorsichtige Stimme reißt ihn aus seinen Gedanken. Er hebt den Kopf und blickt hinauf zu den ersten Sternen. „Was willst du?“, fragt er. „Ich wüsste gerne was dich quält.“ „Warum glaubst du, dass mich etwas quält?“, seine Stimme ist eisern beherrscht. „Glaube nicht, dass du es vor mir verbergen kannst“, antwortet sie, „Du machst seit Tagen den Eindruck, als würde dich eine schwere Last niederdrücken. Ist es wegen Inu Taihyouga?“ Sesshomarus Miene ist ausdruckslos. „Nein, das nicht!“ „Oh!“, sie senkt den Kopf, „Ich verstehe.“ „Das bezweifle ich!“, seine Worte klingen bitter. „Beschäftigt es dich noch immer?“, kommt die zögerliche Frage. Sesshomaru schnaubt missmutig auf: „Wie könnte es nicht?“ Nun tritt sie leise neben ihn. „Tatsächlich?“, es klingt ein wenig verblüfft. „Wundert dich das?“, gibt er verstimmt zurück. „Ein wenig.“ Sesshomarus Augen gehen hinauf zum Mond dessen Sichel sich gerade über den Horizont schiebt. Wieder steigt ihr Duft zu ihm auf, vermischt mit dem kühlen Geruch des Laubes und der Gräser unter seinen Füßen. „Hasst du mich?“, leise dringt ihre Stimme an sein Ohr. Erschöpft schließt er für ein paar Augenblicke die Lider. Dann blickt er sie an. „Nein!“ Ihre Augen werden etwas größer. Im schwachen Schein des Mondes schimmern seine Augen wie flüssiges Gold. Der kleine Bruder des Mondes, auf seiner Stirn, hat einen nachtblauen Glanz und sein feines, weißes Haar fällt seidig an seinem Rücken herunter. Seine Gesichtszüge sind nicht ganz so feminin wie die von ihrem Bruder doch sie sind fein geschnitten und die purpurnen Linien auf seiner makellosen Wange verleihen ihm einen imposanten Eindruck. Gerade liegt eine solch verzehrende Sehnsucht in den goldenen Spiegeln seiner Augen, dass es ihr einen Schauer über den Rücken jagt. „Nicht? Ich nahm an, ich hätte dich verletzt.“ Sie kann sehen wie er mit sich ringt. Der junge Daiyoukai wirkt ein wenig ratlos. Offenbar ist er im Begriff, eine schwere Entscheidung zu treffen. Dann atmet er noch einmal tief durch und schließlich sagt er leise: „Das hast du auch. So sehr, dass ich mich wahrscheinlich niemals wieder davon erholen werde.“ Erschrocken will sie etwas erwidern doch er kommt ihr zuvor. Mit sanftem Griff schließen sich seine Finger um ihre Hand. Für einen Moment begnügt er sich damit, den Kopf zu senken und nur ihre Hand zu halten. Langsam atmet er ein und aus. Ihr Duft umwirbelt ihn und die Wärme ihrer Finger scheinen seine Haut versengen zu wollen. „Ich hatte das nicht beabsichtigt“, gibt er schließlich zu, „Mein einziger Wunsch war das Wohlergehen meines Reiches. Ich habe geschworen, die Nachfolge meines Vaters würdig anzutreten und mein Reich zu verteidigen. Ich war bereit, dafür mein Leben zu geben. Ich hätte nie gedacht,... dass es wirklich soweit kommen würde.“ „Sesshomaru-sama?“, verständnislos blickt sie ihn an, „Wovon sprichst du?“ Betrübt schaut er sie an. „Ich kam hierher um alles zu gewinnen und nun habe ich alles verloren. Nichts ist mehr wie es sein sollte, und nichts kann das ungeschehen machen! Ich kann meinen Schwur nicht mehr erfüllen, denn ich habe mich selbst verloren.“ Noch immer kann sie seinen Worten nicht folgen. „Was redest du da? Nichts ist verloren! Du kannst deinen Schwur noch immer erfüllen. Biete Inu Taihyouga die Stirn und kehre triumphierend in deine Heimat zurück. Ich kenne niemanden sonst, außer vielleicht deinem Vater, der dieser Aufgabe gewachsen wäre.“ „Das ist es nicht!“, gequält kommen die Worte hervor. Sanft legen sich seine Fingerkuppen unter ihr Kinn. „Verstehst du denn nicht! Ich kann nicht mehr zurück! Du hast mir eine schwere Wunde geschlagen und nun... fehlt mir etwas. Mir fehlt ein wichtiger Teil von mir, ohne den ich nicht zurückkehren kann. Ich... bringe es nicht fertig!“ Sprachlos starrt sie ihn an. Noch immer hält er ihre Hand doch seine Finger zittern ein wenig. „Was für einen Teil?“, wispert sie kaum hörbar. Behutsam wandert seine Hand von ihrem Kinn zu ihrer Wange hoch und sanft streichen seine Fingerkuppen über das Zackenmuster auf ihrer seidenweichen Haut. Schließlich atmet er einmal hilflos durch und dann legt sich ein mildes Lächeln auf sein Gesicht. „Mein Herz!“, sagt er leise, „Du hast mir mein Herz entrissen und bist damit davongetanzt! Wenn ich dich nicht einfange, kann ich niemals in meine Heimat zurückkehren.“ Bei diesen Worten hat Hanakis Gesicht jede Farbe verloren und unwillkürlich zittert ihre Lippe. Sie spürt seine sanften Finger auf ihrem Gesicht, die es fast nicht wagen, sie zu berühren. Behutsam hebt sie ihre Hand und zögernd legt sie ihre Handfläche an seine Wange. Ein leises Keuchen entfährt ihm und er schließt die Augen. Sie spürt wie er zittert. „Mach dir keine Sorgen!“, sagt sie sanft, „Du kannst unmöglich unvollkommen sein. Schließlich hast du doch mein Herz als Ausgleich bekommen. Und wo immer dein Weg dich hinführt, du nimmst es mit dir!“ Urplötzlich huscht ein eigenartiges Flackern über Sesshomarus Gesicht. Sein Blick geht für einen Moment in weite Ferne und dann wird er kreidebleich. Besorgt blickt sie zu ihm auf: „Was hast du?“ Erst sagt er gar nichts dann flüstert er: „Ich habe es verstanden!“ „Was hast du verstanden?“ Liebevoll blickt er sie an. „Ich verstehe jetzt den Grund, warum mein Vater so bereitwillig seinen Tod in Kauf nahm, ohne an das Schicksal seines Reiches zu denken. Er hatte einfach keine Wahl!“ „Was soll das bedeuten?“, verwirrt blickt sie ihn an. Als wäre er mit seinen Gedanken in weiter Ferne, fährt Sesshomaru vorsichtig mit der Fingerkuppe ihre Lippen entlang. Sie erschaudert. „Ich werde den Fehler meines Vaters nicht wiederholen!“, sagt er leise aber bestimmt, „Ich werde nicht zwischen dir und meinem Reich wählen. Da ich dich nicht verlassen kann, werde ich dich mit mir nehmen, als meine Frau!“ Nun wird auch Hanaki bleich. Taumelnd weicht sie einen Schritt zurück: „Das kann nicht dein Ernst sein! Sag mir, dass du das nicht ernsthaft meinst!“ Entschlossen macht Sesshomaru wieder einen Schritt auf sie zu. „Mir ist in meinem Leben noch nie zuvor etwas so ernst gewesen!“ Er ergreift ihren Arm und zieht sie wieder zu sich heran. „Ich weiß nicht warum, aber du bist diejenige, die ich will. Ich kann es nicht erklären und es nicht verhindern, doch ich kann nicht mehr ohne dich sein. Allein der Gedanke daran, bereitet mir Schmerzen.“ „Sesshomaru...“, flüstert sie. Ein paar Glühwürmchen umschwirren ihr dunkles Haar und entschwinden dann in Richtung der Quelle. „Hast du eigentlich eine Ahnung, wie schön du bist?“, seine Augen strahlen nun eine solche Wärme aus, dass in ihr jeglicher Widerstand dahinschmilzt, „Bitte sag, dass du mit mir kommen wirst. Sag, dass du meine Frau wirst. Nichts würde mich im Augenblick glücklicher machen, als diese Worte zu hören!“ Hanaki weicht behutsam einen Schritt zurück. Mehrmals setzt sie zu einer Antwort an, doch immer wieder klappt ihr Mund zu. Schließlich sagt sie: „Wie soll das gehen? Euer Rat wird das niemals gestatten, da bin ich sicher!“ „Ich werde sie auch nicht um Erlaubnis fragen!“, sagt Sesshomaru bestimmt. „Was ist mit Inu Taihyouga? Was ist mit Arashitsume? Was werden die Fürsten der anderen Länder davon halten, wenn du eine Ausgestoßene zu deiner Frau machst?“ „Mich interessiert nicht, was die anderen Fürsten denken. Das Einzige was mich interessiert, bist du!“ Wieder nimmt er ihre Hand. „Sollen sie sich doch beschweren! Ich werde ihnen deutlich machen, dass dein Status für mich keine Rolle spielt. Du bist jetzt mein Leben und ich bin bereit, auch ebenso dafür zu kämpfen!“ Zögernd schaut sie ihn an: „Bist du dir deiner Sache so sicher? Hast du denn nicht einmal Angst, dass ich 'Nein' sagen könnte?“ Ein namenloser Schreck, fliegt über Sesshomarus Gesicht. Dann flüstert er: „Kannst du es denn?“ Einige bange Sekunden hängt die Frage schwer in der Luft. „Sesshomaru...“, setzt sie an. „Kannst du?“, diesmal klingt die Frage fast verzweifelt. Nun legt sich eine tiefe Traurigkeit auf Hanakis Gesicht. „Nein... ich kann es nicht! Doch 'Ja' kann ich auch nicht sagen.“ Fast etwas grob packt er sie am Arm. „Warum nicht?“, seine Stimme zittert, „Hanaki, ich brauche dich! Ich sehne mich nach dir, ich zittere unter deinen Berührungen und in deinen Augen verliere ich mich. Mein Herz gehört dir schon bis in alle Ewigkeit, was kann ich dir noch schenken, damit du bei mir bleibst?“ Für einen langen Augenblick blickt sie ihn nur einfach an. Dann hebt sie ihre Hand und streckt ihm ihre Handfläche hin. Sanft ergreift er ihre Finger. Er spürt wie ihre Finger zu seinem Gesicht streben. Behutsam umschließt er auch mit der anderen Hand ihr Handgelenk und dann führt er ihren Puls an seiner Nase entlang und nimmt einen tiefen Zug von ihrem berauschenden Duft. Ein sehnsüchtiges Seufzen entfährt ihm, als er spürt wie sich ihm sein Magen zusammenballt und sein Herz für einen kurzen Moment aussetzt. Nun beginnen ihre Fingerkuppen vorsichtig über seine Wange zu wandern und hinterlassen dabei fast schon brennende Spuren. Sesshomaru hat die Augen geschlossen und lässt die Berührungen auf sich wirken. Er kann spüren, wie sich sein Herzschlag beschleunigt und in seinem Kopf die Gedanken kreisen. In seinen Ohren rauscht es und steigert sich zu einem wahren Orkan. Und dann plötzlich herrscht Stille. Er nimmt keine Geräusche mehr war, nichts außer seinem und ihrem schneller werdenden Atem und ihren Herzschlägen die jetzt vollkommen im Gleichklang pochen. Er schlägt die Augen auf und was er sieht, verschlägt ihm den Atem. Direkt vor ihm ist ihr Gesicht und ein sanftes, sinnliches Lächeln liegt um ihre Lippen. Ganz langsam nähert sie sich ihm und seine Lippen beginnen zu zucken. Ihre großen, purpurnen Augen sind direkt auf ihn gerichtet und er spürt ihren Atem auf seinem Gesicht. Nie hätte er gedacht, dass es von seinem momentanen Gemütszustand noch eine Steigerung geben könnte. Wie ein Verdurstender sehnt er sich nach ihren Lippen, nach diesem Gefühl der Vollkommenheit und ehe er recht begreift, was über ihn kommt, hat er schon seine Arme um sie geschlungen und drückt seine sehnsüchtigen Lippen auf ihre. Mit all der Inbrunst, die in ihm tobt, küsst er sie und es kommt ihm vor wie tausend Jubelschreie aus dem tiefsten Innern seiner Seele. Ob sie diesen urplötzlichen Gefühlsausbruch überstehen wird? Kann sie es ertragen, dass er sich wie ein Ertrinkender an sie klammert. Sie wirkt so zerbrechlich und er ist so zügellos. Wird er sie verletzen, wenn er sie so fest, wie gerade, an sich drückt, um so viel von ihr zu spüren, wie ihm nur möglich ist? Doch seine Sorge ist unbegründet. Nicht minder leidenschaftlich erwidert sie nun seinen Kuss und ihre Finger wandern vor Erregung bebend über seinen Körper. Kein Denken mehr, keine Zweifel! Nur noch dieser köstliche Geschmack auf seiner Zunge und ihre brennenden Berührungen auf seiner Haut. Er liebt sie! Er wird sie lieben! Bis in alle Ewigkeit! Fiebrige Hände ziehen ihn hinab ins kühle Gras und er lässt es geschehen. Bebende Finger streifen seinen Brustpanzer ab und dringen unter seinen Kimono. Die übrige Welt hat vorübergehend aufgehört zu existieren. Diese Nacht gehört nur ihnen beiden! Lediglich das fahle Mondlicht blickt als einziger Zeuge dabei zu, wie sich zwei ekstatische Daiyoukai einander leidenschaftlich hingeben. Unter einer verhangenen Wolkendecke naht der neue Morgen heran. Mehrere weiße Haarsträhnen sind mit ein paar Grashalmen verflochten. Irgendwann kommt wieder etwas Leben in die bloße Gestalt die da zwischen den Bäumen am Boden liegt. Sesshomaru schlägt die Augen auf. Kühle Luft weht über seine nackte Haut, doch er friert nicht. Der Wald um ihn her ist in Schweigen gehüllt. Für einen flüchtigen Moment muss er überlegen, wo er sich gerade befindet. Hat er geschlafen? Wie lange liegt er schon hier? Er stutzt ein wenig. Irgendetwas irritiert ihn. Er lauscht kurz, doch alles um ihn her ist still. Zu still! Langsam setzt er sich auf und blickt sich um. Er ist allein. Unwillkürlich beginnt sein Herz schneller zu pochen und er erstarrt. Wo ist sie? Sie müsste doch direkt hier neben ihm sein. Ist sie schon aufgestanden, ohne ihn zu wecken? Er prüft die Luft, doch ihre Witterung ist kaum noch wahrzunehmen. Wie lange ist sie schon fort? Unsinnige Gedanken springen durch seinen Kopf. Ist ihr etwas geschehen? Doch er verwirft es rasch wieder. Schließlich ist sie ein Daiyoukai und wer immer sie angegriffen hätte, hätte ihn dabei sicher aufgeweckt. Also muss sie selbst fortgegangen sein. Doch warum? Hastig springt er auf. Aufmerksam richtet er all seine Sinne auf die Umgebung. Ihr Geruch ist beinah verflogen und er hört weder ihren Herzschlag noch ihren Atem. Doch etwas hört er. Nämlich den heftig pochenden Herzschlag der Person, die hinter ihm steht. Rasch wendet er sich um und sieht den Verursacher. Es ist Yaeba! Mit grimmiger Miene und gefletschten Zähnen steht er da. Seine Glefe im Anschlag und vor Wut bebenden Schultern starrt er den Fürst des Westens an. „Was habt Ihr getan!“, grollt der Ostyoukai zornig. Im ersten Moment weiß Sesshomaru nicht was er darauf antworten soll. Er ist noch zu sehr damit beschäftigt, die neue Situation zu begreifen. Verwundert legt sich seine Stirn in Falten. Ein eigenartiger Schauer kriecht ihm über den Rücken. Irgendetwas läuft hier absolut falsch und der Krieger vor ihm, weiß offenbar besser Bescheid als er. Ein ganz neues Gefühl kriecht in ihm hoch und er wagt es noch nicht, diesem Gefühl einen Gedanken zuzuweisen. „Wo ist Hanaki!“, fragt er leise. Yaebas Gesicht verfinstert sich noch mehr: „Fort! Was habt Ihr ihr angetan?“ Sesshomaru kann nicht in Worte fassen, was diese Worte für eine Welle an Gefühlen in ihm auslöst. Er steht nur da wie vom Donner gerührt und braucht einen Augenblick um seine Sprache wiederzufinden. „Was?“, fragt er und seine Stimme ist heiser. Doch Yaeba geht gar nicht darauf ein. Wutschnaubend kommt er auf Sesshomaru zu. „Tut nicht so ahnungslos!“, schreit er aufgebracht, „Ich will wissen, was Ihr mit ihr gemacht habt!“ Sesshomarus Miene ist noch immer von Verständnislosigkeit gezeichnet, doch nun verfinstert sich auch sein Blick. Der zornige Youkai scheint sich tatsächlich, mit ihm anlegen zu wollen. „Das geht dich überhaupt nichts an!“, stellt er frostig klar. Doch schon geht die große Stangenwaffe hernieder und Sesshomaru ist gezwungen ihr geschickt auszuweichen. „Was soll das?“, grollt er tödlich, doch wieder schwingt der Ostyoukai seine Waffe nach ihm. Verächtlich schnaubt Yaeba auf: „Es ist wohl nicht schwer zu erkennen, was Ihr getan habt! Wie könnt Ihr es wagen!“ Wütend schwingt er seine Glefe nach Sesshomaru und die scharfe Klinge verfehlt ihn nur um wenige Haarbreite. Der Fürst des Westens versteht die Welt nicht mehr. Was will dieser Youkai eigentlich von ihm? Ist er etwa eifersüchtig? Das wäre zumindest eine Erklärung. Aber ein leises Gefühl in ihm lässt ihn nicht los, dass da noch mehr dahinter steckt. Ob es etwas mit Hanakis Verschwinden zu tun hat? Warum ist sie fortgegangen? Hat er irgendetwas falsch gemacht? Hat er sie verletzt? Wie wirre Bilder flackern Augenblicke der vergangenen Nacht vor seinem inneren Auge vorbei. Er kann sich nicht entsinnen irgendetwas getan zu haben, was ein Grund für ihr Verschwinden sein könnte. Kalter Schweiß bricht ihm aus, als er zum ersten Mal wirklich realisiert, dass sie fort ist. Warum? Wohin ist sie gegangen? Warum hat sie ihn hier zurückgelassen? Warum hat sie ihn nicht geweckt? Was hat er falsch gemacht. Was? Verzweifelte Wut ergreift nun von Sesshomaru Besitz und den nächsten Schlag von Yaebas Waffe pariert er nicht, sondern mit zuckenden Blitzen um seine Hand fängt er die Klinge ab. Überrascht will Yaeba sie ihm wieder entreißen, doch Sesshomaru ist schneller. Mit Leichtigkeit reißt er dem Krieger die Waffe aus der Hand und schleudert sie hinter sich. Seine Augen beginnen nun gefährlich rot zu leuchten und seine Reißzähne schieben sich hervor. Grimmig kommt er auf Yaeba zu und noch im Gehen wird sein Körper plötzlich in rötliches Licht gehüllt und man kann praktisch dabei zusehen, wie sich Kleidung und Rüstung auf seiner nackten Haut bilden. In dem Moment, wo er Yaebas Kehle mit einem blitzschnellen Griff packt und ihn ein Stück hochhebt, ist er schon wieder völlig bekleidet. „Was geht hier vor?“, zischt er gefährlich, „Sag es mir, auf der Stelle!“ „Verreckt doch!“, quetscht Yaeba nicht minder tödlich hervor. Wütend schmettert Sesshomaru den Youkai auf den Boden, dass ein tiefer Eindruck im Boden entsteht. Noch immer hält er Yaebas Kehle umklammert und presst ihn auf die Erde. Zügellose Wut steht ihm nun ins Gesicht geschrieben. „Sag es mir!“, schreit er , „Wo ist sie!“ Mit aller Kraft kämpft Yaeba gegen den stählernen Griff des Youkaifürsten an, doch Sesshomarus Finger rühren sich keinen Millimeter. Doch das ändert nicht das Geringste an seiner Entschlossenheit. „Sie will nicht gefunden werden! Gebt es lieber auf!“ In Sesshomarus Kopf dreht sich alles. Was soll das alles? Was hat sie vor? Warum ist sie weggegangen und warum will sie nicht, dass er ihr folgt? Ein scheußliches Gefühl ballt sich plötzlich in seiner Brust zusammen wie ein eiskalter Stein. Es ist die nackte Angst! Hat sie ihn etwa verlassen, direkt nachdem er ihr seine Liebe gestanden hat? Direkt nach dieser Nacht? Noch immer hält er den Streuner mit ausgestreckten Arm am Boden fest. Ihm ist hundeelend zumute. „Weißt du wohin sie gegangen ist?“, unwillkürlich schwankt seine Stimme. Durch sein Zögern ermutigt, setzt Yaeba eine gehässige Miene auf. „Nein! Alles was sie sagte, als sie an mir vorbeirannte, war: Er darf mich niemals finden! Dann verschwand sie und selbst wenn ich wüsste, wo sie hin ist, ich würde es Euch nicht verraten, und wenn es mein Leben kostet!“ Sämtliche Farbe verschwindet nun aus Sesshomarus Gesicht. Fassungslos starrt er den Youkai unter sich an. „Du lügst!“, sagt er leise. „Denkt Ihr?“, kommt die boshafte Frage, „Welchen Grund sollte ich dafür haben?“ Einmal mehr fletscht Sesshomaru die Zähne doch es ist eher Verzweiflung als Wut. „Du willst sie für dich alleine! Doch du kannst sie nicht haben! Sie gehört mir!“ Mit tödlichem Ernst erwidert Yaeba seinen Blick. „Sie gehört niemandem!“, seine Stimme ist bitter, „Glaubt Ihr wirklich, ich könnte sie besitzen? Ich kenne meinen Platz. Sie ist für mich... unerreichbar! Und wenn Ihr glaubt, Ihr könntet es, dann täuscht ihr euch gewaltig!“ Sesshomarus Klauen schließen sich wieder fester um seine Kehle: „Was soll das heißen? Sie sagte...“ „Was immer sie sagte, spielt überhaupt keine Rolle!“, unterbricht Yaeba ihn kühl, „Versteht Ihr nicht? Niemand besitzt sie und niemand befiehlt ihr. Sie ist frei und sie wird auch frei bleiben! Außerdem hat sie keinerlei Interesse an Euch! Das sagte sie schon Arashitsume neulich.“ Ein glühender Blitz scheint Sesshomaru zu durchzucken und wie unter einem Schlag taumelt er einen Schritt zurück und lässt Yaeba los dabei. „Was... sagst du da? Was hat Arashitsume damit zu tun?“ Mühsam und sich die Kehle haltend, kommt Yaeba wieder auf die Füße. Ein wenig unsicher schaut er zur Seite, als hätte er gerade zu viel verraten. „Antworte!“, kommt der ungeduldige Befehl, „Wann war sie bei Arashitsume?“ Noch immer will Yaeba nicht recht mit der Sprache heraus. „Kurz bevor wir Euch am See trafen!“ Augenblicklich fällt Sesshomaru wieder seine Verwunderung von damals ein, als er überlegt hatte, warum die Spur der Streunerin offenbar zum Palast des Ostfürsten führte. „Was hat sie da gewollt?“, fragt er. Unbeeindruckt erwidert Yaeba seinen Blick: „Er rief sie zu sich. Er wollte etwas mit ihr besprechen.“ Die Worte erreichen Sesshomaru nur schemenhaft. Was, zum Teufel, geht hier nur vor? Was hat Hanaki bei Arashitsume gemacht? Sind die Geschwister nicht angeblich erbitterte Feinde? Er versteht gar nichts mehr. Auf einmal fällt ihm ein Satz von ihr wieder ein: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Arashitsume sich die Mühe macht, mich für meine Taten zur Verantwortung zu ziehen. Schon damals kam ihm diese Aussage seltsam vor. Ist das Verhältnis der beiden vielleicht doch nicht ganz so angespannt? Machen die beiden vielleicht gemeinsame Sache, um ihn irgendwie hinters Licht zu führen und auszunutzen? Warum das alles? Warum lehnte sie es ab, seine Frau zu werden, ließ sich aber trotzdem auf diese Nacht mit ihm ein? Hat sie ihm das alles vielleicht nur vorgespielt? Bei diesem Gedanken schmerzt der eisige Knoten in seiner Brust so heftig, dass es ihn fast zerreißt. Wie in Trance blickt er zu Yaeba auf. Irgendwie scheint der Wald um ihn her, jegliche Farbe verloren zu haben. Waren die Bäume die ganze Zeit schon so kahl und trüb? Eine gespenstische Stille liegt über der Lichtung auf der er nun bei genauerer Betrachtung einige umgeknickte Bäume und mehrere Stellen mit aufgewühlter Erde entdeckt. Schmerzerfüllt schließt er die Augen. Er kann nicht länger an diesem Ort bleiben. Er muss fort von hier, zu frisch sind die schmerzhaften Erinnerungen. Vielleicht ist das alles ja ein großes Missverständnis. Verzweifelt klammert er sich an diese Hoffnung. Er muss Gewissheit bekommen und es gibt nur einen einzigen Ort an dem er sie bekommen kann. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren oder Yaeba auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen, setzt er sich in Bewegung und mit fliegenden Schritten, so schnell ihn seine Füße zu tragen vermögen, macht er sich auf den Weg zurück zu Arashitsumes Palast. Leichter Nieselregel plätschert auf den steinernen Vorplatz des Schlosses. Hier und da huschen einige Bedienstete durch den Regen und neben dem Eingang zum Palast halten einige Elitesoldaten Wache. Zunächst scheint nichts die triste Eintönigkeit stören zu können, doch plötzlich heben die Wachen alarmiert die Köpfe. Eine gewaltige Aura nähert sich ihnen mit unglaublicher Geschwindigkeit. Doch noch ehe sie wissen wie ihnen geschieht oder sie auch nur reagieren können, beginnt das gigantische Steintor erbärmlich zu knirschen und nur Sekundenbruchteile später zerbirst es unter einem so heftigen Druck, dass die Steinbrocken wie Kanonenkugeln über den gesamten Vorplatz gefetzt werden. Hoch aufgerichtet steht Sesshomaru da. Die schillernde Aura um ihn funkelt in gefährlichem rot, ebenso wie seine Augen. Kalte Berechnung liegt in seinen Schritten, als er zielstrebig den Palasthof betritt. „Arashitsume!“, ruft er laut dabei hält er den Blick unverwandt auf den Eingang gerichtet. Nur wenige Augenblicke später haben sich die Wachen von dem ersten Schreck erholt. Sofort werden sie sich wieder ihrer Aufgabe bewusst und unverzüglich stürmen sie auf den Youkaifürsten los. „Wie könnt Ihr es wagen, einfach so hier einzudringen!“, grollt der erste gefährlich und stürzt sich auf ihn, „Das wird Euch teuer zu stehen kommen!“ Doch weiter kommt er nicht. Sekunden später fällt er in zwei Teile gerissen zu Boden. Den anderen Soldaten ergeht es nicht besser. Sesshomaru verschwendet kaum einen Blick auf seine Angreifer während er links und rechts mit seinen Klauen zuschlägt und überall Blutspritzer und leblose Körperteile verteilt. Brennende Wut hat von ihm Besitz ergriffen und es wäre besser für diese Narren, wenn sie ihn einfach passieren ließen, falls sie an ihrem Leben irgendwie hängen. „Arashitsume!“, brüllt er erneut, „Zeigt Euch!“ „Ich würde es begrüßen, wenn Ihr nicht alle meine Krieger töten würdet, Fürst Sesshomaru!“, ertönt einmal mehr die körperlose Stimme über dem Platz. Ruckartig fliegt Sesshomarus Kopf herum und grimmig starrt er auf den Fürst des Ostens, der gerade im Seiteneingang des Palastes erschienen ist. Heute lächelt er nicht. Wer kann es ihm verdenken. „Spart Euch euren Sarkasmus!“, schnappt Sesshomaru bissig, „Ich lasse mich von Euch nicht länger zum Narren halten!“ Arashitsumes Augen werden schmal. Er wirft einen langen Blick in die Runde. Er schaut auf seine getöteten Krieger und dann auf das zerstörte Tor. „Wollt ihr mir nicht verraten, womit ich ganz offenbar euren Zorn erregt habe, bevor noch Weiteres zu Bruch geht?“ Eine halbe Sekunde später ragt Sesshomaru hoch vor ihm auf. Tödlich funkelt er ihn an. „Nur weiter so! Behandelt mich weiter von oben herab und ich schwöre, ich breche Euch das Genick!“ Erst sagt der Ostfürst gar nichts doch dann wird sein Blick hart. Nun richtet auch er sich zu seiner vollen Größe auf und damit überragt er Sesshomaru knapp um eine Handbreite. „Was nehmt Ihr Euch eigentlich heraus?“, so leise seine Worte auch sind so bedrohlich klingen sie auch, „Ihr kommt hierher. Ihr zerstört mein Tor. Ihr tötet meine Wachen. Ihr fordert mich heraus und Ihr erwarte, dass ich das einfach so hinnehme? Seid ihr noch bei Sinnen?“ Die rotglühende Aura um Sesshomaru nimmt zu. Unter seinen enormen Energien flattern selbst seine Haare im Wind. Gefährlich nahe kommt er an Arashitsume heran. „Das ist eine gute Frage!“, faucht er, „Warum beantwortet Ihr sie mir nicht?“ Einen Moment lang blickt Arashitsume ihm unverwandt in die Augen, dann sagt er überzeugt: „Ihr seid von Sinnen!“ Mit beiden Händen packt Sesshomaru Arashitsume am Gewand. „Was Ihr nicht sagt!“, grollt er, „Doch das habt Ihr Euch selbst zuzuschreiben. Was für ein falsches Spiel spielt Ihr mit mir? Wo ist Eure Schwester?“ Auf einmal erscheint eine Miene des plötzlichen Verstehens auf Arashitsumes Gesicht. „Ah, ich verstehe! Es geht also um Hanaki. Was hat sie denn getan?“ „Stellt nicht meine Geduld auf die Probe!“, meint Sesshomaru bedrohlich, „Sicher wisst Ihr, was vorgefallen ist.“ „Ich bedaure, ich habe leider keine Ahnung!“, zuckt Arashitsume mit den Achseln. „Lügt nicht!“, schreit Sesshomaru erbost, „Ihr wisst ganz genau was in Eurem Reich vor sich geht!“ „Nun gut!“, missmutig schlägt Arashitsume Sesshomarus Hände von seinem Gewand und glättet anschließend die Falten. „Ich gebe zu, dass mir nicht viel entgeht. Doch in das Nordrevier wagen sich auch meine Späher nicht.“ Violett funkelnde Augen behalten Sesshomaru wachsam im Blick. „Also wisst Ihr Bescheid!“, stellt Sesshomaru düster fest. „Dass Ihr mit meiner Schwester verkehrt habt? Ja!“, Arashitsumes verschränkt die Arme, „Ehrlich gesagt, hat es mich nicht sehr überrascht.“ Ein wenig verblüfft hält Sesshomaru inne: „Weshalb das?“ Arashitsume lacht verächtlich auf: „Also, ich bitte Euch, Sesshomaru-sama. Schon bei unserer ersten Begegnung wart Ihr angetan von ihr. Sie ist faszinierend, nicht wahr?“ Sesshomaru hat es die Sprache verschlagen. Aufmerksam hat der Fürst des Ostens ihn beobachtet. „Ich sehe, es stimmt also“, er lächelt ein wenig, „Aber seid unbesorgt, Ihr seid nicht der erste, der ihrem... Charme zum Opfer fällt.“ Ärgerlich schnaubt Sesshomaru auf. „Ebenso wie Inu Taihyouga?“ Arashitsume hebt eine Braue: „So, sie hat es Euch also erzählt. Nun gut, ich bin ertappt! Ja, in der Tat fühlte sich auch Inu Taihyouga stark zu ihr hingezogen.“ Er legt die Fingerspitzen aufeinander: „Ich will offen mit Euch sein! Es hat mir ein wenig Sorge bereitet, dass Ihr ein solches Interesse an ihr gezeigt habt. Ob Ihr es nun glaubt oder nicht, auch ich sorge mich um mein Reich. Wenn einer der Fürsten sich mit meiner Schwester einlässt, dann ist das durchaus von Bewandtnis für mich.“ Ernst schaut Arashitsume Sesshomaru an. „Auf welche Weise!“, fragt der junge Westfürst vor unterdrücktem Ärger bebend. „Glaubt Ihr wirklich, ich lasse es zu, dass meine Schwester meine... Nachbarn gegen mich aufwiegelt? Ich musste Gewissheit haben, was sie von Euch wollte, also rief ich sie zu mir.“ Sesshomaru wird heiß und kalt. Sie war also tatsächlich hier. Doch noch immer weiß er nicht warum. „Und sie kam?“, kommt die misstrauische Frage. „Natürlich kam sie!“, lächelt Arashitsume, „Ich zitiere sie nicht oft hierher, aber sie weiß, dass ich auch andere Wege finde, wenn ich mit ihr reden will. Also entschloss sie sich, den einfachen Weg zu gehen. Vielleicht war sie auch einfach nur neugierig. Sie kam jedenfalls.“ „Was wolltet Ihr von ihr?“, kommt die harte Frage. „Ich wollte von ihr wissen, welches Interesse sie an Euch hat“, antwortet Arashitsume in aller Seelenruhe, „Denn zweifellos hatte sie bereits angefangen.“ „Angefangen?“, verwirrt starrt Sesshomaru ihn an, „Womit angefangen?“ Erneut hebt Arashitsume die Braue: „Na, damit, Euch zu verführen!“ Sesshomaru bekommt ein mulmiges Gefühl im Magen. „Was soll das heißen?“ Nun blickt Arashitsume ihn ernst an: „Verspottet mich nicht, Sesshomaru-sama! Ich bin sicher, dass Ihr es längst bemerkt habt. Ich rede natürlich von ihrem Duft!“ Sesshomaru erbleicht. Für einen Moment entgleisen ihm die Gesichtszüge doch Arashitsume redet bereits weiter: „Meine Schwester hat eine besondere Gabe. Für männliche Youkai riecht sie geradezu unwiderstehlich. Schon von klein auf, konnte niemand ihr widerstehen, außer natürlich ihren direkten Verwandten“, fügt er mit einem bissigen Nebensatz hinzu, „Alle anderen sind ungewollt fasziniert von ihr. Die Wenigsten vermögen ihr irgendetwas abzuschlagen. Das war auch der Grund, weshalb ich meine Krieger damals mit ihr ziehen ließ. Ich wusste, sie hatten keine andere Wahl. Wenn sie es darauf anlegt, kann sie alles fordern, was sie will.“ Wie erstarrt hat Sesshomaru seinen Worten gelauscht. Soll das bedeuten, dass alles nur eine große Lüge war. Sie hat ihre Pheromone versprüht und böswillig mit seinen Gefühlen gespielt. Sie hat ihm nur etwas vorgemacht? Das kann er einfach nicht glauben. Er will es nicht glauben! „Das kann nicht sein!“, behauptet er finster. „Ich befürchte es ist durchaus wahr. Nun ja, ich vergaß zu sagen, dass Daiyoukai eine Ausnahme darstellen.“ Sesshomarus Augen fliegen auf. Tatsächlich? Dann war es vielleicht doch nicht alles eine Lüge. Vielleicht ist doch alles ein Missverständnis. Die Möglichkeit besteht immerhin. „Eine Ausnahme?“, fragt er so selbstbeherrscht wie möglich. „Nun ja, ich muss es wohl so nennen“, antwortet Arashitsume, „Denn da Daiyoukai noch wesentlich empfindlichere Sinne besitzen, ist die Wirkung ihrer Gabe bei ihnen noch um ein Vielfaches stärker!“, aus schmalen Augen beobachtet er Sesshomaru mit einem verstohlenen Lächeln. Der Fürst des Westens verzieht keine Miene, aber seine Finger zittern ein wenig. Auch scheint er schwer zu schlucken und schon seit längerem ist die wütende Aura um ihn erloschen. Ungehindert geht nun der Regen auf ihn hernieder und fließt unbarmherzig in seine Haare und durchdringt seine Kleidung. Er macht nicht den Eindruck, als würde er es bemerken. Mit einem triumphierenden, kleinen Lächeln wendet Arashitsume sich ihm zu. „Versteht ihr jetzt meine Besorgnis? Selbst Inu Taihyouga war vollkommen wehrlos gegen ihren Geruch. Er sah sie nur einmal und wollte sie. Er bot sogar meinem Vater Frieden an, wenn er sie dafür bekommen würde. Doch wie Ihr ja wisst, weigerte sie sich, und das trotz des Wissens, dass Inu Taihyouga nichts unversucht lassen würde, um sie zu bekommen. Mit vollster Berechnung hetzte sie meinen Vater und den Fürst des Nordens aufeinander. Mein Vater starb bei dem Versuch, sein Reich zu verteidigen und sie nahm es willentlich in Kauf. Ich werde auf keinen Fall dulden, dass sie noch einmal Krieg anzettelt!“, scharf blickt er Sesshomaru an. Deshalb bestellte ich sie zu mir. Ich wollte ihre Pläne mit Euch in Erfahrung bringen, um Schlimmeres zu vermeiden! Ich fragte sie, ob sie planen würde, Eure Frau zu werden und wisst Ihr was sie antwortete?“ Regungslos starrt Sesshomaru ihn an. Er ist nicht in der Lage irgendeinen Muskel zu bewegen. Doch Arashitsume fährt schon fort: „Ich werde es Euch sagen! Sie lachte! Sie lachte schallend und nannte mich einen Narren! Sie meinte, Ihr wärt ja noch ein halbes Kind und zwischen ihr und Euch läge bereits ein ganzes Jahrhundert. Mit solch einem unreifen Jüngling könne sie nicht das Geringste anfangen. Eine Ehe mit Euch käme ihr gar nicht erst in den Sinn.“ Wieder geht Arashitsumes Blick hinüber zu Sesshomaru. Der Fürst des Westens rührt sich noch immer nicht, sein helles Haar hängt in nassen Strähnen von seinem Kopf herab und seine Kleidung ist bis auf die Haut durchnässt. Selbst der Pelz über seiner Schulter trieft unter dem heftigen Trommelfeuer des platternden Regens. Sein Gesicht ist nun aschgrau. Einen langen Moment ist der strömende Regen das einzige Geräusch. Dann hebt Sesshomaru langsam den Kopf. „Und warum dann das Ganze?“, seine Stimme klingt müde, „Was hat ihr das alles gebracht?“ Mit einem genüsslichen Lächeln wendet Arashitsume sich ihm zu. „Na, was denn, sie hat doch gekriegt was sie wollte?“ Verwirrt schaut Sesshomaru ihn an: „Wovon sprecht Ihr?“ Ein seltsames Funkeln glitzert in Arashitsumes Augen. Dann kommt er einen Schritt näher. „Oh, Sesshomaru-sama, haltet mich nicht für dumm! Selbst wenn ich keine Späher in eurer Nähe hatte, so weiß ich doch spätestens nach eurem Auftauchen hier, was vorgefallen ist!“ Sanft tippt er sich mit der Fingerspitze gegen die Nase. „Ich habe Euch doch gesagt, dass sie im Grunde ihres Herzens nichts mehr ersehnt, als ihren angestammten Rang zurückzuerhalten. Hanaki hat schon immer bekommen was sie wollte!“, nun kommt er ganz dicht an Sesshomaru heran, so dass sein Mund beinah dessen Ohr berührt, „Und was sie diesmal wollte, war ein Kind!“ „Was?“, fassungslos starrt Sesshomaru den Ostfürsten an. Urplötzlich ist wieder Leben in ihn gekommen. Er ist fast einen ganzen Schritt zurückgewichen und seine Hände sind schmerzhaft zur Faust verkrampft. Mit weit aufgerissenen Augen versucht Sesshomaru das Gehörte zu verarbeiten. Ein Kind? Ein Kind? Was für ein Unsinn, nein ein Irrsinn! „Aber... warum?“, stammelt er noch immer völlig perplex. „Na, ist das nicht offensichtlich?“, meint Arashitsume kühl, „Wenn meine Schwester ein Kind von einem der Fürsten vorweisen kann, was glaubt Ihr denn welche Auswirkungen das auf ihren Status haben wird. Das Gesetz verlangt es, dass dem Kind, wie der Mutter die gleichen Rechte eingeräumt werden, wie einer Ehefrau und ihrem Kind. Dazu muss sie Euch noch nicht einmal heiraten.“ Die letzten Worte verschwimmen in Sesshomarus Kopf zu einem seltsamen Rauschen. Das kann nicht sein! Das kann nicht sein! Das alles nur, weil sie ein Kind von ihm wollte? Er weigert sich, das zu glauben. War denn wirklich alles gespielt? Sieht sie doch nichts weiter als einen dummen Jungen in ihm? Aber hat sich nicht genau das erst neulich zu ihm gesagt? Hat sie bei ihm nicht gleich von Anfang an ihre Lockstoffe versprüht? Hat nicht sie ihn zuerst geküsst? Hat sie nicht erst vor wenigen Stunden, abgelehnt ihn zu heiraten? Doch am schwersten wiegt noch immer die Tatsache, dass sie sich ohne jegliches Wort des Abschieds oder der Erklärung davongestohlen hat. Yaeba hatte erwähnt, sie hätte gesagt, dass sie auf keinen Fall gefunden werden wollte. Hatte sie Angst, dass er sie durchschauen würde und ihr und seinem ungeborenen Baby womöglich etwas antun würde? War das der Grund? So sehr es auch schmerzt und so sehr er den Fürst des Ostens auch verabscheut, diesmal scheint er tatsächlich Recht zu haben. Es passt einfach alles zusammen. Diese Erkenntnis setzt ihm stärker zu als alles was er bisher mitmachen musste. Er kommt sich so unglaublich töricht vor, dass er auf sie hereingefallen ist, dass er am liebsten vor Scham vergehen möchte und zugleich ist da diese kleine Stimme in ihm, die noch vor kurzen aus tiefster Seele frohlockt hat und die nun aus voller Brust die verzweifelsten Schmerzensschreie herausschreit. Doch nichts davon ist auf seinem Gesicht zu erkennen. Sesshomaru fehlt längst die Kraft, um all diesen Gefühlen nachzugeben, die ihn einfach mit sich fortspülen. Dass Arashitsume weiterredet, macht es nicht besser. Im Gegenteil! „Ich bedaure, wenn Ihr Euch womöglich irgendwelche falschen Hoffnungen gemacht habt. Doch ich befürchte, sie hat Euch ebenso verraten wie schon ihr eigenes Volk. Haltet mich nicht für taktlos, doch ich sehe mich gezwungen, Euch daran zu erinnern, dass ich Euch gleich zu Beginn gewarnt hatte. Ich sagte, dass Ihr ihr nicht trauen dürftet. Ich sagte, Ihr würdet ihre wahre Natur noch früh genug erkennen. Gebt also nicht mir die Schuld an Euren Fehlern und vor allem, dringt niemals wieder auf diese Art in mein Schloss ein! So ein Verhalten ist nicht zu rechtfertigen!“ Sesshomaru hat den Kopf gesenkt. Seine Schultern beben leicht. Ein mildes Lächeln zieht nun über Arashitsumes Gesicht. „Aber natürlich sehe ich, das Euch diese Sache nahe geht, deshalb werde ich es heute noch einmal dabei belassen. Ich bin sogar bereit Euch zu beweisen, dass ich keinen Groll gegen Euch hege. Ich werde Euch einige meiner Soldaten zur Verfügung stellen und Euch helfen sie aufzuspüren, damit sie ihre gerechte Strafe erhält. Gemeinsam werden wir sie sicher...“ „Nein!“, das eisige Wort unterbricht Arashitsumes Rede. Irritiert blickt der Ostfürst auf. „Was meint Ihr mit „Nein“? Wollt Ihr keine Hilfe bei der Suche?“ Noch immer hat Sesshomaru seinen Kopf gesenkt, doch seine Stimme hat wieder Kraft bekommen. „Nein, Ihr täuscht Euch wenn Ihr glaubt, dass es mir nahe geht!“ Ein rötliches Schimmern geht nun von ihm aus. Man kann fast dabei zusehen, wie sein Haar und seine Kleidung durch die Intensität seiner Aura wieder trocknet. Gleichmäßig hebt und senkt sich seine Brust. Nun hebt er langsam den Kopf. Seine Kiefer sind fest aufeinandergebissen und in seinen goldfunkelnden Augen liegt eine tödliche Kälte. „Wenn ich Eure Hilfe in Anspruch nähme, würdet Ihr nur wieder Euren Willen bekommen und ich bin nicht bereit, weiter nach Eurer Pfeife zu tanzen!“, er kommt ein bisschen näher und die Bedrohung, die von ihm ausgeht, ist nahezu körperlich spürbar. Kalte Berechnung liegt in seinen Worten als er weiterspricht: „Auch Ihr behandelt mich noch immer wie einen kleinen, dummen Jungen. Damit ist jetzt Schluss! Habt Ihr mich verstanden? Ich bin Sesshomaru, Sohn des Inu Taishou, der Fürst des Westens und wenn Euch das nicht passt, dann werde ich Euch mein Geburtsrecht jederzeit gerne beweisen! Und was Eure Schwester angeht, seid gewiss, sie wird keinen Erfolg haben! Sie hat mich einmal zu viel zum Narren gehalten! Denn so wahr ich hier stehe, ich schwöre Euch, sollte sie jemals, und sei es auch in weiter Ferne, mit einem Kind bei mir auftauchen, so werde ich dieses Kind niemals als das meine anerkennen! Niemals! Sie wird nicht triumphieren können. Aber ich werde sie nicht verfolgen! Im Gegenteil! Ich werde nie wieder einen Gedanken an sie verschwenden, doch sollte sie mir je wieder unter die Augen treten, werde ich sie mit meinen eigenen Händen töten, verlasst Euch darauf!“ Zornesbebend steht Sesshomaru direkt vor Arashitsume: „Und was Euch angeht, allein die Tatsache, dass Ihr dieses eine Mal die Wahrheit gesagt habt, bewahrt Euch vor meinem Zorn. Sollten sich unsere Wege jemals wieder kreuzen und Ihr unterschätzt mich auch weiterhin, dann garantiere ich Euch, dass ich für jegliche Beleidigung umgehend Vergeltung fordern werde. Habe ich mich verständlich gemacht?“ Mit schmalen Augen und zusammengepressten Lippen funkelt Arashitsume ihn an: „Das habt Ihr, Sesshomaru-sama. Doch seit gewiss, dass das auch für mich gelten wird!“ Nun lacht Sesshomaru verächtlich auf und dann entblößt er seine Zähne. „Das werden wir ja sehen! Um Euretwillen hoffe ich, dass Ihr Euch niemals mit mir anlegen werdet!“ Unmittelbar darauf beginnen seine Augen dunkelrot zu glühen und seine Aura nimmt erheblich an Intensität zu. Ein heftiger Wind wirbelt nun die schweren Regentropfen beiseite und das rötliche Licht hüllt seinen Körper vollkommen ein. Ein kehliges Lachen dringt aus Sesshomarus Kehle und sein Gesicht beginnt sich gefährlich in die Länge zu ziehen. Immer größer wird seine Erscheinung und wenige Augenblicke später hat er sich in einen gigantischen, weißen Hund verwandelt dessen riesige Fangzähne einen ätzenden Speichel absondern. Noch einmal dringt das seltsame Lachen aus seiner Kehle und es klingt wie ein Gewittergrollen. Dann dreht der mächtige Youkaifürst sich um und mit furchteinflößend wehender Mähne setzt er sich in gewaltigen, kraftvollen Sprüngen in Bewegung und schlägt den Weg in Richtung Norden ein. Kapitel 43: Kriegsrat --------------------- Gedankenversunken blickt Inu Yasha in die Richtung in der sein Bruder verschwunden ist. Über den Bäumen am Horizont beginnt der Himmel bereits leicht wieder heller zu werden. Mitternacht ist schon seit einer Weile vorbei. Doch der Hanyou schenkt dem keine Beachtung. So reglos wie er dasteht, so sehr sind seine Gedanken momentan in Aufruhr. Es ist ihm unangenehm, doch es fällt ihm sehr schwer, diese ganze Situationsänderung zu erfassen. Er war sein Sohn! Das muss er erstmal verarbeiten. Innerlich möchte er sich fast selber ohrfeigen, dass ihm das nicht früher aufgefallen ist. Eigentlich hätte er es gleich merken müssen. Sein Bruder hat völlig recht. Tenmarus Geruch war dem seines Vaters unglaublich ähnlich. Erstaunlich, was eine andere Kleidung, Haar- und Augenfarbe doch ausmacht. Aber das Gesicht war das gleiche, wenn auch die Wangenzeichnung anders war. Doch auch die Bewegungen, die Kraft, der unergründliche Blick, aus dem man nicht schlau wird und die unerschütterliche Entschlossenheit, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt haben, darin sind sich die beiden erschreckend ähnlich. Dass es ihm trotzdem nicht aufgefallen ist, liegt vielleicht daran, dass er im Leben nicht mit der Möglichkeit gerechnet hat, dass sein Bruder einen Sohn haben könnte. Sesshomaru war niemals der Familientyp und irgendetwas in der Richtung angedeutet, hat er niemals! Irgendwie verständlich, wenn man sein Verhalten bedenkt. Er schien Tenmaru von vornherein verachtet zu haben. Er hat sich schlicht geweigert, die Tatsache anzuerkennen, einen Sohn zu haben. Wenn Inu Yasha daran denkt, packt ihn gleich wieder die Wut auf seinen Bruder. Wie konnte er das nur tun? Aber was ihn noch viel mehr beschäftigt, ist die letzte Reaktion seines Bruders auf seine Worte. Er hat doch wirklich geweint! Verdammt, warum das auf einmal? Das verstehe wer will! Da passt doch irgendwas absolut nicht zueinander! Einerseits weigert er sich, seinen Sohn anzuerkennen und dann nimmt er sich seine Worte so sehr zu Herzen, dass es ihm die Tränen in die Augen treibt. Was, um alles in der Welt, kann seinen Bruder so dermaßen aus der Fassung gebracht haben, dass er so völlig die Beherrschung verliert? Ob ihm Tenmarus Tod womöglich doch nahegeht? Aber wenn er den Streuner doch gemocht hat, warum zum Teufel, hat er sich dann die ganze Zeit über so verhalten? In diesem Moment vernimmt Inu Yasha eine vertraute Witterung und er hebt den Kopf. „Inu Yasha! Kagome!“, es ist Sango die da ruft. Sie sitzt zusammen mit Miroku und Shippo auf Kirara und erreichen gerade die Lichtung. Die Katzendämonin hat sich also doch schon wieder erholt. Rasch steigen die drei ab und laufen nun zu ihnen hinüber, worauf Kirara nun wieder auf ihre normale Größe zurückschrumpft. Sie wirkt noch immer etwas erschöpft. Nun blickt Kagome auf und die Dämonenjägerin stutzt erschrocken. Noch immer hockt das Mädchen auf dem kühlen Erdboden und wirkt wie ein Häufchen Elend. Tiefe Traurigkeit liegt in ihrem Blick und ihre Wangen sind nass von den Tränen. „Kagome!“, ruft Sango besorgt und läuft zu ihrer Freundin hin. Irgendetwas Schlimmes muss passiert sein. „Was hast du denn, Kagome?“, fragt sie, „Ist etwas geschehen?, sie sieht sich um, „Wo ist Tenmaru?“ Sofort füllen sich Kagomes Augen wieder mit Tränen: „Er ist... Sie hat ihn... Diese Miko hat ihn...“, dann bricht sie wieder in Schluchzen aus und Sango versteht. Diese Nachricht ist auch für sie ein Schock. Behutsam legt sie ihren Arm um ihre Freundin und tröstet sie, wobei sie sich jedoch auch selbst die Tränen verkneifen muss, die in ihr aufsteigen. Sie kann sich nicht helfen, aber der junge Streuner war ihr irgendwie sympathisch. Nun tritt Miroku an Inu Yasha heran. „Wie ist das passiert?“ Auch der Mönch wirkt betroffen. Inu Yasha ballt die Faust: „Ich weiß es nicht genau. Wir kamen zu spät, aber so wie es aussieht, hat diese Miko es auf Sesshomaru abgesehen gehabt und Tenmaru hat wohl den Angriff, der für ihn gedacht war, abgefangen. Dieses miese Stück hat ihn geläutert und jetzt ist er tot!“ Miroku nickt leicht: „Ja, das glaube ich gerne. Sie scheint unglaublich stark zu sein. Ein Youkai wie Tenmaru hat da keine Chance.“ Nun blickt Inu Yasha den Mönch ernst an. „Miroku, Tenmaru war nicht einfach nur ein Youkai. Er war ein Daiyoukai und er war...“, nun blickt er starr zu Boden, „mein Neffe!“ Ungläubig reißt Miroku die Augen auf. „Bitte was? Dein Neffe? Aber das müsste ja dann bedeuten, dass...“ Inu Yasha nickt: „Er war Sesshomarus Sohn.“ Völlig perplex starrt der Mönch den Hanyou an: „Also das... das haut mich jetzt wirklich um!“ „Na und mich erst!“, brummt Inu Yasha ärgerlich. „Damit hätte ich nie gerechnet!“, meint Miroku. „Glaubst du ich?“, schnappt Inu Yasha ungehalten, „Für mich ist das auch ne riesige Überraschung! Wer hätte denn damit rechnen können, dass sich Sesshomaru mit einer Streunerin einlässt?“ In diesem Moment ertönt hinter ihnen ein verächtliches, leises Lachen. Der Streuner Kossoridoku hängt noch immer zwischen den beiden Nordyoukais, doch nun kichert er glucksend in sich hinein. Dabei ignoriert er, dass der Griff um seine Arme nun schmerzlich fester wird. Inu Yashas Kopf fliegt herum und dann richtet er sich hoch auf und kommt auf den Westyoukai zu. Nun steht er unmittelbar vor ihm und blickt auf ihn hinab. „Kannst du mir mal sagen, was daran so lustig ist, hmm?“, fragt er scharf. Mit einem genüsslichen Grinsen blickt Kossoridoku zu ihm hoch. Sein blutverschmiertes Haar hängt ihm wirr ins Gesicht, doch in seinen Augen funkelt es boshaft. „Ich finde es einfach amüsant, zu sehen, dass sich meine Meinung über die Fürstenfamilie des Westens einmal mehr bestätigt.“ Gehässig starrt er Inu Yasha an: „Sie sind schwach! Schwach und emotionsbehaftet. Inu Taishou war es, als er diese Menschenschlampe beglückte und Sesshomaru ist kein bisschen besser. Er hat immer so sehr versucht, dem Erbe seiner Familie gerechtzuwerden und stets Selbstbeherrschung zu üben, und dann hatte er gegen den Geruch einer Streunerin keine Chance. „Er hat sich von ihr einfach um den Finger wickeln lassen. Wahrscheinlich hat er das sogar wirklich für Liebe gehalten, was er für sie empfand und dabei waren es nur ihre Lockstoffe, die ihn verrückt gemacht haben“, der Westyoukai grinst genüsslich, „Es muss ein schwerer Schlag für ihn gewesen sein, als sie ihn verlassen hat, direkt nachdem sie sich von ihm hat schwängern lassen. Das wird seinem Stolz gar nicht gut bekommen haben. Aber diesen kleinen Dämpfer hat er verdient, der arrogante Mistkerl! Er wollte immer so verzweifelt seinem Vater nacheifern und das ist ihm nun auch gelungen, schließlich hat auch er sich mit einer Frau eingelassen, die komplett unter seiner Würde war und das nur, um seine Gelüste zu befriedigen. Wie erbärmlich!“ Nach diesen Worten hängt für einen Augenblick Schweigen über dem Platz. Mit steinerner Miene steht Inu Yasha da und sagt kein Wort. Doch dann urplötzlich verzieht sich sein Gesicht zu einer wütenden Grimasse, er holt aus und mit aller Kraft, die sein Ärger ihm verleiht, verpasst er Kossoridoku einen Schlag mit der Faust ins Gesicht, dass seine Kieferknochen verdächtig knacken und er einen Schwall Blut ausspuckt. Kossoridoku keucht. Nun kommt Inu Yasha ganz nah an sein Gesicht heran. „Du elender Scheißkerl!“, raunt er gefährlich und man sieht deutlich wie sehr er sich beherrschen muss dabei, „Wenn du nur einmal noch so von meiner Mutter oder von meinem Bruder sprichst, reiße ich dir den Kopf ab!“ Ein wenig verunsichert blickt Kossoridoku nun auf. Ein Blick in Inu Yashas Augen sagt ihm zweifelsfrei, dass das keine leere Drohung ist. Aber er ist ein Hanyou! Sicher hegt Sesshomaru keinerlei freundschaftlichen Gefühle für ihn, warum also stören ihn seine Worte so? Trotzig beschließt er zu fragen. „Macht dich das ärgerlich, Hanyou? Die Gefühle sind verschwendet! Sesshomaru würde dich auch nicht verteidigen.“ Nun packt Inu Yasha den Youkai vorne am Gewand und zieht ihn zu sich heran. Mit gefletschten Zähnen starrt er ihn tödlich an. „Weißt du eigentlich wie scheißegal mir das ist? Ich lasse meine Entscheidungen nicht von Sesshomarus Gefühlen zu mir beeinflussen! Ich weiß, dass er mich nicht leiden kann. Das beruht auf Gegenseitigkeit. Aber auch wenn ich ihn für einen eingebildeten Sturkopf halte, ist er immer noch mein Bruder! Und die Tatsache, dass Sesshomaru auch noch andere Gefühle außer Hass und Verachtung kennt, macht ihn mir gleich sympathischer! Offenbar ist er unserem Vater doch ähnlicher, als ich bisher angenommen hatte. „Ich schätze, ich muss meinem Bruder danken, dass er in den letzten Tagen so darauf bestanden hat, dass ich mich erinnere, zu welcher Familie ich gehöre. Auch ich bin Inu Taishous Sohn und ich bin mehr als nur stolz darauf und deshalb werde ich nicht länger zulassen, dass du die Würde unserer Familie so in den Dreck ziehst!“ Ein wütendes Funkeln blitzt in Inu Yashas Augen auf und ein weiterer heftiger Fausthieb findet sein Ziel im Gesicht des Streuners. Kossoridoku ächzt. Blut läuft ihm aus den Mundwinkeln und für einen Moment hängt er lediglich schlapp in den Armen der beiden Nordyoukais. Er sieht inzwischen reichlich mitgenommen aus. Zornige, gelbe Augen, blinzeln durch seine Ponyfransen zu Inu Yasha hoch. Dann spuckt er ihm vor die Füße. „Wie sollte ein Hanyou auch verstehen, was für eine Schande es ist, wenn sich ein Fürst mit einer Gespielin unter seinem Niveau einlässt!“ Er verzieht schmerzhaft das Gesicht, als sich Samushis und Kegawas Klauen grimmig in sein Fleisch bohren. Doch Inu Yasha geht gar nicht darauf ein. Verächtlich blickt er auf den Streuner hinab. „Weißt du, was das Schlimmste ist? Er hat sie wirklich geliebt! Beide, seinen Sohn und diese Frau! Er durfte es nur niemals zeigen, um nicht das Gesicht zu verlieren, weil solche selbstgefälligen Typen wie du nicht einsehen wollen, dass Liebe manchmal einfach nicht rational ist.“ „Ich fürchte, Ihr irrt Euch, Inu Yasha-sama!“ Inu Yashas Gesicht fliegt nun hinüber zu Yaeba. Der Anführer der Streuner steht mit leicht gesenktem Blick da und seinem Körper scheint jede Kraft zu fehlen. Sein Gesicht ist bleich und er sieht müde aus. Nun blickt er zu dem Hanyou hinüber und die Trauer über den jüngsten Verlust, steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. „Was soll das heißen?“, fragt Inu Yasha. Yaeba atmet einmal durch, dann sagt er leise: „Es war niemals wirkliche Liebe, was Sesshomaru empfunden hat. Kossoridoku hat recht. Er ist Hanakis Witterung verfallen. Wir haben es sofort gewusst, schließlich kannten wir das auch. Jeder von uns hat dieses Gefühl zu spüren bekommen, schließlich war sie nur von Männern umgeben. Es hat Jahre gedauert, bis wir die Gefühle, die diese Witterung bei uns verursachte, unter Kontrolle hatten. Aber sie war immer anständig, immer distanziert und diszipliniert. Sie gab uns die Zeit. „Doch Sesshomaru war noch sehr jung damals. Er war gerade erst siebzehn. Fast noch ein Knabe, stürmisch und unerfahren. Ihr erinnert mich ein wenig an ihn, wie er damals war.“ Verblüfft blickt Inu Yasha ihn an: „Im Ernst?“ Yaeba nickt leicht. „Man könnte sagen, dass das was damals geschehen ist, für ihn eine bittere Lehre war. Vermutlich war es die Neugierde, die ihn zuerst zu uns führte, doch dann blieb er und wir wussten, er war ihr völlig verfallen! Er ist ein Daiyoukai, seine Sinne sind um ein vielfaches empfindlicher als unsere. Er hatte keine Chance!“ Betrübt blickt Yaeba zu Boden. Einen langen Augenblick schaut Inu Yasha den Streuner nur an, dann sagt er: „Weißt du was? Ich glaube, du kennst meinen Bruder wirklich überhaupt nicht! Für mich besteht kein Zweifel mehr daran, dass er sie wirklich geliebt hat!“ Irritiert blickt Yaeba auf: „Wie kommt Ihr darauf?“ „Ganz einfach! Weil mein Bruder einfach nicht so ein Schwächling ist! Wenn du glaubst, dass Sesshomaru von so einer Witterung unterkriegen lässt, dann täuschst du dich aber gewaltig! Myouga hat mir erzählt, dass meine Familie direkt von dem Inuyoukaifürsten Reiseimaru (Vollkommene Gelassenheit) abstammt und, dass alle seine Nachkommen sein Erbe in sich tragen. Ich kenne niemanden, auf den das mehr zutreffen würde als auf Sesshomaru. Der Kerl ist normalerweise die Selbstbeherrschung in Person. Wenn es bei der Sache nur um pures Verlangen gegangen wäre, hätte er es niemals so weit kommen lassen, da bin ich sicher! Dazu ist er einfach viel zu stolz. Außerdem, wenn das ganze nur eine kurze, pheromongesteuerte Affäre gewesen wäre, hätte er Tenmaru gleich bei ihrem ersten Treffen getötet und nicht die ganze Zeit versucht, ihn nur zu ignorieren! Wenn es nur ein flüchtiges Abenteuer gewesen wäre, dann hätte er ihn getötet, ohne sich die Mühe zu machen, ihn erstmal kennenzulernen und abzuschätzen, wie er es getan hat. Er hätte es gar nicht erst soweit kommen lassen, dass er ihn womöglich zu mögen beginnt. „Dass er sogar geweint hat, ist der beste Beweis dafür, dass da wirkliche Gefühle im Spiel waren. Und wenn das stimmt, dann muss Sesshomarus Verletzung viel tiefer sein, als du es dir vorstellen kannst. Vielleicht hat es mit der Witterung angefangen, doch ich glaube irgendwie wurde da mehr draus. Es muss ihn unheimlich Überwindung gekostet haben, seine Maske der Selbstbeherrschung aufzugeben. Er hat es riskiert und sich angreifbar gemacht, und dass diese Blöße so schamlos ausgenutzt wurde, hat ihn dann so zerrüttet, dass er nicht mal mehr seinen eigenen Sohn anerkennen wollte, so gern er ihn am Ende vielleicht auch hatte!“ Sprachlos blicken die Umstehenden den Hanyou an. Yaeba ist noch blasser geworden. Auf einmal liegt ihm ein namenloser Schrecken im Gesicht. „Seid Ihr Euch da wirklich sicher? Ihr könnt doch unmöglich wissen, was damals zwischen Sesshomaru und Chutaisho vorgefallen ist? Wie könnt Ihr da so überzeugt von sein?“ Inu Yasha seufzt, dann verschränkt er die Arme. „Du hast es selbst gesagt, wir beide sind uns doch irgendwie ähnlich. Ich stelle mir einfach vor... was ich an seiner Stelle täte! Ich...“, er zögert und sein Blick geht flüchtig zu Kagome hinüber. Schon will er etwas sagen, doch er besinnt sich rasch anders. „Glaub mir, ich kann gut nachvollziehen, wie er sich fühlen muss. Er hat sie geliebt und sie hat ihn verraten... deshalb ist er traurig und wütend, aber... er hat sicher nicht aufgehört, sie zu lieben! Es ist nicht einfach, jemanden gleichzeitig zu lieben und zu hassen. Vielleicht habe ich mich nie besonders mit Sesshomaru verstanden, aber das ist etwas, das ich wirklich niemandem wünsche!“ Nach diesen Worten herrscht erstmal Schweigen über der Lichtung. Ein wenig unbehaglich bemerkt Inu Yasha die ungläubigen Blicke seiner Freunde. Auch die Youkais sehen ein wenig nachdenklich aus. Er stemmt die Hände in die Seiten: „Was denn?“ „Gar nichts!“, meint Sango schnell. „Wir sind nur überrascht, dass du dir auf einmal solche Gedanken um ihn machst“, fügt Miroku hinzu. Eingeschnappt und mit verschränkten Armen dreht Inu Yasha sich weg: „Mach ich ja gar nicht! Aber er hat mich in den letzten Tagen auch immer verteidigt, obwohl ihm das nicht gepasst hat. Ich schulde ihm was!“ Inu Yashas Blick trifft Kagomes. Das Mädchen blickt ihn groß an. Ihre Augen sind noch immer gerötet, doch sie hat sich wieder etwas gefangen. Langsam kommt sie wieder auf die Füße. Dem Hanyou wird nun doch etwas mulmig zumute. Irgendetwas an Kagomes Gesicht beunruhigt ihn und er hat eine wage Ahnung, was es ist. Unwillkürlich ballt er die Faust. Bitte, nicht das jetzt auch noch! Langsam kommt sie auf ihn zu, ohne ihn dabei aus den Augen zu lassen. Schließlich steht sie direkt vor ihm. Inu Yashas Nacken verspannt sich etwas. Er kennt diesen Blick. Es ist nicht nur die Traurigkeit über den Tod des Streuners. Vielleicht hätte er doch besser den Mund gehalten. Doch dann atmet Kagome einmal tief durch und blickt ihn fest an: „Und was machen wir jetzt?“ Irritiert blickt er sie an. „Was fragst du mich das?“ „Na ja“, meint sie zögernd, „Sollten wir nicht vielleicht diese Miko verfolgen? Wenn wir sie überwältigen können, haben wir vielleicht noch einen Beweis für Arashitsumes Verrat! Außerdem...“, und ihre Augen bekommen nun einen grimmigen Glanz, „werde ich ihr niemals verzeihen, was sie getan hat!“ „Ihr geht... nirgendwo hin!“ Alle Augen wenden sich nun der zittrigen Stimme hinter ihnen zu. Dort steht Dokutoge, ziemlich wacklig auf den Beinen, aber er steht. Mit beiden Händen hält er den Griff seines Schwertes umklammert, wenn man auch merkt, dass ihn das enorme Anstrengung kostet. Seine Kleidung ist blutdurchtränkt und zerrissen. Seine Augen haben eine wässrig gelbe Farbe, aber sein Blick wirkt zu allem entschlossen. Zunächst mustern ihn die Umstehenden nur abschätzend, dann wendet sich Inu Yasha ihm zu: „Du bist ein Soldat meines Bruders, hab ich nicht recht?“ Der Westyoukai keucht einmal vernehmlich dann reißt er sich wieder zusammen. „Mein Name ist Dokutoge, ich bin der Herrführer des westlichen Reiches und ich werde nicht zulassen, dass es zum Krieg kommt!“ Skeptisch hebt Inu Yasha eine Augenbraue: „Also mit der Einstellung bist du hier nicht alleine!“ Er will sich wieder abwenden, doch der scharfe Ruf Dokutoges lässt ihn innehalten: „Keine Bewegung, Hanyou! Die Fürstin des Nordens hat deinen Tod gefordert, deinen und den dieser Streuner. Die Frist dafür läuft mit Sonnenaufgang ab. Wenn Fürst Sesshomaru euch bis dahin nicht getötet hat, wird sie uns mit ihrem gesamten Heer angreifen und dann ist ein Krieg unausweichlich!“ Skeptisch schaut Inu Yasha ihn an: „Soll das heißen, du bist nicht der einzige Westkrieger hier?“ „Das ganze Westheer ist hier!“, meint Dokutoge verbissen. Noch immer scheint er Schwierigkeiten zu haben, aufrecht zu stehen. Einen Moment lang scheint es hinter Inu Yashas Stirn zu arbeiten, dann meint er: „So ist das also! Jetzt weiß ich, was Sesshomaru meinte, als er sagte, er müsse einen Krieg verhindern.“ „Und das wird er auch tun!“, stellt der Westkrieger grimmig klar. Inu Yasha wirft ihm einen ernsten Blick zu: „Siehst du Sesshomaru hier irgendwo? Ich schätze im Moment ist er ein wenig mit anderen Dingen beschäftigt!“ Doch der Youkai trotzt seinem Blick: „Das spielt keine Rolle!“, er keucht einmal vernehmlich, „Dann werde ich diese Aufgabe für ihn erledigen! Ich diene dem Westen und seinem Fürsten“, ein zutiefst verächtlicher Blick geht zu dem Streuner hinüber, der noch immer von den beiden Nordyoukais, wie in einem Schraubstock festgehalten wird, „und zwar völlig ungeachtet davon..., ob er diese Loyalität verdient oder nicht!“ Nachdenklich schaut Inu Yasha den Westkrieger an. Dann sagt er: „Löblich! Aber du kannst dich doch kaum noch auf den Beinen halten.“ Grimmig fletscht Dokutoge die Zähne: „Täusch dich da nicht, Hanyou! Solange noch ein Funken Leben in mir ist, werde ich dafür sorgen, dass es nicht zum Krieg kommt und wenn das bedeutet, dass du und diese Streuner sterben müsst, dann ist das meine Aufgabe!“ Gespannt halten alle Anwesenden den Atem an. Was wird nun passieren? Werden sie wieder kämpfen müssen? Doch der grimmige Westkrieger scheint im Augenblick mehr tot als lebendig zu sein. Sein Gesicht ist kalkweiß und einige seiner Wunden scheinen wieder aufgebrochen zu sein. Inu Yasha seufzt, dann wird sein Blick wieder ernst. „Langsam habe ich wirklich die Nase voll, von euch Youkaikriegern. Stolz und Loyalität in allen Ehren, aber nun reicht es mir!“ Mit diesen Worten kommt er nun auf Dokutoge zu und funkelt ihn dabei unbeirrt an; dieser greift nun sein Schwert fester aber sein Gesicht verrät, dass er sich die Schmerzen verbeißen muss. Nun hat Inu Yasha ihn fast erreicht und seine Hand geht zu Tessaigas Griff: „Ich hatte zwar gehofft, dass das nicht nötig sein würde, aber offenbar versteht ihr wirklich nur eine Sprache!“, und damit zieht er das Schwert aus seiner Scheide. Dokutoges Augen weiten sich und er stutzt unwillkürlich. Nun baut sich Inu Yasha direkt vor ihm auf und wirft ihm einen düsteren Blick zu. Erst mustert er den Youkai einen Moment, doch dann sagt er kalt: „Auf die Knie!“ Fassungslos starren die Umstehenden Inu Yasha an. Haben sie gerade richtig gehört? Aber auch der Westkrieger blickt verwirrt drein und reagiert erstmal gar nicht. Inu Yashas Augen werden schmal, dann hebt er sein Schwert ein wenig und streckt es dem Krieger entgegen: „Siehst du das? Das ist Tessaiga! Es gehörte meinem Vater! Jetzt gehört es mir! Ich wiederhole noch mal: Auf die Knie, sofort!“ Noch immer völlig sprachlos starrt Dokutoge ihn an, doch dann ganz langsam wird ihm die Sachlage klar und wie in Zeitlupe sinkt er auf die Knie hinab. Glücklich sieht er allerdings nicht aus, im Gegenteil! Der Youkai sieht aus, als hätte man ihm eine saftige Ohrfeige verpasst. „Vater, was tust du da?“, der empörte Aufschrei, lässt alle Umstehenden herumfahren. Mit fassungslos aufgerissenen Augen und angewiderter Miene starrt Kossoridoku zu Dokutoge hinüber. „Warum kniest du vor ihm? Er ist ein Hanyou, eine widerliche Abnormität! Er ist lediglich das Ergebnis von Inu Taishous ungezügelter Lust und er verdient keinen Respekt. Warum lässt du dich von ihm so demütigen?“ „Halt den Mund, Kossoridoku!“, ungehalten gellt Dokutoges erboster Ruf über die Fläche, doch er sieht seinen Sohn dabei nicht an. Stattdessen senkt er den Kopf und seine Hände sind zur Faust geballt. „Er ist nicht einfach nur ein Hanyou, er ist Inu Taishous Sohn und damit ebenfalls ein Fürst des Westens. Ich habe der Fürstenfamilie des Westens die Treue gelobt und ich werde nicht meinen Schwur brechen und mein Gesicht verlieren, nur weil ich mir würdigere Herren wünsche!“ Nach diesen Worten halten alle Umstehenden unwillkürlich den Atem an. Wie wird der Hanyou reagieren. Doch Inu Yasha sagt erstmal gar nichts, sondern blickt nur schweigend auf den Youkai vor ihm hinab. „Dokutoge!“, sagt er schließlich ruhig. Der Westkrieger blickt auf: „Mei... mein Fürst?“, man merkt wie viel Überwindung ihn das kostet. Inu Yasha atmet leicht durch: „Du solltest das nicht so bedauern! Sesshomaru war bereit seinen Bruder zu töten und sogar seinen eigenen Sohn zu verleugnen, um sein Reich vor Schaden zu bewahren. Ich kann nur erahnen, was ihn das gekostet haben muss. Ich versichere dir, einen würdigeren Fürsten wirst du niemals bekommen!“ Sprachlos bleibt Dokutoge der Mund offen stehen vor Verblüffung. Für einen langen Moment scheint er angestrengt über die Worte nachzudenken und dann plötzlich weiten sich seine Augen, er keucht einmal vernehmlich und dann sackt er kraftlos in sich zusammen; seine Schulter hängen schlaff herunter und er lässt den Kopf hängen. „Vergebt mir, Inu Yasha-sama!“, flüstert er hohl, „Ich war ein Narr!“ Inu Yasha seufzt leicht: „Schon gut! Ich schätze die meisten Youkais denken so wie du, aber ich habe im Augenblick andere Probleme, als mich mit deiner Einstellung zu dem Thema zu befassen. Ich will nämlich auch keinen Krieg, ok?“ Nun richtet er sich hoch auf, atmet einmal tief durch und blickt dann ernst in die Runde. „So, da mein Bruder gerade etwas unabkömmlich ist, habe ich jetzt hier das Sagen!“ Er schaut zu Samushi und Kegawa hinüber: „Ihr zwei! Ihr passt mir gut auf diesen Typen da auf und bringt ihn zum Palast zurück! Wir treffen uns da! Wir werden ihn brauchen, um Arashitsume zu überführen. Yaeba, Kagome, Sango, Miroku, wir werden diese Miko suchen gehen und wenn wir dieses miese Weib zur Strecke gebracht haben, bringen wir sie auch zum Schloss und dann kann sich Arashitsume warm anziehen! Ich werde diesem Bastard so gehörig die Meinung geigen, dass ihm Hören und Sehen vergeht!“ Wütend fletscht Inu Yasha die Zähne. „Es tut mir leid, Inu Yasha-sama!“, nun meldet sich Yaeba zu Wort, „Ich kann nicht mit Euch gehen!“ Scharf sieht Inu Yasha ihn an: „Ach, und warum nicht?“ Yaeba schlägt die Augen nieder: „Ich werde Sesshomaru-sama suchen gehen. Es gibt da etwas, das ich ihm unbedingt sagen muss! Ich werde dafür sorgen, dass auch er sich rechtzeitig im Schloss einfindet, verlasst Euch auf mich!“ Inu Yasha überlegt kurz. „Hmm, wenn du meinst! Irgendjemand muss ihn wohl zurückholen, aber glaubst du, dass er auf dich hören wird?“ Yaebas Blick wird hart: „Ihm wird nichts anderes übrig bleiben! Wenn Ihr mit Eurer Vermutung recht habt, dann muss er das erfahren!“ Inu Yasha zuckt leicht mit den Achseln: „Also schön! Du gehst ihn suchen und ich werde mit den anderen diese Miko verfolgen!“ „Und was ist mit Fürstin Yarinuyuki?“, meldet sich nun Kagome wieder zu Wort, „Sie muss doch auch von Arashitsumes Verrat erfahren und da hinten geht schon die Sonne auf. Wir haben nicht mehr viel Zeit, diese Miko rechtzeitig zu finden. Jemand muss ihr Bescheid sagen, dass Arashitsume ein Verräter ist und sie mit dem Angriff noch warten soll.“ „Du hast recht!“, gibt Inu Yasha nachdenklich zu. Doch wen soll er schicken? Wenn sie dieser Miko gegenübertreten, dann werden sie jede schlagkräftige Hilfe brauchen, die sie kriegen können. Yaeba geht Sesshomaru suchen und die beiden Nordyoukais müssen ihren Kameraden bewachen. Außerdem hasst Yarinuyuki die Streuner, sie würde sie sicher nicht mal anhören. Von ihnen kann er also keinen schicken. Im Grunde bleibt nur noch... „Dokutoge!“, wendet sich Inu Yasha an den verwundeten Youkai. Dieser schaut auf: „Was verlangt Ihr, Inu Yasha-sama?“ Ernst blickt der Hanyou ihn an: „Ich weiß, dass du verletzt bist, aber ich fürchte ich muss dich zu Fürstin Yarinuyuki schicken. Es ist sehr wichtig! Sie muss erfahren, was hier vor sich geht! Sie muss wissen, dass die gesamte Sachlage sich geändert hat. Erzähle ihr, was vorgefallen ist. Sag ihr, dass Arashitsume ein Verräter ist und dass die Streuner keine Schuld am Tod ihres Vaters haben! Kannst du das machen?“ Für einen Moment scheint Dokutoge zu zögern, doch dann nickt er: „Ich werde Euren Befehl ausführen, Inu Yasha-sama!“ „Ich verlasse mich auf dich!“ Dokutoges Miene wird ernst: „Ich werde Euch nicht enttäuschen, mein Fürst!“ Dann erhebt er sich. Mit etwas steifen Bewegungen steckt er sein Schwert zurück in seine Scheide, dann nickt er Inu Yasha noch einmal respektvoll zu und dann läuft er los und ist wenige Augenblicke später zwischen den Bäumen verschwunden. „Und wir brechen jetzt auch auf!“, bestimmt Inu Yasha ernst, „Yaeba, ich hoffe du findest ihn rechtzeitig und er hört auf dich! Bei Sonnenaufgang sind wir wieder im Schloss.“ Der alte Streuner nickt ernst und dann setzt auch er sich in Bewegung. Nun wendet sich Inu Yasha an die beiden Nordyoukais und ihren Gefangenen. „Bringt ihn hoch zum Schloss! Aber passt gut auf ihn auf! Wenn wir die Schwarze Miko nicht rechtzeitig finden, dann ist er der einzige Zeuge für Arashitsumes Verrat, den wir noch haben.“ Samushi grinst unheilvoll. „Keine Sorge! Wir werden uns gut um ihn kümmern!“ „Und nebenbei werden wir dafür sorgen, dass ihm das Geständnis nachher leichter von der Zunge geht!“, fügt Kegawa mit einem kalten Lächeln hinzu. Inu Yasha hebt skeptisch eine Braue: „Solange er nachher noch reden kann, von mir aus! Und passt auf, dass euch die Ostyoukais nicht erwischen! Wenn ihr alle drei tot seid, nützt uns das auch nichts!“ „Wir passen schon auf uns auf!“, schmunzelt Samushi hämisch, „Seht ihr nur zu, dass ihr dieses elende Mikoweib zu fassen bekommt!“ Inu Yasha nickt, dann wendet er sich zum Gehen. „Inu Yasha?“, kommt nun Sangos vorsichtige Frage, „Glaubst du wirklich, wir finden sie bis Sonnenaufgang? Da hinten wird es schon hell und es tut mir leid das sagen zu müssen, doch wir haben hier eine ganze Menge Zeit verplempert. Bestimmt ist sie schon über alle Berge. Zumindest hat sie jetzt einen gewaltigen Vorsprung!“ Doch jetzt bekommt Inu Yashas Miene etwas Hartes: „Sango, verlass dich drauf! Ich finde dieses Miststück, und zwar noch rechtzeitig! Und wenn ich sie gefunden habe, wird sie sich wünschen, sich niemals mit meiner Familie angelegt zu habe, das schwöre ich dir!“ Mit diesen Worten schnappt er sich Kagome und hebt sie sich auf den Rücken. Neben ihnen verwandelt sich Kirara mit einem wütenden Fauchen in ihre Kampfgestalt und die Katzendämonin nötigt Sango, Miroku und Shippo praktisch dazu, auf ihren Rücken zu steigen. Anscheinend ist sie nur allzubereit, trotz ihrer Schwäche, ihren Beitrag zum Ergreifen dieser Miko zu leisten. Die drei steigen rasch auf und dann verschwindet die eigentümliche Gruppe zwischen den Bäumen. Nun wendet sich Samushi langsam dem Youkai zwischen sich und seinem Kameraden zu und sein boshaftes Grinsen weicht einer todernsten Miene. „So!“, sagt er kalt, „Und jetzt zu uns, Kossoridoku!“ Die Augen des Weststreuners weiten sich ein wenig und nun erkennt man einen nicht unberechtigten Anflug von Panik darin. Nun lässt der Nordyoukai ihn los und wendet sich an seinen Kameraden: „Halt ihn gut fest, Kegawa!“ Dieser packt sofort den anderen Arm des Westyoukais und mit stählernem Griff biegt er diesem die Arme schmerzhaft auf den Rücken. Kossoridoku verzieht das Gesicht. Samushis Augen funkeln nun in einem gefährlichen Blau, als er dicht an das Gesicht des Weststreuners herankommt. Er fletscht die Zähne: „Du mieser, verlogener Drecksack! Du hast Chutaisho an Inu Taihyouga verraten! Du hast ihm verraten, wo sie sich verborgen hält! Ich möchte wetten, dass dich Arashitsume dazu angestiftet hat. Was bist du doch für ein widerlicher, kleiner Schleimer! Sie hat dich gerettet und aufgenommen und sie hat dich genauso wohlwollend behandelt wie jeden von uns! Als sie Inu Taihyouga entgegentrat, tat sie es auch um dich zu schützen! Und du hast sie eiskalt verraten, im Auftrag dieses Bastards Arashitsume! Es interessiert mich wirklich kein Stück, warum du das gemacht hast, aber ich garantiere dir, ich werde dir niemals verzeihen, dass sie deinetwegen sterben musste!“, nun lächelt er wieder und dieses Lächeln ist wahrlich zum Fürchten, „Du kannst dir überhaupt nicht vorstellen, was ich für eine Scheißwut auf dich habe! Glaub mir, wenn ich mit dir fertig bin, wirst du die Tatsache verfluchen, dass wir dich noch lebend brauchen!“ Nun richtet er sich auf und der eisige Blick den er ihm zuwirft, jagt Kossoridoku einen kalten Schauer über den Rücken. Nun raunt Kegawa ihm ins Ohr: „Töten dürfen wir dich vielleicht nicht, aber es gibt ja noch genügend andere Körperteile, die du nicht unbedingt brauchst, um ein Geständnis abzulegen.“ Kossoridoku zuckt zusammen. Samushis Grinsen wird breiter: „Den Arm brauchst du zum Beispiel nicht zum Reden!“ Kossoridokus Augen fliegen entsetzt auf. Mit aller Kraft versucht er sich nun aus Kegawas stählernem Griff zu befreien, doch der Nordyoukai hält ihn unerbittlich fest. Nun packt Samushi grob Kossoridokus rechten Arm und als er dem Westyoukai nun mit einem genüsslichen Grinsen in die Augen sieht, ist die Furcht im Gesicht des Streuners unverkennbar. Nur wenige Augenblicke später ist ein lautes, trockenes Knacken auf der Lichtung zu hören und unmittelbar darauf, ertönt der verzweifelt gepresste Schmerzensschrei von Kossoridoku. „Das war der erste Knochen!“, hört man Kegawa sagen, „Aber warte mal ab, du hast ja noch ein paar mehr!“ Mit stetig zunehmendem Missfallen läuft Arashitsume in dem festlich hergerichteten Speisesaal seines Schlosses auf und ab. Die Nacht ist weit fortgeschritten und noch immer ist keiner seiner Gäste aufgetaucht. Mit Sesshomarus Erscheinen hat er ohnehin nicht gerechnet, aber selbst Yarinuyuki glänzt noch immer mit schmählicher Abwesenheit. Was für eine Unverschämtheit, ihn einfach so warten zu lassen! Wahrscheinlich will sie nur wieder ihren großen Auftritt haben. Sie will zeigen, dass sie sich von ihm nichts vorschreiben lässt, und dass sie völlig Herrin der Lage ist. Oh, sie wird schon sehr bald merken, wie gewaltig sie sich da täuscht! Der Festsaal ist für drei Fürsten hergerichtet. Zwar werden nur zwei der Fürsten kommen, aber sobald Tenmaru auftaucht, wird er Yarinuyuki klar machen, dass er den Sohn seiner Schwester adoptieren wird und damit wären es dann wieder drei Fürsten. Dieses Mädchen aus dem Norden wird gar nicht wissen wie ihr geschieht, wenn sie ihn wiedersieht! Sie wird ihn begehren wie schon zuvor. Genau wie ihr Vater Hanaki begehrt hat. Diese Barbaren aus dem Norden mögen vielleicht starke Kämpfer sein, aber von Selbstbeherrschung haben sie nicht die geringste Ahnung! Eigentlich sagt man das eher den Westyoukais nach. Umso befriedigender ist es, dass Sesshomarus Untergang praktisch durch das kurzzeitige Versagen seines Familienerbes herbeigeführt wird. Der Umstand, dass er sich ausgerechnet mit Hanaki fortgepflanzt hat, kommt ihm mehr als nur gelegen. Tenmaru war schon immer für Yarinuyuki bestimmt gewesen und es bedurfte nur einiger geschickter Winkelzüge um gleichzeitig Inu Taihyouga, als den amtierenden Nordfürsten, loszuwerden und außerdem noch Tenmaru von seiner Mutter zu trennen, die ihn bis dahin stets mit Argusaugen bewacht hat. Doch nun wo sie tot ist, kann er den Kleinen endlich mit Yarinuyuki verheiraten; das Mädchen wird nichts dagegen einzuwenden haben. Und wenn Sesshomaru dann tot ist, und er nicht mehr darauf achten muss, ob der Westfürst sein Gesicht verliert und gezwungen sein wird, seinen mutmaßlichen Sohn zu töten, kann er endlich offen bekannt geben, wer Tenmaru ist und den Rat des Westens dazu zwingen, ihn als Fürsten einzusetzen. Arashitsume schmunzelt ein wenig. Ich werde einfach behaupten, er hätte ihn letztlich doch anerkannt und sein Geruch wird den letzten Beweis dafür liefern. Sie werden nicht verhindern können, dass ein leiblicher Sohn Sesshomarus, der noch dazu durch und durch ein Daiyoukai ist, den Thron des Westens besteigt. Und damit erhalte ich endlich die Kontrolle über das ganze Land, so wie es eigentlich vom Ursprung her sein sollte! Seine Stirn legt sich in Falten. Sorgen bereitet mir nur, dass bisher noch keiner von ihnen wieder aufgetaucht ist. Tenmaru hätte schon vor Stunden wieder bei mir sein müssen. Wie lange kann es dauern, sich von diesem Abschaum zu verabschieden? Ich will nur hoffen, dass er nicht einfach abgehauen ist. Das wäre sehr dumm von ihm! Er weiß schließlich ganz genau, dass ich Sesshomaru lediglich darauf ansprechen muss, wie es um sein Verwandschaftsverhältnis zu ihm bestellt ist, damit er doch endlich Stellung zu dieser Behauptung beziehen muss. Und Tenmaru weiß ganz genau, dass Sesshomarus Antwort 'Nein' sein würde. Dazu hasst er Hanaki viel zu sehr. Diese Demütigung von damals wird er ihr niemals verzeihen. Außerdem hat er es geschworen und der dumme Köter, neigt ja nun mal dazu, seine Schwüre ernst zu nehmen. Aber der Kleine rechnet sich doch tatsächlich noch immer Chancen aus, dass Sesshomaru irgendwann noch mal seine Meinung ändert. Doch das kommt mir nur zugute. Solange er sich noch Hoffnungen macht, wird er folgsam tun, was ich von ihm verlange. Ich frage mich nur, wo er so lange bleibt! Ich schätze ich muss das einmal in Erfahrung bringen. Einmal mehr leert er seine Gedanken und schickt seine mentalen Worte zu der Person, die ihm Auskunft geben wird. „Kossoridoku!“, sagt er in Gedanken, doch die erwartete Antwort bleibt aus. „Kossoridoku!“, diesmal ist die mentale Botschaft bedeutend schärfer. Eine paar Momente vergehen, dann dringen seltsam hohl klingende Worte an Arashitsumes inneres Ohr: „Mein Fürst...?“ Arashitsume verzieht missmutig das Gesicht. „Ich erwarte einen aktuellen Bericht von dir! Wie ist die Sachlage?“ Zunächst kommt keine Antwort, dann hört er: „...einige Probleme... so nicht vorgestellt... beunruhigende Neuigkeiten... verzeiht mir...“ Verärgert legt Arashitsume die Stirn in Falten: „Konzentriere dich gefälligst, wenn du mit mir redest, ich verstehe nur die Hälfte von dem was du denkst! Ich wünsche einen vollständigen Bericht und kein unzusammenhängendes Gestammel!“ Wieder scheint die andere Stimme zu zögern, dann sagt sie: „Vergebt mir, mein Fürst! Ich bin gerade... ein wenig abgelenkt!“ „Das interessiert mich nicht!“, stellt Arashitsume unerbittlich klar, „Ich will auf der Stelle wissen, was los ist! Hast du Tenmaru gefunden? Und was ist mit Sesshomaru? Antworte gefälligst!“ Erneut scheint die Stimme zu zögern. „Mein Fürst... er ist tot!“ Arashitsumes Miene hellt sich auf. „Das sind doch wenigstens mal gute Nachrichten“, meint er zufrieden. Doch die schwache Stimme in seinen Gedanken belehrt ihn eines besseren: „Mein Fürst... nicht Sesshomaru... sondern Tenmaru ist...tot...“ Arashitsumes Augen fliegen auf. „Wiederhole das noch mal!“, knurrt er gefährlich. „Ver... gebt mir... Fürst..., es stimmt! Es... er... die Miko... sie hat...“ Arashitsume verliert die Geduld. „Rede deutlich, verdammt noch mal!“, schreit er ungehalten, „Was hat dieses Weib getan?“ „Sie... versuchte Sesshomaru... zu treffen. Tenmaru... ging dazwischen. Er... hat es nicht überlebt.“ „Und Sesshomaru?“ „Er... lebt....“ „Und du wagst es, mir das erst jetzt zu sagen?“, schnauft Arashitsume aufgebracht, „Was zum Teufel ist da vorgefallen? Was hatte Tenmaru da draußen verloren?“ „Er... ich... ah verdammt, Samushi... mögest du in der Hölle schmoren!“ Die kalte Wut in Arashitsumes Worten ist nun überdeutlich: „Zum letzten Mal! Konzentriere dich gefälligst! Ich werde mich nicht noch einmal wiederholen! Du hattest nur die Aufgabe, Sesshomaru und Tenmaru im Auge zu behalten, nicht dich in irgendwelche Schwierigkeiten zu bringen! Dir ist doch wohl klar, dass mein ganzer Plan zunichte gemacht wurde, wenn das was du sagst wahr ist! Wenn Tenmaru wirklich tot ist, war alles umsonst!“ „Ich bedaure... das sehr, mein... Fürst!“ Arashitsume setzt sich steif auf und seine Augen beginnen jetzt gefährlich zu funkeln. „Du bedauerst das?“, die Worte haben eine eisige Kälte, „Du machst dir gar keine Vorstellungen, wie sehr ich es bedaure, dir diese verantwortungsvolle Aufgabe überlassen zu haben, Versager!“ „Ich hätte nichts tun können..., mein Fürst! Ich sollte doch nur...“ „Das ist mir völlig egal!“, wütend springt Arashitsume nun auf und mit einem grimmigen Schrei stößt er die festlich dekorierten Tische um, so dass sie unter lautem Krachen an den Wänden des Raumes in unzählige Splitter zerbersten. „Du hättest das verhindern müssen! Du wusstest genau, wie unverzichtbar Tenmaru für meinen Plan war! Kannst du mir mal sagen, wie ich mir Yarinuyuki jetzt gefügig machen soll, oder wie ich jetzt Sesshomaru entgegentreten soll? Wenn er jetzt seinen Bruder freispricht, dann kommt es zum Kampf zwischen den Reichen und ohne Yarinuyuki auf meiner Seite, sind meine Erfolgschancen sehr gering! Aber so weit denkst du ja nicht! Das Einzige, was ich noch tun kann, ist, Sesshomaru jetzt doch durch meine eigenen Leute erledigen zu lassen, ehe er Gelegenheit bekommt, sein Heer zusammenzurufen!“ „Es ist... zu spät, mein Fürst! Sie sind bereits hier!“ Arashitsume fährt zusammen. „Was?“, keift er ungläubig, „Was soll das heißen, sie sind hier?“ „Sesshomarus Heer, sie sind hier! Er hat sie längst hergerufen!“ Ein wütendes Knurren entfährt Arashitsume und steigert sich dann zu einem erschreckenden Wutschrei. „Du elender Versager! Das erzählst du mir erst jetzt? Du bist wirklich zu nichts zu gebrauchen!“, Ärgerlich flammt seine Aura auf und durch die freigesetzten Energien, wird die restliche Zimmereinrichtung an die Wände befördert, „Noch einmal werde ich dir deine Unzulänglichkeit nicht verzeihen, Nishi-aitsu!“ „Aber... mein Fürst..., ich...“ „Ich will keine Entschuldigungen hören!“, schmettert Arashitsume seine Worte ab, „Es widert mich an! Sag mir lieber, was Sesshomaru weiß! Hat er die Miko getötet?“ „Nein, mein Fürst. Sie entkam. Aber der Hanyou... er weiß Bescheid! Er hat herausgefunden, dass wir...“ „Dass wir was?“, Arashitsumes Stimme hat Grabenskälte, „Damit dir das klar ist: Es gibt kein 'wir'! Soweit kommt es noch, dass du dich auf eine Stufe mit mir stellst. Du bist ein Streuner, ein Nishi-aitsu und ein elender Verräter obendrein! Wenn du dich mit einer Schwarze Miko verbündest, um dich an deinem ehemaligen Fürsten zu rächen, dann habe ich nicht das Geringste damit zu tun!“ „Aber... Arashitsume-sama... Ihr wisst doch, ich habe niemals...“ Wer wird dir glauben?“, kommt es verächtlich von Arashitsume, „Wem wird Sesshomaru eher glauben schenken? Einem Youkaifürsten, der sein Reich in einen Krieg stürzen könnte, wenn er sich schlecht mit ihm stellt, oder einem dreckigen Streuner, der seinen ehemaligen Herren und sein Reich verraten hat? Selbst du solltest in der Lage sein, dir die Antwort zu denken!“ „Weshalb tut Ihr das, Arashitsume-sama?“, nun klingt eine Spur von Panik in Kossoridokus Stimme mit, „Ich habe Euch immer treu und aufopfernd gedient! Ich habe alles getan, was Ihr mir befohlen habt!“ „Und indem du jetzt die Schuld dafür übernimmst, erweist du mir einen letzten, brauchbaren Dienst“, Arashitsumes Gesicht verzieht sich nun zu einem boshaften Grinsen, „Nachdem deine schändliche Tat nun aufgeflogen ist, bist du nicht länger von Nutzen für mich. Nenn mir nur einen Grund, warum ich auch nur noch einen einzigen Gedanken, an so eine jämmerliche Kreatur wie dich verschwenden sollte!“ „Arashitsume-sama..., das könnt Ihr nicht tun! Ich bitte Euch! Ich habe Euch die Treue geschworen! Ich habe meine Familie und meine Heimat aufgegeben, um Euch zu dienen! Ich kann Euch noch immer von Nutzen sein!“ Arashitsume lacht verächtlich auf: „Lächerlich! Das Einzige wozu du gut warst, war mir Informationen zu besorgen, die nun nicht länger von Bedeutung für mich sind. Nun, da mein Plan fehlgeschlagen ist, habe ich keinerlei Verwendung mehr für dich!“ „Bitte, mein Fürst! Wenn Ihr das tut, habe ich gar nichts mehr!“ „Das interessiert mich wirklich überhaupt nicht!“, gibt Arashitsume unbarmherzig zurück, „Vergiss nicht, du bist nur ein Streuner! Du wirst niemals wirklich etwas wert sein!“ „Ich kann Euch noch immer nützlich sein!“, versucht es Kossoridoku erneut, „Ich kann Euch noch immer Informationen beschaffen! Dieses Mädchen, das mit dem Hanyou reist, sie kann...“ Scharf unterbricht ihn Arashitsumes Ausruf: „Glaubst du wirklich, ich bin an Informationen über irgendwelche Menschen interessiert? Dieses elende Geschmeiß ist noch jämmerlicher als ihr Streuner oder diese Hanyoubrut!“ „Aber, mein Fürst...!“ „Es reicht!“, stellt Arashitsume klar, „Kein Wort mehr! Besser du richtest nie wieder das Wort an mich! An deiner Stelle würde ich jetzt schleunigst das Weite suchen, denn wenn du mir noch einmal unter die Augen kommst, tue ich das mit dir, was ich mit jedem dahergelaufenen Streuner tun würde!“ „Ich flehe Euch an, Arashitsume-sama! Gebt mir noch eine Chance!“ Doch der Fürst des Ostens antwortet nicht. Stattdessen bricht er verärgert den Kontakt ab. So ein elender Mist! So war das alles nicht geplant gewesen! Offenbar ist die Zeit der Diplomatie vorbei! Jetzt wird er doch ernst machen müssen. Verdammt! Wer hätte damit rechnen können, dass Sesshomaru ein komplettes Heer in der Hinterhand hat! Diesen Nachteil muss er schleunigst ausgleichen! Mit raschen Schritten durchquert er den Speisesaal, der inzwischen eher einem Trümmerfeld gleicht und steuert direkt auf einen seiner Soldaten zu. Mit violettfunkelnden Augen starrt er den Krieger an: „Hol mir auf der Stelle Raimeimaru hierher! Mein Heer soll sich unverzüglich für den Kampf bereitmachen!“ Regungslos liegt Kossoridoku am Boden. Er spürt die kalte Erde unter sich. Er kann sich nicht bewegen. Sein Körper ist ein einziger Schmerz. Schon seit einer Weile halten ihn die beiden Nordyoukais nicht mehr fest. Es ist nicht mehr nötig. Selbst wenn er gewollt hätte, eine Flucht ist längst nicht mehr möglich. Sein Kopf ist wie leergefegt und alles was er noch wahrnimmt, ist der heftig pochende Schmerz in sämtlichen seiner Gliedmaßen. Die beiden haben wirklich ganze Arbeit geleistet. Doch irgendwie ist ihm das ganz recht so. Der bohrende Schmerz hält ihn nämlich beschäftigt und lenkt ihn von der entsetzlichen Kälte ab, die sich von innen in ihm ausbreitet. Er hatte so sehr gehofft, eine derartige Enttäuschung nie wieder spüren zu müssen, doch offenbar bleibt dieser Wunsch unerfüllt. Wenn er es auch nur wagt, diesen Gedanken für einen Moment zu folgen, dann presst ihm grenzenlose Trostlosigkeit die Luft ab. Sesshomaru hatte recht! Ich wusste wirklich nicht, wie Arashitsume ist! Sich das einzugestehen, schmerzt mehr, als die Knochenbrüche es jemals könnten. Nun ist ihm wirklich nichts mehr geblieben! Wenn sie mich doch nur töten würden! Wenn diese Qual doch nur endlich ein Ende hätte! Doch vermutlich ist das die Strafe für all meine Verbrechen. Dafür, dass ich alle verraten habe, die mir vertraut haben. Kraftlos liegt er im Sand und seine gebrochenen Rippen atmen langsam und schwerfällig gegen den Boden an. Ohne Fokus gleitet sein trüber Blick über Samushis Füße, die gerade erneut nach einem geeigneten Ziel suchen. Ein dünnes Rinnsal Feuchtigkeit läuft aus seinem Augenwinkel, doch niemand nimmt davon auch nur die geringste Notiz. Nicht einmal der Waldboden, in dessen Sand sich die stillen Tränen geräuschlos verlaufen. Kapitel 44: Die Schwarze Miko ----------------------------- Erstaunlich geräuschlos öffnen sich die Tore zum Ostpalast. Und ebenso lautlos bewegt sich ein langer Strom von Ostyoukais aus der Öffnung, zwischen den beiden mächtigen Flügeltüren, heraus. Das Heer des Ostens macht sich zum Auszug bereit. Alle sind sie gekleidet in unauffällige Gewänder und bewaffnet mit scharfen Schwertern und Lanzen. Fast zweihundert purpurne bis tiefviolettfarbene Augenpaare blitzen hinaus in die Nacht an deren Horizont sich bereits schwach das erste Licht des neuen Tages abzeichnet. An ihrer Spitze befindet sich ein kräftiger Youkai mit silbergrauen Haaren und einem ernsten Gesicht. Er trägt einen langen, dreigefiederten Speer. Neben ihm läuft ein drahtiger Ostyoukai, dessen dunkelgraue Haare zu einem Zopf geflochten sind und der mit einem langen Schwert bewaffnet ist. Nachdem sie den Hohlweg zum Tor passiert haben, bleibt der ältere der beiden stehen; der andere mit ihm. Aufmerksam blickt der kräftige Ostkrieger in die Runde, während die anderen Soldaten an ihm vorbeiziehen, ihn aber dabei dennoch im Auge behalten, um letzte Anweisungen zu erhalten. „Ihr wisst, was ihr zu tun habt“, sagt er ohne laut zu werden, doch die anderen Youkais verstehen dennoch jedes Wort, so still bewegen sie sich. „Niemand darf euch bemerken, ehe Der Fürst des Westens besiegt wurde. Die Krieger des Westens werden keine Gnade mit euch haben, wenn sie euch erwischen. Behaltet das im Hinterkopf. Und geht auch den Nordkriegern aus dem Weg, bis alles Nötige geklärt wurde. Sobald wir dann die Nordfürstin auf unserer Seite haben, können wir den Angriff auf die Nishi-aitsu wagen, nicht vorher! Ihr seid die Higashi no Ken, das Schwert des Ostens! Kämpft hart und geschickt! Ihr werdet siegen und unsere Vorfahren stolz machen! Nun geht!“ Lautlos huschen die Krieger davon, immer in kleinen Sechsergrüppchen. Zurück bleiben Raimeimaru und sein Kamerad. Nun wendet sich der Befehlshaber des Ostens an den Krieger neben ihm. „Du wirst dich beeilen müssen. Sesshomaru hat seine Entscheidung für Sonnenaufgang angekündigt. Arashitsume-sama ist sehr beunruhigt; irgendetwas läuft nicht so wie geplant. Ich habe ihn schon lange nicht mehr so aufgebracht erlebt. In deinem Interesse hoffe ich, dass du deine Aufgabe erfolgreich erfüllst, Sokudo. Es wäre bedauerlich, wenn ich mir einen neuen Vizekommandanten suchen müsste.“ Seine Augen funkeln ernst im blassen Licht des neuen Tages. Doch der andere schmunzelt nur abwehrend. „ Mach dir keine Sorgen, Raimeimaru! Ich werde dieser Nordfürstin genau das ausrichten, was ich soll. Und Zeit verplempern werde ich auch nicht unnötig. Nicht umsonst trage ich schließlich meinen Namen.“ „Dann rede nicht lange herum, sondern setz dich mal in Bewegung!“, meint der andere unwirsch, „Ich hoffe dir ist klar, wie viel von deiner Botschaft abhängt! Wenn Yarinuyuki dir nicht glaubt, könnte das Ganze nach hinten losgehen.“ „Oh, sie wird mir ganz bestimmt glauben!“, meint Sokudo, „So wie sie sich aufführt, ist sie doch bloß froh, wenn sie den Verantwortlichen für den Tod ihres Vaters zur Rechenschaft ziehen kann. Und ich versichere dir, nichts mache ich lieber, als das jämmerliche Abkratzen, dieses kleinen Verräterbastards der ganzen Welt zu verkünden!“ „Es reicht schon, wenn du es Yarinuyuki verkündest, kapiert?“, Raimeimarus Miene ist ernst, „Spar dir deine Schadenfreude für später auf!“ Sokudo seufzt. „Von mir aus! Ich bedaure es bloß, dass nicht ich es war, der ihm den Gnadenstoß gegeben hat.“ „Ja ja, hau einfach ab!“, brummt Raimeimaru. Der schlanke Ostkrieger nickt seinem Kommandanten noch einmal zu und dann verschwindet er schnell wie der Blitz im Wald. Einen Moment lang blickt Raimeimaru ihm noch hinterher, dann schüttelt er den Kopf. „Eingebildeter Dummkopf!“, murmelt er. Er soll bloß froh sein, dass jemand anderes diesen Job erledigt hat. Wenn ihm noch nicht mal sein letzte Kampf mit ihm bewiesen hat, wie chancenlos er gegen diesen Streuner ist, dann ist ihm wirklich nicht zu helfen! Er kann wirklich von Glück reden, dass der Streuner noch mal gnädig mit ihm war. Wenn man nicht völlig mit Blindheit geschlagen ist, dann spürt man doch, welches Kraftpotenzial in dem Kleinen steckt. Da könnte er sich auch gleich mit Sesshomaru selbst anlegen. Immerhin tut er was man ihm sagt. Wenn der Kerl selber denken müsste, wäre er wahrscheinlich völlig aufgeschmissen! Dann wendet Raimeimaru sich ab und geräuschlos verschwindet auch er im Wald. Was er nicht mehr bemerkt, ist die winzige, grüne Gestalt, die sich noch rasch zwischen den beiden Torflügeln hindurchquetscht und so unbemerkt ins Innere der Palastanlage gelangt, bevor das riesige Tor ins Schloss fällt. Wie ein Schatten huscht eine Gestalt durch das Unterholz des Waldes. Ihre langen, weißen Haare wehen wie ein flüchtiger Nebelstreifen hinter ihr her. Sie trägt einen schwarzen Kimono und mit erstaunlich kräftigen Bewegungen stößt sie sich bei jedem Schritt vom Waldboden ab, doch ihr Gesicht hat kaum noch etwas menschliches an sich; es ist über und über mit tiefen Runzeln übersät und dort wo die Augen sein sollten, leuchten zwei rotglühende Punkte auf. So ein verfluchter Mist! Chihime ist sauer. Nein, nicht sauer, das wäre noch untertrieben, sie platzt schier vor Wut. Warum, um alles in der Welt hat sie sich mit diesem elenden Daiyoukai eingelassen? Jedes Mal gerät sie deshalb in Schwierigkeiten. Schon beim letzten Mal hat sie wegen irgendwelcher anderen Fürsten, mit denen er nicht fertig wurde, ihre Kraft und ihre Schönheit riskiert und statt endlich mal daraus zu lernen, hat sie sich gleich wieder von ihm für seine Zwecke einspannen lassen. Und als wäre das noch nicht das Schlimmste, ist ihr ihr jüngstes Ziel doch tatsächlich entwischt! Und das nur, weil irgend so ein völlig verblödeter Youkai dazwischengesprungen ist. Verdammt noch mal! Das hätte nicht passieren dürfen! Dieser Läuterungsbann kostet einfach viel zu viel Kraft um ihn mehrmals einzusetzen. Gar kein Vergleich dazu, ihre Opfer nur zu lähmen. Wenn dieser verdammte Sesshomaru nicht auch noch ein Daiyoukai gewesen wäre, hätte sie die höchste Stufe ihrer Technik gar nicht erst benötigt. Aber nun ist es schief gegangen und nun ist sie nur noch ein Schatten ihrer selbst. Elender Daiyoukai! Elender Arashitsume! Elender Streuner! Ja, sie kennt ihn noch gut! Er hat ihr beim letzten Mal sehr zufriedenstellend zugearbeitet, als er den gelähmten Fürsten des Nordens anfiel und tötete. Schon damals hatte sie die Kraft gespürt, die von ihm ausging. Im Grunde ist es gar nicht so schlimm, dass es ihn erwischt hat. Ein Daiyoukai weniger! Aber was extrem ärgerlich ist, ist die Tatsache, dass das Ziel ihrer Attacke noch immer durch die Weltgeschichte spaziert, obwohl er eigentlich längst tot sein sollte. Ihr Blick geht zum Horizont. Bis zum Sonnenaufgang hat sie Zeit, ihren Auftrag zu erfüllen. Aber nicht so! Nicht in dieser Gestalt! Sie wird wohl oder übel irgendeinen Youkai finden müssen und ihre Kräfte wieder aufladen, um es so schnell wie möglich noch mal zu versuchen! Anderenfalls wird sie nicht die versprochene Belohnung erhalten. Sie beißt grimmig die Zähne zusammen. Diesen einen Dienst wird sie noch tun, aber dann, wenn sie ihre Bezahlung erhalten hat, wird sie endgültig kurzen Prozess machen mit diesem stinkenden Köter aus dem Osten, der sie immer wieder auf irgendwelche abenteuerlichen Missionen schickt, weil er zu feige ist, es selbst zu tun. Das wird das letzte Mal sein, dass sie so sehr an ihre Grenzen geht! Sie hatte es ihm ja bereits angedroht, dass er es noch bereuen wird, sie stärker gemacht zu haben. Nun zahlt er den Preis für seinen Hochmut. Die Vergütung, die er ihr so großzügig angeboten hat, wird sein Untergang sein! In diesem Moment steigt ihr ein verlockender Geruch in die Nase und ihr Kopf fliegt herum. Unheimlich starren ihre roten Augen durch die Finsternis. Ein triumphierendes Lächeln legt sich auf ihre Lippen. Ein Youkai! Der kommt ihr gerade wie gerufen. Flink wie ein Wiesel kommt er direkt auf sie zu. Ihr Lächeln wird breiter. Sie mag vielleicht an Kraft eingebüßt haben, doch wehrlos ist sie noch lange nicht. Dieser kleine Appetithappen wird ihr nicht entgehen! Lautlos baut sie sich hinter einem Baum auf und legt ihre Hände zusammen. Tonlos bewegen sich ihre Lippen und noch während sie spricht, beginnen sich nun ihre Haare aufzurichten und sich in die Länge zu ziehen. Wie feine, durchscheinende Spinnweben legen sie sich um die benachbarten Äste und versperren nahezu unsichtbar, den Weg, den der heraneilende Youkai eingeschlagen hat. Kaum ein paar Sekunden vergehen, da ist er auch schon zwischen den Bäumen zu sehen. Es ist Sokudo und mit unglaublicher Geschwindigkeit bewegt er sich trittsicher durch das Unterholz. Doch von einem Moment auf den anderen findet sein Lauf ein jähes Ende, als ein stabiles Geflecht aus dünnen, weißen Haaren seinen Sprint abbremst und ihn völlig überrumpelt und schmerzhaft von den Füßen holt. Wie scharfe Sehnen schneiden sich die Strähnen in seine Haut und hart schlägt er auf dem Boden auf. „Verdammt!“, flucht er leise. Zunächst versteht er nicht was passiert ist, doch dann versucht er rasch wieder hochzukommen. Doch in genau diesem Moment wickeln sich die langen Haarsträhnen der Miko wie Stahlseile um seine Fußgelenke und ziehen ihn unaufhaltsam zu sich. Sokudo benötigt einen Moment um die Lage zu erfassen. Sprachlos schaut er Chihime an und zunehmende Erkenntnis zieht auf sein Gesicht. „Versuch gar nicht erst zu entkommen, Kleiner!“, sagt Chihime genüsslich, „Es sei denn, du möchtest, dass ich dir das Fleisch von den Knochen schäle.“ Sokudos Augen weiten sich und er spürt wie ihm die Handflächen zu schwitzen beginnen. Er kennt diese Frau. Sie ist schon lange Zeit der geflüsterte Schrecken unter den Ostsoldaten. Selbst den Kindern macht man schon Angst nur mit ihrem Namen. Doch nie hätte er gedacht, ihr einmal persönlich begegnen zu müssen. Seine Augen weiten sich erschrocken. Blitzschnell packt er den Griff seines Schwertes und zieht es aus seinem Gürtel um seine Fesseln damit zu zerschneiden, doch soweit kommt er nicht. Ein weiterer Strang Haare umwickelt augenblicklich sein Handgelenk und was durch Sokudos Beinkleidung nicht zu spüren war, merkt er nun am Arm sehr deutlich. Schmerzhaft brennen sich die Haare in seine Haut und leichte Rauchschwaden steigen von seinem Handgelenk auf. Sokudo fletscht die Zähne und versucht, sich den Schmerz zu verbeißen. Doch das Brennen nimmt immer weiter zu und schließlich muss er kraftlos seine Waffe fallen lassen. „Zwecklos!“, grinst die Miko hämisch. Boshaft funkelt Sokudo sie an, während er vergeblich versucht, sich loszureißen. „Ihr solltet mich besser loslassen!“, droht er so selbstbewusst wie er vermag, „Wenn mein Herr erfährt, dass ich meinen Auftrag wegen Euch nicht beenden konnte, wird er sehr ungehalten sein!“ Doch Chihime blickt ihn nur mit einem unnachgiebigen Grinsen an. „Glaubst du wirklich, das interessiert mich? Außerdem, so wie ich ihn kenne, wird er höchstens noch zufrieden sein, wenn ich durch dich nun doch noch meinen Auftrag erfüllen kann! Also halt still! Es tut nur einen Moment lang weh! Glaube ich!“ Inu Yasha rennt. Er rennt so schnell wie schon lange nicht mehr. Es ist ein Glück für Kagome, dass er sie auf dem Rücken trägt. Seine drei Freunde auf Kirara hinter ihm, fallen langsam immer weiter zurück. Die noch immer geschwächte Dämonenkatze hat ein wenig Schwierigkeiten, den Anschluss zu behalten. Doch darauf kann er jetzt keine Rücksicht nehmen. All seine Sinne sind geschärft und aufmerksam auf seine Umgebung gerichtet. Kein Geräusch und keine noch so feine Geruchsnote entgeht ihm. Unbeirrt folgt er seiner Spur. Sie ist direkt vor ihm und er wird ihr folgen, bis er diese Miko gefunden hat, daran besteht nicht der leiseste Zweifel! Seine Gedanken sind in Aufruhr. Er weiß einfach nicht, was ihn im Augenblick wütender macht. Dass diese Miko Tenmaru auf dem Gewissen hat, seinen eigenen Neffen, den er erst vor so kurzer Zeit kennen und letztlich auch schätzen gelernt hat, oder dass sie damit seinen Bruder zum Weinen gebracht hat. Noch immer bildet sich ein schmerzhafter Knoten in seiner Magengegend wenn er an die Tränen seines Bruders zurückdenkt. Das ist doch einfach nicht normal! Nie hätte er auch nur in Betracht gezogen, dass sein Bruder Tenmaru, ach, irgendwem irgendwelche sympathischen Gefühle entgegen bringen würde. Es passt einfach nicht zu Sesshomaru, irgendjemanden gern zu haben. Und nun das! Sein Bruder war völlig aufgelöst, er war fix und fertig! Es war ihm deutlich anzusehen, wie schwer ihn das getroffen hat. Und Sesshomaru gibt sich normalerweise niemals so eine Blöße. Das passt, verdammt noch mal, einfach nicht zu ihm! Inu Yasha gibt es nur ungern zu, aber diese Reaktion seines Bruders hat ihn mehr verunsichert, als er angenommen hatte. Bisher wusste man immer, woran man bei ihm war, und dass er nun auf einmal so völlig unberechenbar geworden ist, das bereitet ihm... Angst? Nein, Kopfzerbrechen! Diese plötzliche so überraschende Schwäche seines Bruders lässt sie beide... ein kleines bisschen näher zusammenrücken. Für einen flüchtigen Moment teilen sie beide das gleiche Los! Nein, ruft Inu Yasha sich innerlich zur Ordnung und das bohrende Gefühl in seiner Magengrube nimmt unwillkürlich an Intensität zu, nicht völlig das Gleiche! Immerhin habe ich Kagome. Sesshomaru hat... gar nichts mehr! Weder einen Sohn, noch eine Frau. Und an beidem ist diese Miko schuld! Seine Miene verfinstert sich wieder. Das wird sie ihm büßen! Sein Bruder ist schließlich der Fürst des Westens. Ein Musterbeispiel an Erhabenheit und Stolz. Dass sie es fertig gebracht hat, derartig an seiner Würde zu kratzen, ist absolut unverzeihlich! Mag sein, er hatte nie viel für Sesshomaru übrig, doch vermutlich liegt das eher daran, dass er seinen Blutstatus verabscheut und ihn regelmäßig zu töten versucht. Nicht jedoch, weil er sich tatsächlich etwas hat zu Schulden kommen lassen, das ihn auch ohne diese kontinuierlichen Zwistigkeiten unsympathisch machen würde. Im Grunde war für Inu Yasha immer irgendwie... beruhigt zu wissen, dass etwas von der... Großartigkeit seines Vaters überlebt hat, und dass nicht er versuchen muss, diese Ideale hochzuhalten. Vermutlich würde er dabei ohnehin jämmerlich versagen. Ich habe Sesshomaru Unrecht getan! Er hat es sich wirklich nicht leicht gemacht! Das hat er noch nie! Im Gegensatz zu mir versucht er wenigstens, das Andenken unseres Vaters zu bewahren. Ich hätte nie gedacht, dass meine Familie jemals eine solche Bedeutung für mich bekommen würde, aber das bleibt nach den jüngsten Ereignissen wohl einfach nicht aus. Wahrscheinlich werde ich nie wirklich das Zeug zum Fürsten haben. Das ist vielleicht auch gut so. Das überlasse ich lieber Sesshomaru. Er hat das nötige Format dazu. Und aus genau diesem Grund, werde ich nicht zulassen, dass diese Miko ihn dermaßen aus der Fassung bringt! Wenn man nicht mal mehr zu Sesshomaru aufschauen kann, zu wem denn dann, verdammt noch mal? Grimmig huscht Inu Yasha über Felsen und umgestürzte Baumstämme. Eine erbitterte Entschlossenheit hat ihn gepackt. Es wird langsam Zeit, dass auch er beweist, was er seiner Abstammung schuldig ist. Und wenn er es jetzt nicht schafft, diese Miko zur Verantwortung zu ziehen, dann hatte Sesshomaru mit allem recht, was er jemals über ihn gesagt hat. Dann sollte er seinem Bruder wohl besser niemals wieder unter die Augen treten. Urplötzlich fliegt sein Kopf herum. Dort drüben! Von dort kommt dieser eigenartige Geruch, der ihn ein kleines bisschen an Kagome erinnert. Aber das ist natürlich nur eine Täuschung, denn Kagome befindet sich gerade sicher auf seinem Rücken. Dies vor ihm ist diese Miko, daran besteht kein Zweifel. Offenbar war sie doch nicht so schnell, wie sie befürchtet hatten. Ein ganzes Stück ist sie zwar gekommen, aber diese Strecke reicht bei weitem nicht, um ihm zu entkommen, jetzt nachdem er einmal ihre Witterung aufgeschnappt hat und jetzt wo er so dermaßen angepisst ist wegen ihr! „Da hinten ist sie!“, ruft Inu Yasha zu Kagome hoch, „Sie ist direkt vor uns! Sie hat angehalten und... ich rieche Blut!“ Kagome packt ihren Bogen fester. Und dann, nur wenige Sekunden später, treten sie hinaus auf eine kleine, dunkle Waldlichtung in deren Mitte eine Gestalt in einem schwarzen Kimono steht und sich scheinbar gerade über etwas beugt. Kaum, dass Inu Yasha die Lichtung betreten hat, richtet sich die Gestalt ruckartig auf und wendet ihnen den Kopf zu. Rotfunkelnde Augen starren die beiden im grauen Dämmerlicht des neuen Tages an. Inu Yasha hält an und lässt seine Freundin rasch absteigen. Nun bemerken die beiden, dass die Person vor ihnen gerade etwas achtlos zu Boden fallen gelassen hat. Es scheint eine leblose Person zu sein. Nun richtet sich die Frau mit den langen, weißen Haaren vor ihnen zu ihrer vollen Größe auf. Mit einem finsteren Blick starrt sie die beiden Neuankömmlinge hasserfüllt an. „Das ist sie!“, ruft Kagome, „Das ist die Schwarze Miko!“ Die Frau legt den Kopf leicht schief. „Schwarze Miko?“, wiederholt sie und ihre wohlklingende Stimme klingt ein wenig tadelnd, „Ich muss doch sehr bitten! Hat euch denn niemand beigebracht, dass man nicht einfach durch die Gegend läuft und wildfremde Leute beleidigt?“ Inu Yasha fletscht die Zähne. „An deiner Stelle wäre ich vorsichtig mit 'wildfremd'! Glaub mir, ich weiß ganz genau wer du bist, du mieses Stück!“ „So?“, die Frau hebt belustigt die Augenbrauen, „Du meinst also, wir sollten uns kennen, kleiner Hanyou?“ Für einen kurzen Moment zuckt Inu Yasha zusammen, doch dann wird sein Blick sofort wieder grimmig. „Sie weiß, dass du ein Hanyou bist!“, meint nun auch Kagome überrascht zu Inu Yasha. Nun lacht die Frau laut auf. „Da müsste man schon blind sein, Mädchen! Seine verschmutzte Aura springt einen förmlich an!“ Inu Yasha fletscht verärgert die Zähne, dann packt er Tessaigas Griff und zieht das Schwert aus seiner Scheide. „Mach dich nicht lustig über mich, du elendes Miststück!“ Nun wird der Blick der Frau ernst. „Achte auf deinen Ton, Kleiner! Ich mag es gar nicht, wenn man mir dumm kommt!“ Verächtlich schnaubt Inu Yasha auf: „Keh! Dann ist der da dir wohl auch dumm gekommen, was?“ Er zeigt auf den am Boden liegenden Youkai, „Ich könnte mich täuschen, aber ist es eigentlich normal, dass eine Miko einem Youkai das Blut aussaugt?“ Unwillkürlich fährt sich die Frau mit der Hand über die Lippen und dann werden ihre Augen schmal. „Was ich mit dieser Kreatur mache, geht dich nicht das Geringste an! Du solltest eher froh sein, dass ich diese teuflischen Landplagen vom Angesicht der Erde fege!“ „So wie du es mit Tenmaru gemacht hast?“, ruft Kagome nun aufgebracht und in ihrer Stimme klingt unterdrückte Wut mit. Die Frau zuckt mit den Achsen: „Wer soll das sein? Ich kann mich wirklich nicht an jeden Youkai erinnern den ich auslösche. Damit täte ich ihnen ja höchstens noch einen Gefallen.“ Kagome ballt die Fäuste. „Gib es endlich zu! Du warst das, die ihn vorhin geläutert hat. Du hast ihn eiskalt umgebracht!“ Ihre Stimme schwankt ein wenig. Nun scheint es der Miko zu dämmern: „Ach, du meinst diesen verlausten Daiyoukai, der mir in die Quere gekommen ist. Tja, was soll ich sagen! Das war nur ein Versehen. Ich hatte gar nicht auf ihn gezielt. Eigentlich sollte mein Spruch diesen Sesshomaru treffen. Der kleine Dummkopf ist mir einfach dazwischengesprungen!“ Inu Yasha knurrt: „Also gibst du es zu! Du bist es gewesen! Du hast ihn umgebracht!“ Die Frau stemmt ihre Arme in die Hüfte: „Sag mal bist du auch noch schwerhörig? Genau das sagte ich doch gerade! Doch was kümmert dich das? Er war doch bloß ein Youkai und je weniger von diesen Viechern hier rumspringen, desto besser!“ Ein leichtes Zögern zieht unwillkürlich über Kagomes Gesicht. Im Grunde hat sie ja recht. Sie ist eine Miko. Es ist ihre Aufgabe, Youkais zu bekämpfen. Kann man ihr dafür einen Vorwurf machen? Doch dann schüttelt sie sich. Es ist eine Sache, Unschuldige vor dämonischen Übergriffen zu beschützen und eine völlig andere, mit Youkais gemeinsame Sache zu machen um dann die Youkais zu läutern, die eigentlich keine direkte Gefahr darstellen. Youkais, die sie ihre Freunde nennt! Offenbar ist Inu Yasha ähnlicher Ansicht. „Und du glaubst, das gibt dir das Recht, einfach so rumzulaufen und frei nach Belieben, Youkais abzuschlachten?“ Ihr Blick wird nun ernst: „Dummkopf, das gibt mir jedes Recht!“ „Und dazu saugst du Youkais das Blut aus, um noch stärker zu werden?“, ruft Inu Yasha hitzig zurück, „Was für eine Miko bist du überhaupt?“ Zunächst antwortet sie nicht, doch dann werden ihre Augen schmal: „Mein Name ist Chihime und die Art und Weise, wie ich meine Arbeit mache, überlässt du mal lieber mir, Hanyou!“ „Deine Arbeit!“, spuckt Inu Yasha verächtlich aus und packt sein Schwert fester, „Wenn du die Youkais so sehr verachtest, warum verbündest du dich dann mit einem?“ Grimmig funkelt sie ihn nun an: „Das geht dich gar nichts an!“ „Wenn du dich von diesem stinkenden Ostfürsten dazu benutzen lässt, meinen Bruder zu töten, dann geht mich das sehr wohl was an!“, faucht Inu Yasha erbost. Doch nun verzerrt ein hasserfüllter Zug das Gesicht der Miko. „Was heißt hier 'benutzen lassen'?“, keift sie wütend, „Ich benutze ihn, nur damit das klar ist!“ In diesem Moment vernehmen Inu Yasha und Kagome hinter sich einen Ruf: „Inu Yasha! Kagome!“ Es ist Sango. Nur wenige Augenblicke später schieben sich ihre Weggefährten aus den Büschen, und kaum dass Kirara die Schwarze Miko bemerkt, fängt sie auch schon tief an zu knurren und ihr gesamtes Fell sträubt sich vor Wut. Sofort springen Sango und Miroku von ihrem Rücken. Nur Shippo versteckt sich ängstlich hinter einem Bein der Katzendämonin. Chihimes Stirn legt sich in Falten. „Ach, ihr!“ Sofort eilen Sango und Miroku an die Seite ihrer Freunde und funkeln grimmig zu der Miko hinüber. Chihime verzieht das Gesicht. Nun macht sie einen Schritt auf die Gruppe zu und entfernt sich dabei von dem Youkai der mit bleichem Gesicht am Boden liegt und nur noch äußerst flach atmet, wie man jetzt bemerkt. „Vorsicht!“, ruft Miroku wachsam, „Wir dürfen sie auf keinen Fall unterschätzen.“ Inu Yasha packt sein Schwert fester. „Das habe ich auch gar nicht vor!“ Nun blickt Chihime düster zu ihnen hinüber: „Ihr dummen Kinder! Als ihr mir beim letzten Mal entwischt seid, hättet ihr die Gelegenheit nutzen sollen, um ein für allemal zu verschwinden. Ihr hattet eure Chance! Aber stattdessen kreuzt ihr hier wieder bei mir auf und diesmal werdet ihr mir nicht mehr entkommen! Ich weiß wirklich nicht was schlimmer ist. Eure Dummheit, oder die Tatsache, dass ihr euch für ein paar Youkais an mir rächen wollt. Aber da ihr ja offenbar für diesen Biestern so was wie freundschaftliche Gefühle empfindet, ist euch wohl einfach nicht zu helfen. Ich habe wohl keine andere Wahl, als euch ebenfalls zu bestrafen!“ Nun macht sie wieder ein paar Schritte auf sie zu. „Achtung!“, ruft Sango, „So hat sie uns auch schon beim letzten Mal überrascht.“ „Das wird nicht noch mal passieren!“, versichert Inu Yasha mit todernster Miene, „Ich mach dieses Weib alle, verlass dich drauf!“ Chihime grinst boshaft: „Dann zeig mir was du kannst, Hanyou!“ Und im selben Moment zieht sie zwei Haarstäbchen aus ihrem Ärmel und streckt sie vor sich. Lautlos wispert sie etwas und nur einen Augenblick später befindet sich ein ganzes Bündel davon in ihrer Hand. Mit einer flinken Handbewegung schleudert sie sie von sich und unmittelbar darauf leuchten die Spitzen der Stäbchen hell auf und sausen direkt auf Inu Yasha zu. Doch dieser hat aufgepasst und mit einem raschen Hieb von Tessaiga schlägt er die spitzen Stäbe von sich. Keiner von ihnen schafft es auch nur, ihm irgendeine Schramme zuzufügen. „Das war wohl nichts!“, grinst er hämisch. Doch in genau diesem Moment beginnt Tessaigas Aura heftig zu flackern und nur wenige Augenblicke später verwandelt es sich in seine unscheinbare Form zurück. Inu Yasha reißt die Augen auf. „Was zum...?“, murmelt er. Nun lacht die Schwarze Miko leicht in sich hinein. „Was bist du doch für ein Dummkopf! Die dämonische Energie deiner Klinge, wird dir nicht das Geringste gegen mich helfen!“ „Verdammt!“, grollt Inu Yasha. Doch dann ballt er wieder die Faust. „Aber ich kann auch noch anders!“ Rasch steckt er Tessaiga zurück in seine Scheide und dann reckt er seine Klaue. Von einer Sekunde zur anderen will er auf die Miko los stürmen, doch er hat kaum einen Schritt getan, dann strauchelt er und nur seine Reflexe verhindern, dass er lang hinfällt. Irritiert blickt er sich um. Und dann sieht er das Hindernis. Einer der Stäbe hat sich durch seine Beinkleidung gebohrt und nagelt sein Gewand am Boden fest. Ärgerlich versucht er sich loszureißen, doch der Stab rührt sich keinen Millimeter und hält ihn gnadenlos fest. Wieder lacht die Miko auf. „Du bist so erbärmlich, kleiner Hanyou! Es ist keine halbe Stunde her, dass ich einen Daiyoukai getötet habe. Was bildest du dir eigentlich ein, dass du als Hanyou irgendwelche Chancen gegen meine Kräfte hast?“ Inu Yasha ballt die Faust und er zittert vor Wut am ganzen Körper. „Wenn ich noch einmal 'Hanyou' höre, dann werde ich dir mal zeigen, mit wem du dich hier wirklich anlegst!“ Spöttisch blickt sie ihn an: „Da bin ich jetzt aber mal gespannt, Hanyou!“ Ein tiefes Knurren dringt nun aus Inu Yashas Kehle und steigert sich schließlich zu einem wilden Wutschrei. Mit einer groben Bewegung reißt er Tessaiga aus seiner Scheide. Nun leuchtet die Klinge wieder hell auf. Ein blitzschneller Schlag und der gebannte Kleidungszipfel trennt sich vom Rest seiner Kleidung. Chihimes Augen weiten sich ein wenig überrascht. „Damit hast du wohl nicht gerechnet!“, ruft Inu Yasha ärgerlich, „So, du hattest deinen Spaß! Jetzt bin ich dran!“ Mit diesen Worten springt er auch schon auf sie los, Tessaiga grimmig zum Schlag erhoben. Doch er ist nicht alleine. Auch Sango und Miroku haben sich ihm angeschlossen. Ein flüchtiger Blick geht zwischen den dreien hin und her und ein leichtes Nicken ist alles was nötig ist. Die drei Freunde verstehen sich inzwischen ohne viele Worte. „Hiraikotsu!“, ruft Sango und schon schleudert sie ihre Waffe der Schwarzen Miko entgegen. Nein, diesmal wird sie sich nicht so ohne weiteres überrumpeln lassen. Vielleicht schafft sie es diesmal, sie zu treffen, bevor sie ihren Schutzschild errichten kann. Schon sieht sie die Miko vor sich hinwispern. Nur wenige Augenblicke vergehen und dann prallt der Knochenbumerang auf einer violetten, prismatischen Kugel auf. „Verdammt!“, flucht Sango. Doch schon naht Inu Yasha heran. Mit aller Kraft holt er aus und dann saust Tessaiga auf sie nieder. Doch das prismatische Flackern des Schutzschildes lässt ihn zurückprallen. Die Wucht des Schlages holt ihn fast von den Füßen und er verzieht das Gesicht. „Vorsicht, sie hat einen Schutzschirm!“, ruft Miroku ihm zu. „Keh, das sehe ich selbst!“, faucht Inu Yasha, „Aber das wollen wir doch mal sehen!“ Im inneren der Kugel steht Chihime und betrachtet ihre Angreifer leicht missmutig. „Vergesst es lieber gleich! Durch meine Hogoshiju (Schutzperle) kommt ihr niemals durch und ich habe eigentlich gar keine Zeit mich gerade mit euch zu befassen.“ Inu Yasha verzieht das Gesicht und dann packt er sein Schwert fester. „Tut mir leid, wenn wir dir gerade nicht in den Kram passen. Doch ich fürchte, dir wird gar nichts anderes übrig bleiben. Uns wirst du nämlich nicht mehr los!“ Grimmig leuchten ihre Augen auf: „Törichter Junge! Du verkennst deine Chancen! Keiner von euch hat mir auch nur das Geringste entgegenzusetzen! Ich könnte das hier bis in alle Ewigkeiten aussitzen. Dein Pech, dass ich andere Pläne habe und die lasse ich mir nicht von euch durchkreuzen!“ Ihre Miene ist eisig. Nun richtet sie sich hoch auf und hebt eine Hand. Tonlos murmelt sie ein paar Worte und dann beginnen ihre Augen erneut blutrot aufzuleuchten. Unmittelbar darauf richten sich ihre Haare auf und ehe Inu Yasha und die anderen sich versehen, dringen die langen geschmeidigen Strähnen durch ihren Schutzschild und versuchen sich um ihre Gliedmaßen zu schlingen. Mit geschickten Hieben schlagen Miroku und Sango die tentakelartigen Haarsträhnen beiseite, doch wann immer sie ein Haarbüschel abgewehrt haben, versucht bereits ein anderes ihre Füße oder Handgelenke zu erwischen. Nur Inu Yasha steht direkt vor dem Schutzfeld, Tessaiga in der Hand und hat den Blick gesenkt. Schon schlängeln sich die ersten Strähnen um seine Arme und Beine. „Siehst du es also ein, dass du keine Chance gegen mich hast, dummer, kleiner Hanyou?“, meint Chihime genüsslich, „Du kannst mir nicht entkommen, du kannst gar nichts ausrichten! Finde dich damit ab!“ Schon legen sich die ersten Büschel um seinen Hals, doch der Hanyou reagiert noch immer nicht. „Inu Yasha, beweg' dich endlich!“, ruft Sango aufgebracht während sie zwei weitere Haarstränge abschlägt. „Vergiss es, Mädchen!“, grinst Chihime, „Der kleine Hanyou ist völlig starr vor Schreck! Er weiß, dass er nicht gewinnen kann und im Gegensatz zu euch ist er klug genug, rechtzeitig aufzugeben! Es hat überhaupt keinen Sinn sich weiter zu wehren.“ Mit diesen Worten teilen sich die Haarsträhnen in immer kleinere Stränge auf und nur wenige Sekunden später wickeln sich die ersten davon um Sangos Handgelenke und auch um Mirokus Füße. Chihime lacht auf, als die beiden von ihren Haaren zu Boden gerissen werden. „Seht ihr! Ihr seid mir wieder nicht gewachsen! Und diesmal töte ich euch lieber gleich!“ „Muss schwer sein, sich zu irren, wenn man dauernd so große Töne spuckt!“ Unwillkürlich geht Chihimes Blick zu Inu Yasha hinüber. Der Hanyou ist schon fast vollständig mit Haaren zugewuchert, doch nun hebt er den Kopf und seine goldfunkelnden Augen sind direkt auf die Miko gerichtet. Ein wenig überrascht hebt sie die Brauen als sie die Entschlossenheit in seinem Blick sieht. Inu Yasha hat sich hoch aufgerichtet und dann sagt er: „Du unterschätzt mich, weil ich ein Hanyou bin! Glaub mir, das passiert mir nicht zum ersten Mal, aber bisher habe ich darauf verzichtet, es darauf anzulegen. Bei dir mach ich mal ne Ausnahme!“ Mit einem heftigen Ruck reißt er sein Schwert hoch und die Strähnen um seine Handgelenke sind dabei überhaupt kein Hindernis. Unter der immensen Kraftanstrengung geben die Haarbüschel kläglich nach und zerreißen. Hoch aufgerichtet steht Inu Yasha da und mit herablassendem Blick funkelt er die Schwarze Miko nun an. „Mein Name ist Inu Yasha! Mein Vater war der Daiyoukai Inu Taishou! Mein Bruder ist Sesshomaru, der Fürst über die Westlichen Länder, dein eigentliches Ziel! Und ich habe es gar nicht nötig, mich von dir besiegen zu lassen!“ Mit diesen Worten wird die Waffe in seiner Hand in eine rotes Licht getaucht und die Schwertaura nimmt beträchtlich an Intensität zu. Mit großen Augen schaut Kagome zu ihrem Freund hinüber. Inu Yasha hat sich noch nie vor einem Kampf gefürchtet, aber heute ist seine Motivation eine ganz andere als sonst. Es ist Stolz! Stolz auf seine Familie und die Gewissheit nicht hinter ihnen zurückzustehen. Diese Chihime sollte sich besser in Acht nehmen, denn Inu Yasha hat nicht vor, diesen Kampf zu verlieren! Kapitel 45: Chihimes Macht -------------------------- Mit kraftvoller Bewegung holt Inu Yasha aus und Chihimes Augen weiten sich überrascht als die Klinge der Waffe hart herniedersaust und unter heftigem Knistern auf ihrem Schutzschild auftrifft. Für einen flüchtigen Moment scheint der Schutz zu halten, doch dann auf einmal beginnen die prismatischen Energien heftig zu flackern und nur wenige Sekunden später löst sich die Hogoshiju auf und die Wucht der herabsausenden Klinge verfehlt die Miko wirklich nur um Haaresbreite. Diese Haaresbreite besteht in der Tat aus einem großen Büschel Haaren, dass sie durch diese Attacke zurücklässt und nur knapp schafft sie es, aus dem Weg zu springen. „Du mieser, kleiner Bastard!“, grollt sie. „Nur kein Neid!“, meint Inu Yasha hämisch. Schon ist er hinter ihr her und wieder holt er zum Schlag aus. Geschickt duckt sie sich unter dem Schlag hinweg. „Na warte, so einfach wie du dir das vorstellst, wird das noch lange nicht!“, zischt sie boshaft, „Mit dir werde ich noch mit Leichtigkeit fertig!“ „Bla bla bla!“, meint Inu Yasha herablassend, „Irgendwie höre ich immer dasselbe!“ Ein Stück von ihm entfernt kommt sie wieder zum Stehen und rasch zieht sie aus ihren Ärmeln einige Papierzettelchen hervor. Mit steifen Fingern, hält sie die Papierschnipsel zwischen ihren Fingerspitzen. In diesem Moment wirft Sango ihren Bumerang erneut. Und diesmal rettet nur ein geschmeidiger Sprung zur Seite die Miko vor einem schmerzhaften Treffer. Doch dort wartet bereits Miroku auf sie. Mit einer geschickten Bewegung holt er aus und der Knauf seines Stabes trifft sie hart im Magen. Chihime ächzt unwillkürlich auf. Hasserfüllt starrt sie den Mönch an: „Du wagst es...?“, zischt sie und im nächsten Augenblick pustet sie einmal kräftig aus und bläst ihm die Papierschnipsel mitten ins Gesicht. Unwillkürlich taumelt Miroku einen Schritt zurück. Die Papierfetzen haben sich an sein Gesicht geheftet und auf seinen Oberkörper und die Arme. Rasch versucht er sie abzustreifen, doch es gelingt ihm nicht. Sie kleben wo sie kleben. Skeptisch legt er die Stirn in Falten, doch plötzlich zuckt er heftig zusammen und seine Augen fliegen auf. Ein Stöhnen entfährt ihm und seine Beine knicken weg. „Was... ist das?“, presst er keuchend hervor. Chihimes Grinsen wird wieder breiter. „Nur die Ruhe!“, meint sie hämisch, „Ich borge mir lediglich etwas von deinen Kräften. Wozu soll ich schließlich meine verschwenden?“ Wieder weicht sie geschickt einem Schlag von Inu Yasha aus. Doch so leicht lässt der Hanyou sich nicht abschütteln. Geschickt springt er ihr hinterher. Verdammt! Wirklich ein Jammer, dass er sie noch lebend braucht. Wenn sie nicht so verflixt wichtig wäre, hätte er schon längst kurzen Prozess mit ihr machen können. So aber wird er wohl auf das Kaze no Kizu verzichten müssen. Sango und Miroku haben nicht übertrieben, sie ist gut! Und flink ist sie außerdem. Kein gewöhnlicher Mensch kann sich so schnell bewegen. Ob das auch von diesem Youkaiblut kommt, dass sie trinkt? Wie auch immer, das wirft jedenfalls die Frage auf, wie er sie am besten lebend fangen kann. Vielleicht muss er doch ein wenig härter mit ihr umspringen. Es juckt ihn zumindest in den Fingern danach. Sein Blick wird finster. Diese Chihime versucht noch immer, ihn zum Narren zu halten, so wie sie hier durch die Gegend hüpft. Sango hetzt sie ganz schön herum mit ihrem Bumerang. Selten hat er seine Reisegefährtin so verbissen kämpfen gesehen. Wahrscheinlich weil sie auch noch eine Rechnung mit ihr offen hat. Aber was hat sie bloß mit Miroku angestellt? Der Mönch hockt dort auf alle Viere gestützt und atmet heftig ein und aus wie nach einem langen Dauerlauf. Aus den Augenwinkeln nimmt er wahr, dass Kagome zu ihm hinläuft. Was immer es ist, er wird nicht warten bis sie damit fertig ist! Erneut geht Tessaiga nieder und verfehlt die Schwarze Miko nur um ein Haar. Wild fliegt Chihimes Kopf herum und ihre Augen glühen erneut auf. Sangos Hiraikotsu fliegt gerade direkt auf sie zu. Doch kurz bevor die Waffe sie erreicht, richten sich erneut ihre Haare auf und im letzten Moment wird der heranfliegende Bumerang von einem dichten Bündel aus weißen Haaren eingesponnen. Kraftlos fällt die mächtige Waffe zu Boden. Sango flucht. Doch damit nicht genug. Nun bäumen sich die schlängelnden Strähnen wieder auf, den Hiraikotsu noch immer umwickelt, und im nächsten Augenblick schon strecken sie sich samt Waffe in die Länge und noch ehe die Dämonenjägerin reagieren kann, trifft sie ihre eigene Waffe direkt am Kopf. Ein schmerzhaftes Aufkeuchen entfährt Sango und ihre Knie werden für einen Augenblick zu schwach, um aus dem Weg zu springen. Diese Sekunde der Unachtsamkeit nutzen die verhängnisvollen Strähnen um sich wieder ihrer Fußknöchel und Beine zu bemächtigen. Ein wenig benommen will Sango ihren Dolch ziehen, um sich von ihren rankenden Fesseln zu befreien, doch schon umwickeln die Haare auch ihre Arme und sie kommt nicht mehr dran. Mit einem wilden Knurren taucht nun direkt neben ihr Kirara auf und verbeißt ihre Zähne in den Strähnen, um ihre Freundin zu befreien. Doch kaum hat sie sich darin verbissen, als sie auch schon urplötzlich wieder loslässt und ein wütendes Fauchen von sich gibt. Leichte Rauchschwaden dringen aus ihrem Maul und schmerzhaft schubbert sie ihre Nase über den Erdboden. „Das dachtest du dir wohl so!“, lacht die Schwarze Miko nun gehässig, „Kein Youkai kann mich berühren, ohne Schmerzen zu empfinden!“ Mit diesen Worten holen ihre Haare aus und ein weiterer Schlag des Knochenbumerangs trifft die Dämonenkatze und schleudert sie einmal quer über den Platz wo sie benommen liegenbleibt. „Kirara!“, ruft Sango besorgt und dann versucht sie sich verzweifelt aus der Umklammerung der Strähnen freizukämpfen. In diesem Augenblick nimmt sie über sich eine Bewegung wahr. Rasch blickt sie hoch. „Kitsunebi!“, hört sie einen hellen Ruf und nur Augenblicke später züngeln bläuliche Flammen über die Haarsträhnen und nur kurz darauf fangen sie Feuer und geben die Glieder der Dämonenjägerin frei. Erleichtert lächelt Sango ihrem Helfer zu. „Danke, Shippo!“ Der kleine Fuchs steht mit bleichem Gesicht und zitternden Pfoten neben ihr, aber er macht ein zufriedenes Gesicht. Er hat es tatsächlich geschafft, seine Freundin mit seinem Fuchsfeuer zu befreien. Doch das bleibt natürlich nicht unbemerkt. „Du kleine Pest!“, zischt die Miko giftig, „Elender Fuchs, das wirst du mir büßen. Du hast mir zum letzten Mal dazwischengefunkt!“ Panisch weiten sich Shippos Augen und hastig versteckt er sich hinter Sangos Rücken. Die Dämonenjägerin kämpft gerade mit den letzten Haarbüscheln die noch immer an ihren Knöcheln hängen. Ihr ist nur zu klar, dass sie so schnell wie irgend möglich wieder auf die Füße kommen muss. Schon hat sich die Miko ihnen zugewandt und ein tödliches Rot funkelt in ihren Augen. „Macht euch bereit, zur Hölle zu fahren, ihr kleinen Versager!“ Mit diesen Worten hebt sie eine Hand und beginnt mit tödlicher Miene etwas zu murmeln. „Da musst du erstmal an mir vorbei!“, ruft Inu Yasha energisch und stellt sich sofort zwischen die Miko und seine Freunde. Einmal mehr hebt er Tessaiga zum Schlag und dann von einem Moment zum anderen sprintet er direkt auf sie zu. „Nichts leichter als das!“, sagt Chihime kalt und dann hebt sie den Zeigefinger ihrer Hand. Im selben Augenblick beginnen die Zettelchen auf Mirokus Körper hell aufzuleuchten. Der Mönch keucht schmerzhaft auf und bricht zusammen. „Miroku, was hast du?“, fragt Kagome besorgt und versucht ihm wieder aufzuhelfen. Doch nun kann sie sehen dass sich auf den bisher leeren Zettelchen viele, schwarze Zeichen bilden. Es sind Zeichen der Versiegelung. Schon will sie einen aus der Nähe betrachten, doch noch ehe sie ihn ergreifen kann, beginnen sämtliche Zettel auf Mirokus Körper zu leuchten, sich von ihm zu lösen und dann sausen sie in atemberaubender Geschwindigkeit auf die ausgestreckte Hand der Miko zu. Mit triumphierender Miene blickt sie dem heranstürmenden Inu Yasha entgegen. Dann von einem Moment auf den anderen fliegen ihre Augen auf und der ganze Schwarm aus kleinen Bannzetteln rauscht in rasender Geschwindigkeit auf den Hanyou und seine Freunde hinter ihm zu. Ein wahrer Hagel aus Bannzetteln fällt über sie her und heftet sich unbarmherzig an Inu Yasha, Shippo und Kirara, die sich gerade wieder aufgerafft hatte. Ein wütendes Fauchen entfährt der riesigen Katze und dann bricht sie mit zittrigen Bewegungen in sich zusammen. Auch von Shippo ertönt ein leises Wimmern, ehe er besinnungslos von Sangos Schulter purzelt und reglos liegen bleibt. „Shippo!“, ruft die Dämonenjägerin erschrocken. Der kleine Kitsune ist bleich wie ein Laken und die unzähligen Zettel auf seinem Körper glimmen bedrohlich. Sofort beginnt sie damit, die hartnäckig klebenden Zettel so rasch wie möglich zu entfernen, was sich jedoch als ziemlich schwierig erweist. Zur gleichen Zeit wird auch Inu Yashas Körper von einer wütenden Wolke aus Bannzetteln eingehüllt. Zunächst kann er nichts sehen, hinter der undurchdringlichen weißen Wand, doch dann beginnen die Zettel wieder zu leuchten und dann stürzen sie auf ihn zu und kleben sich unaufhaltsam an seinen Körper. Und augenblicklich spürt er es. Mitten im Lauf muss er auf einmal vernehmlich keuchen. Ihm kommt es vor, als hätte ihm gerade jemand einen heftigen Schlag in die Magengrube verpasst und ihm bleibt urplötzlich schmerzhaft die Luft weg. Ein rasender Schmerz schießt unmittelbar darauf durch seinen Körper und seine Glieder fühlen sich auf einmal an, als würden zentnerschwere Bleigewichte daran hängen. Tessaigas Klinge senkt sich nun bedenklich herab und sein Schritt verlangsamt sich. „Verdammt!“, flucht er leise, doch sein Ziel lässt er dabei nicht aus den Augen. Es ist sicher nicht der erste Bann, den er zu spüren bekommt, aber auf jeden Fall einer der stärksten und vor allem schmerzhaftesten. Keuchend kommt er zum Stehen. Das boshafte Grinsen auf dem Gesicht der Miko wird breiter. „Was denn, kleiner Hanyou, Schmerzen? Ich sagte dir doch, du hast mir nichts entgegenzusetzen. Du machst dir gar keine Vorstellung, mit wem du dich hier anlegst!“ „Warum tust du das?“, der empörte Ausruf lässt Chihime herumfahren. Hoch aufgerichtet und mit unverkennbar zorniger Miene steht Kagome da. Sie hat ihren Bogen gespannt und zielt direkt auf die Miko. Ein entschlossenes Funkeln liegt in ihren Augen. „Ich kann vielleicht noch verstehen, wenn du versucht, Unschuldige vor boshaften Dämonen zu beschützen. Das tun wir auch. Aber ich lasse nicht zu, dass du meine Freunde gegeneinander ausspielst und ihnen nur aus Spaß wehtust!“ Nur einen Wimpernschlag später löst sich ein leuchtender Pfeil von ihrer Sehne und schießt direkt auf die Schwarze Miko zu. Doch diese dreht sich nur ein Stück zu Seite und lässt das Geschoss passieren. Lediglich ein weiteres Haarbüschel befindet sich noch in seinem Weg. Schon will sich Chihime ihr wieder spöttisch zuwenden, als der Pfeil auf einmal stark aufleuchtet und sämtliche Haare, die in den Wirkungskreis des Lichtes geraten, augenblicklich vergehen. Ein eisiger Blick bohrt sich nun in Kagome. „War das ein läuternder Pfeil?“, fragt sie eisig, „Du bist eine Miko? Hast du gerade versucht, mich zu läutern? Mich?“ Ihre Stimme klingt auf einmal ziemlich schrill. Mit tiefrot glühenden Augen fixiert sie Kagome. „Du lächerliche, kleine Stümperin! Wenn du so was schon versuchst, dann sieh auch zu, dass du es vernünftig machst! Hier gibt es keine zweiten Chancen!“ Nun wird es Kagome doch ein wenig Angst und Bange und ihre Augen weiten sich erschrocken, als die Miko ein weiteres Haarstäbchen aus ihrem Ärmel zieht und es mit einer flinken Bewegung direkt auf das verblüffte Mädchen schleudert. Noch ehe Kagome reagieren kann, trifft sie das Stäbchen auch schon direkt an der Brust. Einmal leuchtet es heftig auf und dann knicken Kagome die Knie ein. Mit einem verblüfften Aufkeuchen sinkt sie zu Boden. „Kagome!“, ruft Inu Yasha verbissen und dann packt er sein Schwert fester. Noch immer zucken arge Schmerzen durch seine Glieder, doch darauf kann er jetzt keine Rücksicht mehr nehmen. Kagome ist in Gefahr und diesmal wird er sie beschützen, komme was wolle! Ein grimmiger Wutschrei quält sich aus seiner Kehle und mit aller verbliebenen Kraft hebt er Tessaiga. Ein tödliches Funkeln liegt in seinem Blick als er wieder auf die Schwarze Miko zugeht. Irritiert blickt sie zu ihm hinüber. „Du kannst dich noch immer bewegen?“, meint sie erstaunt. „Überrascht?“, gibt er grimmig zurück, „Ich sagte doch, du unterschätzt mich!“ Unaufhaltsam kommt er nun auf sie zu. Mit schmalen Augen blickt sie ihm wachsam entgegen, bereit seine nächste Attacke abzuwehren. Inu Yashas Schritt beschleunigt sich. „Du hast meine Freunde verletzt und meinen Neffen getötet! Das büßt du mir jetzt! Aber ich werde ganz sicher nicht deinen Fehler begehen und dich unterschätzen. Ich weiß jetzt, warum du so stark bist!“ „Ach tatsächlich?“, kommt die gehässige Frage, doch man hört schon eine leichte Unsicherheit darin. Inu Yasha behält sie wachsam im Auge während er näherkommt. „Kagomes Pfeil hat es mir gezeigt!“, sagt er ernst, „Sie hat dich geläutert und das heißt, dass du irgendwas dämonisches an dir haben musst! Und das kommt nicht nur durch das Blut, das du trinkst. Ich könnte wetten, dass du damit den Dämon fütterst, der in dir steckt!“ Ein wilder Blick fliegt nun zu Inu Yasha hinüber. Das Gesicht der Miko verzerrt sich nun zu einer hasserfüllten Grimasse. „Was bildest du dir ein!“, grollt sie nun tödlich und wieder hebt sie eine Hand, „Du glaubst allen Ernstes, ich wäre besessen? Du glaubst tatsächlich, ich würde mich von einem Dämon kontrollieren lassen? Ich?“, ihre Stimme überschlägt sich vor Zorn. Wutschnaubend funkelt sie ihn an. „Zu deiner Information“, schreit sie aufgebracht, „Ich kontrolliere ihn! Er gibt mir lediglich die Stärke um solche verabscheuenswürdigen Ausgeburten der Hölle wie dich vom Antlitz der Erde zu fegen!“ Doch Inu Yasha zeigt sich davon gänzlich unbeeindruckt, stattdessen grinst er nun leicht. „Dachte ich es mir doch! Gut, das zu wissen, denn jetzt weiß ich, dass ich nicht mehr so viel Rücksicht auf dich nehmen muss. Wenn du einen Dämon in dir hast, werden dich ein paar Hiebe von Tessaiga schon nicht umbringen!“ Und mit diesen Worten hebt er sein Schwert und von einem Moment auf den anderen springt er auf sie los. Dabei ignoriert er nun komplett die Bannzettel an seinem Körper und trotz der noch immer massiven Schmerzen holt er mit voller Kraft zum Schlag aus. Für einen Augenblick flackert tatsächlich Sorge über Chihimes Gesicht. Doch blitzschnell reagiert sie. „Atem des Seedrachens, Schlag des Feuervogels, Kraft der Perle, Erwache!“, murmelt sie und im nächsten Augenblick flackert wieder das violette Leuchten um sie auf. Doch Inu Yasha ist längst nicht mehr zu bremsen. „Zu spät!“, ruft er gnadenlos und nur einen Augenblick später geht Tessaigas leuchtendrote Klinge auf ihrem Schutzkreis nieder. Wieder flackert der violette Schein jämmerlich auf und die Klinge geht direkt auf sie nieder. Mit weitaufgerissenen Augen starrt sie ihn an, als die mächtige Waffe über ihren Brustkorb schlitzt. Ein helles Leuchten strahlt nun aus der Wunde und wie ein getretener Hund weicht sie ein paar hastige Schritte zurück. Blut läuft ihr aus dem Mund, doch sie steht noch auf den Beinen und presst sich die Hand auf die Brust. Ihre Augen glühen tiefrot und ihre Gesichtszüge verzerren sich zu einer fast schon unmenschlichen Fratze. „Das hast du nicht umsonst getan, du dreckiger Bastard!“, zischt sie, „Eigentlich hatte ich nur vor, euch möglichst unaufwendig aus dem Verkehr zu ziehen, um dann meinen Auftrag zu erfüllen, doch nun hast du es wirklich geschafft, mich zu verärgern!“ „Was du nicht sagst!“, meint Inu Yasha hämisch, „Sollte ich jetzt Angst bekommen?“ „Worauf du dich verlassen kannst!“, ihre Stimme hat Grabeskälte. Nun bemerkt Inu Yasha auch die dunklen Ringe unter ihren Augen. Sie sieht aus wie um Jahre gealtert. Sicher kostet es sie enorme Anstrengung, auf die dämonischen Kräfte in ihr zurückzugreifen. Deshalb also das Blut. Doch nun richtet sie sich hoch auf und hebt die Hand. „Na warte!“, grollt Inu Yasha und springt auf sie zu, „Glaubst du, ich lasse dir die Zeit dazu?“ „Armer Irrer!“, faucht sie, „Es ist längst zu spät! Hauch des Eisdrachen, Kralle des Feuervogels, Schlange des Abgrundes, Griff des Affenkönigs! Erstarre!“ Im gleichen Augenblick wo sie nun die Hand nach ihm ausstreckt, fährt mitten im Lauf ein scharfer Ruck durch Inu Yashas Körper und von einem Moment auf den anderen erstarrt er mitten in der Bewegung, Tessaiga zum Schlag erhoben. Nicht mal seine Gesichtsmuskeln lassen sich bewegen und ganz gleich wie viel Kraft er aufwendet, es gelingt ihm nicht mal, einen Finger zu bewegen. Innerlich flucht er hingebungsvoll, doch kein Wort kommt über seine Lippen. Vor ihm sieht er nun, wie sich die Miko entspannt und einmal vernehmlich aufkeucht. Dann hebt sie den Kopf wieder und Inu Yasha blickt in ein runzliges Gesicht mit pergamentartiger Haut, das kaum noch Ähnlichkeit mit einem Menschen hat. Diese Frau sieht nun aus wie eine uralte Greisin. Nun durchbohrt sie ihn mit einem durchdringenden Blick ihrer blutroten Augen. „Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass du mir solche Schwierigkeiten machen würdest, du kleine Scheußlichkeit! Ich gebe zu, du hast dich wirklich tapfer geschlagen. Du kannst stolz auf dich sein. Dank dir werde ich meinen Auftrag nun wohl nicht mehr zu ende bringen können. Doch ein Gutes hat diese Sache. Diesem Lähmungsbann, wirst selbst du nicht entkommen und ich kann nun ihn aller Ruhe kurzen Prozess mit dir machen. „Nicht mal die beiden Daiyoukais von neulich, konnten ihn abschütteln und die hatten drei mal so viel drauf wie du. Du siehst also, du bist mir hilflos ausgeliefert. Ich bin sicher, auch wenn dein Blut ein wenig verdünnt ist, du wirst mir bestimmt gut schmecken! Aber falls das ein Trost für dich ist, dann lass dir gesagt sein, dass ich dein Blut dazu nutzen werde, um endgültig kurzen Prozess mit diesem räudigen Köter aus dem Osten zu machen. Soviel kann er gar nicht bezahlen, das es mir meine Anstrengungen angemessen entlohnen würde. Er hätte seine Gegner wohl doch besser selber erledigen sollen. Niemand verscherzt es sich mit mir ungestraft!“ „Also stimmt es! Du hast in Arashitsumes Auftrag gehandelt!“ Ruckartig fliegt Chihimes Kopf herum. Ungläubig weiten sich ihre Augen. Dort drüben steht hoch aufgerichtet Kagome und in ihrer Hand hält sie das Haarstäbchen. Ernst schaut das Mädchen zu der Schwarzen Miko hinüber. „Das ist unmöglich!“, murmelt Chihime, „Wie kann sie meinen Bann brechen?“ „Hey!“, funkelt Kagome jetzt ärgerlich und schleudert das Stäbchen zu Boden, „Ich rede mit dir! Du hast Tenmarus Mutter und den Fürst des Nordens gelähmt und sie haben sich dann gegenseitig getötet, das stimmt doch, oder?“ Nun kommt sie auf die Schwarze Miko zu. Die beiden Frauen halten sich mit ihren Blicken gefangen. „Und wenn es so wäre? Was kümmert es dich?“, schnappt Chihime ärgerlich, „Es waren Youkais, sie verdienen den Tod!“ Kagome ballt die Faust um ihren Bogen. Dann greift sie nach einem weiteren Pfeil und legt ihn auf die Sehne. Mit großen, verdächtig feuchten Augen funkelt sie die Schwarze Miko an. „Tenmaru hat niemandem etwas getan! Er hätte das gar nicht über sich gebracht. Es hat ihn auch gar nicht interessiert! Alles was er wollte, war die Anerkennung seines Vaters, für den er sich am Ende geopfert hat. Und dank dir, wird er von seinem Vater niemals mehr erfahren, ob er dankbar dafür war! Er starb, ohne jegliche Gewissheit, dass dieses Opfer von seinem Vater auch nur irgendwie wertgeschätzt wurde und das hat er nicht verdient! Er hat mich mehr als einmal beschützt und ich werde es nicht dulden, dass er und seine Mutter sterben mussten, und dass uns ein ausgewachsener Youkaikrieg droht, nur weil du mit seinem Onkel gemeinsame Sache gemacht hast!“ Mit diesen Worten lässt sie den leuchtenden Pfeil fahren und unbeirrt steuert er direkt auf die Schwarze Miko zu. Doch Chihime reagiert blitzschnell. Augenblicklich stürzen sämtliche Haarsträhnen auf den herannahenden Pfeil und hüllen ihn ein. Doch zu ihrem grenzenlosen Erstaunen muss sie feststellen, dass der heilige Pfeil nun sämtliche ihrer Haare komplett auflöst. Zwar bleibt ihr Körper davon unbeschadet doch ihre Strähnen verglimmen in dem läuternden Licht und der nun kahle Kopf verunstaltet ihre ohnehin schon runzlige Erscheinung noch zusätzlich. Fassungslos starrt Chihime sie an. „Das wirst du mir büßen!“, zischt sie und ihre Stimme klingt kratzig und abgenutzt. Ihr Blick fliegt hinüber zu Inu Yasha der noch immer regungslos dasteht und ein kehliges Knurren von sich gibt. Zu mehr ist er nicht fähig. „Ich werde wohl früher als nötig auf diese kleine Kraftquelle zurückgreifen müssen! Aber sobald ich wieder zu Kräften gekommen bin, mach ich dir den Gar aus!“, und mit diesen Worten springt sie auch schon auf den wehrlosen Halbdämon zu. Erschrocken reißt Kagome die Augen auf. Nein, das darf nicht passieren! Sie darf Inu Yasha nicht wehtun, ihn womöglich sogar töten! Das wird sie nicht zulassen. Aber wenn nicht einmal Inu Yasha sich von dem Lähmungsbann befreien kann, was soll sie dann ausrichten können? Sie kann ja schlecht auf ihn schießen. Schon ist die Schwarze Miko bei ihm und Kagome kann sehen wie sie ihn grob am Arm packt. Gleich wird sie ihre Zähne in seinem Hals vergraben und dann wird sie ihrem Freund das Blut aussaugen. Das darf nicht sein! Gibt es denn nichts, was sie tun kann? Niemanden, der helfen kann? Miroku liegt geschwächt am Boden und Sango kämpft noch immer mit den Schutzsiegeln an Shippos und Kiraras Körper. Nein, von ihnen wird sie keine Hilfe erwarten können. Es liegt nun in ihrer Hand, ihren Freund zu retten, aber wie? Und urplötzlich kommt ihr etwas in den Sinn. Es ist eine verrückte Idee und sie ist gefährlich und ein bisschen peinlich, doch ihr bleibt keine Zeit zum zögern. Augenblicklich läuft sie los, direkt auf Inu Yasha zu, neben dem bereits die Schwarze Miko steht, um ihm sogleich mit gierigen Schlucken seine Kraft und sein Leben zu rauben. Doch soweit wird es nicht kommen! Beim letzten Mal war es nicht bewusst, da war sie nur von dem innigen Wunsch erfüllt, dass Inu Yasha nichts geschehen möge. Hoffentlich klappt das auch diesmal. Selten zuvor war sie so um seine Sicherheit besorgt und mit allem verbliebenen Mut stürzt sie auf ihren Hanyoufreund zu und schlingt ihre Arme um ihn. Sie kneift die Augen zusammen. Bitte, lass das funktionieren! Neben sich bemerkt sie die Miko die ein verblüfftes Schnauben ausstößt und dann spürt Kagome voller Erleichterung, dass die schreckliche Starre aus Inu Yashas Körper verschwindet. Chihime reißt fassungslos die Augen auf. „Unmöglich!“, keucht sie, „Dieser Bann ist nicht zu brechen!“ Nun ruckt Inu Yashas Kopf in ihre Richtung und er grinst hämisch. „Tja, falsch gedacht!“, und ohne einen weiteren Moment zu zögern, lässt er sein noch immer erhobenes Schwert in ihre Richtung niedergehen. Ein lauter Schrei entfährt der Schwarzen Miko, als die Klinge sie erneut aufschlitzt und ein dicker, dunkler Strom Blut sickert aus der klaffenden Wunde hervor. Nun verzerren sich ihre Gesichtszüge zu etwas nur noch entfernt menschlichem und lange Reißzähne schieben sich unter ihren Lippen hervor. „Du miese Schlampe!“, ihre Stimme klingt nun schrill und unmelodisch, „Wie kannst du ihn befreien? Er ist ein Hanyou! Er ist ein Scheusal! Er gehört vernichtet! Du bist eine Miko! Warum stellst du dich auf seine Seite? Warum machst du gemeinsame Sache mit einem Dämon? Das ist verabscheuungswürdig! Warum tust du das?“ Ernst erwidert Kagome ihren Blick, dann sagt sie: „Du machst mir Vorwürfe, aber du bist selbst kein bisschen besser. Du machst schließlich auch gemeinsame Sache mit einem Youkai. Aber ich tue es nicht aus Hass und Verachtung sondern aus Liebe und Mitgefühl und inzwischen weiß ich auch, dass nur das eine wahre Miko ausmacht! Wenn du jemandem etwas vorzuwerfen hast, dann nur dir selber!“ Sprachlos starrt Chihime das Mädchen an und ihr Gesicht bekommt etwas wildes und gehetztes. Doch Kagome redet schon weiter: „Ich vermute, dir hat irgendwann ein Dämon etwas sehr Schlimmes angetan. Doch solange dein Herz von der Sucht nach Vergeltung vergiftet wird, wirst du niemals Frieden finden. Dann wirst du selbst zu dem, was du am meisten hasst!“ Chihimes Augen fliegen auf und ein namenloser Schrecken fliegt über ihr Gesicht. Ernst blickt Kagome sie an. Noch immer steht sie direkt neben Inu Yasha. „Aber du kannst das noch immer ändern. Du kannst für deine Verbrechen büßen und uns helfen, den wahren Schuldigen zu überführen! Komm mit uns und erzähle dem hohen Youkairat, was Arashitsume getan hat! Noch ist es nicht zu spät für dich!“ Mit entsetzter Miene starrt Chihime das Mädchen an. Ihre dürren Finger gleiten ziellos und fahrig durch die Luft und ihre Augen sind erschreckend geweitet. „Miko!“, wispert sie, „Du bist... eine wahre Miko!“ Ein eigentümliches Zittern bemächtigt sich ihrem Körper und dann ballt sie die Hand zur Faust und ihr Gesicht verzerrt sich zu einer wilden Fratze. „Nein!“, schreit sie, „Du wirst mich nicht beschämen! Du besiegst mich nicht! Niemand ist stärker als ich! Selbst Dämonen zittern unter meinem Namen! Niemand besiegt mich, hörst du, niemand!“ Mit diesen Worten richtet sie sich hoch auf und ein irres Funkeln liegt in ihrem entstellten Gesicht. Mit kontrollierter Bewegung vollführt sie ein paar Handbewegungen und dann ruft sie: „Hauch des Eisdrachen, Kralle des Feuervogels, Schlange des Abgrundes, Griff des Affenkönigs, Herz aus Glas! Erstarre!“ Mit ausgestrecktem Arm und tödlicher Miene schickt sie den Bann direkt in Kagomes Richtung. Triumphierend blickt sie dabei zu, wie ihre unheilvollen Energien auf das Mädchen zuströmen. Dieser Lähmungsbann, wird selbst ihr Herz und ihre Atemmuskeln lähmen. Das Mädchen ist so gut wie tot! Doch Kagome bemerkt es augenblicklich. Diese Attacke ist mächtiger als die bisherigen, sie spürt es in jeder Faser ihres Körpers und sie weiß nicht woher sie das weiß, doch sie weiß es! „Kagome, Vorsicht!“, ruft Inu Yasha und will schon dazwischen gehen, doch sie weiß sofort, dass das nicht sein darf. Kagome reagiert blitzschnell. Schon im nächsten Moment hat sie sich an Inu Yasha vorbei gedrückt. Mit einer geschmeidigen Bewegung holt sie mit ihrem Bogen aus und mit einem entschlossenen Schlag, schickt sie die tödlichen Energie wieder zurück zu ihrer Verursacherin. Mit weitaufgerissenen Augen starrt Chihime ihrer zurückgeworfenen Attacke entgegen und noch ehe sie reagieren kann, trifft sie ihr eigener Bann und lässt sie unter einem kurzen Aufächzen nach hinten kippen und dann rührt sie sich nicht mehr. Unwillkürlich atmet Kagome auf. Und im selben Moment wo ihre Anspannung nachlässt, holt die Aufregung sie ein und ihre Hände beginnen zu zittern. Das war knapp! Schon sieht sie wie Inu Yasha zu der Miko hinüberläuft und sich zu ihr herunterbeugt. „Lebt sie noch?“, fragt sie zögerlich. Der Hanyou nimmt seine Gegnerin kritisch in Augenschein. „Sieht so aus“, meint er, „Jedenfalls atmet sie noch. Irgendwie.“ „Ein Glück!“, meint Kagome erleichtert. „Wenn du es so nennen willst“, schnaubt Inu Yasha verächtlich, „Glück für uns, Pech für sie!“ Damit wendet er sich wieder der Miko zu. Ein kalter Blick durchbohrt die Frau. „Na, wie schmeckt dir das, mal deine eigene Medizin zu kosten?“, fragt er gehässig. Doch von der Schwarzen Miko kommt keine Reaktion, außer einem wilden Augenstarren. Zunächst funkelt er seine ruhiggestelle Gegnerin nur mit starrer Miene an. Doch dann plötzlich verfinstert sich Inu Yashas Gesicht und ein Zittern vor unterdrückter Wut bemächtigt sich seinem Körper. Dann plötzlich holt er aus und verpasst der Frau einen Schlag ins Gesicht. „Das war dafür, dass du Tenmaru getötet hast!“ Dann schlägt er noch mal zu: „Das war dafür, dass du Kagome töten wolltest!“ Ein dritter Schlag findet sein Ziel: „Und das war dafür, dass du meinen Bruder zum Weinen gebracht hast!“ Schon will er noch mal zuschlagen, doch diesmal führt er den Schlag nicht aus, denn Kagome umklammert nun seine Faust mit ihren Armen und blickt erschrocken auf ihn runter. „Inu Yasha, was tust du denn?“, fragt sie ungläubig. Ruckartig fliegt Inu Yashas Kopf herum. Im ersten Moment funkelt er sie noch grimmig an, doch dann urplötzlich erschlaffen seine Gesichtszüge und dann lässt er zögerlich und ein wenig betreten die Hand sinken. „Es tut mir leid!“, meint er leise, aber er meidet ihren Blick, „Ich schätze, wenn man ständig mit Youkais auf einem Haufen hockt, färbt das irgendwann auf einen ab.“ Dann plötzlich springt er hastig auf und entfernt sich ein paar Schritte von der Miko; dabei wendet er Kagome seinen Rücken zu. Betrübt blickt Kagome zu ihrem Freund hinüber. Für Inu Yasha wird das alles auch nicht einfach sein. Er tut zwar immer so gelassen, aber innerlich muss ihn das alles sicher auch schwer zu schaffen machen. Sein gerade gefundener Neffe ist tot, sein sonst so stolzer Bruder lässt sich auf so ganz untypische Art gehen, der Fürst des Ostens ist ein Verräter, der ihm und seinem Bruder nach dem Leben trachtet, die Fürstin des Nordens fordert ebenfalls seinen Tod und das bis Sonnenaufgang. Er wurde bisher verspottet, beleidigt, gequält, gefangen genommen, ausgenutzt und angegriffen. Ja, er ist noch immer verletzt. Sie erkennt den unschönen Schnitt an seiner Schulter selbst von hier. Im Grunde ist es kein Wunder, dass auch er mal die Beherrschung verliert. Und dennoch... Nachdenklich blickt sie in die Runde. Miroku hat sich wieder aufgerappelt und hilft gerade Sango, die Bannzettel von Shippos und Kiraras Körpern zu entfernen. Die Schwarze Miko liegt reglos auf der Erde und atmet flach und Inu Yasha steht nur da, mit dem Rücken zu ihr und sieht ziemlich fertig aus. Kagome kann sich nicht helfen, aber wie er so dasteht, erinnert er sie ein kleines bisschen an Sesshomaru, wenn er gerade seinen eigenen Gedanken nachhängt, was zugegebenermaßen ziemlich häufig der Fall ist. Irgendwie sind sich die beiden wohl tatsächlich ähnlich. Noch immer kleben einige Bannzettel an seiner Kleidung, wie Kagome nun feststellt. Dem muss abgeholfen werden! Rasch läuft sie zu ihm hin. Mit geschickten Fingern beginnt sie die kleinen Zettelchen von seinem Gewand zu zupfen. Verblüfft dreht sich der Hanyou zu ihr um, doch dann lässt er sie schweigend gewähren. Als der letzte Zettel herunter ist, atmet er einmal mit geschlossenen Augen durch. Dann blickt er sie wieder an. Als sie zu ihm hoch schaut, treffen sich ihre Blicke und Kagome zuckt unwillkürlich zusammen. Sie kann nicht genau deuten, was es ist, das sie in seinen Augen sieht, doch es jagt ihr einen wahren Schauer über den Rücken. Es ist mehr als nur Dankbarkeit und aus irgendeinem Grunde lässt es ihr Herz schneller schlagen. Ehe sie es verhindern kann, schießt ihr die Schamesröte ins Gesicht und sie wendet den Blick ab. „Du bist verletzt!“, versucht sie die Situation in andere Bahnen zu lenken. „Mir fehlt nichts“, sagt er schlicht. Noch immer wagt sie nicht, ihn anzusehen. Dieser Blick eben, war einfach zu intensiv und für einen Moment lag ein solcher Schmerz darin, dass sie ihn fast selbst körperlich spüren konnte. Was würde sie jetzt darum geben, zu wissen, was in seinem Kopf vorgeht. Doch sie wagt nicht zu fragen. Stattdessen nimmt sie lieber seine Schulter in Augenschein. „Wir sollten trotzdem einen Verband draufmachen“, meint sie hastig. Doch nun langt seine Hand zu ihren hinauf und hindern sie an der eifrigen Geschäftigkeit. Direkt blickt er sie an: „Kagome..., mir fehlt wirklich nichts, verstehst du?“ Ein wenig unbehaglich erwidert sie seinen Blick. Irgendwie hat sie die leichte Ahnung, dass er mehr damit sagen will, als es im ersten Moment den Anschein hat. Doch dann lässt er sie fast schon ein bisschen hastig los und wendet sich Sango und Miroku zu. „Wie geht es Shippo und Kirara? Sind sie ok?“ Miroku nickt. „Ja, sie werden sich bald wieder erholen. Die Bannzettel waren bei weitem nicht so stark wie sie hätten sein können“, er blickt zu Boden. Inu Yasha schnaubt auf. „Mach dir darüber nicht solche Gedanken, Miroku! Ich habe ehrlich gesagt kein Problem damit, dass deine Kräfte nicht mit den Energien dieses Miko-Weibes mithalten können. Wenn es dich tröstet, ich habe gerade genug davon zu spüren bekommen, um mich in Zukunft nicht unbedingt mit dir anzulegen, ok?“ Miroku verzieht das Gesicht: „Ich fasse das jetzt einfach mal als Kompliment auf!“ „Die Frage ist, wie bekommen wir die Miko jetzt zum Ostpalast?“, macht sich nun Sango Gedanken, „Kirara ist viel zu geschwächt, um uns zu tragen und außerdem sagte die Miko doch, dass kein Youkai sie berühren kann, ohne Schmerzen zu empfinden. Und wir können sie sicher nicht so schnell so weit schleppen.“ Inu Yasha seufzt. „Dann gibt es wohl nur eine Möglichkeit, oder?“ Mit diesen Worten tritt er wieder an die Miko heran und mit einem raschen Griff packt er sie um die Taille und klemmt sie sich unter den Arm. Dabei verbeißt er sich kurz die Schmerzen in der Hand, als leichte Rauchschwaden von seinen Fingern aufsteigen, als er sie berührt. Doch durch das Feuerrattenhaar seines Gewandes, ist er vor ihrem direkten Einfluss geschützt. Wieder geht sein Blick hinüber zu seiner Freundin: „Kagome, komm schon! Dahinten geht schon die Sonne auf und wir dürfen keine Zeit mehr verlieren! Ich werde euch beide tragen“, er wendet sich an seine anderen Reisegefährten, „Und ihr nehmt Shippo und Kirara mit und schaut auch mal nach diesem Youkai, den sie vorhin am Wickel hatte!“ Sein Blick geht suchend in die Runde. „Wo ist er denn auf einmal hin?“ Kapitel 46: Sonnenaufgang ------------------------- Ganz langsam wie in Zeitlupe schiebt sich das erste Licht des neuen Morgens über den Horizont und kriecht unaufhaltsam dem neuen Tag entgegen. Zu langsam! Viel zu langsam! Auf einer kleinen Anhöhe steht Yarinuyuki und blickt ungeduldig dem Sonnenaufgang entgegen. Trotz ihrer extremen Unruhe versucht sie, es nicht nach außen zu zeigen. Wenn sie jetzt ihren Gefühlen nachgibt, geht bestimmt etwas oder jemand kaputt. Nicht, dass sie das wirklich stören würde, aber es macht sicher keinen guten Eindruck, ihre eigenen Leute grundlos niederzumetzeln. Besonders nicht wenn man die aktuelle Situation bedenkt. Seit Stunden wägt sie nun schon ihre Chancen ab. Sie hat etwa 250 Krieger bei sich und das Heer von Arashitsume verfügt über fast 150 Krieger die die auf den Angriff spezialisiert sind und über 200 Soldaten, deren Stärke in der Verteidigung liegt. Sesshomaru hingegen hat wahrscheinlich Nägel mit Köpfen gemacht und gleich sein gesamtes Heer mitgebracht. Zwar waren nur etwa 300 Krieger auszumachen, doch die restlichen 100 bis 150 treiben sich bestimmt noch hier irgendwo in den Büschen herum. Verdammter Mist! Auch wenn jeder meiner Krieger für zwei zählt, so sind wir noch immer gerade mal gleich auf mit dem Westen und seinen elenden Tölen und mit ein bisschen Glück auf ihrer Seite, werden sie uns einfach überrennen. Es wäre reiner Selbstmord gewesen, sie gleich vorhin anzugreifen! Yarinuyukis Hand schließt sich grimmig um den Griff ihres Schwertes. Dieser hinterhältige Mistkerl! Wie kann er sich erdreisten, sein Heer versteckt zu halten? Das ist ein sehr unsportliches Verhalten von ihm! Wenn es nur endlich Sonnenaufgang wäre! Dann würde ich diesem miesen Hund schon zeigen, mit wem er sich hier anlegt! Ich kann nur hoffen, dass er bald einen Boten schickt, der mir mitteilt, dass er diese Köter zur Strecke gebracht hat, sonst garantiere ich für nichts mehr! Ich will mal nicht hoffen, dass er so dumm ist, und versucht, mich ein weiteres Mal zu täuschen. Das würde ihn teuer zu stehen kommen! Ein kleines bisschen mulmig ist ihr dennoch zumute. Auch wenn sie das gerne glauben möchte, aber die Westkrieger sind bei weitem nicht solche laschen Kämpfer wie die Higashi-aitsu. Der Kampf wird sicher nicht leicht werden. Womöglich wäre es von Vorteil, wenn sie mit dem Osten zeitweilig eine Allianz bilden würde. Gemeinsam, hätten sie vielleicht eine Chance, diesen Krieg zu gewinnen. Doch sogleich schüttelt sie sich angewidert ein wenig. Nein, auf keinen Fall! Sich mit den Higashi-aitsu zu verbünden kommt überhaupt nicht in Frage! Selbst wenn sie sich dazu entschließen sollte, niemals würden ihre Krieger Seite an Seite mit den Ostlern kämpfen! Das steht außerhalb jeglicher Frage! Wenn sie das versuchen würde, dann wird sie möglicherweise kaum länger auf die Loyalität ihrer Leute zählen können. Es ist ja nicht so, dass sie sie nicht bemerkt hätte, die skeptischen Blicke ihrer Leute, seit diese Sache auf dem Rat passiert ist. Es wurde nicht besser durch die unorthodoxen Befehle, die sie gezwungen war, zu geben. Die Anweisung, sich aus der Richtung dieses Streuner fernzuhalten, ihr fluchtartiges Verschwinden vom Kampfgeschehen mit dem zurückbleibenden Befehl, die Gegner ohne ihr Mitwirken zu vernichten, die Tatsache, vom Westheer überrascht zu werden und notgedrungen den Rückzug antreten zu müssen. Das alles diente nicht gerade dazu, den Respekt ihrer Leute zu sichern. Momentan folgen sie ihr noch, weil sie Inu Taihyougas einzige Thronerbin ist, doch wie lange wird sie darauf pochen können, wenn sie sich nicht als Führerin bewährt, wenn sie sich ihres Erbes nicht würdig erweist? Schmerzlich wird ihr bewusst, dass sie sich noch immer in der Probezeit befindet. Ob das den anderen Fürsten auch klar ist? Zählen sie darauf, dass ihre Leute ihr auseinanderlaufen, damit sie leichtes Spiel mit ihr haben? Das würde dann allerdings bedeuten, dass sie einfach keine Schwäche mehr zeigen darf. Wenn der Fürst des Westens nicht zu seinem Wort steht und ihr bis Sonnenaufgang den Tod seines Bruders und dieser Streuner mitteilt, werden sie kämpfen müssen. Dann führt kein Weg mehr an einem Krieg vorbei. Yarinuyuki atmet einmal leicht durch. Verdammt noch mal! Sesshomaru hatte recht, ich weiß, was ein Krieg bedeuten würde. Wenn er so verläuft wie der Letzte, dann wird dieses Land praktisch dem Erdboden gleichgemacht und es wird unzählige Verluste auf allen Seiten geben. Sie verzieht den Mund. Mit Sicherheit werden wir tapfer kämpfen und vielleicht überleben wir, aber möchte ich wirklich als diejenige gelten, die den schon so lange andauernden Frieden bricht? Möchte ich alles zerstören, was mein Vater aufgebaut hat und damit seine Meinung bestätigen, dass Frauen nicht als Fürsten geeignet sind? Aber eigentlich liegt es nicht länger in meiner Hand. Ich habe Sesshomaru gesagt, was ich tun werde, wenn er sich nicht an das Ultimatum hält und ich darf einfach nicht wortbrüchig werden! Das würde nur Schwäche bedeuten. Ich habe einfach keine Wahl! Doch im gleichen Moment huscht ihr ein flüchtiges Bild durch den Kopf. Tenmaru! Er sagte, man hat immer eine Wahl. Stimmt das wirklich? Wenn man es genau betrachtet, mag er recht haben. Die Wahl hat man immer, nur die Konsequenzen machen es einem manchmal schwer, eine andere Möglichkeit als das Offensichtliche zu wählen. Sie seufzt ein wenig. Da ist er schon wieder. Sie bekommt diesen Streuner einfach nicht aus ihrem Kopf. Warum spukt dieser Kerl bloß ständig so penetrant in ihren Gedanken herum und warum ist es ihr einfach nicht möglich, ihn ganz bequem zu hassen? Schließlich war er es, der ihren Vater tötete, das muss doch irgendwas wert sein. Warum bloß zählt das dann für sie so wenig? Hat seine verlockende Aura wirklich einen derartigen Einfluss auf sie? Offensichtlich hat sie das, wie sollte man es sonst anders erklären können, dass sie ihm nicht länger so brennend, wie noch zu Beginn, den Tod wünscht? Wirklich ein Glück, dass ihre Leute nicht wissen, was sie denkt. Damit würde sie wahrscheinlich noch das letzte bisschen Respekt verlieren. Dieser elende Streuner! Warum hat er nicht auf sie gehört? Er selbst hatte doch gesagt, er wolle sich in ihren Dienst begeben. Warum hat er dann gleich ihren ersten Befehl missachtet? Dabei weiß er doch ganz genau, welche Wirkung er auf sie hat. Kann er sich dann nicht denken, dass sie ganz massive Probleme bekommt, wenn sie kämpfen muss und er in ihrer Nähe ist? Was blieb ihr anderes über, als zu flüchten, bevor ihre Leute mitbekommen, was sein Geruch mit ihr macht. Bestimmt denken sie nun, sie hätte Angst gehabt. Wie konnte er ihr das bloß antun? Na warte! Fast wünscht sie sich, Sesshomaru möge seine Zusage nicht erfüllen und den Streuner am Leben lassen, dann kann sie ihn nämlich töten, oder zumindest schwer bestrafen! Ihr Blick geht wieder hinüber zum Sonnenaufgang. Nicht mehr lange und der rote Feuerball wird sich über den Horizont schieben und noch immer ist kein Bote eingetroffen. Na, komm schon, Sesshomaru! Erfüll deinen Teil der Vereinbarung und zwing mich nicht dazu, meinen zu erfüllen! Auf einmal vernimmt sie ein Gemurmel hinter sich und schon im nächsten Moment riecht sie den Grund dafür. Blut! Jemand nähert sich ihrem Lager und er ist verletzt. Und es ist keiner von ihren Leuten. Na endlich! In der Tat erleichtert wendet sie sich nun zu ihren Männern um, die in einiger Entfernung Stellung bezogen haben. Am Rande des Lagers stehen mehrere Nordyoukais Wache und gerade im Augenblick ist dort ein leichtes Gerangel zu bemerken. Bei näherem Hinsehen, erkennt man nun einige Nordyoukais die jemanden zwischen sich mehr schleppen als führen und ihn nun unbarmherzig bis hin zu ihrer Fürstin schleifen. Nun kommt Itakouri auf Yarinuyuki zu. „Yarinuyuki-hime! Wir haben gerade im umliegenden Wald einen Nishi-aitsu aufgegriffen, der behauptet, dass er zu Euch will. Was sollen wir mit ihm machen?“ Nun richtet die junge Fürstin sich hoch auf und reckt ein wenig das Kinn: „Bringt ihn her!“ Nun kommt der kleine Pulk mit dem gefangenen Youkai auf sie zu. „Lasst mich los! Ich kann schon selber gehen!“, vernimmt man nun eine ärgerliche Stimme, „Ich habe auch nicht vor, wegzulaufen. Ich habe eine Botschaft für eure Fürstin!“ „Was du nicht sagst, Nishi-aitsu!“, kommt die hämische Antwort und dann ertönt ein heftiger Schlag und ein unmittelbares Aufkeuchen, „Du hast wirklich Glück, dass sie dich sehen will.“ Nun wird der Gefangene unsanft nach vorne geschubst und leicht taumelnd kommt er dort zum Stehen. Links und rechts von ihm haben nun zwei Nordyoukais mit langen Speeren Posten bezogen, bereit, beim kleinsten Fehlverhalten, seinem Leben ein Ende zu setzen. Direkt vor ihm ragt nun die Fürstin des Nordens auf und mustert ihn mit einem geringschätzigen Blick. Ein wenig verunsichert blickt der Westyoukai sich um, doch dann atmet er einmal durch und sinkt dann vor der Fürstin auf ein Knie herab. „Ich hoffe, du bist gekommen, um mir mitzuteilen, dass die Streuner und dieser Hanyou tot sind“, sagt Yarinuyuki hart, noch ehe er dazu kommt, den Mund aufzumachen. Ein wenig unbehaglich senkt Dokutoge den Blick. Was soll er darauf sagen? „Ich fürchte nein, edle Fürstin!“, beginnt er. „Ein Jammer!“, unterbricht sie ihn kühl und schon will sie ihren Wachen einen Wink geben, ihn zu töten, doch in selben Moment springt Dokutoge energisch auf. „Aber ich habe eine viel wichtigere Nachricht für Euch, Yarinuyuki-sama!“, meint er hastig. Tapfer ignoriert er den aufjaulenden Schmerz in seinem Körper bei der ruckartigen Bewegung. Sofort sind sämtliche umstehenden Speere auf ihn gerichtet, doch eine einzige Handbewegung ihrer Fürstin lässt die übereifrigen Krieger innehalten. Yarinuyukis Augen werden schmal. „Was könnte Sesshomaru als wichtiger erachten, als mir mitzuteilen, dass er seinen Teil der Abmachung eingehalten hat?“, fragt sie scharf. Wieder zögert Dokutoge. Soll er tatsächlich sagen, wer ihn geschickt hat? Doch dann strafft er sich. Er hat zugesagt, die Botschaft zu überbringen und eher stürzt der Himmel ein, als dass er seinem Schwur untreu wird! Behutsam, um seine Verletzungen nicht unnötig zu beanspruchen, richtet er sich auf. „Mein Name ist Dokutoge, edle Fürstin. Ich bin der oberste Befehlshaber des Westheers, doch es war nicht Sesshomaru-sama, der mich zu Euch sandte.“ Nun hebt Yarinuyuki hebt die Brauen: „Ach, sieh mal einer an! Und wer hat dich dann geschickt?“ Dokutoge hebt das Kinn. „Inu Yasha-ouji sandte mich zu Euch, mit dem Gesuch, Euren angekündigten Angriff bei Sonnenaufgang nicht auszuführen!“ Yarinuyuki reißt die Augen auf: „Was? Du willst mir sagen, dieser Hanyou schickt dich? Was nimmt der Kerl sich heraus, so was von mir zu verlangen?“ Wutschnaubend steht sie da. Die umstehenden Youkais rücken näher an Dokutoge heran, bedrohlich funkeln sie ihn an. „Der kleine Bastard hat entweder verdammt gute Nerven, oder er ist einfach so feige, dass es zum Himmel stinkt! Nicht nur, dass Sesshomaru meine Bedingungen nicht erfüllt hat, jetzt bettelt auch schon sein Bruder um Gnade. Euer ganzer Clan besteht doch aus nichts weiter als Verrätern und Feiglingen! Nenn mir nur einen Grund, warum ich auf diese törichte Bitte eingehen sollte!“ Dokutoge atmet einmal durch und dann blickt er sie direkt an: „Weil nicht die Streuner Schuld am Tod Eures Vaters haben!“ Yarinuyuki reißt die Augen auf und starrt ihn fassungslos an. Auch um ihn her erhebt sich nun ungläubiges Gemurmel. „Was erzählst du hier für unverschämte Lügen!“, schnaubt die Nordfürstin nun erbost, „Entweder wollt ihr mich für dumm verkaufen, oder ihr feigen Nishi-aitsu versucht eure wertlose Haut mit schmutzigen Tricks zu retten“, sie nickt kurz in Itakouris Richtung, „Mein Hauptmann war dabei! Er hat selbst gesehen, wie sich diese verlauste Bande auf meinen Vater gestürzt hat und ihn hinterhältig ermordete, kaum, dass er gegen diese Ostschlampe gewonnen hatte. Also erzähle mir nicht, sie wären unschuldig!“ Ein wenig verunsichert senkt Dokutoge den Blick. Wenn er doch nur mehr über das Ganze wüsste. „Ich kann Euch nicht sagen, was damals tatsächlich vorgefallen ist, edle Fürstin!“, meint er nun vorsichtig, „Aber Inu Yasha-ouji hat herausgefunden, dass offenbar der Fürst des Ostens dabei seine Finger im Spiel hatte.“ „Was?“, Yarinuyuki reißt die Augen auf und fletscht die Zähne, „Was hat dieser miese, kleine Feigling mit der Sache zu schaffen?“ Dadurch ermutigt hebt Dokutoge den Kopf: „So wie es aussieht, gibt es eine Schwarze Miko, die für ihn arbeitet. Sie hatte den Auftrag meinen Herren, Fürst Sesshoumaru, zu töten. Dieser Anschlag misslang und Inu Yasha-ouji hat nun die Verfolgung aufgenommen. Er ersucht Euch, mit dem Angriff noch zu warten, bis er sie gestellt hat und damit Arashitsumes Verrat beweisen kann.“ Ein aufgebrachtes Geraune ertönt nun um ihn her. Doch nun tritt Itakouri vor. Mit grimmiger Miene nimmt er Dokutoge in Augenschein. „So einen hirnverbrannten Schwachsinn habe ich schon lange nicht mehr gehört. Euch Nishi-aitsu ist offenbar jedes Mittel recht, um euch aus der Verantwortung zu stehlen.“ Mit kritischen Blicken umrundet er Dokutoge, der mit bleichem Gesicht aber entschlossener Miene geradeaus blickt. Seine Finger zittern ein wenig vor Anstrengung. Es kostet ihn all seine Kraft nicht zusammenzubrechen. Zu seinem Leidwesen zehren seine jüngsten Verletzungen noch immer an seiner Kondition. Doch eine Schwäche kann er sich im Moment auf keinen Fall erlauben. „Ich erkenne dich wieder“, meint Itakouri skeptisch, „Du warst vorhin dabei. Du dienst unter Sesshomaru. Warum solltest du jetzt für diesen Hanyou Botengänge machen? Entweder Sesshomaru macht nun doch gemeinsame Sache mit seinem Bruder oder er versucht uns gegen den Fürst des Ostens aufzuwiegeln und seinen Bruder dafür vorzuschieben, sollten wir nicht darauf einsteigen. Wie dem auch sein, beide Möglichkeiten gefallen mir nicht. Deine Märchen kannst du irgendwem anders erzählen, aber wir lassen uns doch nicht von euch verarschen!“ „Es war keine Lüge!“, fletscht Dokutoge nun doch die Zähne und im gleichen Moment spürt er wieder den beißenden Schmerz in seinem Rücken, als seine Wunden von der ruckartigen Bewegung wieder aufbrechen. „Nicht?“, hebt Itakouri die Brauen, „Dann erklär mir doch mal, wie es kommt, dass du dich jetzt auf die Seite von diesem Hanyou geschlagen hast! Und nebenbei bemerkt, wenn Arashitsume tatsächlich vorhätte Sesshomaru umzubringen, warum sollte er dann gegen eines unserer strengsten Gesetze verstoßen und eine Allianz mit dem Feind eingehen, die ihm noch nicht einmal etwas bringt? Das Risiko geht er doch niemals ein für eine Miko, die zu schwach ist, ihren Auftrag angemessen zu erfüllen.“ „Sie war sicher nicht zu schwach!“, faucht Dokutoge ärgerlich und unmittelbar darauf entfährt ihm ein leichtes Stöhnen. Ihm ist schwindelig und dieses Gespräch entwickelt sich gerade nicht zu seinen Gunsten. Itakouri stemmt gehässig die Arme in die Seite: „Wenn sie nicht zu schwach war, wie hat Sesshomaru dann überlebt?“ Ein wenig unbehaglich blickt Dokutoge nun zu Boden. Weitere Schilderungen bedürfen eines gewissen Fingerspitzengefühls. „Ich war dabei, als sie versuchte, ihn mit ihren Kräften zu läutern“, beginnt er verhalten, „Doch noch ehe ihr Angriff ihn erreichen konnte, sprang einer der Streuner dazwischen und fing die Attacke ab, die für meinen Herren gedacht war.“ „Ach was!“, grinst nun Itakouri sarkastisch, „Du willst uns wirklich weißmachen, einer dieser Streuner hätte versucht, Sesshomaru zu beschützen?“ Sein Gesicht verzieht sich zu einem immer breiteren Grinsen und schließlich bricht er in ein lautes spöttisches Lachen aus. Sämtliche Nordyoukais um ihn her stimmen augenblicklich mit ein und die Krieger machen keinen Hehl daraus, wie lächerlich sie diese Behauptung finden. „Das ist der beste Witz und die dickste Lüge, die ich seit langem gehört habe!“, spottet Itakouri und blitzt dabei Dokutoge mit einem boshaften Funkeln in den Augen an. Wieder brechen die Nordkrieger in hämisches Gelächter aus. „Schweigt!“, ein scharfer, unmissverständlicher Befehl übertönt in diesem Moment das Gelächter und schlagartig herrscht Ruhe. Hochaufgerichtet steht Yarinuyuki da und der missgünstige Blick den sie in die Runde wirft, ist eisig. Dann wendet sie sich an ihren Hauptmann: „Itakouri, es reicht jetzt! Ich werde ihn weiter verhören!“ Der Nordkrieger senkt fügsam den Blick, doch man merkt ihm an, dass er es mit einem gewissen Widerwillen tut. Nun wendet die Nordfürstin sich wieder Dokutoge zu. Finster blickt sie ihn an: „Welcher Streuner soll das gewesen sein?“ Dokutoge wagt es nicht, den Blick abzuwenden, obwohl ihre eisblauen Augen ihn nun praktisch zu durchbohren scheinen. „Es war der Streuner Tenmaru!“, gibt er ein wenig zögernd Auskunft. Das Gesicht der Fürstin wirkt angespannt. Noch immer fixiert ihn ihr Blick. „Was geschah mit ihm?“, fragt sie schließlich. „Er hat es nicht überlebt, edle Fürstin!“, gibt Dokutoge Auskunft und nun sinkt er erneut vor ihr auf die Knie, auch in der Hoffnung, dass man seine Schwäche unter dieser Ehrenbezeugung nicht bemerken wird. Doch was ihn dann doch stutzen lässt ist der Ausdruck der nun auf dem Gesicht der Fürstin liegt. Fast könnte man meinen, es wäre Betroffenheit, doch das muss eine Täuschung sein. „Er ist... tot?“, die Frage klingt verwundert. Dokutoge blickt hinauf zu dem Gesicht der Fürstin. Er vermag den Ausdruck nicht zu deuten, doch er irritiert ihn. Sesshomaru hätte seine Gefühle nie so offen gezeigt. Die Fürstin des Nordens steht da wie vom Donner gerührt. Offenbar ist diese Reaktion auch den Nordkriegern nicht entgangen. Itakouri tritt nun an seine Fürstin heran. „Yarinuyuki-hime, achtet gar nicht auf das was er sagt! Diese Behauptung kann gar nicht stimmen! Der Westen versucht nur Zeit zu schinden!“ Doch mit einer harschen Handbewegung bringt sie ihn augenblicklich zum Schweigen. „Ich brauche deine Ratschläge nicht, Itakouri!“ Der Krieger weiß genau, dass er diesmal beinah zu weit gegangen ist. Er mag seine Fürstin vielleicht nicht verstehen, oder ihre Entscheidungen in den letzten Stunden und er kann die kleine Stimme nicht länger totschweigen, die ihm einredet, dass dieses Amt die Daiyoukai womöglich doch überfordert, aber er ist noch immer ihr erster Befehlshaber und sie die Fürstin des Nordens und es ist seine Pflicht, ihren Anweisungen bedingungslos zu gehorchen. Ein wenig zerknirscht fügt er sich. Er kann nur hoffen, dass sie weiß was sie tut. Doch noch ehe Yarinuyuki dazu kommt, noch weitere Worte an den Westkrieger zu richten, entsteht am Rand des Lagers ein weiterer Tumult. Sofort legt sich Yarinuyukis Stirn in Falten und sie nickt Itakouri rasch zu, nachzusehen was dieses Gerangel dahinten verursacht. Es dauert nicht lange, bis der Verursacher ausgemacht ist. Ein paar Nordkrieger führen einen weiteren Youkai mit sich und diesmal ist es ganz unverkennbar ein Krieger des Ostens. „Noch ein Bote, Yarinuyuki-hime“, informiert Itakouri seine Herrin, „Ein Higashi-aitsu. Er behauptet, es sei wichtig!“, der verächtliche Unterton in dem letzten Wort ist unverkennbar. Auch dieser Neuankömmling wird nun nach vorne geschleppt und auch er wird von mehreren Nordsoldaten wachsam im Auge behalten. Dokutoge wirft einen kritischen Blick auf den Neuankömmling. Er ist zweifellos ein Ostyoukai, doch seine Haut ist blass, ja fast schon grau und seine Bewegungen sind zittrig. Er sieht ungeheuer mitgenommen aus und die Farbe seiner Augen ist nur noch ein blasses Lila. Was mag ihm passiert sein, und was viel wichtiger ist, was mag er hier wollen? Nun fällt der Blick des fremden Ostkriegers auf Dokutoge und für einen Moment scheint er zu stutzen doch dann rasch fasst er sich wieder. Sogleich wirft er sich vor Yarinuyuki zu Boden. „Edle Fürstin!“, ruft er aus und seine Stimme klingt ein wenig kratzig, „Mein Name ist Sokudo. Ich bin der Vizekommandant unter Raimeimaru, dem Hauptmann der Higashi no Ken (Schwert des Ostens). Mein Herr Arashitsume schickt mich zu Euch, um Euch zu warnen!“ „So?“, meint Yarinuyuki und hebt die Brauen, „Was du nicht sagst. Und wovor?“ Sokudo wirft nun einen hasserfüllten Blick auf Dokutoge: „Vor der Hinterhältigkeit der Nishi-aitsu!“ Dokutoge reißt die Augen auf. Was hat das zu bedeuten? Was will dieser Kerl? „Hinterhältigkeit sagst du?“, meint nun Yarinuyuki scharf, „Ist das nicht eigentlich die Tugend der Higashi-aitsu?“ „Böswillige Gerüchte, edle Fürstin!“, behauptet Sokudo fest, „Gestreut vom Westen zu dem einzigen Zweck, ein Bündnis zwischen dem Norden und dem Osten zu verhindern.“ Missmutiges Getuschel wird laut um sie her. Yarinuyuki schnaubt verächtlich auf: „Ein Bündnis? Dein Fürst soll sich da bloß keine Illusionen machen. Diese Situation kann man noch am ehesten einen Waffenstillstand aber wohl kaum ein Bündnis nennen. Eine wirkliche Allianz wird niemals zustande kommen!“ „Und dennoch, scheint der Westen genau das zu befürchten!“, setzt Sokudo nun entschlossen nach. Schon will Dokutoge empört aufspringen, doch seine Bewacher reagieren augenblicklich und zwingen ihn wieder zu Boden. Nun baut sich die Fürstin des Nordens direkt vor dem Ostkrieger auf und blickt streng auf ihn hinab: „Was willst du damit sagen?“ Sokudo hebt den Kopf. Sein Gesicht ist noch immer bleich und dunkle Ringe liegen unter seinen Augen, doch er hält ihrem Blick stand. „Damit will ich sagen, dass Sesshomaru ein Verräter ist!“ Nun hält es Dokutoge nicht mehr. Wütend reißt er sich los und springt zornig auf: „Das ist eine böswillige Lüge! Glaubt diesem Wurm kein Wort!“ Doch weiter kommt er nicht, denn mehrere Faustschläge seiner Bewacher befördern ihn wieder äußerst unsanft zu Boden. Dokutoge ächzt. Sein Körper schmerzt und seine Glieder fühlen sich schwer wie Blei an. Keuchend gönnt er sich einen Augenblick lang nur zu atmen. Nun wendet Yarinuyuki sich wieder an den Ostkrieger und ihre Stimme ist eisig: „Das ist interessant, genau das Selbe sagte er nämlich gerade erst über deinen Herren“, sie nickt einmal kurz in Dokutoges Richtung, „Wem von euch soll ich denn nun glauben?“ Sokudo schluckt einmal dann sagt er: „Bitte lasst es mich Euch erklären, edle Fürstin!“ Yarinuyuki verschränkt die Arme: „Fass dich kurz!“ „Wie Ihr befehlt!“, er richtet sich ein wenig mehr auf und atmet dann einmal durch bevor er beginnt. „Mein Herr wollte eigentlich nicht, dass Ihr es auf diese Weise erfahrt, aber da sich die Lage nun immer mehr zuspitzt, trug er mir auf, es Euch zu erzählen.“ „Mir was zu erzählen?“, fragt Yarinuyuki ungeduldig. „Ihr habt Euch doch sicher gewundert, warum Euer Vater nach all diesen Jahren diese Streunerin nicht vergessen konnte, warum er so besessen war von ihr. Das liegt an einer natürlichen Veranlagung die ihr zueigen war. Ihr Geruch war für männliche Youkais und besonders für Daiyoukais unwiderstehlich.“ Yarinuyuki erstarrt. Dann macht sie einen Schritt vorwärts und packt den Ostkrieger vorne am Gewand und zieht ihn zu sich hinauf. „Wage es, ein weiteres Wort zu sagen und ich mach dich persönlich kalt!“, zischt sie leise. Dann lässt sie ihn zu Boden plumpsen. Hoch richtet sie sich auf und blickt in die Runde. „Itakouri!“, befiehlt sie laut, „Teile unsere Truppen ein und schick sie los um ihre Posten zu beziehen. Die Sonne geht bald auf und wenn Sesshomarus Truppen angreifen, will ich vorbereitet sein“, scharf blickt sie ihn an, „Schick sie alle los! Ich werde mich persönlich um diese beiden Köter da kümmern und ihr werdet solange warten, bis ihr von mir den Angriffsbefehl erhaltet! Verstanden?“ Ein wenig irritiert blickt Itakouri seine Fürstin an, doch er beschließt zu gehorchen. Rasch winkt er seine Leute zusammen und beginnt mit den letzten Vorbereitungen für die Schlacht. Zurück bleiben nur Yarinuyuki und die beiden verwundeten Boten. Nachdem nun die anderen Nordkrieger beschäftigt sind, wendet sich Yarinuyuki wieder Sokudo zu und ihr Blick ist eisig. „Wenn du noch einmal vor meinen Männern etwas sagst, dass das Andenken meines Vaters besudelt, bist du tot!“ Sokudo senkt demütig den Blick: „Vergebt mir, edle Fürstin! Ich bitte untertänigst um Verzeihung daran hatte ich nicht gedacht!“ Neben sich hört er Dokutoge verächtlich ausschnaufen. Der Westkrieger ist mindestens so bleich wie der andere und kraftlos kniet er ein Stück neben ihm auf dem Boden. Yarinuyuki ignoriert es: „Rede weiter! Was ist nun mit dieser verlausten Streunerin?“ Ermutigt fährt Sokudo fort: „Euer Vater sah sie und er verfiel ihrem Geruch. Er vermochte sie nicht mehr zu vergessen. Wie Ihr sicher wisst, wurde sie bald darauf verbannt“ „Das ist mir bekannt!“, sagt Yarinuyuki unwirsch, „Erzähl mir etwas, das ich nicht weiß! Was hat Sesshomaru mit der Sache zu tun?“ „Ihr sollt es gleich erfahren, edle Fürstin!“, meint Sokudo rasch, „Vor kurzem erst erfuhr mein Herr etwas ungeheuer Wichtiges! Nämlich, dass seine Schwester, die Streunerin Hanaki, einen Sohn hatte!“ Dokutoge hält unwillkürlich den Atem an. Was kommt jetzt? Wieviel weiß der Fürst des Ostens? Doch Sokudo redet schon weiter. „Dieser Sohn scheint ganz offenbar, die Gabe seiner Mutter geerbt zu haben. Sein Name ist Tenmaru.“ Dokutoge beobachtet die Fürstin aufmerksam. Seltsamerweise verzieht sie keine Miene bei der Schilderung. „Vor kurzer Zeit, so scheint es“, fährt Sokudo fort, „Erfuhr Sesshomaru von diesem Sohn und es bereitete ihm wohl Sorge, was passieren möge, sollte dieser oder seine Mutter jemals wieder im Osten aufgenommen werden. Sicher hatte er von der Vernarrtheit Eures Vaters gehört und vermutlich befürchtete er, dass aus diesen Gelüsten eine Heirat zustandekommen könnte. Das würde ein Bündnis zwischen Osten und Norden bedeuten und diese Machtverschiebung wäre äußerst ungünstig für den Westen. Also beschloss er, sie aus dem Weg zu räumen, und am besten gleich noch Euren Vater dazu!“ „Diese dreckigen Lügen höre ich mir nicht länger an!“, braust Dokutoge auf und fletscht die Zähne. Schon im nächsten Moment ist er auf den Füßen und ignoriert dabei tapfer den Schmerz der sich nun über seinen ganzen Körper ausbreitet. „Seht Ihr?“, meint Sokudo sofort, „Sie fürchten, dass die Wahrheit herauskommt.“ Mit einem wütenden Grollen will sich Dokutoge nun auf ihn stürzen, doch ein geschickter Schlag von Yarinuyukis Faust schickt ihn unsanft zu Boden. „Du rührst jetzt besser keinen Finger mehr, Nishi-aitsu!“, grollt sie tödlich. Schwer atmend liegt Dokutoge auf dem Rücken und versucht bei Besinnung zu bleiben. Das darf doch alles nicht wahr sein! Wie kann sie diesen Unsinn bloß glauben? Langsam wendet sich Yarinuyuki nun wieder Sokudo zu: „Du willst also behaupten, Sesshomaru hätte meinen Vater getötet? Das ist völlig absurd! Wie hätte er das tun sollen?“ „Nicht er selbst tat es, edle Fürstin!“, erwidert Sokudo rasch, „Sondern die Schwarze Miko, deren Dienste er sich sicherte.“ „Schwarze Miko?“, Yarinuyukis Stirn legt sich in Falten, „Offenbar ist an diesen Gerüchten doch etwas dran!“ „Das sind keine Gerüchte!“, ruft Sokudo energisch aus und dann legt er seinen Kopf auf die Seite und entblößt dabei eine unschöne Bisswunde. „Dieses dreckige Weib hat versucht, mich auf dem Weg hierher abzufangen, damit nicht herauskommt, für wen sie arbeitet. Sie hat mir das Blut ausgesaugt und dann versucht, mich mit ihrer Mikoenergie zu läutern. Ich konnte gerade noch entkommen! Viel hätte nicht gefehlt und sie hätte mich erledigt gehabt. Sie wusste, dass ich Euch warnen wollte.“ „Und du behauptest, sie hatte auch an dem Tag ihre Finger im Spiel?“, fragt Yarinuyuki scharf zurück. Sokudo nickt eifrig. „Ich bedauere es sehr, Euch das sagen zu müssen, doch sie hat wohl erst die Streunerin Hanaki während des Kampfes gelähmt, woraufhin Euer Vater leichtes Spiel mit ihr hatte, nicht, dass er das nötig gehabt hätte“, fügt er rasch hinzu, „Und als sie dann tot war, lähmte sie Euren Vater und Eure Soldaten und überließ ihn so der Rache der Streuner. Offenbar misslang es ihr dann aber, auch noch den Sohn dieser Kojotin zu töten, und deshalb musste sie es nun noch einmal versuchen!“ Mit zusammengebissenen Zähnen hat Yarinuyuki gelauscht. „Das ist... ungeheuerlich!“, presst sie hervor, „Wenn das stimmt, was du sagst, dann hat diese Miko meinen Vater um einen ehrlichen Sieg und einen ehrbaren Tod gebracht und das kann ich nicht akzeptieren!“ Vor Wut bebend atmet sie ein und aus. „Wer immer dafür verantwortlich ist, wird durch meine eigene Hand einen qualvollen Tod sterben!“ „Es war nicht Fürst Sesshomaru!“, ruft jetzt Dokutoge so energisch wie ihm möglich dazwischen. Er hat sich wieder ein wenig aufgerappelt doch sein Atem geht schwer. „Wer soll es denn sonst gewesen sein?“, kommt es giftig von Sokudo zurück, „Der Westen war schon immer skrupellos! Und Verrat ist das Einzige, was vom Westen zu erwarten ist, das weiß doch jeder!“ „Du hast keine Beweise dafür!“, gibt Dokutoge wütend zurück. „Wie nennst du das hier, Nishi-aitsu?“, zischt Sokudo und entblößt die Male an seinem Hals, „Einen Liebesbiss? Das hat sie mir verpasst kurz nachdem sie diesen Tenmaru getötet hat. Wahrscheinlich um ihre Kräfte wieder aufzufrischen. Hat euer toller Fürst nun sein Ziel erreicht damit? Nun ist endlich niemand mehr da, der ihm gefährlich werden kann, nicht wahr?“ Schon will Dokutoge etwas erwidern, doch er kommt nicht dazu denn im selben Augenblick macht Yarinuyuki einen blitzschnellen Sprung nach vorne und mit raschem Griff packt sie Sokudos und Dokutoges Hälse und presst die beiden geschundenen Youkais unbarmherzig zu Boden. Ihre Augen funkeln in einem kalten Blau und ihre Reißzähne treten hervor. „Kein Wort mehr!“, zischt sie gefährlich, „Ihr redet nur noch wenn ihr gefragt werdet bevor ich wirklich noch die Geduld mit euch verliere!“ Dann lässt sie die beiden los und blickt ärgerlich auf sie hinab. Dann atmet sie einmal durch. „Er ist also tatsächlich tot“, stellt sie bei sich fest. Dann blickt sie wieder Sokudo an: „Du sagst, es war diese Miko?“ Der Ostkrieger nickt: „Ja, edle Fürstin!“ „Und du sagst, sie handelt in Sesshomarus Auftrag?“, fragt sie weiter. „Ja, edle Fürstin!“ Dokutoge fletscht die Zähne. Nur mit Mühe kann er sich davon abhalten, aufzuspringen und diesen dreckigen Ostköter mit bloßen Händen zu zerreißen, doch das würde vermutlich nur seine Behauptung untermauern. Verdammt, die Fürstin des Nordens schenkt ihm einfach kein Gehör. Was soll er nur tun? „Dann sag mir, woher Sesshomaru davon gewusst haben will?“, hart fliegen Yarinuyukis Worte nun zu dem Ostkrieger hinüber, „Immerhin, hielten sich die Streuner die meiste Zeit im Osten auf. Woher sollte er also von diesem Sohn wissen?“ Einmal mehr hält Dokutoge die Luft an. Nein, das letzte was dieser Köter aus dem Osten tun darf, ist von Sesshomarus Verbindung zu diesem Tenmaru, zu berichten. Ja, auch er hat der Unterhaltung zwischen Sesshomaru und seinem Bruder gelauscht und es steht wohl außer Frage, dass dieser Junge tatsächlich der Sohn seines Herren war. Doch selbst wenn es offensichtlich war, Sesshomaru hat ihn niemals offiziell anerkannt und deshalb käme jede Behauptung in dieser Richtung einer schweren Beleidigung gleich. Ob der Fürst des Ostens davon weiß, und würde er dieses Wissen tatsächlich gegen seinen Herren einsetzen? „Gut, dass Ihr es ansprecht, edle Fürstin!“, bemerkt Sokudo nun. Er scheint immer mehr an Sicherheit zu gewinnen. „Natürlich hatte Sesshomaru einen Spion, der ihn über alles auf dem Laufenden hielt.“ „Einen Spion?“, fragt sie streng zurück. Sokudo nickt. „Eure Leute haben Euch sicher berichtet, dass sich unter den Streunern auch ein Nishi-aitsu befand. Dieser Köter gab vor, vom Westen verstoßen worden zu sein, doch in Wirklichkeit berichtete er Sesshomaru alles, was bei den Streunern und sicher auch im Osten vor sich ging. Ihr erinnert Euch doch sicher noch daran, wer es war, der Euren Vater informierte, wo diese Hanaki zu finden war. Der selbe Streuner spionierte auch für Sesshomaru und er rekrutierte diese Miko und zeigte ihr, wo sie diesen Tenmaru finden konnte. Sie tötete ihn und versuchte mich daran zu hindern, Euch die Wahrheit zu erzählen. „Selbst die Idee mit dem Hohen Rat war ein reiner Vorwand dafür, dass Sesshomaru mit seinem gesamten Heer in den Osten eindringen konnte, ohne Verdacht zu erregen. Er spekulierte wahrscheinlich darauf, dass der Norden unter neuer Führung an Stärke einbüßen würde. Vermutlich macht er sogar gemeinsame Sache mit seinem Bruder und er hatte niemals vor, ihn hinrichten zu lassen. Mein Fürst ist überzeugt davon, dass Sesshomaru ihn damals beauftragt hat, meinen Kameraden und mich anzugreifen und wenn möglich zu töten. Mein Freund Bouryoku starb durch die Hand dieses Hanyous und ich selbst konnte nur mit knapper Not entkommen. Damit führte er ganz bewusst einen Zwischenfall herbei, aus dem er hoffte, als Sieger hervorzugehen. Doch nun wisst Ihr ja von diesem Plan und mein Herr hofft, dass Ihr aus diesen Informationen eine weise Entscheidung treffen werdet.“ Einen Momentlang herrscht Stille, dann hebt Yarinuyuki den Kopf und ihre Lippen sind fest aufeinandergepresst. Dann blickt sie zu Dokutoge hinüber. „So ist das also!“, sagt sie frostig, „Deshalb hat Sesshomaru mich nicht vor der Witterung dieses Streuners gewarnt. Deshalb wollte er vermeiden, dass ich ihn treffe. Aus Furcht, ich könnte ihm so verfallen, wie mein Vater dieser Streunerin. Aus Furcht vor einem Bündnis mit dem Osten. Dieser erbärmliche Feigling!“ Wutschnaubend steht sie da. „Für wen hält der mich? Für irgendeine dahergelaufene Hure? Als ob ich ein Bündnis mit dem Osten auch nur jemals in Erwägung ziehen würde! Dazu wird es niemals kommen! Damit das klar ist! Doch wegen dieser Feigheit hat diese miese Köter den Tod meines Vaters in Auftrag gegeben und durch seinen kleinen Spion wurde mein Vater in die Falle gelockt. Diese Unverfrorenheit werde ich nicht ungestraft lassen!“ Tödliche Kälte liegt in ihrem Blick als sie auf Dokutoge zukommt. „Dieser lausige Nishi-aitsu, den du 'Fürst' nennst, denkt vermutlich, ich würde auf seine fadenscheinigen Geschichten hereinfallen. Als ob sich tatsächlich eine dieser ehrlosen Kreaturen für einen der Fürsten opfern würde. Das ist lächerlich! Aber jetzt ist Schluss mit den Lügen! Ich werde mich nicht länger von Sesshomaru zum Narren halten lassen! Meine Leute werden ihn und sein gesamtes Heer zur Hölle schicken und wenn das den Untergang des gesamten Landes bedeutet, dann sei es so!“ „Darf... ich noch einmal sprechen, edle Fürstin?“, behutsam dringen nun Dokutoges Worte zu ihr hinauf. Mit glühendem Blick starrt sie ihn an: „Es gibt nichts mehr was ich von dir wissen will, Köter!“ Doch nun geht ein Ruck durch Dokutoge und er springt auf. „Fürstin Yarinuyuki, hört mich an! Ihr begeht einen schweren Fehler!“ Ein harter Schlag trifft ihn in der Magengrube und er spuckt einen Schwall Blut aus. „Noch ein Wort und ich töte dich!“, droht sie gefährlich. „Ihr wollt... doch den Krieg nicht... Yarinuyuki-sama!“, die Worte kommen stoßartig hervor. „Was hast du gesagt?“, bedrohlich wendet sie sich ihm zu. Dokutoge blickt keuchend auf; er hält sich die Brust und es fällt ihm schwer, nach Luft zu ringen. „Wenn... Ihr mich für einen Lügner haltet... warum habt Ihr mich... dann noch nicht getötet?“ Grimmig funkelt sie ihn an: „Du wagst es...!“ „Gebt mir eine Chance... mich zu rechtfertigen... ehe Ihr unsere Clans ins Verderben stürzt!“, unterbricht er sie verzweifelt. „Hört nicht auf ihn!“, ruft Sokudo dazwischen, „Lasst Euch nicht weitere Lügen auftischen!“ Doch Yarinuyuki wirft ihm einen scharfen Blick zu: „Schweig!“, dann wendet sie sich wieder Dokutoge zu, „Na schön, rede, aber ich hoffe, du hast irgendetwas von Bedeutung zu sagen, sonst ist dies dein letzter Satz!“ Dokutoge sackt ein wenig in sich zusammen und am aufjaulen des Schmerzes merkt er, dass er bis eben die Luft angehalten hat. „Ich weiß..., dass meine Geschichte unglaubwürdig klingt“, beginnt er stockend, „Und alles was dieser dort sagte“, böse funkelt er zu Sokudo hinüber, „mag plausibel erscheinen. Und doch... wie könnt Ihr seinen Worten... so ohne weiteres glauben? Warum riskiert Ihr einen Krieg... und den Tod vieler Soldaten... ohne den kleinsten Beweis für seine Behauptung?“ „Die Fakten sprechen für sich selbst, Nishi-aitsu!“, schnappt Sokudo zu ihm hinüber, „Du willst doch die Fürstin nur noch mehr verwirren!“ Doch in der nächsten Sekunde trifft ein wuchtiger Kinnhaken das Gesicht des Ostyoukais und er klappt benommen zusammen. Yarinuyuki lässt die Faust sinken: „Ich hasse es, mich zu wiederholen!“ Sie wendet sich wieder an Dokutoge: „Hast du irgendwelche Beweise für deine Behauptung?“ Dokutoge richtet sich wieder ein Stück auf: „Wenn Ihr Euch nur noch eine kleine Weile gedulden wolltet. Inu Yasha-ouji ist, wie bereits gesagt, auf der Suche nach der Miko, um sie zu stellen. Dann könnt Ihr sie selbst befragen. Und so erhaltet Ihr auch Eure Rache, denn es scheint so, als ob tatsächlich sie es war, die für den Tod Eures Vaters verantwortlich war.“ Yarinuyuki schnaubt verächtlich: „Es scheint so? Das heißt, du weißt es nicht. Und überhaupt, wenn diese Miko tatsächlich meinen Vater ermordet hat, was rechnet sich dann irgendein hergelaufener Hanyou für Chancen aus, sie zu stellen? Ich denke viel mehr, dass das alles bloße Augenwischerei ist!“ Dokutoge schluckt. Da ist etwas Wahres dran! Wie hoch sind die Chancen, dass Inu Yasha tatsächlich in der Lage ist, diese Miko zu besiegen? Sie sind in der Tat gering. Kein Wunder, dass die Nordfürstin es nicht glaubt. Doch wie kann er sie dann überzeugen? Eine Sache fällt ihm noch ein, doch allein der Gedanke daran, lässt ihm das Herz schwer werden. „Es... gibt noch einen Beweis. Einen weiteren Zeugen“, sagt er leise. „Wer soll das sein?“, kommt die harte Frage. Dokutoge atmet einmal durch, dann sagt er: „Der Spion!“ Yarinuyuki stemmt die Arme in die Seite: „Du gibst also zu, dass ihr einen hattet!“ Nun blickt Dokutoge auf: „Nicht wir, edle Fürsten, aber ja es hat einen gegeben! Wir haben ihn in Gewahrsam genommen. Ihr könnt ihn jederzeit befragen!“ „Was wird der schon groß erzählen?“, hört man Sokudo aus einiger Entfernung brummen. Er wagt es jedoch nicht, seine Worte laut auszusprechen. „Natürlich wird er behaupten, dass er niemals für den Westen gearbeitet hat.“ Doch ein scharfer Blick von Yarinuyuki lässt ihn augenblicklich verstummen. „Warum sollte ich einem Nishi-aitsu glauben, der behauptet von seinem Clan ausgestoßen zu sein und er sich dann als Spion entpuppt? Welchen Wert hätte solch eine Aussage?“, wendet sich Yarinuyuki wieder an Dokutoge, doch ihr Blick verheißt nichts Gutes. Der Westkrieger ist sich sicher, dass die Fürstin bald die Grenze ihrer Geduld erreicht hat. Es hilft alles nichts, er wird ehrlich sein müssen. „Edle Fürstin, ich versichere Euch, dass Kossoridoku tatsächlich aus dem Clan ausgestoßen wurde, und dass er keinerlei wohlwollende Gefühle für den Westen hegt!“, doch seine Stimme klingt nun hohl und sie zittert ein wenig. Scharf blickt sie ihn an: „Woher willst du das wissen?“ Dokutoge hebt den Kopf doch nun liegt ein großer Schmerz in seinen Augen: „Er ist mein Sohn! Er wurde verstoßen, weil er unseren ehemaligen Fürsten hinterging und sich dabei als ein Spion entpuppte, der für Arashitsume arbeitet. Ihm verdanke ich... meine Verletzungen.“ Dokutoge senkt niedergeschlagen den Blick. „Lügen! Alles Lügen!“, schreit Sokudo erbost, „Glaubt ihm kein Wort, edle Fürstin!“ „Haltet die Klappe! Alle beide!“, der verärgerte Befehl ist eindeutig. Die beiden Krieger beschließen zu gehorchen. Yarinuyuki atmet einmal tief durch. Es scheint schwer hinter ihrer Stirn zu arbeiten. Finster betrachtet sie die beiden geschundenen Youkais. Einer von den beiden sagt anscheinend die Wahrheit und einer lügt. Wenn sie nur wüsste welcher! Ihr Blick geht in die Runde. Dort hinten stehen die letzten ihrer Leute die Itakouri gerade in ihre Positionen einteilt. Er ist tüchtig. Doch auch er beginnt schon an ihr zu zweifeln. Wenn sie sich von diesen beiden Streithammeln noch länger vorführen lässt, wird sie noch ihr Gesicht verlieren. Das kann sie sich nicht leisten. Verdammt, was soll sie nur tun? Woher soll sie wissen, wer von beiden lügt? Das Schlimme ist, dass von dieser Frage der gesamte Verlauf des Krieges abhängt. Glaubt sie diesem Sokudo, wird es wohl auf eine Allianz mit dem Osten hinauslaufen. Wenn sie jedoch diesem Westkrieger glaubt, wird ihr nächstes Ziel der Osten sein. Wie man es auch dreht und wendet, Krieg gibt es auf jeden Fall! Habe ich diesmal wirklich eine Wahl, wie Tenmaru behauptet hat? Tenmaru! Da ist wieder dieser Druck auf ihrer Brust. Er ist tot! Es hat sie wirklich überrascht, das zu hören. Damit hat sie nicht gerechnet. Er und sein Duft schienen ihr längst schon so selbstverständlich. Auch wenn sie es nicht gesagt hat, im Grunde war sie schon längst bereit, sein Angebot anzunehmen. Nun wo sie von seinem Tod gehört hat, empfindet sie doch tatsächlich... Bedauern darüber, dass er ihr nicht länger zur Verfügung steht. Diese Miko hat ihn getötet! Zumindest in diesem Punkt stimmen die beiden Geschichten überein. Verdammt noch mal, was ist da passiert? Entweder hat die Miko in Sesshomarus Auftrag gehandelt und ihn ermorden lassen, damit sie beide niemals zusammenkommen, und es gibt in der Tat viel was für diese Behauptung spricht, oder aber die Miko hat in Arashitsumes Auftrag gehandelt um Sesshomaru zu ermorden und Tenmaru hat sich dazwischen geworfen um ihn zu schützen. Somit wäre es ein Unfall gewesen. Aber diese Variante ist so unglaublich absurd! Das macht überhaupt keinen Sinn! Arashitsume hasst Sesshomaru zwar hingebungsvoll, aber warum sollte er versuchen, ihn durch eine Miko ermorden zu lassen und damit einen Krieg riskieren? Und warum sollte sich Tenmaru für ihn opfern wollen? Zumal es doch offensichtlich ist, dass Sesshomaru keinerlei freundschaftlichen Gefühle für ihn hegte. Im Gegenteil, er hat alles getan, um ihn sich vom Hals zu halten. Es wäre vollkommen töricht, diese Geschichte zu glauben, besonders, wenn die gegenteilige so plausibel ist. Und doch... Der Schmerz im Gesicht dieses Westyoukais, als er vom Verrat seines vermeintlichen Sohnes sprach, war echt! Daran besteht kein Zweifel. Seine Enttäuschung war überdeutlich zu riechen. Dieser Kossoridoku muss tatsächlich ausgestoßen worden sein. Könnte es stimmen, dass er ein Spion von Arashitsume war? Versucht der Fürst des Ostens seinen Verrat durch diese Lüge hier zu vertuschen? Aber das erklärt immer noch nicht, warum er unbedingt Sesshomaru töten wollte und warum Tenmaru ihn hätte beschützen sollen. Verdammt noch mal! Das führt doch zu nichts! Ihre Gedanken drehen sich im Kreise. Das ist nicht gut. Sie muss etwas unternehmen! Schließlich wendet sie sich an Dokutoge. „Welchen Grund sollte Arashitsume haben, Sesshomaru zu töten? Ich weiß, er hasst ihn, aber er ist ein Feigling!“ Sokudo schnaubt empört auf, sagt aber nichts. Yarinuyuki fährt unbeirrt fort: „Er würde keinen Krieg riskieren nur weil Sesshomaru ihn ankotzt!“ Dokutoge presst die Lippen aufeinander. „Das kann ich Euch nicht sagen, edle Fürstin“, sagt er leise. Yarinuyuki strafft sich. „Dann muss ich annehmen, dass Sesshomaru es war, der meinen Untergebenen ermorden ließ. Nur zu deiner Information: Tenmaru hat sich in meine Dienste begeben. Er war mein Eigentum! Ich werde seinen Mörder zur Verantwortung ziehen. Koste es was es wolle!“ Nun fliegen Dokutoges Augen auf und er spürt, dass ihm der kalte Schweiß ausbricht. „Edle Fürstin, Ihr irrt Euch!“, meint er leicht verzweifelt, „Ich kann Euch keinen Grund nennen warum Arashitsume das tun sollte. Man hat mich leider nicht über den ganzen Sachverhalt informiert. Aber Sesshomaru-sama hat den Tod dieses Streuners sicher nicht befohlen! Er hätte niemals...“, er bricht ab und starrt zu Boden. Yarinuyukis Augen werden schmal: „Was hätte er niemals?“, ihre Worte klingen wie Rasiermesser, „Sesshomaru hatte eine Abneigung gegen Tenmaru, das war offensichtlich. Warum sollte er ihm nicht den Tod wünschen?“ Dokutoge wird heiß und kalt. Er kann es ihr nicht sagen. Solange Sesshomaru es nicht selbst bestätigt, darf er sich so etwas nicht herausnehmen, auch wenn es stimmen sollte. Erst vor wenigen Stunden musste er erkennen, wie wichtig ihm sein Treueschwur tatsächlich ist und er muss sich eingestehen, dass ihn Inu Yashas Worte darin sogar noch bekräftigt haben. Wie könnte er jetzt seinen Fürsten so bloßstellen? Beschämt blickt er zu Boden: „Es ist nicht an mir, Euch das zu verraten, edle Fürstin!“ Keine Sekunde später trifft ihn ein wuchtiger Schlag ins Gesicht und er findet sich auf dem Boden wieder. Nur wenige Augenblicke später bemerkt er die Schwertklinge, die auf seine Brust gerichtet ist und von der eine eisige Kälte ausgeht. „Du bist absolut nicht in der Position für Frechheiten!“, grollt Yarinuyuki mit tödlicher Entschlossenheit in der Stimme. Fast flehend blickt Dokutoge zu ihr hoch. „Verzeiht mir, Yarinuyuki-sama, aber ich darf Euch das nicht verraten! Es steht mir nicht zu!“ Wenn sie doch nur verstehen würde! Die Spitze der Klinge bohrt sich in seine Brust. „Rede, verdammt!“, zischt sie unerbittlich, „Oder ich spieß dich noch mal auf! Warum sollte Sesshomaru Interesse an diesem Streuner haben und warum sollte Tenmaru bereit sein, sein Leben für ihn zu opfern?“ Dokutoge spürt wie sich die eisige Kälte, von der Stelle wo die Klinge seine Haut berührt, immer weiter in seinem Körper ausbreitet. Er beißt die Zähne zusammen. Er wird einen letzten Versuch riskieren, es ihr begreiflich zu machen. „Yarinuyuki-sama..., und wenn es mich mein Leben kostet..., ich kann es Euch nicht sagen! Nicht unter diesen Umständen! Nicht, wenn Ihr es nicht zuvor von Sesshomaru-sama selbst gehört habt!“ Zunächst herrscht Stille über der Lichtung, doch dann ganz langsam löst sich die Klinge von Dokutoges Brust. Schweigend wendet sich die Fürstin des Nordens nun von ihm ab und steht schließlich mit dem Rücken zu den beiden. Bedächtig steckt sie ihr Schwert zurück in ihre Scheide und dann sagt sie eine ganze Weile kein Wort. Fast scheint es so, als hätte sie die beiden Youkais völlig vergessen, die sie nun kritisch und auch ein wenig besorgt mustern. Die einzige Reaktion die von ihr kommt, ist ein gelegentliches öffnen und schließen ihrer Fäuste. Schließlich atmet sie einmal tief durch und dann dreht sie sich wieder zu Dokutoge um. Ihre Gesichtszüge sind hart und irgendetwas scheint sie noch immer schwer zu beschäftigen. Dann sagt sie: „Wenn das, was du da andeutest, tatsächlich stimmt, dann hast du recht! Dann muss ich das aus Sesshomarus eigenem Mund hören!“ Ein unwillkürliches Aufatmen überkommt Dokutoge. Anscheinend hat sie es wirklich verstanden, oder? Nur Sokudo blickt die beiden verständnislos an: „Was hören? Was soll das alles?“ Doch Yarinuyuki schenkt den beiden nun keine weitere Beachtung mehr. „Itakouri!“, ruft sie, „Such dir zwei zuverlässige Wächter und nimm diese beiden da in Gewahrsam und dann folgt ihr mir. Wir werden jetzt Arashitsume einen Besuch abstatten! Die Sonne geht auf und der Rat wartet noch auf seine Entscheidung.“ „Aber Yarinuyuki-hime“, meint Itakouri irritiert, „Greifen wir denn nicht die Nishi-aitsu an? Die Streuner und der Hanyou leben noch und Ihr habt Sesshomaru doch gesagt, was Ihr in diesem Fall tut. Wollt Ihr wirklich Euer Gesicht verlieren?“ Nun hält Yarinuyuki inne und mit einer tödlichen Miene wendet sie sich zu ihm um. „Du brauchst mich nicht daran erinnern, verstanden? Ich weiß, was ich tue! Wenn ich mich entschließe das Land erst etwas später in Schutt und Asche zu legen, dann ist das meine Entscheidung und auch du wirst mir da nicht hereinreden, Itakouri! Und jetzt tu gefälligst, was ich dir befohlen habe!“ Mit diesen Worten fährt sie wütend herum und setzt sich mit geschmeidigen Schritten in Bewegung; direkt in Richtung des Ostpalastes. Kapitel 47: Trauer ------------------ Ein rötliches Leuchten am Horizont hinter den Bäumen zeugt vom raschen Herannahen des neuen Tages. An einigen Grashalmen hängt noch der Tau der Nacht und überzieht das Gras in dem lichten Wäldchen mit einem funkelnden Glanz. Doch die Person, deren Füße mit eiligen Schritten die glitzernde Pracht schonungslos niedertrampeln, hat keinerlei Blick für die morgendliche Schönheit. Yaeba ist noch immer auf der Suche nach Sesshomaru und am Stand der Sonne gemessen, sollte er sich wahrlich beeilen, ihn zu finden. Der Daiyoukai hat auf seiner Flucht eine beträchtliche Strecke zurückgelegt. Doch sein Weg scheint ihn offenbar ohne konkreteres Ziel wild im Zickzack geführt zu haben. Wohin kann er wollen? Hat er sich Tenmarus Tod wirklich so zu Herzen genommen? Tenmaru! Yaebas Herz krampft sich schmerzhaft zusammen bei dem Gedanken an den jungen Daiyoukai, doch er ruft sich rasch wieder zur Ordnung. Nein, er hat noch keine Zeit zum Trauern, auch wenn ihm der Tod seines Schützlings eine klaffende Wunde in sein Herz gerissen hat. Yaeba schließt für einen Moment die Augen. Der Verlust des Jungen schmerzt ihn mehr als er in Worte fassen könnte. All die Jahre hindurch hat er ihn beschützt und mit der Zeit, ohne dass er es recht bemerkt hatte, ist ihm der Junge ans Herz gewachsen. Fast war er schon bereit gewesen, sich der Illusion hinzugeben, er wäre tatsächlich sein Sohn gewesen. Sesshomaru hatte recht, mein Verhalten, Tenmaru gegenüber, war nicht das Verhalten eines Befehlshabers. War vielleicht das der Grund? Hat er deshalb versucht, mir den Gedanken schmackhaft zu machen, mich als seinen Vater auszugeben? Er selbst wollte ihn nicht anerkennen, doch töten wollte er ihn auch nicht. Hätte ich ihn offiziell als meinen Sohn ausgegeben, hätte das beiden viel Ärger erspart. Doch das hätte Tenmaru auch jegliche Möglichkeit zerstört, je von seinem wahren Vater anerkannt zu werden. Und das konnte ich Ihr nicht antun! Es war ihr letzter Wunsch. Wie hätte ich ihn ihr verwehren können? Wieder versucht die aufsteigende Trauer, Yaeba zu übermannen, doch tapfer schluckt er sie hinunter. Später! Im Moment hat er noch eine andere Aufgabe zu erledigen und mit ein wenig Glück wird er nach Erfüllung dieser letzten Pflicht wieder mit seiner Familie vereint sein. Urplötzlich hebt er den Kopf. Er hat sie gefunden, die gesuchte Witterung. Sie kommt von dort drüben. Sofort schlägt er einen Haken und steuert auf den Geruch des Westfürsten zu, der ihm nun immer deutlicher in die Nase dringt. Wachsam sieht er sich um. Nein, andere Youkais in der Umgebung nimmt er nicht wahr. Immerhin befinden sie sich im Moment auch ein ganzes Stück vom Ostpalast entfernt. Der ohnehin schon lichte Wald endet hier und erstreckt sich nun in eine weite grasbewachsene Ebene, an deren weit entferntem Ende die ersten Gebirgsausläufe beginnen. Am Rande des Waldes schlängelt sich ein kleiner Fluss entlang und auf einem der größeren Steinbrocken an seinem Ufer, unter einem der Bäume, sitzt eine weißhaarige Gestalt die ihm den Rücken zudreht. Ihr Blick ist unverwandt auf die plätschernden Wasserfluten gerichtet. Yaeba kommt in einiger Entfernung zum Fürsten des Westens zum stehen. Dieser zeigt keinerlei Reaktion, auch wenn ihm seine Anwesenheit sicher nicht entgangen ist. Zögerlich tritt Yaeba etwas näher. „Sesshomaru-sama?“, macht er sich bemerkbar. Noch immer reagiert der hochgewachsene Daiyoukai nicht. Yaeba wartet ein wenig, dann fragt er behutsam: „Gestattet Ihr mir, das Wort an Euch zu richten, Sesshomaru-sama?“ Nun hebt Sesshomaru ein wenig den Kopf, doch er wendet sich nicht um. Stattdessen scheint es, als würde er einmal tief durchatmen. Dann sagt er ruhig: „Du weißt, dass Fürstin Yarinuyuki euren Tod fordert, und trotzdem kommst du her?“ Yaeba lässt den Daiyoukai nicht aus den Augen. Dann strafft er sich ein wenig: „Wenn es dem Frieden dient, tötet mich, doch ich bitte Euch, hört mich zuerst an!“ Wieder folgt ein Moment das Schweigens. Dann vernimmt man von Sesshomaru: „Und worüber willst du reden?“ Yaeba schluckt ein wenig. Er sucht nach den richtigen Worten. Doch Sesshomaru kommt ihm zuvor: „Etwa über Ihn? Willst du mir auch eine Standpauke halten, wie schon mein Bruder?“ Eine leichte Spur von Zynismus schwingt in seinen Worten mit. Yaeba zögert kurz und dann senkt er ein wenig das Gesicht. „Ich bin nicht hier, um Euch Vorwürfe zu machen, edler Fürst!“ „So?“, es klingt fast ein wenig erstaunt, „Ich hätte angenommen, dass dich der Tod des Jungen mehr berührt.“ Erneut muss Yaeba schlucken, dann sagt er beherrscht: „Das... trifft auch zu, Sesshomaru-sama.“ Noch immer hat sich der hellhaarige Youkaifürst nicht umgewandt doch mit ruhiger Stimme fährt er fort: „Dann nehme ich an, dass dir nicht gefallen hat, wie... sich diese Situation entwickelt hat.“ Yaeba atmet einmal durch und dann gibt er sich einen Ruck: „Meint Ihr damit seinen Tod, oder dass er es nicht geschafft hat, sich Eure Anerkennung zu verdienen?“ Für ein paar Sekunden hängt die Frage zwischen ihnen in der Luft und Yaeba hat die Befürchtung, dass er damit womöglich doch zu weit gegangen ist. Doch schließlich sieht man wie Sesshomaru erneut den Kopf senkt. „Er hat niemals gesagt, dass er das wollte.“ Yaebas Augen fliegen auf. Wie kann er so etwas sagen? Als wäre das nicht offensichtlich gewesen! Doch Sesshomaru redet schon weiter: „Hätte er das jemals getan..., hätte er unsere Beziehung nur irgendjemanden gegenüber angedeutet..., dann hätte ich ihn sofort getötet!“ Wieder herrscht Schweigen über der Wiese. Dann sagt Yaeba leise: „Aber er hat es nicht getan. Er hat von Euch nichts gefordert.“ Sesshomaru rührt sich nicht. „Nein...“, kommt es langsam, „Das hat er nicht. Es war gar nicht nötig.“ Wieder herrscht ein Moment lang Schweigen zwischen den beiden Youkai. Dann hebt Sesshomaru wieder den Kopf. „Yaeba?“, fragt er ruhig, „Hast du ihm befohlen, mich mit seinem Leben zu schützen?“ Der Oststreuner hebt ruckartig den Kopf. „Nein, Sesshomaru-sama!“, wehrt er entschieden ab, „Ich habe ihm nichts dergleichen befohlen!“ „Und... Sie?“ Yaebas Miene bekommt etwas schmerzhaftes, als er den Gedankengängen des Daiyoukais folgt. Doch dann sagt er leise: „Nein, auch Sie hat von ihm nicht mehr verlangt, als den Schwur, aus dem Ihr ihn entlassen habt. Als er entschied, Euch zu schützen, geschah es aus gänzlich eigenem Antrieb.“ Der weißhaarige Youkaifürst schweigt eine Weile. Dann schließlich sagt er: „Also hatte dieses Mädchen recht. Er... war mir tatsächlich zugetan.“ Yaeba schlägt die Augen nieder: „Es sieht wohl so aus, Sesshomaru-sama.“ „Ungeachtet meiner Gesinnung zu ihm?“ Nun hebt Yaeba den Kopf: „Sesshomaru-sama, ich kenne diesen Jungen seit seiner Geburt. Er hatte es niemals leicht. Niemand durfte erfahren, wer er war und doch wussten es alle, wie ich vor kurzem feststellen musste. Vermutlich war ihre Abneigung gegen ihn deshalb so groß. Ich beschützte ihn so weit es mir möglich war und mit der Zeit fand er seinen Platz in unserem Rudel. Sogar das Verhältnis zu den anderen besserte sich mit der Zeit. Zweifellos hätte er ohne Probleme in der Hierarchie aufsteigen können, doch er zeigte niemals Interesse daran. Auch wenn er nur einen niedrigen Rang bekleidete, glaube ich, dass er bei uns so etwas wie Zufriedenheit fand. „Er war zwar mein Untergebener, aber... als solchen habe ich ihn nie gesehen. Doch in dem Moment als er seine Mutter verlor, war sein Leben, wie er es bis dahin kannte, beendet. Alles was ihm noch blieb, war der Schwur, der ihn in Euren Gehorsam zwang. In dem Moment, als Ihr ihn daraus entließt, hat er letztendlich seine eigene Wahl getroffen und... sie fiel nicht auf mich!“ Eine ganze Weile sagt keiner ein Wort. Dann plötzlich erhebt sich Sesshomaru von seinem Felsen und tritt einen Schritt an den Fluss heran, doch er wendet sich noch immer nicht um. „Glaubst du... ich hätte einen Fehler gemacht?“ Unwillkürlich zuckt Yaeba ein wenig zusammen. Warum fragt er das? Will er ihn prüfen? Sucht er einen Grund ihn zu töten, oder hat er tatsächlich Interesse an der Antwort? „Es steht mir nicht zu, darüber ein Urteil abzugeben, Sesshomaru-sama!“, sagt er stattdessen. Dabei behält er den Daiyoukai wachsam im Auge. Doch Sesshomaru schweigt erneut. „Ich sagte bereits, ich bin nicht hier, um Euch Vorwürfe zu machen, Sesshomaru-sama“, fügt Yaeba nun behutsam hinzu, „Womöglich hätte ich in Eurer Situation nicht viel anders gehandelt. Wir sind schließlich trotz allem... nur Streuner. Die Gesetze der Clans gelten nicht für uns. Niemand kann Euch einen Vorwurf machen, das Wohlergehen Eures Volkes über das Wohl einiger Gesetzloser zu stellen.“ „Du würdest also ebenso handeln?“, in der Frage schwingt leichte Skepsis mit. „Ich bin nicht in dieser Situation, Sesshomaru-sama“, erwidert Yaeba rasch, „Doch wäre ich es... vermutlich ja.“ Ein leicht belustigtes Schnauben entfährt Sesshomaru. Als er spricht ist seine Stimme bitter: „Sagst du das, weil du glaubst, dass ich das hören will?“ Ein wenig unsicher blickt Yaeba zur Seite. Was soll er darauf antworten? Wenn er es genau bedenkt, entspricht es sogar ein bisschen der Wahrheit. Aber soll das vielleicht heißen, dass Sesshomaru wirklich an seiner Meinung interessiert ist? Warum denn das? Was könnte er getan haben, dass er sich damit Sesshomarus Interesse an ihm verdient hätte? Er hat diesen Respekt nicht verdient, mit Sicherheit nicht! Das allerletzte was er verdient hat, ist Sesshomarus Anerkennung! Er beschließt eine ehrliche Antwort zu geben: „Sesshomaru-sama, Ihr seid ein hoher Youkaifürst und ich bin nur ein Streuner. Wie könnte ich mir anmaßen, Eure Situation einschätzen zu wollen?“ Doch sofort kommt die Erwiderung: „Du warst erster Befehlshaber. Du hast unter Ihr gedient. Nach deinen eigenen Worten bist du nun Anführer eures Rudels. Erzähl mir nicht, du könntest eine Führungsposition nicht nachvollziehen!“ Yaeba wird es heiß und kalt. Was soll das alles? Was geht in dem stolzen Daiyoukai bloß vor, dass er so darauf beharrt, ihn als gleichrangig zu betrachten? Er wird einfach nicht schlau aus ihm. Dieses Geplänkel hier führt doch zu nichts. Die Sonne steigt immer höher und die Zeit wird knapp. Er muss einen geeigneten Moment abpassen, um den Fürsten des Westen über den aktuellen Sachverhalt zu informieren. Doch zuvor muss er jedoch etwas anderes zur Sprache bringen, denn hinterher wird es vielleicht keine Gelegenheit mehr dazu geben. Wenn es stimmt was Inu Yasha vermutet, dann muss Sesshomaru es erfahren; das ist er ihm schuldig, und Ihr. Doch zunächst muss er Gewissheit haben, ob Inu Yashas Behauptung zutrifft. Doch wie soll er das herausfinden? „Ihr mögt Recht habe“, beginnt er nun zögerlich, „Vielleicht ist meine Position der Euren ähnlich, wenn auch meine Verantwortung bedeutend geringer ist. Allerdings wäre es wohl verschwendete Energie, sich Gedanken über Eventualitäten zu machen. Was hätte sein können, ist nicht von Belang. Die Frage, die Ihr Euch stellen müsst, ist, was Ihr jetzt tun werdet.“ Für einen Moment hält Yaeba angespannt den Atem an. Wie wird der Fürst des Westens diese Ermahnung aufnehmen? Doch Sesshomaru rührt keinen Muskel. Dann schließlich sagt er: „Wenn Yarinuyuki auf ihre Forderung besteht, werden wir ihr entgegentreten. Sie wird feststellen müssen, dass der Westen trotz allem noch ein ernstzunehmender Gegner ist.“ Ein wenig irritiert blickt Yaeba zu ihm hinüber. „Ihr... Ihr lasst es auf einen Krieg ankommen?“ Sesshomaru schweigt. Yaebas Herzschlag beschleunigt sich ein wenig. „Das ist...“, er hätte fast 'Wahnsinn' gesagt, doch er fängt sich noch rechtzeitig, „Seid Ihr wirklich sicher, dass Ihr das wollt?“ „Wäre es dir lieber, ich würde deine Leute töten?“, die Frage scheint ehrlich gemeint zu sein. Yaeba ballt die Fäuste: „Natürlich wäre mir das nicht lieber! Aber... ich weiß, was ein Krieg bedeuten würde. Er fordert viel zu viele Verluste. Ein Krieg zwischen den Clans sollte der allerletzte Ausweg sein. Ich kann natürlich nicht darüber bestimmen, wie Ihr mit Eurem Bruder verfahrt, aber wenn die Fürstin des Nordens durch die Vergeltung an unserem Rudel besänftigt werden kann, dann bin ich noch immer bereit, dieses Opfer stellvertretend für meine Leute zu bringen. Tötet mich und setzt diesem elenden Kämpfen ein Ende!“ Wieder sagt Sesshomaru eine lange Zeit kein Wort. Dann sagt er leise: „Das kann ich nicht tun.“ Yaebas Augen weiten sich. Hat er richtig gehört? Was hat das zu bedeuten? Er beschließt zu fragen: „Was meint Ihr damit, Sesshomaru-sama?“ Sesshomaru rührt sich nicht, doch seine Haltung wirkt nun etwas kraftlos. „Ich... kann dich nicht töten“, sagt er und es klingt ein wenig hohl. In Yaebas Kopf überschlagen sich die Gedanken. Was geht in dem stolzen Daiyoukai bloß vor? Warum dieses Wohlwollen? Das geht über sein Fassungsvermögen. Er macht ein paar Schritte auf den Daiyoukai zu. „Sesshomaru-sama, bitte erlaubt mir, Euch eine weitere Frage zu stellen!“ „Welche Frage?“, kommt es langsam von Sesshomaru. Nun ist Yaeba nur noch wenige Schritte von ihm entfernt und noch immer wendet der Daiyoukai sich nicht zu ihm um. Yaeba hebt den Kopf und blickt ihn direkt an: „Warum tut Ihr das? Warum zeigt Ihr so viel Nachsicht mir gegenüber? Und ich rede nicht nur von jetzt und hier. Schon seit wir aufeinandertrafen, habt Ihr mich stets gewähren lassen. Ihr hattet unzählige Male die Gelegenheit, mich zu töten. Ihr hättet mich schon bei unserem ersten Treffen töten können, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Bis ich Euren Bruder bat, für uns zu bürgen, war ich lediglich einer seiner Reisegefährten, bis dahin hatte ich mich nicht in seinen Dienst begeben und Ihr habt mich dennoch verschont. „Ihr habt mir alle meine Bitten gewährt, mir meine Unhöflichkeiten nicht nachgesehen und mich wie einen...“, er scheut sich vor dem Wort 'Gleichgestellter', „einen langjährigen Diener behandelt. Anscheinend legt ihr sogar Wert auf meine Meinung und meinen Rat. Ich bin Euch zutiefst dankbar für diese Gnade, aber... ich verstehe es nicht! Selbst wenn ich einen höheren Rang in unserem Rudel hatte, ich weiß genau, welchen Stand ich unter den Clans besitze. Ich habe es nicht verdient, dass Ihr mich so behandelt. Warum tut Ihr es trotzdem? Warum riskiert Ihr lieber einen Krieg, als mit mir so zu verfahren, wie man es erwarten würde? Warum tötet Ihr mich nicht?“ Wieder schweigt Sesshomaru eine ganze Weile. Fast scheint es, als suche er nach den richtigen Worten. Wachsam behält Yaeba ihn im Auge. Ist er wirklich gewillt, darauf zu antworten? Dann schließlich hebt Sesshomaru leicht den Kopf. „Yaeba...“, sagt er langsam, „Ich habe einen Fehler gemacht! Ich habe den Jungen nicht getötet..., als ich es noch konnte.“ Wie erstarrt lauscht Yaeba seinen Worten, doch Sesshomaru redet schon weiter: „Mein Bruder... hatte Recht. Es gab im Grunde nichts, was dagegen gesprochen hätte, bis auf diese eine Sache!“ Sesshomarus Nacken verspannt sich: „Ich habe es geschworen, in Arashitsumes Gegenwart! Ich schwor, ich würde ihr niemals verzeihen..., dass sie mich verlassen hat...“, seine Stimme schwankt leicht und er braucht einen Moment, bis er sich wieder gefangen hat, „Ich dachte dieser Schwur würde ausreichen, sie zu vergessen. Ich war... ein Narr! Wie hätte ich sie vergessen können? Ich wünschte, ich hätte es gekonnt! Sie hat mir nur etwas vorgemacht. Sie hatte niemals wirkliches Interesse an mir. Also entschied ich mich dafür, sie wie das zu behandeln, was sie war. Eine Streunerin. Etwas anderes hat sie nicht verdient! „Sie hat mich verraten, ausgenutzt und zurückgewiesen. Ihr musste klar sein, dass ich ihr das niemals vergeben konnte. Und trotzdem schickte sie ihn zu mir. Ich weiß nicht, was sie damit bezweckte, aber sie musste sich ihrer Sache wohl sicher sein, wenn sie trotz allem noch die Hoffnung hatte, dass ich ihn... nicht töte“, es scheint als wollte er zunächst etwas anderes sagen. Nun hängen Sesshomarus Schultern kraftlos herab: „Hätte ich darüber hinwegsehen sollen, was sie getan hat? Hätte ich meinen Schwur ignorieren sollen? Hätte ich den Jungen trotz allem... anerkennen sollen? Wäre es das wert gewesen?“, er lässt den Kopf erneut sinken, „Was soll ich tun, wenn die Antwort darauf 'ja' lautet, Yaeba?“ Dem Ostyoukai läuft es kalt über den Rücken. Er ist sich nicht sicher, ob er allen Gedankengängen des Daiyoukais folgen konnte, aber am Rande seines Bewusstseins macht sich allmählich eine wage Erkenntnis breit und diese lässt ihm das Herz immer schwerer werden. Zumal er noch immer eine Antwort auf seine Frage benötigt. „Sesshomaru-sama..., warum fragt Ihr gerade mich das? Was könnte ich Euch schon raten? Womit habe ich einen solchen Respekt verdient? Warum bloß haltet Ihr nur so große Stücke auf mich, dass Euch meine Meinung interessiert? Ihr sagtet, Ihr könntet mich nicht töten. Ich verstehe das nicht. Was kann Euch mein Leben schon bedeuten?Warum wollt Ihr nicht, dass ich sterbe?“ Nun endlich kommt ein wenig Bewegung in Sesshomaru und langsam wendet er sich zu Yaeba um. Sein Gesicht ist eine steinerne Miene, doch die tiefe Müdigkeit in seinen Augen ist unverkennbar. „Weil du der Einzige bist“, sagt er leise. Verständnislos und ein wenig verunsichert blickt Yaeba den Fürsten an: „Der Einzige wovon?“ Sesshomarus Gesicht ist regungslos. „Der Einzige, der es verstehen kann“, sagt er und seine Stimme klingt hohl. Seine goldenen Augen halten den Streuner mit beklemmender Intensität gefangen und ein solcher Schmerz liegt in ihnen, dass Yaeba ihn beinah am eigenen Leib spüren kann. „Ich kann dich nicht töten, Yaeba“, sagt er leise, „denn auch du hast sie geliebt. Nun ist sie tot! Es muss jemanden geben, der um sie trauern kann!“ Fassungslos weiten sich Yaebas Augen. Kann das wirklich das bedeuten, was er annimmt? Er lässt ihn am Leben, damit es jemanden gibt, der ihrer gedenkt, weil er es sich selbst nicht gestatten darf, ohne sein Gesicht zu verlieren? Er riskiert lieber ein Krieg zwischen den Clans, als die Tatsache ertragen zu können, dass sie in Vergessenheit gerät, dass es niemanden gibt, der um sie trauert? Ein eisiger Schauer läuft ihm über den Rücken. Könnte Inu Yasha wirklich Recht haben? Sind Sesshomarus Gefühle, ihr gegenüber, wirklich innigerer Natur, als sie bisher angenommen hatten? Waren es wirklich nicht nur die Lockstoffe, die ihn überwältigt haben. Ist es möglich, dass er sie wirklich geliebt hat, völlig ungeachtet ihrer Witterung? Bei dem Gedanken bildet sich ein schmerzhafter Knoten in seiner Magengrube und ihm wird schwindelig. Was habe ich nur getan? „Sesshomaru-sama...“, stammelt er beklommen, „Das... das kann nicht Euer Ernst sein!“ Sesshomarus Augen ruhen noch immer auf ihm. Dann sagt er leise: „Ich wünschte, es wäre so. Ich weiß selbst, dass dies völlig irrational ist. Mir ist klar, dass es nichts gibt, was dieses Verhalten rechtfertigen kann. Doch ich bin nicht in der Lage, anders zu handeln!“ Fassungslos starrt Yaeba den Daiyoukai an. Sein Herz schlägt ihm bis zum Hals. Inu Yasha hatte völlig Recht. Er hat den Fürst des Westens nie wirklich gekannt. Er hatte keine Vorstellung davon, wie tief ihn diese Sache damals tatsächlich verletzt hat. Doch Sesshomaru ist ein tapferer, stolzer Fürst. Sicher wird er diese Gefühle irgendwann überwinden. Hoffnungsvoll blickt Yaeba ihn an: „Ich bin sicher, Ihr werdet einen Weg finden! Noch ist nicht alles verloren. Ihr könnt sicher...“ „Hör auf!“, scharf fliegt der bittere Ausruf zu ihm hinüber. Sesshomaru hat die Faust geballt seine Zähne sind leicht gefletscht. Dann entspannt er sich kraftlos und schlägt die Augen nieder. „Mach es nicht noch schlimmer! Glaubst du, es fällt mir leicht... zuzugeben, dass ich so schwach bin?“ Der Streuner kann nun deutlich erkennen wie hart Sesshomarus Kiefer aufeinandergepresst sind. Der Daiyoukai bebt leicht am ganzen Körper und Yaeba wird klar, wie ernst es dem Westfürst mit seiner Entscheidung, ihn zu verschonen, sein muss, wenn er so gnadenlos offen zu ihm ist. Und urplötzlich ist da auf einmal mehr als nur die Schuld die auf seiner Seele lastet. Auf einmal spürt er mehr als nur den Verlust seines Ziehsohns. Auf einmal fühlt er noch etwas anderes außer dem Schmerz über den Verlust all jener, die er geliebt hat. Hier vor ihm steht der Fürst der Inuyoukais des Westens, ein würdevoller und stolzer Herrscher, dem nie etwas wichtiger sein wollte als das Wohlergehen seines Clans und der nun den gleichen Schmerz teilt wie er. Ein Blick in das Gesicht des ewigjungen Youkaifürsten genügt und er erkennt ihn, den Kummer über den Verlust derer, die ihm hätten nahestehen sollen und nun für immer von ihm getrennt sind. Niedergeschlagen, verzweifelt, ja fast schon zerbrochen, steht der junge Fürst da und Yaeba wird schlagartig nur zu bewusst, dass Sesshomaru im Grunde kaum viel älter ist, als Tenmaru es war. Was sind schon siebzehn Jahre im Leben eines Youkais? Mit etwas mehr als zweihundertfünfzig Jahren zählt Sesshomaru noch immer zu den Jüngeren seiner Gattung und sicher wird es nicht leicht für ihn sein, mit dieser Situation angemessen umzugehen. Ein betroffenes Mitgefühl für den stolzen Daiyoukai legt sich auf Yaebas Herz und er wünscht sich sehnlichst, er könnte ihm irgendwie Erleichterung verschaffen, ihm irgendetwas tröstliches sagen, statt ihm weiteres Leid zuzufügen, wie er bedauerlicherweise muss. Bedächtig tritt Yaeba einen Schritt näher. Auch sein Gesicht hat nun eine bleiche Farbe angenommen. „Sesshomaru-sama, verwechselt Liebe nicht mit Schwäche“, sagt er leise, „Liebe kann einen Mann schwach werden lassen, aber... es gehört wirkliche Stärke dazu, sie zu akzeptieren und zu ertragen.“ Sesshomaru schweigt. Für einen Augenblick scheint er über die Worte nachzudenken, dann sagt er: „Auch wenn es stimmen mag, dass Eventualitäten nichts bringen, ich stelle mir dennoch die Frage, wie es gekommen wäre, wenn ich mich damals anders entschieden hätte, wenn ich stärker gewesen wäre, wie du behauptest. Was wäre passiert, wenn ich ihr nachgegangen wäre, statt sie zu verfluchen?“ Betrübt blickt Yaeba ihn an: „Sicher erinnert Ihr Euch noch daran, warum Ihr es nicht getan habt.“ Sesshomaru nickt leicht: „Ja. Welchen Sinn hätte es schließlich gemacht, etwas von ihr zu fordern, das sie nie bereit war, zu geben; die eine Sache die man nicht erzwingen kann? Wem hätte es etwas gebracht, Ihr zu folgen, wenn sie so klar deutlich gemacht hatte, wo ihre wirklichen Interessen lagen und wo nicht.“ Hier verstummt er. Müde blickt er zur Seite und dann wendet er sich ab. Kraftlos hängen seine Schultern herab und seine goldenen Augen verfolgen teilnahmslos den Aufgang der Sonne, die sich nun Stück für Stück über den Horizont schiebt. Es ist vorbei! Nun führt kein Weg mehr zurück! „Sie hat geweint!“ Sesshomarus Lider zucken einmal kurz und dann hebt er den Kopf. Langsam dreht er sich wieder zu Yaeba um. Das Gesicht des Streuners ist weiß wie eine Wand und seine Hände zittern ein wenig. Scheinbar ist er nicht in der Lage, den Blick des Daiyoukais zu begegnen, denn seine Augen sind starr auf den Boden vor ihm gerichtet. „Wovon sprichst du?“, fragt Sesshomaru, doch seine Stimme klingt nicht ganz so selbstbewusst, wie es sicher beabsichtigt war. „Damals...“, wiederholt Yaeba hohl, „da hat sie geweint.“ Nun blickt er doch auf und unbeschreibliches Leid steht nun in sein Gesicht gezeichnet. Doch dann fasst er sich ein Herz und beginnt leise zu erzählen: „Ich wartete an der Grenze zum Nordreich, wie sie mir befohlen hatte. Zu behaupten, ich wäre besorgt um ihre Sicherheit gewesen, wäre eine maßlose Untertreibung gewesen. Nicht nur wegen Inu Taihyouga, auch... wegen Euch!“ Sesshomarus Augen weiten sich ein wenig, doch ansonsten verzieht er keine Miene. „Versteht mich nicht falsch!“, fährt Yaeba fort bekümmert, „Es war nicht die Sorge, Ihr könntet sie irgendwie angreifen. Mir war klar, dass ihre Witterung sie vor Euch schützen würde, aber...“, er atmet einmal durch, „eben das war es auch was mir Sorgen bereitete.“ Nun blickt er auf und jetzt erkennt man auch die dunklen Ringe unter seinen eigenen Augen. Für einen kurzen Moment halten sich die beiden Youkais mit ihren Blicken gefangen doch dann bricht Yaeba den Blickkontakt ruckartig ab und einen Moment später knicken seine Knie ein und er wirft sich vor Sesshomaru zu Boden, die Stirn auf die Erde gepresst. Dabei zittert er am ganzen Körper. „Sesshomaru-sama...“, sagt er gepresst, „Es gibt etwas, dass ich Euch erzählen muss. Ich bitte Euch, hört mich bis zum Ende an und dann tut mit mir, was Ihr wollt. Ich habe... großes Unrecht auf mich geladen.“ Sesshomaru schweigt. Ohne eine Miene zu verziehen blickt er auf den unterwürfigen Youkai herab. Yaeba hat noch immer den Blick gesenkt. „Ich habe damals mehrere Tage auf Hanaki gewartet. Meine Sorge um sie wuchs mit jeder Stunde. Ich war kurz davor, ihren Befehl zu missachten und ihr zu folgen. Dann in der dritten Nacht kehrte sie zurück. Ich bemerkte sie sofort. Sie verließ das Gebiet des Nordens so schnell sie ihre Beine trugen und ich hatte alle Mühe, sie einzuholen. Mein einziger Gedanke war, dass irgendetwas vorgefallen sein musste, was sie nicht geplant hatte. „Schließlich bekam ich sie zu fassen und hielt sie fest, um eine Erklärung zu erhalten. Doch als sie sich dann zu mir umwandte...“, hier kommt er ins Stocken, „war ihr Gesicht... tränenüberströmt. Ich hatte sie niemals zuvor so gesehen! Niemals! Und es zerriss mir das Herz!“ Der Streuner schluckt einmal schwer. „Ich versuchte aus ihr herauszubekommen, was passiert war, doch alles was sie sagte war: „Er darf mich niemals finden!“ Dann riss sie sich von mir los und rannte davon. „Ich blieb alleine und aufgewühlt zurück. Mir war sofort klar, dass sie damit nicht Inu Taihyouga meinte und... mich packte die Wut.“ Nun hebt Yaeba ein wenig den Kopf und sein Gesicht wirkt nun alt und ausgezehrt. „Sesshomaru-sama, Ihr hattet Recht! Ich liebte sie! Ich liebte sie schon seit langer Zeit. Ich bin nie zuvor einer Frau wie ihr begegnet, in all meinen Jahrhunderten nicht. „Doch... ich gehöre nur unserer Kriegerkaste an und sie war eine Daiyoukai von fürstlichem Blut. Diese Liebe hatte niemals eine Chance, das war mir klar. Vielleicht hat sie geahnt, was ich für sie empfand, wahrscheinlich sogar, doch sie wahrte stets den schicklichen Abstand und ich beschränkte mich darauf, sie still aus der Ferne zu lieben, wohl wissend, dass ich ihr niemals näher kommen würde. Ich schwor mir selbst, an ihrer Seite zu dienen und sie zu schützen und ihr treu zu bleiben, was immer auch passieren möge. „Nachdem ich sie so gesehen hatte, hielt mich nichts mehr. Ich musste herausfinden, was passiert war. Ich musste herausfinden, ob ihr irgendein Leid geschehen war. Ich folgte dem Weg, den sie gekommen war und... fand Euch“, Yaebas Miene wird starr. „Mir war sofort klar, was geschehen war. Und... ich musste noch nicht einmal Eure Reaktion auf meine Vorwürfe sehen, um zu wissen, dass es nicht erzwungen gewesen war. „Ich hatte immer angenommen, dass es nichts gäbe, was meine Liebe zu ihr auf die Probe stellen könnte, doch in diesem Moment wurde mir die Schwäche meines eigenen Herzens vor Augen geführt. Zu wissen, dass sie mich nicht wählte, aber auch keinen anderen, gab mir Ruhe. Doch ich hätte nie gedacht, dass mich das so sehr treffen würde. Und dann... tat ich etwas Unverzeihliches!“ Yaeba senkt erneut den Blick und sein Gesicht ist leichenblass. „Ich sah Euch, sah Eure Ratlosigkeit, sah Euren Schmerz über ihr Weggehen und... es verschaffte mir Genugtuung! Und ich traf den Entschluss, wenn ich sie nicht haben konnte, dann solltet Ihr sie ebenfalls nicht haben. Ich wollte um jeden Preis verhindern, dass Ihr ihr folgtet. Ich dachte mir, wenn Ihr nicht annehmen würdet, dass sie schweren Herzens von Euch ging, würdet Ihr sie aufgeben. Also verschwieg ich ihre Tränen. Ich ließ Euch glauben, was Ihr geglaubt habt. Mir war zu diesem Zeitpunkt nicht klar, was ich damit anrichtete. Die brennende Eifersucht in meinem Herzen ließ mich schwach werden und damit habe ich nicht nur Euch tief verletzt, sondern auch meinen Schwur, ihr gegenüber, schmählich verraten. Glaubt mir, Sesshomaru-sama, nicht Ihr wart schwach, sondern ich!“ Eine bleierne Stille legt sich nun über den Platz. Nicht einmal der Wind macht sich bemerkbar. Nichts wagt diesen zum zerreißen gespannten Augenblick zu zerstören. Dann schließlich hebt Sesshomaru langsam den Kopf und sein Blick scheint in weite Ferne zu gehen. Er schluckt einmal schwer. Dann blickt er wieder auf Yaeba herab: „Ich kannte deine Gefühle. Ich wusste, du würdest niemals bereit sein, sie mit irgendjemanden zu teilen. Doch nicht du hast es beendet, sondern sie. Und ihr nicht zu folgen, war meine Wahl. Mit dieser Entscheidung muss ich nun leben. Wenn du dir etwas vorzuwerfen hast, dann ist es das Gleiche, was ich mir vorwerfen muss: Sie nicht loslassen zu können.“ „Nein!“, der unwillkürliche Ausruf Yaebas lässt Sesshomaru innehalten. Der Streuner hat sich nun aufgerichtet und noch immer kniend blickt er mit kummervoller Miene zu ihm hoch. „Sesshomaru-sama, vergebt mir, doch das ist... noch nicht alles!“ Die goldenen Augen des Daiyoukais mustern ihn schweigend. „Ihr müsst noch erfahren, was geschah, nachdem ihr Euch auf den Weg zurück in den Osten gemacht habt.“ Noch einmal atmet er tief durch und dann fährt er fort: „Nachdem Ihr fort wart, beschloss ich, mich auf die Suche nach ihr zu machen. Ich hatte noch immer keine Erklärung dafür, weshalb sie geweint hatte, doch... ich ahnte es. Nach langem Suchen fand ich sie. Sie war weit gelaufen, scheinbar ziellos. Ich spürte sie auf in den Bergläufen nahe der Grenze zum Süden. Als ich sie fand... war sie kaum noch ein Schatten ihrer selbst. Sie hatte weder gegessen noch geschlafen und sie...“, das Gesicht des Streuners verzieht sich schmerzerfüllt und er bricht ab, „Ich versuchte aus ihr herauszubekommen, was sie quälte. Doch alles was sie herausbrachte, war: Er wird mich hassen! Sie wiederholte es immer wieder... Es dauerte eine Weile, ehe sie mir alles erzählen konnte.“ Yaeba schaut auf und nun wirkt er unendlich müde: „Sesshomaru-sama, was ich Euch jetzt sagen werde, habe ich nicht einmal Tenmaru erzählt. Es hätte ihn zerbrochen. Ich hoffe, Ihr versteht dann, dass es niemals Hanakis Absicht war, Euch auszunutzen.“ Sesshomaru schweigt, doch bei genauerem Hinsehen, bemerkt man, wie angespannt seine Nackenmuskeln sind. Yaeba seufzt schwer. „Sie hatte schon vor einer Weile bemerkt, dass sie schwanger war. Und diese Tatsache machte ihr eine unvorstellbare Angst. Ich nehme an, Arashitsume hat Euch erzählt, dass es Hanakis Absicht war, ein Kind mit Euch zu zeugen. Zumindest war das die Sorge, die sie am meisten quälte. Sie konnte diesen Gedanken gar nicht mehr loswerden. Er raubte ihr schier den Verstand. Sie war davon überzeugt, dass Ihr das glauben würdet, dass sie sich nur zu diesem Zweck mit Euch eingelassen hatte. „Sie wusste genau, was das bedeuten würde. Von dem Moment an, da Ihr das Kind als das Eure anerkennen würdet, stünde ihr und dem Kind der Weg in Euer Reich offen. Es wäre ihr Recht. Doch sie wusste auch, was es bedeuten würde, wenn Ihr es nicht tätet. Dann hätte dieses Kind keine Überlebenschance. Ihr hättet niemanden tolerieren können, der von sich behauptete, Euer Sohn zu sein. Wenn Ihr ihn nicht tötet, dann würde es irgendjemand anderes tun und unser Rudel wäre von nun an erbarmungslos auf der Flucht. „Doch was ihr noch viel mehr zu schaffen machte, war die Tatsache, dass Ihr sie, ganz gleich was passieren würde, auf jeden Fall bis ans Ende aller Zeiten dafür hassen würdet. Und so beschloss sie...“, hier stockt er erneut, „Sie beschloss, dem ungeborenen Leben in ihrem Leib... ein Ende zu setzen.“ Für einen Sekundenbruchteil zucken Sesshomarus Lider zusammen, doch sonst zeigt er keine Reaktion. Das einzige, das er nicht verhindern kann, ist das Zittern, dass sich allmählich seiner Gliedmaßen bemächtigt. „Ich fand sie, kurz bevor sie sich... ihre eigen Klauen... in den Leib rammen konnte“, Yaebas Stimme klingt schwach und hohl, „Erst da wurde mir bewusst, was ich getan hatte! Indem ich Euch davon abhielt, ihr zu folgen, hatte ich sie um ihr Glück gebracht!“, nun blickt er auf, „Sesshomaru-sama, ich hätte es früher erkennen müssen. Ich hätte Euch nicht davon abhalten dürfen, ihr zu folgen. Ich hätte es wissen müssen, doch ich wollte es nicht wahrhaben, dass Eure Liebe zu ihr nicht unerwidert blieb.“ Wie versteinert steht Sesshomaru da. Seine Augen sind ungläubig geweitet und sein Gesicht hat nun jede Farbe verloren. „Was erzählst du da?“, flüstert er kaum hörbar, „Wie... kannst du es wagen, zu behaupten, sie hätte auch nur irgendetwas für mich empfunden?“, seine Stimme wird nun kräftiger, „Du maßt dir an, so etwas zu behaupten? Sie hat mich verlassen!“, für einen Augenblick kann keine Selbstbeherrschung der Welt seine Erregung verbergen, „Sie hat mich nie gewollt! Warum hätte sie weggehen sollen, wenn das stimmt, was du sagst?“ Unverhehlter Zorn, aber auch eine nagende Unsicherheit, sind nun in das Gesicht des stolzen Daiyoukais gemeißelt. Yaeba weicht seinem Blick nicht aus, doch Kummer liegt in seinen Augen. „Sie tat es, gerade weil sie Euch liebte!“ Sesshomarus Hand ballt sich hart zur Faust. Ein gefährliches Funkeln schleicht sich in seine Augen. Ein wenig hilflos blickt Yaeba ihn an: „Sesshomaru-sama, versteht Ihr denn nicht? Ihr ganzes Leben lang wurde sie von irgendwelchen Männern begehrt und das nur, weil ihr Duft sie so unwiderstehlich machte. Sie hat das gehasst! Sie wollte das nicht mehr! Sie war fest davon überzeugt, niemals jemanden zu finden, der sie allein um ihrer selbst willen lieben könnte. Sie wusste, sie würde für immer einsam bleiben. Und dann kamt Ihr! „Ihr wart so jung und doch wart Ihr schon so verantwortungsbewusst. Ihr habt Euch nicht von unserem Status als Ausgestoßene etwas vormachen lassen. Ihr wolltet Euer Urteil über unseren Wert selbst treffen und nicht nur nach unserem Ruf gehen. Auch Ihr vertratet damals die Ansicht, dass man sich Respekt erarbeiten muss, ungeachtet des Ranges. Dieser Devise hatte auch sie sich verschrieben, denn sie wusste nur zu gut, was es bedeutet, nur nach Äußerlichkeiten beurteilt zu werden. Dafür hat sie Euch bewundert und dafür, dass Euch Eure Verantwortung, Eurem Clan gegenüber so wichtig war. „Doch was sie am meisten beeindruckte, war die Tatsache, dass Ihr offenbar gänzlich unempfindlich gegen ihre Ausstrahlung ward. Ihr verbrachtet eine ganze Woche mit ihr und habt sie weder bedrängt noch Euch irgendwie anmerken lassen, dass Euer Interesse an ihr nur auf ihrem Geruch beruht. Und das, obwohl Ihr ein Daiyoukai seid. Bitte, lasst Euch versichert sein, ich kann nur erahnen, was Euch das für eine Überwindung abverlangt haben mag. Wir alle haben wesentlich länger benötigt, ehe wir diese Witterung ertragen konnten, ohne verrückt zu werden. „Doch gerade das hat sie ungemein beeindruckt. Und in ihr wuchs die Hoffnung, nun endlich jemanden gefunden zu haben, der ihr zu widerstehen vermag und dennoch Gefühle für sie entwickeln könnte. Ich kann nicht sagen, wann es geschah, doch es dauerte nicht lange, dass sie sich unsterblich in Euch verliebte. Ich glaube, sie war niemals so glücklich, wie in den wenigen Tagen, als Ihr unser Rudel begleitetet.“ „Wenn das stimmt, was du sagst“, unterbricht nun Sesshomarus schwache Stimme die Erzählung, „Warum ist sie dann gegangen?“ Yaeba seufzt kurz, dann sagt er traurig: „Weil sie Euch nicht schaden wollte, Sesshomaru-sama! Sie war so glücklich bei Euch. Doch als Ihr sie dann batet, Eure Frau zu werden..., bekam sie es mit der Angst zu tun. Ihr sagtet, ihr Status würde für Euch keine Rolle spielen. Ihr sagtet, Ihr würdet Euren Rat nicht um Erlaubnis für eine Heirat bitten und es wäre Euch egal, was die anderen Fürsten über solch eine Verbindung denken würden. Als sie das hörte, nahm sie an, dass Ihr ihr letztlich doch nur wegen ihrer Witterung verfallen seid. Sie dachte, diese bedingungslose Selbstaufgabe könnte nur von ihren Lockstoffen herrühren, so wie sie es schon unzählige Male erlebt hatte. „Und in diesem Moment wurde ihr klar, dass sie nicht gewillt war, Euch das anzutun. Sie hätte in die Heirat einwilligen können, und damit ihren Willen bekommen, doch diese Heirat hätte alles zugrunde gerichtet, was Euer Vater über all die Jahre aufgebaut hatte. Der Osten hätte niemals eine Streunerin als Fürstin des Westens akzeptiert und der Norden hätte eine Allianz mit dem Osten vermutet. Ihr hattet das Amt gerade erst übernommen und Ihr wart noch jung. Eure Herrschaft war noch nicht gefestigt. Es wäre mit Sicherheit zum Krieg gekommen und Ihr hättet alles verloren. Und das nur, weil Ihr der Witterung einer Streunerin verfallen wärt und sie ohne Rücksicht auf Verluste zu Eurer Frau machen wolltet. Eure Vernarrtheit auf diese Weise auszunutzen, brachte sie einfach nicht übers Herz. „Doch sie konnte ihre Liebe zu Euch nicht leugnen und so schenkte sie Euch das Einzige, was ihre Gefühle zu Euch angemessen ausdrücken konnte. Euch nach dieser Nacht, ohne ein Wort des Abschieds, zu verlassen, hätte sie beinah zerbrochen, doch sie wusste, Ihr hättet versucht, sie aufzuhalten und damit wäre keinem gedient gewesen. Sie hat... bis zu ihrem Ende angenommen, dass Eure Gefühle zu ihr nur ein Auswuchs ihrer Witterung waren, deshalb hat sie auch niemals versucht, Euch zu finden. Sie wollte Euch nicht noch einmal derartig in Verlegenheit bringen.“ Yaeba schluckt schwer: „Ich musste sehr lange und sehr eindringlich auf sie einreden, damit sie... Tenmarus Leben verschonte. Erst als ich ihr schwor, dass niemand je erfahren würde, wer er war, und dass ich wie ein Vater über ihn wachen würde, gab sie sich zufrieden. Ich hätte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren können, dass dieses Kind sein Leben verlor, weil ich so egoistisch war; dass sie das Einzige tötete, was ihr von Euch noch geblieben war.“ Nun blickt er zu Sesshomaru hoch: „Als sie Tenmaru zu Euch schickte, schärfte sie ihm ein, dass er versuchen müsse, sich Euren Respekt zu verdienen, dass er Euch aber keinesfalls unter Druck setzen dürfte. Es sollte Eure Entscheidung sein. Damit wollte sie sagen: „Wenn du dieses Kind annimmst, dann kannst du mir vergeben.“ Sie hoffte, dass Ihr Euch erinnern würdet, wofür sie gestanden hat: Nicht der Rang sondern die Bewährung. Wenn sich Tenmaru Euch als würdig erweist, dann erkennt Ihr auch sie an. Das war es, was sie sich bis zum Schluss gewünscht hat. Die Gewissheit, dass Ihr tatsächlich Gefühle für sie empfunden habt.“ Hier endet Yaeba und dann senkt er erneut demütig den Kopf und seine Stirn berührt die kühle Erde. „Mehr gibt es nicht zu sagen, edler Fürst! Nun wisst Ihr alles. Ich habe diese Schuld schon viel zu lange mit mir herumgetragen. Es war... eine Qual für mich, zu sehen, wie sie sich veränderte. Hinterher war sie niemals wieder die selbe. An diesem Tag ist etwas in ihr gestorben. Nun hier und heute, bin ich gerne bereit, die Strafe dafür zu empfangen. Ich bitte Euch, richtet mich und macht meinem Leid ein Ende!“ Es vergeht ein langer Moment in dem kein Wort zwischen den beiden Youkais fällt. Nach einer Weile vernimmt man, dass Sesshomaru langsam aber bedächtig ein und aus atmet. Offenbar bemüht sich der Fürst des Westens gerade erheblich um seine Selbstbeherrschung. Seine Faust öffnet und schließt sich mehrmals. Schließlich lässt er die Luft vernehmlich entweichen. „Es war mir ernst damit!“, sagt er, „Ihr Status war mir egal. Ich hätte ohne zu zögern einen Krieg riskiert für sie. Aber die einzige plausible Erklärung, für ihr Verschwinden, war die Tatsache, dass sie tatsächlich nichts für mich empfand, dass sie mich wirklich nur ausnutzen wollte. Arashitsume hat mir tatsächlich erzählt, sie wolle nur ein Kind von mir... Es schien so klar zu sein. Es war schließlich völlig absurd, dass sie einen 'Knaben' wie mich lieben könnte“, seine Stimme wird bitter bei dem Wort, „In diesem Punkt stimmte deine Schilderung mit Arashitsumes überein. Auch er erzählte mir, dass sie lachte und mich einen unmündigen Knaben nannte, als er sie zu sich rief, um zu erfahren, welche Pläne sie mit mir hätte; ob sie beabsichtigte meine Frau zu werden und sie es vehement bestritt. Was sonst hätte ich daraus schließen sollen?“ Nun hebt Yaeba zögerlich den Kopf: „Sesshomaru-sama, das war nicht der Grund, weshalb Arashitsume, sie zu sich rief.“ Sesshomarus Kopf ruckt herum. „Nicht? Was war dann der Grund?“ Yaeba ist die Überraschung in seinem Blick nicht entgangen. „Er rief sie zu sich, kaum, dass Ihr sein Schloss verlassen hattet. Offenbar war ihm aufgefallen, dass Ihr Interesse an ihr gezeigt hattet. Da kam ihm die Idee, diesen Umstand zu nutzen. Ihr müsst wissen, Hanaki und Arashitsume vertraten seit jeher zwei völlig unterschiedliche Grundansichten. Arashitsume ist der Meinung, das alleine der Rang von Bedeutung ist, es war ihm nicht verständlich, warum sie darauf beharrte, eine Streunerin zu bleiben. „Er hätte sie gerne wiedergeholt, damit er ihre Witterung zu seinem Vorteil nutzen konnte, doch sie weigerte sich entschieden und das wollte er nicht einsehen. Er rief sie an diesem Tag zu sich, um ihr einmal mehr das Angebot zu unterbreiten, dass sie wieder in den Clan aufgenommen würde, wenn sie sich bereit erklärte, sich mit Euch verheiraten zu lassen.“ Sesshomarus Augen fliegen auf: „Was?“ „Doch sie lachte nur und nannte ihn einen Narren. Sie sagte, er hätte noch immer nichts dazugelernt und sie würde sich ganz sicher nicht mit irgendeinem Knaben verheiraten lassen, nur weil ihr Bruder hoffte, damit Einfluss über den Westen zu erhalten. Doch das war noch bevor sie Euch näher kennen gelernt hatte. „Soweit ich weiß, folgte darauf ein heftiger Streit und sie gingen auseinander. Seit diesem Tag hegte Arashitsume einen tiefsitzenden, schwelenden Groll auf Hanaki, und ich bin sicher, er hätte sie dafür am liebsten tot gesehen, doch er wagte es nicht, ihr nachzustellen. Schließlich hatte sie Inu Taihyouga besiegt und er fürchtete ihre Stärke. Bestimmt hätte er alles dafür gegeben, dass jemand diese Aufgabe für ihn übernimmt...“ Yaeba bricht unwillkürlich ab und blickt auf. Der Ausdruck der nun auf Sesshomarus Gesicht liegt hat eine solch schneidende Kälte, dass es einem einen wahren Schauer über den Rücken jagt. Der Daiyoukai bebt nun am ganzen Körper vor unterdrücktem Zorn und seine Zähne sind gefletscht. „Du... willst mir erzählen..., Arashitsume hat versucht..., sie zu einer Heirat... mit mir zu bewegen?“, seine Stimme zittert vor Wut, „Du sagst, er hat mich... angelogen?“ Nun beginnen die Augen des Daiyoukais gefährlich rot zu leuchten und seine Reißzähne schieben sich beträchtlich hervor. „Du sagst, er hat mir mit voller Absicht weiß gemacht... sie hätte nur ein Kind von mir haben wollen?“ Das Grollen, dass sich nun bei jedem Wort aus seiner Kehle drängt, könnte einem das Blut in den Adern gerinnen lassen. „Nur für seine eigensüchtigen Ziele hat er mir alles erzählt, was nötig war, damit ich sie genug hasse, um sie für ihn umzubringen? Erst sollte sie mich kontrollieren und dann sollte ich sie töten, ist es das was er wollte? Ich sollte für ihn die Drecksarbeit machen?“ Lange Klauen schieben sich nun aus Sesshomarus Händen hervor und sein Gesicht ist nun eine wilde Fratze des Zorns. Beunruhigt blickt Yaeba zu ihm hinüber: „Ihr habt das nicht gewusst? Ihr wusstet nicht, dass Arashitsume zu solchen Mitteln greifen würde? Er hat schon immer unliebsame Aufgaben von anderen erledigen lassen. So wie damals, als er seinen Vater im Stich ließ und es seiner Schwester überließ, ihn zu rächen und Inu Taihyouga zu vertreiben, oder wie eben jetzt wo er einer Schwarzen Miko den Auftrag gab, zuerst Hanaki und dann Inu Taihyouga zu lähmen, so dass sie sich gegenseitig zerfleischen würden; dieselbe Miko, die es auch auf Euer Leben abgesehen hatte und die Euer Bruder jetzt jagt. Die Miko die für Tenmarus Tod verantwortlich ist!“ In genau diesem Moment bricht ein gewaltiger Wirbel aus rotleuchtender Energie über die kleine Lichtung herein und hüllt den noch immer heftig schnaubenden Daiyoukai wütend in sich ein. Ein tiefes Grollen bildet sich in seiner Kehle und steigert sich nun immer mehr zu einem lauten, grimmigen Zornesschrei. Von nur einem Moment zu anderen schwillt der tobende Energiewirbel zu einem heftigen Orkan heran, der sämtliche Bäume um sie her augenblicklich entwurzelt. Sesshomarus Gesicht ist nun nur noch eine Fratze wütenden Wahns und im gleichen Augenblick beginnen sich seine Züge zu verzerren und seine hochaufgerichtete Gestalt, deren Haare und Pelz durch die wirbelnden Massen wild durch die Gegend peitschen, nimmt jetzt erheblich an Masse zu und verwandelt den Daiyoukai in einen monströsen, weißhaarigen Hund dessen glutrote Augen ein wahrlich verzehrendes Feuer versprühen und dessen ätzender Geifer boshaft anmutende Pfützen auf dem umgewälzten Waldboden hinterlassen. Die gewaltige Bestie hat ihre Verwandlung kaum vollzogen, als sie sich auch schon umwendet und gänzlich ungeachtet der Tatsache, nur drei Beine zu haben, mit weitausholenden, donnernden Schritten durch das Unterholz des Waldes prescht und dabei jeden Baum umreißt, der es nur wagt, ihm im Weg zu stehen. Das markzerfetzende Grollen aus seiner Kehle ist noch kilometerweit zu vernehmen und die heftigen Schritte hallen noch weithin auf dem Boden nach. Ein wenig bleich und besorgt blickt Yaeba dem davoneilenden Daiyoukai hinterher. Dann urplötzlich kommt ihm etwas in den Sinn und erschrocken springt er auf. „Oh, verdammt!“, schimpft er mit klopfendem Herzen und augenblicklich macht er sich daran, ihm zu folgen, „Ich Idiot! Ich Riesenidiot! Er wird ihn umbringen! Er bringt ihn ohne das leiseste Zögern um!“ Kapitel 48: Loyalitäten ----------------------- Vorsichtig schiebt sich eine kleine, grüne Gestalt an den Gebäuden in der Nähe des Ostpalastes entlang. Jaken, hält wachsam die Augen offen. Es grenzt wahrlich an ein Wunder, dass man ihn noch nicht bemerkt hat. Doch anscheinend sind die Ostyoukais momentan mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Kein Wunder, bei einem solch mächtigem Gegner wie dem Heer des Westens. In der vergangenen Stunde konnte er beobachten, wie die Soldaten des Ostclans sich immer mehr zusammengefunden haben. Ein großer Teil der Krieger ist also gerade auf dem Weg, um seinen Herren zu töten. Hah, sie werden sich noch sehr wundern! Sesshomaru-sama wird sie alle ohne größere Probleme erledigen. Es gibt niemanden, der es mit ihm aufnehmen könnte! Um ihn muss er sich wohl keine Sorgen machen. Stattdessen sollte er wohl besser so schnell wie möglich, seinen eigenen Auftrag erfüllen. Bei diesem Gedanken gerät Jaken immer mehr ins Schwitzen. Wo, um alles in der Welt, mag Rin bloß stecken? Bestimmt irgendwo im Palast, aber wo? Bisher ist er nur um das Hauptgebäude herumgeschlichen und hat die Ohren aufgesperrt, um zu hören, ob vielleicht irgendjemand über ein Menschenmädchen redet. Doch die Ostyoukais sind mit völlig anderen Sachen beschäftigt. Es ist wahrlich Glück, dass die Bedrohung von außerhalb offenbar so gewaltig ist, dass eine kleine, unscheinbare Dämonenaura wie seine, nicht weiter ins Gewicht fällt. Das erlaubt ihm die ungestörte Suche, nach dem Mündel seines Herren, solange man ihn natürlich nicht entdeckt! Und genau da liegt das Problem. Wenn er es wagen würde, den Palast zu betreten, wird man ihn bestimmt früher oder später bemerken. Es wäre sicher leichter, sich einzuschleichen, wenn er wüsste, wohin er muss. Doch leider ist er noch nie zuvor hier im Ostpalast gewesen und selbst wenn, würde er noch immer nicht wissen, wo man Rin untergebracht hat. Es ist zum verzweifeln! Kraftlos sackt Jaken in sich zusammen und kommt auf dem Hintern zu sitzen. Wie soll er die Kleine bloß finden, und lebt sie überhaupt noch? Ist es nicht eher wahrscheinlich, dass man sie bereits gefunden und umgebracht hat, so wie die Lage gerade ist und jetzt, da Sesshomaru-sama sie nicht beschützen kann. Nein, ruft er sich selbst zur Ordnung. Ich darf die Hoffnung nicht aufgeben. Sesshomaru-sama verlässt sich auf mich. Ich muss Rin unbedingt finden. Ich dürfte Sesshomaru-sama nicht mehr unter die Augen treten, wenn ich nicht wenigstens herausgefunden habe, was aus ihr geworden ist. Aber wie? Ein wenig ratlos blickt er sich um. Er befindet sich anscheinend direkt neben dem Kampfplatz des Palastes. Hinter ihm erstreckt sich eine größere Parkanlage und direkt vor ihm ist der Palast. Dort vorne scheint auch eine Tür zu sein. Ein Blick in die Runde sagt ihm, dass nirgendwo irgendwelche Youkais zu sehen sind. Soll er es wagen? Im Moment kann er wohl recht unbemerkt den Palast betreten, doch was dann? Plötzlich vernimmt er direkt neben sich eine helle Stimme: „Nanu, du bist doch Sesshomaru-samas Gehilfe, oder täusche ich mich da?“ Erschrocken zuckt Jaken zusammen. Panisch beginnt er sich umzusehen und der Schweiß bricht ihm aus. Er ist ertappt! Doch so sehr er auch umherschaut, er kann niemanden entdecken, zu dem diese Stimme gehören könnte. „Hier unten bin ich!“, hört er die Stimme nun erneut und gleich blickt er hinunter zu seinen Füßen. Dort sitzt eine winzige Gestalt und guckt zu ihm hoch. Jaken kommt nun etwas dichter an die Gestalt heran und nimmt sie kritisch in Augenschein. „Ein Floh-Dämon?“, meint er verwundert, „Du musst Myoga sein.“ Der kleine Floh nickt. „So ist es!“, bestätigt er, „Aber ich hatte angenommen, Sesshomaru-sama hätte dich mit einem wichtigen Auftrag betreut. Ich bin überrascht, dich hier zu treffe. Ist Sesshomaru-sama auch hier? Ich muss ihm etwas äußerst Wichtiges mitteilen. Es geht um den Streuner Tenmaru.“ „Psst!“, macht Jaken und blickt sich hektisch um, „Nicht so laut, sonst werden wir noch entdeckt! Das ganze Schloss scheint in Aufruhr zu sein. Sesshomaru-sama hat sein gesamtes Herr hierherbefohlen und nun macht der Ostclan mobil. Und ich muss unbedingt Rin finden, sonst wird mich Sesshomaru-sama bei lebendigem Leibe häuten, oder Schlimmeres!“ Verblüfft schaut Myoga ihn an. „Das gesamte Heer des Westens ist hier? Das ist nicht gut. Die kleinste Provokation könnte zur Eskalation führen.“ „Und aus diesem Grunde, soll ich Rin so weit wie möglich vom Schloss wegbringen“, jammert Jaken, „Doch ich weiß nicht wo sie ist!“ „Hast du schon in ihrem Quartier nachgesehen?“, fragt Myoga. „Ich weiß doch nicht, wo das ist?“, kommt die verzweifelte Antwort. „Das ist kein Problem“, meint Myoga nun, „Ich zeig dir den Weg. Ich hätte nur eine kleine Bitte.“ Jaken guckt ihn groß an: „Was für eine Bitte?“ Myoga schaut ihn etwas peinlich berührt an: „Ähm, dürfte ich vielleicht... also, ich könnte wirklich eine Stärkung gebrauchen und diesmal frage ich lieber vorher. Die letzten Stunden waren wirklich kein Zuckerschlecken. Ich wäre beinah erschlagen und ertränkt worden, aber zum Glück ist der Fluss längst nicht so reißend wie es den Anschein hat. Es hat nur eine kleine Weile gedauert, bis ich wieder hier war. Aber jetzt bräuchte ich wirklich mal einen guten Schluck.“ Ein wenig skeptisch schaut Jaken ihn an. Der kleine Floh sieht tatsächlich ziemlich mitgenommen aus. Seine Haut ist fast schneeweiß und seine Kleidung ist noch immer nass. Ein bisschen unbehaglich, ist ihm schon dabei, einen Floh-Dämon zu verköstigen, doch wenn er ihm helfen kann, Rin zu finden, ist es das Risiko wert. „Na schön, von mir aus“, meint er. Myogas Augen leuchten. „Danke vielmals!“, strahlt er und dann piekt er seinen Saugrüssel in Jakens Halsseite. Nach einigen tiefen Schlucken, lässt er von ihm ab. „Ah, das war gut! Also dann, lass uns Rin suchen! Und du kannst mir inzwischen erzählen, was ich bisher verpasst habe.“ Wachsam machen sich die beiden auf den Weg. Die Hintertür des Palastes scheint momentan weder verschlossen, noch bewacht zu sein, doch das wird nicht lange so bleiben. So nutzen sie die Gunst der Stunde um hineinzugelangen. Jaken ist erleichtert. Vielleicht werde ich jetzt doch nicht getötet! Ein harter Tritt Samushis lässt Kossoridokus Knöchel in einem unnatürlichen Winkel abknicken. Mit ungerührter Miene beobachtet Kegawa seinen Freund dabei, wie er noch immer seine Wut an ihrem ehemaligen Kameraden auslässt. Das geht nun schon eine ganze Weile lang so. Es ist ein wenig lästig, dass der Westyoukai über solch erstaunliche Regenerationsfähigkeiten verfügt. Die Knochenbrüche heilen innerhalb kurzer Zeit wieder zusammen. Andererseits kommt es ihnen auch gelegen. Ihr Zorn auf den Weststreuner ist noch längst nicht verraucht und so bietet seine Heilfähigkeit ausreichend Möglichkeit, sich abzureagieren. Wenn sie alle Knochen durchhaben, können sie einfach wieder von vorne anfangen. Aber Kegawa weiß aus Erfahrung, dass das nicht ewig so weitergehen wird. Mit jeder Verletzung verbraucht der Youkai mehr Energie und in nicht allzu langer Zeit, werden die Knochen erst einmal gebrochen bleiben, bis er Gelegenheit findet, sich zu erholen. Falls! Kegawa hegt starke Zweifel daran, dass es soweit kommen wird. Sein ehemaliger Kommandant hat noch immer nicht genug davon, ihn zu quälen. Wer kann es ihm verdenken. Dank Kossoridoku gibt es nun nichts mehr wo sie beide hingehen können. Kein Rudel, keinen Schutz und keine Perspektive. Mal ganz abgesehen davon, dass dank ihm die Person sterben musste, der die beiden Nordyoukais den allergrößten Respekt entgegenbrachten und der sie auf ewig die Treue geschworen haben, nachdem... Der Nordyoukai senkt den Blick. Wohin sollen diese Gedanken führen? Die Chancen, dass sie jetzt nach dem Tod Inu Taihyougas wieder zurück zu ihrem Stamm können, sind nahezu verschwindend gering. Sie beide sind ohne zu zögern Tenmaru gefolgt, als es darum ging, Hanakis Tod zu rächen. Möglich, dass Kossoridoku und diese Miko und auch Arashitsume dabei ihre Finger im Spiel hatten, doch das ändert nichts daran, dass sie beide dabei geholfen haben, ihren ehemaligen Fürsten zu töten. Der Nordyoukai beißt die Zähne zusammen. Das wird Yarinuyuki uns sicher nicht verzeihen! Die einzige Chance, auf so etwas wie Nachsicht zu hoffen, besteht im Grunde nur in der einen Sache, die Samushi auf keinen Fall zur Sprache bringen will. Nicht, dass er nicht bereits versucht hätte, ihn dazu zu überreden, aber sein Gefährte bleibt stur. Gut, er kann seine Gründe verstehen, aber trotzdem... Wenn auch nur der Hauch einer Chance besteht, dass sie das alles hier überleben können, indem einige Personen ihren Stolz herunterschlucken müssen, dann sollte man es wenigstens versuchen. Immerhin sind sie Nordyoukai, und Nordyoukai sind dazu geschaffen, zu überleben! Kegawas Blick geht hinüber zum Horizont. Die Sonne geht bereits auf. „Samushi“, sagt er, „denk daran, dass wir noch einen Auftrag haben.“ Samushi hält inne und blickt ebenfalls hinauf zum Himmel. Einen Moment scheint er noch zu überlegen, dann tritt er den am Boden Liegenden noch einmal in die Rippen und dann schnaubt er verstimmt. „Also schön“, brummt er, „Schaffen wir dieses miese Stück Dreck hoch zum Schloss.“ Er hockt sich neben Kossoridoku hinab, packt grob seine zerzausten und blutverklebten Haare und zieht seinen Kopf in die Höhe. Dann zischt er ihm zu: „Ich mach das nur, weil Yaeba sich gerade diesen Hanyou unterordnet. Wenn es nach mir ginge, würde ich noch was ganz anderes mit dir machen. Aber so lautet der Auftrag, dich hoch zum Ostpalast zu bringen. Ich schätze jedoch, die Chancen, dass dein Auftraggeber für dich in die Bresche springen wird, sind eher gering.“ Doch der Westyoukai reagiert nicht, sondern hängt nur kraftlos in Samushis Griff und blickt mit verschleiertem Blick ins Leere. „Sinnlos“, meint Kegwa abfällig, „Der ist völlig weggetreten.“ Doch plötzlich versteift sich Samushis Körper und unsanft lässt er Kossoridoku wieder zu Boden plumpsen. Im selben Moment ist er auch schon wieder auf den Beinen und blickt sich angespannt um. Und nun bemerkt auch Kegawa es. Eine mächtige Aura ist zu spüren und ein bekannter Geruch dringt an seine Nase. Auch seine Schultern verspannen sich nun und ratsuchend blickt er zu seinem Kameraden hinüber. „Spürst du das?“, fragt er beunruhigt. Samushis Gesicht ist ernst: „Klar doch! So ein Mist!“ „Wenn wir uns beeilen, können wir den Kerl noch hoch zum Schloss bringen. Vielleicht kommen wir noch rechtzeitig weg.“, meint Kegawa hastig, doch Samushi winkt ab. „Zu spät! Sie hat uns schon bemerkt. Sie kommt direkt hierher. Weglaufen hat jetzt keinen Sinn mehr.“ Ein wenig unschlüssig tritt Kegawa von einem Fuß auf den anderen und beobachtet seinen Freund der nur mit verschränkten Armen dasteht und sich nicht vom Fleck rührt. „Und was willst du jetzt machen?“, fragt er etwas nervös, „Willst du sie uns einfach umlegen lassen?“ „Hast du etwa Schiss?“, kommt die scharfe Rückfrage. Kegawa kratzt sich ein wenig verlegen am Kopf. „Nicht direkt, aber ich hänge trotzdem ein wenig am Leben. Weißt du, mit der Zeit gewöhnt man sich so daran.“ Nun blickt Samushi ihn ernst an: „Kegawa, du weißt genau so gut wie ich, dass das hier irgendwann nicht länger zu vermeiden war. Also bringen wir es endlich hinter uns! Ich sterbe lieber hier und heute bei dem Versuch, die Angelegenheit zu klären, als mein Leben lang auf der Flucht zu sein.“ Für einen kurzen Moment scheint Kegawa zu überlegen, doch dann nickt er: „Du hast recht! Aber wie willst du sie dazu bringen, uns überhaupt zuzuhören? Vielleicht... wenn du ihr erzählst...“ „Kommt nicht in Frage!“, schnappt Samushi ärgerlich, „Wie oft denn noch? Ich werde nicht vor ihr betteln! Das würde doch bloß wie eine billige Ausrede wirken und es gibt keine Garantie dafür, dass sie sich überhaupt etwas daraus macht. Außerdem ist es besser wenn sie es niemals erfährt. Wenn das rauskommt, richtet es nur unnötigen Schaden an ihrem Ruf an.“ Gerade will Kegawa etwas darauf erwidern, doch er kommt nicht mehr dazu. Direkt vor ihnen aus dem Wald treten nun mehrere Personen, allen voran die zornige Fürstin des Nordens. Hinter ihr folgen Dokutoge und Sokudo, beide bewacht von je einem stämmigen Nordkrieger. Den Schluss der Gruppe bildet Itakouri und nun stehen die Neuankömmlinge auf der Lichtung und grimmige Blicke fliegen zu den beiden Streunern und ihrer verwundeten Beute hinüber. „Also hab ich mich doch nicht getäuscht!“, grollt Yarinuyuki und ihre Augen funkeln kalt, „Ihr gehört ebenfalls zu den Streunern, nicht wahr?“ Die beiden sagen kein Wort, doch Itakouri antwortet nun an ihrer statt: „Ja, das sind Samushi und Kegawa, ehemaliger Hauptmann und Vizehauptmann des Nordheeres und beides Verräter!“, ein genüssliches Grinsen legt sich auf sein Gesicht bei diesen Worten. Er hat noch nicht die Prügel vergessen, die er erst kürzlich durch Samushi kassiert hat und es bereitet ihm sichtlich Genugtuung, die beiden nun ihrerseits am Haken zappeln zu sehen. „Sie waren es, die damals den Befehl Eures Vater missachteten und gemeinsam mit der Daiyoukai aus dem Osten geflohen sind. Und sie waren es auch, die Euren Vater nach dem Zweikampf mit eben dieser Frau angriffen und gnadenlos ermordeten. Dafür verdienen sie den Tod!“ Verächtlich funkelt Samushi den Befehlshaber an. „Ich hab dir vorhin schon gesagt, dass du keine Ahnung hast, Itakouri. Also halt besser die Klappe, eh ich mit dir das gleiche anstelle, wie mit diesem verräterischen Ostspion hier!“ Mit diesen Worten setzt er seinen Fuß vernehmlich auf Kossoridokus Rücken. Nun hat auch Dokutoge den am Boden Liegenden erkannt und seine Augen weiten sich erschrocken. Er ist es tatsächlich! Es ist sein Sohn! Und wie es aussieht, befindet er sich momentan in einem ziemlich bedenklichen Zustand. Einem Reflex folgend will er zu ihm gehen, doch sein Wächter hat aufgepasst und hält ihn mit energischem Griff zurück. Eine Faust findet ihr Ziel und dem Westyoukai knicken einmal mehr die Knie ein. Sokudo neben ihm hat seine Reaktion bemerkt und grinst verstohlen. „Offenbar versucht da jemand, Zeugen verschwinden zu lassen!“ Doch weiter kommt er nicht, denn ein eisiger Wind scheint gerade über die Lichtung zu ziehen und gipfelt nun in einem Strudel aus bläulichen Energieschwaden die sich um die Fürstin des Nordens zusammenziehen. Ihre Augen leuchten eisig blau und lange Reißzähne schieben sich unter ihren Lippen hervor. Ihr Atem geht heftig und ihre Zähne sind gefletscht. „Ihr!“, grollt sie tödlich, „Ihr kommt mir gerade recht! Ich werde euch in Stücke reißen!“ Kegawa blickt seinen Freund unsicher an: „Hast du noch mehr so tolle Ideen?“ Doch schon sieht er wie sich die Fürstin des Nordens wie ein Pfeil von der Stelle abstößt, mit einer geschmeidigen Bewegung ihr Schwert zieht und direkt auf die drei losgeht. „Ja!“, nickt Samushi hastig, „Lass dich nicht kriegen!“ Mit diesen Worten packt er Kossoridoku am Arm und zerrt ihn unsanft aus dem Weg, nur einen Sekundenbruchteil bevor das Schwert der Fürstin direkt an eben dieser Stelle auf den Boden auftrifft und die Lichtung in eine einzige Eisfläche verwandelt. Auch Kegawa ist ausgewichen und ein ganzes Stück zur Seite gesprungen. „Tolle Idee!“, bemerkt er trocken. Doch schon muss er wieder Acht geben, denn mit atemberaubender Geschwindigkeit ist Yarinuyuki ihm gefolgt und schlägt erneut nach ihm. In letzter Sekunde kann er den Schlag ausweichen und nun hat er alle Mühe, den wütenden Hieben der Nordfürstin zu entgehen. Kegawas Herz schlägt bis zum Hals. Er weiß nur allzu gut, wozu ihr Schwert in der Lage ist. Hyouamejin, das Schwert ihres Vaters, das alles was es schneidet in Eis verwandelt. Wenn sie ihn erwischt, ist es aus! Mit Mühe und Not versucht er ihr zu entkommen, doch es scheint wirklich nur noch eine Frage der Zeit, dass er seinem Schicksal nicht mehr entgehen kann. Auf einmal vernimmt er einen lauten Ruf neben sich. „Yarinuyuki-hime! Hört uns an!“, es ist Samushi. Doch die Nordfürstin lässt sich davon in keinster Weise ablenken. Mit ungebremster Kraft schlägt sie weiter nach Kegawa und pulverisiert dabei mehrere Bäume zu sprühenden Schneeflocken. Zufrieden beobachtet Sokudo das Schauspiel. Es wird nicht mehr lange dauern, ehe diese beiden Streuner, und mit ihnen ihr verräterischer Zeuge, erledigt sind. Besser könnte es gar nicht laufen. Diese Miko wird vermutlich inzwischen kurzen Prozess mit dem Hanyou und seinen Freunden gemacht haben, und damit wären dann alle Beweise, die seinen Herrn überführen könnten, beseitigt. Durch diese Zufriedenheit beflügelt wendet er sich an Itakouri. „Willst du deiner Herrin nicht helfen, die Bastarde zu erledigen?“ Itakouri, der das Treiben bisher schweigend beobachtet hat, wendet sich nun langsam zu ihm um. Kühl mustert er ihn, dann meint er verächtlich: „Glaubst du wirklich, sie braucht meine Hilfe? Die drei sind keinerlei Problem für sie. Und ich hänge an meinem Leben.“ Dann wendet der Befehlshaber sich wieder dem Kampf zu. Nein, er weiß genau, solange seine Herrin nicht in Gefahr ist, hat er sich tunlichst aus ihrem Kampf herauszuhalten. Im Moment sieht es jedoch weniger danach aus, als wäre seine Hilfe irgendwie von Nöten. Yarinuyuki scheucht Kegawa wütend über die Lichtung und nur seine jahrelang trainierten Reflexe, bewahren ihn noch davor, von ihrer Klinge zerstückelt zu werden, doch lange wird er das Tempo nicht mehr durchhalten können. Er ist fast am Ende seiner Kräfte und die Daiyoukai, ist kaum erschöpft. Einmal mehr holt sie zum Schlag aus und diesmal wird er dem Hieb nicht mehr entgehen können, das weiß er. Die Klinge saust hernieder und Kegawa rechnet jeden Moment damit, eingefroren und pulverisiert zu werden. Doch kurz bevor die Klinge ihn trifft, fängt eine stabile Lanze die Wucht des Schlages ab und bewahrt ihn so davor, aus dem Leben zu scheiden. Grimmig trotzt Samushi Yarinuyukis Blick, während er seine Waffe vor sich hält um den Hieb der Nordfürstin abzuwehren. Die Macht ihrer Klinge überträgt sich auf den Schaft seiner Waffe und nur wenige Momente später sind seine Hände am Stab festgefroren. Samushi beißt die Zähne zusammen, doch er weicht ihrem Blick nicht aus. „Ich bat Euch, uns anzuhören!“, grollt er erneut, diesmal direkt in ihr zorniges Gesicht. Doch Yarinuyuki holt nur mit einer Klaue aus und fegt ihn spielend beiseite. Jedoch in der Zwischenzeit hat auch Kegawa wieder Abstand gewonnen und er schafft es, seinen Freund aufzufangen, ehe er unsanft auf dem kalten Boden aufschlägt. Ein Stück neben ihnen liegt Kossoridoku auf der Erde und rührt sich nicht. Samushi richtet sich wieder auf und funkelt die Fürstin entschlossen an. Dann dringt ein Grollen aus seiner Kehle und sein Nacken spannt sich an. Nur wenige Augenblicke verlieren seine Hände ihre unnatürlich blasse Farbe, sondern werden wieder kräftig durchblutet und das Eis tropft nun als Wasser auf den Boden. Dann streckt er die gerade noch eingefrorenen Finger und packt dann wieder seine Waffe. Ernst blickt er Yarinuyuki an, die nun wieder auf ihn zu kommt, noch immer entschlossen, sie beide zu töten. „Yarinuyuki-hime!“, ruft er erneut, „Lasst Euch erklären!“ Sein Blick huscht kurz hinüber zu Dokutoge. „Wie ich sehe, hat der Nishi-aitsu Euch gefunden. Also wisst Ihr sicher auch, dass der Bastard Arashitsume hinter der ganzen Angelegenheit die Fäden gezogen hat.“ „Das ist eine böswillige Verleugnung!“, empört sich Sokudo, doch Samushi ignoriert ihn. Stattdessen weichen er und Kegawa ein Stück weiter zurück vor der Nordfürstin die noch immer direkt auf sie zukommt. „Eine Schwarze Miko hat den Tod Eures Vaters herbeigeführt. Sesshomarus Bruder ist in eben diesem Moment auf der Suche nach ihr.“ Nun mischt sich Itakouri doch ein. „Ihr seid solche Heuchler!“, schreit er erbost, „Ich war ebenfalls da, falls ihr euch erinnert! Ich habe euch gesehen! Als dieser Tenmaru losrannte, habt auch ihr euch ohne zu zögern auf Inu Taihyouga-sama gestürzt. Ihr habt ihn getötet und ihr hattet Vergnügen daran! Das war überdeutlich zu erkennen! Ihr seid nichts weiter als elende Verräter!“ Für einen Augenblick werden die Gesichter der beiden Streuner hart. Doch dann wendet sich Samushi wieder Yarinuyuki zu, die nun langsam, wenn auch nicht weniger entschlossen, auf sie zukommt. Ihre Augen funkeln noch immer eisig und ihr Schwert ist berechnend zum Schlag erhoben. Es steht außer Frage, dass sie ihr diesmal nicht mehr entkommen werden. Ernst schaut Samushi ihr nun entgegen. „Das leugne ich auch überhaupt nicht!“, sagt er hart, „Aber bevor Ihr uns tötet, lasst Euch wenigstens erklären, weshalb wir es taten.“ „Was sollten mich eure Gründe kümmern?“, entgegnet Yarinuyuki kalt und nun hat sie sie erreicht und baut sich direkt vor ihnen auf und hebt ihr Schwert. Seine Lanze noch immer zum Schutz erhoben steht Samushi da. Hart beißt er die Kiefer aufeinander und blickt hinauf zu ihrer Waffe. Dann wirft er aus den Augenwinkeln einen Blick auf Kegawa der sich wachsam hinter ihm postiert hat. Einen Augenblick scheint er mit sich zu ringen, doch dann trifft er eine Entscheidung. Mit einem leichten ausatmen sinkt er auf die Knie hinab und blickt dann zu ihr hoch; dabei stützt er sich auf seinen Speer. „Yarinuyuki-hime!“, sagt er ernst, „Ihr habt Recht! Ihr habt jedes Recht, zornig auf uns zu sein, doch ich versichere Euch, wir taten es nur zum Wohl des Nordreichs!“ Nun hält die Daiyoukai doch einen Moment inne. Ihre Zähne sind gefletscht und das Schwert in ihrer Hand zittert vor Wut. „Ich frage dich!“, quetscht sie mühsam beherrscht hervor, „Inwiefern war der Tod meines Vaters zum Wohle des Nordreichs?“ Ernsthaft blickt der Youkai zu ihr hoch. „Yarinuyuki-hime, ich habe mehr als sechshundert Jahre dem Norden treu gedient. Ich weiß was unseren Clan auszeichnet. Ich lebte, kämpfte und blutete für mein Volk. Ich hatte niemals Zweifel an unserer Lebensweise und ich bin noch immer davon überzeugt, dass der Norden die stärksten und ehrenvollsten Krieger aller Clans beheimatet. Und aus diesem Grund konnte ich es nicht akzeptieren, dass unser Volk ins Verderben gestürzt worden wäre.“ Itakouri und seine Krieger halten sprachlos den Atem an. Dass dieser Streuner sich tatsächlich erdreistet, ihren ehemaligen Fürsten derartig zu beleidigen. Das ist mit Sicherheit sein Todesurteil! Und sie scheinen Recht zu behalten. Kaum sind die Worte verklungen, nimmt die wütende Aura um die Nordfürstin erheblich an Intensität zu. Bedrohlich neigt sie sich nun zu ihm hinab und als sie spricht entblößt sie sie nadelspitze Reißzähne. „Ins Verderben?“, zischt sie tödlich, „Dafür werde ich dir die Zunge herausreißen, Köter!“ Doch Samushi trotzt ihrem Blick mit nicht weniger Entschlossenheit. „Tut, was Ihr nicht lassen könnt, doch ich bin der Meinung, Ihr solltet zumindest wissen wofür Ihr uns bestraft!“ Ein kräftiger Schlag mit ihrer Klaue befördert den Streuner äußerst unsanft ein paar Meter Entfernung auf den Boden. Kegawa ballt unwillkürlich die Hand zur Faust und sein Herz schlägt bis zum Hals. Doch Samushi rappelt sich schnaufend wieder auf und hält sich die heftig blutende Wange, aber in seinen Augen liegt noch immer der gleiche Trotz. „Ich bin überzeugt, Ihr wisst genau wovon ich rede, Yarinuyuki-hime!“, meint er grimmig, „Bitte, zwingt mich nicht dazu, es auszusprechen!“ Sein Kopf ruckt einmal kurz in Itakouris Richtung. Für einen kurzen Augenblick hält die Nordfürstin inne und ihre Mundwinkel erschlaffen ein wenig. Langsam lässt sie ihr Schwert sinken. Dann atmet sie einmal ärgerlich durch und legt die Stirn in Falten. „Also schön!“, grollt sie verstimmt, „Sag schon was du sagen willst, doch glaube nicht, du würdest damit deiner Strafe auch nur irgendwie entgehen!“ Samushi erhebt sich wieder und speit einen blutigen Spuckefleck auf das Eis: „Wenn ich das wollte, wäre ich schon längst nicht mehr hier!“ Verdammt, ist der Kerl dreist! Itakouri kann es kaum fassen. Er hatte schon wieder völlig vergessen, warum er den Kerl damals so verabscheut hat und.... so sehr bewundert! Samushi, der furchtloseste und bemerkenswerteste Hauptmann und Befehlshaber, den der Norden je gesehen hatte! Bis zu seinem unrühmlichen Verrat war er sein großes Idol, sein heimlicher Rivale, doch erst als er in Ungnade fiel, zusammen mit seinem Vizekommandanten, war der Weg für ihn und seine Ambitionen frei. Nun ist er der Befehlshaber des Nordheers und doch schafft es dieser Ausgestoßene, ihn wie einen unmündigen Welpen dastehen zu lassen. So wie es aussieht, wird er niemals seine Klasse erreichen. Wahrscheinlich wird erst sein Tod dafür sorgen, dass sein noch immer schillernder Ruf, wenn auch nur heimlich geflüstert, allmählich verblasst. Und so wie es momentan aussieht, könnte das tatsächlich sehr bald der Fall sein. Samushi steht der Nordfürstin nun direkt gegenüber, die ihn finster im Auge behält. Ohne große Umschweife beginnt er zu erzählen. „Weder mein Kamerad noch ich streiten ab, dass wir damals gegen den Befehl Eures Vaters gehandelt haben. Aber diese Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen. Doch letztlich beschlossen wir, dass es die einzige Möglichkeit war Inu Taihyouga-sama vor sich selbst zu beschützen. Euer Vater war damals fest entschlossen, die Ostprinzessin Hanaki zu seiner Frau zu nehmen und ich vermute, inzwischen habt Ihr auch herausgefunden weshalb.“ Yarinuyukis Miene erstarrt kaum merklich, doch das reicht Samushi als Bestätigung. „Ich habe also recht“, nickt er, „Aber auch wir konnten diese Entscheidung zunächst nicht verstehen. Es war nicht verwunderlich, dass er gerade mich und Kegawa auswählte, um seine zukünftige Braut abzuholen. Immerhin waren wir seine höchsten Offiziere. Doch warum er uns tatsächlich ausgewählt hatte, sollten wir erst später erfahren. Von all seinen Kriegern sprach er uns die größte... Selbstbeherrschung zu.“ Yarinuyukis Augen weiten sich ein wenig, doch sie sagt kein Wort. Aber Samushi redet schon weiter. „Wir sollten sie zurückbegleiten, doch schon sehr rasch wurde uns klar, was unser Fürst so sehr an ihr... schätzte.“ Ein verstohlener Blick geht hinüber zu Itakouri und den anderen. Er hatte zwar gehofft, offen mit ihr reden zu können, wenn es einmal dazu kommen sollte, doch dieser Wunsch bleibt ihm wohl verwehrt. So muss er darauf achten, dass er in ihrer Gegenwart nichts abwertendes über ihren Vater sagt. Sie verteidigt ihn noch immer. Wenn sie wüsste! Möglichst leise fährt er fort. „Innerhalb kürzester Zeit waren auch wir ihr verfallen. Doch widererwartend nutzte sie es nicht zu ihrem Vorteil, und glaubt mir, sie hätte zu diesem Zeitpunkt alles von uns fordern können! Aber stattdessen versuchte sie nur auf uns einzureden. Sie beschwor uns, sie nicht zu Inu Taihyouga zu bringen, denn das was uns hier gerade widerfuhr, würde ihn noch um ein vielfaches mehr treffen, und ohne dass sie es verhindern können würde, wäre er bald nur noch eine Marionette des Ostens. Soweit wollte sie es nicht kommen lassen, auch um ihr eigenes Reich zu schützen, sollte Inu Taihyouga dahinterkommen, dass man ihn benutzen würde. „Sie flehte uns praktisch an, sie gehen zu lassen und es fiel uns wirklich schwer, ihrer Bitte zu widerstehen, doch wir blieben hart. Schließlich waren wir unserem Herrn zur Treue verpflichtet. Und ich rechne ihr noch immer hoch an, dass sie uns nicht einfach umgebracht hat und geflohen ist“, den letzten Satz scheint er eher zu sich selbst zu sagen. Dann blickt er wieder auf: „Es vergingen einige Tage in denen wir uns gegenseitig davon abhalten mussten... über sie herzufallen; mal davon abgesehen, dass uns das niemals gelungen wäre. Aber je schwerer es uns wurde zu widerstehen, umso fester wurde unser Entschluss, dass wir unseren Fürsten nicht dem selben Schicksal aussetzen konnten. „Schließlich trafen wir eine harte Entscheidung. Wir gestatteten ihr, zu fliehen. Sie war über alle Maßen dankbar. Doch wir wussten, es würde unser Todesurteil bedeuten, wenn wir mit leeren Händen heim kämen. Wir waren bereit, das zu akzeptieren als Strafe für unsere Schwäche. Doch als sie uns dann anbot, mit ihr zu kommen... Ich glaube das war der Moment in dem wir wirklich schwach wurden. Wir willigten ein. „Sie versprach uns immer zu beschützen, wenn wir loyal zu ihr sein würden. Das war ihre einzige Bedingung. Und wir entschlossen uns dazu, ein Leben als Ausgestoßene zu leben, wenn wir dafür unseren Clan vor Schaden bewahren konnten. Uns war immer klar, dass wir uns unserem Vergehen einmal stellen mussten, aber wir bereuen es nicht und wir würden jederzeit wieder so entscheiden, denn ob Ihr es glaubt oder nicht, das Wohlergehen unseres Reiches liegt uns noch immer am Herzen!“ Hier verstummt er. Einen langen Moment herrscht Schweigen über der Lichtung. Dann hört man Yarinuyuki vernehmlich ein und ausatmen. „Und das soll ich dir glauben?“, fragt sie scharf, „Es mag ja vielleicht sein, dass ihr es getan habt, um meinen Vater... vor einem Fehler zu bewahren, aber das stand euch in keinster Weise zu!“ Samushi senkt den Blick: „Das ist uns bewusst!“ Nun schnellt Yarinuyukis Klaue blitzschnell vor, packt den Streuner am Gewand und hebt ihn mühelos in die Luft. Eisig funkelt sie ihn an. „Tu nicht so selbstgefällig, elender Köter! Deine bisherigen Beleidigungen reichen dir wohl noch nicht. Und bevor ich dich in kleine Fetzen reiße, will ich von dir die Wahrheit hören! Wenn das alles nur dazu diente, meinen Vater zu schützen, warum habt ihr dann mitgeholfen, ihn feige zu ermorden? Wenn ihr angeblich so ehrenhaft und clanestreu gehandelt habt, warum habt ihr dann euren Treueschwur gebrochen, und euren Fürsten umgebracht?“ Doch nun wendet Samushi den Blick ab. Yarinuyuki zieht ihn nun dicht an sich heran und ihre Augen glühen: „Rede, verdammt!“ Samushi schnaubt einmal verächtlich und dann schaut er sie wieder an: „Weil mein Schwur meinem Clan gilt und nicht ihm!“ Das bedrohliche Knurren in ihrer Kehle nimmt zu und dann schleudert sie den Youkai vor sich zu Boden, so dass er einmal schmerzhaft aufstöhnt. „Du räudiger Köter!“, schreit sie wütend und ihre Augen leuchten kaltblau, „Mein Vater war der Clan! Er war sein Herz! Seine Seele! Dem Clan dienen, heißt seinem Fürsten dienen! Und den Fürsten verraten, heißt den Clan verraten!“ Mit diesen Worten bildet sich eine kaltes Glimmen um ihre linke Klaue und blitzschnell rammt sie ihre Krallen in seinen Magen. Samushi stöhnt auf und er spuckt ein Schwall Blut aus. An der Stelle wo sie ihn verletzt hat, bildet sich nun eine Eisschicht, die sich immer mehr ausbreitet. Doch der Youkai gibt nicht auf. Trotz seiner Schmerzen konzentriert er sich angestrengt und vertreibt durch seine Willenskraft die Kälte, die von seinem Körper Besitz ergriffen hat. Nach wenigen Momenten ist von der Vereisung nichts mehr zu sehen, doch das hat auch den Nachteil, dass die Wunde wieder zu bluten anfängt. Verbissen blickt er wieder zu ihr hoch. Doch dann lächelt er ein wenig. „Yarinuyuki-hime, ihr seit wahrhaftig eine würdige Nachfolgerin Eures Vaters. Das Erbe des Nordclans ist bei Euch in guten Händen. Unsere Entscheidung war also richtig!“ Yarinuyuki fletscht nun die Zähne. Dann packt sie ihn erneut am Gewand und zerrt ihn hoch. „Ich sagte, du sollst nicht so selbstgefällig daherreden! Du tust gerade so, als wäre das dein Verdienst! Willst du mich herabsetzen? Das wird dir schlecht bekommen, verlass dich drauf! Es genügt schon, dass du versuchst meinen Vater herabzusetzen. Mein Vater war ein würdiger Fürst! Er achtete unsere Gesetze. Es gab niemanden der ehrenvoller war als er! Er war stark und er war stolz und jedem der etwas anderes behauptet, werde ich sämtliche Körperteile abhacken!“ Wütend schleudert sie ihn zu Boden und dann hebt sie entschlossen ihr Schwert. Ihr Blick ist tödlich. Doch Samushi zeigt sich noch immer unbeeindruckt davon. „Es stimmt was Ihr sagt!“, erwidert er nun, „Inu Taihyouga achtete unsere Gesetze sehr genau, ebenso wie die Gesetze des ehrenvollen Zweikampfes! Und er legte immer schon sehr viel Wert auf Tradition, wie Ihr wisst. Die Regeln des ehrenhaften Zweikampfes zwischen Fürsten sind klar. Wenn dabei einer der Fürsten getötet wird, hat sein Nachfolger das Recht, Vergeltung zu üben. Das war auch der Grund weshalb er Hanaki-hime nicht verzeihen konnte, was damals vor 250 Jahren geschehen ist. „Nicht, dass sie sich einmischte, denn da Inu Taiarashi noch keinen Nachfolger bestimmt hatte, stand dieses Recht sowohl ihr als auch ihrem Bruder zu. Doch nachdem sie ihn besiegt hatte, verschonte sie ihn und ließ ihn am Leben. Diese Demütigung konnte er ihr nicht vergeben.“ Nun blickt Samushi die Nordfürstin, die noch immer zähneknirschend vor ihm steht, durchdringend an. „Ich versichere Euch, Yarinuyuki-hime, Hanaki-hime war sich immer bewusst, dass sie Euren Vater schwer gekränkt hatte und sie bereute das sehr. Doch sie wagte es nicht, ihn aufzusuchen und die Angelegenheit mit ihm zu klären, aus den selben Gründen weshalb sie es ablehnte, seine Frau zu werden. Deshalb hielt sie sich immer gut verborgen vor ihm, bis sie schließlich vor einigen Tagen verraten wurde von diesem elenden Bastard dort!“ Zornig zeigt er auf den besinnungslosen Kossoridoku. „Dank ihm gelang es Inu Taihyouga, unser Rudel aufzuspüren mit der Absicht, Hanaki-hime für ihre Taten büßen zu lassen. Und sie war zunächst auch durchaus bereit, jede Strafe zu ertragen. Doch als wir hinzukamen und Inu Taihyouga uns erkannte, beschloss er uns alle zu töten. Zum einen als Strafe für unseren Ungehorsam und zum anderen wollte er damit Hanaki-hime treffen. Er wollte Rache an allem was ihr lieb und teuer war. Und die Ehre gebot es ihr, dass sie uns davor schützte. Also forderte sie Ihn zum Zweikampf um ihren Zwist ein für allemal zu klären unter der Bedingung, dass er uns verschonen würde. Und ebenfalls die Ehre gebot es Inu Taihyouga diese Herausforderung anzunehmen. „Damit unterwarf er sich den üblichen Regeln, so wie es von ihm nicht anders zu erwarten war. Was danach passierte, wird Euch dieser da“, er zeigt auf Dokutoge, „vermutlich schon erzählt haben.“ Er keucht einmal auf, wegen der zunehmenden Schmerzen durch seine Wunde, doch er ist ein wenig erstaunt, dass sie ihn noch immer sprechen lässt. Ernst blickt er zu ihr hoch: „Yarinuyuki-hime, inzwischen wisst ihr sicher schon, dass unsere Anführerin einen Sohn hatte. Es wurde lange Zeit geheimgehalten von ihr und Yaeba, doch wir wussten es alle, wenn wir auch vorgaben, nichts zu wissen. Nach ihrem Tod war nun offiziell Yaeba der Anführer unseres Rudels doch eigentlich war es nun Tenmaru. Und obwohl er damit gegen ihren ausdrücklichen Befehl handelte, war seine erste Handlung nach ihrem Tod, dafür Vergeltung an Inu Taihyouga zu üben, wie es einem Nachfolger nach dem Gesetz des ehrenvollen Zweikampfes unter Fürsten zustand. Es war also sein gutes Recht, Rache zu üben und da wir Hanaki-hime die Treue geschworen hatten und nun Teil ihres Rudels waren, war es einfach eine Selbstverständlichkeit, dass wir den Absichten unseres neuen Anführers folgten, selbst wenn wir uns anschließend wieder unserem offiziellen Anführer Yaeba unterordneten.“ „Ihr seht also, unser Rudel hat im Grunde nichts falsches getan. Wir handelten treu nach Tradition und Gesetz. Ich... bitte Euch Yarinuyuki-hime“, hier stockt er für einen Moment um seinen Stolz einmal beiseite zu schieben, „Lasst nicht zu, dass es nur durch diese lange Reihe an Missverständnissen zum Krieg kommt! Auch wenn mein Treueschwur nun einem anderen Fürsten gehört, mein Herz steht noch immer zu meiner Heimat! Ich will nicht, dass unser Volk zu Schaden kommt. Und deshalb will ich auch verhindern, dass es zum Krieg kommt. „Mit Sicherheit würden unsere Krieger tapfer kämpfen und ihren Beitrag leisten, aber zu welchem Preis? Unser Clan ist der kleinste der drei. Jedes einzelne Leben ist kostbar! Deshalb habe ich auch beschlossen, zu verhindern, dass es dazu kommt. Und wenn das bedeutet, dass ich vorübergehend auf die Befehle dieses Hanyous hören muss und diesen Verräter da zum Ostpalast bringen soll, um den Mörder Arashitsume des Verrats zu überführen, dann werde ich auch das tun!“ Für einen Augenblick halten die Umstehenden den Atem an. Wie wird die Fürstin des Nordens reagieren? Yarinuyuki steht hoch aufgerichtet da und die Hand um ihren Schwertgriff zittert vor unterdrückter Wut. Man kann praktisch dabei zusehen, wie die bläuliche Aura um sie zunimmt. Scharfe Reißzähne sind fest aufeinandergebissen und ein bedrohliches Knurren dringt aus ihrer Kehle. Mit kalt glühenden Augen durchbohrt sie ihn und doch scheint sie zu zögern. „Du jämmerlicher Köter!“, knurrt sie gepresst, „Du wagst es, mich über unsere Gesetze belehren zu wollen? Du? Ein Gesetzloser? Ein Ausgestoßener? Ein rang- und ehrloser Streuner? Dir sollte doch wohl klar sein, dass unsere Gesetze nicht für dich und deinesgleichen gelten! Ihr habt keine Rechte! Wage es nicht, das für dich in Anspruch zu nehmen! Ihr seid nichts weiter als Verbrecher, und deine Rudelführerin war keine Fürstin und somit war es auch nicht ihr Sohn! Und ihr seid nur ein Haufen von Verrätern und Abtrünnigen die meinen Vater ermordet haben, nicht mehr und nicht weniger! Und dafür werde ich euch nun zur Verantwortung ziehen!“ Wieder hebt sie ihr Schwert und diesmal erkennt man, dass es ihr ernst ist. Samushi beißt die Zähne zusammen und blickt zu Boden. Verdammt, er hat es zumindest versucht. Was sonst kann er nun noch tun, um sie zu überzeugen? Scheinbar lässt sie sich wirklich nicht umstimmen. Zu dumm, nun wird er wohl darauf vertrauen müssen, dass der Hanyou diese Miko überwältigt hat. Ihren Auftrag konnten sie leider nicht mehr erfüllen. „Verdammt, Samushi, sei doch nicht so stur!“, fliegt auf einmal Kegawas energischer Ruf über den Platz. Unwillkürlich ruckt Samushis Kopf hoch. Selbst Yarinuyuki scheint nun einen Moment innezuhalten. Aufgebracht steht der andere Nordyoukai da und seine Augen funkeln ärgerlich: „Hast du vergessen, wem wir die Treue geschworen haben und warum? Denk an unseren Auftrag! Willst du wortbrüchig werden? Soll der Kleine umsonst gestorben sein? Nun schluck deinen bescheuerten Stolz runter und erzähl es ihr!“ Doch Samushi wirft ihm nur einen vernichtenden Blick zu. „Halt dich da raus, Kegawa!“, faucht er. Augenblicklich wendet sich Yarinuyuki wieder Samushi zu: „Was sollst du mir erzählen!“, blitzschnell packt sie ihn mit ihren scharfen Klauen am Hals und hebt ihn hoch, „Ich verlange eine Antwort!“ Doch Samushi beißt sich auf die Lippen und meidet ihren Blick. „Welchen Unterschied würde das jetzt noch machen? Ihr seid doch eh entschlossen, uns zu töten!“ Allmählich wird ihm nun ein wenig schummerig zumute, der enorme Blutverlust zehrt immer mehr an seinen Kräften. Urplötzlich leuchten Yarinuyukis Augen grimmig auf und mit einer weitaushohlenden Schwungbewegung schleudert sie den Youkai vor sich so sehr zu Boden, dass er ein Stück in die Erde gerammt wird. „Das war ein Befehl!“, schreit sie zornig. Eine halbe Sekunde später spürt er die eisige Klinge ihres Schwertes an seiner Kehle und ihr wutschnaubendes Gesicht ragt direkt vor ihr auf. „Du erzählst mir jetzt auf der Stelle, was ich wissen will, sonst werde ich dich nicht nur töten, sondern ich werde dafür sorgen, dass dir das, was du mit dem Nishi-aitsu da angestellt hast, wie eine Gesundheitsmassage vorkommen wird. Und bevor ich dich endlich von deinen Leiden erlöse, werde ich dich dabei zusehen lassen, wie ich deinem Freund dort bei lebendigem Leibe die Knochen aus dem Körper schneiden werde! Also rede endlich, verdammt noch mal!“ Samushi schluckt ein wenig. Ihre Worte sind keine leeren Drohungen, das weiß er. Im Grunde ist ihm gleich, was mit ihm passieren wird, aber es bereitet ihm dennoch ein wenig Unbehagen, dass sein Kamerad leiden soll, weil er sich so starrköpfig stellt. Kegawa ist stark, aber nicht so stark. Immer hat er treu zu ihm gehalten. Das hat er nicht verdient! Schweren Herzens hebt Samushi den Kopf und blickt sie an. „Yarinuyuki-hime, wisst Ihr wie Ihr zu Eurem Namen gekommen seid?“ Schweigend sitzt Arashitsume in seinem Thronsaal auf einem seiner Kniekissen und hat die Augen geschlossen. Um ihn herum herrscht Ruhe. Er ist alleine, keiner seiner Untergebenen ist im Augenblick anwesend. Doch das ist auch nicht weiter schlimm. Trotzdem weiß er ganz genau, was jeder von ihnen im Augenblick macht. Wenn er sich nur stark genug konzentriert, kann er jeden Gedanken hier in seinem Schloss hören. Es ist also völlig unnötig, seine Leute mit so etwas unsinnigem wie Botengängen oder dergleichen zu betreuen, wenn allein ein Gedanke genügt um seine Anweisungen unverzüglich zu übermitteln. Doch heute fällt es Arashitsume ein wenig schwerer, sich zu konzentrieren, denn er ist noch immer viel zu wütend. Sein ganzer, schöner Plan, den er über Jahre, ach was, Jahrhunderte geplant hat, wurde mit einem Schlag zunichte gemacht und das nur, weil sein dummer Neffe sich urplötzlich aus falschverstandenem Pflichtgefühl für seinen Vater geopfert hat, der weder irgendwelche Gefühle für ihn aufgebracht hat, noch bereit gewesen wäre, ihn irgendwann einmal anzuerkennen. Dafür hat er wohlwissend damals schon gesorgt. Diese erbärmliche Kreatur! Wie konnte er nur so töricht sein und all das, was er ihm großzügigerweise angeboten hat, einfach in den Wind schlagen? Der Knabe hatte so viel Großmut gar nicht verdient! Nun ist er tot und Arashitsume ist notgedrungen dazu gezwungen, seine Pläne zu ändern. Sokudo sollte seine kleine Nachricht inzwischen der Fürstin des Nordens übermittelt haben. Er wird sich beizeiten bei ihm melden und ihm ihren Entschluss mitteilen. Sicher wird sie über Tenmarus Tod nicht begeistert sein. Das Mädchen ist einfach zu berechenbar. Wenn Sokudo seine Sache gut gemacht hat, wird sie nun einen ziemlichen Zorn auf Sesshomaru haben. Das kommt ihm nur zugute. Ein paar schlagkräftige Nordsoldaten in der Hinterhand zu haben, ist genau das, was seinem Heer gegen die Armee des Westens noch fehlt. Mit Sicherheit wird sich Yarinuyuki nicht mit ihm verbünden, aber wenn sie ebenfalls den Westen als Feind betrachtet, wird auch das seinen Zweck erfüllen. Die Chancen stehen zwar nicht sehr hoch, dass seine Soldaten in der Lage sein werden, Sesshomaru noch im Vorfeld auszuschalten, dazu ist der Westfürst einfach zu mächtig, aber sie können ihn womöglich solange aufhalten, bis seine Verteidigungseinheiten ausreichend platziert sind. Die Verluste dabei, sind vermutlich zu verschmerzen. Erneut lässt er seinen Geist in seinem Palast und seiner Umgebung umherschweifen um zu überprüfen, ob auch jeder seiner Untergebenen weiß, was er zu tun hat, aber zu seiner Zufriedenheit, sind seine Leute ausgezeichnet geschult. Dieser Palast wird eine uneinnehmbare Festung sein, sollte es zum Kampf kommen. Und das wird es voraussichtlich! Doch nicht ohne Grund liegt der Ostpalast in das Gebirge eingebettet. An dieser Bastion werden sich die Wellen des Westheeres brechen wie ein warmer Sommerregen. Keiner dieser dreckigen Nishi-aitsu wird in der Lage sein, auch nur einen Fuß in seinen Palast zu setzen, geschweige denn eine Hand an ihn, den Fürsten, zu legen. Keiner! Die einzige Sorge, die ihm bleibt, ist der Fürst des Westens selbst. Arashitsumes Stirn legt sich ein wenig in Falten. Nur sehr ungern möchte er es auf ein direktes Kräftemessen mit dem Sohn des Inu Taishou ankommen lassen. Die Macht seines Vaters war legendär und nur jemand mit Selbstmordabsichten hätte ihn herausgefordert. Und auch wenn Sesshomaru bei weitem nicht an seine Stärke heranreicht, so tut man gut, den Daiyoukai aus dem Westen nicht zu unterschätzen, wenn einem sein Leben lieb ist. Zu Arashitsumes Bedauern fällt ihm gerade einfach nichts brauchbares ein, was er tun kann, wenn alle Stricke reißen und der Fürst des Westens tatsächlich versucht, hier einzudringen. Also wird er wohl sein möglichstes tun müssen, um ihn gegebenenfalls, daran zu hindern. Aber wozu hat er schließlich seine Soldaten! Sie wurden nur zu diesem einen Zweck geboren: Um ihren Fürsten zu schützen und heute werden sie ihre Bestimmung erfüllen. Einmal mehr lässt er seine Gedanken durch seinen Palast wandern, suchend und lauschend nach jedem Gedanken den er finden kann. Da, auf einmal stutzt er. Was ist das? Diese Gedanken... Er lauscht einen Moment lang und dann hellt sich seine Miene auf. Zum ersten Mal seit vielen Stunden legt sich ein triumphierendes Lächeln um seine Lippen und er öffnet die Augen. „Schau mal an!“, meint er leise, „Das ist ja sehr interessant!“ Rasch leert er seinen Geist erneut: „Raimeimaru!“ Nur kurz darauf vernimmt er die Antwort in seinen Gedanken: „Was wünscht Ihr, mein Fürst?“ „Komm auf der Stelle zurück zum Palast! Ich habe einen Auftrag für dich.“ Einen Moment lang scheint die Stimme zu zögern. Dann antwortet sie: „Mein Fürst, ich werde zu Euch kommen sobald es mir möglich ist, doch im Augenblick sollte ich besser bei meinen Leuten sein!“ Arashitsumes Miene verfinstert sich. Schon wieder wagt es jemand, ihm zu widersprechen. Das ist ungeheuerlich! „Was könnte wichtiger sein, als dem Befehl deines Fürsten zu folgen?“, fragt er scharf. Nur wenige Augenblicke später erhält er die Antwort: „Mein Fürst, er kommt! Sesshomaru ist auf dem direkten Wege zum Palast! Und... er scheint zornig zu sein. Er stellt eine unmittelbare Gefahr da. Meine Leute werden ihm alleine nicht gewachsen sein.“ Doch Arashitsume geht gar nicht erst darauf ein: „Wozu dienen meine Soldaten, wenn nicht dazu, meine Feinde zu bekämpfen? Und wozu dient mir mein Hauptmann, wenn er meinen Befehlen nicht gehorcht? Ich will, dass du auf der Stelle zurückkommst! Keine weiteren Widersprüche!“ Ein paar Sekunden lang herrscht Stille, doch dann vernimmt er: „Ja, mein Fürst!“, doch offenbar kommen sie dem Betreffenden nur schwer über die Lippen. Arashitsume öffnet die Augen. Wieder stiehlt sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen. Du bist also zornig, Sesshomaru? Könnte es sein, dass du seinen Tod auf einmal doch bereust? Hast du doch mehr Gefühle als du vorgibst? Willst du Rache? Willst du mich töten? Das wird dir nicht gelingen! Ich werde dich vernichten und du selbst wirst schuld an deinem Untergang sein! Kapitel 49: Entfesselt ---------------------- Wut! Maßlose Wut! Wut und der Wunsch zu töten! Etwas anderes existiert im Augenblick für Sesshomaru nicht. Brennende Wut und Schmerz! Ein gnadenloser, überwältigender Schmerz, der seine Seele verbrennt und zu einem roten Schleier aus verzehrendem Hass zusammenschmelzen lässt. Er weiß nicht mehr warum er so fühlt, aber er weiß, dass er leidet! Mehr als jemals zuvor und er weiß, dass es jemanden gibt der dafür verantwortlich ist! Der Gedanke der ihn im Augenblick antreibt, ist der, dass dieser Schmerz aufhören wird, sobald der die verantwortliche Person umgebracht hat! Nein, nicht einfach nur umgebracht, er wird sie zerreißen und zermalmen bis nichts mehr von ihr übrig ist. Mit ihr wird dann auch dieses furchtbare Gefühl in ihm verschwinden; da ist er sicher! Warum hat er dieser immensen Macht in ihm nicht schon viel eher gestattet, hervorzubrechen? Er weiß es nicht mehr. Es interessiert ihn nicht. Aber nun in diesem Moment gestattet er dem aufgeweckten Dämonenblut in ihm, ihn völlig vom Blutrausch konsumieren zu lassen. Wäre da nicht diese schmerzhafte Wunde in ihm, die ihm irgendjemand offenbar zugefügt hat, er würde nun sicherlich Vergnügen empfinden. Aber der Schmerz wird ja weggehen, wenn er sein Ziel erreicht. Danach wird er dann endlich frei sein! Danach! Riesige Tatzen bahnen sich ihren Weg durch den Wald. Gewaltige Schritte hallen auf der Erde wieder und nur am Rande seines Bewusstseins nimmt Sesshomaru wahr, dass das beängstigende, tiefe Knurren das er hört, sein eigenes ist. Es ist nicht mehr weit. Dort ist bereits die Bergkette und dahinter der Verursacher all seiner Pein. Arashitsume! Ich werde dich töten! Mit allem was ich bin und habe! Ein ganzes Stück entfernt hebt Chitsurao den Kopf. Seine Sinne tragen ihm beunruhigende Eindrücke zu. Eine gewaltige Aura ist an seinem Wahrnehmungshorizont aufgetaucht und keiner seiner Leute hier, dürfte einen Zweifel daran haben, zu wem sie gehört. Sesshomaru-sama hält sich zwar nur selten im Palast auf und pflegt in letzter Zeit nur wenig Umgang mit seinen Untergebenen, doch seine Aura ist für seinen Clan so klar und deutlich zu identifizieren, als würde er direkt vor ihnen stehen. Und gerade jetzt ist diese Aura so gewaltig, dass es nur bedeuten kann, dass ihr Herr sich mit irgendjemandem im Kampf befindet. Chitsurao legt die Stirn in Falten. Sollte der Halbbruder seines Fürsten ihn tatsächlich so unter Druck setzen, dass er gezwungen ist, alles zu geben? Sein Blick geht hinauf zur Sonne. Das Ultimatum ist längst abgelaufen. Was mag Sesshomaru-sama wohl davon abgehalten haben, seine Zusage zu erfüllen? Oder wird sein Herr womöglich gerade angegriffen von Kriegern der anderen Heere? Es ist schwer zu sagen, aber er weiß, er kann nicht länger tatenlos bleiben. Sesshomaru-sama hat viel riskiert, um sie unbemerkt hierher zu holen, als Unterstützung und auch als Druckmittel. Es steht außer Frage, dass sein Herr zwar seinen Kriegern voll vertraut, aber einen Krieg um jeden Preis vermeiden möchte. Warum sonst sollte er seinen Bruder töten wollen, den er all die Jahre eher ignoriert hat. Die Entscheidung wird ihm nicht leicht gefallen sein. Doch nun wo sie einmal getroffen ist, wird er sie auch zu Ende bringen, soviel steht fest. Chitsurao richtet sich auf und wirft einen Blick in die Runde. Viele seiner Soldaten haben in den umliegenden Waldgebieten Posten bezogen und können es kaum erwarten, endlich zur Tat zu schreiten. Nun, so wie es aussieht, ist dies der Moment auf den sie gewartet haben. „Wir brechen auf!“, gibt er Anweisung, „Wir werden Sesshomaru-sama bei seinem Kampf unterstützen. Aber wartet auf mein Zeichen!“ Einheitliches Nicken ist die Folge. Leise wandert der Befehl von Mund zu Mund und schließlich setzt sich das Heer des Westens lautlos in Bewegung und strebt dem Ort zu, von dem sie die Kampfaura ihres Fürsten vernehmen. Chitsurao führt sie an. Sesshomaru-sama, wenn es wirklich Euer Entschluss ist, Euren einzigen Bruder zu töten, um einen Krieg zu verhindern, dann werden Eure Leute Euch zur Seite stehen! Komme was wolle! Mit geschickten Sprüngen bewegt sich Inu Yasha durch den Wald. Auf dem Rücken trägt er Kagome und unter den Arm geklemmt, noch immer steif und regungslos wie eine Puppe, die Schwarze Miko Chihime. In einigem Abstand folgen ihm Sango, Miroku und Shippo auf Kirara. Die Dämonenkatze ist noch immer etwas geschwächt, weigert sich aber nach wie vor beharrlich, kleinbei zu geben. Den Youkai, an dem sich die Vampir-Miko zuvor gütlich getan hat, haben sie nicht mehr gefunden und der Verdacht kommt ihnen, dass es vermutlich niemand war, der sich auf ihre Seite gestellt hätte. Umso entschlossener sind sie deshalb, so schnell wie irgend möglich, den Palast zu erreichen und ihre kostbare Fracht dort abzuliefern. Innerlich hofft Inu Yasha, dass die beiden Nordstreuner, die den Verräter Kossoridoku in ihrem Gewahrsam haben, bereits unbehelligt den Ostpalast erreicht haben. Bei gleich zwei Zeugenaussagen, wird diesem elenden Bastard Arashitsume gar nichts anderes übrig bleiben als zuzugeben, was für ein mieser, hinterhältiger Dreckskerl er ist! Hoffentlich konnte Dokutoge die Nordfürstin überzeugen und sie ist ebenfalls auf dem Weg hierher. Vielleicht können wir dann dieses elende Missverständnis endlich aus der Welt schaffen und die drei versammelten Heere hier, haben keinen Grund, aufeinander loszugehen. Noch überdeutlich hat Inu Yasha die Bilder vor Augen, die Myouga mit seinen Schilderungen in seiner Vorstellung gemalt hat. Auch wenn es nur Worte gewesen sind, so hat es ihm trotzdem einen Schauer über den Rücken gejagt. Jeder Krieg, der in den drei Clans je ausgebrochen war, war innerhalb kürzester Zeit vollkommen aus dem Ruder gelaufen. Zu Beginn hatten die Fürsten und ihre Befehlshaber noch einigermaßen die Gewalt über ihre Truppen gehabt, doch je unübersichtlicher die Kämpfe wurden und je mehr davon gleichzeitig stattfanden, umso weniger waren die wütenden Youkaimassen im Kampfrausch noch unter Kontrolle zu bringen und selbst die Fürsten konnten nicht überall zugleich sein, um Herr der Lage zu bleiben. Das Ganze ist dann wie eine riesige Lawine, die immer mehr Energie ansammelt und unaufhaltsam, und dabei alles verwüstend, dem Tal entgegenrauscht, bis sich die Schneemassen verlieren oder nichts mehr da ist, was ihrem Zerstörungslauf entgegenwirkt. Und ebenso sind die Heere der Youkais, wenn man ihnen erst einmal freie Hand gibt und der Stein ins Rollen gekommen ist. Dann kämpfen sie bis zur völligen Selbstvernichtung und hinterlassen eine flächenweite, wenn nicht sogar landesweite, Schneise der Zerstörung. Beim letzten Mal war eine beträchtliche Anzahl an Siedlungen im ganzen Land dem Erdboden gleichgemacht worden und unzählige Menschen hatten dabei den Tod gefunden. Doch auch wenn die Youkais sich aus den Menschen wenig machen, so sind die Verluste in den eigenen Reihen jedes Mal so frappierend, dass man kaum von einem Sieger oder Verlieren sprechen kann. Das wissen die Fürsten sehr gut und das ist auch der Grund warum ein Krieg das letzte ist, was sie in Betracht ziehen, sollte es einmal zu Unstimmigkeiten kommen. Im Stillen sendet Inu Yasha seinen Dank an die legendären Drei Brüder, die mit ihrem ersten großen Kampf erkannt hatten, dass trotz allem Hass und Zwistigkeiten ein Krieg die wirklich allerletzte Alternative sein sollte, wenn es zu keiner Einigung kommt und alles andere fehlschlägt. Doch auch sie wussten nur allzu gut, wie rasch der Zorn und die Verachtung auf den anderen die Oberhand erlangen konnte und deshalb hatten sie in weiser Voraussicht ein komplexes Geflecht an Regeln, und Verhaltensweisen aufgestellt, dass es ihnen ermöglichen sollte, auch in schwierigen Situationen miteinander umzugehen, ohne dem Drang nachgeben zu müssen, sich gegenseitig zu zerfleischen, oder das Land ins heillose Chaos zu stürzen. Auch dies wissen die Fürsten und laut Myouga halten sie sich aus diesem Grund normalerweise peinlich genau an die Etikette und die Gesetze die sie von ihren Vorfahren übernommen hatten. Und einmal mehr stellt sich Inu Yasha die Frage, warum zum Teufel, Sesshomaru ihm niemals etwas darüber erzählt hat. Vermutlich hat er nicht angenommen, dass sein Bruder einmal so sehr an Bedeutung gewinnen würde, dass es notwendig wäre, ihn mit den gängigen Regeln vertraut zu machen. Dieser arrogante Mistkerl! Nun ja, wenn er ehrlich ist, dann hat ihn das bisher auch nie interessiert. Nicht bis jetzt! Jetzt sieht das anders aus. Jetzt wünscht er fast, Myoga hätte ihm noch viel mehr erzählt, aber so muss er eben mit dem vorlieb nehmen, was er weiß. Nein, diesmal werde ich meiner Familie keine Schande machen! Diesmal werde ich mich wie ein wirklicher Fürstensohn verhalten und das bedeutet, ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um einen Krieg zu verhindern! Mit grimmiger Entschlossenheit sprintet er weiter. Da plötzlich weiten sich seine Augen als eine nur allzu bekannte Witterung in seine Nase steigt. Er ist es! Er kommt! Aber... Inu Yasha stutzt. Da ist noch etwas; etwas... Ungewohntes. Aber ich habe das schon einmal gerochen. Es ist fast so als ob... Urplötzlich wird er aus seinen Gedanken gerissen, als eine mächtige Aura über ihn und seine Freunde hereinbricht und ihn unsanft von den Füßen holt, während vor ihm die Bäume wie Streichhölzer abgeknickt werden. Nur dank seiner ausgezeichneten Reflexe gelingt es Inu Yasha noch rechtzeitig aus dem Weg zu springen, bevor er und die beiden Frauen, die er trägt, von den herabfallenden Wipfeln erschlagen werden. „Verdammt noch mal!“, schimpft Inu Yasha irritiert, „Was war das denn?“ Nun haben auch die anderen zu ihm aufgeholt. Geschlossen geht ihr Blick entlang der breiten Schneise die der gewaltige, weiße Hund, der sie gerade passiert hat, in den Wald gefräst hat. „Ich glaube, das war gerade Sesshomaru“, meint Miroku abschätzend. Ärgerlich dreht sich Inu Yasha zu ihm um: „Das hab ich selbst gesehen! Aber was hat der Kerl denn nun wieder vor? So sauer hab ich ihn schon lange nicht mehr erlebt.“ „Was auch immer es ist, er ist jedenfalls auf direktem Weg zum Ostpalast“, bemerkt Miroku sachlich. „Seh ich auch!“, brummt Inu Yasha, „Ich kann nur hoffen, er hat nicht irgendwas saublödes vor!“ „Vielleicht kann Yaeba uns ja was darüber sagen“, meint Kagome und weist in die entgegengesetzte Richtung aus der gerade der Anführer des Streunerrudels mit flinken Sprüngen angerannt kommt. Er scheint es wirklich mächtig eilig zu haben. Schon will er an Inu Yasha und den anderen vorbeieilen, als der Hanyou ihm entschlossen den Weg verstellt. „Hey, wohin so eilig!“, ruft er energisch. Abrupt kommt der Youkai zum Stehen. „Inu Yasha-sama! Kagome-san!“, meint er überrascht, „Ich habe nicht erwartet, euch zu treffen. Wart ihr erfolgreich?“ „Wie man ja wohl sieht!“, meint Inu Yasha und zeigt hinter sich auf die Miko, die er achtlos zu Boden fallen gelassen hat, „Und was ist mit dir? Wie ich sehe hast du Sesshomaru gefunden. Ich möchte mal wissen, was du ihm erzählt hast, dass er so völlig außer sich ist.“ Nun blickt Yaeba ein bisschen unbehaglich drein: „Ich kann Euch leider auf die Schnelle nicht alles wiedergeben, was ich ihm sagte, aber er weiß nun, dass Arashitsume hinter all dem steckt und nachdem ihm klar wurde, wie weitreichend sein Verrat ist, wurde er sehr wütend.“ „Und was hat er jetzt vor?“, fragt Inu Yasha. Ernst schaut der Streuner ihn an: „Er wird Arashitsume töten!“ Inu Yashas Miene hellt sich auf. „Na bitte, endlich mal ne gute Idee. Wurde ja auch mal Zeit. Dann haben wir gleich eine Sorge weniger.“ Yaeba schüttelt energisch den Kopf: „Im Gegenteil! Das ist ein großes Problem! Wenn er ihn jetzt so von Sinnen, wie er gerade ist, angreift, ohne offene Anklage, ohne Beweise, ohne formelle Herausforderung, dann wird Arashitsume das als Kriegserklärung deuten und seine Truppen zu seiner Verteidigung vorschicken. Und wenn Sesshomarus Soldaten sehen, dass ihr Fürst angegriffen wird...“ „Ja, ja, ich versteh schon!“, Inu Yashas Gesicht legt sich in Falten, „Dann gibt es Krieg!“ „So ist es!“, bestätigt Yaeba ernst, „Wir müssen ihn aufhalten, ehe es zu spät ist.“ Schon will er sich wieder zum Gehen wenden, doch Inu Yashas Stimme hält ihn zurück: „Moment mal! Wir müssen gar nichts, damit das klar ist! Ich werde mich darum kümmern und ihr haltet euch da gefälligst raus, verstanden?“ Irritiert hält Yaeba inne. Dann blickt er den Hanyou ernst an: „Inu Yasha-sama, wir haben keine Zeit für solche Machtkämpfe. Während wir hier reden, kommt Sesshomaru dem Palast immer näher. Ich bin nicht ganz unschuldig an seinem jetzigen Zustand. Ich muss dafür sorgen, dass er keinen Schaden anrichtet. Außerdem glaube ich nicht, dass irgendeiner von uns ein wirklicher Gegner für ihn wäre, in seinem jetzigen Zustand. Aber gemeinsam können wir es vielleicht schaffen, ihn so lange aufzuhalten, bis er wieder zu Sinnen kommt.“ Schon wendet er sich wieder zum Gehen. Hinter ihm hört man Inu Yasha vernehmlich ausatmen. „Yaeba!“ Der Anführer der Streuner hält noch einmal inne und dreht sich wieder zu ihm um. Und schon im nächsten Augenblick trifft ihn der wütende Hieb einer Faust mit voller Wucht am Kinn und befördert ihn äußerst unsanft zu Boden. Ein wenig verdattert blickt der Youkai zu dem Hanyou hoch. Vor Wut bebend steht Inu Yasha über ihm und seine Augen funkeln vor Zorn. „Ich habe gesagt, du sollst dich da raushalten, verdammt noch mal!“, schreit er, „Sesshomaru ist meine Sache! Ich bin sein einziger Bruder und du bist nur ein Streuner! Und ich werde jeden fertig machen, der auch nur Hand an ihn legt! War das deutlich genug?“ Mit großen Augen schauen die Umstehenden den aufgebrachten Hanyou an. Einen solchen Ausbruch sind sie von ihm überhaupt nicht gewohnt. Seit wann gerät er denn so sehr in Rage, wenn es um seinen Bruder geht? Yaeba bringt kein Wort hervor. Einen Moment lang scheint er zu überlegen was er davon halten soll, doch dann weiten sich seine Augen etwas und er senkt ergeben den Blick: „Wie Ihr befehlt, Inu Yasha-sama!“ Verstimmt schnauft Inu Yasha aus: „Gut, das wir das geklärt haben! Du kannst dich solange nützlich machen und Kagome und die anderen zusammen mit diesem Weib da zum Palast bringen, während ich meinen dämlichen Bruder wieder zur Vernunft bringe!“ Er wendet sich zum gehen, dann fügt er noch einmal etwas leiser hinzu: „Nebenbei bemerkt, bin ich hier der Einzige, der ihn im Augenblick noch aufhalten kann... und darf!“ Dann atmet er noch einmal aus und schon im nächsten Augenblick sprintet er los; der breiten Baumschneise folgend, die sein Bruder hinterlassen hat. Mit klopfendem Herzen schaut Kagome ihm nach. Will er sich wirklich mit Sesshomaru in seiner wahren Form anlegen? Nur allzu gut erinnert sie sich an das letzte Mal, als die beiden sich so gegenübergestanden haben. Sesshomaru hat damals seinen linken Arm eingebüßt doch das hat ihn seitdem nicht weniger gefährlich gemacht. Und gerade jetzt scheint er nicht mal mehr Herr seiner Sinne zu sein, sondern nur noch eine reißende Bestie. Was will Inu Yasha denn so gegen ihn ausrichten? Besorgt tauscht sie mit ihren Freunden Blicke aus. „Warum muss er nur immer den Helden spielen?“, fragt sie besorgt, „Wir müssen ihm helfen!“ Sango und Miroku nicken entschlossen. Doch plötzlich legt sich eine Hand auf Kagomes Schulter. Sie wendet sich um und nun sieht sie wie Yaeba leicht den Kopf schüttelt. „Nein!“, sagt er ernst, „Wir sollten tun was er sagt!“ Er wirkt ein wenig niedergeschlagen. „Wir dürfen uns da nicht einmischen!“ „Aber Sesshomaru könnte ihn töten!“, will sie besorgt einwenden. Doch Yaebas Miene bleibt hart: „Das mag sein. Aber er hat recht, er ist der Einzige, der ihn im Moment aufhalten darf.“ Verständnislos schauen die anderen ihn an. „Warum das?“, fragt Miroku. „Sesshomaru ist noch immer ein Fürst“, erklärt Yaeba, „Wenn ihn jemand von niedrigerem Rang besiegen würde, würde er sein Gesicht verlieren. Dazu zählen auch wir Streuner. Und wenn einer der anderen Fürsten mit ihm kämpfen würde, würde der Westen das als Herausforderung ansehen. Die Gesetze sind sehr streng, was die Kampfhandlungen zwischen den Clans angeht.“ Er senkt den Blick, „Inu Yasha-sama hat das richtig erkannt, dass in diesem Fall nur ein Mitglied von Sesshomaru-samas Familie berechtigt ist, ihn aufzuhalten. Er wird ihm alleine gegenübertreten müssen, auch wenn das bedeutet, dass er vielleicht bei dem Versuch stirbt. Ich muss gestehen, Inu Yasha-sama ist schneller erwachsen geworden als ich das angenommen habe. Es ist sehr ehrenvoll von ihm, dass er sein Leben dafür opfert.“ „So ein Blödsinn!“, Kagomes ärgerlicher Ausbruch lässt den Anführer der Streuner aufblicken. Das Mädchen steht aufrecht und mit geballten Fäusten da, aber ihr Gesicht ist bleich und sie zittert ein wenig. „Da kennst du Inu Yasha aber schlecht! So einfach lässt er sich nicht töten! Er hat schon oft mit Sesshomaru gekämpft und bisher hat der es nicht geschafft, ihn umzubringen. Inu Yasha ist nicht der Typ der sich so leicht geschlagen gibt. Ich bin sicher, er findet einen Weg, um Sesshomaru aufzuhalten. Und wir sollten inzwischen lieber unseren Teil erfüllen und ihm vertrauen. Er verlässt sich schließlich auf uns!“ Sango und Miroku nicken zustimmend. Ein wenig verwundert betrachtet Yaeba die sonderbare, kleine Kampftruppe vor sich, doch dann muss er ein klein wenig schmunzeln. Es scheint wohl, als hätte sich Inu Yasha seinen Respekt bereits verdient. Hanaki, ich glaube, du hättest deine helle Freude an diesem Sohn des Inu Taishou! „Was hat mein Name mit der Sache zu tun!“, fährt Yarinuyuki den vor ihr am Boden liegenden Youkai an. Noch immer blitzen ihre Augen eisig, aber sie scheint fest entschlossen, eine Antwort auf ihre Frage zu bekommen, ehe sie den Youkai von allen irdischen Leiden erlöst. „So ziemlich alles“, brummt Samushi. So wie es aussieht, wäre es sehr unklug, sich noch länger zu sträuben. Noch einmal wirft er Kegawa einen finsteren Blick zu und dann beginnt er zu erzählen. „Kegawa und ich sind lange Zeit mit Hanaki-hime und den anderen Streunern umhergezogen. Doch obwohl wir damals unserer Heimat den Rücken gekehrt hatten, haben wir niemals einen Hehl daraus gemacht, wem unsere Treue nach wie vor galt. Hanaki-hime wusste genau, dass unsere gemeinsame Reise allein darauf beruhte, dass sie versprochen hatte, uns zu beschützen, und wir nicht von ihr loskommen konnten. „Es war eher eine... Koexistenz als eine Gefolgschaft. Doch sie begnügte sich damit. Sie wusste, sie war eine Higashi-aitsu und wir würden den alten Groll zwischen unseren Völkern nicht so leicht begraben können. Unsere Loyalität galt noch immer unserem Clan und wir dachten auch nicht, dass sich daran jemals etwas ändern würde. „Vor ungefähr fünfzig Jahren hörten wir das Gerücht, dass Ishikoke, unsere Fürstin, Eure Mutter, getötet worden sei; und zwar von Eurem Vater Inu Taihyouga.“ Für einen kurzen Moment zuckt eine Regung über Yarinuyukis Gesicht, doch dann friert ihre Miene wieder ein. „Wir konnten es zunächst nicht glauben“, fährt Samushi fort, „Das machte keinen Sinn. Also beschlossen wir uns heimlich in unsere Heimat zu begeben und herauszubekommen, was an diesen Gerüchten dran war. Wir mussten extrem vorsichtig dabei sein, denn dieser Vorfall hatte für einiges Aufsehen gesorgt. Schließlich fanden wir heraus, dass es tatsächlich stimmte und das er es getan hatte, nachdem Sie ihm keinen Erben geboren hatte, sondern eine Tochter. Euch, Yarinuyuki-hime!“ Mit steinerner Miene blickt die Nordfürstin ihn an. „Ich weiß, was mein Vater getan hat“, entgegnet sie scharf, „Das ist nichts Neues für mich! Mein Vater verachtete Frauen! Und daran war nur diese Hanaki schuld! Ihr Hass auf sie war so stark, dass er auch meine Mutter nicht am Leben ließ! Doch es ist weder an dir, noch an mir, seine Entscheidung anzuzweifeln!“ Nun hebt Samushi den Kopf und sein Gesicht spiegelt unterdrückten Ärger wieder: „Glaubt Ihr, ich wüsste das nicht? Wie käme ich dazu, die Entscheidungen meines Fürsten in Frage zu stellen? Wer bin ich denn? Und trotzdem waren wir schwer erschüttert darüber, wie auch viele andere in unserem Clan. Aber auch das war es nicht, was uns die Achtung vor ihm genommen hat, sondern das was er außerdem tat!“ Yarinuyuki legt die Stirn in Falten: „Wovon sprichst du?“ Samushi schnauft verächtlich auf: „Es wundert mich gar nicht, dass man Euch das verschwiegen hat, Yarinuyuki-hime.“ Wieder packt sie ihn und zieht ihn hoch. „Mir was verschwiegen? Hör auf in Rätseln zu reden, verdammt!“ Doch nun wird Samushs Blick hart und er schaut sie direkt an: „Sagt, Yarinuyuki-hime, könnt Ihr Euch an Eure Ni-banme no Shussei erinnern; Eure „Zweite Geburt“?“ Hier scheint sie einen Augenblick zu stutzen. Doch Samushi redet schon weiter: „Ihr wisst, dass jedes Kind unseres Clans dieses Ritual durchlaufen muss, ohne Ausnahme! „Wenn das Kind alt genug ist, dass es erste Anweisungen verstehen kann, also meist mit etwa ein paar Monaten, wird es irgendwo in der Wildnis ausgesetzt mit der Aufgabe, die üblichen vier Tage zu überleben und wenn möglich aus eigener Kraft zu seinem Clan zurückzukehren. Nur wenn es das schafft, wird es als würdig angesehen, in unseren Clan aufgenommen zu werden und seinen endgültigen Namen zu erhalten. Dies sorgt dafür, dass nur die stärksten Krieger dem Clan angehören. „Für gewöhnlich schaffen es die meisten Kinder zu überleben, bis ihre Eltern sie nach diesen vier Tagen der Prüfung wieder abholen, oder sogar in ihrer Heimatsiedlung in Empfang nehmen. Doch Inu Taihyouga beschloss in seinem gekränkten Stolz, sich nicht an die Bestimmungen dieser alten Tradition zu halten.“ Samushis Blick wird eisig bei diesen Worten. „Noch in der selben Stunde, in der er Eure Mutter tötete, brachte er Euch eigenhändig hinaus in die unwirtliche Gegend unserer Berge und ließ Euch dort im Schnee zurück, nackt und ohne jegliche Anweisung, wie es sonst üblich wäre!“ Unwillkürlich lockert sich Yarinuyukis Griff und der Youkai plumpst ziemlich unsanft zu Boden. „Was sagst du da?“, fragt die Daiyoukai ungläubig. Samushi richtet sich ein wenig zittrig auf. Noch immer macht ihm seine Wunde zu schaffen und allmählich werden seine Gliedmaßen taub. „Es stimmt!“, bestätigt er, „Wir hörten, dass er es damit begründete, dass Ihr ein Daiyoukai wärt, und dass man von einem seiner Kinder viel mehr erwarten könnte, als von einem gewöhnlichen Kind. Wenn Ihr es tatsächlich wert wärt, in den Clan aufgenommen zu werden, dann würdet Ihr es sogar schaffen, aus eigener Kraft zum Palast zurückzukehren.“ Samushi senkt nun den Blick: „Als wir davon erfuhren..., machten wir uns auf die Suche nach Euch. Wir wussten, dass es keinem aus dem Clan gestattet war, Euch in irgendeiner Form beizustehen. Doch für uns galt das nicht. Aber wir wollten auch gar nichts tun, um Euch zu helfen, es... ließ uns ganz einfach keine Ruhe, nicht zu wissen was aus Euch geworden war. „Schließlich fanden wir Euch. Inzwischen waren drei Tage vergangen und noch immer lagt ihr dort auf dem Berg im Schnee und habt laut geschrien“, hier stockt er erneut und meidet den Blick der Nordfürstin, der mit jedem seiner Worte durchdringender wird. Mit leisen Worten fährt er fort: „Wir waren... erleichtert. Wir hatten keinerlei Zweifel mehr daran, dass Ihr die vier Tage überleben würdet. Und so bezogen wir heimlich Posten in Eurer Nähe, um Euch im Auge zu behalten, jeder Zeit bereit, rasch das Weite zu suchen, wenn wir spüren würden, dass sich Inu Taihyouga näherte, um Euch abzuholen. Doch... er kam nicht!“ Yarinuyukis Augen weiten sich, doch sie sagt kein Wort. Mit zusammengebissenen Zähnen fährt Samushi fort: „Wir warteten den ganzen vierten Tag und auch den nächsten, und den nächsten. Doch Inu Taihyouga ließ sich nicht blicken. Er hatte Euch bereits aufgegeben! Er rechnete gar nicht erst damit, dass Ihr das überleben würdet, geschweige denn, aus eigener Kraft zurückzukommen. Schlimmer noch! Er hatte niemals vorgehabt, nach Euch zu sehen, oder Euch gar zurückzuholen! Für ihn war dies lediglich eine legale Art, Euch loszuwerden.“ Sprachlos starrt die Nordfürstin auf ihn hinunter. Er kann ihren Blick nicht recht deuten, doch es hat den Anschein, als hätte das Gesicht der Daiyoukai ein wenig an Farbe verloren. Müde schaut er sie an: „Wir wurden mit jedem Tag der verging unruhiger. Wir konnte nicht fassen, dass Inu Taihyouga unsere Traditionen so gnadenlos mit Füßen trat. Es wäre seine Pflicht gewesen, zumindest einmal nach Euch zu sehen. Als er dann am achten Tag noch nicht aufgetaucht war... da... beschloss ich etwas zu unternehmen!“, er senkt wieder den Blick, „Ich konnte nicht mit ansehen, wie Ihr immer schwächer wurdet und Euer Geschrei immer mehr zu einem schwachen Wimmern. Ihr hattet schon so lange der Kälte getrotzt. Ohne Essen, ohne Trinken, ohne Wärme, ganz alleine! Ihr hattet Euch unserem Volk mehr als würdig erwiesen. Ich konnte es nicht ertragen, dass das in keinster Weise gewürdigt werden sollte. „Als der Abend des achten Tages hereinbrach, da fasste ich einen Entschluss“, seine Stimme klingt nun sehr schwach und leise, „Ich hob Euch auf und brachte Euch zurück zum Palast Eures Vaters. Ich achtete gut darauf, dass niemand mich bemerkte. Und noch während ich das tat, wuchs mein Hass auf Euren Vater mit jedem Eurer schwachen Herzschläge und im gleichen Maße wie Euer unterkühlter Körper sich wieder erwärmte und ich schwor, dass ich ihm das niemals verzeihen würde!“ Nun blickt er doch wieder zu ihr hoch und sein Blick wird wieder fest: „Der Hanyou aus dem Westen hat völlig recht! Kein Vater lässt sein Kind im Stich! Das ist unverzeihlich! Unser Clan ist bereits so klein und nur aus falschem Stolz ließ er Euch dafür büßen, dass er von einer Frau besiegt wurde, die nichts anderes wollte, als ihre Heimat und ihre Familie zu verteidigen und die ihn nicht tötete, weil es keinen Erben gab, der unseren Clan danach hätte führen können. „Ich konnte nicht akzeptieren, dass er mit diesem ehrlosen Verhalten so ohne weiteres durchkommen sollte. Also brachte ich Euch heimlich zurück in den Palast und legte Euch in sein Zimmer. Nun würde er Euch nicht mehr ignorieren können. „Wie wir später erfuhren, fand er Euch dort und da genau acht Tage vergangen waren, sah er es vermutlich als eine schicksalhafte Fügung an, dass Ihr widererwartend lebend zurückgekehrt wart. Nun blieb ihm nichts anderes mehr über, als Euer Recht auf Leben anzuerkennen und Euch einen Namen zu geben. Und er nannte Euch Yarinuyuki, „Durchhalten im Schnee“!“ Noch immer sagt die Nordfürstin kein Wort, doch ihr Schwert hängt nun nicht mehr ganz so entschlossen über seinem Haupt. Noch einmal hebt Samushi den Kopf. Es fällt ihm schwer, das Zittern seiner tauben Glieder nicht allzu sehr zu zeigen. „Danach kehrten wir wieder zu Hanaki-hime zurück. Noch immer waren wir voller Zorn auf Inu Taihyouga und so beschlossen wir letztlich, doch einen neuen Treueschwur zu leisten und diesmal einer Fürstin, die sich unseren Respekt über viele Jahre hinweg schon längst verdient hatte. Und auch wenn wir unseren Clan nie wirklich aufgegeben haben, so konnten wir die Loyalität zu Inu Taihyouga nicht länger mit unserem Gewissen vereinbaren. „Das war auch der Grund weshalb wir keine Hemmungen hatten, als Tenmaru beschloss, Rache für den Tod seiner Mutter zu nehmen und ihm sogar freudig zur Seite standen. Wir wussten, wenn Ihr seine Nachfolge antreten würdet, dann würdet Ihr unserem Volk keine Schande machen, denn in niemanden sonst fließt das Erbe unseres Clans so stark wie in Euch, Yarinuyuki-hime!“ Er senkt den Blick: „Ich hatte eigentlich nicht vorgehabt, Euch das jemals zu erzählen und mehr gibt es dazu auch nicht zu sagen.“ Alle Augen ruhen nun auf der Fürstin des Nordens, die vernehmlich ein und ausatmet. Es scheint, als müsse sie sich gerade davon abhalten, ihrem ersten Impuls zu folgen. Dann fletscht sie die Zähne und funkelt auf den verletzten Youkai vor ihr hinab. „Das... ändert überhaupt nichts!“, zischt sie grimmig. „Das hätte ich auch nicht erwartet“, kommt die ruhige Antwort. „Niemand hat euch befohlen, euch einzumischen und mich zu retten!“, schnaubt sie erneut. „Auch das ist uns bewusst, Yarinuyuki-hime“, antwortet der Youkai müde. Sie beugt sich zu ihm hinab und mustert ihn mit kalten Augen, doch das eisige Leuchten ist aus ihnen verschwunden. „Du hättest das gar nicht tun brauchen!“, knurrt sie scharf. „Weder war es deine Pflicht, noch deine Aufgabe und gebracht hat es dir auch nicht das Geringste!“ Samushi blickt zu Boden: „Das weiß ich!“ „Und trotzdem hast du es getan!“, es ist eine Feststellung. „Ja“, Samushis Stimme ist nun kaum noch zu hören. Direkt vor ihm ragt das harte Gesicht der Nordfürstin auf und er wagt noch immer nicht, ihren durchdringenden Blick zu erwidern. Ein tiefes Grollen klingt in Yarinuyukis Kehle während sie ihn so mustert. Dann schließlich lässt sie vernehmlich die Luft entweichen und richtet sich wieder auf. „Was auch immer du getan hast damals“, sagt sie mit ernstem Bedacht, „bewahrt dich nicht vor deiner Strafe für dein Vergehen. Aber im Augenblick habe ich keine Zeit, mich mit der angemessenen Höhe deines Strafmaßes zu befassen. Es gibt bedeutend wichtigere Dinge, um die ich mich jetzt kümmern muss, Streuner!“, ihr Blick wird hart. Dann wendet sie sich an Itakouri: „Lass unsere Leute zusammenrufen! Sie sollen mir zum Ostpalast folgen. Und bewache mir diese beiden! Lass sie unter keinen Umständen entwischen! Wenn ich wiederkomme, werde ich mich weiter mit ihnen befassen!“ „Ja, Yarinuyuki-hime!“, nickt der Befehlshaber des Nordheers kurz. „Und, Itakouri, was du hier heute gehört hast, das wird niemand erfahren, klar!“ „Natürlich, Yarinuyuki-hime!“, bestätigt er erneut. Dann fragt er noch einmal zögernd: „Was soll mit den anderen geschehen?“ Ihr Blick streift kurz über die beiden Youkais, die sich schon in ihrem Gewahrsam befinden. „Die bleiben wo sie sind! Wenn ich wieder zurück bin, wird einer von ihnen sterben, also lasst sie nicht entwischen! Und das da“, ihr verächtlicher Blick schwenkt hinüber zu dem reglosen Kossoridoku, „werde ich selbst mitnehmen! Er wird mir darüber Auskunft geben, welcher von diesen beiden dreckigen, kleinen Streithähnen mich angelogen hat! Ich werde ihn unterwegs befragen und wenn ich nicht höre, was ich wissen will, wird er sich wünschen, bei dem Streuner geblieben zu sein!“ Mit diesen Worten wendet sie sich von Samushi ab und geht zu dem noch immer reglosen Kossoridoku hinüber. Ohne lange zu überlegen hebt sie eine Hand und ein sprühender Nebel aus glitzernden Eiskristallen bildet sich um ihre Finger. Nur wenige Sekunden vergehen und aus den kleinen Kristallen formt sich eine etwa ein Schritt lange Lanze aus Eis. Ohne zu zögern holt sie mit dem kaltglitzernden Speer aus und nur ein leichter Schwung ihrer Hand genügt, um ihn direkt durch den Rücken des Streuners zu jagen. Ein leichtes Zucken geht durch Kossoridokus Körper, doch das ist seine einzige Reaktion. Ganz im Gegenteil zu Dokutoge. Ein heftiger Ruck lässt ihn mit gefletschten Zähnen nach vorne schnellen, so dass sein Bewacher alle Mühe hat ihn festzuhalten. Doch auch Itakouri hat seine Bewegung aus den Augenwinkeln bemerkt und hat reagiert. Mit einem zielsicheren Schlag seiner Faust bringt er den zornigen Youkai aus dem Westen zum Halten. Dokutoge keucht auf, aber kein Wort kommt über seine Lippen. Yarinuyuki indessen scheint von diesem unwillkürlichen Ausbruch keine Notiz zu nehmen. Ein weiterer Eisspeer erscheint in ihrer Hand und noch ein zweiter in der anderen. Wieder holt sie unbarmherzig aus und rammt die beiden Spieße von links und rechts diagonal durch den Körper des wehrlosen Youkais vor ihr. Nun ähnelt das makabere Gebilde einem groteskem Eiskristall dessen Zentrum der reglose Körper des Streuners ist. Ein leicht gequältes Knurren dringt aus Dokutoges Kehle. „Aufhören!“, ruft er energisch, „Tot... ist er Euch von keinem Nutzen, Yarinuyuki-sama!“ Doch die Fürstin ignoriert ihn weiterhin. Mit kräftigen Klauen hält Itakouri den aufgebrachten Gefangenen im Zaum. „Schweig besser!“, ermahnt er ihn mit leichter Belustigung, „Dem Kerl passiert schon nichts. Die Bannstäbe dienen lediglich dazu, ihn gut zu verwahren.“ Nun wendet sich die Fürstin wieder zu ihnen um. Mit einer leichten Handbewegung veranlasst sie den ruhiggestellten Streuner, sich ein Stück in die Luft zu erheben. Dann wirft sie noch einen kühlen Blick in die Runde und ohne ein weiteres Wort zu verschwenden, setzt sie sich mit geschmeidigen Schritten in Bewegung und ist schon Augenblicke später, mitsamt ihres hinterdreinschwebenden Gefangenen, aus den Augen der anderen verschwunden. Ein wenig verunsichert blickt Itakouri ihr hinterher. Erwartet sie wirklich, dass nur er und seine zwei Untergebenen diese vier Gefangenen bewachen? Alleine zwei von ihnen sind bestimmt mindestens so stark wie er. Zwar sind beide verletzt, aber trotzdem sollte man sie besser nicht unterschätzen. Gerade will er damit beginnen, sich eine Strategie zurechtzulegen, um diesen Befehl befolgen zu können, als er plötzlich hinter ihm das heftige Aufflackern einer Aura vernimmt. Blitzschnell wendet er sich um, doch da ist es bereits zu spät. Einen halben Augenblick später huscht eine Gestalt an ihm vorbei und er weiß, noch ehe er es sieht, dass der Nishi-aitsu sich mit Höchstgeschwindigkeit auf die Fährte seiner Herrin gesetzt hat. Dazu muss er nicht einmal den benommen am Boden liegenden Soldaten sehen, der diesmal die Erfüllung seiner Pflicht wohl schmählichst versäumt hat. Itakouris Miene verfinstert sich augenblicklich. Hier gibt es keine Zeit zum Überlegen. Er muss handeln. Auf der Stelle! Er muss diesen miesen Köter aus dem Westen zurückholen, oder er hat sein Leben verwirkt. Schon will er sich daran machen ihn zu verfolgen, doch er hat nicht damit gerechnet, was für ein eingespieltes Team die Streuner aus seiner Heimat sind. Es genügt ein Blick der bedeutsam zwischen den beiden hin und her geht und nur einen Wimpernschlag später taucht Kegawa mit kampfbereiter Miene direkt vor ihm auf und versperrt ihm den Weg. „Du!“, knurrt Itakouri herausfordernd und bringt seinen Speer in Angriffshaltung. Doch Kegawa macht keine Anstalten, aus dem Weg zu gehen. „Itakouri!“, der energische Ruf, lässt den Befehlshaber des Nordheers herumfahren. In einiger Entfernung steht Samushi, die Hand auf die heftig blutende Wunde in seinem Leib gepresst und blitzt ihn mit bleichem Gesicht an. „Itakouri“, wiederholt dieser, nachdem er die Aufmerksamkeit des Nordkriegers hat, „Lass ihn laufen!“ Itakouri fletscht die Zähne: „Kommt nicht in Frage! Der miese Köter entkommt mir nicht und du wirst das nicht verhindern!“ Samushis Blick wird finster: „Du solltest dir besser deine Situation klarmachen. Ich weiß, dass du uns bewachen sollst, aber glaubst du wirklich, das wird dir gelingen?“, seine Augen funkeln gefährlich, trotz seiner offensichtlichen Schwäche, „Das lassen wir nicht zu, verlass dich drauf! Es wäre das Klügste wenn du das einfach einsiehst und ihn laufen lässt!“ „Was bildest du dir ein, Streuner!“, schreit Itakouri nun wütend, „Wer glaubst du, dass du bist, dass du mir Befehle erteilen kannst? Dass du Hauptmann bist, ist Ewigkeiten her und ich diene noch immer meiner Fürstin. Und das heißt, ich habe ihrem Befehl zu folgen! Und nichts was du tust, wird mich daran hindern! Ich befolge ihre Anweisungen oder sterbe bei dem Versuch, so einfach ist das!“ Nun kommt Samushi einige Schritte auf ihn zu und seine Ernsthaftigkeit ist unverkennbar: „Du hast recht Itakouri! Ich bin nicht mehr der Hauptmann, das bist du jetzt! Das bedeutet, du hast auch eine Verantwortung! Ich kann sie nicht länger beschützen, das musst du jetzt tun! Sie braucht dich! Also tu einmal im Leben was intelligentes und schick diesen Vollidioten“, er macht eine verächtliche Handbewegung in Richtung des Soldaten, der sich von Dokutoge hat überrumpeln lassen, „zu unseren Truppen, damit sie sich beim Ostpalast einfinden und dann begleite uns ebenfalls da hin. So kannst du uns auch im Auge behalten und müsstest nicht gegen deine Befehle verstoßen. Keine Sorge, wir haben gar nicht vor, zu flüchten!“, er schmunzelt ein wenig. Man kann sehen wie es hinter Itakouris Stirn heftig arbeitet. „Und was ist mit diesem Nishi-aitsu?“, stößt er giftig hervor, „Ich kann nicht zulassen, dass er mir entwischt! Es würde mich das Leben kosten!“ Verächtlich schaut Samushi ihn an: „Itakouri, du bist ein Narr! Um den brauchst du dir keine Sorgen machen. Hast du nicht seinen Blick gesehen? Der hat geht nirgendwo anders hin, als dort wo auch Yarinuyuki-hime hingeht!“ „Was macht dich da so sicher?“, schnappt Itakouri bissig. Samushi verdreht die Augen: „Na, weil sein Sohn bei ihr ist!“ Für einen kurzen Moment scheint Itakouri zu zögern. Soll er es wagen und seinem ehemaligen Hauptmann vertrauen? Hat er eine andere Wahl? Samushis Blick wird eisig: „Was ist nun? Triff endlich eine Entscheidung, verdammt noch mal! Oder müssen wir das weiter... ausdiskutieren?“ Er lässt vernehmlich die Knöchel knacken. Grimmig verzieht Itakouri das Gesicht. Er wirft einen hastigen Blick in die Runde. Noch immer befindet er sich zwischen Samushi und Kegawa und selbst wenn Samushi verletzt ist, Itakouri zweifelt nicht daran, dass der Streuner bis zum allerletzten Blutstropfen kämpfen wird. Einer der Soldaten bewacht noch immer den Higashi-aitsu, der sich bisher nicht von der Stelle gerührt hat. Aber wenn es jetzt zum Kampf kommt, könnte er ebenfalls entkommen und vermutlich wird er beide Krieger brauchen, um die beiden Streuner aus seiner Heimat zu überwältigen. Außerdem muss irgendjemand noch immer ihre Truppen informieren. So wie es aussieht, bleibt ihm kaum eine andere Wahl als Samushis Angebot anzunehmen. Aber kann er ihm auch wirklich trauen? Wenn man nach seiner Geschichte geht, scheint ihm viel daran gelegen zu sein, dass seiner ehemaligen Heimat und ihren Bewohnern, kein Schaden zugefügt wird. Scheinbar muss er es wohl riskieren. Einen langen Moment scheint der Befehlshaber des Nordens zu überlegen, doch dann fletscht er die Zähne und stößt einen unterdrückten Wutschrei aus. Aber dann lässt er seinen Speer sinken. Boshaft blitzt er Samushi an: „Ich hasse dich!“ Samushi schmunzelt. „Ich denke, damit kann ich leben!“ Mit verbissenen Mienen starren die fünf Krieger aus dem Osten hinüber zum nahen Wald. Es ist weniger das laute Knacken und auch nicht das Umknicken einer beträchtlichen Anzahl von Bäumen, das sie beunruhigt. Es ist eher die drückende, beklemmende Aura grimmiger Wut die nun immer stärker zu ihnen hinüberschwappt und die neblige Morgenluft schwer macht wie zähflüssiger Honig, dass es einen sogar Überwindung kostet, schon allein Hand und Fuß zu heben. Es liegt nicht in der Natur der Soldaten, vor einem nahenden Kampf, Furcht zu empfinden, aber dennoch sind mit einem gut funktionierenden Überlebensinstinkt ausgestattet und das was dort gerade im unaufhaltsamen Lauf auf sie zuprescht, kann ohne Zweifel ihren raschen Tod bedeuten. Doch keinem von ihnen würde es einfallen, dem Befehl ihres Herren zu widersprechen. Sie werden hier die Stellung halten, auch wenn gerade ihre winzige Hoffnung auf Erfolg, oder nur auf Überleben, ihnen den Rücken gekehrt hat und sich auf dem Weg zurück zum Palast befindet; auf direktem Befehl ihres Fürsten. Doch auch das spielt keine Rolle. Sie werden trotz allem den Palast verteidigen und wenn es sie ihr Leben kostet, was es höchstwahrscheinlich tun wird. Doch eine Alternative gibt es nicht! Das Knacken wird lauter und die Soldaten heben entschlossen ihre Waffen. Nur noch Sekunden, dann ist er hier! Hier, kaum eine Meile vom Palast entfernt und hier muss es enden! Sie fassen ihre Speere und Schwerter fester und dann ist er da! Mit gewaltiger Wucht bricht er aus den umherfliegenden Splittern umgerissener Bäume hervor, umwirbelt von einer zornig roten Aura die einen niederreißenden Sturm mit sich bringt. Er ist groß; über zehn Schritt hoch und die gewaltigen Tatzen zertreten Felsbrocken unter sich als wären es Brotkrumen. Ein grüner Dunst quillt aus seinem Rachen und die gebleckten Lefzen bilden eine schauerliche Harmonie mit den tiefroten Augen in denen kaum ein Funke Verstand verblieben zu sein scheint. Die Soldaten haben nie zuvor einen Daiyoukai in seinem Zorn erlebt, doch allein schon der Anblick der gigantischen Bestie, die nun direkt auf sie zusteuert, lässt ihnen die Knie weich werden und jagt ihnen einen eisigen Schauer über den Rücken. Doch ohne länger zu zögern, löst sich ihre Starre und geschlossen stürmen sie auf ihn zu und versperren ihm tollkühn den Weg. Der riesige Hund scheint kaum davon Notiz zu nehmen, als seine Zähne den ersten zu fassen bekommen und ihn nach einem kurzen, heftigen Biss achtlos beiseite schleudert. Sein Vormarsch ist ungebremst. Nun sehen die anderen ihre Chance. Gemeinsam fallen sie todesmutig über die tobende Furie her und mit jeder Kraft die sie aufbringen können, versuchen sie ihre Schwerter und Speere in seinen Körper zu rammen. Doch das erweist sich als schwieriger als erwartet. Blitzartig fährt der riesige Kopf herum und schnappt nach dem Nächsten. Nur ein rascher Sprung zur Seite bewahrt den Krieger davor, von seinen scharfen Zähnen zermalmt zu werden. Dieses kurze Ablenkung nutzen zwei weitere und versuchen mit ihren Waffen die ungeschützte Flanke des riesigen Hundes zu treffen. Doch die Reflexe der hünenhaften Gestalt sind nicht zu unterschätzen. Innerhalb kürzester Zeit reißt der Daiyoukai seinen Kopf herum und fegt die beiden lästigen Störenfriede von seinem Rücken. Nur ein blitzartiges Schnappen später und der zweite Soldat erliegt den kräftigen Kiefern des Dämonenhundes. Ein Gutes hat die Sache allerdings, denn sein Lauf hat sich verlangsamt und nun bleibt er stehen. Ein tiefes, tödliches Knurren dringt aus seiner Kehle und der Blick der die verbliebenen drei Soldaten durchbohrt, ist mörderisch. Aber die Krieger sind erfahrene Kämpfer und so genügt nur ein kurzer Blickwechsel und sie haben den Daiyoukai eingekreist. Nun leuchten auch ihre Augen in einem gefährlichen Purpur und um die Klingen ihrer Waffen beginnen nun beängstigende Blitze zu zucken. Das jedoch schreckt den mächtigen Hund scheinbar in keinster Weise. Ohne kaum einen Moment länger zu zögern, stürzt er auf den Nächstbesten zu, um ihm den Garaus zu machen. Sogleich reagieren die anderen und versuchen ihn von hinten zu attackieren, während der dritte ihn mit kampfbereiter Miene vorne in Empfang nimmt. Mit einem blitzschnellen Hieb schlägt er nach dem Kopf der gewaltigen Bestie, kaum, dass sie ihn erreicht. Ein prasselndes Blitzgewitter geht auf den riesigen Hund nieder, doch selbst das scheint ihn nicht im Geringsten zu interessieren. Mit gefletschten Reißzähnen stößt er den verwegenen Krieger vor ihm einfach nieder und zerreißt ihn in grimmiger Wut praktisch in der Luft. Währenddessen haben die beiden verbliebenen Youkais ihren übermächtigen Gegner flankiert, der sich gerade wieder zu ihnen umdrehen will, und mit langjähriger Erfahrung zielen sie direkt auf die empfindlichen Punkte des Daiyoukais. Doch dieser muss lediglich einen geschickten Sprung über sie hinweg machen, um ihrem Angriff zu entkommen. Noch immer erschüttert der Klang seines Knurrens die gesamte Ebene und die zügellose Wut in seinen Augen wird durch die dreisten Attacken womöglich nur noch mehr angestachelt. Keiner von diesen lästigen Angreifern wird den nächsten Tag erleben, das steht außer Frage! Der tödliche Atem, den der mächtige Hund ausstößt, lässt bereits die verbliebenen umstehenden Bäume welken und vergehen und die ätzenden Spuren seines Geifers fressen groteske Löcher in die Erde vor ihm. Nur für einen kurzen Moment hält die Gestalt inne, um seine Gegner in grimmigen Augenschein zu nehmen, doch dann von einem Moment auf den anderen stößt sie sich ab und stürmt erneut auf die beiden frechen Wesen zu, die es gewagt haben, ihn von seinem Ziel abzulenken. Zu allem entschlossen blicken die bereits heftig keuchenden Krieger der herannahenden Sturmattacke entgegen. Ein wilder Wutschrei entfährt ihnen und dann stürzen sie ihm entgegen, die Waffen gehoben, bereit, ihrem Ende zu begegnen. Ein hartes Aufeinandertreffen von Youkai und reißzahnbewehrter Hundeschnauze folgt und die Körper der beiden werden in hohem Bogen durch die Luft geschleudert und stürzen unter einem schmerzhaften Aufstöhnen hart zu Boden. Es ist ihr Glück, dass sie zu benommen sind, um sich zu rühren, denn nun da die lästige Störung beseitigt ist, gibt es nichts mehr, was den mächtigen Hund daran hindern kann, seinen Weg fortzusetzen. Sogleich wendet er sich um und schlägt erneut den Weg Richtung Ostpalast ein. Schon setzen sich die kräftigen Pfoten wieder in Bewegung und wollen gerade an Geschwindigkeit zunehmen, als auf einmal ein Schrei ertönt: „Kaze no Kizu!“, und unmittelbar darauf eine gewaltige Energiewelle, wie ein Sturm, über die Ebene rauscht, dabei einen tiefen Spalt im Boden hinterlässt, direkt vor der Nase des Dämonenhundes entlangfegt und ihn damit unwillkürlich aber recht effektiv erneut zum Halten bringt. Zunächst scheint der Daiyoukai von dem urplötzlichen Hindernis ein wenig irritiert zu sein, doch dann richtet er sich wieder zu seiner vollen Größe auf und mit einen wütenden Knurren in der Kehle fährt er zu dem Verursacher dieser Attacke herum. Ein Stück entfernt steht Inu Yasha. In der rechten Hand hält er die mächtige, hell leuchtende Klinge Tessaigas und mit todernster Miene und entschlossen funkelnden Augen starrt er nun zu der gewaltigen Gestalt hinüber. Er fletscht die Zähne und nimmt eine wachsame Kampfhaltung ein.. „Keinen Schritt weiter, oder das nächste Mal ziele ich nicht daneben!“ Kapitel 50: Bruder gegen Bruder ------------------------------- Noch immer mit geschlossenen Augen kniet Arashitsume in seinem Thronsaal und lauscht der regen Geschäftigkeit in seinem Schloss. Wie sie sich alle bemühen, seinen Erwartungen zu entsprechen. Es ist beinah zum Lachen. Doch im Augenblick steht ihm nicht der Sinn danach. Vor ein paar Augenblicken sind einige Stimmen in diesem wirren Wust aus mentalem Gebrabbel verschwunden und Arashitsume weiß, dass der Fürst des Westens, seine ersten Opfer gefunden hat. Sesshomaru kommt dem Palast immer näher und noch immer hat er keine Nachricht über den Verbleib der Nordfürstin und ihrem Heer. Offenbar muss er nun doch einmal in Erfahrung bringen, was Sokudo gerade treibt. Ohne große Anstrengung sendet er seine Worte aus. „Sokudo!“ Nur wenige Augenblicke später erhält er Antwort: „Mein Fürst! Vergebt mir! Ich bin untröstlich, dass ich Euch nicht schon früher kontaktiert habe, doch die Umstände waren etwas ungünstig.“ Unwillig verzieht Arashitsume das Gesicht: „Ich bin es leid, mir Ausflüchte anzuhören! Also rede schon! Hast du Yarinuyuki übermittelt was du solltest?“ „Ja, mein Fürst!“ „Ja und? Stell meine Geduld nicht länger auf die Probe!“ „Sie... schien gewillt, mir zu glauben, doch ungünstigerweise hat auch noch ein zweiter Bote sie aufgesucht. Ein Nishi-aitsu, der für Sesshomarus Bruder arbeitet und hat ihr eine vollkommen andere Geschichte erzählt. Er versuchte Euch als den Schuldigen hinzustellen, mein Fürst!“ Arashitsume hält inne. Seine ebenmäßige Stirn legt sich in Falten. Was hat das zu bedeuten? Fuscht ihm dieser Hanyou etwa ins Handwerk? Wie überaus lästig! „Und wie hat sie das aufgenommen?“, fragt er weiter. „Sie ist sich nicht sicher, wem sie glauben soll. Sie ist nun auf dem Weg zu Euch, um sich Klarheit zu verschaffen.“ Verdammt! Arashitsume ballt ärgerlich die Faust. Das hat mir gerade noch gefehlt! Wenn sich Yarinuyuki auf Sesshomarus Seite schlägt, dann wird es allmählich eng. Doch noch ist nichts verloren. Scheinbar ist ihr Entschluss noch nicht gefasst und das bedeutet, wenn er geschickt vorgeht, kann er ihre Bedenken noch immer zerstreuen. „Wo befindest du dich im Augenblick?“, fragt er nun scharf. „Wir befinden uns gerade auf dem Weg zum Palast. Ich wurde vorerst in Gewahrsam genommen von ihren Soldaten, zusammen mit dem Nishi-aitsu, aber gerade eben ist er seinen Bewachern entkommen und geflohen.“ Der Ostfürst hebt die Brauen. „Ach tatsächlich? Wie hat Yarinuyuki darauf reagiert?“ „Sie weiß es noch nicht, mein Fürst. Sie ließ uns bei ihren Leuten zurück und begab sich mit diesem Kossoridoku zusammen auf den Weg zu Eurem Palast.“ Arashitsumes Augen weiten sich. „Einen Augenblick! Sagtest du Kossoridoku? Was hat der Kerl bei ihr verloren?“ „Als wir auf ihn trafen, waren gerade zwei der Streuner auf dem Weg mit ihm zu Eurem Palast. So wie es aussieht, dienen sie momentan diesem Hanyou, der gerade gegen Chihime-sama kämpft und scheinbar soll Kossoridoku dazu beitragen, Euch in Misskredit zu bringen. Aber ich glaube nicht, dass er viel erzählen wird. So wie es aussieht, wurde er von seinen ehemaligen Kameraden und diesem Hanyou überwältigt und übel zugerichtet.“ „Sagtest du gerade, der Hanyou kämpft gegen dieses Miko-Weib? Woher weißt du das?“ Ein kurzes Zögern, dann kommt die Antwort: „Sie... fing mich auf dem Weg zu Yarinuyuki ab. Nur weil der Hanyou sie ablenkte, konnte ich ihr entkommen.“ Arashitsume fletscht unwillkürlich die Zähne. Dieses verdorbene Weibsbild bringt aber auch nichts Vernünftiges zustande! Erst versagt sie bei ihrem Auftrag und dann hätte sie beinahe noch seinen Alternativplan zum Scheitern gebracht. Die Frau macht einem nichts als Ärger. Kein Wunder, dass man sich nicht mit Mikos abgeben soll. Nun, zumindest mit diesem Hanyou sollte sie noch fertig werden. Um den wird er sich zunächst mal keine Sorgen mehr machen müssen. Einen Augenblick scheint er noch zu überlegen, dann sagt er: „Bleibe vorerst dort und gib ihnen keinen Grund, deine Geschichte anzuzweifeln. Sollte sich etwas Neues ergeben, kontaktiere mich augenblicklich! Verstanden?“ „Natürlich, Arashitsume-sama!“ In diesem Augenblick erscheint plötzlich eine Gestalt am Eingang des Saales und nähert sich rasch. Arashitsume blickt auf und sogleich erkennt er den Neuankömmling. Wie beiläufig bricht er den Kontakt zu seinem Untergeben ab und konzentriert sich auf den kräftigen Youkai, der sich ihm nähert, direkt vor dem Thron zum Stehen kommt, auf die Knie hinabfällt und ergeben den Kopf senkt. „Ihr wünschtet mich zu sehen?“, fragt Raimeimaru. „In der Tat!“, Arashitsumes Miene ist regungslos, „Es befinden sich Eindringlinge in meinem Palast!“ Überrascht hebt Raimeimaru den Kopf: „Eindringlinge, mein Fürst?“ „So ist es!“, antwortet Arashitsume, „Ich wünsche, dass du sie aufspürst und sie in Gewahrsam nimmst!“ Ein wenig unsicher blickt Raimeimaru ihn an: „Ich bitte untertänigst um Verzeihung mein Fürst, aber ist das nicht ein Versäumnis der Higashi no Tate (Schild des Ostens)? Sollten sie nicht dafür sorgen?“ Nun wird der Blick des Fürsten deutlich kühler. „Seit wann ist es dir erlaubt, meine Befehle in Frage zu stellen?“ Raimeimaru senkt rasch wieder den Blick: „Verzeiht mir, mein Fürst! Natürlich werde ich Eurem Befehl gehorchen!“ „Gut!“, entgegnet Arashitsume ungerührt, „Es sollte kein größeres Problem für dich werden. Diese Personen werden kaum Widerstand leisten.“ Raimeimaru hebt den Kopf: „Wer ist es, mein Fürst? Wen soll ich für Euch festnehmen?“ Eine Schiebetür wird aufgestoßen und eine kleine, grüne Gestalt stürzt beinahe ins Zimmer bevor sie die Tür hastig wieder zuschiebt. Schwer atmend und schwitzend schaut Jaken sich um. Der Raum ist leer. „Und du bist auch sicher, dass das hier das richtige Quartier ist?“, wendet er sich an seine Schulter. „Natürlich!“, piepst Myoga empört, „Das hier ist das Quartier in dem Inu Yasha-samas Begleiter und Rin untergebracht waren.“ Der kleine Kobold blickt sich um: „Aber hier ist sie nicht! Sie werden sie doch wohl nicht schon gefunden und getötet haben? Oh, nein!“, verzweifelt wirft er sich zu Boden, „Ich habe versagt! Ich habe meinen Herren schmählich enttäuscht! Das wird mir Sesshomaru-sama niemals verzeihen! Ich bin schon so gut wie tot! Sesshomaru-sama kennt in diesem Punkt keine Gnade! Was mach ich nur! Was mach ich nur! Rin! Ach, Rin! Warum war ich nur nicht schneller!“ „Jaken-sama...?“, eine zaghafte Stimme bringt den kleinen Youkai urplötzlich zum Verstummen. Sofort springt er auf und schaut sich hektisch um: „Rin?“ „Ich bin hier drin!“, die leise Kinderstimme kommt aus dem Wandschrank in dem die Futons verstaut werden. Sofort läuft der kleine Gnom hinüber und reißt die Tür auf. Darin, gut versteckt hinter den Matratzen, lugt eine kleine Nasenspitze und ein schwarzer Haarschopf hervor. Jakens Miene hellt sich augenblicklich auf. „Rin!“, ruft er freudig aus, „Du bist ja gar nicht tot!“ Das Mädchen krabbelt nun aus dem Schrank hervor. „Ich bin aufgewacht und niemand war mehr da“, erklärt sie, „Also habe ich gewartet, aber niemand ist gekommen. Und plötzlich hörte ich lautes Rufen und Trappeln auf dem Gang und ich dachte mir, da stimmt was nicht. Also hab ich mich versteckt, damit sie mich nicht entdecken! Aber ich wusste, dass Sesshomaru-sama mich bestimmt finden wird. Wo ist er denn?“ Jakens Miene wird ernst: „Er hat mir gesagt, dass ich dich mitnehmen soll. Ich soll dich sofort hier wegbringen. Hier wird es nämlich bald gefährlich!“ Rin nickt gehorsam. „Ok!“ Gerade wollen sie den Raum wieder verlassen, da geht erneut die Tür auf. Wie angewurzelt stehen Jaken, Myoga und Rin da und blicken zu dem kräftigen Youkai hoch, der nun in der Tür steht und ihnen den Weg versperrt. „Whaa!“, ruft Jaken aus, „Wir sind ertappt!“ Mit ausdrucksloser Miene blickt Raimeimaru auf die kleine Dreiertruppe vor ihm herunter. Sein Blick bleibt an Rin hängen und seine Stirn legt sich in nachdenkliche Falten. Dann sagt er: „Ihr werdet mich begleiten!“ Doch so einfach gibt sich Jaken nicht geschlagen und so hoch wie er es vermag, richtet er sich vor dem Youkai auf und streckt ihm seinen Kopfstab entgegen. „Auf keinen Fall! Und ich rate dir, fordere nicht meinen Zorn heraus, oder du wirst es bitter bereuen! Mein Herr, Sesshomaru-sama, wird sehr ungehalten sein!“ Doch statt einer Antwort schiebt Raimeimaru lediglich hinter sich die Tür zu. Einige Augenblicke später ist ein heftiges Rumpeln und Krachen in dem Zimmer zu hören. Einige Schreie ertönen und dann liegt wieder Stille über dem Flur. Ein tiefes Grollen dringt aus Sesshomarus Kehle. Mit rotglühenden Augen starrt er zu Inu Yasha hinüber. Erst scheint es als wollte er ihn angreifen, doch dann fährt sein Kopf wieder herum und gleich darauf setzt er seinen Weg fort. „Ich hab gesagt du sollst hierbleiben!“, schreit Inu Yasha ihm zornig hinterher. Er hat reagiert und sofort setzt er seinem Bruder nach. „Kaze no Kizu!“, und wieder rollt die mächtige Attacke direkt vor der Schnauze des großen Hundes vorbei. Mit gefletschten Zähnen ruckt Sesshomarus Kopf herum. Grimmig erwidert Inu Yasha den Blick: „Das war die letzte Warnung!“ Sesshomarus kräftige Muskeln spannen sich an. Seine Haltung ist geduckt und bereit zum Sprung. Noch einmal vibriert das beängstigende Knurren in seiner Kehle und dann von einem Moment auf den anderen stürmt er los. Inu Yasha sieht ihn kommen. Jetzt gilt es! Unwillkürlich stellt er fest, dass ihm ein wenig mulmig zumute wird. Er hat schon öfter gegen seinen Bruder gekämpft und gelegentlich auch in seiner wahren Gestalt, aber dies ist das erste Mal, dass er seinen Bruder als Gegner hat, wenn er so völlig außer sich ist. Es erscheint zweifelhaft, ob der ihn gerade überhaupt erkennt. Er fasst Tessaigas Griff fester und hebt das Schwert, um ihn zu empfangen. Es weiß, Sesshomaru ist stark. Womöglich ist er der härteste Gegner den er sich vorstellen kann. Aber im Gegensatz zu Naraku, seinem Hassfeind, wünscht er seinem Bruder nicht unbedingt den Tod. Zugegeben, Sesshomaru ist arrogant, stur, rücksichtslos, grausam und ständig auf Streit aus, aber wirklich hassen, tut er ihn eigentlich nicht. Und wenn er ehrlich sein soll, dann wäre es ihm lieber, wenn er seinen Bruder diesmal nicht töten müsste, doch möglicherweise wird sich das nicht vermeiden lassen. Sein Bruder scheint wirklich zu allem bereit zu sein, um den Ostfürsten fachgerecht auseinanderzunehmen. Und genau das muss erstmal verhindert werden. Mit unheimlicher Geschwindigkeit prescht der Daiyoukai auf ihn zu und jetzt läuft auch Inu Yasha los, entschlossen, ihm zu begegnen. Nur einen Augenblick später treffen die beiden Kämpfer aufeinander. Kräftige Kiefer schnappen zu und im selben Moment durchzuckt das Aufblitzen eines geschwungenen Schwertes die Luft. Ein wütendes Knurren erfüllt den Platz und im nächsten Augenblick wird der kräftige Hund zur Seite geschleudert. Doch rasch fängt er sich wieder auf seinen drei Pfoten ab und fährt herum. Boshaft starrt er den Hanyou an, der in eben diesem Moment, nach einem hohen Sprung, wieder auf dem Boden aufkommt und sich seinem Gegner ebenfalls wieder zuwendet. „Es scheint, ich habe endlich deine Aufmerksamkeit!“, meint Inu Yasha ernst. Sofort geht er wieder in Angriffsposition. „Du bist ganz schön nachlässig!“, stellt er verächtlich fest, „Hätte ich mit der scharfen Seite zugeschlagen, wärst du jetzt Schnetzelfleisch. Hat sich mit deiner menschlichen Form auch dein Verstand verabschiedet?“ Sesshomaru knurrt bedrohlich und dann stürmt er erneut auf den Hanyou los. Wieder hebt Inu Yasha drohend sein Schwert: „Zwing mich nicht! Im Gegensatz zu Tenmaru, werde ich nicht zögern, dich zu verletzen!“ Urplötzlich fliegen Sesshomarus Augen wild auf und im selben Moment beschleunigt er sein Tempo. Schon hat er den Hanyou erreicht. Inu Yasha versucht noch zu reagieren, doch nur einen Augenblick später geht auch schon eine riesige Pranke nieder und noch ehe er sich in Sicherheit bringen kann, trifft ihn der heftige Schlag der Tatze und drischt ihn einmal quer über den Platz, sodass er unter Knacken und Rauschen in der buschigen Krone eines nahen Baumes hängenbleibt. „Arg, verdammt!“, flucht Inu Yasha benommen, „Ich dreh ihm den Hals um! Der geht mir jetzt schon so dermaßen gegen den Strich!“ Ein wenig umständlich versucht er sich aus den Zweigen des Baumes zu befreien, möglichst noch bevor Sesshomaru auf die Idee kommt, ihm den Rücken zu kehren und seinen Weg zum Palast fortzusetzen. Er muss sich ein wenig die Schmerzen verbeißen dabei, denn ausgerechnet der massive Baumstamm hat seinen Flug gebremst und einmal mehr ist er dankbar für sein Dämonenblut, dass seinen Körper so widerstandsfähig macht und ihn vor den schlimmsten Verletzungen bewahrt hat. So ist er mit ein paar blauen Flecken davon gekommen und schon hat er sich wieder soweit aufgerappelt, dass er vom Baum herunterspringen kann. Doch fast wie erwartet, schert sich sein Bruder gar nicht mehr um ihn. Längst hat er ihm den Rücken gekehrt und sich wieder auf den Weg gemacht. Inu Yasha verzieht das Gesicht. „Hör gefälligst auf, mich zu ignorieren!“ Mit diesen Worten springt er ihm hinterdrein. Du dämliche Kerl!, denkt er bei sich. Hast du wirklich alles vergessen? Hast du vergessen, dass wir hier sind, um einen Krieg zu verhindern? Du Blödmann, du muss doch wissen, dass du Arashitsume nicht einfach so angreifen darfst! Auch wenn es mich selbst ankotzt, dass das miese Stück Dreck noch immer unter den Lebenden weilt, aber momentan schützt ihn noch das Gesetz. Das habe sogar ich begriffen, und wenn ich das weiß, dann du ja wohl auf alle Fälle! Ist dir das plötzlich alles egal? Inu Yasha nimmt weiter die Verfolgung auf, doch Sesshomaru hat schon einen ziemlichen Vorsprung. So wie die Dinge laufen, wird er ihn kaum einholen können. Inu Yasha fletscht die Zähne. Verdammt! Ich will dich nicht töten müssen! Nicht aus irgendwelchen plötzlichen Sympathien für dich, aber damit würde ich Arashitsume womöglich noch einen Gefallen tun! Ich hasse es! Ich hasse es, dass du mich dazu zwingst, du Idiot! Seine Hand umklammert hart Tessaigas Griff. Hast du bei mir auch so viele Gewissensbisse gehabt? Du hast vorhin zwar wirklich versucht, mich zu töten, aber als du dann die Gelegenheit hattest, hast du gezögert! Sei ehrlich, du wolltest es gar nicht, aber du warst bereit, es zu tun, um einen Krieg zu verhindern. Verdammter Dreckskerl! Ich weiß nicht, was mich mehr stört. Dass du versucht hast, mich zu töten, oder dass du es eigentlich gar nicht wolltest! Was bin ich für dich, Sesshomaru? Ein Feind? Ein unvermeidliches Übel? Ein Wesen, dass zufällig das gleiche Blut hat wie du, oder doch so etwas wie ein Bruder? Ich versteh dich einfach nicht! Ich kann dich inzwischen gar nicht mehr einschätzen. Ich habe heute Seiten an dir gesehen, von denen ich nie dachte, dass sie existieren würden. Was, verdammt, soll ich davon halten? Und jetzt das! Das da bist nicht mehr du! Das da ist meilenweit von dem Sesshomaru weg, den ich kenne. Du warst immer so stolz auf dein Erbe und jetzt wird es dir wahrscheinlich den Untergang bringen. Aber... das lasse ich nicht zu! Ich werde nicht akzeptieren, dass du alles wegwirfst, was dir wichtig war, nur weil du glaubst, nichts mehr zu verlieren zu haben! Und wenn ich deinen Stolz und deine Prinzipien nur dadurch beschützen kann, indem ich dich töte, dann... bleibt mir wohl keine andere Wahl! Noch einmal atmet er kurz durch, doch dann holt er weit aus, zielt und schlägt zu. Eine mächtige Energiewelle löst sich von der Klinge und fegt nun direkt auf den dahineilenden Daiyoukai zu. Eine innere Stimme scheint den mächtigen Hund jedoch zu warnen und lässt ihn herumfahren. Mit geschicktem Sprung will er der heranrauschenden Energie entgehen, doch dabei unterschätzt er ein wenig ihre Geschwindigkeit und noch im Sprung wird er von den gelbleuchtenden Energiemassen mitgerissen. Der Lichtblitz lässt Inu Yasha kurz die Augen schließen. Die Attacke hat sich verflüchtigt und eine dicke Staubwolke liegt nun über der Stelle wo der große Hund zu Boden gestürzt ist. Mit der Hand scheucht Inu Yasha die Staubschwaden beiseite und läuft zu seinem Bruder hinüber. Er ist sich sicher, ihn getroffen zu haben, aber die Frage ist, wie sehr hat er ihn dabei verletzt? Noch immer ist kaum etwas zu erkennen durch die Staubwolke die in der Luft liegt. Urplötzlich hält er inne. Direkt vor sich riecht, nein, spürt er seinen Bruder. Und auf einmal bemerkt er zwei leuchtende rote Augen, die direkt vor ihm, aus unangenehmer Höhe, auf ihn hinabstieren. Inu Yasha nimmt sofort Verteidigungshaltung ein und hebt sein Schwert. „Du bist also doch noch nicht krepiert? Hätte mich ehrlich gesagt auch ein wenig enttäuscht! Bin irgendwie was anderes gewohnt von dir.“ Noch immer ist die riesenhafte Gestalt in dem Staubdunst kaum zu erkennen, doch ein tödliches Knurren ist nun wieder zu hören und die rotglühenden Augen sinken bedrohlich tiefer. Inu Yasha fasst sein Schwert fester: „Keine Chance! Ich lass dich nicht weg! Du gehst nirgendwo mehr hin!“ In genau diesem Moment spürt er wie sich beträchtliche Energiemassen vor ihm zusammenballen und ein scharfer Wind fegt urplötzlich über die Ebene, sodass Inu Yasha seine Füße fest in den Boden stemmen muss, um nicht umgeweht zu werden. Und nur wenige Momente später ist von der Staubwolke nichts mehr übrig und der Blick auf den mächtigen Daiyoukai wird frei. Eine lange, unschöne Wunde zieht sich quer über seinen Rücken bis hinab zu seiner Flanke und dicke Blutstropfen fallen unablässig zu Boden und haben bereits eine beträchtliche Lache gebildet. Doch die riesenhafte Gestalt scheint ihr keinerlei Beachtung zu schenken. Stattdessen ist ihr Blick nun unverwandt auf den Hanyou vor ihr gerichtet und ihre Zähne sind bedrohlich gefletscht. Noch immer umwirbeln rötliche Energiemassen den gewaltigen Hund und der Sturm den sie dabei erzeugen, beginnt schon die ersten Bäume zu entwurzeln. Dann urplötzlich innerhalb eines Sekundenbruchteils, schnellen die gefährlichen Kiefer vor und versuchen den Hanyou zwischen sich einzuquetschen. Doch Inu Yasha hat aufgepasst und ist geschickt aus dem Weg gesprungen. Immer wieder und wieder schnappen die Kiefer zu und wieder und wieder hüpft Inu Yasha flink aus ihrer Reichweite. Dabei entgeht ihm nicht die Blutspur, die sein Bruder hinter sich herzieht. „Sesshomaru!“, ruft er verbissen, „Hör auf damit! Krieg dich wieder ein, verdammt! Mit der Verletzung bringst du dich früher oder später noch selber um! Da muss ich nicht mal was machen!“ Doch der Daiyoukai scheint ihn nicht zu hören. Ein weiteres Schnappen folgt und diesmal springt Inu Yasha nicht aus dem Weg sondern hebt sein Schwert und mit einem geschickten Hieb zieht er dem riesigen Hund einen Schmiss quer über die Schnauze. Ein kurzes Aufjaulen ertönt und verstummt aber wieder so schnell wie es gekommen ist und nur einen Sekundenbruchteil später rast die mächtige Vordertatze hinab und noch ehe Inu Yasha reagieren kann, schlägt sie ihn auch schon zu Boden und begräbt ihn unter sich. Ein jähes Ausschnaufen lässt augenblicklich sämtliche Luft aus seinen Lungen entweichen und unter dem tonnenschweren Gewicht seines Bruders hört er bereits die ersten Rippen knacken. Verflixt! Er hat nur eine Sekunde nicht aufgepasst und gleich wird er so in die Mangel genommen. Schon beginnen seine Lungen unter dem Luftmangel zu schmerzen und sein Rücken fühlt sich an, als würde er gerade in Stücke gerissen. Inu Yasha beißt die Zähne zusammen. Die scheußlichen Schmerzen, die seinen Körper gerade überfluten, lassen ihn fast die Besinnung verlieren, aber das darf nicht sein! Er kann so nicht aufgeben! Er muss es zu ende bringen! Es ist seine Pflicht! Schon sieht er wie die mächtigen Kiefer des Dämonenhundes zu ihm herunterfahren, um ihn zwischen ihren Zähnen zu zermalmen. Mit letzter Kraft reißt er Tessaiga, das noch immer in seiner Hand liegt, hoch und schlitzt über die Zehen der großen Tatze, die ihn niederhält. Ein erneutes Aufjaulen lässt den riesigen Hund zusammenfahren und die Pfote reflexartig wegnehmen. Eine unbeholfene Rückwärtsrolle bringt Inu Yasha aus seiner Reichweite und er keucht heftig, jetzt wo er endlich wieder Luft bekommt. Schwer stützt er sich auf Tessaiga und presst die Hand auf den Brustkorb. Wenn das Atmen nur nicht so eklig wehtun würde. Aber im Augenblick kann er sich nicht mit Schmerzen aufhalten. Noch immer muss er seinen Bruder davon abhalten, den größten Fehler seines Lebens zu begehen. Mit unvermindert entschlossenem Blick schaut Inu Yasha zu ihm hinüber. Er steht nun direkt zwischen dem Daiyoukai und dem Weg zum Ostpalast. Der mächtige Hund scheint den Hieb auf seiner Pfote schon nicht mehr zu spüren. Wieder lässt er ein bedrohliches Knurren hören und mit wachsamen Bewegungen versucht er nun, den Hanyou zu umrunden. Allmählich scheint die Blutung zum Erliegen gekommen zu sein, aber die große, rote Wunde und das blutverkrustete Fell ist noch immer deutlich zu erkennen. Inu Yasha hebt grimmig sein Schwert: „Versuch es besser gar nicht erst! Ich werde dich nicht vorbeilassen! Nicht solange doch ein Funken Leben in mir ist!“ Der Daiyoukai knurrt bedrohlich. Inu Yasha nimmt wieder Kampfhaltung ein, ungeachtet seiner Verfassung. Jederzeit ist jetzt mit einem Angriff zu rechnen. Mit drohender Körperhaltung und gesträubtem Fell steht der mächtige Hund ihm gegenüber. Die leuchtendroten Augen verleihen der gefährlichen Aura um ihn noch zusätzlich Ausdruck. Seine Muskeln sind angespannt und sprungbereit. Seine Lefzen heben sich ein wenig und in das tiefe Knurren in seiner Kehle mischt sich nun der Klang einiger verzerrt grausiger Worte: „Lass... mich... vorbei!“ Inu Yasha fletscht die Zähne und der Blick den er seinem Bruder nun zuwirft, steht diesem in nichts nach: „Nur über meine Leiche!“ In genau diesem Moment springt der große Daiyoukai wie von der Sehne geschossen los und steuert direkt auf den Hanyou zu. Mit der gleichen Inbrunst stößt sich nun auch Inu Yasha ab und sprintet direkt auf seinen Bruder zu. Mit flinken, eleganten Schritten folgt Yarinuyuki ihrem Weg. Ihr Gefangener schwebt noch immer dicht hinter ihr. Noch immer ist sie sich unschlüssig darüber, ob sie ihn gleich verhören soll, und damit kostbare Zeit verlieren, oder damit warten soll, bis sie bei Arashitsume ist, und Gefahr laufen, dass die Informationen sich als wertlos erweisen. Ein kleiner Gedanke genügt und der reglose Youkai umrundet sie und schwebt nun direkt vor ihrem Gesicht. Kritisch mustert sie ihn. Der Youkai ist noch immer blutverschmiert und die unnatürliche Körperhaltung zeigt, dass längst nicht mehr alle Knochen zusammengeheilt sind. Anscheinend hat ihn entweder die Kraft, oder der Wille verlassen, sich zu regenerieren. Ein Blick in das aschfahle Gesicht des Youkais gibt Aufschluss darüber, das es vermutlich beides ist. Yarinuyukis Stirn legt sich in Falten. Es ist recht lästig, dass der Youkai sich in einer solch schlechten seelischen Verfassung befindet. So wird es sicher nicht einfach sein, ein paar brauchbare Worte von ihm zu erhalten. Aber sie weiß aus Erfahrung, dass sie letztendlich schon alles erfahren wird, was sie wissen will. Ärgerlich ist nur die Zeit, die dafür draufgehen wird. Innerlich schimpft sie hingebungsvoll über die beiden Streuner, die seinen Willen im Vorfeld schon so effektiv gebrochen haben. Das mag zwar eine günstige Vorarbeit gewesen sein, doch haben sie es vermutlich dabei ein wenig übertrieben. Jegliche Anteilnahme ist aus den Augen des Streuners verschwunden. Yarinuyuki überlegt. Könnte das ein weiterer Trick sein? Wenn die Streuner im Auftrag des Hanyous, oder gar Sesshomarus, handeln, wäre es möglich, dass man ihr bewusst einen nutzlosen Zeugen zugeschoben hat. Sie hat keine Garantie dafür, dass ihr Gefangener tatsächlich einer der Streuner ist, oder gar der bewusste Verräter. Und doch muss sie sich eingestehen, dass Samushis Schilderung einen stärkeren Eindruck bei ihr hinterlassen hat, als ihr lieb ist. Sie kann sich nicht helfen, aber sie ist tatsächlich gewillt, ihm zu glauben. All ihre Instinkte sagen ihr, dass er die Wahrheit sagt. Und dennoch darf sie es sich nicht erlauben, nur auf die Aussage eines Streuners hin, ihren Rachefeldzug abzublasen, oder den Fürst des Ostens offen zu beschuldigen. Dabei würde sie ihr Gesicht verlieren und das ist sie nicht bereit zu dulden. Im Grunde würde selbst die Aussage ihres Gefangenen wenig ins Gewicht fallen, wenn sein Wort gegen das eines Fürsten steht. Doch wenn seine Aussage dazu beiträgt, ihr selbst einen Eindruck zu vermitteln, was nun eigentlich wirklich passiert ist, dann wird sie diese Chance nicht ungenutzt lassen. Noch immer hat sie keine Gewissheit darüber, was tatsächlich an jenem Tag vorgefallen ist und so wie es aussieht, gibt es nur eine einzige Möglichkeit, das zu ändern. Doch dazu muss sie zunächst einmal zurück zum Palast des Ostfürsten und Arashitsume zur Rede stellen und wenn sie schon dabei ist, dann am besten auch gleich Sesshomaru. Doch noch während sie sich darüber Gedanken macht, trifft die Macht eine heftigen Aura auf ihre empfindlichen Sinne auf und lässt sie irritiert stehenbleiben. Sie wendet den Kopf in die entsprechende Richtung. Dann hebt sie erstaunt die Brauen. „Sieh mal einer an!“, murmelt sie wie zu sich selbst, „Mir scheint, nicht nur ich habe ein gewisses Anliegen an Arashitsume zu richten! Das kommt mir wirklich sehr gelegen! Vielleicht sollte ich Sesshomaru mal einen kleinen Besuch abstatten, ehe ich zu Arashitsume gehe. Mit dem Kerl habe ich nämlich auch noch ein Wörtchen zu reden!“ Kapitel 51: Mit knapper Not --------------------------- Ungebremst stürmen die beiden Kämpfer aufeinander zu. Der mächtige Hund hat eine wahrlich beängstigende Geschwindigkeit drauf, doch es sieht nicht so aus, als ob der Daiyoukai die Konfrontation vermeiden will. Mit erhobenem Schwert sprintet Inu Yasha ihm entgegen. Nur wenige Augenblicke später treffen sie aufeinander. Riesige Kiefer schnappen nach den Hanyou, doch der reagiert geschickt und weicht gerade noch aus. Stattdessen holt er aus und schlägt auf den Kopf der Bestie ein. Doch auch dessen Reflexe sind ausgezeichnet und so gelingt es ihr, den Kopf gerade noch rechtzeitig wegzuziehen, dass die scharfe Klinge ihre Wange nur streift. Dennoch bleibt ein roter Schnitt als Andenken zurück und die riesige Gestalt zuckt unwillkürlich zusammen und knurrt gefährlich. Dann geht sie wieder zum Angriff über. Inu Yasha beißt die Zähne zusammen. Noch immer schmerzt ihm sein ganzer Körper und das Atmen fällt ihm durch die gebrochenen Rippen immer schwerer, trotzdem darf er sich keinen Augenblick der Unachtsamkeit erlauben, wenn er nicht zwischen den gewaltigen Kiefern seines Bruders enden will. Geschickt weicht er seinen Attacken aus und versucht seinerseits, seinen Bruder mit seiner Klinge zu treffen. Doch das erweist sich als schwieriger als angenommen, denn der riesige Hund hat wahrlich tödliche Reflexe, trotz seiner Verletzungen. Es scheint ihm wirklich ernst zu sein damit, Arashitsume zu töten. Dieser Idiot! Wieder schlägt Inu Yasha nach ihm, und der große Hund weicht erneut aus. „Sesshomaru!“, stößt Inu Yasha hervor, „Hör gefälligst auf mit dem Unsinn! Du kriegst deine Rache schon noch, aber erstmal musst du dich wieder einkriegen!“ Mit diesen Worten holt er erneut aus und ein weiteres Kaze no Kizu rollt über die Ebene. Doch diesmal springt der Daiyoukai einfach aus dem Weg und hält dann wieder auf den Hanyou zu. Nur ein unbeholfener Sprung, bringt diesen noch rechtzeitig aus dem Gefahrenbereich. „Verdammt!“, schnauft Inu Yasha. Die gebrochenen Rippen zehren auf unangenehme Weise an seiner Kondition. Schon jetzt muss er schwerer atmen, als gewöhnlich und sein Bruder scheint noch kaum erschöpft zu sein. Wenn er nicht bald eine Kräfteausgleich erreicht, könnte das wirklich übel ausgehen. „Schau an, die beiden Westbrüder zerfleischen sich gegenseitig!“ Inu Yashas Kopf ruckt herum. In einiger Entfernung sieht er eine wohlbekannte Person stehen, die spöttisch und mit verschränkten Armen zu ihm herüberschaut. Es ist Yarinuyuki und direkt hinter ihr schwebt der Streuner Kossoridoku und rührt sich nicht. Inu Yasha flucht innerlich. Das hat ihm gerade noch gefehlt! Was will die hier? Als hätte er nicht schon genug Probleme, jetzt muss er sich wahrscheinlich auch noch mit der Fürstin des Nordens persönlich herumärgern. Und zu allem Überfluss hat sie es wohl auch noch geschafft, den beiden Streunern ihren Gefangenen abzujagen. Vermutlich hat sie sie längst umgebracht. So ein Mist! Aber vielleicht hat wenigstens Dokutoge seinen Auftrag erfüllt und ihr klar gemacht, dass Arashitsume hinter der ganzen Angelegenheit die Fäden zieht. Er kann es nur hoffen. Doch weiter kommt er mit seinen Gedankengängen nicht, denn schon stürmt sein Bruder erneut auf ihn zu und setzt ihn mit seinen Attacken massiv unter Druck. Yarinuyuki betrachtet das Treiben aufmerksam. So so, Sesshomaru kämpft also gegen seinen Bruder. Entweder er versucht noch immer, ihre Bedingungen zu erfüllen, oder er will einen Zeugen verschwinden lassen. Wenn allerdings der Nishi-aitsu recht hat mit seiner Behauptung, würde das diesem Kampf eine ganz andere Bedeutung geben. Nachdenklich legt sich Yarinuyukis Stirn in Falten. Vielleicht erhält sie hier ja ein paar ihrer begehrten Antworten. Nun ja, das wird sich gleich herausstellen. Mit einem grazilen Sprung nähert sie sich den beiden Kämpfenden; ihr Gefangener verharrt an Ort und Stelle. „Sesshomaru!“, ruft sie mit einem herablassenden Lächeln, „So wie es aussieht, versucht Ihr doch noch zu Eurem Wort zu stehen. Ich hatte schon den Eindruck gewonnen, Ihr hättet Wichtigeres zu tun, als Eure Glaubwürdigkeit zu bestätigen.“ Für einen kurzen Augenblick geht der mächtige Hundekopf in ihre Richtung, doch dann ruckt er gleich wieder zurück und der Daiyoukai weicht einem erneuten Schlag seines Bruders aus. Wütend schnappt er nach dem Hanyou, der seinerseits noch immer alle Mühe hat, aus dem Weg zu springen. Yarinuyuki presst die Kiefer aufeinander. Der Kerl wagt es doch tatsächlich, sie zu ignorieren. Das lässt sie sich nicht bieten! Wenn das so ist, muss sie wohl deutlicher werden. „Wie ich sehe, stimmt es also“, sie stemmt einen Arm in die Seite, „Die Pflege der Beziehungen zwischen den Clans, scheint bei Euch keine große Bedeutung zu haben. Das wirft kein gutes Licht auf Euch, Sesshomaru. Schon gar nicht, wenn man so hört, dass Ihr Euch von einem Streuner beschützen lassen müsst.“ Kaum sind diese Worte verhallt, hält die mächtige Gestalt augenblicklich inne und reißt den Kopf herum. Rotglühende Augen funkeln die Nordfürstin an und der riesige Hund fletscht tödlich die Zähne, von denen noch immer ein gefährlich grünlicher Geifer tropft. Yarinuyuki grinst triumphierend: „Es stimmt also. Ziemlich erbärmlich, findet Ihr nicht?“, doch nun wird sie wieder ernst, „Aber lasst Euch gleich gesagt sein: Der Knabe stand in meinen Diensten und ich werde Euch für seinen Tod zur Verantwortung ziehen! Wirklich eine Schande, dass Ihr es nötigt habt, Euch von irgendwelchen dahergelaufenen Gesetzlosen beschützen zu lassen!“ In eben diesem Moment ertönt ein schauerliches Knurren in Sesshomarus Kehle. Seine Augen leuchten gefährlich auf und im nächsten Augenblick springt er auch schon direkt auf Yarinuyuki zu. Doch die Nordfürstin schaut ihm nur verächtlich entgegen: „Überlegt Euch gut, was Ihr jetzt tut, Sesshomaru!“, meint sie scharf, „Wenn Ihr es tatsächlich wagt einen Zwischenfall herbeizuführen, werden meine Leute Euch gnadenlos niedermachen! Ich hoffe das ist Euch klar!“ Doch der riesige Dämonenhund scheint sie nicht einmal zu hören. Ungebremst stürmt er weiter auf sie zu mit einem grausigen Knurren in der Kehle und mit stechend rotem Blick, bereit alles zu zerfleischen, was ihm zwischen die Kiefer gerät. Und irgendwie dämmert es Yarinuyuki, dass Argumente diesmal bei dem Fürst des Westens keinerlei Effekt haben werden. Ihre Augen weiten sich ein wenig und mit ungläubigem Erstaunen, blickt sie ihm reglos entgegen. Fast schon ist er bei ihr. Da endlich kommt wieder Bewegung in sie. Ihre Augen werden wieder schmal und mit einer geschmeidigen Bewegung zieht sie ihr Schwert: „Wenn das Eure Antwort ist, Sesshomaru, dann kommt nur! Ich werde Euch würdig empfangen!“ Schon reißt die riesige Bestie ihren Rachen auf, um die Daiyoukai mit einem wütenden Schnappen zu verschlingen. Die Nordfürstin jedoch ihrerseits reckt nun kampfbereit das Kinn und entschlossen hebt sie ihre Klinge zum Schlag. Doch nur einen Sekundenbruchteil bevor ihr Hyouamejin niedergeht und die gefährlichen Kiefer sich um sie schließen können, schiebt sich eine rotgekleidete Gestalt zwischen die beiden Kämpfer, fängt den Biss des riesigen Hundes mit der eigenen, hell leuchtenden Klinge ab und packt zur gleichen Zeit mit grimmiger Entschlossenheit das Handgelenk der Nordfürstin und hindert sie so am Schlag. Durch die Wucht des mächtigen Daiyoukais weggedrängt, wird Inu Yasha noch ein ganzes Stück über die Ebene geschoben, samt Nordfürstin, ehe seine in den Boden gepressten Füße der Bewegung ein Ende machen. Wieder wird eine beträchtliche Staubwolke aufgewühlt und verhüllt für einen kurzen Moment den Hanyou vor dem entrüsteten Blick der Fürstin. Dann verziehen sich die Schwaden wieder und nun kann man sehen, wie der Hanyou noch immer, scheinbar mit purer Willenskraft, die mächtige, reißzahnbewehrte Schnauze seines Bruders auf Abstand hält und unter heftigem Keuchen und mit vor Anstrengung zitternden Muskeln, die Nordfürstin davor bewahrt, von Sesshomaru angefallen zu werden. Mit verbissener Miene schaut er nun auf und mit wütendem Blick starrt er die Fürstin an. „Bist du lebensmüde?“, stößt er keuchend hervor, „Misch dich bloß nicht ein, du vorlaute Nervensäge! Ich hab mit ihm schon völlig genug zu tun, auch ohne, dass du ihn noch zusätzlich provozieren musst. Also verzieh dich besser und lass mich das hier alleine regeln!“ Doch schon im nächsten Augenblick hat der riesige Hund sich wieder aufgerichtet und ein weiteres wütendes Schnappen seinerseits zwingt den Hanyou gleich wieder dazu, rasch aus dem Weg zu springen. Im ersten Moment hat Yarinuyuki ihn nur verblüfft angeschaut, doch dann verfinstert sich ihre Miene schlagartig „Wie hast du mich gerade genannt, du kleine Pest?“ Und mit diesen Worten springt sie direkt auf die beiden Kämpfer zu, das Schwert zum Schlag erhoben. Flüchtig nimmt Inu Yasha die Bewegung der Fürstin aus den Augenwinkeln wahr. Na wunderbar! Das fehlte ihm jetzt gerade noch. Gleich zwei Daiyoukai die es auf ihn abgesehen haben. Als wäre der eine nicht schon schlimm genug. Na ja, vielleicht waren seine Worte gerade nicht besonders glücklich gewählt, aber es war nun mal das erste was ihm in der Situation eingefallen war. Den möchte er sehen der im Angesicht messerscharfer Reißzähne und riesiger, geifernder Fänge eine taktvollere Formulierung für „Halt dich da raus!“ gefunden hätte. Und nun hat er die Nordfürstin wohl noch zusätzlich verärgert. So ein Mist! Sesshomaru lässt ihn bereits jetzt schon keine Sekunde zu Atem kommen und wenn sich nun auch noch die Fürstin des Nordens in den Kampf einmischt, hat er wirklich keine Chance, mit dem Leben davon zu kommen. Das Schlimme ist nur, dass nach seinem Tod der Kampf zwischen den beiden Fürsten und damit zwischen den beiden Reichen beginnen wird und eben das sollte ja eigentlich verhindert werden. Verdammt! Was soll er bloß tun? Es scheint als wäre die Nordfürstin im Augenblick noch immer Sesshomarus vorrangiges Ziel und das gilt es erstmal zu verhindern. Mit aller Kraft schlägt Inu Yasha nach der geifernden Schnauze seines Bruders, die immer wieder in Yarinuyukis Richtung schnappt und stellt sich ihm jedes Mal demonstrativ in den Weg, wenn der gewaltige Hund an ihm vorbei will. Im Augenblick kann er ihn noch mit Mühe und Not in Schach halten, doch wie lange noch; die Nordfürstin ist schon fast bei ihm. Yarinuyukis Augen funkeln eisig mit hoch erhobenem Schwert stürmt sie auf den kämpfenden Hanyou zu. Soweit kommt es noch, dass sie sich von so einem niederen Wesen beleidigen lässt. Immerhin ist sie eine Fürstin und jeder der es wagt, ihr gegenüber frech zu werden, büßt das mit seinem Leben! Nein, es steht nicht länger Sesshomaru zu, ihn zu töten. Dieses Privileg wird sie für sich beanspruchen. Und danach ist dieser unverschämte Westfürst dran, der es gewagt hat, sie herauszufordern. Schon hebt sie ihre Waffe zum Schlag. In ihrem Blick liegt tödliche Entschlossenheit. Doch in diesem Augenblick nimmt etwas ganz anderes ihre Aufmerksamkeit in Anspruch. Ihr Kopf ruckt herum und wendet sich dem Saum des Waldes zu. Für einen Moment hält sie verblüfft inne, doch dann verzerrt sich ihre Miene zu grimmigem Ärger. Dieser Bastard! Also hatte der Higashi-aitsu doch recht gehabt und der Fürst des Westens ist tatsächlich auf Krieg aus. In diesem Augenblick tauchen am Rand der Lichtung die Westyoukais auf, unter der Führung von Chitsurao. Die Augen des Vizekommandanten mustern rasch das vor ihm liegende Szenario und rasch versucht er das Geschehen zu erfassen. Wie er es vermutet hatte. Sein Herr befindet sich im Kampf mit seinen Bruder. Anscheinend ist der Hanyou wirklich ein stärkerer Gegner als er bisher angenommen hat. Ihm sind die zahlreichen Wunden seines Herren nicht entgangen. Es muss wirklich ein harter Kampf sein, wenn sein Fürst sogar in seiner wahren Gestalt kämpfen muss. Ein flüchtiger Blick zum Himmel informiert ihn darüber, dass das Ultimatum bereits abgelaufen ist. Vermutlich ist die Fürstin des Nordens deshalb hier, um zu überprüfen, ob der Westen seine Zusagen einhält. Und offensichtlich ist sie mit der aktuellen Situation keineswegs zufrieden. Sie hat bereits beschlossen in den Kampf einzugreifen. Ob sie seinen Herrn für die Nichteinhaltung des Abkommens bestrafen will, oder einfach die Geduld verloren hat und den Hanyou selbst töten will, spielt im Augenblick keine Rolle. Chitsurao weiß, dass er nicht länger tatenlos zusehen kann. Der Hanyou muss beseitigt werden, so schnell wie möglich! Vielleicht lässt sich dann noch ein größeres Blutbad verhindern. Und im schlimmsten Fall werden sie ihrem Herrn gegen die Nordfürstin beistehen. Ein Wink und ein kurzer Blick zu seinen Leuten genügt und sie Westyoukais wissen was sie zu tun haben. Augenblicklich schnellen sie vor, um in den Kampf einzugreifen und den Widersacher ihres Herrn endgültig zu vernichten. Yarinuyuki fletscht die Zähne. Hier steht sie nun allein dem Heer das Westens gegenüber, doch das wird sie in keinster Weise abschrecken. Diese elenden, verlausten Nishi-aitsu werden gleich schmerzlich am eigenen Leib erfahren, was es heißt, sich mit einer Daiyoukai aus dem Norden anzulegen. Sie wird ihre Haut so teuer wie möglich verkaufen und wenn es nach ihr ginge, wird kein einziger dieser stinkenden Köter das Licht des nächsten Tages erblicken. Es kann gar nicht mehr lange dauern, bis ihre eigenen Leute da sind und dann wird sie diese ehrlosen Verräter lehren, sich mit dem Norden anzulegen. Mit halbem Auge nimmt Inu Yasha das Auftauchen der Westyoukais wahr und Yarinuyukis Reaktion darauf. Sie hat sich von ihm abgewandt und blickt jetzt den heranstürmenden Westyoukais entgegen. Eigentlich könnte es ihm ja nur gelegen kommen, dass sie nicht länger versucht, ihn in Stücke zu schneiden, doch das bedeutet auch, dass sie jetzt vermutlich den direkten Weg für einen politischen Zwischenfall bevorzugt, falls sie sich jetzt tatsächlich auf eine Auseinandersetzung mit dem Westheer einlässt. Verdammt! Und er kann das jetzt gerade nicht verhindern. Warum zum Geier greifen diese Deppen sie auch ohne jeden Befehl an? Doch dann dämmert es ihm. Sie greifen nicht Sie an, sondern Ihn! Für sie muss es so aussehen, als ob er gerade ihren Fürsten in Bedrängnis bringt. Inu Yasha lacht einmal bitter auf. Als ob er diesen Kerl tatsächlich in Bedrängnis bringen könnte. Alles was er bisher erreicht hat, ist dass Sesshomaru sich in den letzten Minuten nicht sonderlich viel weiter Richtung Ostpalast bewegt hat. Und selbst das hat ihn bereits einige Rippen gekostet. Und nicht mal das ist wirklich sein Verdienst, sondern eher die Tatsache, dass Yarinuyukis Worte ihn dazu gebracht haben, sie als sein neues Ziel anzusehen. Und nun mischen sich auch noch die Krieger seines Bruders ein und machen die ganze Angelegenheit nur noch komplizierter. Es ist doch wirklich zum Verrückt werden! Müsste er nicht jeden Moment damit rechnen von Sesshomarus Kiefern zermalmt zu werden, könnte er versuchen das Westheer fortzuschicken, doch so sind ihm zu seinem Leidwesen die Hände gebunden. Wenn es doch nur irgendwas gäbe, um die Situation zu entschärfen. Scheinbar gibt es nur eine Lösung. Er muss versuchen, Sesshomaru davon abzubringen, die Nordfürstin anzufallen; notfalls mit Gewalt! Damit zieht er zwar den Zorn des Westheeres auf sich, aber das ist ihm immer noch lieber als ein politischer Zwischenfall zwischen den Clans. Mit den Kriegern seines Bruders kann er sich später noch befassen, Hauptsache die Fürstin des Nordens nimmt nicht länger an, dass die Westkrieger Sie angreifen wollen; und das tut sie gerade, man sieht es ihr an. Dort drüben steht sie mit eisigem Blick, das Schwert zum Angriff erhoben und nun erkennt man auch das kühle Glimmen ihrer Aura die sich bedrohlich um sie legt. Vor ihr die Krieger des Westens die in ihre Richtung stürmen und dabei eigentlich nur ihrem Fürsten gegen diesen lästigen, zähen Hanyou beistehen wollen. Und hier direkt vor ihm lauert noch immer sein Bruder und wartet nur auf eine günstige Gelegenheit, um an ihm vorbeizukommen und die Nordfürstin zu zerreißen. Eine wahrlich verfahrene Situation. Inu Yasha beißt die Zähne zusammen. Verdammt, so hat er sich das Ganze wirklich nicht vorgestellt. Doch ihm bleibt einfach keine Wahl! Grimmig packt er seine Waffe fester. „Du hast es so gewollt!“, murmelt er leise, dann holt er mit seinem Schwert aus und schlägt zu. „Kaze no Kizu!“ Eine heftige, leuchtende Energiewelle fegt über den Platz und nur Augenblicke später wird der riesige Hund aus nächster Nähe davon eingehüllt. Ein heiseres Kläffen schallt über den Platz und dann ist die gewaltige Gestalt erneut in einer dichten Staubwolke verschwunden. Fassungslos sind die Westkrieger für einen Augenblick wie erstarrt stehen geblieben. Doch dann hört man ein vielfaches Grollen aus ihren Kehlen und mit urplötzlich rotleuchtenden Augen und vorgeschobenen Reißzähnen stürmen sie weiter vor. Yarinuyuki sieht sie kommen. Diese tollkühnen Irren! Sie wird ihnen eine gehörige Lehre erteilen. Schon hebt sie ihr Schwert zum Schlag. Kommt nur! Chitsurao sieht es. Die Nordfürstin ist zum Kampf bereit. Sie wird gegen sie kämpfen, das steht außer Frage. Ist der Konflikt bereits ernster als sie wissen? Fürst Sesshomaru hat ihnen noch keinen Befehl zum Rückzug gegeben. Bedeutet das, er billigt ihren Angriff? Um so mehr Grund für sie, ihr bestes zu geben, selbst wenn sie gegen eine Daiyoukai bestimmt kein leichtes Spiel haben werden. Doch nun gibt es kein Zurück mehr. Unaufhaltsam stürmen die Westyoukais der Daiyoukai aus dem Norden entgegen. Nur noch wenige Schritte und der Schlagabtausch beginnt. Doch in genau diesem Moment fegt ein scharfer Wind zwischen den beiden Parteien hindurch und durchkreuzt rigoros den Weg der Angreifer, wobei sich auf dem Boden eine deutlich sichtbare Furche in die Erde gräbt. Und im nächsten Moment steht an eben dieser Stelle eine Person. Sie ist hoch aufgerichtet und versperrt den heranstürmenden Westyoukais den Weg. „Auf der Stelle stehen bleiben!“, wettert eine laute, autoritäre Stimme und rotleuchtende Augen fixieren die Westkrieger unerbittlich. Ein wenig irritiert verringern die Westkrieger ihre Geschwindigkeit. Irgendetwas an dieser Stimme kommt ihnen vertraut vor und zwingt sie zum Gehorsam. Verwirrt mustert Chitsurao den Neuankömmling. Doch dann weiten sich seine Augen und er bleibt stehen. „Dokutoge-sama?“, fragt er verblüfft. Nun wo sich der Staub etwas verzogen hat, ist der Youkai deutlicher zu erkennen. Mit bleichem Gesicht und verkrampfter Miene steht Dokutoge da. Auch wenn er sich bemüht, Würde zu bewahren, sieht man wie seine Glieder vor Anstrengung zittern. Sein Atem geht stoßweise und sein Schwert liegt nur kraftlos in seiner Hand. Nun wendet er sich an Chitsurao. „Ruft sie auf der Stelle zurück!“, bringt er so energisch wie möglich hervor, „Kein Angriff!“ Zu lange schon ist Chitsurao es gewohnt, den Befehlen seines Vorgesetzten zu gehorchen. Ein Wink und ein Blick genügt und die Westkrieger halten, wenn auch etwas zögernd, inne. Chitsurao mustert seinen Hauptmann kritisch. Er sieht äußerst mitgenommen aus und nur noch die pure Willenskraft scheint ihn auf den Beinen zu halten. Offenbar ist inzwischen einiges vorgefallen von dem er nichts weiß und angesichts der momentanen Situation wäre es wichtig zu wissen was. „Was hat das zu bedeuten?“, den Ärger in seiner Stimme kann Chitsurao nicht völlig verbergen, „Sesshomaru-sama wird angegriffen. Was für ein Spiel spielt Ihr da Dokutoge-sama?“ Der ehemals so stattliche Westkrieger atmet schwer. Mit erschöpftem Blick schaut er zu seinem Vizehauptmann hinüber. „Chitsurao-sama, tut einfach was ich Euch sage. Ihr habt keine Ahnung was hier vor sich geht.“ Mit einer wütenden Geste zeigt Chitsurao in die Richtung in der gerade noch Sesshomaru und sein Bruder gekämpft haben und die noch immer von einer Staubwolke eingehüllt ist. „Der Hanyou greift unseren Fürsten an. Es ist unsere Pflicht, ihm beizustehen. Verdammt, besitzt Ihr denn überhaupt keine Ehre?“ Für einen Moment hängen diese Worte schwer in der Luft. Die Westkrieger halten teilweise den Atem an. Nie zuvor hat sich Chitsurao so verächtlich über ihren Hauptmann geäußert. Auch wenn sie wissen, dass Dokutoge nicht die freundlichsten Gefühle für ihren Fürsten hegt, so hat er doch bisher stets treu seine Pflicht getan und ihm gedient. Warum er jetzt befiehlt, ihn im Stich zu lassen, ist für sie unbegreiflich. Trotzdem verwundert sie der offene Ausbruch ihres Vizehauptmanns und im Augenblick wissen sie nicht recht, was sie davon halten sollen. Einen langen Moment schaut der angeschlagene Hauptmann seinen ersten Untergebenen an. Dann sagt er müde: „Chitsurao-sama, in den vergangenen Stunden hat sich viel verändert. Ihr müsst mir glauben, wenn ich sage, dass dies alles nur zum Wohle des Reiches dient.“ „Indem Ihr Sesshomaru-sama seinem Bruder und dem Feind preisgebt?“, fragt Chitsurao empört zurück, „Wie soll das dem Wohle des Reiches dienen?“ Doch Dokutoge kommt nicht mehr dazu zu antworten. In diesem Augenblick trifft ihn ein heftiger Schlag in den Rücken und mit schmerzverzerrtem Gesicht knicken ihm die Knie ein. Direkt hinter ihm steht mit erhobenem Haupt und zorniger Miene Yarinuyuki und ihre blutigen Klauen sind noch immer zum Schlag erhoben. „Du Hund!“, grollt sie tödlich, „Wie kommst du hierher?“ Sofort scheint aller Zwist zwischen den Westyoukai vergessen zu sein. Ihr Hauptmann wurde angegriffen und das werden sie nicht dulden. Mit bedrohlichem Knurren kommen die Krieger auf die Nordfürstin zu. „Stehen bleiben! Niemand mischt sich ein!“, rau fliegt der Schrei über die Lichtung. Mit großer Mühe stemmt sich Dokutoge wieder hoch. Widerwillig verharren die Krieger wo sie sind. Nun wendet sich der verwundete Youkai zu Yarinuyuki um. Ein weiterer Schlag der Fürstin trifft ihn; diesmal ins Gesicht. Wieder zucken die Westkrieger zusammen, doch ein erneutes „Halt!“ ruft sie zur Ordnung. Wieder schlägt sie zu und dieses Mal trifft sie sein Gesicht so hart, dass er mehrere Schritte fortgeschleudert wird. Schwach hebt Dokutoge den Kopf und blickt hinauf in ihr zorniges Gesicht. Er spuckt einen Schwall Blut aus. „Ich verdiene Euren Zorn, Yarinuyuki-sama“, sagt er, „Ihr habt alles Recht, mich zu bestrafen.“ Nun steht sie über ihm. „Deinetwegen, werde ich nun einige meiner besten Krieger umbringen müssen, du Bastard!“, zischt sie voll unterdrückter Wut. „Ich bedaure das sehr, edle Fürstin!“, gibt er schwach zur Antwort. „Lügner!“, ruft sie ungehalten, „Du bist doch bloß hier um deinen Herrn zu warnen, dass ich ihn durchschaut habe!“ Dokutoge schüttelt den Kopf: „Nein, edle Fürstin! Das ist nicht der Grund.“ Mit grobem Griff packt sie ihn und zerrt ihn zu sich hoch. Ihre Augen leuchten unheilverkündend. „Sesshomaru wollte einen Zwischenfall. Er wollte einen Grund für den Krieg. Deshalb hat er sein Heer hierher gebracht! Deshalb hast du versucht mich mit deinen Lügen in Sicherheit zu wiegen. Deshalb hat er gerade versucht mich anzugreifen und deshalb werde ich jetzt kurzen Prozess mit ihm machen!“ Dokutoge erwidert ihren gnadenlosen Blick. „Ihr seid im Irrtum, Yarinuyuki-sama! So ist es nicht!“ Ihr Griff wird fester und ihre Klauen graben sich tief in sein Fleisch. „Noch mehr Lügen!“, zischt sie, „Es reicht!“ „Yarinuyuki-sama!“, erwidert Dokutoge drängend, „Erinnert Euch! Bedenkt, warum Ihr vorhin gewillt ward, meinen Worten zu glauben.“ Er weist mit dem Kopf in die Richtung in der sich die beiden kämpfenden Brüder des Westens befinden. „Es ist nicht so wie Ihr annehmt!“ „Vielleicht hätte ich dir geglaubt, wenn du nicht vor meinen Wachen geflohen wärst, Köter!“, zischt sie wütend, „Und ich bin sicher, dass dir das klar gewesen ist.“ Dokutoge beißt die Zähne aufeinander. Gequält schlägt er die Augen nieder. „Dafür gab es einen Grund, edle Fürstin.“ Ihr Gesicht kommt näher an seines. Noch immer hält ihr stählerner Griff ihn in der Luft: „Was könnte wichtiger sein, als die Glaubwürdigkeit deines Herrn zu bewahren? Allein schon für diesen Treueverrat sollte ich dich töten. Jemand wie du verdient es nicht zu leben!“ „Lasst mich erklären, edle Fürstin!“, drängend schaut er sie an, „Hört mich noch ein letztes Mal an und dann tut mit mir was Ihr wollt!“ Yarinuyuki beißt hart die Kiefer aufeinander und ihre Hand zittert vor Wut. „Ich habe genug gehört!“, grollt sie, „Die Zeit des Redens ist vorbei!“ „Selbst wenn Ihr mir nicht glaubt und mich jetzt tötet, werdet Ihr nie erfahren, ob es wirklich so ist wie Ihr annehmt“, erwidert Dokutoge hastig, „Meine Gehorsamsverweigerung wird Euch keine Bestätigung für eine der Geschichten geben. Riskiert keinen Krieg ohne eindeutige Beweise!“ Für einen Augenblick scheint sie schwer mit sich zu ringen und ihre Kiefer mahlen. Dann zischt sie: „Ich werde die Beweise erhalten auch nach deinem Tod.“ Mit diesen Worten schleudert sie ihn zu Boden. Nur eine kleine Geste mit ihrer Hand und ihr vorhin beiläufig beiseite geworfener Gefangener schwebt nun wieder zu ihr hinüber und verharrt direkt hinter ihr. Ein leises Raunen geht durch die Reihen der Westkrieger als sie den Youkai in ihrem Gewahrsam erkennen. Dokutoge kniet auf dem Boden vor ihr und hält sich die blutenden Brust. Sein Atem geht rasselnd und sein Gesicht ist schmerzverzerrt. „Von ihm werde ich alles erfahren, was ich wissen muss“, sagt Yarinuyuki entschieden und nickt kurz in seine Richtung. „Und was werdet Ihr dann mit ihm tun, Yarinuyuki-sama?“, Dokutoges Stimme ist schwach. Verächtlich blickt sie auf ihn hinab. „Das sollte dir klar sein, Kerl! Warum soll ich ihn am Leben lassen, wenn er nicht länger von Nutzen ist für mich?“ Dokutoge keucht vernehmlich und seine Faust verkrampft sich. „Tut das nicht, edle Fürstin!“, stößt er hervor. „Schweig!“, herrscht sie ihn an, „Sag mir nicht, was ich tun oder zu lassen habe! Wenn es stimmt was du sagst, dann ist er ein Verräter und etwas anderes als den Tod hat er nicht verdient. Selbst euer Herr würde ihn dafür töten, was er getan hat. Und im Augenblick ist er mein Gefangener und ich werde es ganz bestimmt tun!“ Nun blickt Dokutoge zu ihr auf. Sein Gesicht ist bleich und blutverschmiert. Schweiß steht ihm auf der Stirn und in seinen blass-gelben Augen liegt tiefer Schmerz. „Yarinuyuki-sama...“, sagt er leise, „ich weiß, ich habe kein Recht auch nur irgendetwas von Euch zu fordern, doch ich bitte Euch, verschont sein Leben!“ Ein erneutes Raunen wird unter den Westkriegern laut. Was hat das zu bedeuten? Viele von ihnen kennen den Hintergrund von Kossoridokus Verschwinden damals, auch wenn niemand es wagt, dies laut vor ihrem Hauptmann anzusprechen. Für einen Moment, schaut die Nordfürstin lediglich verächtlich auf ihn hinab, doch dann macht sie zornig einen Schritt zurück. „Ich bin es Leid, dein Gefasel zu hören!“ Grob packt sie die Haare ihres Gefangenen und reißt sie ruckartig hoch. „Diese Kreatur wird für mich lediglich noch so lange von Bedeutung sein, bis ich alles von ihr erfahren habe was ich zu der aktuellen Situation wissen muss. Mehr ist sie für mich nicht wert!“ „Aber... für mich!“, kommt die leise Antwort von Dokutoge. Hart erwidert Yarinuyuki seinen Blick. Ihre Finger verkrampfen sich unter ihrem Griff. „Törichter Idiot! Kannst du es nicht sehen?“, sie reißt erneut Kossoridokus Kopf hoch; der Blick des gefangenen Westyoukais wirkt noch immer teilnahmslos benebelt und scheint ins Leere zu gehen. Ärgerlich packt Yarinuyuki seinen Kiefer. „Auch wenn sein Herz noch schlägt, in diesem Köter ist längst kein Leben mehr. Er ist gebrochen und sein Geist ist zerstört. Der Tod wäre wahrlich noch eine Gnade! Als Spion wird er nie wieder taugen und wenn es stimmt was du sagst, dann hat er seine Fürsten und sein Reich schmählich verraten. Was kann er dir also wert sein?“ Dokutoge presst die Kiefer aufeinander und kneift die Augen zu. „Er... ist mein Sohn!“ Lieblos lässt die Nordfürstin Kossoridokus Kopf los. Dann kommt sie wieder bedrohlich auf Dokutoge zu. „Du stellst also deinen Sohn über Fürst und Reich? Was für ein erbärmlicher Haufen von Verrätern seid ihr Nishi-aitsu doch!“ Nun blickt Dokutoge auf. „Nein!“, stellt er mit schwacher Stimme klar, „Ich stelle meinen Sohn nicht über meine Pflicht meinem Fürsten gegenüber. Aber ich kann einfach keine Chance ungenutzt lassen, um ihm das Leben zu retten.“ Sein Gesicht ist voller Qual. „Ja, er ist ein Verräter und hat große Schande auf sich und seine Familie geladen. Er hat sogar dazu beigetragen, einen Krieg zwischen den Clans heraufzubeschwören und dafür mit Sicherheit den Tod verdient, aber...“, sein Blick geht hinüber zu dem reglosen Kossoridoku, „er ist trotz allem mein Sohn.“ Sein leidvoller Blick geht wieder zurück zu Yarinuyuki. „Es ist wahr. Kein Vater sollte sein Kind im Stich lassen! Und ich bringe es ebenfalls nicht fertig!“ Mit wildem Blick und verbissenen Kiefern starrt Yarinuyuki auf ihn hinab. Ihre Hand krampft sich schmerzhaft um ihren Schwertgriff und sie schnauft vernehmlich. Es scheint als ringe sie gerade schwer mit sich selbst. Einen ganzen Moment lang verharrt sie so. Dann quetscht sie hervor: „Du bist solch ein Narr! Glaubst du, das ändert noch etwas an meinem Entschluss? Sobald ich alles erfahren habe was ich wissen muss, wird sein Leben nicht länger von Nutzen sein! Auf Sentimentalitäten kann ich keine Rücksicht nehmen.“ Nun richtet Dokutoge sich wieder ein Stück auf und seine Miene lässt keinen Zweifel an seiner Ernsthaftigkeit zu. „Dann bitte ich Euch, tötet mich an seiner statt! Verhört ihn und bringt in Erfahrung was immer Ihr müsst, aber verschont sein Leben! Dass aus ihm das wurde, was er heute ist, ist auch mein Verschulden und ich bin bereit, dafür die Verantwortung zu übernehmen! Wenn Ihr jemanden bestrafen wollt, dann mich! Gebt ihn frei!“ Nach diesen Worten liegt für einige Augenblicke gespanntes Schweigen über der Lichtung. Die Westyoukai können nicht glauben und noch weniger verstehen was ihr Hauptmann da von sich gibt, doch niemand wagt es, Einspruch zu erheben. Sie sind viel zu gespannt darauf welche Wendung diese Ereignisse noch nehmen werden. Die Fürstin des Nordens durchbohrt ihn noch immer mit grimmigen Blicken. Das Schwert in ihrer Faust zittert leicht vor Anspannung. Ihre Kiefer mahlen. Schließlich schnaubt sie verächtlich auf: „Wie ich schon sagte, du bist ein Narr! Die Sorge um deinen Sohn scheint dich offenbar deiner Vernunft beraubt zu haben, da du sogar dein Leben gegen das seine eintauschen willst, ungeachtet dessen, was das womöglich für deinen Ruf oder den deines Fürsten bedeuten würde. Was für ein törichtes und sinnloses Unterfangen!“ Dokutoges Körperhaltung versteift sich. Einen kurzen Moment hält er inne, doch dann atmet er einmal durch und hebt langsam den Kopf. Sein Blick ist unverwandt auf die Nordfürstin gerichtet. Seine Miene ist betrübt, doch in seinen Augen liegt etwas drängendes, das nur schwer zu deuten ist. Dann sagt er: „Das mag sein. Doch ich versichere Euch, der Verlust eines Kindes, kann einen Vater noch zu ganz anderen Dingen treiben!“ Yarinuyuki erstarrt. Ungläubig schaut sie auf den vor ihr knienden Youkai herab. Für einen langen Moment rührt sie keinen Muskel und es ist ihr fast anzusehen wie angestrengt es in ihren Gedanken arbeitet. Ihr Gesicht spiegelt eine Vielzahl an Emotionen wieder und nicht wenige davon beschäftigen sich mit der sofortigen Exekution des vor ihr knienden Westyoukai. Doch noch ehe sie mit sich zu einer Einigung kommt, werden ihre Gedankengänge jäh unterbrochen durch eine enorme Erschütterung des Bodens und das wilde Aufflammen einer mächtigen Aura hinter ihnen. Ruckartig dreht sie sich um, alle Muskeln und Sinne alarmbereit angespannt. Ein Stück entfernt erhebt sich gerade mit einem unheilvollem Geknurre eine riesige Gestalt, stößt ein trommelfellzerfetzendes Kläffen aus und im nächsten Augenblick macht sie schon kehrt und läuft mit beunruhigendem Tempo direkt in die Richtung des Ostpalastes; unmittelbar gefolgt von einer kleineren, rotgekleideten Gestalt. Für einen kurzen Moment hält Yarinuyuki überrascht inne, doch dann legt sich ihre Stirn nachdenklich in Falten und sie wendet sich von Dokutoge ab. Nur eine kurze Fingerbewegung, lässt ihren Gefangenen erneut auf gewohnter Höhe hinter ihr schweben. Dann steckt sie ihr Schwert ein und will sich daran machen, die gleiche Richtung wie die beiden Verschwundenen einzuschlagen. Doch sie hat kaum zwei Schritte unternommen, als auch schon Dokutoge ihr mit entschlossener Miene den Weg versperrt. Der Youkai scheint am Ende seiner Kräfte zu sein, doch der pure Wille hält ihn noch auf den Füßen und gibt ihm die Energie, der Nordfürstin zu trotzen. „Lasst ihn gehen!“, keucht er erschöpft jedoch entschieden, „Er ist nicht Euer Feind!“ Doch zu seiner Überraschung ist Yarinuyukis Miene diesmal völlig ausdruckslos. Schweigend blickt sie ihn an. Dann sagt sie: „Geh mir aus dem Weg!“ Ein wenig irritiert blickt Dokutoge drein, doch er rührt sich nicht vom Fleck. Yarinuyukis Stimme wird geringfügig schärfer: „Geh aus dem Weg! Du hast deine Schuldigkeit getan. Alles weitere betrifft dich nicht.“ Zögernd behält Dokutoge sie im Auge, doch er macht keine Anstalten, Platz zu machen. Mit eleganter Bewegung umschließt die Nordfürstin den Griff ihres Schwertes, zieht es aus der Scheide und streckt ihm dann demonstrativ die Waffe entgegen. Abschätzend betrachtet der Westyoukai seine Gegenüber. Ihre Wut scheint gänzlich verraucht zu sein. Lediglich kühle Berechnung liegt noch in ihrem Gesicht und es scheint, als hätte sie nun eine Entscheidung getroffen. Und eben diese Entschlossenheit ist es, die Dokutoge schließlich dazu bringt, einen Schritt beiseite zu treten und ihr den Weg freizugeben. Unmittelbar darauf setzt sie sich in Bewegung und schlägt auf direktem Weg die Richtung zum Ostpalast ein, ihren Gefangenen noch immer im Schlepptau hinter sich herschweben lassend. Wenige Augenblicke später ist sie zwischen den Bäumen verschwunden. Eine kurze Weile blickt Dokutoge ihr hinterher doch dann, als sie nicht länger zu sehen ist, geben letztlich seine Beine nach und er sackt kraftlos in sich zusammen. Rasch tritt Chitsurao an ihn heran und schaut mit leicht verstimmter Miene auf ihn herunter. Er schnaubt einmal vernehmlich auf. „Würdet Ihr mir vielleicht endlich mal erklären, was hier vor sich geht? Was hat das alles zu bedeuten? Was soll das Ganze, verdammt noch mal? Warum dürfen wir Sesshomaru-sama nicht beistehen, was wirft die Fürstin ihm vor und was zum Teufel hat Kossoridoku mit der ganzen Sache zu tun?“ Dokutoge atmet schwer. Mit zittrigen Fingern wischt er sich den kalten Schweiß von der Stirn. Dann blickt er zu seinem Untergebenen hoch. „Das ist eine komplizierte Angelegenheit. Zu kompliziert im Augenblick. Jetzt ist es erst mal unsere Aufgabe, unsere Soldaten zu Arashitsumes Palast zu bringen, um Sesshomaru-sama Rückendeckung zu geben.“ „Auf einmal?“, ereifert sich Chitsurao ungehalten, „Eben sollten wir uns noch heraushalten. Wisst Ihr überhaupt noch was Ihr tut?“ Mit Mühe und Not kommt Dokutoge wieder auf die Füße. Sein Gesicht ist schneeweiß und seine Augen haben eine wässrige Farbe. „Ich werde Euch unterwegs über alles Nötige in Kenntnis setzen. Doch jetzt haben wir keine Zeit zu verlieren. Vertraut mir...!“ Mit diesen Worten knicken ihm unwillkürlich wieder die Beine weg. Doch Chitsurao ist schneller. Mit raschem Griff, hat er seinen Kommandanten vor dem Sturz bewahrt und hält ihn nun mit sicherem Griff auf den Beinen. Ein wenig seufzend schüttelt er den Kopf. „Also auf diese Erklärung bin ich wirklich gespannt.“ Kapitel 52: Mit allen Mitteln ----------------------------- Flinke Füße huschen durch das Unterholz des Waldes. Ihr Ziel ist der Ostpalast. Wenn es nach Itakouri ginge, würde er das Ziel lieber später als früher erreichen. Aber es geht nicht nach ihm und genau das ist das Problem. Die ganze Zeit über schimpft er nun schon in sich hinein. Doch es hilft leider nichts. Diese beiden Streuner aus seiner Heimat haben ihm einfach keine Wahl gelassen. Wenn er mit dem Leben davon kommt, kann er wahrlich noch von Glück reden. Inu Taihyouga hätte ihn ohne zu zögern getötet dafür, dass er seine Aufgabe nicht erfüllt hat und dabei wären ihm die Gründe völlig egal gewesen. Allerdings ist es diesmal nicht Inu Taihyouga vor dem er sich für sein Versagen verantworten muss, sondern dessen Tochter. Es fällt Itakouri recht schwer die junge Daiyoukai einzuschätzen. Sie wirkt meist sehr aufbrausend aber in den vergangenen Stunden hat ihn immer mehr die Vermutung beschlichen, dass das eher ein Zeichen für Unsicherheit ist, und dass sie eigentlich gar nicht genau weiß was sie tun soll. Das bedeutet natürlich nicht, dass sie ihn verschonen wird, aber ganz offensichtlich lässt sie sich wesentlich leichter von Argumenten beeindrucken als ihr Vater und auch wesentlich leichter dadurch umstimmen. Vermutlich könnte er sich sogar bei ihr aus seinem Dilemma herausreden, aber das wäre einem Nordyoukai unwürdig. Nein, er wird nicht versuchen, ihre Schwäche auszunutzen und sich aus seiner Verantwortung stehlen. Stattdessen ist er lieber sauer auf Samushi, der ihm die ganze Suppe erst eingebrockt hat. Der ehemalige Nordhauptmann läuft direkt vor ihm. Sein Tempo ist unverändert aber gelegentlich nimmt Itakouri wahr, dass der Streuner leicht wankt. Seine Verletzungen scheinen stärker zu sein, als er sich anmerken lassen will. Itakouri kann sich nicht helfen, aber er ist ungewollt beeindruckt von dem starrköpfigen Youkai, der es gewagt hat, einer wütenden Daiyoukai die Stirn zu bieten und dabei nicht ein Stück von seinen Prinzipien abgewichen ist. Itakouri weiß nicht recht ob er ihn bewundern oder verwünschen soll. Seinetwegen ist er nun in dieser äußerst ungünstigen Lage. Und dennoch sagt ihm sein Instinkt, dass dieser Kerl nur die besten Absichten gehabt hat. Die Frage ist, ob es das irgendwie besser macht. Der Ostpalast ist inzwischen nicht mehr allzu weit entfernt. Nur noch wenige Minuten Galgenfrist, denn ihre Fürstin wird bestimmt schon dort angekommen sein. Was sie dann dazu sagen wird, mag er sich gar nicht erst ausmalen. Doch auf einmal hebt er den Kopf und horcht auf. Nur eine Sekunde lang hält diese Überraschung an, dann bleibt er stehen. Offensichtlich haben die beiden Streuner vor ihm das Selbe wahrgenommen. Auch sie verlangsamen ihren Schritt und halten schließlich an. Langsam wenden sie sich zu ihm um und Itakouri verzieht sein Gesicht zu einem hämischen Lächeln. „Schau an, wer hätte das gedacht.“, meint er genüsslich, „Es scheint, das Blatt hat sich gewendet.“ Die beiden Streuner erwidern nichts darauf, sondern sehen sich nur etwas missmutig an. Und im gleichen Moment tauchen aus dem Gebüsch vor ihnen ein Trupp von etwa zehn Nordyoukais auf. Ihr Anführer blickt zu Itakouri hinüber. „Du hast die Streuner erwischt, Itakouri?“ Es ist mehr eine Feststellung als eine Frage. Ein wenig verstimmt schnaubt dieser auf. „Stell nicht so blöde Fragen, sondern nehmt ihnen gefälligst die Waffen ab!“ Zwar zögern die Krieger für einen kurzen Moment doch dann tun sie wie ihnen befohlen. Erstaunlicherweise leisten die beiden Streuner diesmal keinerlei Gegenwehr. Nur wenige Sekunden verstreichen und beide werden von je zwei kräftigen Soldaten flankiert. Triumphierend baut sich Itakouri vor Samushi auf. Dieser wirft ihm nur einen vernichtenden Blick zu. Itakouri lächelt unheilvoll. Ganz dicht kommt er an sein Gesicht heran: „Ich finde es sehr praktisch, dass du deine Chancen so klar erkannt hast, das erspart mir eine Menge Mühe.“ „Na los doch!“, zischt Samushi ihn an, „Du möchtest doch sicher Vergeltung für deine Demütigung. Ich hab dir nach allen Regeln der Kunst den Arsch versohlt und dich dazu gebracht deine Befehle zu missachten. Ich an deiner Stelle würde mir das bestimmt nicht gefallen lassen. Jetzt hast du ja die Chance dich zu rächen und unter diesen Umständen könntest du vielleicht sogar damit Erfolg haben. Worauf wartest du also noch?“ Itakouri knurrt zwischen zusammengebissenen Kiefern. Dann sagt er grimmig: „Das hättest du wohl gerne. Doch bedauerlicherweise lege ich im Gegensatz zu dir Wert darauf, die Befehle meiner Fürstin zu befolgen. Wenn du Prügel willst, wirst du dich wohl noch ein bisschen gedulden müssen.“ Dann richtet er sich wieder auf und blickt in die Runde. Das Blatt hat sich wohl wirklich zu seinen Gunsten gewendet. Wirklich ein Glück, dass sie ausgerechnet einer ihrer Einheiten begegnet sind. Somit kann er seiner Fürstin gegenüber sein Gesicht behalten und hat nicht gegen ihre Befehle verstoßen. Vielleicht kommt er doch noch mal davon. Zum Ostpalast muss er zwar immer noch, aber zum Glück nicht länger in dieser würdelosen Position. „Also gut! Es geht zur Festung der Higashi-aitsu. Und wenn ihr mir diese Typen entkommen lasst, mache ich euch höchstpersönlich einen Kopf kürzer!“ Inu Yasha läuft was seine Lungen hergeben. Nun viel ist es nicht. Zumindest war es schon mal mehr. Sein Atem rasselt und ihm ist ein wenig schummerig weil er dank seiner gebrochenen Rippen nicht genug Luft für diesen kleinen Sprint hier bekommt. Innerlich schimpft er hingebungsvoll auf seinen Bruder der nach seiner letzten Attacke den Weg zum Ostpalast wieder aufgenommen hat. Nun ja, ein Gutes hatte dieses letzte Kaze no Kizu gehabt. Sesshomaru ist langsamer geworden. So langsam, dass Inu Yasha ihm, wenn auch mit etwas Mühe, folgen kann. Der mächtige Daiyoukai verfolgt noch immer unbeirrt sein Ziel, aber er scheint gelegentlich leicht zu schwanken und er zieht eine nicht unbeträchtliche Blutspur hinter sich her. Inu Yasha schüttelt innerlich den Kopf. Dieser Idiot! Das letzte Kaze no Kizu hat ihn ziemlich direkt getroffen. Entweder konnte oder wollte er ihm nicht ausweichen. Daraufhin war er zu Boden gestürzt und schnaufend liegen geblieben. Inu Yasha hatte schon die Hoffnung gehabt, ihn endlich bezwungen zu haben, doch leider war ihm nicht viel Zeit zum Verschnaufen geblieben. Nach einigen bangen Momenten hatte sich der riesige Hund wieder hochgestämmt, sich umgedreht und seinen Vergeltungsplan wieder aufgenommen. Nur die Tatsache, dass er offenbar schon recht angeschlagen war, hatte Inu Yasha die Möglichkeit gegeben, ihn wieder einzuholen. Inzwischen ist er beinah wieder auf einer Höhe mit ihm und der Ostpalast befindet sich schon fast in Sichtweite. Jetzt aus der Nähe kann Inu Yasha die Verletzungen seines Bruders deutlich erkennen. Unzählige Schnittwunden verunstalten sein makellos weißes Fell und dicke Blutstropfen fallen aus ihnen zu Boden und hinterlassen eine makabere Spur. Nun hat Inu Yasha ihn eingeholt. Ein Blick in die riesigen rotglühenden Augen seines Bruders bestätigen seinen Verdacht. Sesshomarus Zorn ist noch immer ungebrochen. Mit gefletschten Kiefern rennt er weiter vorwärts, dem Ziel seines Hasses entgegen. Mit zwei weiteren Sprüngen, schafft Inu Yasha es, sich wieder vor ihn zu setzen. Entschlossen schlägt er mit Tessaigas Klinge nach der Schnauze seines Bruders, der daraufhin reflexartig zurückzuckt. „Bleib endlich stehen, du sturer Vollidiot!“, schnauft Inu Yasha ärgerlich. Sesshomaru tänzelt gefährlich von einer Pfote auf die andere und knurrt bedrohlich, doch Inu Yasha weicht keinen Schritt zurück und behält ihn wachsam im Auge. „Ich warne dich, Sesshomaru!“, sagt er grimmig, „Eher bring ich dich um, als dass ich zulasse, dass du noch einen Schritt weiter in Richtung Ostpalast machst!“ Der riesige Hund starrt ihn unheilvoll an und duckt sich dann wie zum Sprung. „Wag es ja nicht!“, knurrt Inu Yasha, „Das war keine leere Drohung!“ Er packt Tessaiga fester. Dieser elende Sturkopf! Immer muss er seinen Willen durchsetzen. Dabei war er es doch die ganze Zeit, der versucht hat, einen Krieg zu vermeiden. Und jetzt kennt er nur noch Rache. Nun gut, verständlich ist es ja irgendwie, wenn man von der Annahme ausgeht, dass Sesshomaru tatsächlich zu liebevollen Gefühlen fähig ist. Inu Yasha beißt die Zähne zusammen. Sein Bruder ist noch immer zum Sprung bereit und lässt ein gefährliches Knurren vernehmen. Vergeltung scheint das Einzige zu sein, was ihn noch treibt. Er scheint so von seiner Rache besessen zu sein, dass er zu keinem klaren Gedanken mehr in der Lage ist. Argumente werden hier nicht weiterhelfen. Nicht mal seine vielen Verletzungen scheinen ihm etwas auszumachen, es ist fast als würde er sie gar nicht wahrnehmen. Doch Inu Yasha kennt seinen Bruder besser. Der Daiyoukai ist schwer verletzt und der enorme Blutverlust zehrt bereits an seinen Kräften. Ist er wirklich bereit das zu riskieren nur um an Arashitsume Rache zu üben? Wie tief müssen dann erst seine wahren Verletzungen sein. Inu Yashas Miene verfinstert sich. Arashitsume du Monster! Das wirst du mir bitter büßen! Wenn Sesshomaru dich nicht erledigt, dann werde ich mit dir kurzen Prozess machen, verlass dich drauf! Doch hier gilt es erstmal noch einen internationalen Zwischenfall zu verhindern. Inu Yasha lässt seinen Bruder nicht aus den Augen. Roter Schaum läuft ihm über die Lefzen und seine Augen leuchten unheilverkündend. Bis zum Angriff mögen vielleicht noch Sekunden vergehen. Voll konzentriert blickt Inu Yasha in die großen, rotleuchtenden Augen seines Bruders, jederzeit den Angriff erwartend. Doch unter all dem Hass und all dem Wahnsinn erkennt er auch noch etwas anderes, etwas Unabwendbares und Inu Yasha ist sich nicht sicher, so etwas schon mal bei seinem Bruder gesehen zu haben. „Verdammt, was hast du bloß vor, Sesshomaru?“, murmelt er kaum hörbar. Er kann seinen Bruder einfach nicht verstehen. Seit Tenmarus Tod benimmt er sich nun schon so unberechenbar, dass man einfach gar nicht mehr aus ihm schlau wird. Gut, er hat seinen Sohn verloren und vor kurzem erst die Liebe seines Lebens, wie es aussieht. Aber bei dem was er jetzt tut, würde für den normalen Sesshomaru eine „Überreaktion“ noch eine Untertreibung bedeuten. Alle Ideale so plötzlich über Bord zu werfen, alles zu gefährden wofür er und seine Vorfahren so hart gekämpft haben. Sich ganz seinen Rachegefühlen hingeben, das passt einfach nicht zu ihm. Wenn mir das passieren würde... Ich glaube nicht, dass ich um jeden Preis Rache wollen würde. Inu Yasha seufzt innerlich. Aber wir beide sind eben doch verschieden. Ich bin nun mal nicht Sesshomaru. Ich würde vermutlich eher... Doch weiter kommt er nicht, denn plötzlich geht alles ganz schnell. In genau diesem Moment stößt sich der mächtige Daiyoukai mit einem grimmigen Knurren vom Boden ab, um sich auf den Hanyou vor ihm zu stürzen. Doch im gleichen Moment hebt Inu Yasha reflexartig sein Schwert und schlägt zu. Ein tiefer Schnitt zieht sich über Sesshomarus Vorderpfote, doch statt sich geschickt abzufangen, stürzt der riesige Körper mit einem erneuten Aufjaulen schwer zu Boden, und begräbt den Hanyou unter sich. Ein paar Sekunden lang rührt sich nichts, doch dann langsam rappelt sich Sesshomaru schwerfällig wieder auf. Er macht ein paar unbeholfene Schritte und bleibt dann leicht schwankend stehen. Es scheint als müsse er sich erstmal wieder etwas sammeln. Wer sich ebenfalls sammeln muss, ist Inu Yasha. Der niedergewalzte Hanyou liegt ausgestreckt auf dem Boden und schnappt schwerfällig und vernehmlich nach Luft. In seinem Kopf kreist alles und er fühlt sich benommen. Sein ganzer Körper schmerzt höllisch und er ist nicht imstande auch nur einen Finger zu rühren. Allein das Atmen tut schon weh und er muss kämpfen um nicht das Bewusstsein zu verlieren. „Verdammt...!“, entfährt es ihm. Zu mehr ist er im Moment nicht imstande. Durch den roten Nebel in seinem Kopf versucht er einen klaren Gedanken zu fassen und seinen Körper einer Überprüfung zu unterziehen. Mehrere Rippen scheinen gebrochen zu sein, ebenso wie sein rechter Arm. Und seine linke Schulter, wie auch rein rechtes Knie, sind ausgerenkt. „Verdammt!“, stößt er erneut hervor, diesmal allerdings aus Frustration. Es ist völlig aussichtslos, dass er den Kampf auf diese Weise fortsetzen kann. Wie verzehrende Flammen walzt Welle um Welle von Schmerz über seinen gepeinigten Körper und es fällt ihm immer schwerer Luft zu holen. Tessaiga liegt nur noch kraftlos in seiner zertrümmerten Hand. Erschöpft schließt Inu Yasha die Augen. Ich hab es nicht geschafft. Ich konnte meine Aufgabe nicht erfüllen. So ein verdammter Mist! Ich hätte ihn aufhalten müssen. Ich hätte gleich zu Beginn Ernst machen müssen. Nun ist es zu spät. Er wird Arashitsume angreifen, auch wenn ich nicht glaube, dass er es noch schafft, zu gewinnen. Dafür habe ich gesorgt. Ich habe einfach zu lange gezögert. Ich hatte gehofft, ihn zur Vernunft bringen zu können, ohne ihn töten zu müssen. Aber genau das hätte ich tun sollen. Ich hätte ihn töten sollen, statt ihn jetzt, verletzt wie er ist, im Kampf gegen Arashitsume sein Gesicht verlieren zu lassen. Nun wird der Mistkerl ihn bestimmt töten und dann den Westen für sich beanspruchen. Und das ist alles meine Schuld! Inu Yasha kneift schmerzhaft die Augen zusammen. Ich hab mich die ganze Zeit wie ein Trottel aufgeführt und nicht wie ein Prinz des Westens. Ich hätte ihm den Dienst eines Bruders erweisen und ihn töten müssen, solange ich noch die Chance dazu gehabt hätte. Aber... ich hab es einfach nicht über mich gebracht. Ich wollte ihn lieber nur aufhalten und ihn dabei nur leicht verletzen. Doch er ließ mir keine Wahl. Ich musste ihn so schwer zurichten, dass er nun keine Chance gegen Arashitsume hat. Aber es sah so aus, als würde das keine Rolle für ihn spielen. Es sah so aus als ob... Inu Yashas Augen fliegen auf. Au verdammt! Das darf doch nicht wahr sein! Er beißt die Zähne zusammen. Das kann doch nicht wirklich sein Ernst sein! Das darf ich auf keinen Fall zulassen! Soweit lass ich es ums Verrecken nicht kommen! Arashitsume, du Bastard, ich werd dich so fertig machen, dass du dir wünschen wirst, Sesshomaru hätte dich in die Finger bekommen! Unter großer Anstrengung versucht Inu Yasha sich auf die Seite zu drehen. Mit Mühe und Not schafft er es, sich auf dem rechten Ellenbogen aufzustützen. Der stechende Schmerz in seinem Unterarm raubt ihm fast das Bewusstsein. Krampfhaft verbeißt er sich den Schrei, der ihm Erleichterung verschaffen will. Es kostet all seine Überwindung, sich auf dem ausgerenkten Knie aufzustützen um sich dann mit einem Ruck ein wenig aufzurichten. Der Schmerz in seinen Gliedern hat nun noch um ein beträchtliches an Intensität zugenommen und es raubt ihm den Atem. Fast alle Rippen sind gebrochen und jeder kleinste Atemzug ist ein einziger stechender Schmerz. Doch der Hanyou atmet tapfer weiter. Unter größter Anstrengung kniet er da und blickt zu seinem Bruder hinüber, Tessaiga noch immer schwach in der gebrochenen Hand halten. Sesshomaru hat sich wieder aufgerappelt und blickt nun mit schmalen, roten Augen zu ihm hinüber. Seine Wunden bluten noch immer und er schwankt leicht. Inu Yasha weicht seinem Blick nicht aus. Und jetzt begreift er auch, was er da in den Augen seines Bruders erkennt. Er beißt die Zähne zusammen. „Das lasse ich nicht zu!“, zischt er, „Hörst du? Das werde ich... unter keinen Umständen... zulassen!“ Mit einem gepressten Schmerzensschrei stemmt Inu Yasha sich hoch und kommt auf die Füße. Nur unter größten Anstrengungen liegt Tessaiga noch in seiner zittrigen Hand. Blut und Schweiß laufen ihm über das Gesicht und verfilzen sein, feines, weißes Haar. Ich habe keine Wahl, denkt er bei sich. Ich habe nur noch diese eine Chance. Es ist die einzige Möglichkeit, um ihn aufzuhalten. Ich weiß bloß nicht ob... ich das packe! Sesshomarus Miene verzieht sich erneut zu einem wütenden Knurren und nach ein paar tänzelnden Schritten setzt er sich in Bewegung, direkt auf Inu Yasha zu. Dieser sieht ihn kommen, seinen Blick klar auf den heranstürmenden Daiyoukai gerichtet. Nur noch wenige Schritte trennen die beiden Brüder. Und kurz bevor der gewaltige Hund den verletzten Hanyou erreicht, entgleitet das Schwert seiner kraftlosen Hand und fällt klirrend zu Boden, wo es sich in seine schartige Form zurückverwandelt. Eine halbe Sekunde später trifft die gewaltige Hundeschnauze auf der Brust des Hanyous auf und katapultiert ihn mit unglaublicher Wucht einmal quer über den Platz, wo er nach mehrmaligem Überschlagen reglos liegen bleibt. Schnaufend steht der mächtige Hund da. Für einen kurzen Moment macht er Anstalten zu der leblosen Gestalt hinüberzulaufen, doch dann besinnt er sich scheinbar eines Besseren und wendet sich ab. Gerade will er sich wieder seinem Zielort widmen, als er innehält und die Ohren aufstellt. Irgendetwas hat gerade seine Aufmerksamkeit gewonnen und er wendet sich erneut um und fletscht die Zähne. Einige Schritte entfernt steht eine Gestalt. Sie ist nur klein, aber hoch aufgerichtet und zwei glühend rote Augen starren von ihr zu dem Daiyoukai hinüber. An den Fingern befinden sich lange Klauen und in seinem Gesicht ist eine markant gezackte Wangenzeichnung zu sehen. Von Verletzungen ist keine Spur mehr zu erkennen, auch wenn Kleidung und Haare dessen, was einmal Inu Yasha war, noch immer blutgetränkt sind. Mit einem geschickten Griff seines rechten Armes werden Schulter und Knie wieder eingerenkt und dann lässt die youkaihafte Gestalt vernehmlich die Knöchel knacken, duckt sich mit erhobenen Klauen in Angriffshaltung und lässt unter zusammengepressten, reißzahnbewehrten Kiefern ein gefährliches Knurren vernehmen. „Komm her, du Arsch! Bringen wir es zu ende!“ Zielstrebig bewegt sich Yarinuyuki auf den Ostpalast zu. Zum ersten Mal seit dieses ganze Theater begonnen hat, weiß sie ganz genau was sie tun soll. Noch immer schwebt ihr apathischer Gefangener direkt hinter ihr und folgt ihren eiligen Schritten auf Augenhöhe. Die Nordfürstin gönnt sich nun keinerlei Ablenkungen mehr. Gerade eben noch hat sie die beiden zerstrittenen Westbrüder in einiger Entfernung passiert und dabei lediglich zur Kenntnis genommen, dass die beiden sich noch immer bis aufs Blut bekämpfen. Doch dieser Kampf interessiert sie nun nicht weiter. Sollen die beiden Brüder das doch unter sich ausmachen. Sie wird sich nicht weiter da einmischen. Sie wird den Sieger im Ostpalast erwarten. Und er wird kommen, daran besteht keinerlei Zweifel! In der Zwischenzeit wird sie dort alles Nötige in die Wege leiten. Und dann wird der Verantwortliche für den Tod ihres Vaters seiner gerechten Strafe nicht mehr länger entgehen. Ein wenig beißt sie die Zähne aufeinander. Nie hätte sie gedacht, dass dieser Umstand ihr einmal so unwichtig erscheinen würde. Sie kam in dieses Land mit dem brennenden Wunsch nach Rache für ihren Vater und nun hat sich die gesamte Situation geändert. Alles ist viel komplizierter als sie anfangs gedacht hatte. Besonders, da es wesentlich mehr potenzielle Verantwortliche dafür gibt, als ursprünglich angenommen. Hier wird sie mit Gewalt nicht viel weiter kommen. Hier wird diesmal Diplomatie von Nöten sein und das bereitet ihr arge Kopfschmerzen, denn Diplomatie ist wahrlich nicht ihre Stärke. Erschwerend kommt hinzu, dass 'Diplomatie' in ihrem Reich schon fast so etwas wie ein Schimpfwort ist. Die Nordyoukais haben ihre Konflikte stets durch ihre Stärke gewonnen und nicht durch 'unnötiges Gelaber'. Das sagt man eher den verhassten Ostyoukai nach und deshalb ist dieses Verhalten für gewöhnlich recht verpönt. Doch dieses Mal wird ihr nichts anderes übrig bleiben, als es auf diesem Weg zu versuchen. Es ist die einzige Chance, um einen Krieg noch zu verhindern. Erneut taucht ein Gesicht vor ihrem inneren Auge auf. Tenmaru! Yarinuyuki schüttelt sich. Er hatte gesagt, dass es immer eine Wahl gibt. Er hat vermutlich recht, doch das bedeutet auch, dass sie sich ganz gehörig weit aus dem Fenster lehnen muss. Hoffentlich halten ihre Leute weiter zu ihr, wenn sie diesen Weg geht. Alles hängt nun von dieser letzten Begegnung ab und diesmal muss sie das Schicksal ihres Volkes in die Hand einer Person legen, die sie bisher zutiefst verachtet hat. Die Frage ist nun, ob sie dieses Vertrauen tatsächlich verdient. Yarinuyuki verzieht das Gesicht. Ihr Herz pocht unangenehm. Was ist das? Ist das Furcht? Unsicherheit? Oder doch etwas anderes? Wieder taucht das bekannte Gesicht vor ihr auf. Tenmaru! Verhasster Feind! Mörder ihres Vaters! Und dennoch ungewollt der einzig brauchbare Ratgeber in diesen Stunden. Wenn sie ihn doch nur hassen könnte, doch das einzige Gefühl, das sie erfüllt, wenn sie an ihn denkt, ist Bedauern. Unwirsch schüttelt sie sich erneut. Sie hat jetzt keine Zeit für solche Gedanken. Der Ostpalast liegt unmittelbar vor ihr. Beiläufig registriert sie, dass keinerlei Ostyoukai auszumachen sind. Mit Sicherheit hat Arashitsume bereits bemerkt, dass sie auf dem Weg ist. Doch bisher hat er wohl davon abgesehen, sie anzugreifen oder auch nur am Erreichen des Palastes zu hindern. Klug von ihm! Schließlich versucht er sie ja noch immer als Verbündete zu gewinnen. Wenn sie ihre Karten richtig ausspielt, hat sie gute Chancen, diesen ganzen verdammten Konflikt zu beenden. Auf einmal hält sie inne. Ihre Sinne tragen ihr eine neue Witterung zu. Sie bleibt stehen. Vor ihr sieht sie den schmalen Hohlweg der hinauf zum Palast führt. Mit Sicherheit ist die gesamte Felsenkette gespickt mit den besten Kriegern des Ostens, die dort Wache halten und jeglichen Gegner am Eindringen hindern sollen. Doch mit denen wird sie sich später befassen. Im Moment ist ihre Aufmerksamkeit auf den Saum des Waldes gerichtet. Im gleichen Moment tritt eine Gruppe von Nordyoukais zwischen den Bäumen hervor und Yarinuyukis Gesicht verfinstert sich. Allen voran schreitet Itakouri, direkt auf die Fürstin zu. Hinter ihm folgen ihm Sokudo und die beiden gefangenen Streuner aus dem Norden, jeweils begleitet und bewacht von einem kräftigen Nordkrieger. Die beiden Streuner blicken trotzig aber fügsam drein und der Ostkrieger macht keinerlei aufmüpfige Anstalten während er unsanft vorwärts geschubst wird. Ungerührt blickt Yarinuyuki ihren Leuten entgegen. Nun löst sich Itakouri ein wenig von der Truppe, tritt auf seine Fürstin zu und sinkt dann ergeben auf die Knie. „Wie Ihr seht, habe ich einen Gefangenen entkommen lassen, Yarinuyuki-hime. Es gibt keinerlei Entschuldigung für dieses Versagen. Ich bin bereit jegliche Strafe dafür zu akzeptieren!“ Yarinuyuki verzieht ein wenig den Mund und blickt auf ihn herunter. Dann meint sie: „Damit werde ich mich später befassen. Im Moment wirst du mir erstmal zusammen mit den Gefangenen hinauf zum Palast folgen. Es gibt Wichtigeres zu erledigen, als mich um deine Unzulänglichkeit zu kümmern.“ Ungläubig hebt Itakouri den Kopf. Er kann nicht recht glauben, was er gerade gehört hat. Den ganzen Weg über hat er bereits innerlich mit seinem Leben abgeschlossen und nun wird er einfach so mir nichts dir nichts verschont. Wäre es ihr Vater gewesen in dessen Dienst er stehen würde, so wäre er jetzt bereits nicht mehr am Leben. Verstimmt beißt er die Kiefer aufeinander. Wie will sie die Disziplin in ihrem Volk aufrecht erhalten, wenn sie Vergehen nicht bestraft? Wie soll das funktionieren? Sein Verdacht hat sich bedauerlicherweise bestätigt. Die neue Fürstin ist schwach! Unter diesen Umständen wird sie vermutlich nicht lange Fürstin bleiben. Sein Nacken verspannt sich. Von wegen die Stärke ihres Volkes würde gerade in ihr besonders stark fließen. Samushi, du Narr, du hast dich jämmerlich in ihr getäuscht. An dieser Fürstin ist nichts was einem Nordyoukai Ehre macht! Mit verkniffener Miene kommt er wieder auf die Füße. Missmutig winkt er seinen Leuten zu, sie mögen ihm mit den Gefangenen folgen. Doch ein rascher Einwurf von Yarinuyuki hält ihn zurück. „Nein, nur die drei Gefangenen und du, Itakouri!“ Verblüfft blickt der Hauptmann des Nordheeres auf. Was soll das nun wieder? Warum riskiert sie das? Yarinuyukis Blick geht hinüber zu den drei Gefangenen. „Es wäre besser, wenn keiner von euch versuchen würde, heimlich zu entkommen. Das wäre äußerst ungünstig für seine Gesundheit.“ Dann wendet sie sich ab. „Folgt mir!“ Mit einem leicht skeptischen Blick wendet sich Itakouri noch einmal zu seinen Leuten um. „Sagt den anderen, sie sollen sich bereithalten. Die Higashi-aitsu und die Nishi-aitsu müssen hier ganz in der Nähe sein. Wenn es zum Kampf kommen sollte, erwarte ich, dass ihr dem Norden alle Ehre macht!“ „Nein!“, der scharfe Ruf Yarinuyukis lässt ihn überrascht innehalten, „Niemand wird einen Kampf beginnen, ehe er von mir nicht den direkten Befehl dazu erhält, ist das klar?“ Ein wenig ungläubig und verblüfft schauen die Nordyoukais drein, doch sie nicken folgsam. Itakouri jedoch beißt hart die Zähne zusammen. Wie kann sie nur so etwas verlangen? Der Nordclan hat die stärksten Kämpfer aller Clans. Sie zur Untätigkeit zu verdammen, ist ihrer nicht würdig. Hat ihre Fürstin so wenig Vertrauen in ihre Fähigkeiten, oder hat sie einfach nur Angst? Wie auch immer, dieses unkonventionelle Verhalten ist einer Fürstin des Nordens keinesfalls würdig. Eine wahre Schande, dass er gezwungen ist, ihr dennoch zu gehorchen. Zähneknirschend fügt er sich seinem Schicksal und macht sich daran, Yarinuyuki und ihren vier Gefangenen hinauf zum Ostpalast zu folgen. Im Hohlweg ist nicht der kleinste Laut zu hören. Kein Ostkrieger ist auszumachen, doch Yarinuyuki ist überzeugt, dass sie da sind. Eine erstaunliche Fähigkeit, die eigene Aura so konsequent unterdrücken zu können. Eine solche mentale Selbstdisziplin ist fast schon bewundernswert. Doch solche Nebensächlichkeiten finden nur beiläufig Yarinuyukis Interesse. Sie ist viel zu sehr auf das konzentriert, was vor ihr liegt. Schließlich hat sie das große Eingangstor erreicht und hält an. „Sofort aufmachen!“, fordert sie mit lauter Stimme, „Ich habe Wichtiges mit eurem Fürsten zu besprechen.“ Dabei ignoriert sie die verständnislosen Blicke ihrer Begleiter. Itakouris Stirn legt sich in Falten. Was zum Teufel hat das jetzt wieder zu bedeuten? Doch wie als Antwort teilen sich nun die gewaltigen Flügel des Tores und geben den Weg frei. Mit festen Schritten durchquert die Nordfürstin es und ihre Begleiter tun es ihr gleich. Dahinter bietet sich ihnen ein imposanter Anblick. Der gesamte Vorhof ist gesäumt von zahlreichen gut gerüsteten und bewaffneten Ostkriegern die die Neuankömmlinge grimmig im Auge behalten. Allerdings macht niemand Anstalten, auch nur einen Finger zu rühren. Die sechs Neuankömmlinge werden lediglich aufmerksam gemustert. Erhobenen Hauptes tritt Yarinuyuki in ihre Mitte. Sie würdigt die Krieger keines Blickes. Stattdessen ist ihr Blick unverwandt auf das Hauptportal vor ihr gerichtet. Einige Laternen besäumen die Treppe die von dort auf den Vorhof hinunter führt und erhellen mit warmem Licht die frühen Morgenstunden des neuen Tages. In dem noch beschattete Eingang steht eine hochaufgerichtete Gestalt. Nun setzt sie sich mit leichten Schritten in Bewegung und tritt langsam aus dem Eingang hervor. Es ist Arashitsume. Sein langes weißes Haar hängt diesmal offen über seinen Rücken hinab und der Kimono den er trägt, ist mit purpurnen und silbernen Ornamenten durchwirkt. Eine Waffe ist bei ihm nirgends auszumachen und es macht nicht den Anschein, als wäre er auf einen Kampf eingestellt. Das verhaltene Licht der Laternen lässt seinen Teint noch bleicher wirken und unter den ersten Sonnenstrahlen die über den Bergkamm fallen, schimmern seine Augen in einem unheimlichen Violett. Mit geschmeidigen Schritten setzt er sich nun in Bewegung und langsam schreitet er die Stufen hinab, direkt auf Yarinuyuki zu. Ein gewinnendes Lächeln legt sich um seine Lippen und er hebt seine Hände zum Gruß. „Ah, Yarinuyuki-sama, werte Freundin! Wie ich sehe, habt Ihr meine Warnung erhalten und daraus die richtigen Schlüsse und Konsequenzen gezogen. Ich bin überaus glücklich, Euch erneut in meinem Palast willkommen heißen zu können, nun da alles klar ist zwischen unseren Reichen. Bedauerlicherweise haben uns die Umstände, das Bankett verleidet, doch ich bin sicher, wir werden das in Kürze nachholen können. Sobald wir gemeinsam Sesshomaru in seine Schranken gewiesen haben.“ „Ich bedauere, doch das wird noch ein wenig warten müssen!“, ernst fliegen die Worte über den Platz. Arashitsume ist überrascht stehen geblieben. Vor ihm steht die Fürstin des Nordens mit erhobenem Haupt und ihre Körperhaltung lässt erkennen, dass sie ungehaltener ist als ihre Worte es vermuten lassen. Doch noch ehe Arashitsume etwas erwidern kann, fährt Yarinuyuki bereits fort. „Ich fürchte, Ihr unterliegt da einem Irrtum wenn Ihr glaubt, ich sei hier um mich mit Euch gegen Sesshomaru zu verbünden.“ Arashitsume hebt die Brauen. „So? Was sonst verschafft mir denn in dieser Situation die Ehre Eurer Anwesenheit?“ Nun legt sich ein zynisches Lächeln auf Yarinuyukis Lippen. „Ihr enttäuscht mich, Arashitsume. Ich hätte angenommen, das wäre Euch klar, bei Eurer Intelligenz und Weisheit.“ Arashitsume zuckt kaum merklich zusammen und das samtene Lächeln in seinem Gesicht verzieht sich zu einem gequältem Zerrbild desselben. „Ich bin untröstlich, aber würdet Ihr mich über den Grund Eurer Anwesenheit in Kenntnis setzen?“, die Worte klingen nicht mehr halb so freundlich wie vermutlich beabsichtigt. „Natürlich!“, die Stimme der Nordfürstin ist wieder ernst. Dann wippt sie einmal mit dem Zeigefinger und der durchbohrte Körper Kossoridokus schwebt an ihr vorbei. Direkt vor ihr hält er mitten in der Luft inne. Mit einer eleganten Bewegung ihrer Finger schnippt sie einmal und augenblicklich lösen sich die glänzenden Eislanzen in weißen Dunst auf und lassen ihre Beute unsanft zu Boden plumpsen. Reglos bleibt der gemarterte Westyoukai zu ihren Füßen liegen und rührt sich nicht. Sämtliche Augen sind nun auf den leblosen Gefangenen gerichtet. Dann schließlich blickt Arashitsume auf. „Ich verstehe nicht ganz. Was hat das zu bedeuten?“ Yarinuyuki verschränkt gelassen die Arme. „Es gibt einige neue Aspekte zu berücksichtigen.“ Mit verständnisloser Miene blickt Arashitsume sie an. „Worauf bezieht Ihr Euch?“ Skeptisch beäugt Yarinuyuki den Fürsten des Ostens. Dann wird ihre Miene ernst. „Ich spreche vom Hohen Rat. Ich rede von dem Grund weshalb wir hier sind. Die letzte Entscheidung steht noch aus und so wie es aussieht haben sich die Sachverhalte ein wenig geändert.“ Zunächst schaut Arashitsume etwas irritiert drein, doch dann setzt er wieder ein seidiges Lächeln auf. „Warum habt Ihr das nicht gleich gesagt? Für einen Moment war ich schon in Sorge, die jüngsten Ereignisse hätte Euer Gemüt derartig beeinflusst, dass Euch die alten Sitten und Gesetze nicht mehr ausreichend von Belang erschienen wären.“ Itakouri zuckt bei diesen Worten unwillkürlich zusammen und fletscht die Zähne. Wie kann dieser Bastard sich bloß erdreisten eine Clanesfürstin so offen zu beleidigen? Auch wenn Yarinuyukis Ansehen in seinen Augen bereits nachhaltig getrübt ist, ist es ihm schon aus Prinzip zuwider wenn ein Higashi-aitsu sich so respektlos gegen einen Fürsten seines Volkes richtet. Doch Yarinuyuki hat bei diesen Worten keine Miene verzogen. Ihre blauschimmernden Augen durchdringen schweigend die kühle Luft des neuen Tages und sind unverwandt auf Arashitsume gerichtet. Dieser fährt auch bereits fort. „Wenn es weiter nichts ist, dann können wir die Ratsverhandlung selbstverständlich unverzüglich fortführen. Wenn Ihr mir folgen wollt, Yarinuyuki-sama?“ Mit diesen Worten wendet er sich galant zum Gehen. Doch Yarinuyukis kühlen Worte halten ihn zurück. „Wir werden noch etwas warten! Und zwar solange bis der Rat wieder vollständig ist.“ Fast ruckartig fährt Arashitsume herum. „Wie meint Ihr das?“ Ernst blickt sie ihn an. „Tut nicht so überrascht. Selbstverständlich warten wir noch bis Sesshomaru eintrifft. Der Rat muss ordnungsgemäß zu einem Ende gebracht werden, wenn er nicht als gescheitert erklärt werden soll. Das bedeutet, es müssen die Fürsten aller Reiche anwesend sein, ganz wie es die alten Sitten und Gesetze unserer Vorfahren verlangen.“ Den letzten Nebensatz fügt sie mit einer unverkennbaren Spur von Sarkasmus hinzu. Arashitsume beißt die Zähne zusammen und seine Augen werden schmal. Skeptisch beäugt Yarinuyuki ihn. „Ihr wollt doch wohl nicht sagen, dass Ihr Sesshomaru bereits als schuldig betrachtet und somit abgeschrieben habt, oder?“, Yarinuyukis scharfe Frage reißt ihn aus seinen Gedanken. Rasch setzt er erneut ein Lächeln auf. „Aber gewiss nicht! Wir werden den Rat selbstverständlich zu Ende führen, so wie es sich gehört. Wir werden also warten, bis Sesshomaru eintrifft. Ich hoffe allerdings, dass er auch wirklich erscheint. Anderenfalls wirft das natürlich kein gutes Licht auf ihn und käme praktisch einem Schuldbekenntnis gleich.“ Doch Yarinuyukis Miene bleibt unverändert ernst. „Da macht Euch mal keine Sorgen. Ich bin überzeugt, dass er schon sehr bald hier eintreffen wird!“ Kapitel 53: Letzter Ausweg -------------------------- Rot! Ein roter Schleier aus Wut benebelt seine Sinne. Peitschende Trommelschläge tönen schmerzhaft, aber gnadenlos mitreißend in seinen Ohren. Ströme aus Feuer schießen durch seine Adern und verleihen ihm eine allzu selten verspürte Kraft. Im Vergleich zu jetzt erscheint der frühere Zustand seines Körpers geradezu schwach, ja fast schon behindert, und seine Lungen bersten beinah bei dem kraftvollen Versuch, die nötige Luft für den Kampf einzusaugen. Kämpfen! Zerfetzen! Abschlachten! Zerfleischen! Diese Worte haben einen geradezu verlockenden Klang in seinem Kopf. Und die Verzückung darüber lässt sein Herz in freudiger Erwartung jubeln. Der rötliche Dunst vor seinen Augen lässt ihn zwischenzeitlich seinen Gegner vor ihm nur schemenhaft erkennen, doch es ist ihm gleich. All seine Sinne sind um ein vielfaches geschärft und die Sicht allein ist nicht mehr nötig, um seinen gewaltigen Gegenüber auszumachen. Der Geruch von Blut, sein eigenes und fremdes, dringt ihm unverkennbar in die Nase und seine Ohren vernehmen das ungleichmäßige Atemrasseln der Bestie die ihm direkt gegenüber steht. Sein Mund verzieht sich zu einem breiten Grinsen und entblößt damit lange, scharfe Reißzähne. Eine beiläufige Handbewegung lässt die klauenbewehrten Knöchel knacken und nur Sekundenbruchteile später tragen ihn seine Beine direkt auf das Monster vor ihm zu. Ein dumpfes Gefühl macht sich hier und da in seinem Körper breit, als wäre mit einigen der Gliedmaßen etwas nicht ganz in Ordnung, doch der Youkai ignoriert es. Er ist viel zu sehr damit beschäftigt, den Feind vor ihm zur Strecke bringen zu wollen. Die Bestie dort hat zahlreiche Wunden und er kann ihr Blut deutlich riechen, ebenso wie er das unregelmäßige Pochen ihres Herzens und ihren rasselnden Atem hören kann. Das Monster ist angeschlagen, daran besteht kein Zweifel. Also wird er leichtes Spiel mit ihm haben. Der Youkai grinst breiter. Schon treffen sie aufeinander. Die gewaltige Schnauze des riesigen Hundes schnappt nach ihm, doch fast schon spielerisch weicht er aus. Zu langsam! Doch dann schlägt er selbst zu und mit Befriedigung spürt er wie sich seine Klauen in das warme Fleisch graben. Ein kurzes Aufjaulen der Bestie, doch schon setzt sie ihren Angriff fort. Ein Schlag der mächtigen Pfote versucht den Youkai unter sich zu begraben, doch erneut springt er aus dem Weg. Sofort folgt der Konter in Form eines mächtigen Kinnhakens, der den riesigen Hund kurz taumeln lässt. Ein Knurren ertönt und wieder schnappt er nach seinem kleinen Gegner. Doch der Youkai ist flinker. Geschickt springt er aus dem Weg. Eine dunkle Erinnerung sagt ihm, dass er vor kurzem noch wesentlich schwächer und langsamer gewesen ist, doch das muss ein Irrtum sein. Warum sollte er freiwillig auf diese unbändige Kraft, die in ihm wohnt, verzichten? Ein kräftiger Sprung befördert ihn direkt auf den Rücken der Bestie und im gleichen Moment gräbt er seine Klauen gnadenlos zwischen ihre Rippen. Ein grimmiges Knurren ertönt und sofort wirft sich die riesige Gestalt zu Boden, um den unliebsamen Angreifer erbarmungslos platt zu walzen. Doch diesmal hat sie keinen Erfolg damit. Im letzten Moment entkommt der Youkai aus dieser misslichen Lage und springt in Sicherheit. Sofort ist der riesige Hund wieder auf den Beinen und schnappt nach ihm. Seine Kiefer bekommen ein Bein zu fassen und schmettern ihn äußerst unsanft zu Boden. Der Youkai schnauft kurz auf. Ein stechender Schmerz macht sich in seinem Unterschenkel breit. Hart schlägt er auf dem Boden auf. Doch unverzüglich kommt er auch schon wieder auf die Füße. Er spürt, dass irgendetwas mit seinem Körper nicht in Ordnung ist, doch es kümmert ihn nicht. Sofort springt er erneut auf seinen Gegner zu. Ein weiterer Prankenhieb schickt ihn gnadenlos zu Boden. Der Youkai ist verwirrt. Wie kann das sein? Eben war er doch noch viel schneller. Außerdem spürt er nun ein unangenehmes Dröhnen in seinem Kopf und ihm wird kurz ein wenig schwindelig. Der riesige Hund vor ihm knurrt gefährlich. Wieder will der Youkai aufspringen, doch ein heftiger Schmerz in einem seiner Beine lässt ihn dabei straucheln. Was mag das sein? Sein Blick gleitet an ihm hinunter und fällt auf seinen linken Fuß. Er ist blutverschmiert und auf halber Höhe des Unterschenkels sind deutliche Löcher zu sehen in dem roten Gewand das er trägt. Eine seltsame Taubheit und Kälte macht sich in seinem Bein breit. Zum ersten Mal seit langer Zeit, hält der Youkai kurz inne. Das ist so nicht richtig. Warum ist er verletzt? Was tut er hier? Seine Gedanken sind so schwer greifbar. Immer, wenn er versucht sich zu konzentrieren, entgleiten sie ihm rasch wieder. Er weiß zwar weder wer er ist und warum er kämpft, aber er spürt tief in seinem Inneren, dass es unheimlich wichtig ist, dass ihm das wieder einfällt. Vielleicht gelingt es ihm, wenn er weitere Schmerzen erleidet. Mit grimmiger Entschlossenheit packt er seinen linken Arm und schlägt seine Zähne hinein. Ein erneuter stechender Schmerz durchzuckt ihn. Ja, er spürt sich! Im Gegensatz zu dem warmen, tauben Gefühl, das ihn vorher übermannt hatte, spürt er den Schmerz nun mit beeindruckender Präsenz. Er spuckt einen Schwall Blut aus. Dann hebt er den Kopf und sein Blick klärt sich. Er kennt diese riesige Gestalt vor ihm. Er kennt sie sogar gut. Er weiß, dass ihn etwas Wichtiges mit ihr verbindet. Etwas sehr Wichtiges. Er beißt die Zähne zusammen und mit Wucht verpasst er sich selbst eine Ohrfeige. Das Taubheitsgefühl schwindet immer mehr und auf einmal ist da dieser Name: Sesshomaru! Ja, es besteht kein Zweifel, dass dieses Monster vor ihm so heißt und auf einmal fällt ihm auch wieder sein eigener Name ein. Inu Yasha! Doch was noch viel wichtiger ist, er weiß nun auch wieder woher er seinen Gegner kennt. Sie beide sind Brüder. Brüder, die sich vielleicht nicht gut verstehen, aber dennoch nicht in der Lage sind, sich gegenseitig zu hassen. Warum also kämpfen sie? Schon will das warme, wattige Gefühl sich sein Bewusstsein zurückerobern, doch Inu Yasha beißt die Zähne zusammen und schüttelt energisch den Kopf. Es ist viel zu wichtig, dass er bei Verstand bleibt. Er weiß zwar nicht warum, aber er spürt im ganzen Körper, dass es so ist. In eben diesem Moment stürmt der riesige Hund erneut auf ihn zu mit der unverkennbaren Absicht, ihn einfach niederzurennen. Im letzten Moment kann Inu Yasha gerade noch aus dem Weg springen. Ein Knurren entfährt ihm, doch der mächtige Daiyoukai läuft einfach weiter. Und in diesem Augenblick fällt Inu Yasha auch wieder der Grund für ihren Kampf ein. Ohne darüber nachzudenken, setzt sich sein Körper praktisch von selbst in Bewegung und folgt seinem Bruder ohne eine weitere Sekunde zu verschwenden. Er muss sich stark konzentrieren, um sein Bewusstsein zu behalten und es wäre nur allzu verlockend, sich wieder seinem unkontrollierten Kampfwahn hinzugeben, doch er weiß, dass es von größter Wichtigkeit ist, dass er dieses eine Mal unbedingt die Kontrolle über sich behält. So folgt er mit fliegenden Schritten seinem Bruder; das taube Gefühl in seinem linken Bein ignoriert er. Er weiß, er muss ihn aufhalten. Irgendwie! Er muss es schaffen und zwar ohne dass Sesshomaru dabei sein Leben verliert. Im gleichen Maß wie sein Verstand wieder zunimmt, spürt er auch die Auswirkungen seiner zahllosen Verletzungen wieder. Er fühlt, wie sein Körper zunehmend vor Schmerz schreit und wie seine Lungen vor Luftmangel brennen, doch er beißt die Zähne zusammen und läuft noch etwas schneller. Sein Bruder ist direkt vor ihm. Ein letzter kraftvoller Satz und er landet direkt auf seinem Rücken. Kaum hat der Daiyoukai das bemerkt, beginnt er auch schon die wildesten Manöver zu veranstalten, um seinen unerwünschten Reiter abzuwerfen, doch Inu Yasha krallt sich mit aller Gewalt in dem langen Fell und dem darunter liegenden Fleisch fest. Jeder Ruck seines Bruders will ihm schier die Arme aus den Gelenken reißen, doch verbissen hält er aus. Der gewaltige Hund gebärdet sich wie toll, doch es gelingt ihm nicht, seinen Bruder loszuwerden. Mit aller Kraft versucht er ihn abzuwerfen, doch Inu Yasha hängt an ihm wie eine Zecke. Der rasselnde Atem des Daiyoukai wird immer heftiger, dieser anhaltende Kampf zehrt langsam aber sicher auch an seinen Kraftreserven. Schwer hechelnd hält er kurz inne und ein Zittern läuft durch seinen Körper. Doch statt sich geschlagen zu geben, wie Inu Yasha für einen kurzen Moment inniglich hofft, dreht sich der mächtige Hund nun um und setzt seinen unaufhaltsamen Lauf in Richtung des Ostpalastes fort; noch immer mit seinem Bruder im unfreiwilligen Schlepptau. Für den Augenblick zur machtlosen Untätigkeit verurteilt, verkrallt Inu Yasha sich weiter in Sesshomarus Fell und bemüht sich mit allen Kräften, weder vom Rücken seines Bruders heruntergeschleudert zu werden, noch erneut die Kontrolle über sich zu verlieren. Das erweist sich, angesichts seiner körperlichen Verfassung, als nahezu aussichtsloser Kampf. Sein Selbsterhaltungstrieb versucht permanent ihn in die schützende Bewusstlosigkeit zu entführen in der sich sein Körper verselbstständigt, um seinen Besitzer vor weiterem Schaden zu bewahren oder zumindest von dem vollen Ausmaß von Schmerz und Erschöpfungsgefühlen fern zu halten. Doch Inu Yasha weiß, dass er sich das dieses Mal nicht gestatten kann. Er muss bei Verstand bleiben, koste es was es wolle! Noch immer überdeutlich spürt er das Brennen des Youkaiblutes in seinen Adern und die Kraft die davon ausgeht. Es ist nahezu überwältigend und es wäre so einfach, dem nachzugeben, viel zu einfach! Inu Yasha kneift die Augen zusammen. Vater! Ich brauche deine Hilfe! Dieses eine Mal brauche ich mehr als deine Stärke. Dieses Mal brauche ich auch deine Weisheit. Wenn ich diesmal versage, dann wird dein Sohn sterben! „Wie weit ist es noch?“, die Frage stammt von Kagome. Sie sitzt gerade zusammen mit Sango und Shippo auf Kiraras Rücken und laufen zügig neben Yaeba und Miroku her. Der Mönch hat die Schwarze Miko geschultert und trägt sie tapfer mit eiligen Schritten durch den Wald. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, da Yaeba die Miko nicht ohne Schmerzen berühren kann und Kirara sich beharrlich und mit Knurren weigert, die Frau auch nur in ihre Nähe zu lassen. Also wechselt sich Miroku gelegentlich mit Sango ab, bei dem Unterfangen, die Schwarze Miko so schnell wie möglich zum Ostpalast zu befördern. Bedauerlicherweise wirken sich diese Umstände ein wenig auf ihre Reisegeschwindigkeit aus. Es geht einfach nicht schnell genug voran und Kagome beginnt sich Sorgen zu machen. Auf ihre Frage hin meldet sich Yaeba zu Wort. „Wir sind fast da. Von dort hinten kann man es beinah schon sehen.“ Der Anführer der Streuner hat sich dabei nicht umgedreht, aber Kagome spürt trotzdem seine Anspannung. Ihr selbst klopft das Herz bis zum Hals. Es gefällt ihr überhaupt nicht, noch einmal diesen Palast aufzusuchen, doch es bleibt ihnen wohl nichts anderes über. Arashitsume ist ihr unheimlich. Nach außen hin wirkt er freundlich und höflich, doch in seinem Inneren ist er verschlagen und gefährlich und offenbar lügt er sobald er nur den Mund aufmacht. All ihre Sinne warnen sie davor, dass man ihm kein bisschen trauen darf. Und gerade dorthin müssen sie wieder. Zusammen mit dieser Miko, die er angeheuert hat, um Sesshomaru zu töten und die auch den Fürst des Nordens und Tenmarus Mutter auf dem Gewissen hat. Sie schlägt die Augen nieder. Immer wieder steigen Tränen in ihr auf, wenn sie an den jungen Streuner denkt und sie schluckt schwer. Sie hätte niemals gedacht, dass sich Sesshomaru den Tod seines Sohnes derartig zu Herzen nehmen würde, besonders nach seinem bisherigen Verhalten, aber sie kann es verstehen. Das also hat Tenmaru gemeint, als er sagte, dass Youkai ihre Gefühle für gewöhnlich unterdrücken, und dass alles mögliche passieren kann, wenn sie es nicht mehr tun. Sie haben vorhin erlebt, was dabei herauskommt, wenn man einen Daiyoukai verärgert und es behagt ihr gar nicht. Sie hat zwar laut getönt, dass Inu Yasha mit ihm schon fertig wird, aber ganz sicher ist sie sich ihrer Sache nicht. Im Gegenteil! Sie macht sich schreckliche Sorgen um ihren Freund, so sehr, dass es ihr beinah die Luft abschnürt. Doch sie wagt es nicht, sich das anmerken zu lassen. Sie will ihre Freunde nicht beunruhigen und es stimmt ja auch, dass sie unbedingt ihre Aufgabe in der Sache erledigen müssen, während Inu Yasha sich um seinen Teil kümmert. Trotzdem hätte sie das Ganze am liebsten schon hinter sich. Noch einmal dem Fürst des Ostens gegenüber zu treten, steht nicht gerade auf Platz Eins ihrer Wunschliste. Viel lieber möchte sie sich Gewissheit darüber verschaffen wie es Inu Yasha gerade geht. Schon seit einer Weile spürt sie ständig dieses seltsame Prickeln im Nacken, dass ihr sagt, dass irgendwo ein Kampf unter einer starken, dämonischen Aura stattfindet. Das kann nur bedeuten, dass die beiden noch immer kämpfen und bei jedem Baumkrachen oder Grollen aus der Ferne, zuckt sie kurz zusammen. Allerdings hat man den Eindruck, dass sie sich dem Kampf allmählich nähern. Auf einmal scheint der Wald zu ende zu sein und die kleine Gruppe tritt auf eine Lichtung hinaus. Wachsam sehen sie sich um. An mehreren Stellen liegen umgebrochene Bäume und es riecht nach feuchter, aufgewühlter Erde und nach Blut. Aufmerksam sehen sie sich um und Kagomes Herz pocht unangenehm schneller. Ja, es scheint tatsächlich Blut zu sein. Hier und da sieht man regelrechte Pfützen davon auf dem Boden. Mit zitternden Füßen steigt Kagome von Kiraras Rücken. „Es sieht wohl so aus, als hätten die beiden eben noch hier gekämpft“, stellt Miroku fest. „Und mindestens einer von ihnen scheint verletzt zu sein“, fügt Sango hinzu. Kagomes Gesicht erstarrt vor Schreck. „Aber von der Blutmenge her würde ich eher vermuten, dass es Sesshomaru ist“, meint sie schnell noch, als sie Kagomes besorgten Blick bemerkt. Yaeba zieht die Stirn kraus. „Ja, das Blut stammt von Sesshomaru. Überwiegend“, stellt er fest, „Allerdings scheint der Kampf noch nicht entschieden zu sein, sonst hätten wir sie hier angetroffen.“ Kagome bekommt feuchte Hände. „Du meinst, sie kämpfen noch immer, verletzt wie sie sind?“ Yaeba nickt. „Davon gehe ich aus. Ziemlich beachtlich! Ich gebe zu, dass ich das Inu Yasha nicht zugetraut habe. Aber letztlich ist auch er ein Sohn des Inu Taishou. Vielleicht schafft er es tatsächlich, Sesshomaru in die Knie zu zwingen, auch wenn ich daran noch meine Zweifel habe.“ „Du solltest Inu Yasha etwas mehr vertrauen“, meint Sango ernst, „Er ist zwar meist ein ziemlicher Rüpel, aber er gibt niemals auf, wenn er sich was in den Kopf gesetzt hat. Und für gewöhnlich weiß er sich schon zu verteidigen.“ „Kagome!“, Shippos aufgeregter Ruf lässt die Umstehenden aufhorchen, „Schau mal was ich gefunden hab!“ Rasch läuft das Mädchen zu dem kleinen Kitsune hinüber. „Was denn, Shippo?“ „Sieh mal!“, eifrig deutet der Fuchs auf etwas das am Boden liegt. Schon ist Kagome bei ihm und ihr Blick folgt seinen Gesten und im gleichen Moment schlägt sie erschrocken die Hand vor den Mund. „Das ist ja Tessaiga!“, ruft sie erschrocken. „Tessaiga?“, nun kommen auch die anderen hinzu. „Aber was hat das hier zu suchen?“, meint Sango verwundert, „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Inu Yasha es freiwillig hier zurücklassen würde.“ „Bestimmt ist ihm was Schlimmes passiert!“, jammert Shippo aufgeregt. „Vielleicht wurde er gezwungen, es hier zu lassen“, stellt Miroku die Vermutung an, „Vielleicht wurde er überwältigt.“ „Das glaube ich nicht“, meint Yaeba, „Ich nehme außer Sesshomaru und Inu Yasha keine weiteren Witterungen wahr und ich glaube nicht, dass Sesshomaru in der Verfassung ist, ihn lediglich bewusstlos zu schlagen und zu verschleppen. Und wenn er ihn getötet hätte, müssten wir seine Leiche hier irgendwo finden.“ „Sag doch so was nicht!“, ruft Kagome mit zitternder Stimme, „Inu Yasha ist bestimmt noch am Leben. Ich bin mir ganz sicher!“ „Das sagte ich doch gerade“, erwidert Yaeba ruhig, „Er mag vermutlich verletzt sein, aber alles spricht dafür, dass er noch am Leben ist.“ „Die Frage ist nur, wie lange noch“, wirft Miroku ein, „Ohne Tessaiga ist er bestimmt ziemlich im Nachteil.“ „Und wir dürfen eines nicht außer Acht lassen“, fügt Sango nachdenklich hinzu, „Wenn Inu Yasha verletzt ist und wir Tessaiga haben, dann...“ „Ja, ich weiß was du meinst“, unterbricht Kagome ihre Freundin leise. Behutsam hebt sie das Schwert auf. „Dann braucht er dringend unsere Hilfe.“ Plötzlich zuckt Yaeba kaum merklich zusammen. „Verdammt!“, murmelt er und dann blickt er sich wachsam um, „Ich hätte es früher bemerken müssen.“ „Was denn?“, kommt die beunruhigte Frage von Sango. „Ich spüre es auch!“, meint Miroku und blickt sich suchend um. Doch noch ehe die kleine Gruppe ein weiteres Wort sagen kann, sind sie urplötzlich umringt von einer beträchtlichen Menge gut gerüsteter Youkai, die geradezu aus dem Boden gewachsen zu sein scheint und sie nun mit gezückten Schwertern und grimmigen Mienen in Schach hält. Reflexartig machen sich Sango und Miroku kampfbereit und auch Yaeba packt seinen Speer fester. Auch Kagome greift sich ihren Bogen und legt auf die Youkaihorde an. Es sind sicher über zweihundert Stück und allesamt haben sie vertraut goldglänzende Augen. Kagome bekommt es nun doch mit der Angst zu tun während sie versucht, die Situation zu erfassen. Es scheinen Inuyoukai des Westens zu sein, offenbar Sesshomarus Armee. Allerdings sind sie gerade erheblich in der Überzahl und dies sind keine gewöhnlichen Oni sondern richtige Youkai, vermutlich allesamt von Dokutoges Kaliber. Wenn es zum Kampf kommen sollte, haben sie vermutlich kaum eine Chance, das zu überleben und die Krieger sehen weder freundlich aus, noch machen sie irgendeine Anstalt sie unbehelligt ziehen zu lassen. Mit zitternden Fingern zielt Kagome weiter auf ihre Gegner. Die kleinste Bewegung könnte einen Angriff provozieren. Sie haben wenig Chancen heil davon zu kommen, aber sie werden ihre Haut so teuer wie möglich verkaufen. Schließlich haben sie noch eine wichtige Aufgabe zu erledigen und Inu Yasha braucht dringend ihre Hilfe. Doch in diesem Moment ertönt auf einmal eine Stimme: „Halt! Lasst sie! Sie gehören zu Inu Yasha-sama.“ Es dauert nur einen kurzen Moment des Zögerns bis die Krieger die Waffen sinken lassen. Nun wagen es auch Kagome und ihre Kameraden sich etwas zu entspannen. Aufmerksam wenden sie sich der Stimme zu, die sie gerade noch gerettet hat. Die Gruppe der Youkai teilt sich und zwischen ihnen erscheinen zwei stattlich gekleidete Personen. Eine von ihnen jedoch wankt leicht bei jedem Schritt, versucht jedoch, es sich nicht anmerken zu lassen. Schließlich stehen die beiden direkt vor ihnen und Kagomes Miene hellt sich erleichtert auf. „Dokutoge!“ Verbissen krallt sich Inu Yasha im Fell seines Bruders fest. Jeder Sprung und jedes Aufkommen des Riesenhundes spürt er schmerzlich am eigenen Leib und er hat jedes Mal das Gefühl, beinah mitten durch gerissen zu werden. Zum wiederholten Male fragt er sich was er hier eigentlich tut. Und das ist nicht einmal eine rhetorische Frage. Noch immer kämpft er um sein Bewusstsein. Dazu kommt das zunehmende Schwindelgefühl und die pochenden Schmerzen in seinen Armen und Beinen. Besonders das eine Bein fühlt sich immer mehr taub und kalt an. Doch Inu Yasha lässt nicht los. Zwar peitschen ihm immer mehr Zweige ins Gesicht und sich an seinem Bruder nur festzukrallen ist eine wahre Tortur und ein stilles Ringen um Ausdauer und Selbstbeherrschung, doch er darf auf keinen Fall loslassen. Sesshomaru hat schon fast den Ostpalast erreicht und was dann passiert, mag er sich gar nicht erst ausmalen. Inu Yasha weiß, dass er schleunigst irgendetwas unternehmen muss, doch ihm will einfach nichts Brauchbares einfallen. Es ist wirklich unglaublich, was für eine endlose Energie in seinem Bruder zu stecken scheint. Seine Verletzungen sind alles andere als leicht, doch noch immer ist er nicht am Ende seiner Kräfte. Es ist wahrlich zum Verzweifeln! Schon spürt er wie ihm der Griff seiner Finger entgleiten will. Sein ganzer Körper schmerzt und eine Erschöpfung überkommt ihn, wie er sie schon lange nicht mehr gespürt hat. Gibt der Kerl denn nie auf? Doch Inu Yasha weiß es besser. Nichts wird den verzweifelten Lauf des Daiyoukais stoppen, solange noch ein Funken Leben in ihm steckt. Nichts, wenn nicht er etwas unternimmt. Inu Yasha hebt den Kopf. Die Gegend kommt ihm bekannt vor. Der Ostpalast ist nicht mehr weit. Dort vorne kann er bereits wage den Eingang zum Hohlweg sehen. Jetzt ist wirklich die letzte Gelegenheit, ihn aufzuhalten. Der Hanyou beißt die Zähne zusammen. Verdammt! Ich bin auch unseres Vaters Sohn! Wenn Sesshomaru über seine Grenzen gehen kann, dann kann ich das auch! In diesem Moment fällt die Entscheidung. Inu Yashas Muskeln spannen sich und mit einem grimmigen Knurren packt er einen sicheren Griff und zieht sich wieder nach vorne zum Kopf seines Bruders. Mit verbissener Miene packt er unerbittlich das Nackenfell seines Bruders und mit der anderen Klaue schlägt er erbarmungslos auf Sesshomarus Kopf ein. Der gewaltige Daiyoukai strauchelt unter der Wucht des Schlages für einen Moment doch dann läuft er weiter. Wieder schlägt Inu Yasha zu; seine Augen funkeln rot dabei. Wieder stolpert der riesige Hund, doch mit einem kurzen Winseln setzt er seinen Weg vor. Der Hohlweg zum Palast kommt immer näher. Erneut schlägt Inu Yasha auf seinen Bruder ein. „Bleib endlich stehen, du elender Vollidiot!“, schreit er wütend und dann packt er eines der riesigen Ohren und reißt unbarmherzig daran. Der Dämonenhund kläfft erneut auf und sein Schritt verlangsamt sich etwas, jedoch nur um sich mit der Hinterpfote am Ohr zu kratzen in dem Versuch den unliebsamen Reiter endlich loszuwerden. Doch Inu Yasha ist wachsam. Kaum kommt die riesige Pfote zu ihm hinauf, rammt er mit voller Wucht seine spitzen Klauen hinein, so dass erneut das Blut spritzt. Sesshomaru heult auf und einmal mehr versucht er durch wildes Schütteln seinen Bruder loszuwerden. Doch der Hanyou ist hartnäckig. Mit allem was er hat, krallt er sich an ihm fest, auch wenn er inzwischen das Gefühl hat, diesen Kraftausbrüche nicht länger gewachsen zu sein. Er weiß selbst nicht, woher er die Kraft nimmt, seinem Bruder noch immer zu widerstehen. Doch trotz aller Bemühungen nähern sie sich noch immer dem Ostpalast und Inu Yasha weiß, ihm rennt die Zeit davon. Immer weiter setzt er seinem Bruder zu, in der Hoffnung ihn endlich in die Knie zu zwingen. Ein unbeugsamer Wille hat von ihm Besitz ergriffen. Nein, er wird seinem Bruder nicht unterliegen. Er wird beweisen, dass er genau so zäh ist wie er, nein noch zäher! Der Daiyoukai gebärdet sich noch immer wie wild, obwohl er bereits aus unzähligen Wunden blutet und aus seinen Lefzen roter Schaum quillt. Doch er stolpert weiter vorwärts, fast ungeachtet dessen, dass sein Bruder noch immer auf ihn einprügelt, um ihn endlich zum Stillstand zu bringen. In wenigen Schritten wird er den Hohlweg erreicht haben. Sein Gesicht ist zu einer grimmigen Fratze verzerrt und in seinen rotglühenden Augen funkelt noch immer ein scheinbar unlöschbares Feuer der Entschlossenheit. Sein Blick ist stur auf den Eingang zum Ostpalast gewandt. Doch allmählich verwandelt sich sein Atem immer mehr in ein unschönes Röcheln, das von völliger Verausgabung zeugt. Seine Schritte werden immer schleppender und zittriger. Das ist Inu Yasha nicht entgangen. Er schöpft wieder Hoffnung. Nur noch ein kleines bisschen. Er muss nur noch ein kleines bisschen durchhalten, dann wird Sesshomaru nichts anderes mehr übrig bleiben als aufzugeben. Wieder schlägt er zu. Der große Daiyoukai schwankt. Sein Atem rasselt. Inu Yasha beißt die Zähne zusammen. Er hat kaum noch die Kraft die Hand zu heben. Ihm ist schummerig vom Blutverlust und sein Körper ist nur noch ein dumpfer Schmerz. Und er ist erschöpft wie noch nie in seinem Leben. Nie zuvor musste er so an seine Grenzen gehen. Vielleicht sollte er sich für die Zukunft merken eine Auseinandersetzung mit seinem Bruder nicht mehr derartig auf die Spitze zu treiben. Kann der elende Kerl nicht endlich umfallen? Weiß der Himmel woher er noch immer die Kraft zum Kämpfen nimmt, doch er schlägt noch zwei Mal zu. Und Sesshomaru bleibt stehen. Schwer hechelnd und keuchend steht er da. Blut rinnt ihm über den ganzen Körper. Ein heiseres Japsen dringt aus seiner Kehle und ein unkontrolliertes Zittern läuft durch seinen Leib. Für einen Moment sieht es aus als wollten ihm die Gliedmaßen den Dienst versagen. Doch irgendeine Macht hält ihn noch immer auf den Pfoten. Inu Yasha schickt innerlich unzählige Stoßgebete zum Himmel. Bitte, lasse es das gewesen sein. Er hat nicht das Gefühl als könnte er noch einen einzigen Hieb ausführen. Wie er es immer noch fertig bringt, dem Youkaiblut in seinen Adern zu widerstehen, ist ihm ein völliges Rätsel. Alles wozu er noch in der Lage ist, ist sich im Nacken seines Bruders festzuklammern, den pochenden Schmerz in seinen Gliedern zu erdulden und seine letzte Selbstbeherrschung darauf zu verwenden, um nicht endgültig in die Berserkerwut zu verfallen, mit der er sich selbst endgültig zugrunde richten würde. Doch plötzlich durchdringt irgendwas den wattigen Nebel in seinem Kopf. Irgendjemand ruft seinen Namen. Schwach öffnet der Hanyou die Augen. Da ist es wieder. „Inu Yasha!“ Es kommt ihm wie eine Ewigkeit vor bis er halbwegs zuordnen kann, wer ihn da ruft. Kagome! Mühevoll hebt Inu Yasha den Kopf. Nun sieht er es. Sesshomaru ist direkt vor dem Eingang zum Hohlweg stehengeblieben. Hinter ihnen sind gerade mehrere Personen aus dem Wald getreten. Flüchtig nimmt er wahr, dass es wohl Westyoukais sind, doch ihm fallen eher die entsetzten und wütenden Blicke auf, die sie ihm zuwerfen. Unter ihnen entdeckt er einige bekannte Gesichter. Den Westyoukai den er zur Nordfürstin geschickt hat. Wie war doch noch sein Name? Aber vor allem entdeckt er ganz vorne seine Freunde und im Besonderen Kagome. Er kann sehen wie sie direkt auf ihn zustürzen will, doch im gleichen Moment von Yaeba zurückgehalten wird. Es soll ihm nur recht sein, denn kaum hat er sie entdeckt, verspürt er diesen übermächtigen Drang, auch sie bekämpfen zu wollen, doch mit aller Macht reißt er sich zusammen. Schmerzhaft kneift er die Augen zu. Besser für sie, wenn sie nicht näher kommt. „Inu Yasha!“, schreit Kagome erneut. In einiger Entfernung hat sie ihn entdeckt. Er sitzt in Sesshomarus Nacken und krallt sich dort mühsam fest. Der mächtige Hund steht schwer atmend da, als warte er nur darauf, wieder genug Kräfte zu sammeln, um weiter zu laufen. Sein sonst schneeweißes Fell ist jetzt schmutzig braun von Erde und Blut. Kaum zu glauben, dass die beiden noch immer kämpfen. Sie müssen völlig erschöpft sein. Obwohl man das bei einem Daiyoukai ja nicht so genau wissen kann. Was muss Inu Yasha nur durchgemacht haben. Sie kann es von hieraus sehen, dass er sich wieder in einen Youkai verwandelt hat. Das muss bedeuten, dass er verletzt ist. Ihr Herz schlägt bis zum Hals vor Sorge. Ihre Beine zittern leicht, als sie auf ihn zu laufen will, doch sie kommt nicht weit, denn Yaebas starke Arme halten sie entschieden fest. „Lass mich los!“, fordert das Mädchen ärgerlich. „Kommt nicht in Frage!“, antwortet der alte Streuner gelassen, „Das wäre glatter Selbstmord. Sesshomaru würde dich ohne jegliche Probleme zerreißen.“ „Aber ich muss doch zu ihm!“, fleht Kagome. Ohne dass sie es verhindern kann, hat sie schon wieder Tränen in den Augen. „Er braucht uns. Er ist verletzt und er hat sich nicht mehr unter Kontrolle. Er braucht sein Schwert.“ Nun sind auch die anderen hinzugekommen. Die Westyoukais hinter ihnen rühren auf Geheiß ihres Anführers keinen Finger. Wieder will sie sich losreißen, doch behutsam, wenn auch bestimmt hält Yaeba sie zurück. „Sei vernünftig, Kagome-san, du kannst da leider gar nichts machen. Du wirst Inu Yasha-sama vertrauen müssen.“ Kagomes Körper gibt den Widerstand auf. Verzweifelt schaut sie zu den beiden verletzten Youkaibrüdern hinüber. Ihre Hand krampft sich zum Tessaigas Schwertgriff. Wenn sie doch nur irgendetwas tun könnte. Ihre Freunde haben sich nun zu ihr gesellt und sie sind nicht weniger besorgt als sie. „So wie es aussieht, hat Inu Yasha ihn endlich zum Anhalten gebracht“, stellt Miroku fest. „Die Frage ist nur für wie lange“, gibt Sango zu bedenken, „Youkais die kurz vor ihrer Niederlage stehen, mobilisieren manchmal noch mal ihre letzten Kräfte für einen letzten entscheidenden Schlag.“ Hinter ihnen steht Chitsurao und beobachtet die Szene mit zunehmender Besorgnis. Auf dem Weg hierher ist er zwar darüber informiert worden, dass sein Herr Vergeltung dafür sucht, von Arashitsume getäuscht worden zu sein, und dass ihn eine solche Wut gepackt hat, dass er nicht mehr Herr seiner Sinne ist, weshalb ihn sein Bruder, als der Ranghöchste nach ihm, wieder zur Vernunft bringen muss, mit Gewalt, wenn nötig. Aber dies direkt vor sich zu sehen, ist eine gehörige Herausforderung an seine Selbstbeherrschung. Seinen Herrn so schlimm zugerichtet zu sehen und nicht eingreifen zu dürfen, verlangt ihm einiges ab. Es reizt ihn in jeder Faser seines Körpers, seinem Fürsten zu Hilfe zu kommen, doch auch er kennt die Gesetze und er weiß, dass ihm das diesmal strickt untersagt ist. Es fällt ihm wahrlich nicht leicht, das zu akzeptieren, zumal er noch immer nicht so ganz verstanden hat, was diese Menschen mit der Sache zu tun haben. Dokutoge hat sich über die Hintergründe ziemlich bedeckt gehalten und ihn auf später vertröstet. Es bleibt ihm nichts anderes über, als seinem Kommandanten zu vertrauen und es zu akzeptieren, wenn auch mit geballten Fäusten. Doch in gerade diesem Moment scheinen sich Sangos Befürchtungen zu bewahrheiten. Ein kehliges Knurren ertönt von dem mächtigen Daiyoukai zu ihnen hinüber und im gleichen Moment straffen sich seine Muskeln erneut. Ein unschönes Röcheln ist zu hören und dann im gleichen Moment springt er vorwärts, direkt auf den Felsspalt zu, der hinauf zum Ostpalast führt. Nun gibt es scheinbar kein Halten mehr für den mächtigen Hund, denn er macht sich nicht einmal mehr die Mühe, über die Felsen hinüberzuspringen. Er folgt dem schmalen Weg direkt und mit seiner breiten Brust walzt er dabei eine gehörige Bresche in den Hohlweg. Unter seinen schweren Pfoten zerbröckeln die Felsen wie Brotkrumen. Auch Inu Yasha muss sich jetzt wieder damit auseinandersetzen, dass sein Bruder noch immer nicht bereit ist aufzugeben. Er spürt wie Sesshomaru sich zwar langsamer als bisher, aber dafür noch immer unaufhaltsam auf sein Ziel zu bewegt. Und er stellt fest, dass ihm die Kraft fehlt, jetzt noch etwas dagegen zu unternehmen. Sein Körper hat sein Limit erreicht, und es ist ihm gerade noch möglich, sich im Nacken seines Bruders festzukrallen, doch zu mehr ist er einfach nicht mehr in der Lage. Verdammt, sein Körper gehorcht ihm einfach nicht mehr. Was soll er jetzt noch tun? Sesshomaru wird in den Ostpalast einfallen und Arashitsume angreifen und in seinem jetzigen Zustand ist er kein Gegner für den Ostfürsten. Arashitsume mag vielleicht ein Feigling und Verräter sein, aber immerhin ist auch er ein Daiyoukai. Sesshomaru wird keine Chance gegen ihn haben. Und Inu Yasha ist davon überzeugt, dass sein Bruder dem keine Beachtung schenken wird. Was also kann er jetzt noch tun? Er selbst hat keine Kraft mehr, um ihn noch aufzuhalten und von selbst wird Sesshomaru sicher nicht aufhören. Ist es denn wirklich hoffnungslos? Gibt es denn wirklich nichts mehr was er tun kann? Keine Möglichkeit mehr den wahnsinnigen Daiyoukai zur Räson zu bringen? Inu Yasha kneift verzweifelt die Augen zusammen. Wenn Sesshomaru doch bloß auch... In diesem Moment zuckt er zusammen. Ihm ist etwas in den Sinn gekommen. Es gibt noch eine Möglichkeit! Die Frage ist, ob er dafür noch die nötige Kraft aufbringen kann. Doch nun ist alles egal, er muss es versuchen. So stark wie er es vermag klammert er sich an das Nackenfell seines Bruders und dann hebt er ein wenig den Kopf und blickt zurück zu seinen Freunden. „Kagome!“, seine Stimme klingt rau und fremdartig, doch er holt noch einmal Luft, „Kagome!“ Das Mädchen hebt den Kopf. Hat Inu Yasha tatsächlich gerade nach ihr gerufen? In seinem derzeitigen Zustand? Aufmerksam horcht sie zu den beiden Youkais hinüber. „Inu Yasha?“, ruft sie zurück. Nur wenige Augenblicke später hört sie die ungewohnte Stimme ihres Freundes erneut rufen. „Kagome, sag es!“ Irritiert blickt sie den beiden entschwindenden Youkais hinterher. Hat sie richtig gehört? „Was soll ich sagen?“, ruft sie verständnislos zurück. Doch da ertönt der Ruf erneut: „Sag es! Nun mach schon!“, es klingt wahrlich verzweifelt. Und nun dämmert es Kagome und im gleichen Maße wird ihr auch klar, was Inu Yasha da versucht. Ehe noch jemand reagieren kann, läuft sie los, den beiden Youkais hinterher, und schreit: „Sitz!“ Und im gleichen Moment leuchtet die magische Kette um Inu Yashas Hals hell auf und die heilige Macht presst den Hanyou unbeirrbar und gnadenlos dem Erdboden entgegen. Die Tatsache, dass er sich noch immer krampfhaft im Nacken seines Bruders festkrallt, hat dabei den bemerkenswerten Nebeneffekt, dass der mächtige Daiyoukai mitten aus dem vollen Lauf ebenfalls zu Boden gerissen wird. Mit voller Wucht schlägt sein riesiger Körper ein beträchtliches Loch in den Hohlweg und zerbröckelt dabei zahlreiche Felsen unter sich. Im ersten Moment ist der Dämonenhund irritiert, doch dann stemmt er sich zittrig wieder hoch und versucht weiterzulaufen. Inu Yasha nimmt es mit tiefen Bedauern zur Kenntnis. Die Kette hätte ihm diesmal fast das Genick gebrochen, soviel Kraft musste sie ausüben, um ihr angestammtes Ziel trotz der Widerstandskraft des Daiyoukais zu erreichen. Zwar ist Sesshomaru wieder aufgestanden, doch Inu Yasha spürt, dass es nicht spurlos an ihm vorüber gegangen ist. Ihm bleibt keine Wahl. „Noch mal!“, schreit er und krallt sich noch fester an seinem Bruder fest. Wenn er jetzt herunterfällt, ist alles verloren. Kagome folgt ihm noch immer. Ihr Puls rast. Inu Yashas Stimme klingt jetzt unverkennbar schmerzerfüllt. Es kostet sie enorme Überwindung seinem Wunsch Folge zu leisten. „Sitz!“, ruft sie erneut. Wieder tut die Kette ihre Pflicht und presst ihren Träger unbarmherzig zu Boden. Und wieder wird dabei auch der gewaltige Hund zu Boden geschmettert, direkt vor den Toren des Ostpalastes. Inu Yasha entfährt ein Schmerzensschrei, als ihn dabei einige umher fliegende Felsbrocken treffen, ganz zu schweigen von den Schmerzen in seinem Nacken. Die Kette schnürt ihm gnadenlos die Luft ab. Doch schon wieder stemmt sich der Daiyoukai hoch und mit Wucht will er sich gegen das große Eingangstor werfen. „Noch mal!“, quetscht Inu Yasha unter Schmerzen hervor. Kagomes Augen werden feucht. Sie ist erschöpft, sowohl körperlich als auch mental und es quält sie, ihrem Freund so offenkundig Schmerzen zuzufügen. Auch Miroku und die anderen haben sich jetzt auf ihre Fersen geheftet, doch ihre Freunde sind in dieser Hinsicht nur ein geringer Trost. „Inu Yasha, ich...“, stammelt sie widerstrebend. „Tu es! Verdammt noch mal!“, Inu Yashas Stimme lässt keine Zweifel an seiner Entschlossenheit, jedoch auch nicht an seinem Leid dabei. Mit feuchten Augen wendet Kagome den Blick ab: „Sitz!“ Gerade in dem Moment, als Sesshomarus Leib auf das Tor auftrifft, ergreift ihn erneut die Macht der Kette und unter diesen Krafteinwirkungen muss das riesige Tor unweigerlich nachgeben und zerbirst unter lauten Krachen unwiederbringlich in unzählige Einzelteile. Und im gleichen Moment, noch von der Wucht der Kette getragen, werden Daiyoukai und Hanyou auf den Vorhof des Palastes geschleudert, unter den grimmigen Augen sämtlicher versammelter Ostkrieger und den wachsamen sowie kritischen Blicken der Fürsten Arashitsume und Yarinuyuki samt ihrem Gefolge. Keiner der beiden sagt ein Wort. Die Nordfürstin steht am hinteren Ende des Vorplatzes, hat die Arme verschränkt und beobachtet das Geschehen mit schmalen Augen. Arashitsume hat wachsam die Brauen gehoben, doch er gibt seinen Leuten ein Zeichen, nichts zu unternehmen. Er scheint abwarten zu wollen, was als nächstes geschieht. Sesshomaru streckt nach dem schmerzhaften Sturz die Glieder. Sein Atem geht heftig und seine Lefzen verziehen sich während ein tödliches Knurren seine Kehle verlässt. Er hat den Begründer seines Amoklaufes entdeckt. Mühsam rappelt er sich wieder auf. Doch Inu Yasha, noch immer an ihn geklammert, reagiert sofort. Sein Blick geht hinüber zu seiner Freundin, die zusammen mit seinen anderen Freunden hinter ihnen im Eingang des Tores auftauchen. „Mach weiter!“, presst er mühevoll hervor. Kagomes Lippe zittert. „Sitz!“, ruft sie. Es holt den gewaltigen Daiyoukai erneut von den Füßen. Doch schon wieder versucht er sich hochzustemmen und nun ist es unverkennbar, dass er es auf Arashitsume abgesehen hat. „Hör nicht auf!“, und diesmal klingt Inu Yashas Stimme so verzweifelt, dass es Kagome fast das Herz zerreißt. Mit nassen Wangen schließt sie die Augen. „Sitz! Sitz! Sitz! Sitz! Sitz...“ Sie zählt es nicht mehr. Jedes Mal vernimmt sie den schaurigen Klang wenn der mächtige Körper des Dämonenhundes auf dem Steinboden des Vorplatzes auftrifft. Jedes Mal erneut so laut, da der Daiyoukai immer wieder versucht sich aufzurichten. Doch schließlich verstummt das unheimliche Geräusch und Kagome weiß, ihr 'Sitz' wird nun nicht mehr benötigt. Langsam öffnet sie die Augen. Der Kampf auf dem Vorhof hat eine Menge Staub aufgewirbelt. Man kann kaum etwas erkennen. Langsam klärt sich die Sicht. Mitten auf dem Platz ist eine große Gestalt zu erkennen. Sie liegt auf der Seite und ihr Atem geht stoßweise und unregelmäßig. Da plötzlich beginnt ein rötlicher Lichtschein den hühnenhaften Körper einzuhüllen und vor den Augen aller Beteiligten beginnt er zu schrumpfen bis er letztlich nur noch die Größe eines gewöhnlichen Mensch hat. Und nun entdeckt man auch die zweite Gestalt, die genau über der anderen liegt. Nur an den mühevollen Atembewegungen ist zu erkennen, dass noch Leben in ihr steckt. Beide Personen liegen völlig regungslos da. Ihre Gewänder sind arg in Mitleidenschaft gezogen worden und über und über mit Dreck und Blut beschmiert, ebenso wie die langen, weißen Haare, die momentan übel zerzaust sind und die frühere Würde schmählich vermissen lassen. Niemand sagt ein Wort. Eine beklemmende Stille liegt nun auf dem Platz. Alle Blicke sind auf Sesshomaru und Inu Yasha gerichtet. Miroku und die anderen haben nun zu Kagome aufgeschlossen und dicht hinter ihnen folgt ihnen auch Dokutoge zusammen mit Chitsurao die nun angespannt stehen bleiben und ebenfalls ihren am Boden liegenden Fürsten beobachten. Schließlich wird die Stille von einer seidigen Stimme durchbrochen. „Ihr hattet Recht, Yarinuyuki-sama“, er macht einen Schritt auf den schwer verletzten Westfürsten zu und ein genüssliches Lächeln liegt auf seinen Lippen, „Da ist er!“ Kapitel 54: Geständnisse ------------------------ Erhobenen Hauptes steht Arashitsume da, den missgünstigen Blick auf Sesshomaru gerichtet. „Wie ich sehe, habt Ihr es doch noch hierher geschafft. Ich habe allerdings nicht dein Eindruck, dass Ihr hier seid, um den Hohen Rat zu Ende zu führen“, sein Blick wandert über den Vorplatz und das zerborstene Tor, „Das ist nun schon das zweite Mal, dass Ihr mein Eingangstor zerstört habt“, hier wird sein Ton schärfer, „Sagte ich nicht, dass ich das nicht noch einmal tolerieren werde?“ Doch Sesshomaru gibt keine Antwort. Er liegt nur da, mit dem Gesicht zum Boden, und rührt sich nicht. Doch dann kommt wieder langsam Bewegung in ihn. Zittrig krallt sich seine Hand in den Schutt des Vorhofes. Mühsam stemmt der zerschundene Daiyoukai sich etwas hoch und hebt langsam den Kopf. Sein schweiß- und blutverschmiertes Gesicht ist eine Fratze des Zorns. Er hat die Zähne gefletscht und in seinen goldglühenden Augen liegt ein solch tödlicher Hass, dass es wahrlich zum Fürchten ist. Arashitsume hebt eine Braue. „Eurem Blick nach zu urteilen, zeigt Ihr keinerlei Reue für Eure Tat. Es scheint, meine Vermutungen bewahrheiten sich und Ihr seid tatsächlich darauf aus, einen Zwischenfall herbeizuführen.“ Kaum sind diese Worte gefallen, quetscht sich ein Wutschrei aus Sesshomarus Kehle. Nur Augenblicke später springt der Daiyoukai auf und will sich mit gezückten Klauen auf den Ostfürst stürzen. Doch in eben dem Moment, reißt ihn jemand unsanft mit aller Kraft zurück auf den Boden, wälzt sich über ihn und hält ihn grimmig fest. Inu Yasha verzieht schmerzerfüllt das Gesicht. Gerade noch rechtzeitig ist er wieder zur Besinnung gekommen, um zu bemerken, was sein Bruder vorhat. Nun mobilisiert er alle seine verbliebenen Kräfte, um ihn von dem Irrsinn abzuhalten. Unter größten Mühen hält er ihn im Schwitzkasten, denn Sesshomaru gebärdet sich wie wild, um ihn abzuschütteln und den Fürsten des Ostens anzufallen. Kagome und die anderen beobachten das Geschehen mit großer Sorge. „Einfach unglaublich, was Sesshomaru noch für eine Kraft hat“, stellt Sango verwundert fest, „Daiyoukais sind wirklich keine spaßigen Gegner.“ „Aber dafür schlägt Inu Yasha sich gar nicht so schlecht“, stellt Miroku fest, „Er hält ihn noch immer in Schach.“ Neben ihnen steht Yaeba und beobachtet den verbissenen Ringkampf der beiden Brüder. „Wirklich erstaunlich!“, murmelt er, „Das hätte ich ihm nicht zugetraut. Er ist ihm wirklich ebenbürtig. Hanaki hätte wahrlich ihre helle Freude an ihm.“ Die beiden Heerführer des Westens betrachten das Geschehen ebenfalls. Chitsurao allerdings nicht ganz so gelassen wie sein Vorgesetzter. Er versteht die Welt nicht mehr. Was geht hier bloß vor? Warum gebärdet sich sein Fürst auf so untypische und würdelose Art und Weise? Kein Wunder, dass Dokutoge wollte, dass nur er ihm hinauf zum Palast folgt. Es ist sicher besser wenn ihre Krieger das nicht zu sehen bekommen. Aber was kann seinen Herrn bloß derartig aus der Fassung gebracht haben? Hoffentlich erhält er bald Antworten darauf. Diese Frage stellt sich auch Itakouri. Zusammen mit seiner Fürstin und den anderen Gefangenen beobachtet er das Treiben der beiden Kämpfenden und er findet keine Erklärung dafür. Beim letzten Mal hatte der Fürst des Westens noch einen völlig anderen Eindruck geboten. Ernst, selbstbeherrscht und würdevoll. Davon ist jetzt nichts mehr zu merken. Was kann bloß der Grund dafür sein und warum reagiert seine Herrin in keinster Weise darauf. Das sieht ihr überhaupt nicht ähnlich. Sie steht bloß schweigend da und rührt keinen Finger. Worauf wartet sie? Will sie nicht endlich eingreifen? Sie sagte, sie ist hier, um den Hohen Rat weiterzuführen, was an für sich schon eine völlig untypische Verhaltensweise für einen Daiyoukai des Nordens ist. Sie wollte auf Sesshomaru warten und der ist jetzt eingetroffen. Doch so wie er sich verhält, wird er wohl an keinem Rat teilnehmen. Lässt sie das denn völlig kalt? Warum macht sie ihrem Ärger nicht Luft wie gewöhnlich? Fürchtet sie sich? Kriecht sie jetzt vor den anderen Fürsten zu Kreuze? Er kann sich nicht helfen, doch diese Fürstin enttäuscht ihn zutiefst. Von diesen Gedanken bekommt Yarinuyuki jedoch nichts mit. Sie behält die beiden Brüder genau im Auge und sagt kein Wort. Es wird nicht mehr lange dauern. Bald kommt der Moment in dem sich alles klärt, zum Guten oder zum Schlechten. Doch dieses Mal hofft sie tatsächlich, dass es zum Guten ist. Die Frage ist nur, ob der Kerl so viel Mumm besitzt. Währenddessen hat Inu Yasha noch immer schwer zu kämpfen mit seinem Bruder. Verbissen hält er Sesshomaru im Würgegriff, der wiederum mit aller Kraft versucht, ihn abzuschütteln. Dabei knurrt er gefährlich und zwischendurch stößt er zwischen gefletschten Zähnen einen verzweifelten Wutschrei aus. Inu Yasha hat wahrlich alle Hände voll zu tun. Seine Arme halten Sesshomarus Hals umschlungen und mit seinen Beinen versucht er, die seines Bruders zu umklammern, um ihn bewegungsunfähig zu machen. Doch das ist gar nicht so leicht, denn der Daiyoukai bäumt sich immer wieder auf. Verdammt, hat der Kerl noch immer eine Kraft! Dass Arashitsume weiter seinen Senf dazu gibt, macht es nicht gerade leichter. „Was ist denn los, Sesshomaru-sama?“, meint er verächtlich, „Völlig außer Kontrolle, würdelos und von einem Hanyou überwältigt. Wo ist da die vielgerühmte Selbstbeherrschung des Westclans? Müsstet Ihr Euch da nicht in Grund und Boden schämen?“ Wutschnaubend bäumt sich Sesshomaru erneut auf. Mehrere seiner Wunden sind durch die Kraftanstrengung wieder aufgebrochen und das Blut läuft ihm über das Gesicht. „Halt die Klappe!“, stößt Inu Yasha außer Atem hervor, „Wenn ich dich reden höre, kann ich es ihm nicht verübeln, dass er dich lynchen will.“ Dann wendet er sich wieder seinem Bruder zu. Ihm ist schlecht und jeden Moment droht ihn die Kraft völlig zu verlassen. Sein Bein schmerzt höllisch und bei der kleinsten Unachtsamkeit wird es seinem Bruder gelingen, ihn abzuschütteln. Doch dazu darf es einfach nicht kommen, ganz gleich wie zerschunden und zerschlagen er sich gerade fühlt. Er muss ihn unbedingt wieder zur Vernunft bringen. Er ist der Einzige der dazu in der Lage ist und der Einzige der weiß, warum das nötig ist. Mit jedem Ruck, der durch den Körper seines Bruders geht, spürt er die grenzenlose Verzweiflung die dahinter steckt und zu seiner eigenen Überraschung, krampft sich ihm selbst das Herz zusammen dabei. Noch immer versucht der Daiyoukai, völlig außer sich, ihn abzuschütteln. Es hilft alles nichts. Inu Yasha beißt die Zähne zusammen. Mit dem Ellenbogen holt er aus und rammt ihn Sesshomaru von hinten auf den Kopf. Doch noch immer wehrt sich der verletzte Youkai nach besten Kräften. Wieder und wieder verpasst Inu Yasha seinem Bruder mit dem Ellenbogen eine Kopfnuss nach der anderen. Sesshomaru knurrt gefährlich und gräbt seine Klauen in Inu Yashas Unterarm bei dem Versuch, sich aus seinem Klammergriff zu befreien. Der Hanyou muss stark an sich halten, damit ihm kein Schmerzensschrei entfährt. Noch einmal und noch einmal schlägt er auf seinen Bruder ein. Und schließlich hält Sesshomaru schwer atmend für einen Moment inne. Hier sieht Inu Yasha endlich seine Chance. Er verstärkt den Griff um Sesshomarus Hals und zieht sich ganz nah an sein Ohr heran, damit sein Bruder ihn auch wirklich hört. „Sesshomaru!“, zischt Inu Yasha. Der Daiyoukai beginnt wieder, sich zu wehren. Doch Inu Yasha lässt nicht los. „Sesshomaru! Hör auf damit! Lass es endlich sein!“ Ein grimmiges Knurren ist die Antwort und der Druck der Krallen in Inu Yashas Arm nimmt zu. Der Hanyou verzieht schmerzvoll das Gesicht, doch er lässt kein Stück locker. Wieder geht sein Mund zum Ohr seines Bruders: „Ich weiß, was du vorhast, doch das werde ich nicht zulassen, begreifst du das?“ Ein wütendes Grollen entfährt dem Daiyoukai und er versucht mit aller Kraft dem Griff seines Bruders zu entkommen. Inu Yasha spürt, dass es sich nur noch um Augenblicke handeln kann, bis sein Bruder sich aus seinem schwächer werdenden Griff befreien kann. Er atmet noch einmal tief durch und verstärkt den Druck um Sesshomarus Hals wieder. Er muss alles auf eine Karte setzen. „Sesshomaru“, raunt er ihm zu, „Sesshomaru, ich verstehe dich! Hörst du? Ich weiß genau, was in dir vorgeht.“ Ein wütendes Heulen dringt aus Sesshomarus Kehle. Wieder versucht er sich aus dem Griff zu befreien, doch Inu Yasha hält unerschütterlich aus. Als er jetzt spricht, klingt seine Stimme ein wenig traurig. „Ich weiß, es geht dir nicht um Rache. Aber was du vor hast, wird sie dir nicht wiederbringen.“ Kaum hat er das gesagt, krampft sich der ganze Körper seines Bruders zusammen und er stößt einen gequälten Schmerzensschrei aus. Inu Yasha nutzt die Gelegenheit und umklammert seinen Bruder wieder stärker. „Ich kann dich verstehen“, wiederholt er leise, „Ich weiß wie es ist, jemanden zu verlieren, der einem alles bedeutet. Vermutlich würde ich das selbe versuchen wie du, wenn ich das Gefühl hätte, daran Schuld zu sein.“ Ein weiterer gequältes Heulen entfährt dem verzweifelten Daiyoukai und seine Klauen lassen von Inu Yashas Arm ab und verkrallen sich krampfartig in den Boden. Wieder packt Inu Yasha seinen Bruder fester und kommt noch dichter an sein Ohr heran: „Aber du darfst dein Leben nicht so wegwerfen. Du hast Verantwortung, verdammt noch mal! Erinnere dich warum wir hierher gekommen sind! Du hast mich beleidigt, bekämpft, rumkommandiert und mich bis hierher mitgeschleift und du hast dich mit diesen unzivilisierten Idioten da abgegeben, nur um den Frieden zu bewahren. Den Frieden den schon unsere Vater vor dir gehütet hat. Du tatest das auch für sein Andenken. Erinnere dich, du wolltest um jeden Preis einen Krieg verhindern. Willst du jetzt so kurz vor dem Ziel aufgeben. Willst du alles zerstören, wofür du bisher so hart gekämpft hast? Bedeuten sie dir wirklich so viel?“ Noch einmal entfährt Sesshomaru ein verzweifeltes, gepresstes Winseln. Sein ganzer Körper ist angespannt und er zittert. „Hör mir zu“, drängt Inu Yasha leise, „Ich weiß es schmerzt, aber ich werde dich von diesem Schmerz bestimmt nicht erlösen und ich lasse auf keinen Fall zu, dass dieser Dreckskerl Arashitsume es tut, also krieg dich wieder ein, verdammt! Tenmaru gab sein Leben um dich zu beschützen und ich bin sicher, er würde nicht wollen, dass du es jetzt seinetwegen wegwirfst.“ Ein letztes Aufbäumen dann langsam löst sich die Spannung in Sesshomarus Gliedmaßen und er lässt erschöpft den Kopf hängen. Sein Körper gibt schließlich den Widerstand auf und unter einem gepressten Schluchzen sinkt er kraftlos zu Boden. Vernehmlich hört man ihn stoßweise ein und ausatmen. Inu Yashas wartet noch einen kurzen Moment, doch dann lockert sich auch sein Griff und er gibt seinen Bruder frei. Und urplötzlich überfällt ihn aller Schmerz und alle Erschöpfung, die er in den vergangenen Minuten verdrängt hat und kraftlos rollt er zu Seite und rührt sich nicht mehr. „Inu Yasha!“ Voller Sorge will Kagome zu ihrem besinnungslosen Freund hinüberlaufen, doch einmal mehr hält Yaeba sie zurück. „Warte!“, weist er sie leise an, „Du kannst von Glück reden, dass Arashitsume Menschen für minderwertig hält und sie deshalb nicht näher beachtet. Du solltest ihn nicht daran erinnern, zu fragen, welche Rolle du gerade bei dieser Sache gespielt hast.“ Nur sehr widerstrebend gehorcht sie. Nun tritt der Fürst des Ostens langsam auf Sesshomaru zu. Er klatscht leicht in die Hände. „Eine wirklich interessante Vorstellung, die Ihr da zum Besten gegeben habt, Sesshomaru-sama. Doch wenn Ihr wollt, dass sie glaubwürdig erscheint, hättet Ihr Euch nicht von einen Hanyou besiegen lassen dürfen.“ Dieser elende Mistkerl! Yaeba legt die Stirn in Falten. Er versucht noch immer, ihn in eine Falle zu locken. Leugnet er Inu Yashas Überlegenheit, macht er sich des Betrugs schuldig. Gibt er es zu, bedeutet das Gesichts- und Autoritätsverlust, und der Rat könnte ihm den Respekt verwehren. Eine gemeine Zwickmühle. Und wenn Sesshomaru auf die Provokation eingeht und Arashitsume doch noch anfällt, gibt es Krieg. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Arashitsume es tatsächlich soweit kommen lassen will. Es sei denn...! Urplötzlich fliegen seine Augen auf. Oh, verdammt! Dieser miese, skrupellose Bastard! Zunächst reagiert der regungslose Fürsten des Westens nicht. Doch dann kommt langsam wieder Bewegung in ihn. Langsam stützt er den Arm auf und stemmt sich dann mühsam hoch. Es ist ihm deutlich anzusehen, wie viel Kraft ihn das kostet. Schließlich steht er leicht schwankend wieder auf beiden Beinen. Er ist über und über mit Blessuren und Schnitten überzogen und sein Obergewand ist blutverschmiert und hängt in Fetzen an ihm herunter. Sein Kopf ist gesenkt und die zerzausten und blutverkrusteten Ponyfransen hängen ihm tief ins Gesicht. Kein Wort kommt über seine Lippen. Als keine Reaktion von ihm kommt, redet Arashitsume schonungslos weiter. „Versucht Ihr noch immer diese lächerliche Scharade weiterzuführen? Eure Machenschaften sind längst aufgeflogen.“ Er zeigt verächtlich auf den am Boden liegenden Kossoridoku. „Euer Spion, im Rudel meiner Schwester, ist in Gewahrsam genommen worden. Und wie ich sehe“, mit diesen Worten geht ein schneidender Blick hinüber zu Kagome und den anderen, dass ihnen ganz mulmig wird, „ist es Euch noch nicht gelungen, Eure Miko-Komplizin loszuwerden. Es war sicher nicht Eure beste Idee, sie hierher zu bringen.“ Ein süffisantes Lächeln zieht auf sein Gesicht. „Ein dummer Fehler!“ Er geht ein paar Schritte vor Sesshomaru auf und ab. „Zumindest wart Ihr klug genug, sie außer Gefecht zu setzen, ebenso wie die anderen, die Euch gefährlich werden können. Den Spion, den Ihr bei den Streunern eingeschleust habt. Euren Bruder, indem Ihr vorgabt, von Ihm besiegt worden zu sein. Nicht sehr glaubhaft, wie ich festhalten muss. Ich bitte Euch, ein Hanyou? Und natürlich nicht zu vergessen diesen Streunerbengel...“, ein boshaftes Funkeln liegt nun in Arashitsumes Augen. Nun kann Kagome nicht mehr an sich halten: „Das ist eine gemeine Lüge! Ihr habt das alles eingefädelt. Sesshomaru trifft keine Schuld!“ Ruckartig, wie der einer Kobra, fliegt Arashitsumes Kopf herum und durchbohrt das Mädchen mit einem derart vernichtenden Blick, dass sie kein weiteres Wort mehr herausbringt. Und nun wird seine Stimme laut. „Was redet dieses Menschenweib unaufgefordert in meiner Gegenwart?“ Hoch aufgerichtet steht er da und jegliche Freundlichkeit ist nun aus seinem Gesicht wie weggeblasen. Sofort rücken die umstehenden Ostkrieger näher an die kleine Menschengruppe heran und Yaeba stellt sich schützend vor Kagome. Doch glücklicherweise gibt der Ostfürst ihnen nicht den Befehl zum Angriff, sondern wendet sich wieder Sesshomaru zu und Kagome zieht es vor, den Ostfürsten fürs Erste nicht noch einmal zu provozieren. „Ich frage Euch noch einmal, Sesshomaru-sama!“, hart fliegen die Worte über den Platz, „Die gänzlich unangebrachte Art Eures Erscheinens, verletzt ohnehin schon die Würde des Hohen Rates. Wollt Ihr nicht endlich diese Farce beenden und zugeben, dass Ihr von vornherein vor hattet, einen Krieg zu beginnen und die Macht über die anderen Reiche an Euch zu reißen? Deshalb gabt Ihr Eurem Bruder den Auftrag, einen Zwischenfall herbeizuführen und deshalb wolltet Ihr keine Entscheidung gegen Euren Bruder treffen. Schon Euer ungebührliches Auftauchen hier beweist, dass Ihr beabsichtigtet, den Hohen Rat zum Scheitern zu bringen und einen Krieg zu provozieren. Was für ein gewissenloses Unterfangen! „Und Ihr wusstet von dem verhängnisvollen Geruch dieses Streuners und wolltet vermeiden, das er auf Fürstin Yarinuyuki trifft, da Ihr befürchtetet, dass daraus ein Bündnis zwischen Norden und Osten entstehen könnte, sollten meine Schwester und ihr Balg jemals wieder in den Clan aufgenommen werden. Und nun wo Euer schöner Plan immer mehr in die Brüche geht, kommt Ihr hierher, spielt uns den Empörten vor und versucht mir Eure Schuld in die Schuhe zu schieben. Doch damit werdet Ihr keinen Erfolg haben. Haltet Ihr uns wirklich für so naiv? Erwartet Ihr wirklich, wir würden Euch diesen armseligen Versuch abkaufen, die Schuld von Euch abzulenken, indem Ihr vorgebt, der Geschädigte zu sein?“ „Der Geschädigte?“, nun endlich hebt Sesshomaru leicht den Kopf. Seine Stimme klingt tiefer und rauer als gewöhnlich. Die bitteren Züge in seinem bleichen Gesicht lassen ihn viel älter wirken als er ist. Schwach schüttelt er den Kopf. „Ich bin nicht der Geschädigte. Fürst Taihyouga ist der Geschädigte. Hanaki ist die Geschädigte“, seine Stimme schwankt leicht bei diesem Namen, „Tenmaru... ist der Geschädigte“, wieder bricht ihm beinah die Stimme weg, „Euer Ränkespiel hat schon zu viele Leben gekostet.“ Nun blickt er auf; dem Fürst des Ostens direkt ins Gesicht. „Ich werde dafür sorgen, dass das ein Ende hat.“ Doch Arashitsume verzieht nur verächtlich das Gesicht. „Ich bitte Euch, tut doch nicht so, als ob Ihr Taihyouga auch nur eine Träne nachweinen würdet,“ er wendet sich zur Nordfürstin um, „Nichts für ungut, Yarinuyuki-sama, doch es ist ja kein Geheimnis, dass die Verhältnisse zwischen den Reichen und die Sympathien zwischen den Fürsten nicht die besten waren.“ Dann richtet er wieder das Wort an Sesshomaru: „Und was meine Schwester angeht, sie war schon immer eine Unruhestifterin, und eine Verräterin an ihrem Volk war sie ebenfalls. So viel Gunst verdient sie ganz sicher nicht.“ „Ich habe Hanaki gekannt!“, rau fliegt Sesshomarus Ausruf über den Platz. Der Daiyoukai hat die Hand zur Faust geballt. „Sie besaß Ehre, Mut und Loyalität. Was man von Euch leider nicht behaupten kann, Arashitsume!“ Eine solche Bitterkeit liegt in den Worten, dass der Ostfürst überrascht einen Moment innehält. An dieser Stelle kann Itakouri nicht länger an sich halten. Empört wendet er sich an seine Fürstin: „Er verhöhnt uns! Er beleidigt Inu Taihyouga-samas Andenken indem er für diese miese Verräterin Partei ergreift! Wollt Ihr das wirklich ungestraft lassen? Wollt Ihr gar nichts unternehmen, Yarinuyuki-hime?“ Doch die Nordfürstin wirft ihm einen finsteren Blick zu. „Ich muss mich nicht vor dir rechtfertigen. Also halt gefälligst den Mund, bevor ich ihn dir abreiße!“ Itakouri verstummt, wenn auch widerwillig. Ungläubig und fassungslos, beäugt er die junge Daiyoukai. Wie kann sie nur! Bedeutet ihr die Ehre ihres Vaters gar nichts mehr? Gut er hat auch Samushis Geschichte gehört, aber dennoch...! Währenddessen hat sich Arashitsume wieder gefangen. „Gekannt wollt Ihr sie haben? Ihr habt kaum eine Woche bei ihrem Rudel verbracht. Wie wollt Ihr auch nur irgendetwas über sie wissen?“, sein Gesicht wird düster, „Ich kenne meine Schwester wesentlich länger und Ihr könnt mir glauben, sie war immer schon egoistisch, undankbar und verantwortungslos. Oder könnt Ihr irgendetwas vorbringen, dass das Gegenteil beweist?“ Mir diesen Worten fixiert er scharf den Westfürsten. Doch Sesshomaru antwortet nicht. Schweigend starrt er zu Boden. Arashitsume lächelt hämisch. „Das hätte ich auch nicht anders angenommen. Ich erinnere mich noch sehr genau an Euren letzten Besuch bei mir. Und ich habe noch immer Eure Worte im Ohr. Ihr selbst habt geschworen, dass sie durch Eure Hand sterben würde, sollte sie Euch wieder begegnen. Und nun verteidigt Ihr sie auf einmal. Steht Ihr nun plötzlich nicht mehr zu Euren Worten. Bedeutet Euer Schwur Euch nun nichts mehr, Sesshomaru?“ Zunächst kommt von dem Daiyoukai keine Reaktion und die Umstehenden halten angespannt den Atem an. Doch dann hebt Sesshomaru erneut den Kopf. Seine Kiefer sind fest aufeinandergepresst. Dann jedoch sagt er: „Ich hatte auch noch etwas anderes geschworen.“ Arashitsume legt gespielt überrascht den Kopf in den Nacken: „Ach ja, ich entsinne mich. Da war ja noch was. Seit Ihr sicher, dass Ihr das hier zur Sprache bringen wollt?“ Doch Sesshomaru verzieht keine Miene. „Entsinnt Euch besser richtig! Ich schwor Euch zur Verantwortung zu ziehen, solltet Ihr mich jemals hintergehen. Und diesen Schwur beabsichtige ich zu halten!“ Herablassend hebt Arashitsume die Augenbrauen: „Hintergehen? Ich soll Euch hintergangen haben? Das ist lächerlich!“ Finster blickt Sesshomaru ihn an. „Ihr habt versucht, mich umzubringen.“ Arashitsumes Augen öffnen sich erstaunt: „Und wer hat Euch solche unverschämten Lügengeschichten erzählt.“ Wieder beißt Sesshomaru die Zähne aufeinander. Als er spricht, ist seine Stimme leiser als zuvor. „Tenmaru hat es mir erzählt. Er versuchte mich zu warnen, doch ich wollte ihn nicht hören.“ Verächtlich blickt Arashitsume zu ihm hinüber. „Tenmaru? Dieser dumme, kleine Streuner? Der kleine Bastard von meiner Schwester, dem Flittchen? Seit wann gebt Ihr etwas darauf was solcher Pöbel von sich gibt?“ Sesshomarus Hand ballt sich krampfhaft zur Faust und er senkt den Blick. Zwischen zusammengepressten Zähnen quetscht er hervor: „Die Bestätigung erhielt ich von Kossoridoku. Er gab zu, für Euch zu arbeiten, kurz bevor die Schwarze Miko ihren Anschlag auf mich verübte. Er war sich sicher, dass es keinen Unterschied machen würde, ob ich es erführe oder nicht. Er wusste von dem Attentat.“ Für einen kurzen Moment scheint Arashitsume tatsächlich etwas verwirrt zu sein, doch er überspielt es rasch. „Und Ihr wollt, dass wir Euch das glauben? Habt Ihr irgendeinen Beweis für Eure ungeheuerlichen Anschuldigungen? Ich meine außer den Aussagen der beiden Zeugen, die für Euch arbeiten? Wenn nicht, würde ich doch zu gerne den armseligen Streunerbengel in die Finger bekommen, der solch unverfrorene Lügen über mich verbreitet. Nebenbei bemerkt, wo steckt er eigentlich? Er hing Euch doch sonst immer am Rockzipfel?“ Sesshomaru starrt zu Boden. Hart beißt er die Zähne zusammen und sein Atem entweicht ihm stoßweise. Ein leichtes Zittern läuft über seinen Körper und seine Hand ist zur Faust geballt. „Er... ist tot!“, kommt die schwache Antwort auf die Frage, doch es ist nicht Sesshomaru der spricht. Mühselig hat sich Inu Yasha auf seine Unterarme gestützt und hebt sein bleiches Gesicht. „Aber ich bin sicher... das wusstet Ihr schon längst.“ Überrascht wenden sich alle Umstehenden Inu Yasha zu; auch Sesshomaru. Für einen kurzen Moment treffen sich die Augen der beiden Brüder und zu Inu Yashas Erstaunen liegt diesmal so viel Verwundbarkeit und Trauer in dem blassen Gesicht seines Bruders, dass er schlucken muss. Aber da ist noch etwas, ein Gefühl, dass er noch nie zuvor bei seinem Bruder gesehen hat. Dankbarkeit! Und für nur einen winzigen Augenblick scheint es so als wären die Rollen des jüngeren und älteren Bruders vertauscht worden. Doch dieser Augenblick verschwindet eben so schnell wie er gekommen ist und Sesshomaru wendet den Blick wieder ab. „Er ist tot?“, erstaunt hebt Arashitsume die Brauen, „Tatsächlich? Das war mir nicht bekannt. Woher hätte ich das wissen sollen?“ „Lügner!“, mit einem Stöhnen versucht Inu Yasha sich hochzustemmen, doch es gelingt ihm nicht. Kraftlos bricht er wieder zusammen und hustet heftig. Dann verzieht er erneut das Gesicht vor Schmerzen. Verächtlich mustert Arashitsume ihn. „Du nennst mich einen Lügner, Hanyou? Du bist ja nicht einmal ein richtiger Fürst und wagst es wirklich, so mit mir zu sprechen?“ „Und wie redet Ihr mit meinem Bruder, einem wahren Fürsten?“, obwohl er Schmerzen hat, funkelt Inu Yasha trotzig zu ihm hinüber. Geringschätzig wendet sich Arashitsume von ihm ab: „Das ist eine Angelegenheit, aus der du dich besser raushalten solltest, Hanyou. Schließlich bist du noch immer angeklagt. Das geht dich nichts an!“ „Und ob mich das was angeht!“, schreit InuYasha zornig, „Er ist mein Bruder, verdammt! Natürlich geht mich das was an!“ Dann zieht er scharf die Luft ein, hält sich die Seite und kippt wieder zurück nach hinten. Doch nun weist ihn eine ernste Handbewegung Sesshomarus wortlos an, liegen zu bleiben. Der Daiyoukai hebt den Kopf und schaut dem Fürst des Ostens direkt ins Gesicht. „Es reicht!“, sagt er leise. Noch immer klingt seine Stimme ungewohnt tief. „Niemand beleidigt meine Familie! Keinen von ihnen!“ Arashitsumes Augen werden schmal: „Was wollt Ihr damit sagen?“ Sesshomarus Mund ist dünn wie ein Strich. „Statt Euch ein Wortgefecht mit meinem Bruder zu liefern, sollten wir besser Stellung zu unseren gegenseitigen Anschuldigungen beziehen, damit wir diese Angelegenheit endlich zu Ende bringen können. Sie hat schon zu viele Opfer gefordert und es sollten nicht unnötig mehr werden.“ Das Lächeln auf Arashitsumes Gesicht, dass diesen Worten folgt, verheimlicht nicht ganz die Erleichterung die darin liegt. „Das soll wohl bedeuten, dass Ihr um jeden Preis einen Krieg verhindern wollt, soll ich das so verstehen?“, und nun schleicht sich wieder etwas Boshaftes in sein Lächeln. Ernst blickt Sesshomaru ihn an: „Einen Krieg habe ich nie gewollt. Nur deshalb kam ich her.“ „Die Beweise sprechen bedauerlicher Weise gegen Euch“, Arashitsumes Worte sollen sachlich klingen, doch die Missgunst darin schwingt bei jedem Wort mit, „Schließlich habt Ihr heimlich Euer Heer mitgebracht. Vertraut Ihr dem Rat so wenig? Es hätte keinen Grund für diese Provokation gegeben, wenn Ihr nicht in Wahrheit auf Krieg aus seid.“ Hoch aufgerichtet steht Arashitsume da. „Ihr ließt Fürst Inu Taihyouga und meine Schwester durch diese Miko dort töten und schließlich habt Ihr es auch irgendwie fertig gebracht, Euch ihres Sohnes zu entledigen. Nicht, dass ich das irgendwie bedauern würde, wie ich zugeben will.“ Arashitsume verzieht missmutig das Gesicht. „Er war ein Schwächling! Ein Schwächling und ein Feigling. Wer weiß mit wem meine Schwester da ihr Daiyoukaiblut verwässert hat. Wie auch immer, dass er jetzt tot ist, ist vermutlich das Beste was ihm passieren konnte.“ Auf einmal ist ein tiefes, unheimliches Knurren zu hören und die goldenen Augen in Sesshomarus bleichen Gesicht, durchbohren den Ostfürsten mit einer eisigen Kälte. „Tenmaru war kein Schwächling!“, die Stimme klingt dunkel und kehlig, „Er war stark genug, alles zu erdulden, was ihm angetan wurde. Und ein Feigling war er ebenso wenig, denn er war bereit, das was ihm am meisten bedeutete, zu opfern, um den Frieden zu bewahren.“ „Ach tatsächlich?“, Arashitsume hebt die Augenbrauen, „Ich bitte Euch, Sesshomaru, der Bengel hatte niemals eine eigene Meinung. Und selbst wenn, hatte er niemals den Mumm sie durchzusetzen. Er ließ stets alles mit sich geschehen und das brachte ihm letztlich den Tod ein.“ „Nein!“, energisch schüttelt Sesshomaru den Kopf, „Was ihm den Tod einbrachte, war der Angriff Eurer Verbündeten, der Miko. Er starb bei dem Versuch, mich davor zu bewahren!“ Die Umstehenden beobachten das Geschehen aufmerksam. Besonders Yarinuyukis Augen sind bei diesen Worten schmal geworden. Schweigend verfolgt sie jedes Wort, dass die beiden Fürsten sprechen. Doch schon ergreift Arashitsume wieder das Wort. „Ah ich verstehe, so ist das also. Er starb auch durch die Hand dieser Miko.“ Wütend ballt Sesshomaru die Faust: „Lasst das falsche Geschwätz! Tut nicht so, als wüsstet Ihr das nicht schon längst!“ Arashitsume geht nicht darauf ein: „Ihr habt also auch Ihn durch diese Miko ermorden lassen. Ihr dachtet wohl, dadurch könntet Ihr weitere unliebsame Spuren beseitigen.“ „Hört auf, mir das Wort im Mund herumzudrehen, Arashitsume!“, Sesshomarus Stimme wird lauter und er fletscht die Zähne, „Ihr wart derjenige, der die ganzen Morde geplant hat. Inu Taihyouga, Eure Schwester Hanaki und Tenmaru. Und mich wolltet Ihr ebenfalls ermorden lassen.“ Bedrohlich macht er einen Schritt auf Arashitsume zu. Arashitsumes Blick wird schmal. „Mäßigt Euch! Es steh Euch gar nicht gut zu Gesicht, auf diese Art die Fassung zu verlieren!“ „Achtet lieber darauf, dass Ihr nicht noch etwas ganz anderes verliert!“, grollt Sesshomaru gefährlich. „Nun geht Ihr entschieden zu weit!“, meint Arashitsume scharf, „Ich kann ohnehin nicht verstehen, dass Ihr diesen Bengel derartig verteidigt. Was kann Euch sein Tod schon bedeuten? Anteil am Schicksal eines Streuners, eines minderwertigen Gesetzlosen, zu nehmen, sollte doch wirklich unter Eurer Würde sein.“ Schwer atmet Sesshomaru ein und aus. Man sieht deutlich, wie er mit sich ringt. „Er... er... hat mich gerettet“, presst er schließlich hervor, „Ich bin es ihm schuldig.“ Laut lacht Arashitsume auf: „Das ist lächerlich! Er ist ein Streuner, Ihr schuldet ihm gar nichts! Selbst wenn er Euch tatsächlich gerettet hätte, wofür Ihr uns noch immer keinen Beweis geliefert habt. Mir scheint Euer Versuch, Eure jämmerliche Geschichte zu rechtfertigen, ist kläglich zum Scheitern verurteilt. Warum sollte ausgerechnet ein Streuner Euch beschützen?“ Sesshomaru schweigt. Auf dem ganzen Vorplatz ist kein Laut zu hören. Alle Anwesenden warten auf die Reaktion des Westfürsten, doch dieser steht nur still da und hat den Kopf gesenkt. Nur wage kann man erkennen, wie seine Hand leicht zittert. Hinter ihm liegt Inu Yasha noch immer am Boden. Ihm ist schummerig und ein dumpfer, aber recht intensiver Schmerz zieht sich durch seinen Körper. Dennoch verfolgt er still jedes Wort das gesagt wird. Mit geschlossenen Augen liegt er da. Wenn er diesem elenden Ostfürsten doch nur eine Lektion erteilen könnte. Er beschuldigt und beleidigt Sesshomaru ganz bewusst, weil er weiß, dass er mit dem Rücken zur Wand steht, und dass Sesshomaru einen Krieg unbedingt vermeiden will. Nur deshalb wagt er es, sich so viel herauszunehmen. Würde der Frieden nicht auf dem Spiel stehen, würde Sesshomaru ihn in der Luft zerfetzen dafür. So muss sein Bruder stattdessen eine Beleidigung nach der anderen hinnehmen und das in seiner Verfassung. Inu Yasha kneift die Augen zusammen. Komm schon, Sesshomaru, sag es! Mach endlich den Mund auf und stopf diesem Widerling endlich das verlogene Schandmaul! Ich weiß, wie viel Überwindung dich das kostet, aber spring endlich über deinen Schatten! Bitte! Doch der Daiyoukai schweigt noch immer. Da ergreift Arashitsume wieder das Wort: „Ganz recht, es gibt keinen vernünftigen Grund. Hört also endlich mit den Lügen auf, sonst werde ich...“ Doch in diesem Moment unterbricht ihn die leise, raue Stimme Sesshomarus: „Doch, es gab einen Grund!“ Verstimmt funkelt Arashitsume ihn an: „Welchen?“ Langsam hebt der Daiyoukai aus dem Westen den Kopf. „Er wollte meine Anerkennung erlangen.“ Für einen kurzen Moment zögert Arashitsume. Dann fragt er: „Und warum sollte er die wollen?“ Dabei lässt er den Westfürsten nicht aus den Augen. Er scheint ein kleines bisschen nervös zu sein. Nun richtet sich Sesshomaru auf und in seinem Gesicht mischt sich Traurigkeit mit Resignation. Langsam atmet er aus, dann hebt er den Kopf. „Er begehrte lediglich das, was eigentlich selbstverständlich sein sollte.“ „Und das ist Eure Anerkennung?“, spöttisch schaut ihn Arashitsume an und der Ärger schwingt nun auch in seiner Stimme mit, „Seit wann kann ein wertloser Streuner, so etwas von einem Fürsten erwarten? Er war ein Niemand! Ein Stück Dreck! Ein elender, kleiner Bastard! Ein wertloser Missgriff der Natur...!“ „Er war mein Sohn!“ Mit voller Inbrunst fliegt der wütende Schrei über den Platz. Und nun steht Sesshomaru heftig atmend da. Hoch aufgerichtet und erhobenen Hauptes steht er mitten auf dem Vorhof und das verzehrende Feuer ist in seine goldenen Augen zurückgekehrt. Sein Gesicht spiegelt eindeutig Wut, aber auch gnadenlose Entschlossenheit wieder und zum ersten Mal seit einer ganzen Weile, ist die vertraute Würde in seine Haltung zurückgekehrt. Nach diesen Worten herrscht Totenstille. Doch sämtliche Augen sind auf den Fürsten des Westens gerichtet. Niemand wagt etwas darauf zu sagen. Die Reaktionen sind jedoch reichlich unterschiedlich. Chitsurao fällt verblüfft die Kinnlade herunter und hinter seiner Stirn scheint sich plötzlich ein kompliziertes Puzzle zusammenzusetzen, wohingegen Dokutoge nur kurz erleichtert ausatmet und die Augen schließt. Die Ostyoukais schauen sich gegenseitig erstaunt an und die Streuner im Gewahrsam der Nordfürstin werfen sich nur kurz vielsagende Blicke zu. „War ja eigentlich klar...“, murmelt Samushi kaum hörbar. Itakouri hat die Augen weit aufgerissen und starrt den Westfürsten fassungslos an. Er vermag unmöglich auszudrücken, was nun in ihm vorgeht. Die Nordfürstin hingegen hat da keinerlei Probleme. Sie grinst als hätte man ihr gerade einen riesigen Leckerbissen vor die Nase gesetzt. Dabei entgeht ihr eine schwache Bewegung zu ihren Füßen. Kagome ist aufgewühlt. Er hat es wirklich getan. Er hat es zugegeben. Sie kann nur ahnen, wie schwer das für seinen Stolz gewesen sein muss, und es beschleicht sie die Vermutung, dass da noch mehr als nur Stolz im Spiel war. Nur so würden Arashitsumes Andeutungen, über einen Schwur damals, Sinn machen. Sie empfindet Mitleid für den Daiyoukai. Es muss ein harter Kampf gewesen, seinen Stolz und seine Prinzipien aufzugeben und sich zu seinem Sohn zu bekennen. Und doch scheint er jetzt, da es endlich heraus ist, wesentlich zufriedener zu sein, als sie ihn jemals zuvor erlebt hat. Vermutlich wäre es nie soweit gekommen, wenn er nicht, dank Inu Yasha, so sehr erschöpft an Körper und Seele wäre. Wenn Tenmaru das nur noch hätte erleben können. Der junge Daiyoukai wäre überglücklich gewesen. Bei dem Gedanken bildet sich ihr ein wehmütiger Kloß im Hals. Leider wird er es niemals erfahren, dank diesem elenden Arashitsume! Besagter Ostfürst hat den Ausruf ebenfalls vernommen und zum ersten Mal, seit sie hier angekommen sind, ist die Überraschung auf seinem Gesicht echt. Es ist offensichtlich, dass er mit dieser Wendung nicht gerechnet hat. Doch nur für einen Moment. Nun wird seine Miene hart und seine Stirn legt sich in Falten. „Wisst Ihr auch was Ihr da sagt?“, fragt er und die Verachtung darin ist nun nicht länger verborgen. Sesshomaru begegnet seinem Blick mit der gleichen Ernsthaftigkeit. „Worauf Ihr Euch verlassen könnt!“ Bedrohlich macht Arashitsume einen Schritt auf Ihn zu. „Ihr gebt also zu, Euch mit einer ranglosen Streunerin eingelassen zu haben, einer Frau gänzlich unter Eurer Würde? Wie tief seid Ihr nur gesunken? Nun wundert mich gar nichts mehr. Mit wem ließe sich solch eine Posse besser planen und durchführen, als mit der eigenen Brut?“ Bei diesen Worten stemmt sich Inu Yasha noch einmal schwerfällig hoch. „Tenmaru ist tot!“, ruft er aufgebracht, „Er starb als er den Angriff dieser elenden Miko abfing, der für meinen Bruder gedacht war. Glaubt Ihr, er würde seinen eigenen Sohn umbringen?“ Doch Arashitsume verzieht keine Miene: „Es würde mich keinesfalls wundern. Eigentlich würde es ihm erstaunlich ähnlich sehen, einen weiteren unbrauchbaren Zeugen verschwinden zu lassen.“ Mit diesen Worten wendet er sich an die Nordfürstin: „Sicher seid Ihr meiner Meinung, Yarinuyuki-sama, dass ein solches Verhalten für den Westen durchaus typisch ist. Und es beweist einmal mehr die Skrupellosigkeit mit der hier vorgegangen wurde. Müssen wir da noch mehr Beweise hören? Ich denke nicht!“ Nun gehen sämtliche Blicke hinüber zu der Nordfürstin. Zunächst erwidert sie nur gleichmütig Arashitsumes Blick, doch dann legt sich ein ungewohnt herzliches Lächeln auf ihre Lippen und sie hebt den Kopf. „Das sehe ich genau so, Arashitsume!“, und nun bekommt ihr Lächeln etwas sichtlich Zufriedenes, „Ich habe alles gehört, was ich hören musste.“ Ein wenig skeptisch registriert der Ostfürst, die urplötzliche Freundlichkeit der Daiyoukai. „Dann stimmt Ihr mir also zu, dass Fürst Sesshomaru, des Verrates überführt ist?“, hakt er nach. Doch die Nordfürstin verzieht nur das Gesicht zu einem genüsslichen Grinsen: „Für jemanden der glaubt, die Weisheit für sich gepachtet zu haben, liegt Ihr jetzt aber erschreckend daneben.“ „Was soll das heißen?“, fragt Arashitsume unfreundlich, „Die Sachlage liegt völlig klar. Sesshomaru heuerte die Miko an, die seine Gespielin und Euren Vater getötet hat und führte mit Hilfe seines Sohnes und seines Bruders einen Zwischenfall herbei, der es ihm ermöglichte, einen Krieg vom Zaun zu brechen, um sich das gesamte Reich anzueignen. Das ist nicht nur eines Youkaifürsten gänzlich unwürdig sondern auch rücksichtslos und unverantwortlich!“ „So ist es!“, bestätigt Yarinuyuki mit einem gelassenen Lächeln. Nun blickt Arashitsume doch etwas irritiert drein. „Dann verstehe ich nicht, warum Ihr...“ Doch Yarinuyuki unterbricht ihn schroff: „Nein, wirklich nicht? So ein Jammer!“ Dann wirft sie dem Ostfürsten einen boshaften Blick zu. „Ungeachtet dessen, was Ihr vielleicht glaubt, sollte es Euch klar sein, dass auch ich nicht ganz dumm bin! Und Sesshomaru ist es auch nicht. „Tenmaru war sein Sohn? Das erklärt in der Tat einiges. Ihr behauptetet Sesshomaru wollte einen Zwischenfall herbeiführen, um einen Krieg zu rechtfertigen, der ihm die Macht über das ganze Land einbrächte? Was für ein Unsinn! Er wusste von dem berauschenden Geruch Eurer Schwester und dem Tenmarus. Ich stimme Euch zu, dass das sein Beweggrund war, ihn vom Hohen Rat fernhalten zu wollen. Aber wenn er es auf das ganze Reich abgesehen hätte, hätte er das wesentlich einfacher haben können. Er hätte lediglich Tenmaru anerkennen, und ihn mir vorstellen müssen. Er hätte sicher davon ausgehen können, dass dadurch eine Ehe zustande gekommen wäre. Und hätte er den Norden erst als Verbündeten, wäre die Übernahme des Osten nur noch eine Formalität gewesen.“ Sprachlos bleibt Arashitsume der Mund offen stehen. Doch Yarinuyuki redet schon weiter: „Ihr sagtet es selbst, einen Krieg anzufangen, ist rücksichtslos und unverantwortlich. Selbst Sesshomaru wäre nicht so dumm gewesen, diesen risikoreichen Weg zu gehen, wenn er es so viel einfacher hätte haben können. Außerdem passt so ein raffiniertes Doppelt- und Dreifachspiel weniger zum Stil des Westens, als zu dem des Ostens.“ „Was erlaubt Ihr Euch!“, entgegnet Arashitsume erbost, doch wieder unterbricht die Nordfürstin ihn schnippisch. „Übrigens, ich kann mir nicht vorstellen, dass Sesshomaru unzutreffenderweise irgendeinen dahergelaufenen Streuner als Sohn anerkennen würde, nur um den Verdacht von sich abzulenken. Das ist selbst für ihn zu billig. Ich versichere Euch, Tenmaru war sein Sohn und seine Trauer ist echt! Und der einzige der letzten Endes von dieser ganzen Angelegenheit profitiert, seid Ihr, Arashitsume.“ Völlig perplex starrt Arashitsume sie an. Dann plötzlich verfinstert sich sein Gesicht: „Ihr nennt mich einen Verräter?“ „Also das war nun nicht gerade das Wort, das mir auf der Zunge lag“, erwidert Yarinuyuki seelenruhig, „Wenn es nach mir ginge, würde ich Euch noch ganz anders bezeichnen.“ „Aber ich nenne Euch so!“, mit erhobenem Haupt steht Sesshomaru da. Düster blickt er den Ostfürsten an: „Ihr seid ein Verräter und ein Lügner!“ Einen kurzen Moment lang wirkt der Ostfürst etwas verunsichert, doch dann reckt er das Kinn und setzt eine gönnerhafte Miene auf. „Möglicherweise... könnte es sein, dass ich ein wenig vorschnell geurteilt habe. Vielleicht waren meine Anschuldigungen nicht völlig gerechtfertigt. Doch Ihr müsst zugeben, dass vieles für diese Schlussfolgerung sprach. Ich bedaure es, falls ich Euch gekränkt haben sollte. Doch mit den Umständen, die zu Inu Taihyougas Tod führten, habe ich nichts zu tun!“ Unwillkürlich macht Sesshomaru einen Schritt nach vorne und ballt die Faust. Seine Stimme hat Grabeskälte: „Falls Ihr mich gekränkt haben solltet? Verlogener Bastard, was für eine maßlose Untertreibung!“ „Vorsicht, Sesshomaru-sama!“, der Ostfürst hebt warnend den Zeigefinger, „Nur weil ich bereit bin, Euch Euer ungebührliches Eindringen in meinen Palast zu verzeihen und davon Abstand nehme, Euch weiterhin zu den Verantwortlichen dieses Dilemmas zu zählen, bedeutet das nicht, dass ich solche Beleidigungen ohne weiteres tolerieren werde!“ Nun verzerrt sich Sesshomarus Gesicht zu grimmiger Wut. „Ihr habt mich angelogen!“, schreit er. Doch Arashitsume bleibt gelassen: „Angelogen hätte ich Euch, davon ist mir nichts bekannt.“ „Ihr habt mich über Eure Schwester belogen!“, noch immer schnauft der Fürst des Westens vor Wut, „Und Ihr wolltet, dass ich sie für Euch umbringe. Ihr wolltet Euch keine schmutzigen Hände holen. Also habt Ihr mir mit voller Berechnung erzählt, sie hätte mich nur ausnutzen wollen.“ Ungerührt hebt Arashitsume die Brauen: „Etwa nicht?“ Sesshomaru knurrt grimmig. „Das wisst Ihr doch besser! Ihr habt gelogen, als Ihr mir den Grund nanntet, weshalb Ihr sie zu Euch in den Palast bestellt hättet. Ihr wolltet sie nicht aushorchen, sondern ihr eine Kuhhandel vorschlagen. Ihr wolltet sie missbrauchen, um Macht über den Westen zu bekommen, ebenso wie Ihr mich missbrauchen wolltet, um sie loszuwerden, als Ihr erkannt habt, dass Euer Plan nicht aufgehen würde. „Als Ihr erkanntet, dass Hanaki Euer Spiel durchschaut hattet, war sie Euch nicht länger von Nutzen, also versuchtet Ihr mich gegen sie aufzuwiegeln. Ihr nahmt an, ich würde sie dann genug hassen, um sie töten zu wollen. Doch... dem war nicht so.“ Hier stockt er für einen Moment. Etwas leiser fährt er fort: „Sicher nahmt Ihr an, sie hätte mich ohnehin abgewiesen, aber den Grund konntet Ihr nicht wissen. Wie hättet Ihr auch nur glauben können, dass sie Gefühle für mich entwickeln könnte; für einen dummen, unmündigen Knaben! Aber sie tat es und auch sie verließ mich, um mich zu schützen, ebenso wie Tenmaru. Ich kann es nicht länger hinnehmen, dass man mich fortwährend vor meinen eigenen Gefühlen beschützen muss!“ Spöttisch verzieht Arashitsume den Mund: „Ihr meint, sie hätte tatsächlich etwas für Euch empfunden? Das kann in der Tat nur ein dummer, unmündiger Knabe glauben. Bitte, Sesshomaru, Ihr seid doch wohl inzwischen reifer als das!“ In diesem Moment flackert die dämonische Aura Sesshomarus kurz heftig auf. „Sie... war... mein... Leben!“, Schwer atmend steht der verletzte Daiyoukai da. Sein Gesicht ist bleich und seine Faust ist so sehr geballt, dass die Knöchel weiß hervortreten. „Und Eure böswilligen Lügen, um der Macht willen, haben mich davon abgehalten, ihr zu folgen. Ihr habt alles zerstört, was hätte sein können! Und nun sind sie beide tot!“, es ist deutlich so sehen, wie schwer der Daiyoukai um seine Fassung ringt. Er atmet so kontrolliert wie möglich ein und aus, doch seine Anspannung dabei ist unverkennbar. Doch dann richtet er sich wieder auf und sammelt sich. Mit todernster Miene blickt er den Ostfürsten an: „Arashitsume, auch wenn es sie nicht zurück bringt, ich verlange Vergeltung für ihren Tod! Ich schwor damals, dass nur die Wahrheit Eurer Worte Euch vor meinem Zorn bewahren würde. Da sich nun alles, was Ihr damals sagtet, als Lüge herausgestellt hat, fordere ich nun das, wovon ich damals abgesehen habe.“ Er greift nach seinem Schwertgriff und zieht es langsam aus dem Gürtel, dabei lässt er den Ostfürsten nicht aus den Augen. „Ich fordere Euch zum Zweikampf Arashitsume, Sohn des Inu Taiarashi! Stellt Euch!“ Alle Anwesenden halten gebannt den Atem an. Wie wird der Ostfürst darauf reagieren? Zunächst verzieht Arashitsume keine Miene. Eine ganze Weile sagt er kein Wort, doch dann setzt er ein mildes Lächeln auf: „Nein, ich glaube, das werde ich nicht tun!“ Kapitel 55: Das Geheimnis des Ostclans -------------------------------------- Ein aufgeregtes Raunen geht durch die Menge der Anwesenden. Überall herrscht ungläubiges Getuschel. So etwas ist bisher noch nie vorgekommen. Nie zuvor hat ein Youkaifürst eine Herausforderung offen ausgeschlagen. Selbst Kagome und die anderen bekommen nun eine Ahnung davon, was für eine Ungeheuerlichkeit diese Ablehnung darstellt. Dokutoge und Chitsurao starren den Ostfürsten bitterböse an und lassen ein bedrohliches Knurren vernehmen. Ebenso Itakouri und die Krieger aus dem Norden. Kegawa bekommt gerade noch Samushi zu fassen, dessen Gefühle gerade wieder einmal mit ihm durchgehen wollen. Der Streuner aus dem Norden schämt vor Wut und seine Augen glühen eisig. Das ist jedoch kein Vergleich zu Yarinuyuki. Die Nordfürstin hat die Zähne gefletscht und es scheint, als müsse sie sich gerade ganz entschieden zwingen, sich nicht vom Fleck zu rühren. Sie zittert am ganzen Körper vor Wut und es verlangt Ihr alle Selbstbeherrschung ab, den Fürsten des Ostens nicht anzufallen. Noch während Kagome das alles registriert, fällt ihr Blick auf Yaeba und es überrascht sie zu sehen, dass der Anführer der Streuner still neben ihr steht, und nur grimmig zu Boden starrt. Jedoch seine Nackenmuskeln sind hart angespannt. Es scheint, als würde ihm etwas schwer zu schaffen machen. Doch nun wird ihr Blick wieder von Sesshomaru eingefangen. Der Daiyoukai steht noch immer mit gezogenem Schwert mitten auf dem Platz. Sein Haori ist zerrissen und blutverschmiert, ebenso wie sein Haar und zahlreiche Wunden verunstalten noch immer seinen gesamten Körper. Eben noch war, trotz der vielen Schnitte über seinen Wangen, die ihm zueigne Würde in das bleiche Gesicht des Daiyoukais zurückgekehrt. Doch nun weicht diese Miene einem fassungslosen Blick, der dem Ostfürst das Fleisch von den Knochen schälen könnte. „Wiederholt das!“, Sesshomarus Stimme ist mörderisch ruhig. Als würde er nicht merken wie sehr er mit dem Feuer spielt, sagt Arashitsume: „Ich werde jetzt nicht mit Euch kämpfen.“ Der Westfürst zittert am ganzen Körper vor unterdrückter Wut. „Eure Feigheit ist wirklich noch größer als Eure Niederträchtigkeit!“, grollt er mit Grabesstimme. „Das hat nichts mit Feigheit zu tun“, entgegnet der Ostfürst ernst. Er hat die Fingerspitzen zusammengelegt und begegnet dem vernichtenden Blick Sesshomarus mit erstaunlicher Gelassenheit. „Ihr nanntet mich einen Verräter“, erklärt er kühl, „Ihr werft mir so einiges vor. Ich habe das Recht, dazu Stellung zu beziehen. Der Hohe Rat ist bereits zusammengetreten und er ist noch nicht beendet. Wir werden diese Angelegenheit dort klären. Dort könnt Ihr Eure Anschuldigungen vorbringen und Eure Beweise vorlegen. Wir werden das alles in Ruhe dort besprechen, so wie es von jeher üblich ist.“ Sesshomarus Kiefer mahlen. „Das kann nicht Euer Ernst sein!“, grollt er unheilvoll. „Ich versichere Euch, es ist mein voller Ernst!“, und Arashitsumes Miene lässt daran keinen Zweifel zu. Nun bildet sich ein tiefes Knurren in Sesshomarus Kehle und macht sich mit einem lauten Wutschrei Luft: „Ich fordere auf der Stelle von Euch Vergeltung!“ Doch der Ostfürst erwidert den tödlichen Blick nur mit einem überlegenen Schmunzeln: „Verlangen könnt Ihr viel, Sesshomaru-sama, doch der Hohe Rat hat stets Vorrang vor persönlichen Angelegenheiten. So ist es schon immer üblich gewesen. So verlangt es das Gesetz und auch Ihr werdet Euch wohl daran halten müssen.“ Doch nun schießt eine vernichtende Röte in Sesshomarus Augen und urplötzlich ist der Daiyoukai in eine zornesglühende Aura gehüllt. Seine Klauen nehmen bedrohliche Ausmaße an und unter den gebleckten Lippen schieben sich deutlich seine Reißzähne hervor. Der Daiyoukai brodelt wahrlich vor Wut. „Glaubt Ihr im Ernst, mich interessiert jetzt noch das Gesetz?“ Ohne jegliche Umschweife setzt sich Sesshomaru mit raubtierhaftem Schritt in Bewegung; direkt auf Arashitsume zu. Und zum ersten Mal entgleisen dem Ostfürsten in der Tat die Gesichtszüge, und mit einem durchaus besorgten Ausdruck in dem jugendlich wirkenden Gesicht weicht er hastig zurück. Inu Yashas Freunde halten erschrocken den Atem an. War jetzt doch alles umsonst? All das Kämpfen, all das Leid, all die Opfer die nötig waren, um einen Krieg zu verhindern, nur weil der Fürst des Ostens diese Herausforderung nicht annimmt und Sesshomaru das nicht länger auf sich sitzen lassen will? Kagome schickt unzählige Stoßgebete zum Himmel. Oh bitte nicht! Seinem Gesicht nach zu urteilen, denkt dies auch Arashitsume im Augenblick. Wild entschlossen bewegt sich Sesshomaru mit gezücktem Schwert und gefletschten Reißzähnen auf ihn zu. Trotz der dunklen Ringe um seine Augen, verheißt sein stechender Blick nichts Gutes. Arashitsume weicht weiter zurück. Wenn man genau hinsieht, erkennt man in seinen Augen einen leichten Anflug von Panik. Gehetzt schaut er in die Runde, und nur wenige Augenblicke vergehen und sämtliche Ostkrieger strömen auf ihren Herrn zu und bauen sich todesmutig zwischen ihm und dem herannahenden Westfürsten auf. Sie haben ihre Waffen gezückt und bieten ihm entschlossen die Stirn. Erst jetzt bleibt Arashitsume stehen. Und Sesshomaru tut es auch. „Aus dem Weg!“, gebieterisch fliegt die Stimme des grimmigen Daiyoukai über den Platz, doch die Ostyoukai rühren sich kein Stück vom Fleck, sondern trotzen ihm weiter. Sesshomaru packt sein Schwert fester und hebt erbost den Kopf. „Arashitsume, Eure Feigheit stinkt zum Himmel! Wagt Ihr es nicht gegen mich zu kämpfen? Bin ich selbst so noch eine Bedrohung für Euch?“, er nickt kurz um auf seine Verfassung hinzuweisen, „Schickt sie weg!“ „Das werde ich nicht tun, Sesshomaru!“, aus Arashitsumes Stimme ist jetzt jegliche Verspieltheit verschwunden. Der Daiyoukai meint es todernst. „Dann werde ich jeden Einzelnen von ihnen in Stücke reißen, bis ich Euch zu fassen bekomme!“, Sesshomarus Miene zeigt deutlich, dass auch er es ernst meint. Die Ostyoukais werfen sich verstohlen besorgte Blicke zu, doch sie weichen nicht von ihrem Posten. „Tut Euch keinen Zwang an!“, meint Arashitsume trocken, „Doch damit beendet Ihr den Waffenstillstand unserer Clans. Wenn Ihr meine Leute angreift, werden sie Eure Leute angreifen und sagtet Ihr nicht Ihr wolltet einen Krieg verhindern?“ Heftig atmend steht Sesshomaru da. Man sieht ihm deutlich an, dass er schwer mit sich ringt. „Ihr würdet einen Krieg beginnen, um Euch zu schützen?“, es klingt ungläubig und verächtlich. „Ich sagte doch was ich beabsichtige. Ich wünsche den Krieg nicht. Ich ziehe es vor, den Hohen Rat weiterzuführen.“ Arashitsumes Miene ist ernst, aber ruhig. Er lässt den Westfürsten nicht aus den Augen. Doch Sesshomaru geht nicht darauf ein: „Beantwortet meine Frage! Ihr würdet sämtliche Eurer Soldaten opfern, um Eure schäbige Haut zu retten?“ Seine Stimme wird wieder lauter. Doch Arashitsume zuckt nur leicht mit den Achseln: „Wozu habe ich sie denn?“ Sesshomarus Augen werden schmal und die Abscheu steht ihm ins Gesicht geschrieben: „Was für eine niederträchtige Einstellung! Ich wusste schon immer, dass Ihr keinen Funken Ehre besitzt. Ihr seid ein jämmerlicher, verachtenswerte Bastard!“ „Falsch!“, und nun richtet sich Arashitsume zu seiner vollen Größe auf, und seiner Miene fehlt jeglicher Humor, „Ich bin ein Fürst! Der Fürst des Ostclans und mein Wort ist Gesetz!“ Nun kann Yarinuyuki nicht länger an sich halten. Wutschnaubend macht sie ein paar große Schritte vor und durchbohrt den Ostfürsten mit tödlichen Blicken. „Ihr lasst Eure Leute für Euch kämpfen? Ihr habt nicht den Mumm, Euch selbst in Ehre und Würde zu verteidigen? Was für ein Fürst wollt Ihr da sein? Ein Fürst trägt die Verantwortung für sein Volk! Er ist ein Vorbild für seine Leute und geht stets mit gutem Beispiel voran! Ihr verdient es nicht Fürst zu sein, schleimiger Wurm!“ Doch Arashitsume zeigt sich gänzlich unbeeindruckt von diesem Ausbruch: „Es spielt keine Rolle, ob ich es verdiene oder nicht. Tatsache ist, dass ich der Fürst bin und nichts anderes ist von Bedeutung. Meine Leute werden meinen Anweisungen folgen. Und wenn Ihr einen Angriff vom Zaun brecht, werden sie kämpfen. Dann führt kein Weg mehr an einem Krieg vorbei. Aber glaubt mir, es wäre mir lieber, es würde nicht dazu kommen.“ Langsam und kontrolliert atmet Sesshomaru bei diesen Worten ein und aus. Man kann deutlich sehen, dass er sich sehr zusammenreißen muss. Eine zum zerreißen gespannte Stille liegt über dem Platz. Niemand wagt ein Wort zu sagen. Auch nicht die Ostkrieger die ein wenig beklommen, jedoch noch immer entschlossen, ihren Herrn beschützen. Dann schließlich hebt Sesshomaru seinen Blick wieder: „Ihr seid Euch Eurer Sache wirklich sehr sicher. Auch ein Fürst besitzt keine Narrenfreiheit. Ihr müsst Euch Eures Platzes als würdig erweisen, sonst seid Ihr nicht mehr lange Fürst. Hanaki hatte das verstanden und sie tat alles um sich zu bewähren. Während Ihr hier faul, wie eine fette Spinne im Netz, darauf wartet, dass andere für Euch Eure dreckigen, kleinen Geschäfte erledigen, hat sie jeden Tag darum gekämpft, von Ihren Leuten akzeptiert und geachtet zu werden. Wenn jemand den Titel Fürst verdient hätte, dann Sie!“ Für einen Moment nimmt Arashitsumes Gesicht eine purpurne Farbe an und seine Nasenflügel flattern leicht, doch sogleich sammelt er sich wieder. Langsam hebt er das Kinn: „Und doch bin ich der Fürst und sie nur eine niedere, ausgestoßene Streunerin. Ich bin das Oberhaupt des Ostclans und ich befehlige meine Untergebenen, nicht sie!“ „Fragt sich nur, wie lange noch“, Sesshomarus Miene ist düster. Dann strafft auch er sich und taxiert die Ostkrieger vor ihm. Dann richtet er das Wort an sie: „Ich weiß, dass der Osten viele fähige Krieger besitzt. Ich weiß auch, dass viele dieser Krieger Ehre besitzen. Ich weiß, dass ein ehrenvoller Krieger sein Reich und seinen Fürsten bis in den Tod verteidigt. Und ich weiß, dass ein ehrenvoller Krieger einen Befehl nicht in Frage stellt, sondern ihn treu ausführt. „Aber ein Krieger sollte sich immer bewusst machen, wofür er kämpft. Er ist derjenige, der dafür kämpft, dass sein Volk weiterleben kann. Es geht um die Existenz aller die ihm etwas bedeuten. Dafür kämpft er, dafür blutet er, dafür stirbt er sogar! Er tut es, damit sein Volk weiter existiert. Und der Fürst eines Reiches hat die Aufgabe eben das zu gewährleisten. „Doch euer Fürst erfüllt seine Aufgabe nicht! Er opfert seine Krieger willkürlich und sinnlos. Er entscheidet zu seinen eigenen Gunsten und nicht zum Wohl seines Volkes. Er riskiert lieber einen Krieg, bei dem unzählige Kämpfer sterben werden, statt selbst zu kämpfen und seine Ehre zu verteidigen. Das ist eines Fürsten unwürdig und gänzlich verantwortungslos. Darum entsinnt euch, was eure eigentliche Aufgabe ist. Wenn ihr euer Volk vor Schaden bewahren wollt, dann gebt ihr diesen elenden Verräter jetzt preis. Es liegt nun in eurer Hand ein größeres Blutbad zu verhindern. Also besinnt euch auf eure Ehre und eure Aufgabe und lasst euren Fürsten sich selbst verteidigen!“ Kagome hat unwillkürlich die Luft angehalten. Selten zuvor hat der weißhaarige Daiyoukai so viel Würde ausgestrahlt, wie gerade jetzt und in seinen Worten liegt Bedacht und Autorität. Und zum ersten Mal wird ihr bewusst was es ist, das einen Daiyoukai von einem Fürsten unterscheidet. Scheinbar hat diese Ansprache ihre Wirkung auf die Ostkrieger auch nicht ganz verfehlt. Die Youkai werfen sich gegenseitig unsichere Blicke zu, und hier und da bemerkt man geballte Fäuste und betrübte Gesichter. Doch die Soldaten rühren sich nicht vom Fleck und sagen auch kein Wort. Nun legt sich ein befriedigtes Lächeln um Arashitsumes Mundwinkel. „Ihr habt es noch immer nicht verstanden, oder, Sesshomaru? Meine Leute folgen mir aufs Wort und nichts was Ihr von Euch gebt, wird das irgendwie ändern können. Denn ich bin der Fürst des Ostens und all meine Untergebenen sind mir zum Gehorsam verpflichtet.“ „Was seid ihr bloß alle für ein verlauster Haufen von Memmen?“ Alle Augen gehen nun hinüber zu Inu Yasha. Der Hanyou steht unbeholfen und mit schmerzverzerrtem Gesicht auf seinen Füßen. Zwar entlastet er das eine Bein so sehr, dass er heftig hinken muss und ein Arm hängt schlaff an seiner Seite herunter, doch er steht und in seinem Gesicht spiegelt sich ausgewachsener Ärger. „Habt ihr meinem Bruder nicht zugehört? Dieses miese Frettchen, was ihr Fürst nennt, verdient eine solche Loyalität gar nicht. Ihr seid ihm doch scheißegal! Er hat nicht den kleinsten Funken Respekt vor euch. Ihr seid für ihn doch bloß bessere Werkzeuge. Er hat sich sogar mit einer schwarzen Miko verbündet und von ihr dann eiskalt seine Schwester und ihren Sohn umbringen lassen. Lasst den miesen Dreckskerl endlich die Verantwortung dafür übernehmen. Hab ihr denn überhaupt keinen Stolz? Lasst ihr euch wirklich von diesem Kerl wie Marionetten kontrollieren und verheizen?“ Wieder werfen sich die Ostyoukai zögerliche Blicke zu, doch die meisten senken den Blick und sehen unglücklich aus. „Gebt es auf, Inu Yasha-sama! Es hat keinen Zweck“, diesmal ist es Yaeba der spricht. Er sieht betrübt aus und er schüttelt leicht den Kopf. „Sie werden nicht auf Euch hören. Sie werden ihren Herrn niemals verraten. Sie können es nicht!“ Nun verfinstert sich Arashitsumes Miene: „Unterstehe dich noch ein weiteres Wort zu sagen, Streuner!“ Doch Sesshomaru hebt ruheheischend die Hand: „Er soll weiterreden!“ Nun hat der Anführer der Streuner volle Aufmerksamkeit, wobei jedoch die meisten Ostyoukai seinen Blick meiden. Dann beginnt Yaeba zu erklären: „Das Alles begann vor etwa dreitausend Jahren zur Zeit der drei Brüder. Nachdem die ersten Fürsten ihren großen Kampf beendet hatten, kehrten sie in die Reiche zurück, die sie für sich gewählt hatten. Doch Warugashikomaru, der erste Fürst des Ostens und Ältester unter den Drei Brüdern, fürchtete, dass es irgendwann erneut zu Kämpfen kommen könnte. Er war zwar der klügste unter ihnen, doch er wusste, dass seine beiden Brüder bessere Kämpfer waren. Und er fürchtete zu unterliegen, sollte es erneut zum Ausbruch des Krieges kommen. Also beschloss er sich Kämpfer zu schaffen, die ihn und sein Reich verteidigen würden, koste es was es wolle. Und so schuf er zwei Abkömmlinge von sich.“ Hier schnaubt Inu Yasha verächtlich aus. Er ist inzwischen zu seinen Freunden hinübergehumpelt. „Abkömmlinge?“, murmelt er missmutig, „Das erinnert mich verdammt an Naraku. Da kann ja nichts Gutes bei rauskommen.“ Doch Yaeba redet schon weiter: „Den älteren nannte er Hankou (Widerstand) und die jüngere nannte er Kodomi (schönes Kind). Sie sollten ihn beschützen, das war ihr einziger Zweck. Und da sie Abkömmlinge von ihm waren, aus ihm entstanden, aus seinem Fleisch und Blut geformt, war es ihm möglich einen starken Bann auf sie zu legen. „Sie würden nie in der Lage sein, ihn zu verraten, zu verletzten oder sonst irgendwie zu Schaden kommen zu lassen. Und sie waren gezwungen jeden seiner Befehle ohne Widersprüche zu befolgen. Es war ihnen nicht möglich anders zu handeln und sollten sie es tatsächlich versuchen, nun, die Konsequenzen wären... verheerend. „Der Bann hatte aber auch Auswirkungen auf Warugashikomaru. Von nun an war er in der Lage all ihre Gedanken zu hören und ihnen seine mitzuteilen. Und sollte er jemals sterben, würde es für die beiden der Untergang sein. Sie würden ihn nicht lange überleben können, so eng fesselte der Bann sie an ihn. So war sichergestellt, dass sie es gar nicht erst versuche würden, ihm Schaden zuzufügen. Es bedeutete die totale Kontrolle. „Hankou war der offensive Kämpfer, er wurde Higashi no Ken, Schwert des Ostens, genannt. Kodomi verstand sich eher auf den defensiven Kampf. Man nannte sie Higashi no Tate, Das Schild des Ostens. So taten sie lange Zeit ihre Pflicht. Doch Wagurashikomaru sah in ihnen niemals so etwas wie Kinder. Obwohl sie aus ihm entstanden waren und alles taten, um ihm gefällig zu sein, behandelte er sie nie anders als Diener. Erst als er eine Frau wählte und mit ihr ein Kind zeugte, erklärte er seinen Sohn, den er Inu Kosame nannte, zu seinem offiziellen Erben. „Auch Hankou und Kodomi bekamen Kinder und aus ihnen ging der Ostclan hervor. Doch der Bann blieb auch noch über die Generationen hinweg bestehen. Ihre Nachkommen waren ebenso ihrem Fürsten zum Gehorsam verpflichtet wie ihre Stammeltern und die erzwungene Unterwürfigkeit wird auch unter den Fürsten vererbt. Alle Nachkommen Warugashikomarus tragen dieses Bluterbe und der jeweils amtierende Fürst kann sich somit der vollständigen Loyalität seiner Untertanen sicher sein.“ Hier endet der alte Streuner. Zunächst herrscht Stille. Dann wendet sich Sesshomaru wieder Arashitsume zu. Der Ostfürst lächelt sanft. „Eigentlich ist diese Geschichte nicht für außenstehende Ohren gedacht, aber da Ihr es nun ja wisst, könnt Ihr Euch sicher denken, wie sinnlos es ist, meine Krieger gegen mich aufbringen zu wollen. Ich bin der amtierende Fürst des Ostens. Das Erbe meiner Vorfahren fließt durch meine Adern. Und mein Blut zwingt sie zum Gehorsam. Sie können mir nicht schaden. Sie haben gar keine andere Wahl als zu gehorchen.“ „Ihr scheint das wahrlich zu genießen“, Sesshomarus Stimme hat Grabeskälte, „Wie erbärmlich! Lediglich Euer Blutstatus macht Euch zu etwas Besonderem, ohne das seid Ihr nichts! Eine leere Hülle ohne Wert!“ „Versucht nicht, mich zu provozieren, Sesshomaru“, meint Arashitsume hämisch, „Es hat keinen Zweck. Nichts was ihr sagt, ändert etwas an den Tatsachen. Mag sein, dass Euch das nicht passt, doch diese Angelegenheit betrifft allein den Ostclan und nicht Euch. Seit dem Tod meines Vaters bin ich der Fürst des Ostens und somit besitze ich allein die Macht über mein Volk und ich werde nicht scheuen, davon Gebrauch zu machen, wenn es nötig sein sollte.“ „Aber das war ja schließlich von Anfang an der Plan gewesen, nicht wahr?“ Sämtliche Augen gehen jetzt wieder hinüber zu Yaeba. Der Streuner steht hoch aufgerichtet da und nun liegt unverkennbarer Ärger in seinem Gesicht. Bitterböse starrt er den Ostfürsten an. „Ich diente bereits Eurem Vater, ich kannte Euch schon von klein auf. Ihr wart schon immer begierig darauf, die Macht zu erlangen; Macht die Euch von Rechtswegen niemals zustand!“ Boshaft funkelt Arashitsume ihn an: „Was erlaubst du dir, du elender Hund! Achte gefälligst darauf, in welchem Ton du mit einem Fürsten sprichst!“ Doch Yaeba ist zu sehr in Rage um sich beirren zu lassen: „Eure Mutter gebar Zwillinge und Eure Schwester Hanaki war die Ältere. Ihr stand es zu den Clan zu führen, nicht Euch!“ Nun sieht man wie sich Arashitsumes Gesicht rot verfärbt vor Zorn. Wütend schnaubt er aus: „Es stand ihr nicht zu! Sie war eine Verräterin! Deshalb wurde sie ja auch ausgestoßen. Deshalb beendete sie ihr jämmerliches Leben als wertlose Streunerin!“ Doch Yaeba ballt nur grimmig die Faust: „Ihr wart es doch, der das eingefädelt hat!“, der Streuner brodelt vor unterdrückter Wut, „Ihr wusstet, Ihr würdet niemals an die Macht kommen, solange es Eure Schwester gab. Doch Ihr wart schon damals ein winselnder Feigling und Ihr wusstet, sollte es zum Kampf kommen, wärt Ihr ihr hilflos unterlegen. Also ersannt Ihr einen Weg sie loszuwerden. „Ihr machtet Euch ihre betörende Witterung zu Nutze und überredetet Euren Vater, Inu Taihyouga zu Friedensverhandlungen einzuladen. Dann sorgtet Ihr dafür, dass Hanaki dem Nordfürsten über den Weg lief, damit er ihr verfallen konnte. Und kaum war das geschehen, habt Ihr Eurem Vater eingeredet, welche Vorteile es brächte, Hanaki mit Inu Taihyouga zu verheiraten, wohl wissend, dass Eure Schwester niemals damit einverstanden sein würde. Ihr rechnetet fest damit, dass sie sich weigern würde, was sie auch tat. „Sie lief fort und Euer Vater verstieß sie aus dem Clan, genau wie Ihr es erhofft hattet. Aber Inu Taihyouga gab Eurem Vater die Schuld an Hanakis Verschwinden und forderte zornig Rache für das Verschwinden seiner Braut. Das kam Euch gerade gelegen. Ihr ließt es zu, dass Inu Taihyouga Euren Vater tötete und natürlich habt Ihr davon abgesehen, Vergeltung dafür zu fordern, denn nun wart ja Ihr der Fürst, genau wie Ihr es immer wolltet. Ein langen Moment starrt Arashitsume den Streuner nur an, doch dann zieht ein gehässiges Lächeln auf sein Gesicht: „Erstaunlich wie gut du das alles erkannt hast, Yaeba! So war es in der Tat! Allerdings spielt das überhaupt keine Rolle, denn nichts davon ist auch nur irgendwie ungesetzlich gewesen und abgesehen davon, betrifft auch das nur den Ostclan und hat mit der momentanen Situation nichts zu tun.“ „Es hat sehr viel damit zu tun!“, beharrt Yaeba ungerührt, Denn wäre Hanaki Fürstin des Clans und nicht Ihr, dann wäre nichts von all dem passiert und wir würden diese Unterhaltung gar nicht führen. Sie war nie so besessen von Macht wie Ihr. Sie wusste was sich für einen Fürsten gehört und sie hatte auch eher als Ihr die Fähigkeit dazu!“ Doch jetzt spiegelt sich unverhehlter Zorn auf Arashitsumes Gesicht. Ungehalten platzt es aus ihm heraus: „Hanaki hatte überhaupt kein Interesse daran Fürstin zu werden! Sie wollte gar nicht! Aber sie war die Ältere und somit stand ihr das Recht zu und nicht mir. Was für eine lächerliche Farce! Sie wollte nicht und ich durfte nicht! Als ob ein paar Minuten Abstand einen solchen Unterschied machen würden!“ Wutschnaubend ballt der Ostfürst die Fäuste: „Diese dumme, eigensinnige Hündin! Sie hatte alles was man sich hätte wünschen können. Schon von klein auf hatte sie diesen Duft der Männer völlig um den Verstand brachte. Jeder Mann im Palast war nur darauf aus, ihr gefällig zu sein. Niemand hätte ihr auch nur den kleinsten Wunsch abgeschlagen. Alle lagen ihr zu Füßen. „Und obendrein war sie noch Thronfolgerin. Sie hätte den Herrschaftsbann geerbt sobald sie das Amt angetreten hätte, dann hätte sie die absolute Macht gehabt. Und was blieb mir? Gar nichts!“, bitterböse fletscht Arashitsume die Zähne, „Es war eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass dieses elende Weibsbild gleich mit zwei gewaltigen Vorzügen beschenkt war und ich das Nachsehen hatte! Und das, obwohl sie nicht einmal zu schätzen wusste, was sie da besaß. Nein, sie lehnte es sogar ab. Wie unglaublich dumm von ihr! „Immer wieder behauptete sie, dass nicht die Abstammung einen guten Fürsten ausmacht, sondern das was er aus seiner Stelle macht. Was für ein Schwachsinn! Sie hatte leicht reden, sie hatte ja die nötige Abstammung und obendrein noch diesen betörenden, entwaffnenden Geruch. Sie würde niemals herausbekommen ob sie recht hätte, denn das was einen Fürsten nun mal ausmacht ist der Gehorsam den ihm seine Untergebenen entgegenbringen müssen und die Kontrolle die er über sie hat. Und solange sie da war, wäre es immer sie gewesen, die die Macht besessen hätte“, selig lächelnd zuckt Arashitsume jetzt mit den Schultern, „Ich musste sie loswerden!“ „Und das ist Euch ja nun endgültig gelungen!“, frostig blickt Yaeba den Ostfürsten an, „Sie ist tot und damit gibt es keinen Anwärter mehr auf den Herrschertitel“, seine Stimme trieft nur so vor Sarkasmus, „Ganz so wie Ihr es wolltet, nicht wahr? Nun besitzt Ihr die uneingeschränkte Macht über alle die Euch dienen. Und nun müsst Ihr Euch nicht mehr mit ihrer Behauptung auseinandersetzen, dass zum Fürst sein mehr gehört, als nur Befehle zu geben und sich auf seiner Abstammung auszuruhen.“ „Halt deinen Mund, Köter!“, schnappt Arashitsume erbost, „Dieser Unsinn entbehrt jeglicher Grundlage. Alles was zählt ist das Blut, das durch meine Adern fließt und der Herrschaftsanspruch der damit verbunden ist. Jeder der mir dient, ist mir zum Gehorsam verpflichtet, ob er will oder nicht, und nichts was diese Frau oder sonst jemand behauptet, wird daran etwas ändern!“ Ernst blickt Yaeba den aufgebrachten Daiyoukai an. Doch dann sagt er: „Wenn das tatsächlich stimmt, wie war es dann damals Katsubou, Raiuko, Raihone und mir möglich, Euren Befehl zu missachten und stattdessen mit Hanaki zu gehen? Wo war Eure „absolute Macht“ in diesem Augenblick?“ Gespanntes Schweigen liegt über dem Platz. Kagome hebt erstaunt die Brauen. Stimmt, daran hat sie noch gar nicht gedacht. Was für eine Erklärung der Ostfürst wohl dafür hat? Arashitsume macht ein Gesicht als hätte man ihn getreten. Erst bringt er kein Wort heraus, doch dann ist ein leises, statisches Prickeln auf dem Vorhof zu spüren und die Augen des schlanken Daiyoukai beginnen in tiefem violett zu glühen. Sein Zorn ist ihm deutlich anzusehen. „Das lag nur an ihrem verdammten Geruch!“, schreit er mit gefletschten Zähnen, „Nur am Geruch! Das hatte nichts damit zu tun, dass sie irgendwie besser war als ich! Ihr wart ihr doch bloß hörig, weil ihr Gestank euch die Sinne vernebelt hat, nichts weiter!“ „Redet Euch das nur weiter ein!“, diesmal wird auch Yaeba laut und auch seine Augen beginnen nun purpurn zu funkeln, „Aber ich glaube im Grunde wisst Ihr es ganz genau, dass es nicht so war. Aber Ihr wollt es einfach nicht wahr haben, dass sie eine wahre Fürstin war, die sich um ihre Untergebenen sorgte und sogar bereit war, für sie zu sterben, so wie schon Euer Vater der Inu Taihyougas Zorn abzuwenden versuchte, indem er sich ihm zum Zweikampf stellte, statt feige seine Soldaten vorzuschicken. „Und genau aus diesem Grund folgten wir ihr. Sie hatte sich unseren Respekt verdient, als sie trotz ihrer Verbannung zurückkam und ihren Vater rächte, was eigentlich Eure Aufgabe gewesen wäre. Sie hatte sich in diesem Moment als wahre Fürstin erwiesen und deshalb waren wir in der Lage über den Bann hinwegzugehen und der Fürstin zu folgen, die sich unsere Loyalität verdient hatte! Und im Grunde Eures Herzens wisst Ihr ganz genau was für ein jämmerliches Abbild eines Fürsten Ihr selbst seid, und dass Hanaki mit allem Recht hatte!“ „Unsinn!“, Arashitsumes Stimme wird schrill, „Es lag nur an ihrem Geruch! Sie war kein Stück besser als ich und kein bisschen anders. Sie hat euch doch auch nur dadurch gehalten, dass ihre Witterung unwiderstehlich für euch war und auch wenn diese Ausdünstungen vielleicht noch stärker sein sollten als der Herrschaftsbann, ändert das nichts daran, dass sie euch unfreiwillig und unvermeidbar mit sich zog. Ihr hattet niemals die freie Wahl und ihr werdet sie niemals haben!“ Yaeba ballt die Fäuste: „Ihr seid Euch da so sicher, ja? Warum stellt Ihr diese Behauptung dann nicht auf die Probe? Hanaki ist nicht länger hier. Ihr Geruch ist für alle Zeit verloren. Was sollte mich jetzt noch abhalten, Euch zu gehorchen und zu dienen, wenn Ihr mich wieder in den Clan aufnehmt?“ Missgünstig starrt Arashitsume ihn an: „Du verlangst von mir, dass ich dich wieder in den Clan aufnehme? Nach allem was du getan hast?“ Doch der Streuner erwidert seinen Blick ungerührt: „Was habt Ihr zu verlieren? Gehöre ich wieder zum Clan, unterliege ich auch wieder Eurer Befehlsgewalt. Ihr könntet mit mir tun was Ihr wollt. Ich müsste Euch gehorchen und ein solches Los wäre Euch vermutlich sogar noch lieber für mich, als bloß mein Tod.“ Der Ostfürst bekommt schmale Augen: „Aber ich könnte dich auch töten, wenn ich wollte. Ein Befehl von mir und du würdest es selbst tun. Du würdest sogar deine kleinen Freunde anfallen, wenn ich es befehlen würde. Du hast recht, es wäre verlockend! Aber warum riskierst du das? Warum begibst du dich wieder freiwillig in diese Situation? Ich traue dir nicht. Was steckt dahinter?“ „Und warum zögert Ihr noch?“, gibt Yaeba herausfordernd zurück, „Habt Ihr vielleicht Zweifel, dass ich Eurer Befehlsgewalt unterliegen würde? Dass ich noch immer Eurer Schwester die Treue halte und in der Lage wäre, mich erneut aus diesem Bann zu befreien? Fürchtet Ihr vielleicht, dass Hanaki doch mit ihrer Behauptung recht hat? Zögert Ihr deshalb noch?“ „Sie hat nicht recht! Auf keinen Fall!“, wutschnaubend tritt der Ostfürst einen Schritt auf ihn zu, „Du wirst es noch bitterlich bereuen, dass du wieder zurückkommst! Ich werde mir eine angemessene Strafe für dich ausdenken, und du wirst sie selber vollstrecken! In Ordnung, ich befreie dich hiermit vom Exil und gestatte dir, wieder dem Clan der Inuyoukai des Ostens beizutreten, so wie es vor deiner Verbannung der Fall war!“ Bei diesen Worten geht ein unruhiges Raunen durch die Reihen der Ostyoukai. Sie schauen sehr unbehaglich drein. Mit ungläubiger und besorgter Miene schauen auch Inu Yasha und die anderen zu ihm hinüber. „Was soll der Blödsinn, Yaeba? Bist du verrückt geworden?“, ruft Inu Yasha aufgebracht, „Wenn auch nur die Hälfte von dem ganzen Bann-Gerede stimmt, warum willst du dich dann wieder von diesem Spinner herumkommandieren lassen? Lass das bloß sein! Er wird dich umbringen!“ Doch der alte Streuner blickt den schwer verletzten Hanyou nur ernst an: „Lasst es, Inu Yasha, es ist bereits zu spät. Außerdem, wenn ich es nicht schaffe, Hanakis Andenken zu bewahren, verdiene ich ohnehin den Tod. Ich verdiene ihn bereits seit vielen Jahren und wenn ich hier sterbe, werde ich es nicht bedauern.“ Doch nun tritt Arashitsume mit einem boshaften Lächeln auf Yaeba zu: „Oh, du wirst nicht sterben, jetzt noch nicht. Ich werde in dieser komplizieren Situation doch nicht einen meiner fähigsten Kämpfer töten. Zunächst wirst du mir noch eine Weile nützlich sein und dann wenn du es am wenigsten erwartest, wirst du von mir den Befehl erhalten, dich selbst um dein Ableben zu kümmern. Doch bis dahin, das verspreche ich dir, werde ich dich noch leiden lassen. Solange bis du gelernt hast, dass es nichts mehr gibt, was dich aus meiner Befehlsgewalt lösen kann. Irgendwann wirst auch du einsehen, dass die Abstammung sehr wohl stärker wiegt als die Bewährung. Und wenn es tausend Jahre dauert, glaube mir, irgendwann wirst du es einsehen!“ Mit finsterer Miene steht Yaeba vor dem Fürsten des Ostens: „Das werden wir sehen.“ Scharf starrt Arashitsume den Youkai an: „Ich habe dir nicht erlaubt zu sprechen! Schweig! Ich will kein Wort mehr von dir hören. Du hast mir schon viel zu lange mit deinem Geschwafel die Ohren beleidigt.“ Yaebas Mund klappt augenblicklich zu. Hart beißt er die Zähne aufeinander. Doch Arashitsume fährt schon fort: „Und wie stehst du eigentlich da? Haben die Jahre bei meiner verlotterten Schwester dich etwa vergessen lassen, wie man sich einem Fürsten gegenüber verhält? Auf die Knie!“ Der ehemalige Streuner knirscht mit den Zähnen und funkelt den Ostfürsten bitterböse an. Er zittert am ganzen Körper vor Anstrengung, doch nun bekommt man den Eindruck, dass sich sein Körper ganz von alleine bewegt. Äußerst widerstrebend sinkt er vor dem Ostfürsten auf die Knie hinab. Arashitsume lächelt genüsslich: „Tiefer!“ Yaeba verzieht das Gesicht zu einer hasserfüllten Fratze, doch seine Stirn senkt sich nun auf den Boden hinab. „Noch tiefer!“, Arashitsumes selbstgefälliges Grinsen ist unverkennbar. Der stämmige Krieger liegt nun flach auf der Erde. Kagome krallt ihre Hand unwillkürlich in Inu Yashas Gewand. Der bleiche Hanyou steht schwer atmend neben ihr und beobachtet mit der gleichen Abscheu die Demütigung ihres Kameraden. Er kennt ihn noch nicht sehr lange, aber er ist überzeugt, dass der ehemalige Streuner eine solche Behandlung nicht verdient. Dieser Bann muss in der Tat mächtig sein, wenn selbst Yaeba keine andere Wahl hat, als zu tun, was dieser sadistische Fiesling von ihm verlangt. Innerlich stößt er eine wüste Beschimpfung auf den ersten Fürsten des Ostens aus. Und wieder ist der Ostclan in seiner Wertschätzung gehörig gesunken. Wer außer Naraku würde seinen Abkömmlingen so ein Leben aufbürden? Unwillkürlich geht seine Hand zu der Kette an seinem Hals. Sein Genick schmerzt noch immer stark und er spürt die Striemen wo sich die Kette in seine Haut gegraben hat. Ja, er kennt diese unterwürfige Pose nur zu gut. Doch Kagome benutzt diese Kette nicht, um ihn absichtlich zu demütigen. Sie schießt nur gelegentlich über das Ziel hinaus und manchmal hat er das vermutlich sogar verdient. Heute war diese Kette sogar zum ersten Mal wirklich hilfreich. Doch der Ostfürst macht sich eine wahre Freude aus dem Umstand, dass seine Untergebenen ihm gehorchen müssen. Es macht ihm unverkennbar Spaß die völlige Kontrolle über all seine Diener zu haben. Der Meinung ist auch die Nordfürstin. „Seid Ihr nun stolz auf Euch, Arashitsume?“, in Yarinuyukis Stimme liegt tiefste Verachtung, „Ihr genießt das, nicht wahr?“, sie spuckt verächtlich aus, „Ihr besitzt wirklich keinen Funken Anstand!“ „Was ich mit meinen Untergebenen mache, hat für Euch nicht von Belang zu sein, Yarinuyuki-sama. Ich rede Euch ja auch nicht in Euren Führungsstil hinein“, erwidert Arashitsume kühl, „Ich bedaure, dass diese Disziplinierung nötig war, aber gelegentlich müssen meine Diener daran erinnert werden, wem sie zu gehorchen haben.“ Mit diesen Worten richtet er sich wieder an Yaeba: „Doch nun genug davon. Komm wieder hoch!“ Steif erhebt sich der Krieger. In seinem Blick liegt blanker Hass. Doch Arashitsume ist noch nicht fertig: „Da wir ja noch immer den Hohen Rat zu Ende bringen müssen, wirst du jetzt diesen Hanyou wieder in Gewahrsam nehmen“, er zeigt auf Inu Yasha, „Er hat zugesagt bis zum Ende der Verhandlungen im Quartier seines Bruders zu bleiben und ganz offenbar hat er sein Wort gebrochen. Das heißt, mir steht wieder das Recht zu, ihn erst einmal wegzusperren.“ Ein Ruck geht nun durch Inu Yasha: „Ich dachte wir hätten längst geklärt, dass Sesshomaru nichts mit diesem ganzen Verrat zu tun hat“, ruft er ärgerlich, doch anschließend zieht er scharf die Luft ein vor Schmerzen. „Mag sein, dass er entlastet ist, aber du noch längst nicht, Hanyou. Bevor der Rat nicht beendet ist, wirst du auch nicht aus meinem Gewahrsam entlassen“, und an den ehemaligen Streuner gewandt, „Yaeba, nimm ihn fest! In seinem Zustand sollte das kaum ein Herausforderung darstellen.“ In seinen Gedanken fügte er jedoch hinzu: „Und sollte er auch nur einmal protestieren, brichst du ihm das Genick, klar?“ Wütend fährt Yaebas Blick zu seinem Fürsten herum. Arashitsume lächelt seelenruhig. Der kräftige Ostyoukai macht widerstrebend einen Schritt auf Inu Yasha zu. Doch nun tritt Sesshomaru erhobenen Hauptes zwischen Yaeba und seinen Bruder: „Ihr werdet ihn nicht anrühren, verstanden?“, zornig funkelt er Arashitsume an. Doch dieser lässt sich nicht beirren: „Ihr wisst, dass mir dieses Recht als Herr dieses Reiches zusteht. Entehrt den Rat mit Eurem Protest nicht noch mehr! Es genügt schon, dass Ihr mein Tor erneut zerstört habt!“, und an Yaeba gewandt, „Worauf wartest du? Nimm ihn fest!“ Mit steifen Bewegungen macht Yaeba einen weiteren Schritt vor, doch dann ballt er krampfhaft die Fäuste und senkt den Kopf. Wie festgemauert bleibt er nun stehen: „Nein!“, quetscht er unter zusammengepressten Kiefern hervor. Arashitsumes Auge wird schmal: „Hast du etwas gesagt?“ Nun dreht Yaeba sich langsam um: „Ich sagte... ich werde... ihn nicht... festnehmen!“ Man merkt, dass er sich jedes Wort praktisch abringen muss. Sein Auge funkelt wild entschlossen und durchbohren Arashitsume mit einem tödlichen Blick. Nun weiten sich Arashitsumes Augen entgeistert und seine Kinnlade fällt ein wenig herab. Doch sogleich hat er sich wieder in der Gewalt und sein Gesicht verzieht sich zu einer wütenden Grimasse. „Du wirst sofort gehorchen! Oder muss ich dich daran erinnern was anderenfalls mit dir passiert?“ Augenblicklich schnappt Yaeba schwer nach Luft. Sein Auge leuchten hell purpurn auf, doch diesmal ist es nicht Wut, die es auslöst. Der Youkai hat fest die Zähne zusammengebissen und krümmt sich unter Schmerzen zusammen, die Arme um den Körper geschlungen. Schweiß steht ihm auf der Stirn und er ist kalkweiß geworden, doch unter größter Anstrengung hält er sich noch aufrecht. Wie gebannt beobachten die Umstehenden das Geschehen. Viele der Ostyoukai wenden den Blick ab, sie wissen aus eigener Erfahrung was weiter geschehen wird. Doch einige von ihnen, besonders die etwas jüngeren, können ihre Augen nicht von den Qualen des ehemaligen Streuners wenden. „Warum unternimmt denn niemand etwas!“, wispert Kagome verzweifelt, „Warum geschieht das alles?“ Das junge Mädchen ist mit den Nerven fertig. Hilfesuchend klammert sie sich unbewusst immer fester an das Gewand ihres Freundes. Inu Yasha verzieht grimmig das Gesicht. Yaeba versucht ihn zu schützen, deshalb muss er das erdulden, das gefällt ihm gar nicht. Aber ganz sicher gefällt es ihm auch nicht, wieder in das Gefängnis des Ostpalastes eingesperrt zu werden. Doch er wäre bereit es zuzulassen, wenn der miese Ostfürst dafür ein Einsehen hätte. Es sieht allerdings nicht danach aus. Yaeba ist letztendlich doch wieder auf die Knie gesunken. Er kann nicht einmal mehr Luft holen, so sehr schmerzt sein Körper. Über ihm steht Arashitsume und blickt genüsslich auf ihn hinab. „Reicht dir das noch immer nicht? Widersetzt du dich noch immer? Du weißt doch genau was als Nächstes kommt. Solltest du nicht am besten wissen, dass das keinen Zweck hat, oder reicht dir etwa ein Auge noch nicht?“ Irritiert blicken sich nun Inu Yashas Freunde an. „Sagte er nicht, er hätte das Auge beim Kampf gegen die Nordyoukais verloren?“, fragt Shippo verwirrt. „Ja, das sagte er“, bestätigt Sango, „Aber inzwischen gab es so viele Überraschungen, da wundert mich das auch nicht mehr.“ Doch Arashitsume fährt bereits fort: „Ah, verstehe!“, er nickt wissend, „Du hast es also für dich behalten. Dass der Kampf mit den Nordyoukai dich ein Auge gekostet hat, kam dir nur gelegen. So musstest du keine Ausreden mehr erfinden. Du hast Hanaki nie erzählt, was dich und die anderen ihre Freiheit gekostet hat, oder?“ Bis eben hat sich Yaeba noch verkrampft am Boden gekrümmt, doch nun lösen sich seine Gliedmaßen und erschlafft liegt er am Boden. Sein Atem geht flach und sein Blick ruckt ziellos hin und her. Nun lässt sich Arashitsume galant neben ihm nieder. „Gib schon auf, Yaeba“, sagt er sanft, „Du wirst nicht gewinnen. Und du bist mir momentan noch zu nützlich, um geistiges Gemüse zu werden. Du weißt doch was geschehen wird. Sicher erinnerst du dich daran. Zuerst versagen sämtliche deiner Gliedmaßen ihren Dienst und du hast keine Kraft mehr. Und dann wirst du allmählich einen Sinn nach dem anderen verlieren. Nicht mehr lange und du kannst gar nicht mehr sehen. Erstaunlich wie du und die anderen trotzdem all die Jahre mit einem blinden Auge habt überleben können. Und dann kommt das Hören, das Riechen, das Schmecken und zum Schluss wirst du nicht einmal mehr fühlen können. Du wirst eingesperrt sein in deinem eigenen Körper ohne Kontakt zu deiner Umgebung und ohne Aussicht auf Besserung. Alleine mit deinen Gedanken, dem schleichenden Wahnsinn ausgeliefert. Ich kann mir nicht denken, dass du das wirklich willst. Und dieses Mal ist Hanaki nicht hier um dich mit ihrem verdammten Geruch aus deinem Bann zu zerren. Du bist allein. Also sei vernünftig und gib auf!“ Doch der gequälte Youkai gibt keinen Ton von sich. Noch immer ruckt sein Blick wild umher und ein seltsames Leuchten scheint über seinem rechten Auge. Arashitsumes Miene wird hart und er erhebt sich: „Siehst du, es fängt bereits an. Das alles könnte sofort vorbei sein, wenn du dich einfach nur wieder fügen würdest.“ Aber Yaeba liegt noch immer da und rührt sich nicht. Das Leuchten wird stärker. Arashitsumes Blick wird unruhig: „Hör schon auf! Hör auf, sage ich!“ Doch der Youkai reagiert nicht. „Ich hab gesagt, du sollst es sein lassen! Es wird dir nichts nützen", nun wird der Daiyoukai doch zunehmend beunruhigt. „Sie kann dir nicht helfen!“ Das hat sie nie!“ Doch jetzt kommt langsam wieder Bewegung in den gepeinigten Youkai und sein wirr umherirrendes Auge beginnt jetzt in einem hell glühenden Purpur zu glühen und dann zu gleißen. Der Ostfürst macht unwillkürlich einen Schritt zurück. „Nein!“, murmelt er fassungslos, „Das kann gar nicht sein! Das ist völlig unmöglich!“ Das grelle Licht steigert sich nun immer mehr und dann auf einmal hebt Yaeba die Hand und stemmt sie fest auf den Boden. Die andere Hand folgt und dann urplötzlich mit einem Aufblitzen erlöscht das Leuchten. Alle halten gespannt den Atem an. Auch Arashitsume starrt auf den Youkai vor ihm. Er macht dabei ein Gesicht als wäre das, was sich da vor seinen Augen abspielt, ein Ding der Unmöglichkeit. Und das ist es im Grunde auch, denn jetzt hebt Yaeba langsam den Kopf, sammelt wieder Kraft in seinen Gliedmaßen und richtet sich nun zu seiner vollen Größe auf. Unverwandt hat er den Blick auf Arashitsume gerichtet doch er wirkt nicht länger wütend sondern nur noch sehr ernst. „Starr mich nicht so unverschämt an!“, Arashitsumes Stimme überschlägt sich fast und er weicht noch ein Stück zurück, doch Yaeba zeigt sich von der Anweisung gänzlich unbeeindruckt. „Um Eures Stolzes willen, solltet Ihr mir besser keine Befehle mehr geben, Arashitsume-sama“, sagt er ruhig, „denn ich werde Euch niemals wieder gehorchen.“ Ein wenig irritiert blickt er auf seine noch immer leicht zitternden Finger, dann schaut er wieder hoch zu Arashitsume. „Ja, womöglich könnt Ihr noch immer meine Gedanken vernehmen“, beantwortet er die unausgesprochene Frage des Fürsten, „Doch Ihr könnt mir nicht länger Befehle erteilen und wie es aussieht, habe ich diesmal sogar mein Augenlicht behalten.“ Arashitsume fletscht die Zähne und wirft ihm einen hasserfüllten Blick zu, doch er bringt kein Wort heraus. Nun richtet sich Yaeba zu seiner vollen Größe auf: „Seht Ihr es nun ein? Eure Abstammung nützt Euch gar nichts, wenn ich mit ganzem Herzen meiner Herrin Hanaki folgen will. Nur ihr werde ich treu sein, sogar über den Tod hinaus und niemandem sonst werde ich dienen und seine Ehre verteidigen als nur meinem Chutaisho Hanaki!“ Ein finsteres Knurren kommt aus Arashitsumes Kehle und für eine ganze Weile ist das das einzige Geräusch, dass von ihm kommt. Doch dann atmet er einmal vernehmlich durch, hebt er den Kopf und macht ein paar entschlossene Schritte auf Yaeba zu: „Du glaubst jetzt vermutlich, du hättest gewonnen. Du denkst ich würde mich geschlagen geben und in Selbstmitleid versinken, was? Aber da täuschst du dich!“, bitterböse starrt er den Youkai an. „Ich weiß, dass du sie geliebt hast. Ich weiß, dass du alles für sie tun würdest. Und wie es aussieht, hat dir dieser Umstand vermutlich sogar die Willensstärke gegeben den...“, er stockt kurz, „den Herrschaftsbann abzuschütteln. Erneut...!“, hier holt er noch einmal tief Luft um sich wieder zu sammeln und fährt dann fort, „Aber was hat es dir gebracht? Du bist frei. Na und? Ich brauche dich gar nicht. Ich habe noch genügend andere Diener und sie werden meinen Anweisungen trotzdem gehorchen. Glaubst du vielleicht, sie hätten deine Willensstärke? Hattest du wirklich beabsichtigt, sie durch dein Beispiel anzuspornen, mir untreu zu werden? „Sieh sie dir an!“, er macht eine Geste in die Runde, „Sie haben genau gesehen, was du erleiden musstest und sie haben Angst! Sie werden nicht den Versuch wagen, deinem Beispiel zu folgen. Und sollten sie es doch versuchen, glaubst du wirklich auch nur eine Handvoll von ihnen hätte Erfolg? Nein!“, er schüttelt demonstrativ den Kopf, „Sie alle gehören mir! Sie werden niemals schaffen, was du geschafft hast. Sie sind auf ewig an mich gebunden. Ich bin ihr Fürst und sie mein Volk und sie werden mir gehorchen solange sie leben!“ Yaeba hat die Worte des Ostfürsten genau verfolgt. Zunächst sagt er nichts, doch dann hebt er den Kopf: „Das weiß ich. Sie alle sind Euch schutzlos ausgeliefert und heute habe ich beschlossen, dass ich das nicht mehr länger hinnehmen werde!“ Arashitsumes Kopf ruckt herum: „Was soll das heißen? Was willst du schon dagegen tun?“ Doch nun atmet Yaeba noch einmal tief durch und als er dann spricht, ist seine Stimme klar und autoritär. „Ich habe unzählige Jahre meinem Clan treu gedient. Ich habe gekämpft, geblutet und getötet für ihn. Ich war meinem Fürsten stets gehorsam und selbst wenn ich nicht immer mit allem einverstanden war, was mir aufgetragen wurde, so hab ich es dennoch ohne Murren getan, denn bisher wussten die Fürsten dieses Reiches stets was sie taten und hielten sich an die Gesetze. Es gab niemals seinen Grund gegen den Herrschaftsbann aufzubegehren. Bis heute! „Ich sehe unser Volk und es schmerzt mich zu sehen, dass der amtierende Fürst seinen aufopfernden Dienst in keinster Weise zu würdigen weiß. Mehr noch, er nutzt die Hilflosigkeit seines Volkes schamlos zu seinem Vorteil aus und richtet mit seinem fehlgeleiteten Größenwahn unser Volk zugrunde. Das werde ich nicht länger dulden!“ Arashitsume hebt skeptisch eine Braue: „Ich fragte bereits was du dagegen tun willst.“ Nun richtet sich der kräftige Youkai zu seiner vollen Größe auf und blickt Arashitsume unverwandt an: „Man kennt mich als Yaeba. Mein wahrer Name ist Yaomonzurushi, Meine Mutter gab mir den Namen 'Allen Achtung entgegenbringender Zahn' um deutlich zu machen, dass nicht der Fürst eines Clanes das Volk ausmacht, sondern alle die dazugehören. Ein Fürst ohne ein Volk ist kein Fürst sondern nur ein Mann. Deshalb müssen alle Mitglieder eines Volkes mit Respekt behandelt werden. Nur so kann es funktionieren. Heute bekenne ich mich zu meinem Geburtsnamen und werde ihm Ehre erweisen.“ Er zeigt auf Arashitsume: „Dieser Fürst führt sein Volk schlecht, deshalb fordere ich, Yaomonzurushi, ältester Sohn von Kodomi, Abkömmling von Warugashikomaru, dem ersten Fürsten des Ostens, heute die Herrschaft des Ostclans von Euch Arashitsume, Sohn des Inu Taiarashi!“ Kapitel 56: Ein Kampf um Macht und Ehre --------------------------------------- „Ich muss mich verhört haben!“, so amüsiert Arashitsumes Worte auch klingen, der bedrohliche Unterton ist nicht zu überhören. Dieser Meinung sind auch die Umstehenden. Kagome ist verwirrt. Sie hat heute schon so viele Überraschungen erleben müssen und sie weiß nicht recht, wie sie jetzt mit dieser umgehen soll. Yaeba ist der Sohn eines Abkömmling des ersten Ostfürsten? Wie alt mag er da sein? Sie kann es nur vermuten, aber mit Sicherheit alt. Mehrere tausend Jahre womöglich. Sie weiß zwar, dass Youkais alt werden können, aber so alt? Und erst jetzt erhebt er Anspruch auf die Fürstenwürde. Das muss wohl bedeuten, dass Arashitsume jetzt auch für Ostyoukai-Verhältnisse zu weit gegangen ist. Wen wundert es? Doch weiter kommt sie in ihren Überlegungen nicht. Arashitsumes Stimme fliegt herablassend über den Platz: „Du forderst mich heraus? Hast du den Verstand verloren?“ Yaeba geht nicht darauf ein. „Gebt Ihr die Herrschaft ab, oder nicht?“, fragt er ernst. Der Ostfürst lacht verächtlich auf: „Aber selbstverständlich nicht! Wie käme ich denn dazu? Mal ganz abgesehen davon, dass ich keinesfalls bereit bin, mein Amt niederzulegen, einem wie dir übergebe ich es ganz bestimmt nicht. Deine Forderung ist absolut lächerlich! Selbst wenn du Kodomis Sohn bist, bedeutet das gar nichts. Sie war nur ein Abkömmling von Warugashikomaru und nicht sein Kind. Du hast keinerlei Anspruch auf den Thron!“ „Sei's drumm!“, erwidert Yaeba schlicht, „Ich fordere ihn trotzdem! Und was wollt Ihr jetzt dagegen unternehmen?“ Nun wird Arashitsumes Blick hart: „Fang nicht so mit mir an Yaeba! Es bedarf nur eines Kommandos und meine Soldaten reißen dich in Stücke.“ Yaeba verschränkt die Arme und nun bekommt seine Miene seinerseits etwas herablassendes: „Dummes Kind! Ihr seid so versessen auf Euren Herrschaftsanspruch, dass Ihr ihn gar nicht erst in Frage stellt, oder wissen wollt, wie er genau funktioniert. Nur zu, versucht Euer Glück, aber ich sage Euch gleich, wenn Ihr Euch nicht wenigstens ein paar loyale Diener erhalten habt, wird niemand hier die Waffe gegen mich erheben.“ Nun bekommt Arashitsumes Blick etwas Wildes. Zornig fletscht er die Zähne und dann schreit er: „Na los, bringt ihn zum Schweigen! Tötet ihn, auf der Stelle!“ Doch die Ostkrieger blicken sich nur ein wenig zögerlich und verwundert an. Ein leises Raunen geht durch die Menge, doch keiner von ihnen rührt sich vom Fleck. „Was soll das?“, Arashitsumes Stimme überschlägt sich fast vor Wut!“, habt ihr nicht gehört was ich gesagt habe? Bringt ihn um!“ „Nichts dergleichen werden sie tun!“, ruft Yaeba jetzt ebenfalls ärgerlich, „Zumindest nicht auf Euren Befehl hin, denn mit dem Augenblick, da ich Euch herausforderte ist die Herrscherfrage nicht länger völlig geklärt!“ „Was soll das heißen?“, schnaubt Arashitsume giftig. Yaeba hebt kühl den Kopf: „Das heißt, im Moment gibt es zwei Anwärter auf den Thron und da der Herrscherbann bedingungslose Loyalität bedeutet, kann er nicht gegen den Herausforderer gerichtet werden, es würde ja bedeuten, zwei Herren zu dienen. In diesem Fall, und nur in diesem, existiert der Herrscherbann nicht.“ Ungläubiges Gemurmel ist die Folge. Inu Yasha lächelt schwach. Das hat er ja geschickt eingefädelt, der alte Halunke. Bestimmt hatte der Ostfürst davon keine blasse Ahnung. Zumindest guckt er gerade so. In der Tat Arashitsume macht ein Gesicht als hätte ihn der Schlag getroffen. „Das ist nicht wahr!“, zischt er boshaft, „Das ist völlig unmöglich! Nichts kann den Herrscherbann aussetzen!“ „Gerade habe ich Euch zwei mal das Gegenteil bewiesen“, entgegnet Yaeba ruhig, „Was wisst Ihr denn schon darüber? Ich hatte noch die Ehre, ihn von Warugashikomaru persönlich erklärt zu bekommen. Glaubt mir, es ist so.“ „Aber das macht überhaupt keinen Sinn!“, keift Arashitsume, „Warum sollte eine Herausforderung um den Thron den Herrscherbann außer Kraft setzen? Gerade dann wird er doch am meisten gebraucht! So eine Schwäche ist doch völlig überflüssig.“ „Weil normalerweise ein Herausforderer nicht lange überlebt“, stellt Yaeba mit verschränkten Armen klar, „Wer wäre schließlich so vermessen, sich mit einem Daiyoukai aus der Fürstenfamilie anzulegen? Wer das tut, muss damit rechnen, augenblicklich umgebracht zu werden. Kein Fürst der etwas auf sich hält, lässt sich einen Herausforderer gefallen.“ Arashitsumes Blick geht gehetzt über den Platz. Sämtliche Blicke sind auf ihn gerichtet und kaum einer davon ist wohlwollend. Er presst die Lippen zusammen und verzieht grimmig das Gesicht. Er scheint einen kurzen Moment angestrengt zu überlegen, dann meint er: „Das kümmert mich nicht! Von mir aus kannst du so viel verlangen wie du willst. Ich akzeptiere deinen Anspruch nicht und ich habe es gar nicht nötig, mich weiter mit dir deswegen zu befassen.“ „Ich fürchte allerdings doch!“, gibt Yaeba jetzt ernsthaft zu bedenken, „Es sei denn, Ihr gebt den Thron freiwillig ab. Wenn die Herausforderung erst einmal ausgesprochen ist, gibt es kein Zurück mehr. Wenn ihr jetzt nicht kämpft und dem Herausforderer die Stirn bietet, würde das bedeuten, Ihr gebt freiwillig auf und damit wäre ich der Sieger. Und was das für den Herrschaftsbann bedeutet, brauche ich Euch vermutlich nicht sagen. Der Ostclan gehorcht nur dem amtierenden Fürsten!“ Wild zucken Arashitsumes Mundwinkel und auf dem ebenmäßigen Gesicht zeichnen sich mehrere grüblerische Falten ab. Schließlich sagt er leise: „Das bedeutet, wenn ich mein Amt behalten will, muss ich dich zur Hölle schicken, versteh ich das richtig?“ „So ist es!“, bestätigt Yaeba ernst, „Ob Ihr wollt oder nicht, dieses Mal müsst Ihr selbst kämpfen. Aber ich verspreche Euch“, und nun wird seine Miene finster, „Ihr werdet kein leichtes Spiel haben mit mir. Also kämpft endlich!“ „Moment!“, der Ausruf lässt alle Anwesenden herumfahren. Mit bleichem Gesicht aber tödlicher Miene funkelt Sesshomaru zu Yaeba herüber, „Du wirst nicht mit ihm kämpfen! Der Bastard gehört mir! Ich werde derjenige sein, der ihn ins Jenseits befördert und niemand sonst, verstanden?“ „Nein, Sesshomaru-sama!“, erwidert Yaba, diesmal nicht minder entschlossen, „Wenn Ihr mit ihm kämpft, wird es Krieg geben. Die Gesetze über Kampfhandlungen zwischen Personen unterschiedlicher Clans, sind zu streng. Nur deshalb, ließ ich mich wieder in den Ostclan aufnehmen. Es muss eine innenpolitische Angelegenheit sein. Nur so kann der Ausbruch eines Krieges vermieden werden.“ „Das akzeptiere ich nicht!“, grollt Sesshomaru finster, „Er muss dafür büßen, was er getan hat und diese Gelegenheit werde ich mir nicht nehmen lassen!“ „Glaubt mir, er wird büßen!“, entgegnet Yaeba fest, „Sesshomaru-sama, Ihr selbst habt mir Eure Trauer anvertraut, nun gestattet mir, dass ich sie für Euch in Ehren halte. Ich werde ihn zur Verantwortung ziehen. Vertraut mir!“ „Einen Moment mal!“, diesmal ist es die frostige Stimme Arashitsumes, die sie herumfahren lässt. Der schlanke, elegante Daiyoukai tritt nun langsam zwischen seinen Leuten hervor. Erhobenen Hauptes beobachtet er Yaeba und die anderen, doch sein Blick ist gnadenlos und als er spricht liegt in seiner Stimme kalter Hass. „Ihr widerlichen, kleinen Großmäuler! Was glaubt ihr eigentlich, was ihr da redet? Ihr wollt mich zur Verantwortung ziehen?“, sein Blick durchbohrt Yaeba mit Verachtung, „Was bildest du dir eigentlich ein? Du forderst mich heraus? Du Narr! Du glaubst tatsächlich, du könntest mich besiegen? Du denkst vermutlich, wenn du mich durch diesen miesen Trick um meine Soldaten bringen kannst, stehe ich ohne Schutz da und du hast leichtes Spiel mit mir. Ich werde dir mal was sagen, nur weil ich es für gewöhnlich lieber vermeide zu kämpfen, bedeutet das noch lange nicht, dass ich es nicht kann!“ Mit diesen Worten beginnen Arashitsumes Augen gefährlich purpurn zu glühen und eine drückende, violett schimmernde Aura geht nun von der Gestalt des Ostfürsten aus. Ein statisches Summen erfüllt nun die Luft und die Energiemassen die jetzt immer mehr aus dem Körper des Ostfürsten ausströmen, erzeugen einen derartigen Wirbel auf dem Vorplatz, dass die Umstehenden Mühe haben, auf den Beine zu bleiben. Grimmige Wut verzerrt nun das sonst so makellose Gesicht des Ostfürsten und scharfe Reißzähne blitzen zwischen seinen Lippen hervor. An seinen Händen bilden sich lange tödliche Krallen und sein gesamter Körper ist nun in ein grelles, unheimliches Licht getaucht. „Du unterschätzt mich gewaltig! Ich werde dir zeigen, was es heißt, sich mit einem wahren Daiyoukai anzulegen, du Wicht!“, grollt die Stimme die nun immer weniger Ähnlichkeit mit der hellen, klaren Stimme des Fürsten hat. Und nun beginnt sich der Körper des Fürsten immer mehr zu verformen und zu wachsen. Die Klauenhände werden zu riesigen Tatzen, die scharfen Zahnreihen finden Platz in einer mächtigen Schnauze und die glühenden Augen starren nun aus einem gewaltigen Hundeschädel hervor. Und nun steht dort mitten auf dem Platz ein monströs großer Hund von gut elf Schritt Höhe mit langem, silbergrauem Fell, mächtigen Krallen und todbringenden Kiefern und starrt auf die Anwesenden herunter. Dabei füllt er fast den gesamten Platz aus. Es kann kein Zweifel bestehen, dass der Fürst des Ostens den Status Daiyoukai zu Recht trägt. Fassungslos starren die Umstehenden zu der hünenhaften Gestalt hoch. Doch nicht für lange, denn in genau diesem Moment stößt sich der riesige Hund ab und stürzt direkt auf Yaeba zu. Doch der alte Krieger hat aufgepasst. Kaum sieht er ihn kommen, da beginnen auch seine Augen zu glühen und nur innerhalb weniger Augenblicke hat auch er seine wahre Gestalt angenommen und nur einen Sekundenbruchteil, bevor sich Arashitsumes Kiefer um ihn schließen, springt er aus dem Weg, der Daiyoukai schnappt ins leere und schlittert dabei noch ein Stück weiter in Richtung Palastaußenmauer. Mit einem lauten Krachen prallt der mächtige Körper auf dem Felsen auf und die dicken Brocken fallen unter lautem Getöse zu Boden. „Verdammt!“, stößt Inu Yasha überrascht hervor und im selben Moment zieht er Kagome ruckartig aus dem Weg, ehe ein großer Felsen genau an der Stelle liegen bleibt, an der sie gerade noch stand. Doch unmittelbar darauf fordern die noch nicht verheilten Wunden des Hanyou ihren Tribut und Inu Yasha verzieht gepeinigt das Gesicht und sackt kraftlos in sich zusammen. Doch zum Glück haben seine Freunde aufgepasst. Auf einmal ist der ganze Vorhof in Bewegung und Miroku und Sango haben mit Kirara die Chance genutzt, nicht mehr länger aufzufallen, wenn sie sich einmischen. Geschmeidig springt die Dämonenkatze zu Inu Yasha herüber und mit eingespielten Bewegungen zieht Miroku ihren verwundeten Freund auf ihren Rücken, während Sango Kagome ebenfalls behilflich ist aufzusteigen. Zwar hat die kräftige Katze nun an ihren fünf Kameraden nicht gerade leicht zu tragen, doch sie ist zu stolz, es sich anmerken zu lassen. Währenddessen ist auf dem Platz der Kampf zwischen den beiden Riesenhunden in vollem Gange. Ein Trommelfell zerfetzendes Knurren und Kläffen erfüllt die Luft und die übrigen Youkai dort tun gut daran, den beiden Kämpfern möglichst aus dem Weg zu gehen. Itakouri verfolgt den Zweikampf mit aufmerksamem Blick. Wenn er bisher der Ansicht war, dass der alte Streuner wahrlich riesig war, so wirkt er nun im Kampf mit dem Daiyoukai des Ostens fast schon winzig. Er reicht dem gewaltigen Ostfürsten gerade mal bis zur Brust. Dafür allerdings schlägt er sich erstaunlich gut, und Itakouri ist innerlich ein wenig erleichtert, dass er es am vorigen Tag nicht auf einen Kampf mit dem Anführer der Streuner hat ankommen lassen. Vermutlich hätte selbst Samushi keine Chance gegen ihn und langsam bekommt er eine Ahnung warum dieser seinem Anführer gegenüber so hörig ist. „Itakouri, starr keine Löcher in die Luft!“, energisch fliegt der Ruf seiner Fürstin zu ihm herüber und reißt ihn aus seinen Gedanken, „Nimm die drei Trottel mit und sieh zu, dass du nicht niedergewalzt wirst!“ Ein wütender Blick geht hinüber zu ihrem Befehlshaber. Dann packt sie den noch immer vor ihr am Boden liegenden Kossoridoku und mit einem eleganten Sprung macht sie einen Satz hinauf auf den Bergkamm, der den natürliche Schutzwall um den Ostpalast bildet, und lässt dort ihre Last unsanft zu Boden plumpsen. Mit einem sowohl auffordernden als auch leicht flehenden Blick starrt Itakouri Samushi und Kegawa an. Er kann nur hoffen, dass sie sich freiwillig bereit erklären, ihm zu folgen. Doch die beiden Streuner haben offenbar ein Einsehen und mit einem stummen Nicken folgen auch sie der Nordfürsten auf ihren erhöhten Aussichtspunkt, von wo sie den Kampf der beiden Dämonenhunde genaustens verfolgt. Mit einem leisen Stoßseufzer packt Itakouri Sokudo am Arm und nötigt ihn, ihm ebenfalls zu folgen, was dieser etwas widerstrebend aber letztlich willig mit sich geschehen lässt. Kurz darauf haben sie alle die Erhöhung erreicht. Yarinuyuki verschränkt die Arme während sie die beiden Kämpfenden beobachtet. Wer hätte gedacht, dass sich der feige Hund letztlich doch noch dazu herabgelassen hat, seine Würde zu verteidigen. Lange genug bitten, hat er sich ja lassen. Allein das ist schon eine wahre Schande. Ihre Miene ist finster. Zumindest muss man ihm zugute halten, dass er nicht völlig übertrieben hat. Er scheint trotz allem tatsächlich in der Lage zu sein zu kämpfen. Immer wieder schnappen seine mächtigen Kiefer nach seinem kleineren Gegner und versuchen dessen Hinterläufe oder Kehle zu erwischen. Dabei umkreisen sich die zwei in einem fast erschreckenden Tempo, schnappen nacheinander, werfen ihre mächtigen Leiber gegeneinander und versuchen mit allen Mitteln den jeweils anderen auf den Rücken zu werfen um den Todesbiss anwenden zu können. Arashitsume ist mit seiner Körpermasse hierbei deutlich im Vorteil. Sein Herausforderer hat kaum eine Chance etwas mit seiner Kraft auszurichten. Dafür ist der ehemalige Streuner wesentlich gewandter und flinker. Man merkt ihm deutlich die jahrhundertelange Erfahrung an, bei der er um sein Überleben kämpfen musste. Seine Finten fruchten öfter und sein drahtiger Körper ist perfekt unter seiner Kontrolle. Dagegen wirkt Arashitume trotz seiner Körpergröße und Kraft eher ein wenig plump, obwohl keineswegs träge. Doch die Bewegungen sind nicht vollständig kontrolliert. Vermutlich verbringt der Fürst des Ostens nicht sehr viel Zeit in seiner wahren Gestalt. Doch wenn Yaeba ihn deshalb unterschätzt, könnte das böse ausgehen. Nur ein unachtsamer Sprung, ein halbherziger Angriff und der Ostfürst hat seine Kiefer um seine Kehle. Aber der alte Krieger scheint sich dessen durchaus bewusst zu sein. Yarinuyuki bekommt langsam den Eindruck, dass die großspurige Herausforderung des Youkais wohl doch keine selbstmörderische Verzweiflungstat war sondern sehr wohl besonnen kalkuliert. Sie ist ungewollt beeindruckt. Ein interessanter Bursche dieser Yaeba. Ihr Blick schweift kurz hinüber zu Inu Yasha und seinen Weggefährten. Gerade haben sie den bewusstlosen Hanyou zusammen mit dem Menschenmädchen, dass ihm nicht von der Seite weicht, ein Stück entfernt auf dem Steinwall abgesetzt. Yarinuyuki kräuselt ein wenig die Stirn. Sie wird nicht recht schlau daraus. Was haben diese Menschen hier eigentlich zu suchen? Die Frau auf dem Katzen-Youkai fliegt gerade wieder hinab in den Vorhof und der Mann der hinter ihr sitzt, ergreift die andere Zeugin, diese Schwarze Miko, und bringt auch sie hinauf zu den anderen. Ein Mönch, eine Dämonenjägerin, ein Katzen-Youkai und ein Mädchen an dem weitaus mehr seltsam zu sein scheint, als allein ihre Kleidung. Mit Sicherheit die letzten Personen, die sich im Schloss eines Inu-Youkaifürsten aufhalten sollten. Offenbar gehören sie zu dem Hanyou und es scheint, dass sie sich gut kennen. Vermutlich verbringen sie viel Zeit miteinander. Was für eine sonderbare Gruppe. Da ist es nicht wirklich verwunderlich, dass der Ostfürst Sesshomaru und seinem Bruder Verrat unterstellt. Zu gern möchte sie wissen, was der Fürst des Westens von der Gesellschaft seines Bruders hält. Ihr Blick geht hinüber zu Sesshomaru. Der Daiyoukai hat sich nun gemeinsam mit seinen zwei Kriegern ebenfalls auf dem Felsenkamm eingefunden. Er wirkt blass und erschöpft und seine zahlreichen Verletzungen sind deutlich zu erkennen und dennoch bemüht er sich auch jetzt noch um eine würdevolle Körperhaltung, auch wenn man ihm anmerkt welche Kraft ihn das kostet. Selbst in dieser Verfassung war er noch bereit den Ostfürsten herauszufordern, auch wenn es fraglich ist, ob er sich noch lange auf den Beinen halten kann. Der kleine Hanyou hat wirklich ganze Arbeit geleistet. Wer hätte das von ihm erwartet? Zumindest steht fest, dass Sesshomaru wesentlich mehr Ehre im kleinen Finger besitzt als Arashitsume in seiner gesamten, jämmerlichen Existenz. Sie mag den Fürsten des Westens zwar nicht sonderlich, aber das rechnet sie ihm hoch an. Gerade beobachtet auch er wie gebannt das Geschehen das sich unter ihnen abspielt. Während die beiden Kontrahenten kämpfen, haben sich die Ostyoukai teilweise ebenfalls auf den Felsenkamm geflüchtet. Die meisten von ihnen wirken verunsichert, besorgt oder verärgert, doch keiner von ihnen gereift ein. Entweder hat Arashitsume tatsächlich keinerlei loyale Diener oder diese haben beschlossen sich lieber aus diesem heftigen Kampf herauszuhalten. Im Grunde ist das eine weise Entscheidung, denn der Kampf der beiden riesigen Youkai wird immer verbissener. Gerade hat Arashitsume einen Hinterfuß von Yaeba zu fassen bekommen und nun schleudert er den mächtigen Hund erbarmungslos gegen die Vorderfront des Palastes, welche unter dessen Körpermasse sofort niedergewalzt wird. Rasch rappelt sich Yaeba aus den Trümmern empor. Seine Verletzung ignoriert er vollkommen. Doch schon wirft sich Arashitsume erneut auf ihn und mit aller Wucht seines riesigen Körpers stößt er ihn erneut von sich, dass er ein beträchtliches Stück weiter in den Palast hineinstürzt. Unter Krachen reißt der Dämonenhund erneut einen großen Teil der Gebäude nieder. Doch kaum ist der Ostfürst wieder bei ihm, packt er blitzschnell zu und gräbt seine Fänge in die Flanke des Daiyoukais. Arashitsume jault kurz auf, doch schon schnappen seine Kiefer nach Yaebas Kehle und der Krieger lässt los um sich in Sicherheit zu bringen. Mit gestrecktem Schwanz, gebleckten Lefzen und beängstigendem Knurren belauern sich die beiden Hunde. Die kleinste Bewegung kann eine neue Attacke auslösen. In diesem Moment spannen sich die Muskeln an Yaebas Nacken und im selben Augenblick katapultiert sich Arashitsume mit einem wütenden Kläffen nach vorne um ihn anzufallen. Im letzten Moment wendet Yaeba seinen Körper ein Stück zur Seite und die mächtigen Kiefer gehen ins Leere. Der ehemalige Streuner seinerseits, bekommt diesmal eine Schulter zu fassen und packt mit aller Kraft seiner Kiefer zu. Ein wildes Schütteln von Arashitsume wirft ihn jedoch zu Boden und schon schließt sich die Schnauze des Ostfürsten um seinen Vorderlauf. Yaebas Körper reagiert wie von selbst, als er sich herumwälzt und erneut die Flanke des Daiyoukais erwischt. Blut fließt ihm über die Schnauze. Doch der Daiyoukai reagiert ebenfalls reflexartig, als er sich losreißt und seine Zähne in Yaebas Nacken vergräbt. Ein dunkler Strom Blut tropft ihm aus dem Maul und das Knurren in seiner Kehle könnte einem Angst und Bange werden lassen. Doch auch Yaeba gibt sich nicht geschlagen und rasch hat er sich den todbringenden Kiefern entwunden nur um seinerseits wieder zuzuschnappen. Wie ein chaotisches, grausiges, blutverschmiertes Knäuel wälzen sich die beiden riesigen Hunde im Kampf auf Leben und Tod über und durch alles was ihnen im Weg ist. In diesem Fall ist es der Ostpalast. Die beiden scheinen das in ihrem Kampfrausch nicht einmal zu bemerken. Alles was ihre Vorfahren im Laufe der Zeit mit viel Mühe und Liebe zur Perfektion aufgebaut und künstlerisch erschaffen haben, wird in diesem vernichtenden Todeskampf innerhalb von Sekunden niedergerissen. Kagome klammert sich ängstlich in Inu Yashas zerrissenes Gewand und wendet den Blick ab. Sie zittert leicht am ganzen Körper. Ihr Herz klopft unliebsam schnell. Dieser Kampf macht ihr Angst. Zum ersten Mal wird sie mit der wahren Wut und Gewalt mächtiger Youkai konfrontiert, ohne dass ihr Freund ihr zur Seite steht. Zwar hat sie noch ihre anderen Freunde und die sind sicher nicht wehrlos, aber was sollen sie schon gegen solch eine Naturgewalt ausrichten können? Nein, sie gehören wirklich nicht hierher. Besorgt sieht sie sich um. Dort drüben steht noch immer Sesshomaru und verfolgt den Kampf sehr aufmerksam. Seine Augen sind unverwandt auf die beiden Kontrahenten gerichtet und sein Gesicht ist eine steinerne Maske. Nur gelegentlich ist ein leichtes Zucken um seine Oberlippe zu erkennen. Es steht außer Frage, dass er erheblich Anteil an dem Kampf nimmt. Sie wendet sich wieder ab. Ihr Herz pocht noch immer zum Zerspringen. Sie vergräbt ihr Gesicht an Inu Yashas Schulter. Der Hanyou ist noch immer besinnungslos und auch das macht ihr Sorge. Sie hat die ganze Nacht nicht geschlafen und diese Kette schrecklicher Ereignisse will einfach nicht abreißen. Ängstlich und erschöpft laufen ihr die Tränen über das Gesicht. Wird Yaeba es schaffen, Arashitsume zu besiegen, und was wird geschehen, wenn er es nicht schafft? Wird er dann als nächstes uns angreifen? Inu Yasha, bitte wach auf! Ich brauche dich! Ein erneutes, wildes Kläffen lässt sie hochschrecken. Arashitsume und Yaeba führen einen weiteren Angriff gegeneinander aus. Beide atmen schwer und beide haben bereits erhebliche Bisswunden einstecken müssen. Bedrohlich umtänzeln sie sich, ungeachtet ihrer Verletzungen. Roter Speichel läuft Arashitsume aus dem Mund. Mit grell violetten Augen funkelt er Yaeba bitterböse an. Ihm fallen gar nicht genug Beschimpfungen ein, die den Krieger, seiner Ansicht nach, ausreichend bezeichnen würden. Dieser elende Bastard! Warum, zum Teufel, musste er ihn herausfordern und alles zunichte machen, was er all die Jahre über aufgebaut hat? Nicht genug, dass er ihn hier vor all seinen Leuten lächerlich macht, vermutlich hat er auch Tenmaru den lästigen Floh ins Ohr gesetzt, er müsse sich für seinen Vater opfern, wenn er ihn irgendwie beeindrucken will. Er hat alles zerstört! Seinen Plan, seine Würde, den Palast seiner Vorfahren und nun will er ihm auch noch die Macht nehmen. Das wird der verdammte Dreckskerl büßen! Doch das ist leichter gedacht als getan. Er ist bedauerlicherweise besser als angenommen. Eigentlich kein Wunder, wenn man bedenkt, wozu seine Mutter geschaffen wurde. In diesem Fall ist das jedoch ausgesprochen lästig. Er darf einfach nicht riskieren, dass der ehemalige Streuner vielleicht doch noch die Oberhand gewinnt. Und er wäre kein Nachfahre von Warugashikomaru, wenn er nicht einen Weg fände, seine Chancen zu verbessern! Seine Gedanken arbeiten fieberhaft, während er sich auf Yaebas nächsten Angriff vorbereitet. Was kann er tun? Welche Möglichkeiten bleiben ihm noch? Da plötzlich kommt ihm eine Idee. Langsam und wachsam beginnt er Yaeba zu umkreisen, um dabei so unauffällig wie möglich, einen Blick in die Runde zu werfen. Dort auf dem Felswall stehen sie alle und harren seiner baldigen Niederlage. Er wird es ihnen zeigen! So leicht ist ihm noch lange nicht beizukommen und er hat auch schon den perfekten Plan bei der Hand, um sie eines Besseren zu belehren. Er hat noch immer ein paar Trümpfe in der Hinterhand, und sein jetziger Trumpf heißt Chihime. Die Schwarze Miko liegt noch immer ein Stückchen hinter den anderen regungslos am Boden. So wie es aussieht, hat sie sich in ihrem letzten Kampf wohl etwas übernommen. Dass dieser kleine Hanyoubastard so verdammt zäh ist, konnte ja wirklich keiner ahnen. Jedenfalls scheint sie sich mehr verausgabt zu haben, als gut für sie ist. Aber dem kann ja abgeholfen werden. Während er knurrend seinen Gegner beäugt und belauert, macht sich seine jahrhundertelange Erfahrung bezahlt und sein Geist suchen die Gedanken einer bestimmten Person; dass er sich in seiner wahren Gestalt befindet, erleichtert die Sache nur. „Sokudo!“ Der Ostkrieger hat bis eben noch angespannt, aber seinen Bewachern gegenüber fügsam, den Kampf seines Herren verfolgt. Umso erstaunter ist er jetzt, dass er von diesem in seinem Kopf angesprochen wird. „Mein Fürst?“, meldet er sich per Gedankenaustausch. „Ich habe eine Aufgabe für dich.“ Enthusiastisch strafft sich Sokudo: „Natürlich, mein Fürst, was immer Ihr von mir verlangt.“ „Anders hätte ich es auch nicht von dir erwartet“, eine leichte Ironie schwingt in den mentalen Worten mit, „Ich habe die Absicht, die Kräfte der Schwarzen Miko für meine Zwecke einzusetzen, doch momentan ist sie noch geschwächt und gebannt durch den Kampf mit dem Hanyou.“ Unauffällig schielt Sokudo hinüber zu der entstellten Miko die dort am Boden liegt. Ein wenig zögernd antwortet er: „Ihr wollt erneut ihre Hilfe erbitten. Werden die anderen Fürsten das nicht als Beweis Eurer Schuld ansehen?“ „Es ist nicht deine Aufgabe, dir darüber den Kopf zu zerbrechen!“, ärgerlich klingen die Worte in seinem Kopf. „Verzeiht, mein Fürst, ich bin doch nur um Euer Wohlergehen besorgt“, beteuert Sokudo hastig, „Auch wenn die meisten Euer Krieger, Euch abgeschworen habe so bin ich doch immer noch Euer treuer Diener!“ „Das wollte ich hören!“, ein leichtes Lächeln klingt in den Worten mit, „Ich kann dich beruhigen, die anderen Fürsten werden nicht einmal mitbekommen, dass sie auf meinen Wunsch hin in den Kampf eingreift. Was kann denn ich dafür, wenn sie urplötzlich wieder zu Kräften kommt und beschließt, sich einzumischen.“ „Und wie könnt Ihr so sicher sein, dass sie auch wirklich Yaeba attackiert und nicht Euch?“ „Stell nicht so viele Fragen!“, kommt die unfreundliche Antwort, „Chihime ist ein gieriges Weib durch und durch. Bisher hat sie noch jede meiner Bitten erfüllt, weil ich sie jedes Mal mit meinem Blut bezahlt habe. Sie kann gar nicht anders“, wieder schwingt ein boshaftes Lächeln in den Worten mit, „Und aus diesem Grund wird sie mir auch diesmal gefällig sein, du wirst schon sehen. Obwohl, vermutlich eher nicht!“ Ein wenig alarmiert hebt Sokudo den Kopf: „Was meint Ihr damit, mein Fürst?“ „Nun ja, ich brauche dich, um dieses Weib wieder gangbar zu machen.“ „Und wie soll ich das machen, mein Fürst?“, kommt die unsichere Rückfrage. „Na, wie wohl?“, kommt es verächtlich zurück, „Nichts bringt diese Miko so schnell wieder auf die Beine wie Blut. Damit sollte wohl klar sein, was deine Aufgabe ist.“ Sokudos Augen weiten sich erschrocken: „Ihr meint, ich soll ihr etwas von meinem Blut geben?“ „Nein!“, kommt es hart zurück, „Ich denke nicht, dass 'etwas' reichen wird. Du wirst die Ehre haben, dich für deinen geliebten Fürst opfern zu dürfen.“ Der Ostkrieger erstarrt. „Aber Arashitsume-sama... Kann... ich Euch nicht anders zu Diensten sein?“ Nun wird die Stimme in seinem Kopf laut und schneidend: „Es ist absolut inakzeptabel, dass mir andauernd widersprochen wird! Ich verlange von dir, dass du dich unbemerkt zu der Miko rüberschleichst und ihr solange dein Blut eintrichterst, bis sie wieder hergestellt ist. Auf der Stelle! Das ist ein Befehl!“ Ein unwillkürlicher Ruck geht durch Sokudos Körper und er weiß augenblicklich, dass hier der Herrscherbann in seiner vollen Stärke greift. Und er weiß, er kann nicht das Geringste dagegen tun. Schon setzt sich sein Körper wie von alleine in Bewegung. Er muss noch nicht einmal sehr darauf achten, dass er nicht bemerkt wird, denn in genau diesem Moment stößt sich Yaeba mit einem wilden Knurren von der Stelle, die beiden Dämonenhunde fallen wieder übereinander her und sämtliche Anwesende haben weit Besseres zu tun als auf den Ostkrieger zu achten, der sich allmählich hinüber zu der Schwarzen Miko bewegt. Unbemerkt kniet er nun neben ihr nieder, doch die bereitwillige Ergebenheit, seinem Fürsten gegenüber, sucht man nun vergeblich in seinem Gesicht. Sokudos Gesicht ist bleich und als sein Arm mit dem entblößten Handgelenk sich, völlig seiner Kontrolle entglitten, den Lippen des verzerrten Frauengesichts nähert, zittern seine Finger unwillkürlich. Und zum ersten Mal in seinem Leben überkommt Sokudo der brennende Wunsch, gegen sein Schicksal ankämpfen zu wollen. Zuvor hätte er jeder Zeit gerne bereitwillig sein Leben geopfert, um seinem Fürsten gefällig zu ein, doch jetzt, hier, auf diese Art, da wird ihm plötzlich bewusst, dass er nicht sterben will. Nicht so! Nicht dafür! Und nun versteht er was der Fürst des Westens mit seinen Worten vorhin sagen wollte. Der Fürst des Ostens sollte seine Würde selbst verteidigen können, aus welchem Grund sollte er sonst noch Respekt genießen dürfen? Gehorsam vielleicht, aber Respekt? Er hatte in seinem Herrn stets ein Vorbild gesehen, eine Verkörperung des Erbe des Ostens. Doch nun wirkt er lediglich noch wie ein Zerrbild desselben. Ihm wird klar, dass sein Herr jegliche Prinzipien seines Standes heute verraten hat. Kein Fürst sollte es nötig haben, eine Miko für ihn die Drecksarbeit machen zu lassen. Sein Opfer sollte gar nicht nötig sein. Das hier ist falsch und diese Erkenntnis lässt ihn heftig schlucken. Doch er kann sich gegen den Befehl nicht wehren, obgleich er es versucht und im selben Augenblick da der sengende Schmerz durch seine Glieder zuckt und seine versuchte Befehlsverweigerung damit quittiert, versteht er erst, was es Yaeba gekostet hat, dorthin zu kommen, wo er gerade ist. Und er weiß, dass er nicht diese Kraft hat, und niemals haben wird. Bei allen Göttern, wie viel Willensstärke muss nötig sein, um diese Schmerzen für längere Zeit zu ertragen? Und das alles nur, um den Fürsten des Ostens um seinen Thron herausfordern zu können, zum Wohle des Ostclans? Sokudos Magen krampft sich zusammen. Verzweifelt kneift er die Augen zu. Yaeba, versuch nicht zu sterben! Mit diesen Gedanken senkt er sein Handgelenk über den Mund der Miko herab und mit den scharfen Klauen seiner anderen Hand sticht er durch die Haut und gibt den roten Lebenssaft preis, der nun der gefallenen Priesterin über das Gesicht läuft. Nur wenige Sekunden vergehen und das unheimliche, rotglühende Leuchten kehrt in ihre Augen zurück. Sokudo wendet den Blick ab. Einmal noch schaut er schweigend hinüber zu dem Kampf. Yaeba, siege! Das denkt er noch und dann packen zwei knochige Hände seine Schultern und reißen ihn gnadenlos hinab zu einem Mund mit nadelspitzen Zähnen die sich gierig und ohne jegliche Rücksicht in seine Halsschlagader graben. Und dann hört das dumpfe Pochen des verbliebenen Schmerzes in seinem Körper für immer auf. Von all dem haben die Umstehenden nichts mitbekommen. Gerade wurde Yaeba von Arashitsume heftig gegen den Felskamm geschleudert und die Zaungäste bemühen sich den umherfliegenden Felssplittern auszuweichen. Obwohl der kräftige Dämonenhund bereits aus unzähligen Wunden blutet, hat er noch fast nichts von seiner Geschwindigkeit eingebüßt. Doch nach dem jüngsten Aufpraller kommen seine Bewegung nun doch ins Schlingern. In das grimmige Knurren aus seiner Kehle mischt sich nun immer mehr ein zischendes Schnaufen. Doch auch Arashitsume scheint außer Atem zu sein. Er blutet ebenfalls aus vielen Wunden und er hechelt vor Anstrengung. Außerdem hinkt er ein wenig an seinem Vorderlauf. Doch keiner der beiden Kämpfer lässt erkennen, dass er bereit ist aufzugeben. Das tiefe Grollen in Yaebas Kehle schwillt an und dann stürzt er erneut auf Arashitsume los. Der Daiyoukai empfängt ihn mit gleich beharrlicher Wucht. Heftig prallen die Körper aufeinander und diesmal, nach einer wilden Rollbewegung Yaebas, bekommt dieser Arashitsumes Kehle zu fassen. Ein triumphierendes und tödliches Grinsen zieht auf das Gesicht des Youkais. Augenblicklich wird Arashitsumes Körper mit Adrenalin geflutet. Das ist nicht gut! Das ist gar nicht gut! In einem einzigen, panischen Stoß seiner Hinterläufe schleudert er den kleineren Hund von sich, sodass er einmal quer über die kläglichen Überreste der Palastgebäude gekegelt wird und für einen Moment ächzend in den Trümmern liegen bleibt. Arashitsume keucht. Das war wirklich im allerletzten Moment. Nur einen Sekundenbruchteil länger und sein Gegner hätte den richtigen Ansatz für den Todesbiss erreicht gehabt. Noch immer spürt er den schmerzhaften Druck auf seiner Kehle und aus der Wunde die Yaebas Zähne gerissen haben, tropft unablässig Blut zur Erde. Arashitsumes Atem geht in ein Röcheln über. „Verdammter Bastard!“, ertönt das schaurige Grollen seiner entstellten Stimme. Er muss ihn schlimmer erwischt haben, als angenommen. Das Atmen fällt ihm schwerer und der Blick den er seinem Herausforderer zuwirft ist mörderisch. Mühsam stemmt sich der schwerverletzte Krieger aus den Trümmern hoch. Finster funkelt er den Daiyoukai an. „Deine Herrschaft geht heute zu Ende!“, kommt die grausig klingende Erwiderung. Dann schnellt er einmal mehr nach vorne, um seinem Gegner endgültig den Rest zu geben. Doch in genau diesem Moment ist noch eine weitere Bewegung wahrzunehmen. Eine Aura flammt auf und im selben Moment huscht ein dunkler Schatten direkt an Miroku, Kagome und den anderen vorbei. Inu Yashas Freunde können gar nicht schnell genug erfassen, was da gerade passiert, da ist die flinke Gestalt auch schon an ihnen vorbeigelaufen und setzt von der Kante es Felswalls zum Sprung an. Ein schriller Schrei ertönt, angefüllt mit Wut und grenzenloser Verachtung und augenblicklich wenden sich sämtliche Augen der Gestalt zu, die im Begriff ist, sich mit in den Kampf zu stürzen. Sangos Augen weiten sich. „Das ist Chihime! Aber wie ist das möglich? Sie sollte gebannt sein.“ „Und sie sollte nicht so unglaublich hübsch aussehen“, fügt Miroku mit ernstem Gesicht hinzu. Doch unmittelbar darauf poltert Sango ärgerlich los: „Unterstehe dich, dieses Weib hübsch zu finden! Sie ist uns entkommen, mach dir lieber darüber Gedanken!“ Aber noch während die Dämonenjägerin ihrem Ärger Luft macht, ist ihr auch schon klar, dass es zu spät ist. Die Schwarze Miko, die auf mysteriöse Weise ihre Bannfesseln abgestreift und zudem noch ihr jugendliches Aussehen samt Haare zurückerlangt hat, ist unaufhaltsam im Begriff, sich in den Kampf der beiden Hunde einzumischen. Schon ist die gefallene Priesterin mit einem geschmeidigen Satz von der Anhöhe heruntergesprungen, ihre weißen Haare wehen wie ein fahler Nebelstreif hinter ihr her. Ihre Augen glühen boshaft und unter ihren vollen, blutroten Lippen zeichnen sich scharfe Eckzähne ab. Mit fast schon schwereloser Anmut fliegen ihre Schritte auf die beiden Kämpfer zu. Yaeba sieht sie kommen und unwillkürlich bremst er den Angriff ein wenig ab. Sein Instinkt sagt ihm, dass Vorsicht geboten ist. Auch Arashitsume hat sie bemerkt und er unterdrückt gerade noch das Bedürfnis, seiner mächtigen Hundeschnauze ein triumphierendes Lächeln aufzusetzen. Da ist sie ja! Seine kleine, treue Dienerin. Nun wird Yaeba gleich sein blaues Wunder erleben. Nur noch einen kurzen Moment und der Youkai wird endgültig Geschichte sein. Und sobald das passiert ist und diese dumme Geschichte hier erledigt ist, wird er auf der Stelle die beiden Gedenksteine dieser beiden Abkömmlinge des ersten Ostfürsten von der Gedenkstelle entfernen. Damit ein für alle mal klar ist, wer hier das Sagen hat. Doch in genau diesem Augenblick schlägt die Schwarze Miko einen blitzschnellen Haken und steuert nun mit direkt auf Arashitsume zu. Alle Umstehenden beobachten diese Wendung während kollektiv der Atem angehalten wird. Arashitsumes Augen weiten sich. Wie erstarrt blickt er der Frau entgegen die mit hasserfülltem Gesicht auf ihn zusprintet, mit geschickten Handbewegungen zwei Haarstäbchen zieht, einige sonderbare Wörter murmelt und sich dann, die urplötzlich schimmernden Haarstäbchen voran, mit einem wilden Wutschrei auf den Ostfürsten stürzt. Kapitel 57: Späte Einsicht -------------------------- In Chihime brodelt der Zorn. Viel zu lange musste sie in dieser unwürdigen Position und Verfassung ausharren. Nicht genug, dass dieser jämmerliche, kleine Hanyou sie seit langem mal wieder in ernsthafte Bedrängnis gebracht hat, sie, die es sogar erfolgreich mit Daiyoukai aufnimmt, nein, sie war nur für einen winzigen Moment unachtsam und schon, schickt ihr dieses Mädchen auch noch ihren Bann zurück. Sie hat wirklich Glück gehabt, dass dieser Bann nur für Menschen gedacht war. Hätte sie nicht diesen Dämon in sich, hätte sie diesen Konter vermutlich nicht überlebt. So aber wurde sie nur, geschwächt wie sie war, zur Regungslosigkeit verdammt. Bewegungsunfähig musste sie es sich gefallen lassen, wie ein Gepäckstück herumgeschleppt zu werden, alles mitzubekommen, aber nicht reagieren zu können. Das Schlimmste aber war der nagende, fast sengende Aufruhr in ihrem Herzen. Immer wieder hört sie die Worte dieses Mädchens in ihrem Kopf, darüber was eine wahre Miko ausmacht, und diese Worte brennen in ihr wie schwelendes Feuer. Sie hat doch keine Ahnung! Sie wirft ihr Hass, Verachtung und die Sucht nach Rache vor. Was weiß sie schon von dem Schmerz verraten zu werden? Wenn einem die Liebe aus dem Herzen gerissen wird, wenn alles Licht in einem mit Dunkelheit überschattet wird, wenn alles, an das man geglaubt hat, verraten wird, wie sollte man dann nicht Rache suchen? Sie behauptet, dadurch würde man zu dem was man am meisten hasst. Kann das wahr sein? Diese Frage stellt sie sich schon die ganze Zeit. Mit Schrecken erinnert sie sich an den Augenblick zurück, als die Worte des Mädchens für einen kurzen Moment Zugang zu ihrer Seele fanden und sie es wagte, in die ihre zu blicken. Das klare Licht der Aufrichtigkeit, das ihr von dort entgegenstrahlte, hätte sie fast geblendet. Kann sie es wirklich ehrlich gemeint haben? Ist es noch nicht zu spät für sie, wenn sie jetzt das Richtige tut und ihnen im Kampf gegen Arashitsume beisteht? Nein, das ist unmöglich. Im Licht dieser wahren Miko kam sie sich klein, verdorben und schmutzig vor. Sie kann längst nicht mehr zurück. Sie hat zu viele schlimme Dinge getan. Ihr bleibt nichts anderes als Rache und Vergeltung und sie verdient keine Gnade. Und das Einzige, was ihr noch zu tun übrig bleibt, ist diesen elenden Daiyoukai, der ihr das alles eingebrockt hat, mit sich in die Hölle zu nehmen! Fast schon hatte sie nicht mehr mit ihrer Chance gerechnet. Doch dann ist dieser Ostyoukai aufgetaucht. Mit Sicherheit war es nicht seine Idee, sie wieder zu Kräften kommen zu lassen, das konnte man deutlich in seinem Gesicht lesen. Das kann eigentlich nur eines bedeuten: Der Fürst des Ostens selbst hat ihm den Befehl dazu gegeben. Und nach dem was sie über den Herrscherbann mitgehört hat, hatte der Krieger gar keine andere Wahl. Dieser Riesenfeigling! Der Kampf muss ungünstiger für ihn laufen als erwartet, warum sollte er sonst schon wieder versuchen, sie um Hilfe zu bitten. Dieser dämliche Narr! Rechnet er allen Ernstes damit, dass sie ihm jetzt noch zur Seite steht? Jetzt noch, nach all dem was sie nur seinetwegen erdulden musste? Das glaubt er doch wohl selbst nicht. Ganz gleich wie köstlich sein Blut auch sein mag. Diesmal wird sie ihm nicht helfen. Diesmal nicht! Im Gegenteil, sie wird all die schöne Energie, die er ihr so freundlich hat zukommen lassen, und die ihr die Kraft zurückgegeben hat, sich zu befreien, dafür nutzen, endgültig kurzen Prozess mit ihm zu machen, koste es was es wolle. All ihre Energien hat sie gebündelt und jetzt hat endgültig sein letztes Stündlein geschlagen! So schnell sie ihre Füße tragen, eilt sie auf die beiden Kämpfer zu, nur um unmittelbar vor ihnen ruckartig die Richtung zu wechseln und direkt auf den Ostfürsten zuzusteuern. Seine Augen weiten sich und er starrt ihr entgegen. Mit flammenden Blick und einem heiseren Schrei aus ihrer Kehle stürzt sie sich auf ihn. Gleich wird sie die beiden geweihten Haarstäbchen in seinen Körper rammen und ihn läutern und wenn es das Letzte ist, was sie tut! Doch unmittelbar bevor ihre Hände niedergehen können, ertönt auf einmal eine schmerzhaft laute Stimme in ihrem Kopf: „Keinen Schritt weiter!“ Und zu ihrer eigenen grenzenlosen Verwunderung, geht ein leichter Ruck durch ihren Körper und sie ist nicht länger in der Lage sich auch nur zu bewegen. „Was bei allen Göttern...!“, zischt sie leise, doch nun sieht sie die hämischen, violettleuchtenden Augen des Ostfürsten und ihr kommt eine ungute Ahnung. Was hat das zu bedeuten?, schießt der Gedanke durch ihren Kopf, doch wie als Antwort ertönen erneut diese beunruhigenden Worte in ihrem Verstand: „Dachtest du wirklich, ich wäre so dämlich, dir von meinem Blut zu geben, wenn ich nicht noch eine Art Rückversicherung hätte?“ Und nun erkennt sie die Stimme, es ist die des Ostfürsten. Schon will sie zum lautstarken Protest ansetzen, doch dieser schneidet ihr das Wort ab: „Sei still!“ Sie verstummt unwillkürlich und das verblüfft sie erneut. „Was hast du Bestie mit mir gemacht!“, schreit sie ihm in Gedanken wütend entgegen. „Du brauchst dich gar nicht so wundern“, kommt die boshafte Antwort, „Das Blut eines Daiyoukais ist mächtig und noch viel mächtiger, wenn es einem Ostfürsten gehört. Der Dämon in dir trägt mein Blut in sich, und damit auch du. Und du hast dich mir bereits mehrmals untergeordnet und meine Befehlsgewalt damit bestätigt. Du gehörst zu meinen Untergebenen, ob du es willst oder nicht und deshalb musst du mir auch genau so gehorchen wie sie alle.“ „Ich habe mich dir niemals untergeordnet“, erwidert Chihime erzürnt. „Du hast getan worum ich dich bat, das genügt bereits.“ „Du hast mich dafür bezahlt!“, schnaubt sie zurück. „Und jetzt weißt du ja auch warum!“, kommt die gehässige Antwort, „Ich wusste doch, dass du mir irgendwann noch mal in den Rücken fallen würdest. Meinst du wirklich, ich hätte das nicht kommen sehen? Dachtest du, ich wüsste nicht, dass du jede Gelegenheit nutzen würdest, um mir zu schaden? Ich bin nicht so töricht, mich von einer dahergelaufenen Miko läutern zu lassen.“ „Wenn du angeblich schon alles so genau wusstest“, fragt sie hitzig zurück, „Warum hast du dann deinem kleinen Diener befohlen mich mit seinem Blut zu füttern? Du dachtest wohl, ich würde dir beistehen und diesen dreckigen Köter für dich läutern, nicht wahr? Aber ich bin längst nicht so dumm wie du denkst, und du längst nicht so schlau! Ich habe die kleine Unterhaltung sehr genau verfolgt. Du kannst mich nicht gegen ihn einsetzen, selbst mit deinem Herrscherbann nicht. Bei einem Kampf um den Thron müssen sich die Diener raushalten“, sie grinst genüsslich, „Diesmal wirst du selbst kämpfen müssen!“ Doch nun ertönt ein tiefes Grollen in Arashitsumes Kehle und er richtet sich vor ihr zu seiner vollen Größe auf: „Genau das habe ich auch vor!“ Chihimes Gesichtszüge entgleisen: „Was soll das heißen?“ Und nun fletscht der gewaltige Dämonenhund beängstigend die Zähne: „Wer redet denn davon, dass ich deine Hilfe will? Deine Energie reicht mir völlig!“ Und mit diesen Worten, noch ehe Chihime auch nur reagieren kann, schnappt der riesige Daiyoukai zu, seine mächtigen Kiefer schließen sich um die Schwarze Miko und nur wenige Augenblicke später hat er sie verschlungen. Ein empörter Aufschrei geht durch die Reihen der Zuschauer, doch es ändert nichts an den Tatsachen. Ungläubig beobachten die Umstehenden wie sich nun ein beunruhigendes Leuchten über Arashitsumes Körper ausbreitet und ihn schließlich vollkommen einhüllt. Und nun erkennt man deutlich die Veränderung die in seinem Körper vonstatten geht. Die Muskeln an seinen Gliedmaßen schwellen beträchtlich an und die gesamte Erscheinung wächst unaufhaltsam immer weiter, während sich das silberweiße Fell des Daiyoukais nun immer mehr in ein blutiges Rot verwandelt. Yarinuyuki fletscht wütend die Zähne: „Dieser Bastard! Er kämpft nicht ehrenhaft! Das ist eines Daiyoukais unwürdig!“ Doch sie kann wenig daran ändern, nur ihr Körper zittert vor Anteilnahme. Sesshomaru im Gegensatz dazu, verhält sich ungewöhnlich ruhig, jedoch lässt er den Ostfürsten keine Sekunde aus den Augen. Auch seine beiden Untergebenen bleiben wachsam. Mit dieser Wendung hat niemand gerechnet. Wie tief ist der Ostfürst noch bereit zu sinken, um seiner gerechten Strafe zu entgehen, denn dass er schuldig ist, steht außer Frage, obwohl es ihm bisher noch nicht offiziell nachgewiesen werden konnte. Versucht er sich nun dadurch seinem Prozess zu entziehen, oder ist das Ganze wirklich nur ein großer Zufall? Diese Frage stellen sich Kagome und ihre Freunde gerade nicht. Mit fassungslosen Mienen haben sie beobachtet wie der Ostfürst gerade ihre Zeugin verschlungen hat und sie können es noch gar nicht richtig glauben, ebenso wenig wie die Veränderung die nun mit ihm vorgeht. Sein Körper ist noch immer in dieses schaurige Leuchten gehüllt und er hat nun gut und gerne eine Höhe von über zwanzig Schritt; fast doppelt so groß wie bisher. Sein Fell ist dunkelrot, seine Reißzähne haben sich beunruhigend verlängert und aus seinem Rücken quellen nun, wie Fruchtfleisch aus einer zerquetschten Kirsche, zwei mächtige, schwarze, hautbespannte Schwingen hervor. „Mein Gott!“, haucht Kagome und unwillkürlich krallen sich ihre zitternden Finger dabei in Inu Yashas Oberarm. Die riesige Gestalt ist einfach zu grotesk. Was wird dieses Monster als nächstes tun? Plötzlich vernimmt sie eine schwache Stimme unter sich: „Kagome... das tut weh!“ Als hätte sie etwas gestochen, zuckt das Mädchen zusammen. Doch dann hellt sich ihr Gesicht erleichtert auf. „Inu Yasha!“, strahlt sie mit feuchten Augen, „Du bist wieder wach!“ „Irgendwie ja...“, nuschelt der verletzte Hanyou und versucht sich hustend aufzurichten. Kagome hilft ihm dabei sich hinzusetzen. „Inu Yasha, ist alles in Ordnung mit dir?“, fragt nun auch Sango besorgt, „Bist du sehr verletzt?“ „Das ist doch wohl jetzt nebensächlich“, brummt der Hanyou schwach, „Sagt mir lieber was das da ist!“ Er zeigt auf den Ostfürsten, dessen Gestalt nun eher wie eine Mischung aus Werwolf und Monsterfledermaus aussieht. „Er hat die Schwarze Miko gefressen!“, schreit Shippo hysterisch. „Und nun hat er ihre Kräfte in sich aufgenommen, um sie mit seinen zu verschmelzen“, ergänzt Miroku, „Dabei ist dann das herausgekommen.“ „Dieser Drecksack!“, quetscht Inu Yasha finster hervor, „Ich wette, das hat er von Anfang an geplant.“ Seine Hand geht unwillkürlich an seinen Gürtel, doch sie greift ins Leere. Für einen Augenblick hält er wie erstarrt inne, er scheint angestrengt zu grübeln. Dann murmelt er: „Verdammt!“ Doch Kagome hat seine Gedanken erraten. „Du hast genug gekämpft. Jetzt sind erst mal die anderen dran. Du bist verletzt, du musst dich erst mal erholen.“ Doch Inu Yasha wehrt ab: „Wo ist Tessaiga?“ Kagome verzieht das Gesicht und seufzt leicht. Schweren Herzens greift sie hinter sich und präsentiert ihm dann sein Schwert. „Wir haben Tessaiga vor dem Palast gefunden. Ich dachte, du willst es bestimmt wieder haben...“, die Stimme versagt ihr im Gedanken an den grausigen Kampf zwischen den beiden Brüdern den sie miterlebt hat. Doch noch ehe Inu Yasha etwas erwidern kann, ist ein markzerreißender, schriller Schrei zu hören und schon im nächsten Moment hat sich der monströse Ostfürst wieder Yaeba zugewandt und geht erneut auf den Inu-Youkai los. Doch dieser zeigt sich von der Wendung der Sache erstaunlich unbeeindruckt. Man merkt ihm nicht die leiseste Unsicherheit an, als er sich mit gefletschten Reißzähnen und einem tödlichen Knurren in der Kehle dem riesigen Ungeheuer entgegenstellt und sich im nächsten Augenblick ebenfalls in den Kampf stürzt. Schon will er seinen Gegner anspringen, als dieser erneut einen schrillen Schrei ausstößt. Die Druckwelle dieses schmerzhaften Geräusches lässt Yaeba straucheln und bereits im nächsten Moment ist der Daiyoukai bei ihm und verpasst ihm einen heftigen Schlag mit seinen scharfen Klauen, wodurch er einmal quer über den Platz gekegelt wird und schmerzhaft in eines der wenigen noch stehenden Gebäude kracht. Sofort ist Arashitsume hinterher, um ihm den Rest zu geben, doch benommen rappelt sich Yaeba wieder auf und mit leicht schwankenden Bewegungen stürmt er erneut auf den Ostfürst zu. Wieder versucht die Schallwelle dieses unnatürlichen Schreis ihn zu Boden zu zwingen, doch diesmal weicht er geschickt aus und nur Augenblicke später rammt er seine Zähne in die ungeschützte Flanke des Fürsten und verbeißt sich dort. Doch diesmal beeindruckt das die monströse Gestalt nicht sonderlich. Mit einem wilden Schrei, der einfach nur falsch klingt, wirft sich Arashitsume herum und versucht den Youkai abzuschütteln, doch Yaeba hält verbissen fest. Allerdings nur wenige Sekunden denn nun saust einer der grotesken Schwingen hernieder, fegt den Krieger unbarmherzig von sich und schleudert ihn gnadenlos gegen eine nahe Felswand wo sein Körper mit einem scheußlichen, trockenen Knacken aufschlägt und dann schlaff zu Boden gleitet. Reglos bleibt der ehemalige Streuner liegen, nur seine Brust hebt und senkt sich noch heftig. Ein paar mal versucht der alte Krieger sich hochzustemmen, doch seine Beine versagen den Dienst. Ihm bleibt nichts anderes als seinen Feind grimmig anzuknurren. Nun richtet sich Arashitsume zu seiner ganzen, scheußlichen Größe auf und ein schrilles Zischen, das einem Lachen nahe kommt, entfährt ihm. „Armselig!“, meint er verächtlich, „Glaubst du wirklich, du wärst mir gewachsen? Jetzt noch? Du wirst gleich sehen, wie furchtbar du dich geirrt hast! Du hättest dich niemals mit mir anlegen dürfen.“ Mit diesen Worten setzt er sich in Bewegung und schreitet genüsslich auf den am Boden liegenden Yaeba zu, um es zu beenden. Doch plötzlich nimmt er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr, begleitet von einem besorgten Ruf und im selben Moment schiebt sich eine kleine, rotgekleidete Gestalt mit schwerfälligen Bewegungen und erhobenem Schwert zwischen ihn und sein Opfer. Schwer keuchend funkelt Inu Yasha den Ostfürsten an. Ihm ist schwindelig und alles tut ihm weh. Die Finger um Tessaigas Griff zittern leicht vor Anstrengung und der Schweiß läuft ihm ins Gesicht. Er weiß selbst nicht genau was ihn gerade bewogen hat einfach aufzuspringen, Tessaiga aus Kagomes Fingern zu reißen und den alten Streuner verteidigen zu wollen. Vielleicht war es ein Reflex, vielleicht war er auch noch zu benommen durch den anstrengenden Kampf mit seinem Bruder, um klar denken zu können, vielleicht war es die Abscheu gegen die neue, abartige Gestalt des skrupellosen Ostfürstens und vielleicht war es von allem etwas, doch nun steht er so entschlossen wie möglich vor der riesigen Bestie und hebt herausfordernd sein Schwert. „Du wirst ihn nicht anrühren, du elender Mistkerl!“, funkelt er grimmig. „Du hast ihn besiegt, der Kampf ist zu Ende, also halt dich von ihm fern!“ Ein gefährliches Zischen entfährt Arashitsume. „Kleiner Bastard! Du wagst es, dich in den Zweikampf eines anderen Clans einzumischen? Diese Unverfrorenheit wird nicht ungestraft bleiben!“ „Wenn ich nur so verhindern kann, dass du ihn tötest, dann misch ich mich ganz bestimmt ein!“, funkelt Inu Yasha zurück. Ein scheußliches, schrilles Pfeifen ertönt und nun ist zu erkennen, dass der Ostfürst lacht. „Du Narr! Du hast es noch nicht begriffen, oder? Bei einem Kampf um den Thron kann es nur einen Überlebenden geben. Er hat verloren, er wird sterben, so einfach ist das! Nun geh aus dem Weg sonst werde ich dich zuerst zermalmen!“ Inu Yasha greift seine Waffe fester. Er schwankt kurz, doch dann fasst er wieder sicheren Tritt. „Versuchs doch! Ich werde jedenfalls nicht zulassen, dass du ihn umbringst!“ Auf einmal ertönt eine ruhige, ernste Stimme: „Inu Yasha, geh aus dem Weg! Dieser Kampf betrifft dich nicht. Es ist dir nicht gestattet, dich einzumischen.“ Inu Yashas Kopf geht hinüber und seine Augen treffen die Sesshomarus. Der Daiyoukai steht mit bleichem Gesicht und deutlichen Ringen unter den Augen da. Aber es ist trotz seiner deutlichen Schwäche klar zu erkennen, dass er es ernst meint. Der verletzte Hanyou verzieht das Gesicht. „Wie kannst du so was sagen? Er wird ihn töten!“ „Und das ist sein Gutes Recht als Fürst den man herausgefordert hat“, erklärt Sesshomaru ernst, „Es ist nicht unser Clan, also halt dich da raus!“ Inu Yasha reißt empört die Augen auf: „Das ist doch nicht dein Ernst! Du lässt diesen Bastard gewähren und mit einem weiteren Mord einfach davon kommen?“ „Vorsicht, Hanyou!“, knurrt die riesige Gestalt vor ihm, „Achte auf deinen Ton wenn du mit einem Fürsten sprichst! Du willst doch sicher immer noch einen internationalen Zwischenfall vermeiden, oder?“ Gefährlich zieht er die Lefzen hoch: „Bisher habt ihr keinerlei Beweise für eure unglaublichen Anschuldigungen liefern können, also achte besser auf deine Zunge, ehe du mich des Mordes bezichtigst!“ Wütend wendet sich Inu Yasha ihm zu: „Wie sollen wir dir was nachweisen wenn du einfach unsere Zeugen auffrisst, du mieser Verräter!“ Arashitsume grinst hämisch: „Es ist mein gutes Recht, wenn ich mich gegen die Miko verteidige die ihr angeschleppt habt. Vermutlich wäre es dir lieber ich würde mich einfach von ihr läutern lassen, aber diesen Gefallen tu ich dir sicher nicht, kleiner Hanyou. Wenn sie einen Daiyoukai angreift, muss sie damit rechnen, verschlungen zu werden.“ „Das hast du doch alles geplant!“, schreit Inu Yasha ihn an, „Jetzt wo wir sie besiegt haben und sie dir nicht mehr von Nutzen ist, hast du dir einfach ihre Kräfte einverleibt, um Yaeba besiegen zu können. Das hast du wohl auch nötig, was? Konntest ihn wohl nicht alleine besiegen, du Memme!“ „Inu Yasha, es reicht!“, ein scharfer Ruf fliegt zu dem aufgebrachten Hanyou hinüber. Vor Selbstbeherrschung bebend steht Sesshomaru da. „Es war Yaebas eigene Entscheidung Arashitsume herauszufordern und nun muss er die Konsequenzen tragen.“ Wütend schnauft Inu Yasha aus: „Ist das wieder das selbe Geschwafel wie bei Tenmaru? Es war seine Entscheidung also hat er selbst Schuld?“ Die Worte kommen schneller heraus, als dass er sie zurückhalten kann und im nächsten Moment bereut er sie auch schon. Sesshomarus Gesicht bekommt für einen kurzen Moment einen Ausdruck bei dem Inu Yasha tatsächlich befürchtet, dass sein Bruder zusammenklappen könnte. Doch genau so schnell verfliegt der Moment wieder und Inu Yasha bewundert seinen Bruder unwillkürlich für seine ausgezeichnete Selbstbeherrschung. Mit leiser Stimme fährt der Daiyoukai fort: „Das hat nichts damit zu tun. Aber diese Angelegenheit betrifft dich nicht, also halte dich da heraus!“ Inu Yasha schluckt unwillkürlich. Er hat nicht beabsichtigt seinen Bruder erneut zu verletzen und doch ist mal wieder im unpassenden Moment sein Temperament mit ihm durchgegangen. Rasch bemüht er sich um ein wenig mehr Ernsthaftigkeit. „Es betrifft mich sehr wohl!“, entgegnet er fest, „Die Streuner haben sich in meinen Dienst begeben und ich bin für sie verantwortlich. Deshalb lasse ich nicht zu, dass einer von ihnen abgeschlachtet wird.“ „Dummkopf!“, zischt der riesige Ostfürst vor ihm, „In dem Moment als dieser kleine Wichtigtuer sich wieder in den Clan aufnehmen ließ, war er kein Streuner mehr und damit untersteht er jetzt meiner Verantwortung und nicht mehr deiner, dummer, kleiner Hanyou! Also lass mich mein Recht ausüben und behindere mich nicht weiter sonst werde ich keine Rücksicht mehr auf dich nehmen.“ Inu Yasha knirscht mit den Zähnen. Unterstützung suchend blickt er zu Sesshomaru hinüber. Doch sein Bruder schüttelt nur leicht den Kopf. Inu Yasha schluckt schwer, dann fasst er Tessaiga fester und blickt wieder auf: „Sesshomaru, du kannst das nicht zulassen. Er darf nicht gewinnen! Wir müssen etwas unternehmen!“ Doch der Daiyoukai blickt nur mit steinerner Fassade zu ihm hinüber: „Nein! Das Gesetz unserer Vorfahren besagt, dass wir uns da nicht einmischen dürfen. Es garantiert uns schon lange den Frieden, nur darum wurde es geschaffen und wir müssen es respektieren!“ Inu Yashas Herz pocht bis zum Hals. Es schmerzt. Noch mehr als all die Wunden auf seinem Körper. Vor sich sieht er den genüsslich grinsenden Ostfürst der boshaft auf ihn hinab schaut und hinter sich sieht er den schwer keuchenden Yaeba, der noch ein paar mal versucht hat, sich aufzurichten, es jedoch inzwischen aufgegeben hat. Nur noch der Hanyou steht zwischen ihm und seinem Henker in seiner scheußlichen Gestalt. Mit zitternden Fingern streckt Inu Yasha Tessaiga vor sich. Er hat das Gefühl gleich zusammenzubrechen vor Erschöpfung. In seinem Kopf kreist alles. Er weiß, sein Bruder hat Recht. Er ist ein Prinz eines anderen Clans und muss sich hier aus diesem Zweikampf heraushalten. Selbst jetzt noch besteht Sesshomaru auf das Gesetz auch wenn ihm deutlich anzusehen ist welche Überwindung es ihn gekostet hatte, dem Ostfürsten freie Hand geben zu müssen. Inu Yasha kann nur erahnen, was dabei in seinem Bruder vorgegangen sein muss. Der Hanyou weiß, dass ihm rechtlich keine Möglichkeit mehr bleibt, Yaeba zu verteidigen. Das Gesetz ihrer Vorfahren besagt, wenn er sich hier einmischt, gibt es Krieg, und diese ganze Angelegenheit hat schon viel zu viele Opfer gekostet bei dem verzweifeltem Versuch den Frieden zu bewahren. Er darf das jetzt nicht einfach aus einer Laune heraus aufs Spiel setzen. Aber ist es wirklich eine Laune? Soll er wirklich all seine Ideale verraten um Gesetze zu wahren, die ihm vor einer Woche noch nichts bedeutet haben? Doch ebenso wenig möchte er Sesshomarus neu gewonnenes Vertrauen in ihn zerschlagen, wenn er einmal mehr seinen Gefühlen folgt. Die ganze Sache bereitet ihm Kopfschmerzen. Hilflos kneift Inu Yasha die Augen zusammen und er quetscht Tessaigas Griff unter seinen Fingern krampfhaft zusammen. Ein gepresster Wutschrei entfährt ihm und er atmet heftig. Was soll er nur tun? Doch dann schließlich hebt er den Kopf und atmet einmal vernehmlich aus. Ein klarer Blick begegnet nun seinem Bruder und er sagt: „Nein! Es tut mir leid, Sesshomaru, aber das kann ich einfach nicht tun! Du sagst, ich soll unsere Gesetze achten und damit unsere Vorfahren die sie geschaffen haben. Das will ich ja auch. Aber die Gesetze wurden nicht geschaffen um krampfhaft einen äußerst fragwürdigen Frieden zu bewahren, sondern um für Recht und Ordnung zu sorgen. Und wenn ich zulasse, dass einer meiner Freunde von diesem Verbrecher da einfach so umgebracht werden darf, ohne dafür eine Strafe fürchten zu müssen, dann trete ich die Absichten unserer Vorfahren mit Füßen; dann frage ich mich wozu es die Gesetze überhaupt gibt. Ich werde jedenfalls nicht tatenlos zusehen wie Yaeba ermordet wird. Da wirst du mich schon eigenhändig töten müssen!“ „Von mir aus verzichte ich auch auf meinen Titel oder Rang oder was auch immer, aber niemand wird mich von meinem Beschluss abbringen. Man kann nun mal nicht alles friedlich lösen. Manchmal muss man einfach kämpfen für das was einem wichtig ist und ich könnte mir nicht länger in die Augen sehen, wenn ich nicht alles versucht hätte, um meinen Freund zu beschützen! Dieser Mistkerl bekommt Yaeba nur über meine Leiche!“ Für einen langen Augenblick herrscht Stille über dem Platz, doch dann erschallt ein schrilles Lachen. Boshaft blickt Arashitsume auf ihn herunter: „Damit hast du dein Schicksal besiegelt, Hanyou, und das deines Clans gleich mit. Erst werde ich dich zerquetschen und dann werde ich diese dreiste Einmischung in fremde Angelegenheiten nicht ungestraft lassen. Aber sei unbesorgt, ich erspare dir die Schmach mit dem Wissen weiterzuleben, dass du für das Ende des Friedens zwischen unseren Völkern verantwortlich bist.“ „Laber nicht rum und komm her!“, grollt der Hanyou finster. Aufrecht steht er da, sein Schwert erhoben, auch wenn es in seinem Kopf pocht als würde jemand mit dem Hammer darauf schlagen und seine Knie jeden Moment drohen nachzugeben. Dies wird ein kurzer Kampf werden. Er wird nicht einmal einen Hieb ausführen können, dazu fehlt ihm längst die Kraft. Nun setzt sich der Ostfürst bedrohlich in Bewegung und kommt geschmeidig direkt auf ihn zu. Inu Yasha schließt die Augen. Was sein Bruder wohl jetzt von ihm denkt? Ob er verstanden hat, warum er das tun muss? Oder wird er seine frühere Meinung über ihn nur einmal mehr bestätigt finden? Würde er ihn rächen? Würde er versuchen, einen Krieg auch weiterhin zu verhindern? Noch immer ist er sich nicht sicher ob er seinen Bruder richtig einschätzen kann. Ja, er bereut es, der Auslöser für den Krieg zu sein, mehr als er zunächst angenommen hatte. Aber er konnte noch nie einen seiner Freunde im Stich lassen; es würde heißen, sich selbst zu verleugnen. Ob Sesshomaru wenigstens versuchen wird, Kagome und die anderen in dem kommendem Krieg zu beschützen oder werden sie ihm egal sein? Kagome. Er vermisst sie jetzt schon. Hoffentlich wird ihr nichts geschehen. Und dann reißt ihn urplötzlich etwas mit Wucht von den Füßen. Inu Yasha schlägt überrascht die Augen auf. Eigenartig, er hat die mächtigen Kiefer gar nicht gespürt. Doch dann gelangt ein in Tränen aufgelöstes Gesicht in sein Blickfeld und er stutzt. „Kagome?“, fragt er verwundert. „Du Idiot!“, schimpft Kagome mit feuchten Augen. „Das sieht dir wieder ähnlich, dich so ohne weiteres für andere opfern zu wollen. Was soll denn der Unsinn?“ Und dann schlingt sie schluchzend ihre Arme um seinen Hals und drückt ihn an sich. „Was machst du hier?“, fragt er noch immer etwas verdattert. Doch weiter kommt er nicht, denn sein Blick geht an seiner Freundin vorbei zu der riesigen Schnauze die direkt über ihm schwebt und deren Geifer auf sie beide heruntertropft. Mit blutrot funkelnden Augen glotzt Arashitsume auf die beiden hinunter. „Wie niedlich!“, lächelt er hämisch, „Das kleine Liebespaar noch im Tod vereint.“ Und dann reißt er seinen Rachen auf um die beiden zu verschlingen. Doch genau in dem Moment als sich die mächtigen Kiefer um sie schließen wollen, geht von den beiden am Boden Kauernden ein eigenartiges, grelles Licht aus dessen Intensität immer mehr zunimmt und schließlich so hell strahlt, dass alle Anwesenden für einen Moment geblendet die Augen schließen müssen. Kagome erwartet jeden Augenblick die scharfen Zähne die sich in ihren Körper bohren, doch der erwartete Schmerz bleibt aus. Eine seltsame Stille hat sich um sie gelegt. Alles was sie noch hört ist das heftige Pochen ihres Herzens. Verunsichert hebt sie den Kopf. Um sie herum ist alles grell weiß und die Stille um sie hat alle Geräusche verschluckt. Langsam sieht sie sich um. Sie ist allein in der hellen Weite. Da plötzlich vernimmt sie eine Stimme. „Du liebst ihn wirklich, kleine Miko, nicht wahr?“ Hastig wendet Kagome sich um. Vor sich sieht sie eine schemenhafte Frau in hellen Kleidern. Sie sieht jung aus und lächelt sanft. Irritiert mustert Kagome die Fremde. Schließlich kommt ihr ein Gedanke. „Chihime?“, fragt sie skeptisch. Die Frau senkt kurz den Blick. „Diesen Namen habe ich lange Zeit getragen. Zu lange, wie ich schätze.“ Erschrocken blickt Kagome sich um. „Sind wir tot? Hat Arashitsume uns gefressen? Wo ist Inu Yasha?“ „Dein Hanyoufreund ist noch genau dort wo er bis eben war“, antwortet die fremde Frau, „Ihr seid nicht tot. Noch nicht!“ „Aber wie kommt es dann, dass ich dich sehe?“, fragt Kagome verwundert, „Arashitsume hat dich doch gefressen.“ „Ich bin ebenso überrascht wie du, kleine Miko“, antwortet die Frau nachdenklich, „Aber vielleicht war es dein inniger Wunsch, deinen Liebsten zu schützen, der mich erreichte, bevor Arashitsume mich völlig absorbieren konnte. Das Licht der Liebe in deinem Herzen ist außergewöhnlich stark und du hast vermutlich noch nicht einmal die Hälfte der Kräfte, die in dir schlummern, entdeckt.“ „Aber ich hab doch gar nichts gemacht?“, wendet Kagome ein. Die Frau lächelt sanft. „Du hast gezeigt, was eine wahre Miko bewirken kann, wenn sie nur entschlossen genug ist, und ich möchte dir danken.“ „Mir? Aber wofür denn?“ Kagome ist verwirrt. „Dafür, dass du mich aus der Dunkelheit geholt hast, dafür, dass du mich erlöst hast!“, das Lächeln der Frau wird weiter. „Aber wie...?“, Kagome ist durcheinander. Die Miene der Frau wird nun ein wenig wehmütig. „Vor vielen Jahren war ich eine mächtige Miko die ein besonderes Talent für Läuterung und Bannkreise besaß. Eines Tages wurde ich gebeten einen Dämon zu vertreiben, doch stattdessen verliebte ich mich in ihn.“ Die Frau zögert kurz und ein schmerzhafter Blick huscht über ihr Gesicht. „Auch er sagte, er würde mich lieben und ich war schon bereit, mein Leben als Miko für ihn aufzugeben, doch eines Tages erfuhr ich, dass er nur darauf aus war, meine Kräfte für sich und seinen Clan nutzen zu können.“ „Er schwor mir, dass es nur ein Missverständnis wäre, dass sein Clan versucht hätte einen Keil zwischen sie zu treiben und dass er mich wirklich lieben würde, doch ich glaubte ihm nicht. Ich fühlte mich ausgenutzt und betrogen und verlor zugleich die Liebe meines Lebens. Das brach mir das Herz.“ Betrübt blickt die Frau zu Boden. „In meinem gekränkten Stolz schwor ich, mich zu rächen. Doch statt ihn zu läutern, wie es eigentlich die Aufgabe einer Miko wäre, bannte ich ihn in meinen Körper um fortan ihn und seine Kräfte dafür zu benutzen, andere Dämonen zu bannen und zu läutern. Ich wollte alle Dämonen die mir begegneten für das bezahlen lassen, was mir widerfahren war. Doch ich merkte bald, dass es viel Kraft kostete, einen Dämon in sich zu beherbergen und gleichzeitig die Arbeit einer Miko zu tun. Und irgendwann stellte ich fest, dass mir Dämonenblut die Fähigkeit verlieh, auf die Kräfte des Dämons in mir zuzugreifen. Und so wurde ich „Chihime“, die Blutprinzessin.“ „Bald schon war ich von allen Dämonen in der Gegend gefürchtet und ich genoss die Macht die mir gegeben war, doch dabei verlor ich mich immer mehr selbst und wurde immer mehr zu dem was ich so sehr hasste. Und ich vergaß was eine wahre Miko ausmacht.“ „In meinem Hass ließ ich mich sogar mit Arashitsume ein. Ich tötete für ihn die Gegner die ihm gefährlich wurden, auch den Fürst des Nordens und seine eigene Schwester. Es störte mich nicht weiter. Mir war jeder Dämon recht, solange es nur einer weniger auf der Welt war. Dafür bezahlte er mich gönnerhaft mit seinem eigenen Blut, das um vieles mächtiger war als das Blut gewöhnlicher Dämonen und ich wurde regelrecht süchtig danach. Doch wie sich herausstellte, hatte er selbst da Hintergedanken. Indem ich sein Blut trank, unterwarf ich mich ohne es zu wissen selbst dem Herrscherbann des Ostens, was letztendlich dazu führte, dass ich mich nicht wehren konnte, als er mich verschlang, um noch mehr Macht zu erlangen.“ „Doch meinen Tod hatte ich bereits bereitwillig in Kauf genommen. Ich wollte nur noch mit ihm gemeinsam sterben, nachdem ich dir ,einer wahren Miko, begegnet war und mir zum ersten Mal nach so vielen Jahren meiner Sünden bewusst wurden.“ Nun hebt die Frau den Kopf: „Erst jetzt in deiner Selbstlosigkeit hast du mir wieder die Augen geöffnet. Du und deine bedingungslose Loyalität und Liebe zu deinen Freunden. Ich konnte dein Licht nicht ignorieren. Es tat mir weh und ich begann mich zu fragen, was geschehen wäre, wenn ich ihm damals geglaubt hätte, dass er mich wirklich liebte. Und ich erkannte, dass ich einfach Angst hatte, die Antwort herauszufinden. Ich war feige und lief vor meinem Schmerz weg. Das hat mich fast zerstört.“ „Aber jetzt wo ich sehe wie bedingungslos du an diesem Hanyou hängst, wünschte ich, ich hätte anders entschieden. Ich wünschte ich hätte es versucht, ihn trotzdem zu lieben. Und heute habe ich endlich den Mut dazu gefunden.“ Milde blickt die Frau zu Kagome hinüber: „Ich weiß, dass es jetzt dafür zu spät ist, wir beide existieren nur noch als Seelen, aber du hast es geschafft, meine Seele zu erlösen und darum kann ich jetzt noch ein letztes Mal die Kraft aufbringen die mir einst inne wohnte und das tun, was ich schon vor langer Zeit hätte tun sollen.“ „Kannst du Arashitsume besiegen?“, fragt Kagome hoffnungsvoll, „Kannst du uns helfen?“ Die Frau schüttelt den Kopf: „Nein, das kann ich nicht. Das liegt nicht länger in meiner Macht. Mit den Lebenden müssen die Lebenden zurechtkommen. Aber ich werde endlich meinen Liebsten von seinem Dasein erlösen und ihn läutern, damit wir beide gemeinsam ins Jenseits gelangen können. Vielleicht gibt es dort ja noch einmal eine Chance für uns. Das wird Arashitsume nicht vernichten, aber ihn schwächen, denn meine Macht wird mit mir aus dieser Welt verschwinden. Was ihr daraus macht ist nun eure Sache. Ich wünsche euch viel Glück!“ Kagome will gerade etwas erwidern da schwillt das helle Licht erneut an und sie muss geblendet die Augen beschirmen. Flüchtig bemerkt sie nun eine zweite schemenhafte Gestalt, die neben der Miko aufgetaucht ist. Sie sieht aus wie ein junger Mann, der jedoch eigenartige Schwingen auf dem Rücken trägt. Gerade kann Kagome noch erkennen, dass die beiden sich die Hände reichen doch dann wird das Licht zu hell und sie kneift die Augen zu. Erst als es um sie her wieder dunkler geworden ist, wagt sie es wieder die Augen zu öffnen. Zunächst braucht sie einen Augenblick, um sich zu orientieren, doch dann stellt sie fest, dass sie noch immer mit Inu Yasha zusammen auf dem Boden kauert und um sie her ein aufgeregtes Getuschel begonnen hat. Erschrocken blickt sie hoch und bemerkt jetzt über sich den Ostfürsten, der den Kopf in den Nacken geworfen hat und ein gepeinigtes Winseln von sich gibt. Dabei gebärdet er sich wie wild und beginnt nun, sich unter Schmerzen am Boden zu wälzen. Mühsam rappelt Kagome sich auf und versucht auch ihren Freund aus der Gefahrenzone zu zerren, um vor den umherschlagenden Gliedmaßen sicher zu sein. Doch das erweist sich als schwieriger als erwartet, denn Inu Yasha hängt an ihr wie ein nasser Sack. Zum Glück eilen Sango und Kirara ihrer Freundin zu Hilfe und gemeinsam gelingt es den beiden Frauen ihren Freund auf Kiraras Rücken zu ziehen und in Sicherheit zu bringen. Ein Stück weiter weg beobachten sie nun die Veränderung die mit dem Ostfürsten vor sich geht. Die grotesken Schwingen bilden sich zurück und das Fell bekommt wieder seine helle Farbe. Doch damit nicht genug, auch die massige Gestalt des Fürsten beginnt zu schrumpfen und nach einigen Augenblicken wird aus dem riesigen Dämonenhund wieder ein langhaariger, feingliedriger Mann. Für einen Moment halten die umstehenden Youkai den Atem an, doch dann kommt wieder Bewegung in die zerzauste Gestalt und Arashitsume erhebt sich schwerfällig vom Boden, die Hand schwer atmend an die Brust gepresst. Ein tödlicher Blick geht hinüber zu Kagome und Inu Yasha: „Ihr widerlichen, kleinen Maden! Ein Angriff auf einen fremden Fürsten, das wird euch noch leid tun. Das bedeutet Krieg!“ Kapitel 58: Beweisfindung ------------------------- Ein beunruhigtes Raunen geht durch die Umstehenden. Sango, Miroku und Kagome werfen sich alarmierte Blicke zu. Krieg! War jetzt doch alles umsonst? Gerade sind sie einmal mehr mit knapper Not dem Tod entkommen, nur um jetzt erleben zu müssen, wie all ihre Bemühungen doch vergeblich waren. Kagome zittert am ganzen Körper vor Angst und vor Erschöpfung. Neben ihr sitzt Inu Yasha. In einer Hand hält er kraftlos Tessaiga die andere legt sich nun behutsam um Kagomes Schultern. Überrascht blickt sie zu ihm hinüber, doch wie es aussieht, bemerkt der Hanyou nicht einmal seine beruhigende Geste denn sein verschwitztes und schmerzverzerrtes Gesicht ist angespannt auf Arashitsume und das Geschehen gerichtet. Der Daiyoukai macht gerade keine besonders gute Figur. Sein sonst so gepflegtes Aussehen ist verschwunden. Seine Haare sind wirr zerzaust und mit Blut verklebt, das nun aus mehreren Wunden sickert, die über seinen ganzen Körper verteilt sind. In seinen violetten Augen liegt nun ein irres Funkeln, auch wenn das unheimliche Glühen verschwunden ist. Seine Zähne sind gefletscht und noch immer presst er die schmerzverkrampfte Klaue fest auf die Brust. Wild schaut er sich um. Jegliche überhebliche Gelassenheit ist verschwunden. Der Fürst des Ostens ist einfach nur noch stocksauer. Ruckartig fliegt sein Blick in Sesshomarus Richtung. „Glaubt nur nicht, dass ich scherze, Sesshomaru! Glaubt Ihr, ich würde die Auseinandersetzung fürchten? Da täuscht Ihr Euch! Meine Leute werden Euch in Fetzen reißen! Ihr tut immer so überlegen, so groß.“ In seiner Stimme liegt tiefste Verachtung. „Ich werde Euch eines besseren belehren. Alle hier haben es gehört, wie Euer Bruder, der dreckige Hanyou, unsere Gesetze mit Füßen getreten hat und sich in meine Angelegenheiten eingemischt hat. Das Gesetz sagt ganz klar die Folge einer solchen Handlung vor. Der geschädigte Fürst hat das Recht dafür Krieg zu fordern. Das steht im Gesetz!“ Seine Stimme überschlägt sich dabei fast. Yarinuyukis Miene wird ernst. Ihre Stirn legt sich in Falten, dann winkt sie Itakouri zu sich: „Mir scheint, der Hanyou ist doch zu weit gegangen. Unterrichte unsere Truppen, das sie sich bereitmachen sollen!“ Itakouri nickt und will sich schon entfernen, doch dann hält Yarinuyuki inne. Sesshomaru hat einen Schritt nach vorne gemacht und wendet sich nun mit einer fast typisch gelassenen Miene an den aufgebrachten Ostfürsten. „Warte noch einen Moment!“, murmelt sie, „Mal sehen, was der Kerl jetzt machen will.“ Verdutzt und auch etwas unwillig hält Itakouri inne. Sesshomaru hebt ernst den Kopf. „Ihr habt recht, Arashitsume“, stellt er fest, „Inu Yasha hat wieder einmal seine Kompetenzen überschritten.“ Fassungslos lauschen Kagome und ihre Freunde, seinen Worten. Kann das wirklich sein? Ist Sesshomaru wirklich nach all dem noch auf Arashitsumes Seite? Kagome ergreift Inu Yashas Hand, die auf ihrer Schulter liegt. Wie kann er bloß jetzt noch so stur an den Gesetzen festhalten? Ist ihm nicht klar, dass es dafür inzwischen schon viel zu spät ist? Inu Yasha hat alles riskiert um ihn zu retten und so fällt er ihm in den Rücken. Wieder treten Kagome Tränen in die Augen und als sie spürt, dass Inu Yasha leicht den Druck ihrer Hand erwidert, vergräbt sie sich schluchzend an seiner Schulter. Doch Sesshomaru ist noch nicht fertig. Langsam hebt er den Kopf und man merkt, dass er die nächsten Worte mit Bedacht wählt. „Und aus diesem Grund steht er auch vor dem Hohen Rat, damit über ihn ein Urteil gefällt wird. Erinnert Ihr Euch?“ „Was hat das für eine Bewandtnis?“, platzt Arashitsume ungehalten heraus. „Ganz einfach, das Gesetz besagt, dass bei Unstimmigkeiten zwischen den Clans, der Hohe Rat einberufen werden muss“, sagt Sesshomaru beherrscht, „Erst wenn es zu keiner Einigung kommen konnte, darf ein Krieg in Erwägung gezogen werden, so sagt es das Gesetz unserer Vorväter! Ihr wollt doch die Gesetze unserer Ahnen nicht willentlich missachten, Arashitsume, oder?“ Der Fürst des Ostens schnappt mehrmals vernehmlich nach Luft. Dann stößt er bissig hervor: „Er hat versucht mich umzubringen!“ „Das könnt Ihr ja gerne vor dem Hohen Rat beweisen, wenn Ihr das vermögt“, Sesshomarus Augen glimmen nun vor unterdrückter Wut und es wird klar, dass der Westfürst gerade seine letzten Reserven in Förmlichkeit und Selbstbeherrschung mobilisiert, „Ich für meinen Teil sah Euch lediglich zusammenbrechen, ohne dass mein Bruder auch nur Hand an Euch legte. In seiner momentanen Verfassung sollte er keinerlei Bedrohung sein, und ihn zu töten, hieße ihn noch vor der Verurteilung hinrichten. Aber womöglich ist das auch nur wieder eine schlechter Versuch von Euch, jemanden anders für den Ausbruch des Krieges verantwortlich zu machen, weil Ihr selbst nicht den nötigen Schneid dafür habt, diese Verantwortung zu tragen.“ „Der Hanyou hat schon längst den Tod verdient!“, keift Arashitsume ungehalten, „Ihr seid nur zu feige um ihn schuldig zu sprechen!“ „Ich sagte meine Entscheidung fällt heute, wenn Ihr Euch erinnert!“, gibt Sesshomaru finster zurück. „Nun denn, worauf wartet Ihr?“, grimmig fletscht Arashitsume die Zähne, „Oder beabsichtigt Ihr uns noch weiterhin im Unklaren zu lassen? Teilt uns Euer Urteil mit! Verkündet seinen Tod oder beginnt einen Krieg, es ist Eure Wahl!“ „Versucht Ihr nun wieder mich als Sündenbock für den Beginn des Krieges hinzustellen?“, meint Sesshomaru mit tiefster Verachtung, doch dann fährt er fort, „Ihr wünscht also den Hohen Rat weiterzuführen?“ „In der Tat, das tue ich!“, gibt Arashitsume bissig zurück. „Ausgezeichnet!“, entgegnet Sesshomaru trocken, „Denn gegen Euch liegen auch einige Anschuldigungen vor. Das können wir dann gleich mit abhandeln.“ Arashitsume stockt. Einen Moment lang ist seine Miene wie erstarrt. Man sieht es hinter seiner Stirn arbeiten, doch dann bemüht er ein schmieriges Lächeln auf seine Lippen: „Ach ja, diese lächerlichen Unterstellungen. Ich halte es wirklich für das Beste wenn wir das rasch zu einem Ende bringen.“ Gespielt blickt er sich um. „Bedauerlicherweise sieht es hier ein wenig, nun ja, wüst aus. Vermutlich wird es eine Weile dauern, bis meine Bediensteten den Ratsplatz wieder hergerichtet haben. Bis dahin, muss der Hohe Rat wohl vertagt werden. Ihr und Eure Leute dürfen natürlich bis dahin hier in der Nähe lagern. Ich erlaube Euch zu...“ Doch nun platzt Sesshomaru sichtbar der Kragen: „Ihr wechselt Eure Meinung und Gesinnung offenbar noch häufiger als Eure Frisur! Eben noch habt Ihr Krieg geschrien, und nun versucht Ihr den Rat durch fadenscheidige Ausflüchte zu verzögern. Jämmerlicher Verräter, Ihr besitzt keinerlei Format! Nirgendwo im Gesetz ist festgelegt wie das Ambiente des Hohen Rates beschaffen sein muss. Alle nötigen Personen sind gerade anwesend und wir werden den Hohen Rat hier und auf der Stelle zu seinem unseligen Ende bringen, und solltet Ihr weiterhin versuchen die Gerichtsbarkeit unserer Ahnen zu boykottieren, dann lernt Ihr mich ungemütlich kennen!“ „Ich habe niemals versucht zu...“ Doch Sesshomaru fällt dem Ostfürsten erneut ungehalten ins Wort: „Ich habe meine Entscheidung hinsichtlich der Verurteilung meines Bruders noch nicht endgültig getroffen, da es inzwischen neue Beweise gibt die berücksichtigt werden müssen. Es gibt offenbar einen neuen Zeugen.“ Ärgerlich meldet sich Arashitsume zu Wort: „Ihr könnt unmöglich beabsichtigen, den Hohen Rat hier in diesem Trümmerfeld tagen zu lassen. Das entbehrt jeglicher Würde. Ihr tretet die Traditionen unserer Rasse mit Füßen. Ihr solltet wirklich warten bis...“ Doch Sesshomaru ignoriert ihn. Sein grimmiger Blick ruckt nun in Richtung Kossoridokus, der noch immer regungslos auf dem Felsenwall zu Yarinuyukis Füßen liegt. Entschlossenen Schrittes bewegt er sich auf auf die Nordfürstin zu. Mit schmalen Augen und verschränkten Armen sieht sie ihm entgegen. Doch Sesshomaru beachtet sie nicht weiter. Mit wenigen Schritten hat er den gebrochenen Youkai erreicht und mit unbarmherzigem Griff reißt er ihn in die Höhe, sodass er schlaff vor ihm kniet. Mit flammendem Blick starrt Sesshomaru ihn an. „Es wird Zeit, dass endlich die Wahrheit an den Tag kommt und du elender Verräter wirst mir ganz genau erzählen was ich wissen will, und sei es, dass ich es aus dir herausprügeln muss!“ Doch im selben Augenblick schließt sich eine feste Klaue um seinen Arm. „Dies ist mein Gefangener!“, zischt Yarinuyuki kalt, „Ich habe Euch nicht gestattet, Ihn zu befragen. Lasst ihn auf der Stelle los, oder lebt von nun an ohne Arme!“ Sesshomarus Augen blitzen tödlich. „Wagt nicht, die Hand an mich zu legen! Ihr erlebt mich augenblicklich keineswegs in Gönnerlaune!“ Doch die Nordfürstin lockert ihren Griff kein bisschen. Mit einem grimmigem Blick entblößt sie ihre Reißzähne. „Ich habe heute schon mehr Geduld und Nachsicht an den Tag gelegt, als es auch nur irgendeiner der hier Anwesenden wert gewesen wäre. Ich habe Unerwartetes und Unschickliches toleriert. Ich übte mich in Toleranz und Genügsamkeit um die Ungeheuerlichkeiten zu ertragen, die dieses Zusammentreffen unserer Völker bisher mit sich brachte. Doch ich werde auf keinen Fall zulassen, dass Ihr Eure Kompetenzübertretungen auch in meinem Verfügungskreis walten lasst. Dies ist mein Gefangener! Wenn irgendjemand ihn zu den Vorkommnissen befragt, dann bin ich das!“ Für einen langen Augenblick befinden sich Sesshomaru und Yarinuyuki mit ihren Blicken im Zweikampf. Sesshomarus Brust hebt und senkt sich heftig vor unterdrückter Wut. „Was glaubt Ihr, das er Euch erzählen wird, zugerichtet wie er ist?“ „Ich habe meine Mittel und Wege!“ „Ebenso wie ich!“ „Das glaubt Ihr! Doch wir im Norden sind nicht so zimperlich, wie ihr, wenn es darauf ankommt.“ „Ich kenne Kossoridoku. Niemals bekommt Ihr ihn zum Reden. Ich kenne seine Schwächen. Ich werde alles von ihm erfahren, was ich wissen muss. Wenn ich mit ihm fertig bin, wird er darum betteln, mir alles über Arashitsumes Machenschaften erzählen zu dürfen.“ Yarinuyuki bleckt die Zähne. „Ihr sagt es. Ihr kennt ihn. In dieser Angelegenheit seid Ihr ebenso wie Arashitsume verdächtig gegen meinen Vater intrigiert und ihn letztlich umgebracht zu haben. Deshalb ist es die einzig richtige Wahl, dass meinem Volk, und mir als seinem Repräsentant, das Recht der Beweissammlung zusteht. Oder wollt Ihr, dass man Euch der Beweismanipulation für schuldig befindet?“ Sesshomaru erstarrt unwillkürlich. Doch Yarinuyuki fährt schon fort: „Die Zeugen, die sich in Eurem Gewahrsam oder dem Eurer Untergebenen befinden, haben die unangenehme Angewohnheit, umgebracht zu werden.“ Doch dabei geht ein hasserfüllter Blick hinüber zu Arashitsume. „Werft Ihr mir jetzt schon vor, dass ich mich gegen eine Miko verteidige die dem Wahn verfallen ist, mich töten zu wollen?“, ärgerlich verschränkt Arashitsume die Arme, „Das hättet Ihr wohl gerne, dass ich Euch auf diese Art entgegen komme.“ „Von wegen!“, flüstert Kagome Inu Yasha leise ins Ohr, „Er hat sie eiskalt umgebracht, der Mistkerl. Sie konnte sich nicht mal wehren, als er sie gefressen hat.“ Überrascht wendet Inu Yasha sich zu ihr um: „Wieso denn nicht? Sie hat ihn doch angegriffen oder nicht?“ „Ja, aber kurz davor, zwang er sie, ihren Angriff abzubrechen“, wispert Kagome weiter, „Er hat sie mit seinem Blut bezahlt. Sie hat es getrunken. Und weil sie sein Blut in sich hatte, gehört sie nun zu seinem Clan und ist ihm unterworfen. Und er hat sie nur gefressen um mächtiger zu werden, damit er Yaeba besiegen kann.“ Ungläubig reißt Inu Yasha die Augen auf: „Was? Woher weißt du das?“ „Das erkläre ich dir später“, wehrt Kagome hastig ab, „Ich versteh es selbst immer noch nicht ganz. Sagen wir einfach Chihime hat es mir erzählt.“ Doch als Inu Yasha nachhaken will, wert sie rasch ab und lenkt seine Aufmerksamkeit wieder auf das Geschehen vor ihnen. Ungeachtet von Arashitsumes Aussage wendet sich Yarinuyuki nun wieder Sesshomaru zu. „Zumindest dieser Zeuge wird seine Aussage machen. Hier vor dem Hohen Rat, damit wir ein für alle Mal klarstellen können, wer für den Tod meines Vaters verantwortlich ist!“ Einen sehr langen Moment scheint Sesshomaru mit sich zu ringen. Er mustert äußerst kritisch die junge Nordfürstin, die vor ihm steht. Doch dann ganz langsam lässt er den Kragen von Kossoridokus Gewand fahren und der Youkai fällt unsanft auf den Boden zurück. Dann hebt er den Blick und blickt Yarinuyuki ernst an. „Ihr befragt ihn. Doch in meiner Verfügung liegt die Entscheidung, was anschließend mit ihm geschieht. Über seinen Tod entscheide ausschließlich ich, denn er stammt trotz allem aus meinem Clan, auch wenn er ausgestoßen wurde. Aber ich rate Euch, befragt ihn gut! Sollte ich den Verdacht haben, dass Ihr Eurer Aufgabe nicht ernsthaft nachkommt, kann ich nicht dafür garantieren, die Etikette weiterhin zu wahren.“ „Da macht Euch mal keine Sorgen. Vernehmlich knackt Yarinuyuki mit den Knöcheln. Mir ist noch niemand eine Antwort schuldig geblieben.“ Entschlossen wendet sie sich Kossoridoku zu und zieht ihr Schwert. Kalt glitzert Hyouamejin über seinem Haupt. „So, und nun zu uns beiden!“, lächelt sie süffisant, „Ich hatte schon lang nicht mehr das Vergnügen mich persönlich mit einem Verhör zu befassen. Siehst du das?“, sie beugt sich herab und zieht den Youkai unbarmherzig am Schopf hoch, dass er auf ihre Klinge blicken muss, „Dieses Schwert lässt alles zu Eis erstarren was es schneidet. Ich gebe dir diese eine Chance dich zusammenzureißen und mir alles zu erzählen was du über die Sache weißt. Solltest du allerdings weiter so unkooperativ bleiben, werde ich solange Gliedmaßen von deinem Körper abtrennen, bis dein Kopf wieder klar ist. Und mach dir keine Hoffnung, du wirst dabei nicht verbluten. Denn Hyouamejin wird die Wunde sofort vereisen. Die Kälte wird ganz langsam in deinem Körper hinaufsteigen und ihn zunehmend in Eis verwandeln. Es wird allerdings keine gewöhnliche Kälte sein. Sie wird sich in dein Fleisch schneiden, als würdest du mit Flammen der Hölle versengt. Wenn du klug bist, ersparst du dir das und redest gleich.“ Doch Kossoridokus Blick geht weiterhin leer in die Ferne, jegliche Anteilnahme ist aus dem Youkai gewichen. Sein Gesicht ist bleich und blutverschmiert und lässt durch nichts erkennen, dass er die Worte der Nordfürstin vernommen hat. „Na schön, wie du willst“, Yarinuyukis Miene verhärtet sich, „Die Zeit eilt ein wenig, deshalb fange ich am besten gleich beim Knie an.“ Unsanft lässt sie ihn zu Boden plumpsen und hebt erbarmungslos ihr Schwert. Doch gerade als sie zum Schlag ausholt, bemerkt sie eine Bewegung in ihren Augenwinkeln und nur einen Moment später erkennt sie zu ihrem Ärger die Person, die sich hier gänzlich unaufgefordert zwischen sie und ihren Gefangenen geschoben hat. Mit fahlem Gesicht blickt Dokutoge ergeben zu ihr auf. „Yarinuyuki-sama! Ich bitte Euch, habt ein Einsehen! Tut ihm nichts zuleide!“ Das Gesicht der Nordfürstin beginnt sich dunkelrot zu verfärben vor Wut. „Du Hund! Du wagst es, dich mir in den Weg zu stellen? Ich habe nun endgültig genug von dir. Du bist mir schon einmal entkommen, diesmal nicht! Diesmal bezahlst du diese Impertinenz mit deinem Leben!“ „Nur zu!“, Dokutoge senkt hastig den Kopf und entblößt seinen Nacken, „Schlagt zu, tötet mich gleich, aber lasst mich nicht mitansehen, wie Ihr meinen Sohn foltert und umbringt.“ Sein Gesicht hat jegliche Farbe verloren und seine Lippen beben. „Dokutoge!“, ein scharfer Ruf fliegt zu ihm hinüber. Es ist Sesshomaru und sein Gesicht zeigt unverhehlten Zorn. „Geh aus dem Weg! Augenblicklich!“ Doch der Hauptmann schüttelt nur schwach den Kopf, sein Gesicht ist von tiefem Gram gezeichnet. „Ich kann nicht, mein Fürst! Wenn ich darüber nachdenke, so ist das ganze nur meine Schuld“, verzweifelt schlägt er sich vor die Brust, „Ich habe meinen Sohn zu dem gemacht, was er heute ist. Hätte ich ihm mehr Aufmerksamkeit geschenkt, mehr Anerkennung, dann wäre all das niemals passiert. Niemals hätte er Euren Vater verraten und wäre auf die schiefe Bahn gekommen. Wenn jemand dafür die Schuld trägt, dann ich. Also bestraft mich, nicht ihn! Ich bitte Euch!“ Doch hier fällt ihm Yarinuyuki ins Wort: „Du törichter Wurm! Du scheinst nicht zu verstehen. Wir bestrafen ihn nicht, wir verhören ihn.“ Dokutoge senkt den Blick. „Wenn schon das Verhör schmerzhafter als jede Bestrafung ist, wundert es Euch, dass ich selbst hier schon versuche, Ihn davor zu bewahren?“ Die Nordfürstin knurrt grimmig. „Er ist ein Verräter. Wer ehrlos ist hat kein Recht auf Gnade. Er erhält was er verdient.“ „Dann verdiene ich es ebenfalls!“, sagt Dokutoge energisch. „Du besitzt keine Informationen die mir nützlich wären“, schnaubt sie, „ Erwartest du wirklich, dass ich einen wichtigen Zeugen schone, nur weil du nicht bereit bist, ihn aufzugeben? Wer bist du schon, so etwas von mir zu fordern?“ Dokutoge schlägt langsam die Augen nieder. Doch dann sagt er leise: „Ich... bin sein Vater.“ Einen kurzen Moment schweigt er doch dann sagt er: „Ihr habt Recht, Yarinuyuki-sama. Er ist ein Zeuge und sollte verhört werden. Ihr habt Recht, dass seine Verfassung diese Behandlung nötig macht. Ihr habt Recht, dass er ein Verräter ist und keine Gnade verdient. Das weiß ich alles. Aber ich kann es einfach nicht ändern. Ich würde lieber hier und jetzt sterben, als meinen einzigen Sohn zu überleben, ohne wenigstens etwas unternommen zu haben.“ Verstohlen blickt er zu Sesshomaru hinüber in der Hoffnung auf Billigung seiner Tat, doch der Daiyoukai steht nur da mit steinerner Miene und sagt kein Wort. „Dummkopf!“, schnappt Yarinuyuki ärgerlich, „Dir sollte klar sein, dass der Tod seine einzige Alternative ist. Sag selbst, wohin sollte er gehen, wenn er am Leben bliebe, nach all dem was er getan hat? Er hat nirgendwo mehr einen Platz!“ „Solange ich lebe“, Dokutoge hebt den Kopf, „hat er einen Platz!“ In diesem Moment geht ein leichtes Zucken über Kossoridokus Gesicht und die Augen die bis eben noch ziellos in die Gegend gestarrt haben, schließen sich langsam. Nun geht ein leichtes Zittern durch seinen Körper und zur Überraschung aller, beginnt der Youkai sich nun unter größten Anstrengungen aufzusetzen. Ohne Umschweife stößt Yarinuyuki Dokutoge unbarmherzig aus dem Weg und packt ihren Gefangenen unsanft am Kragen. „So, wie es scheint, ziehst du doch den schmerzlosen Weg vor, was?“ Für einen Moment scheint Kossoridoku sich zu sammeln doch dann schlägt er die Augen auf und blickt die Nordfürstin direkt an. „Was wollt Ihr wissen?“ Seine Stimme ist schwach und zittrig, aber dennoch deutlich. Wieder lässt die Nordfürstin ihren Gefangenen zu Boden plumpsen. Ernst blickt sie auf ihn hinab „Wie ist dein Name?“, beginnt sie sachlich. „Mein Name ist... Kossoridoku.“, stockend kommen die Worte aus seinem Mund. Dem Youkai scheint noch immer die Kraft zu fehlen, doch offenbar bemüht er sich um folgsame Antworten. „Zu welchem Clan du gehörst, muss ich wohl nicht fragen“, meint sie verächtlich. „Was soll das werden?“, mischt sich Arashitsumes ungehaltene Stimme ein, „Dieserlei Fragen sind ja wohl kaum von Belang. Müssen wir uns mit solchen Lappalien aufhalten? Fragt ihn endlich die wichtigen Dinge, damit wir dies hier zu einem Ende bringen können.“ Unbeherrscht wirbelt die Nordfürstin herum. „Ihr schweigt jetzt, Arashitsume! Wie ich meine Verhöre führe, werdet Ihr gefälligst mir überlassen. Auch Ihr seid hier angeklagt und Ihr werdet ausschließlich die Rechte erhalten, die Euch vom Hohen Rat in dieser Situation zustehen. Sich in meine Beweisführung einzumischen, gehört nicht dazu!“ „Redet nicht in diesem Ton mit mir!“, grollt Arashitsume giftig, „Ich bin trotz allem immer noch ein Fürst.“ „Das habt Ihr heute schon etwas zu oft klargestellt“, antwortet Yarinuyuki kühl, „Ich frage mich warum Ihr das immer wieder für nötig haltet.“ Mit diesen Worten kehrt sie dem zähneknirschenden Arashitsume den Rücken zu und wendet sich wieder an Kossoridoku. „Mein Vater, Inu Taihyouga, der Fürst des Nordens, wurde bei einem angeblich fingierten Zweikampf mit Hanaki, ehemalige Thronfolgerin des Ostens getötet. Was weißt du darüber? Und ich rate dir, sag ja die Wahrheit!“, fügt sie scharf hinzu. Kossoridoku sucht einen Moment lang nach den richtigen Worten. Dann sagt er: „Es stimmt. Dieser Zweikampf wurde bewusst provoziert, um Euren Vater in eine tödliche Falle zu locken.“ Yarinuyukis Atem geht heftiger, doch sie beherrscht sich. „Was war das für eine Falle?“, fragt sie weiter. „Eine schwarze Miko sollte ihm auflauern mit dem Auftrag ihn und Hanaki-hime bei diesem Kampf so zu bannen, dass sie wehrlos wären. Es sollte so aussehen, als würde Hanaki-hime letztlich von Inu Taihyouga überwältigt werden, wobei sie jedoch durch den Bann nicht in der Lage war, sich zu wehren. Weiterhin wurde darauf spekuliert, dass ihr Rudel sie dann rächen wollen würde, trotz einem strickten Befehl ihrerseits, sich unter keinen Umständen einzumischen. Nach Hanaki-himes Tod wandte die Miko ihre Kräfte gegen Euren Vater und bannte ihn und seine Leute, sodass er ebenfalls wehrlos war gegenüber der Racheaktion der Streuner. Das brachte ihm schließlich den Tod.“ Yarinuyuki schnauft vernehmlich. „Das ist eine Ungeheuerlichkeit!“, stößt sie grimmig hervor, „Also wurde mein Vater tatsächlich um einen ehrenvollen Tod gebracht. Sag mir, du Köter, welche Rolle hast du dabei gespielt?“ Kossoridokus Blick geht zu Boden. Seine Stimme wird noch etwas leiser. „Es war meine Aufgabe, Eurem Vater zu verraten wo er Hanaki-hime finden würde. Da er die Niederlage gegen sie nie verwunden hatte, war leicht abzusehen, dass er sie sofort aufsuchen würde. Ich sollte auch die Schwarze Miko für diese Sache gewinnen und ihr diesen Auftrag vermitteln.“ Yarinuyukis Hand ballt sich um ihren Schwertgriff. „Das bedeutet dann wohl, dass dies alles nicht auf deinem Mist gewachsen ist. Also will ich jetzt nur noch Eines von dir wissen. Nur Eines noch!“ Sie kommt dicht an ihn heran. Ihre Augen glimmen vor Zorn: „Wer hat dir den Auftrag dafür gegeben?“ Doch nun beginnen Kossoridokus Gesichtszüge nervös zu zucken und er weicht ihrem Blick aus. Seine Lippen sind beklommen aufeinandergepresst und er zittert leicht. Grimmig packt Yarinuyuki ihn vorne am Kragen. „Antworte mir, verdammt!“, zischt sie wütend. Kossoridokus Mund öffnet sich und schließt sich wieder. Unsicher schaut er in die Runde. Sein Blick geht von Yarinuyuki zu Sesshomaru, dann zu Arashitsume und bleibt schließlich bei seinem Vater hängen. Dann senkt er erneut die Augen. Doch damit gibt sich Yarinuyuki nicht zufrieden. Ungehalten gibt sie ihm einen heftigen Tritt in die Rippen. „Rede endlich, elender Köter!“ Kossoridoku keucht laut auf und hält sich die Seite. Sein Gesicht ist schmerzverzerrt und sein Atem geht röchelnd. Hier sind mehr als nur eine Rippe gebrochen. Doch er schweigt weiterhin. „Glaubt Ihr wirklich, dass Ihr so irgendetwas aus diesem erbärmlichen Schwächling herausbekommen werdet?“, mischt sich Arashitsume verächtlich ein. „Haltet Euch da heraus!“, faucht Yarinuyuki aufgebracht zurück. Ein weiterer Tritt trifft das Gesicht des gefangenen Youkais. Kossoridoku kippt nach hinten und hält sich die heftig blutende Nase. Sein Atem geht stoßweise und er liegt nun flach auf dem Rücken. Grimmig beugt sich Yarinuyuki über ihn: „Reicht dir das? Redest du jetzt?“ Doch Kossoridoku wischt sich nur mit dem Handrücken das Blut aus dem Gesicht. „Diese Frage werde ich nicht beantworten“, flüstert er schwach. Wütend verpasst die Nordfürstin ihm einen harten Tritt in die Magengrube. Man hört einige Knochen kacken und Kossoridoku schreit auf, doch er blickt Yarinuyuki nicht ins Gesicht dabei. „Bitte, Kossoridoku, antworte ihr!“, unwillkürlich hat sich Dokutoge erneut eingemischt. Mit bleichem Gesicht steht er da, den Blick unverwandt auf seinen gequälten Sohn gerichtet. Doch nun meldet sich auch Sesshomaru wieder ernst zu Wort. „Dokutoge, halt dich da raus! Was sollten deine Worte erreichen, was Schmerzen nicht schaffen?“ Mit diesen Worten lässt er seinen Hauptmann stehen und geht zu Yarinuyuki hinüber. „Bitte, erlaubt mir ein paar Worte an Euren Gefangenen.“ Diesmal wahrt er die Etikette. Zunächst zögert Yarinuyuki, doch dann tritt sie unwillig beiseite. Steif baut sich Sesshomaru neben Kossoridoku auf und blickt auf ihn hinab. Unter geschwollenen Lidern schaut dieser zu ihm hinauf. Einige Sekunden verfliegen, doch dann sagt Sesshomaru: „Sie glauben noch immer, dass du in meinem Auftrag gehandelt hast. Sie glauben, ich hätte Inu Taihyouga, Hanaki und Tenmaru töten lassen, um die Macht über das Reich zu erlangen. So wie es jetzt aussieht, bist du der Einzige, der die Wahrheit ans Licht bringen kann. Ich kann verstehen, wenn du für deinen Clan, oder für mich keine Sympathien mehr hegst. Aber du hast lange Zeit unter Hanaki gedient. Du kanntest sie. Kannst du es wirklich verantworten, sie unter einer Lüge ruhen zu lassen? Soll dein Gefährte Tenmaru als Verräter in Erinnerung bleiben? Wenn du auch nur einen Funken Loyalität besitzt, wenn nur noch irgendetwas von dem Mann und Lehrer vorhanden ist, den ich vor langer Zeit einmal respektiert habe, dann wirst du diese Angelegenheit in das richtige Licht rücken. Wer gab den Auftrag Inu Taihyouga umbringen zu lassen? Sprich!“ Zunächst scheint Kossoridoku zu zögern. Einen langen Moment blickt er Sesshomaru ins Gesicht, doch dann muss er schwer schlucken und er wendet sich rasch ab. Starr blickt er zu Boden und gibt keinen Ton von sich. „Das scheint wohl nicht geklappt zu haben“, meint Arashitsume spöttisch, „Im Ernst, was wolltet Ihr denn damit beweisen? Wenn er Euch dient, dann wird er wohl kaum etwas sagen, dass Euch belastet.“ Die kalten Blicke Sesshomarus und Yarinuyukis durchbohren ihn, doch der Ostfürst lässt sich davon überhaupt nicht beeindrucken. „Wenn Ihr gestattet, dann würde ich den Gefangenen ebenfalls gerne befragen“, wendet er sich ölig lächelnd an Yarinuyuki, „Immerhin habt Ihr es Sesshomaru erlaubt.“ „Wenn Ihr glaubt, dass Ihr mehr Erfolg habt?“, meint Yarinuyuki gehässig und gibt den Weg frei. Gemächlich tritt jetzt Arashitsume ebenfalls an Kossoridoku heran. Dieser meidet seinen Blick und starrt nur weiterhin zu Boden. „Du behauptest also, jemand hat den Tod Inu Taihyougas geplant. Willst du damit andeuten, einer der anderen Fürsten wäre so dreist gewesen, so etwas in die Wege zu leiten? Kann es nicht eher sein, dass du selbst das Ganze angezettelt hast, um deinen ehemaligen Fürsten in Misskredit zu bringen?“ Kossoridoku beißt sich auf die Lippen. Sein Blick geht verstohlen in die Runde, doch er wagt nicht, den Kopf zu heben. Schließlich flüstert er: „Ich wurde beauftragt.“ „So so!“, meint Arashitsume herablassend, „Aber du willst uns nicht sagen von wem? Nur zu, raus mit der Sprache! Sag schon wem du dienst. Fürst Sesshomaru?“ Kossoridokus Gesicht wird immer blasser, doch er sagt kein Wort. Arashitsume kommt noch etwas dichter an ihn heran. „Mir?“ Doch noch immer meidet Kossoridoku seinen Blick und beißt sich auf die Lippen. „Was denn?“, fragt Arashitsume verächtlich, „Das ist doch eine einfache Frage. Oder willst du doch lieber zugeben, dass du das alles selbst eingefädelt hast?“ Kossoridoku beißt die Zähne aufeinander und kneift die Augen zusammen. Er lässt den Kopf noch tiefer hängen, als bisher schon und er beginnt am ganzen Körper zu zittern. Doch noch immer bringt er keinen Ton heraus. Mit klopfendem Herzen haben Inu Yasha und die anderen das Geschehen beobachtet. Der verletzte Hanyou hat die Fürsten und ihr Opfer keinen Moment aus den Augen gelassen und in ihm staut sich immer mehr Wut an. Dieser widerliche, verlogene Ostfürst! Im Grunde wissen alle, dass er schuldig ist, doch es ist ihm einfach nichts nachzuweisen. Und der einzige Zeuge den sie noch haben, weigert sich auszusagen. Vermutlich wird dieser dreckige Mörder wieder einmal damit durchkommen. Egal was Kossoridoku antwortet, Arashitsume wird es so hindrehen, dass jemand anderes als der Schuldige dasteht. Sagt er, er gehorcht Arashitsume, wird dieser behaupten, dass Sesshomaru ihm befohlen hat zu lügen, da er in dessen Dienst steht. Und sollte er behaupten Sesshomaru treu ergeben zu sein, wird das Arashitsume als Beweis dienen, dass Sesshomaru hinter dem ganzen steckt. Inu Yasha beißt die Zähne zusammen und ballt die Faust. Dass Kossoridoku bisher geschwiegen hat, kann eigentlich nur bedeuten, dass er Sesshomaru nicht beschuldigen will. Begreifen das diese Idioten denn nicht? Aus irgendeinem Grund versucht er das Ganze auf seine Kappe zu nehmen. Warum sollte er sonst die Aussage verweigern? Und urplötzlich durchzuckt Inu Yasha ein Gedanke, der ihn unwillkürlich zusammenfahren lässt. Er reißt die Augen auf und sein Puls beschleunigt sich. Als hätte er gerade das letzte Stück eines komplizierten Puzzles gefunden, fügt sich nun alles zusammen. Und mit einem Mal weiß er, wie man diesen verdammten Ostfürsten ein für alle Mal überführen kann. Doch davon bekommen die Fürsten nicht mit. Gerade schiebt Yarinuyuki Arashitsume unsanft beiseite. „Genug jetzt! Dies ist immer noch mein Gefangener und ich werde ihn jetzt weiter verhören. Und noch ehe ich mit ihm fertig bin, wird er sich wünschen, mir alles erzählen zu dürfen, was er weiß.“ Wieder hebt sie ihr Schwert und kommt auf Kossoridoku zu. Dieser meidet noch immer ihren Blick. Bedrohlich baut sie sich vor ihm auf. „Ich frage dich zum allerletzten Mal“, grollt sie finster, „Wer hat dir den Auftrag für diesen Verrat gegeben? Wem dienst du! Sag es!“ Nun hebt Kossoridoku den Kopf und blickt sie an. Sein bleiches Gesicht zeigt Schmerz und Trauer, doch er schüttelt nur schwach den Kopf und senkt dann wieder den Blick. Wütend fletscht Yarinuyuki die Zähne. Wild schnaubt sie auf: „Rede verdammt, oder ich schneide dich in winzig kleine Stückchen! Sag endlich, wem du dienst!“ Unbarmherzig reißt sie ihr Schwert hoch, doch kurz bevor sie es mit allem Zorn auf Kossoridokus Oberschenkel niedergehen lassen will, ertönt hinter ihr eine Stimme. „Das kann er nicht!“ Ruckartig dreht sie sich um. Auch die beiden anderen Fürsten wenden die Köpfe. Ein Stück entfernt hat sich Inu Yasha mühsam in die Hocke aufgerichtet. Sein Gesicht ist blass aber seine Miene ist ernst. „Was soll das schon wieder heißen?“, platzt Yarinuyuki ungehalten heraus. „Genau das was ich sagte. Er kann nicht antworten.“ „Erkläre mir das!“, verlangt Yarinuyuki grob. Unbeholfen bemüht sich Inu Yasha hochzukommen. Er fühlt sich noch immer furchtbar erschöpft und er hat alle Mühe seine Schmerzen zu ignorieren, aber wenn er sich Gehör verschaffen will, muss er eine würdevollere Position einnehmen. Sorgsam versucht er sich die nächsten Worte zurecht zulegen. Was er klarmachen will, ist nicht ganz einfach und er hat keinerlei Interesse, dass Arashitsume ihm wieder die Worte im Mund herumdreht. Schließlich fällt ihm etwas ein und er richtet sich so hoch auf wie er es gerade vermag. „Yarinuyuki-sama, bitte erlaubt mir, dem Gefangenen auch ein paar Fragen zu stellen.“ „Was fällt dir ein, Hanyou!“, mischt sich Arashitsume ungehalten ein, „Wie kommst du auf die Idee, dass du hier irgendetwas zu erbitten hast?“ Inu Yasha fletscht grimmig die Zähne: „Weil ich immer noch Teil des Rates bin, und von fürstlichem Blut. Ich denke, damit darf ich mich an der Befragung beteiligen, oder?“ Sein Blick geht fest zu Yarinuyuki hinüber. Diese mustert ihn zunächst mit schmalen Augen doch dann schnaubt sie aus: „Na schön, kleiner Hanyou, versuch dein Glück. Schlechter als die der anderen beiden, können deine Fragen auch nicht sein.“ Inu Yasha atmet innerlich auf. Schon will er sich in Bewegung setzen, als eine Hand nach ihm greift. Er wendet sich um und sieht Kagomes besorgte Miene. Doch er schiebt ihre Hand sachte von sich. „Ich weiß schon was ich tue“, sagt er leise, dann wendet er sich wieder zu den Fürsten um. Langsam humpelt er zu ihnen hinüber. Dabei muss er fest die Zähne zusammenbeißen, damit ihm kein Stöhnen entfährt. Schließlich tritt er an den drei Fürsten vorbei hinüber zu Kossoridoku und ihm wird plötzlich klar, dass sämtliche Augen der drei Fürsten und allen Umstehenden nun auf ihm ruhen. Und die Wenigsten davon sind ihm wohlgesonnen. Ob er nun will oder nicht, bei dieser Vorstellung läuft es Inu Yasha heiß und kalt den Rücken runter. Kämpfen macht ihm keine Furcht, doch was er verabscheut sind missgünstige und hasserfüllte Blicke wie hier. Sie wecken unangenehme Erinnerungen in ihm und geben ihm das Gefühl klein und unbedeutend zu sein. Er wollte nie ein Fürst sein, doch hier und heute muss er es und das verursacht ihm zu alle dem noch ein äußerst flaues Gefühl in der Magengrube. Und er weiß genau, wenn er jetzt einen Fehler macht, dann ist der Schaden dabei niemals wieder gutzumachen. Er atmet einmal im Stillen durch und dann tritt er an Kossoridoku heran, wohl wissend, dass von nun an alle Anwesenden jedes seiner Worte verfolgen werden. Dann beginnt er ein wenig zaghaft. „Ich werde dich nicht fragen, wem deine Loyalität gilt, denn sie zu ehren, hieße momentan sie zu leugnen.“ Noch einmal atmet er durch, dann sagt er bestimmt: „Ich erwarte auch nicht, dass du uns die Wahrheit erzählst, denn es ist unsere Aufgabe sie zu finden. Aber ich fordere dich auf, mir bei der Wahrheitsfindung zu helfen.“ „Und wie soll das gehen, Hanyou?“, fragt Arashitsume gehässig an Kossoridokus statt. Doch Inu Yasha ignoriert ihn. Unbeirrt redet er weiter. „Alles was ich von dir verlange, ist, dass du mir nachsprichst.“ Verwunderte Blicke folgen diesen Worten. „Was soll das werden Sesshomaru?“, wendet sich Arashitsume missgünstig an den Westfürsten, „Will Euer Bruder den Hohen Rat zum Narren halten, indem er dem Zeugen irgendwelche Worte in den Mund legt?“ Inu Yasha bemüht sich um die nötige Gelassenheit. Bei diesem Glücksspiel gibt es kein Limit. Es heißt alles oder nichts. „Sprich mir nach!“, wiederholt er so selbstbewusst wie möglich, „Ich erhielt den Auftrag, Inu Taihyouga in eine Falle zu locken von Fürst Sesshomaru und ich diene ihm mit Leib und Seele!“ Ein Raunen erhebt sich unter den Umstehenden. Ungläubige und fassungslose Blicke durchbohren den Hanyou. Auch die Fürsten der Clans haben die Worte keinesfalls überhört. „Inu Yasha!“ Der Hanyou kennt die ärgerliche Stimme nur zu gut. Schon spürt er sich grob am Ärmel gepackt und herumgerissen. Sofort sieht er vor sich den empörten und fassungslosen Blick seines Bruders, der ihn offenbar am liebsten in Stücke reißen würde. „Hast du den Verstand verloren?“, zischt der Daiyoukai ungehalten, „Verschwinde auf der Stelle! Du machst alles nur noch schlimmer.“ Doch diesmal trotzt Inu Yasha dem Blick seines Bruders. Er kann ihn ja verstehen. Das was er hier tut, ergibt für ihn sicher keinen Sinn. Natürlich wird er denken, sein Halbbruder würde ihn ans Messer liefern wollen. Bei allen Göttern, nach all dem was heute geschehen ist, wie kann er das noch immer glauben? Aber diesmal sind seine Zweifel wirklich unbegründet. So nachdrücklich wie möglich löst Inu Yasha den Griff um sein Handgelenk und sieht dabei seinem Bruder direkt in die Augen: „Sesshomaru, wenn du mir jemals vertraut hast, nur ein ganz kleines bisschen, dann vertrau mir jetzt!“ Einen langen Moment scheint Sesshomaru zu zögern, doch dann lässt er seine Hand sinken. Er sieht ein wenig ratlos aus. Doch Inu Yasha nimmt sein Schweigen als stumme Zustimmung und er wendet sich wieder Kossoridoku zu. „Sprich mir nach!“, wiederholt er, „Ich erhielt den Auftrag, Inu Taihyouga in eine Falle zu locken von Fürst Sesshomaru, und ich diene ihm mit Leib und Seele!“ Doch so überzeugt wie er nach außen hin wirkt, ist er innerlich keineswegs. Noch während er redet, versucht er unentwegt Kossoridokus Blick einzufangen. Hoffentlich versteht der Youkai was er hier zu tun versucht. Hoffentlich begreift er was hier von ihm erwartet wird. Wenn der Streuner mitspielt, dann haben sie gute Chancen, diesen Kampf zu gewinnen, wenn nicht... Daran wagt Inu Yasha gar nicht zu denken. Kossoridoku muss einfach merken, dass er seine Situation erkannt hat, und dass es nur einen Weg gibt, sie den anderen Fürsten klar zu machen. Die Umstehenden halten gespannt den Atem an. Was soll dieses Spielchen? Was wird jetzt geschehen. Doch nun hebt Kossoridoku langsam den Kopf und blickt Inu Yasha an. Seine Augen sprechen unzählige stumme Fragen aus, doch dann entspannt sich sein Gesicht ein wenig und er wirkt etwas erleichtert. Und dann schließlich wiederholt er langsam Inu Yashas Worte: „Ich erhielt den Auftrag, Inu Taihyouga in eine Falle zu locken von Fürst Sesshomaru, und ich diene ihm mit Leib und Seele.“ Wieder erhebt sich ein Raunen um sie her. Inu Yashas Herz klopft bis zum Hals. Fast schon erwartet er ein herablassendes Kommentar von Arashitsume, doch zu seiner Überraschung sagt der Ostfürst kein Wort. Stattdessen wirft er gerade dem Hanyou den giftigsten Blick zu, zu dem er vermutlich in der Lage ist und Inu Yasha kann sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. Dem Dreckskerl geht die Muffe! Er hat ganz offensichtlich verstanden, was er hier versucht und er weiß genau, dass er sich diesmal nicht herauswinden kann. „Was soll das beweisen, Hanyou?“, ertönt nun Yarinuyukis spöttische Frage, „Diese Aussage ist nutzlos, da sie nicht von dem Zeugen selbst stammt. Erspare dir besser weitere Peinlichkeiten und geh zurück auf deinen Platz!“ „Ich bin noch nicht fertig!“, ernst schaut Inu Yasha sie an. Dann wendet er sich wieder Kossoridoku zu: „Und nun sprich mir noch einmal nach! Ich erhielt den Auftrag, Inu Taihyouga in eine Falle zu locken von Fürst Arashitsume, und ich diene ihm mit Leib und Seele.“ Die Umstehenden halten gespannt den Atem an. Zögerlich öffnet Kossoridoku den Mund, doch dann klappt er ihn langsam wieder zu. „Was soll der Unsinn?“, meint Arashitsume nun doch empört, „Hatten wir das nicht gerade eben erst? Diese Aussage ist nutzlos. Sesshomaru, bringt Euren Bruder unter Kontrolle, ehe er den Hohen Rat mit seiner Infantilität noch völlig entehrt.“ Doch Sesshomaru steht nur schweigend da und sein Blick geht abwechselnd von Inu Yasha zu Kossoridoku. Hinter seiner Stirn scheint es rege zu arbeiten. Und schließlich sagt er: „Nein, er soll antworten!“ Er wendet sich an Kossoridoku: „Wiederhole die Worte meines Bruders!“ Der Streuner atmet nun vernehmlich aus und ein. Wieder öffnet er den Mund. Es scheint, als wollte er etwas sagen, doch er bringt bei allen Bemühungen keinen Ton heraus und plötzlich sackt er kraftlos in sich zusammen und atmet schwer. Inu Yasha nickt zufrieden: „Das hab ich mir gedacht!“ „Schluss mit dem Unsinn!“, schimpft Arashitsume zu ihm hinüber, „Was soll das schon beweisen? Er weigert sich zu reden, das ist alles. Der Hanyou hat auch nicht mehr vollbracht als wir. Macht dem endlich ein Ende!“ Doch nun dreht sich Inu Yasha ärgerlich zu dem Ostfürsten um: „Ich bin schon fast am Ende! Was ist los, habt Ihr auf einmal kalte Füße bekommen?“ „Was erdreistest du dich!“, schnaubt Arashitsume ungehalten. Doch Inu Yasha redet schon weiter. „Wenn dieser Youkai tatsächlich für Sesshomaru arbeiten würde, warum sollte er dann meinen Satz so bereitwillig nachsprechen, und gerade bei dem Satz der Euch betrifft schweigen?“ Arashitsumes lächelt gehässig: „Oh nein, versuch nicht diese Spielchen mit mir, Hanyou! Würde es mich nicht gerade verdächtig machen, wenn mein angeblicher Bedienstete versuchen würde, kein schlechtes Licht auf mich fallen zu lassen? Wäre es nicht viel logischer, dass er versuchen sollte mir das unterzuschieben? Er versucht jedoch wohl eher, mich in dieser Situation gut dastehen zu lassen. Warum wohl? „Ganz einfach!“, erklärt Inu Yasha laut, „Weil wir von Yaeba wissen, dass keiner Eurer Untertanen in der Lage ist auch nur irgendetwas Schlechtes über Euch zu sagen, oder Euch in irgendwie in Misskredit bringen könnte. Dafür sorgt euer vielgepriesener Herrscherbann! Das heißt Kossoridoku kann meine Worte gar nicht wiederholen, weil er damit Eure Schuld bestätigen würde und das lässt der Herrscherbann einfach nicht zu.“ Nachhaltiges Schweigen ist die Folge auf diese Worte. Arashitsume fletscht reflexartig die Zähne. Er scheint nach den geeigneten Worten zu suchen. Dann zischt er: „Lächerlich! Dieser Youkai ist nicht von meinem Clan, wie könnte er da unter meinem Herrscherbann stehen. Diesmal gehst du wirklich zu weit mit deinen Anschuldigungen, du kleiner Bastard! Was du da behauptest ist völlig unmöglich!“ „Es ist nicht unmöglich!“, antwortet Inu Yasha grimmig, „Ihr habt die Schwarze Miko mit Eurem Blut bezahlt. Sie war eine Bluttrinkerin. Sie hatte Euer Blut in sich. Nur deshalb konntet Ihr sie kurz vor ihrem Angriff auf Euch aufhalten, damit Ihr Euch ihre Kräfte einverleiben konntet. Scheinbar ist jeder unter Eurem Herrschaftsbann, der Euch dient und Euer Blut in sich hat. Gebt es zu: Falls Ihr vorgehabt hättet Euch die Dienste eines Streuners aus einem anderen Clan zu sichern, dann wärt Ihr doch bestimmt auf Nummer Sicher gegangen und hättet zusätzlich zu seinem Treueschwur darauf bestanden, dass er von Eurem Blut trinkt, denn nur so würdet ihr ihn stets unter Kontrolle haben. So seid Ihr nun mal! Ihr überlasst nichts dem Zufall. Ist es nicht so?“ „Schluss mit diesen albernen Unterstellungen! Kannst du beweisen, ob die Miko unter meinem Herrscherbann stand, oder ob nicht? Sicher nicht!“ „Natürlich nicht!“, schimpft Inu Yasha zurück, „Ihr habt sie schließlich gefressen!“ „Wenn er mir dienen würde, würde es dann nicht überhaupt Verdacht erheben, wenn er diese dämlichen Sätze nachsprechen würde? Warum hat er nicht einfach ganz geschwiegen?“, und man bekommt fast den Eindruck, als wäre diese Frage als bitterer Vorwurf gemeint. „Wahrscheinlich, weil Ihr mit Euren Untertanen so rücksichtslos und unsensibel umgeht, dass der Kerl schließlich doch noch zur Vernunft gekommen ist und am liebsten doch wieder seinem alten Herren dienen würde“, keift Inu Yasha bissig zurück, „Gebt es zu, Ihr habt keinen einzigen loyalen Diener und das habt Ihr ganz allein Euch selbst zuzuschreiben!“ „Du dreckiger, kleiner Bastard!“, schreit Arashitsume wütend, „Ich reiß dich in Stücke!“ „Schluss jetzt!“, wütend flammt Yarinuyukis Aura auf, „Genug mit diesem Gezanke!“ Unbarmherzig zerrt sie Kossoridoku zu sich hoch. „Ich diene Arashitsume und er ist ein Verräter! Sag es! Sofort!“ Doch der Youkai müht sich vergebens. Kein Wort verlässt seine Lippen. Dann flüstert er: „Das... kann ich nicht sagen.“ Es ist fast nur ein Krächzen, und er muss zweimal fast würgen dabei. Der Griff um seinen Kragen wird fester. „Ich diene Sesshomaru und er ist ein Verräter! Na los!“ Nun senkt Kossoridoku betrübt den Blick: „Das möchte ich nicht sagen!“, murmelt er kaum hörbar. „Das ist mir völlig gleich, was du möchtest!“, schreit Yarinuyuki, „Sag es!“ Kossoridoku verzieht schmerzhaft das Gesicht: „Ich diene... Sesshomaru-sama.... und er ist ein... Verräter“, stammelt er doch dabei muss er heftig schlucken. Lieblos, lässt Yarinuyuki ihn fallen und strafft sich. Sie atmet einmal vernehmlich aus und dann versteift sie sich und dreht sich langsam um. Ein bitterböses Funkeln geht hinüber zu Arashitsume. Dann sagt sie eisig: „Das genügt mir. Ich habe in den letzten Minuten genug gehört, um dem Verdacht des Hanyous Glauben zu schenken. Dieser Youkai kann nichts tun oder sagen, was dem Fürsten des Ostens schaden könnte. Und da wir von diesem sogenannten Herrscherbann gehört haben, der dies auch unmöglich macht, genügt mir das als Beweis, dass dieser Youkai nicht nur in Arashitsumes Diensten stand, sondern auch, dass, wie sich daraus ergibt, Arashitsume, Fürst des Ostclans, direkte Schuld trägt am Tod meines verehrten Vaters. Und ich spreche ihn hiermit im Rahmen des Hohen Rats der Youkaifürsten, der mich dazu berechtigt, für schuldig des Hochverrats!“ Das Raunen der Umstehenden wird lauter. Vereinzelt werden zustimmende Rufe laut, doch diese stammen hauptsächlich von Samushi und Kegawa, die über das ganze Gesicht sehr ungezogen grinsen und sich in aller Öffentlichkeit gegenseitig vor Begeisterung einklatschen. Der Ostfürst selbst steht im Augenblick da wie vom Donner gerührt. Für einen kurzen Moment ist er wie erstarrt und die Kinnlage ist ihm hinuntergesackt, doch rasch versucht er diese Unbeholfenheit abzuschütteln. „Yarinuyuki-sama, seid Ihr Euch Eurer Sache wirklich sicher? Glaubt Ihr wirklich den Hirngespinsten dieses Hanyous? Seid Ihr wirklich schon so tief gesunken?“ „Doch Yarinuyuki blickt ihn nur verächtlich an: „Mich zu beleidigen, wird es nicht besser machen. Das ändert meine Meinung nicht, elender Verräter! Die Beweise sprechen für sich selbst. Diesmal wurde Euch Eurer Machtgier zum Verhängnis. Womöglich wärt Ihr ohne Euren Kontrollzwang wieder einmal davon gekommen. Bringen wir dies also offiziell hinter uns, damit wir endlich zur Urteilsvollstreckung kommen können.“ Arashitsume erbleicht. Es besteht kein Zweifel daran, dass er sich diesen Moment anders vorgestellt hat. Yarinuyukis Blick geht zu Inu Yasha: „Was meinst du, kleiner Hanyou, als Ratsmitglied“, das letzte Wort spricht sie sehr genüsslich aus, „Ist er schuldig?“ Inu Yasha stemmt grimmig den Arm in die Seite: „Aber klar doch, da bestand doch nie ein Zweifel dran.“ Die Nordfürstin schmunzelt gehässig, dann blickt sie zu Sesshomaru hinüber. „Sesshomaru, seid Ihr nun bereit, uns Euer Urteil mitzuteilen?“ Der Daiyoukai hebt den Kopf in seiner Miene liegt nur noch reiner Hass als er zu dem Ostfürsten hinüberblickt. „Durchaus!“, sagt er frostig. Doch noch ehe er weitersprechen kann, schneidet ihm Arashitsume gnadenlos das Wort ab: „Bevor Ihr womöglich eine Entscheidung trefft, die Euch hinterher reuen mag, Sesshomaru-sama...“ „Spart Euch das 'sama'!“, unterbricht Sesshomaru ihn mit Grabeskälte. Doch Arashitsume führt seinen Satz bereits fort: „... solltet Ihr Eines vielleicht bedenken. Raimeimaru!“ Laut fliegt der Ruf über den Platz. Und kurz darauf tritt ein stämmiger Youkai vor. Er verzieht keine Miene, aber in jeder seiner Klauen, trägt er eine kleine, strampelnde Person am Schlafittchen. Interessiert gehen nun alle Augen zu ihm hinüber. In der einen Hand hält er offenbar einen kleinen, grünen Krötenyoukai, dem ein unbequemer Knebel in seinem breiten Mund steckt und in der anderen Hand hält er ein kleines, ebenfalls geknebeltes Menschenmädchen, dass wie wild umherzappelt und permanent bemüht ist, mit ihren Füßen das Knie das Youkais zu treffen. Alle Umstehenden halten den Atem an. Was für ein neuer Trick, soll das nun wieder sein? Womit versucht der Ostfürst sich nun Strafaufschub zu erhandeln? Etwa mit diesen beiden erbärmlichen Individuen? Doch zur Überraschung aller ist der Westfürst nun wie erstarrt stehengeblieben. Seine Augen weiten sich und seine Kiefer sind fest aufeinandergepresst. Ein triumphierendes Lächeln ist auf Arashitsumes Gesicht zurückgekehrt. „Diese Beiden habe ich beim umherstreunern in meinem Palast gefunden. Ich vermute, sie gehören zu Euch. Zu meinem Volk gehören sie jedenfalls nicht“, säuselt er genüsslich, „Überlegt Euch gut, was Ihr als Nächstes tut. Solltet Ihr geneigt sein, mich schuldig sprechen, werde ich wohl vorher meine Angelegenheiten regeln müssen, was bedeutet, dass ich auch über das Schicksal meiner Gefangen früher als geplant und in... ungeneigterer Verfassung als nötig, verfügen muss. Wollt Ihr das wirklich?“ Kapitel 59: Das Urteil ---------------------- Gespanntes Schweigen liegt über dem Trümmerfeld, das einmal der Palast des Ostens gewesen ist. Alle Anwesenden warten auf die Entscheidung Sesshomarus, die zweifellos den Fürst des Ostens für schuldig erklären wird. Doch zur allgemeinen Überraschung rührt der angeschlagene Daiyoukai noch immer keinen Muskel und es vergeht eine lange Zeit bis er wieder das Wort ergreift. „Wie Ihr bereits sagtet, Yarinuyuki-sama, die Beweise sprechen für sich selbst. Es ist gar nicht nötig, dass ich irgendein Urteil verkünde. Die Lage ist eindeutig. Jeder weitere Atemzug, diesen Verräter betreffend wäre verschwendet. Nun kehrt ein sehr hinterhältiges Lächeln auf das Gesicht des Ostfürsten zurück, als hätte man ihm gerade ein schmutziges, kleines Geheimnis verraten. Doch Yarinuyuki gibt sich mit dieser Antwort keineswegs zufrieden. „Was soll das Sesshomaru?“, blafft sie ärgerlich, „Versucht Ihr Euch um die Verantwortung zu drücken? Ihr wisst genau, dass für die Verurteilung eines Fürsten ein einstimmiges Urteil aller Ratsmitglieder nötig ist. Gerade von Euch hätte ich ein viel schärferes Urteil erwartet. Sprecht den Verräter schuldig, damit er endlich bekommt was er verdient!“ Inu Yasha behält Sesshomaru genau im Auge. Er hat eine ziemlich gute Ahnung was gerade in seinem Bruder vorgeht. Arashitsume, dieser Mistkerl, scheut sich auch wirklich nicht zu den allermiesesten Tricks zu greifen. Ungeachtet dessen, was Sesshomaru jemals von sich aus zugeben würde, steht es für Inu Yasha doch außer Frage, dass die kleine Rin seinem Bruder sehr am Herzen liegt. Scheinbar hat dies nun auch Arashitsume erkannt und beschlossen, diesen Umstand für sich zu nutzen. Nun muss sein Bruder sich entscheiden zwischen der Rache für ein verlorenes Kind und dem Schutz dessen was dieser Bezeichnung noch am nächsten kommt und Inu Yasha weiß, dass er im Augenblick wirklich nicht in der Haut seines Bruders stecken möchte. Wieder zögert Sesshomaru einen langen Moment. Doch dann sagt er: „Dem Gesetz muss Rechnung getragen werden. Ich kann nur bestätigen was wir alle bereits gehört haben. Fürst Arashitsume ist ohne Zweifel schuldig, den Tod Inu Taihyougas sowie seiner Schwester und seines Neffen geplant und auch mutwillig in die Wege geleitet zu haben. Er ist ein Verräter und damit des Hochverrats schuldig.“ Wieder geht ein Raunen durch die Menge. Scheinbar haben alle Anwesenden das Bedürfnis ihre Zustimmung zu diesem Urteil auszudrücken. Von allen Seiten fliegen Arashitsume nun wütende und hasserfüllte Blicke zu und Schmährufe werden laut. Gehetzt fliegt Arashitsumes Blick herum.Er fletscht die Zähne. Sein Gewand ist noch immer arg in Mitleidenschaft gezogen worden und sein Körper ist mit Blessuren übersät. Grimmig ballt er die Fäuste während ihm von alle Seiten offene Ablehnung entgegenschlägt. Sein Atem geht heftig und grimmige Wut steht ihm ins Gesicht geschrieben. Ein solches Verhalten ist er von seinen Untergebenen offenbar in keinster Weise gewohnt. Und es ist offenkundig, dass er dies keineswegs gutheißt. Doch als der wütende Orkan immer mehr anschwillt und dem Daiyoukai aus dem Osten immer mehr Verachtung entgegenschlägt, beginnen auf einmal seine Augen beängstigend violett zu glühen und er stampft einmal so heftig auf den Boden auf, dass eine wahre Furche im Erdreich entsteht. „Schweigt auf der Stelle!“, brüllt er. Fast augenblicklich verstummt das Geschrei. Heftig schnaufend steht Arashitsume da. Seine Augen leuchten boshaft und seine scharfen Reißzähne sind deutlich unter seinen Lippen sichtbar. Mit zorniger Miene wendet er sich an die Umstehenden. „Was soll das, ihr Narren? Ihr freut euch wirklich so sehr über meine Verurteilung, ja? Glaubt ihr, dass ihr dadurch irgendetwas gewinnt? Oh nein! Im Gegenteil! Eine Verurteilung wegen Hochverrats, hat das Todesurteil zur Strafe. Freut euch das? Hasst ihr mich so sehr? Habt ihr Toren noch nicht verstanden, dass das keine Rolle spielt? Ich bin euer Fürst, der Fürst des Ostclans! Ihr seid auf ewig an mich gebunden! Wenn ich sterbe, dann werdet ihr auch sterben. Mit meinem Tod wird der gesamte Ostclan zugrunde gehen. Wollt ihr das? Seid ihr lieber tot als mir zu dienen, ihr und eure Familien? Dann nur zu! Lasst sie das Urteil vollstrecken und seht dann dabei zu, wie nach und nach jeden eurer Lieben das Leben verlässt.“ Auf diese Worte folgt betretendes Schweigen. Die Ostyoukais blicken starr zu Boden und mühen sich um Selbstbeherrschung, doch nicht jedem gelingt es. Vereinzelt ist Klagen oder Schimpfen zu hören doch der Großteil der Krieger verfällt in resignierte Lethargie. Nachdem er auf diese Weise seinen Standpunkt ein weiteres Mal klargemacht hat, wendet sich Arashitsume wieder wütend funkelnd Sesshomaru zu. „So, reden wir einmal Klartext! Ihr mögt mich vielleicht schuldig gesprochen haben. Sei es drum! Ich habe keinesfalls die Absicht mich hinrichten zu lassen und solltet Ihr nur irgendetwas in dieser Richtung versuchen, dann wird mein Hauptmann augenblicklich diesen beiden jämmerlichen Kreaturen da den Hals umdrehen. Und Ihr wisst, er hat keine Wahl, er muss gehorchen. Haben wir uns verstanden?“ Doch kaum sind diese Worte verhallt, da bricht Yarinuyuki in lautes Gelächter aus. „Oh, wie armselig Ihr doch seid, Arashitsume!“, ruft sie geringschätzig, „Dafür, dass Ihr von Euch behauptet so klug zu sein, verhaltet Ihr Euch im Angesicht des nahen Todes, erschreckend dumm. Der Rat hat Euch offiziell des Hochverrats für schuldig befunden. Wie sich herausgestellt hat, habt Ihr inzwischen nicht nur meinen Vater auf dem Gewissen, sondern auch so ziemlich jeden der Fürst Sesshomaru jemals etwas bedeutet hat“, sie schenkt dem Ostfürst ein genüssliches Grinsen, „Wir beide durften bereits miterleben, wie zornig Ihr ihn damit gemacht habt. Ich muss gestehen, ich kann es ihm nicht verdenken. Ihr seid und ward immer schon ein Schleimer! Wie könnt Ihr auch nur im Traum daran denken, ihn mit diesen beiden niederen Kreaturen erpressen zu wollen? Im Gegensatz zu Personen seiner Klasse und seines Blutes, was können sie ihm schon bedeuten? Macht Euch also nicht lächerlicher als ohnehin schon. Findet Euch gefälligst damit ab! Eure Strafe wird der Tod sein, und nichts was Ihr tut, wird irgendetwas daran ändern.“ „Nein!“ Ruckartig fliegt Yarinuyukis Kopf zu Sesshomaru herum. Der sonst so jugendlich wirkende Daiyoukai steht mit gesenktem Kopf da. Seine Brust hebt sich langsam und kontrolliert und unter seinen Augen liegen tiefe, dunkle Ringe. Zum ersten Mal erscheint der Fürst des Westens der Nordfürstin wie ein Häuflein Elend und das erstaunt sie im höchsten Maße. Doch es verunsichert sie auch. Ihr Blick fliegt von Sesshomaru hinüber zu Arashitsume und an dessen offen feindseligen Grinsen erkennt sie, dass hier anscheinend wieder einmal etwas von Statten geht, dass sich ihrem Wissen entzieht. Sehr angetan ist sie nicht davon. „Was soll das heißen?“, faucht sie erbost zu Sesshomaru hinüber, „Der Verräter hat den Tod verdient und Ihr lasst Euch erpressen? Milde stimmen? Ihm gegenüber? Wegen... denen?“, verächtlicher kann ein Fingerzeig kaum sein. Langsam hebt Sesshomaru den Kopf. Sein Gesicht ist bleich. Doch dann antwortet er: „Nein, ich wollte nur sagen, dass der Tod für dieses Vergehen... für diese... Kreatur“, und das Wort trieft vor Verachtung, „noch weit nicht genug ist!“ Nun hebt Yarinuyuki doch noch erstaunt die Brauen. „Was schlagt Ihr stattdessen vor? Folter? Verstümmelung? Jahrelange Qualen während er an seinen Eingeweiden von der höchsten Zinne unserer Berge baumelt?“, sie scheint sichtlich an dieser Vorstellung Gefallen zu finden. Doch Sesshomaru schüttelt den Kopf. „Nein. Diese Person besitzt keine Ehre. Jeder Versuch der Urteilsvollstreckung würde damit enden, dass unschuldige Personen zu Schaden kommen und das ist... nicht im Sinne der Gesetze unserer Vorväter.“ Täuscht Inu Yasha sich, oder hat sein Bruder für einen kurzen Moment zu ihm hinüber gesehen? „Wie auch immer“, fährt Sesshomaru fort, „Wenn wir versuchen würden ihn zu töten, oder anderes mit ihm anzustellen, und bei allen Göttern, es hat mich noch nie zuvor so sehr in den Klauen gejuckt“, grimmig beißt der Daiyoukai die Zähne zusammen, „Würde er doch nur seine Soldaten vorschicken und es würde unweigerlich zum Krieg kommen, den wir bisher schon unter solch großen Entbehrungen zu verhindern suchten.“ Yarinuyuki verzieht ungeduldig das Gesicht: „Ich frage noch mal: Was schlagt Ihr stattdessen vor?“ „Ihn dort zu treffen, wo es ihm wirklich wehtut!“, antwortet Sesshomaru ernst. „Ich verstehe nicht“, meint Yarinuyuki. Sesshomaru strafft sich. „Ich stimme dafür, dass Arashitsume, Sohn des Inu Taiarashi hiermit vom Hohen Rat der Inuyoukai wegen Hochverrats und höchst unehrenhaftem Verhalten, die Fürstenwürde entzogen wird!“ Arashitsume klappt die Kinnlade runter. „Das wagt ihr nicht!“ Yarinuyuki macht ein langes Gesicht: „Die Fürstenwürde entzogen? Was soll das denn für eine Strafe sein?“ Es ist überdeutlich, dass sie mit wesentlich mehr Blutvergießen gerechnet hat. Doch der Ostfürst fletscht grimmig die Zähne: „Das könnt ihr nicht tun! Dazu habt ihr kein Recht!“ „Wir sind der Hohe Rat!“, stellt Sesshomaru frostig klar, „Wir sind die höchste Instanz die unsere Rasse kennt. Selbstverständlich können wir das tun!“ „Ihr könnt nicht einfach einen Fürsten abwählen!“, schreit Arashitsume ungehalten. Wo kämen wir denn da hin? Welcher Herrscher könnte dann noch je Bestand haben?“ Doch Sesshomaru ist unerbittlich: „Deshalb greift dieses Urteil auch nur bei Fürsten, dessen Volk nicht für ihn spricht. Welchen Wert hätte schon der Verlust eines offiziellen Titels, wenn das Volk hinter ihm steht. Ein Fürst ist nichts, ohne sein Volk! Vielleicht begreift Ihr es nun.“ Mit Genugtuung beobachtet Sesshomaru wie Arashitsume nach Luft schnappt. Noch ehe der Ostfürst sich wieder sammeln kann, beschließt Sesshomaru dessen Demütigung perfekt zu machen. Hoch aufgerichtet wendet er sich an die umstehenden Ostyoukai. „Gibt es hier jemanden, der für diesen Fürsten spricht? Steht dieser Clan zu seinem Anführer?“ „Nein, das tut er nicht!“ Überrascht gehen sämtliche Köpfe herum. Am Ende des Trümmerfeldes sehen sie eine zerschundene Person auf sie zuhinken. Es ist Yaeba. „Dieser Fürst hat seinem Volk Schande bereitet. Wir begrüßen die Entscheidung des Hohen Rates und werden sie tolerieren.“ Aufgeregtes Murmeln ist die Folge. „Hat irgendjemand hier Einwände vorzubringen?“, fragt Sesshomaru ungeniert weiter, ohne das plötzliche Auftauchen des alten Kriegers näher zu beachten. „Oh, ja! Ich habe allerdings Einwände!“, platzt Arashitsume wütend heraus. „Ihr seid nicht gefragt!“, antwortet Sesshomaru eisig und fährt fort, „Da es niemanden gibt der diesem Fürst die Treue hält, ergeht nun die Aufforderung an den hohen Rat, Fürst Arashitsume offiziell seines Amtes zu entheben, als Strafe für seine schweren Vergehen.“ „Hmpf, von mir aus!“, schnaubt Yarinuyuki abfällig und verschränkt schmollend die Arme. „Warum gebt Ihr Euch damit zufrieden, Yarinuyuki-hime“, mischt sich Itakouri ärgerlich ein, „Dieser Bastard hat Euren Vater auf dem Gewissen. Er hat den Tod verdient. Lasst ihn nicht davonkommen!“ Doch der aufgebrachte Nordyoukai wird geflissentlich ignoriert. „Stimmst du ebenfalls dafür, Inu Yasha?“ Der Hanyou blickt überrascht auf. Die Worte seines Bruders klingen für seine Verhältnisse fast schon sanft. Ein wenig unwohl ist ihm schon unter dem direkten Blick seines Bruders und ihm wird klar, dass Sesshomaru zum ersten Mal bewusst darauf Bezug nimmt, dass auch er Teil des Rates ist. Inu Yasha kann sich nicht helfen aber er hat ungewollt einen dicken Kloß im Hals. „Ja, natürlich!“, ist alles was er herausbringt. „Nun gut“, Sesshomaru strafft sich, „Der Rat hat eine einstimmige Entscheidung getroffen. Damit ist das Urteil rechtskräftig und tritt von diesem Moment an in Kraft.“ Der Daiyoukai aus dem Westen wendet sich mit einem verachtenden Blick an Arashitsume: „Der Hohe Rat der Inuyoukai hat dir hiermit alle Titel und Rechte deiner Fürstenwürde entzogen. Von nun an bist du nicht länger Teil des Rates und hast keinen Anspruch mehr auf Mitbestimmung oder auf Respektsbekundung. Außerdem ist es dir untersagt den Titel „Fürst“ für dich zu beanspruchen. Da es sich hier um ein offizielles Urteil handelt, bleibt dies bestehen, solange deine armselige Existenz andauern mag!“ Arashitsume macht ein Gesicht, als hätte man ihm eine heftige Ohrfeige verpasst. Sprachlos starrt er die anderen Fürsten an. Und zum allerersten Mal sieht man den Daiyoukai aus dem Osten erbleichen. Er muss schwer schlucken und sein Blick geht langsam in die Runde. Die Ostyoukais werfen ihm verächtliche und feindselige Blicke zu und vereinzelt werden die Zähne gefletscht und die Waffen fester gepackt. Gehetzt fliegt sein Blick wieder zu Sesshomaru zurück und seine Miene verzieht sich nun langsam zu einer hasserfüllten Fratze. „Das könnt ihr nicht machen!“, kreischt er, „Ich bin der Fürst! Ich bin der Fürst, verdammt! Ich hab viel zu lang darauf gewartet und viel zu viel geopfert, als dass ich mir das jetzt so einfach kaputt machen lasse!“ „Wage es ja nicht, von Opfern zu sprechen!“, Sesshomarus Stimme hat Grabeskälte, „Indem du behauptest, deine Schwester oder dein Neffe hätten dir auch nur irgendetwas bedeutet, beschmutzt du ihr Andenken!“ „Das büßt du mir, Sesshomaru!“, faucht Arashitsume schneidend, „Das wird Konsequenzen haben, die dir garantiert nicht gefallen werden! Ich hatte dich gewarnt, etwas zu unternehmen! Raimeimaru!“, er wirbelt zum Hauptmann des Ostclans herum, „Na los, töte die zwei! Auf der Stelle!“ Der angesprochene Ostyoukai rührt keinen Muskel. Einen langen Moment scheint er zu überlegen und es macht den Anschein, als versuche er in sich hineinzuhorchen. Dann hebt er den Kopf. In seinem Blick liegt Müdigkeit und auch Traurigkeit. Und dann ganz langsam lässt er die beiden Gefangenen in seinen Händen los. Ein wenig unsanft plumpsen die beiden zu Boden, doch zumindest macht der Youkai keine Anstalten ihnen Schaden zufügen zu wollen. „Verzeiht, Arashitsume-sama!“, sagt er leise, „Das ist nicht mehr meine Pflicht. Ich hatte nur Pflichten meinem Fürsten gegenüber und nun habe ich keine Pflichten mehr.“ Arashitsume macht ein Gesicht als hätte ihn der Schlag getroffen. Ein tiefes Knurren erklingt in seiner Kehle. „Sicher merkt Ihr es bereits“, erklingt nun Yaebas ruhige Stimme. Arashitsumes Kopf ruckt schlagartig herum und schenkt dem alten Youkai ein grimmiges Zähnefletschen. Doch Yaeba fährt fort: „Die Stille in Eurem Kopf, die Leere in Eurem Herzen. Ihr seid nicht mehr Fürst. Der Herrschaftsbann ist fort. Der Ostclan ist Euch nicht länger auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Sie müssen Euch nicht länger gehorchen. Seht es endlich ein, dass Ihr als Fürst versagt habt. Hanaki hatte mit allem Recht. Sie war klüger als Ihr. Sie hat schon früh erkannt, was das Wichtigste ist, wenn man für sich beansprucht Fürst zu sein. Man darf sich niemals mit dem Titel allein zufriedengeben, die Fürstenwürde trägt die schwerste Bürde von allen Titeln mit sich. Das Wohlergehen und die Loyalität des Volkes. Deshalb sind auch nur die wirklich an Körper, Geist und Seele starken Daiyoukai zum Fürsten geschaffen. Jeden anderen wird dieses Amt sonst irgendwann vernichten.“ „Es war eine weise Entscheidung von ihr, ihren Sohn zu Fürst Sesshomaru zu schicken. Nach ihrem Tod, wo sonst hätte er lernen können, was es bedeutet Fürst zu sein? Sie wusste immer, dass es sein Schicksal wäre, einmal zu herrschen und dass Euch eines Tages Eure Eitelkeit zu Fall bringen würde. Und sie wusste, wenn sie Tenmaru unter diesen Umständen zu seinem Vater schicken würde, dann würden die Dinge in Gang kommen. Dann würde sich alles ändern. Es war das Letzte was sie für ihren Clan tun konnte. Sie war dem Osten bis in den Tod treu. Ein Umstand mit dem bei Euch wohl eher nicht zu rechnen ist.“ Mit diesen Worten packt der alte Krieger seinen Speer fester und macht einen Schritt auf Arashitsume zu. Auch die umstehenden Ostyoukai beginnen nun langsam und mit eindeutiger Absicht damit, den Kreis um ihren ehemaligen Fürsten enger zu ziehen. Gehetzt blickt Arashitsume sich um. Er wirkt sehr nervös und sein Gesicht ist bleich. Ein paar mal schnauft er heftig doch dann kehrt schlagartig die Kälte in seinen Blick zurück und seine Kiefer sind grimmig aufeinandergepresst. „Es ist noch nicht vorbei!“, grollt er leise und so schnell, dass man es kaum noch mit den Augen verfolgen kann, hat der Daiyoukai die Stelle verlassen, an der er noch eben gestanden hat und ragt nun direkt vor Raimeimaru auf. Mit einer blitzschnellen Bewegung seiner scharfen Klauen schlägt er zu und die Wucht des Schlages zerteilt den überrumpelten Krieger vernichtend in zwei Hälften. Doch den Umstehenden bleibt keine Zeit zu reagieren, denn noch in der selben Bewegung rammt der harte Tritt des ehemaligen Fürsten, den kleinen Krötenyoukai zu seinen Füßen tief in den Boden und seine schlanken, mit langen, scharfen Klauen bestückten Finger schließen sich grazil um den Hals des kleinen Menschenmädchen vor ihm, die andere Hand zieht die erschrockene Kleine zu sich heran und hält sie dort wie in einem Schraubstock fest. Das Ganze hat kaum zwei Sekunden gedauert. Nun hebt Arashitsume den Kopf und starrt Sesshomaru direkt an. Sein ehemals so ebenmäßiges Gesicht ist nun von Hass zerfressen. „Ich sage das nur ein einziges Mal! Wenn irgendjemand hier versuchen sollte, Hand an mich zu legen, werde ich dem Menschenkind augenblicklich das Genick brechen!“ „Gib es auf!“, ruft Yarinuyuki spöttisch, „Ich sagte doch bereits, dass du Sesshomaru damit nicht erpressen kannst. Wen schert schon das Leben eines Menschen? Nach all deinen Morden, steht nun dein eigenes Leben auf Messers Schneide. Dafür brauch ich die Gedanken deiner Leute nicht lesen können“, sie lächelt hämisch, „Sie sind offensichtlich. Und nach all dem was du ihm angetan hast, wird Sesshomaru sie sicherlich nicht daran hindern. Nicht wahr, Sesshomaru?“ Sie wendet sich zu dem Daiyoukai aus dem Westen um. Mit weit geöffneten Augen steht Sesshomaru da. Seine zerfetzten Kleider hängen noch immer an ihm herab. Wo seine Haut durch die Risse zu sehen ist, klaffen tiefe Schnitte und Wunden. Seine langen Haare sind noch immer in wüster Unordnung und verklebt mit Blut und Schweiß. Möglichst beherrscht atmet er ein und aus, doch wenn man genau hinsieht, scheinen seine Finger leicht zu zittern und seine Unterlippe zu zucken. Die Unruhe die ihn beherrscht, ist ihm direkt anzusehen. Inu Yasha beobachtet Sesshomaru genau. Sein Bruder scheint fieberhaft einen Ausweg aus dieser misslichen Lage zu suchen. Seine Gesichtszüge sind für seine Verhältnisse in geradezu reger Bewegung, während er angestrengt nachdenkt. Doch zu Inu Yashas Verblüffung wird Sesshomarus Miene mit jedem Augenblick der vergeht mutloser, und der Hanyou bemerkt, dass sein Bruder mehrmals schwer schlucken muss. Eine solch deutliche Ratlosigkeit hätte er sich früher niemals ansehen lassen. Inu Yasha beißt die Kiefer aufeinander. Er spürt einen harten Klumpen in seiner Magengrube und er braucht eine kleine Weile bis ihm klar wird, dass es Mitleid ist. Mitleid mit seinem Bruder, der nach all dem was er heute schon erleiden musste, nun vor eine weitere unlösbare Aufgabe gestellt wird. Inu Yasha zuckt es in den Fingern. Er würde seinem Bruder wirklich gerne helfen, und obwohl ihn diese Tatsache ziemlich überrascht, so ist ihm doch gleichzeitig klar, dass er diesmal rein gar nichts für Sesshomaru tun kann. Er wirft einen abschätzenden Blick in die Runde. Yarinuyuki wartet noch immer auf die Antwort ihrer Frage. Natürlich hat sie keinen Schimmer in welcher Klemme Sesshomaru gerade steckt. Wie könnte sie auch verstehen, was dieses kleine, wehrlose Menschenmädchen gerade in diesem Augenblick für seinen Bruder bedeutet? Natürlich kann sie es nicht. Die Fürstin des Nordens nähert sich langsam dem Ende ihrer Geduld. „Wollt Ihr nichts dazu sagen, Sesshomaru?“, schnaubt sie ungeduldig, „Ich kann nicht begreifen, dass Ihr immer noch zögert.“ Auch Arashitsume wirft einen Blick in die Runde und beobachtet die sich langsam nähernden Ostyoukai argwöhnisch. „Sesshomaru!“, richtet er wieder scharf das Wort an den Daiyoukai, „Glaubst du, ich mache Scherze? Es wäre besser, wenn du dafür sorgen würdest, dass keiner von diesen Würmern mir zu nahe kommt, sonst reiß ich der Kleinen den Kopf ab!“ Unsanft packt er das Mädchen fester, dass inzwischen am ganzen Leib zittert. Spitz bohren sich die langen Klauen in ihre Haut. Ein Wimmern entfährt ihr unter ihrem Knebel und die Tränen laufen ihr über das Gesicht. Sesshomaru steht da wie zur Salzsäule erstarrt. Er rührt keinen Muskel und er ballt die Hand hart zur Faust, doch sein Blick ist unverwandt auf Rin gerichtet. „Noch immer unschlüssig?“, ruft Arashitsume gehässig, „Vielleicht ändert das ja deine Meinung.“ Mit einer raschen Handbewegung löst Arashitsume den Knebel der Kleinen. Das Resultat folgt umgehend. „Sesshomaru-sama!“, die kleine Rin ist in Tränen aufgelöst, „Hilf mir! Er tut mir weh!“ Unwillkürlich setzt Sesshomaru seinen Fuß einen halben Schritt vor, aber im selben Moment bringt er seinen Körper wieder unter Kontrolle und erstarrt erneut. Doch die Bewegung ist Arashitsume nicht entgangen. „Versuch gar nicht erst es zu verbergen!“, meint er spöttisch, „Ich weiß ganz genau, was sie dir bedeutet?“ „Was soll das heißen?“, fragt Yarinuyuki scharf nach, „Was faselt der Kerl?“ Doch Arashitsume redet schon weiter: „Einer der Vorzüge Fürst des Ostclans zu sein, ist es, dass mir in meinem Palast kein Gedanke verborgen bleiben kann. Dazu muss der Betreffende nicht einmal zu meinem Volk gehören. Und die Gedanken dieses Mädchens waren wirklich sehr aufschlussreich.“ Er grinst verächtlich. „Wie es scheint, hältst du dir da eine sehr illustre Reisegruppe. Ich habe nie begriffen, was deine Familie an solch schwächlichen Wesen wie Menschen findet, aber Tatsache ist, dass dieses Kind dich vergöttert. Und nach dem was ich in ihren Gedanken gesehen habe, sind deine Gefühle für sie stärker als sie es deinem Stand nach sein sollten. Wie erbärmlich!“ Langsam und mit blitzenden Augen wendet sich Yarinuyuki Sesshomaru zu. „Ist das wahr?“, fragt sie scharf, „Ihr hegt Gefühle für dieses Ding? Ihr, ein Daiyoukai, ein Fürst habt Gefühle für einen Menschen? Noch dazu so ein dürres, kleines Balg?“, sie schnaubt aus, „Das ist albern! Sie ist nicht mal eine Frau. Ihr werdet wohl kaum das Bett mit ihr teilen. Wozu soll sie gut sein?“ „Na, was glaubst du wohl!“, ruft Arashitsume geringschätzig zu Yarinuyuki hinüber, „Ist das nicht offensichtlich? Sie ist sein Mündel!“ „Whäh!“, angewidert wendet sich Yarinuyuki ab, „Das ist ja ekelhaft! Und vor allem dumm! Da könnte man ja auch eine Ratte oder einen Baum als Mündel bezeichnen“, sie wendet sich wieder an Sesshomaru, „Bitte sagt mir, dass er unrecht hat. Sicher seid Ihr nicht so tief gesunken.“ Doch Sesshomaru antwortet nicht. Starr blickt er an ihr vorbei hinüber zu Rin und Arashitsume. Dieser schaut sich erneut kritisch um. Die Ostyoukai um ihn machen noch immer einen mordlustigen Eindruck. Auch wenn sie gerade noch den Ausführungen ihres ehemaligen Fürsten gelauscht haben, bewegen sie sich jetzt wieder auf ihn zu. „Also was soll nun werden, Sesshomaru?“, fragt Arashitsume ernst, „Es liegt ganz an dir? Ist dir das Kind hier tatsächlich so gleichgültig wie du tust? Ist dir deine Rache wirklich so wichtig? Kannst du wirklich mit der Tatsache leben an einem Tag gleich zwei Kinder verloren zu haben?“ Schweigend steht Sesshomaru da. Für einen Moment scheint er leicht zu schwanken und sein Gesicht hat nun jede Farbe verloren. Erneut muss er schwer schlucken. Doch dann kneift er kurz die Augen zusammen und beißt hart die Kiefer aufeinander. „Wartet!“, sagt er leise. „Wie bitte?“, bohrt Arashitsume genüsslich nach, „Ich glaube, das haben nicht alle verstanden.“ Sesshomaru hebt den Kopf. Ein ernster Blick geht zu den Ostyoukai hinüber. „Ich sagte, ihr sollt warten!“, sagt er laut, „Niemand rührt den Bastard an, es sei denn, er will sich vor mir verantworten.“ Sofort tritt Yarinuyuki an ihn heran. „Sesshomaru!“, zischt sie wütend, „Ihr beschämt Euch! Und mich dazu! Ihr lasst Euch tatsächlich von ihm manipulieren? Habt Ihr keine Würde mehr? Mir kann ja gleich sein, welchen Marotten Ihr nachgeht, aber dass eine von ihnen schwerer wiegen sollte als Eure Würde“, sie schüttelt demonstrativ den Kopf, „das will ich nicht akzeptieren! Mag sein, dass Ihr an dem Mädchen hängt, aber Ihr seid ein Fürst! Ihr habt Verantwortung und eine Stellung zu wahren.“ Sie atmet einmal tief durch, dann wird ihr Blick wieder fest. „Verzichtet nicht auf Eure Rache, auf die Gelegenheit zur Vergeltung für den Tod Eures Sohnes und meines Vaters, für ein kleines, erbärmliches Menschenmädchen! Sie ist ersetzbar. Ihr könnt Euch jederzeit eine neue suchen, wenn Ihr wollt. Gebt sie auf!“ Einen langen Moment scheint Sesshomaru zu zögern, doch dann wendet er Yarinuyuki langsam den Kopf zu. Sie stutzt. Der Fürst des Westens sieht schrecklich müde aus. Fast hat es den Anschein, als hätte den Daiyoukai jeder Kampfgeist verlassen. „Yarinuyuki-sama“, sagt er leise, „Ich habe heute meinen Sohn verloren, weil mir mein Stolz, meine Würde und mein Ansehen wichtiger war, als zu ihm zu stehen.“ Er atmet noch einmal tief durch, dann sagt er: „Das war ein Fehler! Ich werde nicht versuchen diesen Fehler dadurch zu beheben, indem ich einen weiteren begehe.“ Empört reißt Yarinuyuki die Augen auf. „Sesshomaru! Ihr gebt ihm recht? Ihr bestätigt was dieser elende Verräter behauptet? Ihr lasst einen Hochverräter, den Mörder meines Vaters, Eurer Geliebten, Eures Sohnes entkommen, wegen eines Menschen?“ Doch eine gereizte Geste Sesshomarus wehrt ihre Worte ab. „Ich habe entschieden! Belassen wir es dabei. Ich habe kein Interesse dies weiter zu erörtern.“ Grollend funkelt die Nordfürstin ihn an: „Oh, das wir Euch noch leidtun, Sesshomaru!“ „Das tut es schon jetzt bereits!“ Überrascht gehen die Blicke nun zu der schwachen Stimme hinter ihnen, von der diese Worte stammen. Dort am Boden liegt Kossoridoku. Schwach hebt er den Kopf und blickt zu Sesshomaru hinüber. „Ihr leidet! Noch vor kurzem hätte mich das vielleicht noch gefreut, aber jetzt“, er zögert einen Moment, „jetzt bedaure ich es nur noch, dass ich an diesem Umstand einen so großen Anteil hatte. Ich weiß, mein Bedauern hat keinerlei Wert nach allem was ich getan habe, aber vielleicht kann ich verhindern, dass Euer Leid noch weiter andauert.“ Mit diesen Worten legt sich ein klares Leuchten um Kossoridokus Körper das immer mehr an Intensität zunimmt. „Falls Euch das noch irgendetwas bedeutet, ich bin stolz darauf, Euer Lehrer gewesen zu sein und auf das, was aus Euch geworden ist. Und ich glaube, ich verstehe endlich auch Euren Vater und warum er mir so viel Vertrauen entgegen brachte. Denkt nicht zu schlecht von mir, Sesshomaru-sama, und macht Euch bereit!“ Und dann tritt urplötzlich ein heftiger Ausdruck von Anstrengung und Schmerz auf sein Gesicht. Und im selben Augenblick reißt Dokutoge die Augen auf. „Nein!“, ruft er erschrocken, „Tu es nicht, Kossoridoku! Reisen in Energieform ist Daiyoukai vorbehalten! Es wird dich zerreißen!“ Doch der Youkai achtet nicht auf seinen Vater, und dann geht alles ganz schnell. An der Stelle wo eben noch der schwer verletzte Youkai lag, hängt nun für einen kurzen Moment eine bläuliche Lichtkugel in der Luft. Doch nicht für lange, denn fast im selben Augenblick schießt die Kugel aus Licht direkt auf den ehemaligen Ostfürsten und seine Geisel zu, und kaum hat sie sie erreicht, umschließt der bläuliche Schein das kleine Mädchen von Kopf bis Fuß. Fassungslos hat Arashitsume das Geschehen beobachtet und doch begreift er zu spät, was die Absicht dieser Einmischung ist. Einen Angriff erwartend reagiert er reflexartig und seine Klauen schließen sich kraftvoll und tödlich um Rins Hals, doch nichts geschieht. Das kleine Mädchen atmet weiter und ihr zarter Hals befindet sich an eben der Stelle an der er sein sollte. Lediglich ein schmerzhafter, körperloser Schrei ist zu hören. Ungläubig starrt der ehemalige Ostfürst auf das Kind in seinen Krallen und ebenso ungläubig lässt er sie los. Jedoch rammt er unmittelbar darauf seine klauenbewehrte Hand direkt in ihre Brust. Doch der Effekt den er damit erzielt, ist anders als erwartet. Statt das Kind zu durchbohren, findet sich der Daiyoukai des Ostens kurz darauf ziemlich unsanft auf den Boden geschleudert wieder. Ein weiterer körperloser Schrei ist zu hören und dann verfliegt die bläuliche Aura um das Kind in einem wehleidigen Hauchen und verschwindet dann ganz. Mit nassem Gesicht blickt sich Rin zu ihrem Peiniger um, doch der liegt noch immer am Boden und blickt etwas verwirrt zu ihr hoch. Aber nicht für lange, denn nur einen Augenblick später ragt neben ihr ihr so hoch geschätzter Herr und Meister auf. Im selben Moment noch zieht er seine Waffe und nur einen Wimpernschlag später geht das Schwert auch schon auf seinen verhassten Gegner nieder, der sich jedoch aus einem Reflex heraus im allerletzten Moment zur Seite rollen kann und dann in einer geschmeidigen Bewegung wieder auf die Füße kommt. Das alles hat kaum fünf Herzschläge gedauert. Wütend belauern sich die beiden Daiyoukai nun, während Sesshomaru bemüht ist, sich zwischen Arashitsume und seinem Schützling zu halten. Der ehemalige Ostfürst lässt jegliche überlegene Gelassenheit vermissen. Stattdessen fletscht er die Zähne und nimmt eine eindeutige Kampfhaltung ein. „Hast du es letztlich so wie du es wolltest, Sesshomaru?“, zischt er giftig, „Nur wir beide, du und ich, ja?“ Sesshomaru lässt den Daiyoukai keinen Moment aus den Augen. „Rin!“, sagt er, ohne den Blick abzuwenden, „Geh zu Inu Yasha und seinen Freunden hinüber und bleib da! Sie werden dich mit ihrem Leben beschützen.“ Der letzte Satz dient wohl gleichermaßen als Beruhigung für das Mädchen, wie auch als Androhung der Konsequenzen, sollten die Betreffenden seine Worten Lügen strafen. „Wie rührend!“, meint Arashitsume verächtlich, „Noch immer um das Wohl der Kleinen besorgt. Und gerade mir wird die Fürstenwürde aberkannt? Was für eine Farce! Dabei verdienst du sie noch viel weniger als ich. Du, der du deine ganze Rasse verrätst indem du einen Menschen über dein Volk stellst. Aber deine Familie war ja schon immer so weich. Ich verachte dich zutiefst!“ Mit erhobenem Schwert bewegt sich der Westfürst nun langsam auf ihn zu. „Erinnerst du dich noch daran, was ich dir bei unserem letzten Abschied sagte?“, Sesshomarus Miene ist eine steinerne Fassade, „Wenn du nicht mich als Gegner hast, dann hast du Glück! Doch dein Glück hat dich jetzt endgültig verlassen.“ Angewidert würgt Arashitsume und dann spuckt er verächtlich aus: „Glück? Wer redet von Glück? Es ist dieser ganze erbärmliche Edelmut, der dir bisher in die Finger gespielt hat. Irgendwie scheinen sie alle dich zu lieben und weiß der Teufel warum. Du bist noch immer ein Kind. Ein Kind dass von seinen Gefühlen und Trieben gesteuert wird, das die Ideale unserer erlesenen Rasse mit Füßen tritt. Dessen gesamter Familie die Zuneigung zu einem Menschen zum Verhängnis wird. Und trotzdem erkennt niemand dein wahres Gesicht. Alle küssen dir die Füße, genau wie meiner Schwester. Es war mir eine solche Genugtuung das Miststück umbringen zu lassen, das glaubst du gar nicht, denn sie hasse ich fast ebenso sehr, wie ich dich hasse, Sesshomaru! Ich hasse dich so sehr, dass es schon schmerzt!“ Nun kehrt ein dünnes kleines Lächeln auf Sesshomarus Gesicht zurück. „Das ist das allererste Mal, dass ich jedes Wort glaube, dass aus deinem elenden Schandmaul kommt!“ Doch dann verhärtet sich seine Miene wieder. „Hasse mich so viel du willst. Das Letzte was du jemals fühlen wirst, werden meine Zähne sein, die deinen Körper zerfetzen!“ Und im gleichen Moment beginnt die Aura um Sesshomaru aufzuflammen und entfacht dabei einen regelrechten Orkan, in dessen Zentrum sich die Gestalt des Daiyoukais nun zunehmend verändert und sich letztlich wieder in einen riesigen, weißen Hund verwandelt. Kapitel 60: Vollstreckung ------------------------- Mit einem grimmigen Knurren und gefletschten Zähnen steht jetzt statt dem schlanken Daiyoukai aus dem Westen ein massiger, weißer Dämonenhund da. Doch Arashitsume ist darauf vorbereitet. Es vergehen nur wenige Sekunden, bis auch er wieder seine wahre Gestalt angenommen hat. Und nun stehen die beiden gewaltigen Hunde einander gegenüber und belauern sich. Selbst noch unter dem dichten Fell zeichnen sich kräftige Muskelspiele ab und ein tiefes kehliges Knurren ist von den beiden zu hören. Jeder wartet nur auf einen unachtsamen Augenblick des anderen, um zum Angriff überzugehen. Kagome und die anderen beobachten es mit zunehmender Besorgnis. Der Daiyoukai aus dem Osten überragt Sesshomaru um etwa einen Schritt und zudem ist er, Sesshomaru gegenüber, auch durch den Mangel des Handicaps eines fehlenden Armes im Vorteil. Doch Sesshomaru lässt durch nichts erkennen, dass ihn das irgendwie stören würde. Jetzt in seiner wahren Gestalt erkennt man auch wieder die zahlreichen, tiefen Wunden die noch vom Kampf mit seinem Bruder stammen. Zwar bluten sie nicht länger, doch die Schnitte überziehen auch viele empfindliche Teile wie Pfoten und Schnauze und es ist schwer vorstellbar, dass diese tiefen Verletzungen nicht schmerzhaft sind. Das einzig Beruhigende dabei ist jedoch, dass auch Arashitsume nicht mehr ganz taufrisch ist. Auch der ehemalige Ostfürst hat zahlreiche Verletzungen von seinem Kampf mit Yaeba davongetragen, wenn diese wohl auch bei weitem nicht so schwerwiegend sind wie die von Sesshomaru. Auch Yarinuyuki beobachtet die beiden Daiyoukai mit verschränkten Armen. Was sie denkt ist ausnahmsweise mal nicht zu erkennen. „Ihr hättet ihn einfach angreifen sollen!“, vernimmt sie auf einmal die missmutige Stimme ihres Hauptmanns hinter sich. Ihre Augen werden schmal und langsam dreht sie sich zu ihm um. „Was sagst du da?“, fragt sie gefährlich. Itakouri trotzt ihrem Blick. „Arashitsume. Ihr hättet ihn eben angreifen können und habt es nicht getan. Stattdessen habt Ihr nur abgewartet, dass Sesshomaru sein Geplänkel mit ihm beendet“, der Youkai bebt vor unterdrücktem Ärger, „Habt Ihr vergessen weshalb wir hierher gekommen sind? Ihr wolltet Vergeltung für den Tod Eures Vaters. Warum überlasst Ihr nun so bereitwillig Sesshomaru diese Aufgabe? Wie laut habt Ihr vor Euren Leuten getönt, dass Ihr die Ermordung Eures Vaters eigenhändig rächen wollt. Wir alle haben hinter Euch gestanden. Und nun? Nun tretet ihr dieses Vorrecht an einen anderen ab. Ihr brecht damit alle Traditionen. Wollt Ihr Euer Gesicht verlieren? Wollt Ihr Euer Volk verra...?“ Doch er kommt nicht mehr dazu den Satz zu beenden. Blitzschnell hat Yarinuyukis Klaue seinen Hals gepackt und quetscht ihm nun unbarmherzig die Luftzufuhr ab, während der dreiste Youkai ein Stück über dem Boden an ihrem Arm baumelt. Wild blitzt sie ihn an und dann grollt sie mit Grabeskälte: „Ich verrate mein Volk niemals! Du elendes, kleines Großmaul verstehst absolut nicht, was hier vor sich geht. Fürst Sesshomaru hat seine Gefährtin und seinen Sohn verloren, ich nur meinen Vater. Sein Anspruch wiegt schwerer als meiner. Ich lasse ihm den Vortritt. Und solltest du jemals wieder meine Integrität anzweifeln, wird es mir ein Vergnügen sein, dir jeden Knochen einzeln zu brechen!“ Mit diesen Worten lässt sie den zappelnden Youkai grimmig zu Boden plumpsen. Itakouri hustet und reibt sich den Hals. Zwar funkelt er noch immer verstimmt zu seiner Herrin hinauf, doch er zieht es vor, seinen Mund zu halten. Jedes weitere Wort ist ohnehin überflüssig, denn wie auf ein unsichtbares Zeichen, gehen gerade jetzt die beiden gewaltigen Hunde zum Angriff über und springen aufeinander los. Der Knall, als die energiegeladenen, wütenden Auren der beiden Kontrahenten aufeinandertreffen, ist so laut, dass er Kagome und ihren Freunde für ein paar Sekunden das Gehör betäubt. Ein wüster Sturm hat sich jetzt in dem kleinen Kessel unter ihnen, der früher den Ostpalast beherbergte, gebildet und mit jeder mächtigen Tatze die den Boden erschüttern lässt, wird einem klar, weshalb man sich besser niemals in den Kampf zwischen zwei wahren Daiyoukai einmischen sollte. Wenn Kagome schon dachte, dass der Kampf zwischen Arashitsume und Yaeba erschreckend war, dann wird sie jetzt eines Besseren belehrt. Dieser Kampf findet auf einem völlig anderen Level statt. Mit ohrenbetäubendem Gebell und grell funkelnden Augen stürzen die beiden sich immer wieder auf ihren verhassten Gegner, in dem Versuch dem anderen so viel Schaden wie irgend möglich zuzufügen. Mit gebleckten Lefzen umtänzeln sich die beiden. Erneut wagt Arashitsume einen Ausfall und entgeht dabei nur um ein Haar den kräftigen Kiefern des Westfürsten. Nun dreht er sich seinerseits blitzschnell um und macht sich dabei Sesshomarus eingeschränktes Gleichgewicht durch die fehlende Pfote zunutze. Geschickt tänzelt er ihn aus, sodass Sesshomarus Biss ins Leere geht, nur um im selben Moment seinerseits zuzubeißen. Doch Sesshomaru erlangt schneller als erwartet sein Gleichgewicht zurück und empfängt ihn indem sich seine Zähne in Arashitsumes Schulter schlagen. Doch der Daiyoukai jault nicht einmal auf. Stattdessen reißt er den Kopf herum und wirft sich zu Boden, um seinen Angreifer mit den scharfen Klauen aller vier Pfoten aufzuschlitzen. Schon schlagen sich die spitzen Krallen in Sesshomarus Brust und Bauch, doch gerade noch rechtzeitig lässt er seinen Gegner los und versucht einen neuen Ansatz zu finden. Wieder läuft ihm Blut über den Körper, doch darauf nimmt der riesige Hund keine Rücksicht. Mitgerissen vom Kampfrausch stürzt er sich erneut auf seinen Widersacher, der rasch wieder aufgesprungen ist. Doch ein heftiger Schlag von Sesshomarus Vorderpfote bringt ihn unbarmherzig zu Fall und nur einen Moment später verbeißen sich Sesshomarus scharfe Zähne in der Seite des anderen. Ein trockenes Knacken ertönt, als mehrere Rippen den kräftigen Kiefern zum Opfer fallen und wird begleitet von einem scharfen Aufjaueln. Doch Arashitsume gibt nicht auf. Blitzschnell fährt sein Kopf herum und seine messerscharfen Fänge bekommen nun ihrerseits Sesshomarus Flanke zu fassen und graben sich gnadenlos hinein. Ein tödliches Knurren ist Sesshomarus einzige Reaktion darauf. Verbissen hält er weiter fest. Unter Schmerzen lockert der Daiyoukai aus dem Osten schließlich doch seinen Biss und windet sich schließlich aus Sesshomarus Gewalt. Wieder folgt ein Moment der gespannten Stille als sich die beiden erneut belauern. Blut tropft aus Arashitsumes Maul ebenso wie aus Sesshomarus, doch der dreibeinige Daiyoukai wirkt deutlich angeschlagener als der andere. Eine tiefe Wunde klafft an seiner Bauchseite und seine Bewegungen wirken hier und da ein wenig unkoordiniert. Beide schnaufen heftig und doch ist noch immer keiner von beiden gewillt, aufzugeben. Im Gegenteil. Nur Augenblicke später fallen sie wieder über einander her. Arashitsume setzt geschickt seine Körpermasse ein, um Sesshomaru umzuwerfen und sofort will er erneut seine Fänge in Sesshomarus empfindliche Unterseite graben, doch dieser kommt ihm zuvor. Mit einer geschickten Drehung bringt er sich aus dem Gefahrenbereich und nur einen Wimpernschlag später steht er schon wieder auf den Beinen, wenn auch leicht schwankend. Doch dann fletscht er grimmig die Zähne und seine Aura flammt noch einmal auf, heftiger als je zuvor und mit einem wilden Knurren wirft er sich mit aller Gewalt gegen Arashitsume und bringt ihn damit aus dem Gleichgewicht. Ein verhängnisvoller Fehler für den Daiyoukai aus dem Osten, denn diesen kurzen Augenblick der Unachtsamkeit nutzt Sesshomaru, um mit aller Kraft, die er aufbringen kann, seine Zähne in Arashitsumes Hals zu schlagen. Der Daiyoukai gibt ein unschönes Röcheln von sich und ein Blutschwall fließt ihm aus dem Mund. Wild rollen seine Augen, doch das Strampeln seiner Pfoten wird zunehmend kraftloser und schließlich verebben die Bewegungen ganz. Grimmig hält Sesshomaru fest noch nach dem die Bewegungen gänzlich zum Erliegen gekommen sind. Nur schwach noch hebt und senkt sich die Brust des mächtigen Hundes und ein unschönes Zittern durchläuft seinen Körper. Dann packt Sesshomaru noch einmal heftig zu und mit seinen gewaltigen Kiefern trennt er Arashitsumes Kopf von seinem Körper, und das Zittern hört auf. Kein Laut ist auf dem Platz zu hören als der siegreiche Riesenhund langsam den Kopf hebt. Unter ihm beginnt sich nun Arashitsumes Körper zu verändern und ein paar Momente später hat er wieder die schmächtige, menschenähnliche Gestalt angenommen, gebettet in einer beträchtlichen Lache aus dunklem Blut. Nun endlich erscheint auch um Sesshomarus Körper des vertraute Schimmern und die riesige Gestalt schrumpft wieder auf ihr Menschenmaß zurück. Erhobenen Hauptes steht der Daiyoukai da. Sein Atem geht heftig und seine Bewegungen sind zittrig, obwohl er sich offensichtlich bemüht, es zu verbergen. In seiner Brust klafft ein tiefes Loch aus dem unablässig ein dunkler Blutstrom rinnt und er ist leichenblass. Niemand wagt etwas zu sagen. Langsam wendet Sesshomaru den Kopf und macht einen Schritt auf die anderen zu, doch er kommt unwillkürlich ins Straucheln und im nächsten Moment knicken ihm die Beine ein, sodass er auf einem Knie zu hocken kommt. Im selben Moment sieht man eine kleine Gestalt auf ihn zustürmen. Rin hat sich mit aller Kraft Sangos energischem Griff entwunden und läuft nun direkt auf ihren Herrn zu. Die umstehenden Youkai halten den Atem an als das Mädchen den schwer angeschlagenen Daiyoukai erreicht. Mit besorgter Miene tritt sie an ihn heran. Sesshomarus Atem geht heftig und stockend und sein zerzaustes und blutgetränktes Haar hängt ihm wild ins Gesicht. Zaghaft steckt Rin ihre Hand nach ihm aus. Ihre Finger berühren behutsam das mit Schnitten und Kratzern übersäte Gesicht des Daiyoukai. Heftig zuckt dieser zusammen und hebt den Kopf. Er befindet sich nun auf Augenhöhe mit seinem Mündel und im ersten Augenblick verzieht sich sein Gesicht zu einer Maske des Zorns, doch dann ebnen sich seine Züge wieder und er lässt es schweigend über sich ergehen, dass das kleine Mädchen ihm behutsam die Haare aus dem Gesicht streicht und sanft über die Wunden in seinem Gesicht streift. Dabei ignoriert er demonstrativ das ungläubige Gemurmel der Youkai um ihn her. „Sesshomaru-sama, du bist ja verletzt“, stellt sie mit echter Sorge in der Stimme fest. Ein langen Moment blickt Sesshomaru das Mädchen nur an. Dann fragt er: „Bist du verletzt?“ Energisch schüttelt sie den Kopf: „Mir fehlt nichts!“, beteuert sie ernsthaft. „Gut!“ Mehr sagt er nicht. Dann aber stemmt er sich etwas unbeholfen wieder hoch, umfasst Rin mit einem Arm, zieht sie zu sich herauf und setzt sie sich auf die Hüfte. Yarinuyuki zieht scharf die Luft ein. „Sesshomaru! Wie könnt Ihr...?“ Doch Sesshomaru unterbricht sie: „Sie hat das Recht mich zu berühren. Ich habe sie adoptiert. Sie ist meine Tochter! Damit sollte dem Gesetz genüge getan sein.“ Mit diesem letzten, gemurmelten Satz wendet er sich von der Nordfürstin ab und geht hinüber zu Inu Yasha und den anderen, wobei er ein wenig schwankt. Als er schließlich nach gelegentlichem Taumeln seinen Bruder und dessen Freunde erreicht, lässt er das Mädchen behutsam von seiner Seite rutschen und schiebt sie sanft aber bestimmt zu Kagome hinüber. Dann richtet er sich wieder auf und wendet sich schweigend Inu Yasha zu. Der Hanyou hat es letztlich doch geschafft, sich wieder in die Senkrechte zu befördern auch wenn der heftig pochende Schmerz in seinem Knie ihm alle Selbstbeherrschung abverlangt die er noch besitzt. Aufmerksam erwidert er den Blick seines Bruders und ihm wird ein bisschen unwohl zumute. Das Gesicht seines Bruders ist weiß wie Kreide und das kräftige Gold seiner Augen ist einem blassen Gelbton gewichen. Inu Yasha hat in den letzten Tagen genug erlebt um abschätzen zu können, dass sich sein Bruder in keiner guten Verfassung mehr befindet, und er muss ihn unwillkürlich bewundern für die grenzenlose Sturheit mit der er sich untersagt einfach zusammenzubrechen. Einen langen Moment blicken sich die beiden Brüder einfach nur an und Inu Yasha stellt fest, dass er keinerlei Ablehnung mehr im Blick seines Bruders finden kann, nur Erschöpfung aber auch Erleichterung. Zum ersten Mal seit langem hat Inu Yasha dass Gefühl, dass sein Bruder irgendwie mit sich ihm Reinen ist. Er riskiert ein schwaches Lächeln und ein kaum wahrnehmbares Nicken von Seiten seines Bruders ist die Antwort. Es ist Yarinuyuki die das Schweigen bricht. „Er ist tot. Das wurde aber auch Zeit! Der Bastard war ja wirklich nicht mehr länger zu ertragen.“ „Ja!“, jetzt ist es Yaeba der spricht, „Er ist tot. Bedauerlicherweise hatte er keine Kinder. Der Osten braucht wieder einen Fürsten.“ Yarinuyuki schnaubt verächtlich aus. „Um so besser, dass das Frettchen sich nicht fortgepflanzt hat. Diese ganze Geschichte mit diesem Herrscherbann stößt mir irgendwie sauer auf. Außerdem, wer weiß, was der seinen Kindern für Flausen in den Kopf gesetzt hätte.“ Doch Yaeba ergreift wieder das Wort. Er sieht sehr ernst aus. „Ihr versteht nicht! Der Ostclan braucht einen Fürsten aus seiner Blutlinie, sonst geht er zugrunde. Wie ich schon sagte, die Bindung an unseren Fürsten reicht noch über seinen Tod hinaus. Es spielt keine Rolle ob er Fürst ist oder nicht, ob der Herrscherbann gebrochen ist oder nicht. Wir alle sind aus dem Blut seiner Vorfahren entstanden, dieses Band ist nicht zu durchtrennen. Stirbt der Letzte aus seiner Blutlinie, dann sind wir über kurze Zeit dem Untergang geweiht. Und leider gibt es niemanden mehr der sein Blut trägt, dafür hat er selbst gesorgt. Ich weiß nicht ob das eine weitere Absicherung war, damit wir uns niemals gegen ihn wenden würden, aber nun ist er tot und das ist ein Problem.“ Ein wenig betreten und ängstlich schauen sich die umstehenden Ostyoukai an. Doch dann ergreift Sesshomaru ruhig das Wort: „Dann weißt du ja auch, was du jetzt zu tun hast.“ Der Blick den er Yaeba zuwirft kommt einer Aufforderung gleich. Einen Moment lang zögert Yaeba doch dann strafft er sich und setzt sich in Bewegung, direkt auf Arashitsumes Überreste zu. Emotionslos beugt er sich zu ihm hinab, zückt seine Krallen und Kagomes Augen weiten sich erschrocken. Rasch wendet sie den Blick ab und hält auch ihre Hände vor Rins Gesicht. Das Kind hat genug Brutalität erlebt. Sie muss nicht beobachten, wie der Krieger aus dem Osten mit seinen Klauen den Brustkorb seines ehemaligen Fürsten öffnet, das Herz entnimmt und es direkt hier vor den Umstehenden verspeist. Schlagartig fühlt sie sich an die beiden Donnerbrüder erinnert, bei denen der Ältere ebenso gehandelt hatte, um die Macht seines jüngeren Bruders in sich aufzunehmen. Die Vorstellung allein schüttelt sie vor Abscheu, doch ein Teil von ihr kann auch verstehen was Sesshomaru meinte, als er sagte, Yaeba wisse was zu tun ist. Yaeba, der dichter an den Urvätern seiner Rasse dran ist als irgendwer sonst in seinem Clan, wird die Blutlinie fortführen. Er wird der neue Fürst des Ostclans werden und vermutlich bekommt der Osten damit seit langem mal wieder einen Fürsten der des Titels würdig ist. Ein schwaches Glimmen lässt Kagome wieder hinsehen. Der alte Krieger scheint sein blutiges Mahl beendet zu haben und nun ist er von einem seltsamen violetten Lichtschein umhüllt. Die Veränderungen die in ihm vorgehen, sind kaum sichtbar, doch es scheint als würde er um einige Handbreit wachsen und auch seine Muskeln treten nun etwas kräftiger hervor. Am deutlichsten ist sicher, dass die Länge seines Haupthaares nun um ein beträchtliches zugenommen hat und zu Kagomes Überraschung öffnet sich jetzt sogar das vernarbte Auge des neuen Daiyoukais und gibt sein strahlendes Purpur den erstaunten Augen der Umstehenden preis. Die Spannung hält ein paar Herzschläge lang an, doch dann brechen die Ostyoukai in tosende Beifallstürme aus. Obwohl ihre Begeisterung durchaus verständlich ist, legt sich Yaebas Stirn in Falten. „Schweigt!“, sagt er laut. Augenblicklich herrscht Totenstille, doch das liegt weniger am folgsamen Gehorsam, sondern zum einen an der einen Sache, die die Fürstenwürde des Ostclans unweigerlich mit sich bringt und zum anderen daran, dass die Ostyoukai sich dieses Umstandes gerade bewusst werden. Eine betretende Stille tritt ein. Yaeba seufzt ein wenig. „Daran werde ich mich wohl erst noch gewöhnen müssen“, murmelt er, „Aber ich beabsichtige sehr umsichtig damit umzugehen“, fügt er an die beiden anderen Fürsten gewandt hinzu. „Davon bin ich überzeugt, Yaomonzurushi-sama!“, entgegnet Sesshomaru ruhig. Inu Yasha verzieht kaum merklich das Gesicht. „Angeber! War ja wieder klar, dass er sich den Namen gleich wieder gemerkt hat“, nuschelt er. Doch sein Bruder lässt nicht erkennen, dass er ihn gehört hat. Stattdessen reckt er sich und wendet er sich nun an Yarinuyuki. „Der Verantwortliche für den Tod Eures Vaters ist tot. Der Hohe Rat hat damit seinen Zweck erfüllt und ist zu einem erfolgreichen Ende gebracht worden. Ist Eurer Rache damit genüge getan, oder gibt es noch etwas, das dagegen spricht, dass unsere Heere sich in Frieden trennen können?“ Einen Moment lang beißt sich Yarinuyuki unschlüssig auf der Unterlippe herum. Sie scheint ernsthaft zu überlegen. Zu ihrem Ärger meldet sich Itakouri nun noch einmal ungefragt zu Wort. „Yarinuyuki-hime!“, beschwört er sie eindringlich, „Ihr könnt unseren Kriegern unmöglich unter die Augen treten ohne einen persönlichen Triumph über den Mörder Eures Vaters vorweisen zu können. Sie alle erwarten, dass ihr ihn höchstpersönlich in Jenseits befördert habt. Sie werden niemals verstehen warum Ihr diese Aufgabe jemandem anderen überlassen habt. Habt Ihr das noch nicht verstanden? Alle erwarten, dass Ihr unsere Gesetze und unsere Traditionen befolgt und Stärke zeigt. Sie werden Euch nicht länger folgen.“ Yarinuyuki atmet einmal vernehmlich aus: „Itakouri, du bewegst dich grade auf sehr dünnem Eis! Aber ob du es glaubst oder nicht, ich bin keine Närrin! Arashitsume war vielleicht verantwortlich für den Tod meines Vaters, aber er war nicht sein Mörder. Und für das was er getan hat, hat der Hohe Rat, dessen Teil ich bin, ihn bereits bestraft. Der Mörder meines Vaters ist schon tot und kann somit wohl schlecht ein zweites Mal sterben.“ Doch Itakouri gibt keine Ruhe. „Dann tötet die restlichen Streuner! Ein paar von ihnen sind noch da. Samushi und Kegawa beispielsweise. Oder Yaeba!“ Wütend faucht sie ihren Hauptmann an: „So siehst du aus, du Narr, dass ich versuche den neuen Fürsten des Ostens zu töten! Er hat niemals die Hand gegen meinen Vater erhoben, ihn trifft keine Schuld!“ „Dann eben Kegawa und Samushi!“, entgegnet Itakouri verzweifelt, „Yarinuyuki-hime, Ihr müsst irgendjemanden für Inu Taihyougas Tod zur Verantwortung ziehen. Wenn Ihr es nicht tut, wird Euch Euer Clan nicht mehr folgen. Ihr habt keine Wahl!“ „Man hat immer eine Wahl!“, wütend fliegt Yarinuyukis Ruf über den Platz. Daraufhin herrscht einen Moment lang Stille. Die Daiyoukai aus dem Norden nickt verbissen: „Ja, man hat eine Wahl!“ Dann hebt sie den Kopf. „Itakouri du bist ein Dummkopf! In genau dem Augenblick als Sesshomaru es über sich brachte, den Streuner Tenmaru als seinen Sohn anzuerkennen, wurde die Streunerprinzessin Hanaki automatisch in den Stand seiner Gefährtin erhoben, so sagt es das Gesetz. Somit war der Kampf mit meinem Vater ein Duell zwischen zwei Fürsten. Als sie fiel, war es Tenmarus Recht sie, nach unseren Bräuchen, als ihr Nachfolger, zu rächen. Es war ein ehrenvoller Kampf der streng nach unseren Gesetzen ablief. Und auch wenn mir danach ebenfalls das Recht zustünde, mich an Tenmaru dafür zu rächen, oder nun nach seinem Tod an Fürst Sesshomaru“, sie blickt den Daiyoukai aus dem Westen mit ernster Miene an, „so beschließe ich hiermit, davon abzusehen. Das ist meine Wahl!“ Ein Schmunzeln zieht über ihr Gesicht. „Außerdem wäre dieser Kampf augenblicklich keinerlei Herausforderung für mich und würde ganz einfach keinen Spaß machen. Erzähl das unseren Kriegern! Der Tod meines Vaters verlief ganz im Sinne unserer Gesetze und Traditionen. Es gibt überhaupt keinen Grund mehr für Rache!“ Sprachlos und mit offenem Mund starrt Itakouri seine Fürstin an und man kann geradezu sehen wie es hinter seiner Stirn arbeitet, um diese Behauptung einer Prüfung zu unterziehen. Doch dann entgleisen ihm auf einmal die Gesichtszüge und er erbleicht. „Ihr wart Euch dessen schon die ganze Zeit über bewusst?“, wagt er die zaghafte Frage. „Natürlich!“, meint Yarinuyuki verächtlich, „Schon seit dem Zeitpunkt als der da“, sie zeigt auf Dokutoge, „mich mit seinen komischen Andeutungen zu verwirren versucht hat. Ich hab immer noch Kopfschmerzen von dem Gestammel.“ Itakouri starrt seine Fürstin mit großen Augen an. Und dann wirft er sich rasch zu Boden und drückt ergeben die Stirn auf die Erde. „Bitte verzeiht mir meine Frechheiten! Ich hätte niemals an Euch zweifeln dürfen Yarinuyuki-sama! Ihr seid es mehr als würdig, das Erbe Eures Vaters anzutreten!“ „Wird auch Zeit, dass du das endlich einsiehst“, ruft Samushi triumphierend zu ihm hinüber. „Das wäre ja sonst auch noch schöner!“, setzt Kegawa hämisch nach, „Du hast ja auch wirklich gar nichts kapiert!“ Doch Itakouri ignoriert die beiden. Noch immer bemüht er sich um die Gunst seiner Herrin, deren Weitsicht ihn tatsächlich schwer beeindruckt hat. Offenbar weiß die junge Daiyoukai doch was sie tut. „Bitte seit nicht zu streng mit mir, Yarinuyuki-sama!“, bittet er, „Ich war ein Narr Euch nicht zu vertrauen.“ Yarinuyuki seufzt schwer. „Ja, das warst du! Dein Glück, dass du sonst ganz brauchbar bist. Du kennst diesen undisziplinierten Haufen, der sich Nordclan schimpft, schon länger als ich. Irgendwer muss mir doch helfen, ihnen Benehmen einzuprügeln.“ Doch selbst der saloppe Umgangston lässt erkennen, dass hinter diesen Worten immer noch eine ernste Grundstimmung herrscht. Inu Yasha muss ein wenig schmunzeln. Irgendwie gefällt ihm die Art, wie die Nordfürstin mit ihren Untergebenen umgeht. Es erinnert ihn ein wenig an sich selbst. Im Grunde bleibt nur noch eines zu tun. Der Hanyou atmet einmal tief durch und dann humpelt er direkt auf die Nordfürstin zu, bemüht wenigstens halbwegs eine gute Figur zu machen. Dort vor ihr, blickt er ihr kurz in die Augen und dann lässt er sich etwas unbeholfen auf ein Knie herab und senkt den Blick. Erstaunt hebt Yarinuyuki die Brauen. Selbst Sesshomarus Miene bekommt nun einen verwunderten Zug. Wie üblich kommt Yarinuyuki wieder gleich auf den Punkt. „Was hat das zu bedeuten, kleiner Hanyou?“ Inu Yasha blickt auf. Seine Miene ist ungewöhnlich ernst und formell. „Ich möchte nicht schuld daran sein, wenn noch irgendetwas zwischen unseren Clans steht, das für weiteren Groll zwischen unseren Völkern sorgen könnte.“ Irritiert schaut die Nordfürstin auf ihn herunter. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“ Noch einmal atmet Inu Yasha durch und blickt dann etwas beschämt zur Seite: „Bitte verzeiht mir, dass ich euch eine vorlaute Nervensäge genannt habe! Es war keine böse Absicht. Es ist mir... einfach so herausgerutscht!“ Innerlich schlägt sich Kagome vor die Stirn. Warum muss der Trottel sie jetzt ausgerechnet noch daran erinnern? Wie wird die Nordfürstin jetzt darauf reagieren? Yarinuyuki macht ein Gesicht als könne sich nicht recht glauben, was sie da grade hört. Doch dann auf einmal verzieht sich ihr Gesicht zu einem breiten Grinsen und dann bricht sie in lautes Gelächter aus. „Also wirklich!“, lacht sie, „Dieser kleine Hanyou gefällt mir immer besser.“ Mit einer auffordernden Geste streckt sie Inu Yasha die Hand hin. Ein wenig verunsichert ergreift er sie und wird umgehend mit einem kräftigen Ruck auf die Füße gezogen. Innerlich jault Inu Yasha unweigerlich auf, als sich durch die Kraftanstrengung seine Verletzungen wieder melden, doch die Fürstin scheint es nicht böse gemeint zu haben. Zumindest zwinkert sie ihm freundlich zu. „Da gibt es nichts zu verzeihen“, meint sie gönnerhaft, „Schließlich verdanken wir es dir, dass wir diesen elenden Dreckskerl ans Messer liefern konnten. Das mit neulich ist schon vergessen. Du nimmst es mir doch schließlich auch nicht übel, dass ich dich umbringen wollte. Nicht wahr?“ Mit einem spitzbübischen Lächeln verpasst sie Inu Yasha einen kameradschaftlichen Schlag zwischen die Schulterblätter, und dem Hanyou fliegen dabei fast die Lungen raus, so sehr muss er husten. Sein ganzer Körper schreit auf vor Schmerz und es kostet ihn alle Anstrengung nicht zusammenzuklappen. Das hat sie sicher nicht beabsichtigt, oder? Ein schelmischer Blick noch in seine Richtung und dann wendet sie sich wieder Sesshomaru zu. „So wie es aussieht, ist meine Aufgabe hier beendet. Es hat keinen Zweck, die Rückkehr in meine Heimat noch länger aufzuschieben. Wir trennen uns diesmal in Frieden, doch wer weiß wie lange ich meine wilde Bande von irgendwelchen Scharmützeln abhalten kann.“ Ihr Lächeln verfliegt und nun richtet sie sich zu ihrer vollen Größe auf. „Es ist gut, dass sich diese mehr als heikle Situation zu einem friedlichen Ende bringen ließ. Auch ich wäre über einen Krieg nicht erfreut gewesen. Ich will hoffen, dass sich zukünftige Konflikte auf eine ebenso... friedliche Art lösen lassen“, ein leichtes Schmunzeln entfährt ihr dabei. „Und ich will hoffen, dass es zu keinen weiteren Konflikten kommen wird“, antwortet Sesshomaru, „Aber ich habe keine Zweifel daran, dass, sollte es je dazu kommen, der Nordclan in Euch eine würdige Vertreterin hat, Yarinuyuki-sama.“ Die Nordfürstin verneigt sich leicht. „Euer Urteil ehrt mich... Sesshomaru-sama!“, dann wendet sie sich Yaeba zu, „Und Euch erwarte ich in naher Zukunft in meinem Palast, ganz wie es der Brauch bei einem Fürstenwechsel vorsieht.“ Sie blickt sich um. „Und so wie es hier aussieht, würde ich vorschlagen, dass Ihr diesen Besuch besser bald unternehmt.“ Höflich nickt Yaeba ihr zu. „Wir werden den Ostpalast wieder aufbauen. Viel hat sich verändert. Dies hier ist für alle ein Neuanfang. Danach werde ich Euch selbstverständlich gerne einen Besuch abstatten, Yarinuyuki-sama.“ Dann wendet er sich an Sesshomaru. „Wir werden auch einige Veränderungen an der Gedenkstätte unserer Ahnen vornehmen. Hanaki und Tenmaru werden beide einen Monolithen erhalten. Das ist das Mindeste was ich für sie tun kann, um meine Schuld Euch gegenüber abzutragen.“ „Ihr habt schon genug getan, Yaomonzurushi-sama!“, antwortet Sesshomaru, „Ihr habt Euch um Tenmaru gekümmert als er einen Vater noch brauchte. Eine Aufgabe die ich niemals erfüllen konnte. Ihr tragt einen nicht unerheblichen Anteil an seiner Erziehung. Dank Euch ist er zu dem Mann geworden der er war. Ich stehe viel tiefer in Eurer Schuld als Ihr in meiner.“ Ein wenig verlegen erwidert Yaeba Sesshomarus Blick, dann antwortet er: „Dann erlaubt mir wenigstens, für die Dauer Eures Aufenthaltes bis zu Eurer Genesung, dafür zu sorgen, dass es Euch an nichts fehlt. Das Gebäude des Palastes mag zerstört sein, doch mein Personal ist sehr tüchtig. Ihr werdet aufs allerbeste versorgt sein, darauf gebe ich Euch mein Wort.“ „Ich bedauere“, lehnt Sesshomaru höflich ab, „Doch ich beabsichtige nicht länger hier zu bleiben. Ich werde umgehend in meine Heimat zurückkehren.“ Verständnislose und enttäuschte Blicke von Seiten Kagomes und der anderen sind die Folge. Doch dieses Mal ist es Inu Yasha der einschreitet. „Sesshomaru, sei vernünftig!“, sagt er ernst, „Du bist verwundet, ich bin verwundet und die anderen haben die ganze Nacht über kein Auge zugetan. Gönn' dir und uns ne Pause! Denk an Rin! Die Kleine schläft ja schon gleich beim Gehen ein. Willst du wirklich gleich wieder aufbrechen? Warte doch wenigstens noch bis morgen!“ Eine ganze Weile sagt Sesshomaru kein Wort doch dann nickt er leicht. „Also gut! Bis morgen!“ Mit diesen Worten dreht er sich um und lässt seinen Blick suchend über das Schlachtfeld schweifen. Dann scheint er gefunden zu haben was er sucht. Er macht ein paar Schritte, bückt sich und zieht aus einem Loch im Boden eine kleine, grüne Person hervor. Als sein Herr ihn zu den anderen hinüberträgt, gibt Jaken ein schwaches Fiepen von sich, doch wie es aussieht ist der Krötenyoukai ein zäher Bursche. Zwar ist er noch immer besinnungslos, doch ansonsten scheint er nicht weiter verletzt zu sein. Behutsam setzt der Daiyoukai seinen Diener vor Rin ab. „Kümmere dich um ihn! Bis morgen muss er wieder hergestellt sein.“ Das Mädchen nickt gehorsam. „Wir werden für Euch, Euren Bruder und seine Gefährten eine Mahlzeit bereiten“, richtet Yaeba wieder das Wort an Sesshomaru, „Und selbstverständlich eine angemessene Unterkunft für die Nacht. Nichts liegt mir ferner, als dass Ihr annehmt, Ihr währt hier unwillkommen.“ „Das ist nicht der Fall“, räumt Sesshomaru höflich ein, „Ich ziehe es dennoch vor, so bald wie möglich aufzubrechen.“ Nun wendet sich der Daiyoukai an seine beiden Generäle die abwartend und ein wenig unsicher in einiger Entfernung stehen. „Chitsurao, du führst unser Heer wieder zurück in den Westen. Ihr brecht gleich auf. Mir ist es nicht lieb, dass der Westen so lange ohne Schutz ist“, dann wendet er sich an Dokutoge, „Über deine Gehorsamsverweigerung werde ich urteilen, wenn ich wieder zurück bin. Du wirst Chitsurao begleiten und bis zu meiner Rückkehr bist du von all deinen Posten enthoben.“ Der Youkai verneigt sich steif: „Ganz wie Ihr befehlt, Sesshomaru-sama!“ „Sei nicht zu streng mit ihm, Sesshomaru“, meldet sich jetzt Inu Yasha zu Wort, „Wenn er nicht gewesen wäre, hätte Yarinuyuki nie erfahren was hier wirklich gespielt wird.“ „Vorsicht, Kleiner!“, hebt die Nordfürstin warnend den Zeigefinger, „So blöd, dass ich mich von diesem Ostlakai einwickeln ließe, bin ich auch nicht.“ „Würd ich nie behaupten“, nuschelt Inu Yasha leise. „Sei versichert, dass ich diesen Umstand in meine Entscheidung einfließen lasse“, entgegnet Sesshomaru, dann wendet er sich wieder seinen beiden Soldaten zu, „Geht jetzt! Ich werde schon bald folgen.“ Die beiden verbeugen sich respektvoll und dann beeilen sie sich zügig zu ihren Kriegern zurückzukommen. „Ich werde jetzt ebenfalls gehen!“, erklärt Yarinuyuki. „Auch ihr seid natürlich eingeladen zu bleiben“, bietet Yaeba höflich an, doch die Nordfürstin schüttelt den Kopf. „Meine Heimat ist ebenfalls schutzlos. Ich bin ihre neue Fürstin. Es gibt viel zu tun. Es wäre mir lieb, dies nicht verschieben zu müssen.“ Yaeba nickt. „Ich verstehe. Kehrt heim. Sobald hier alles Nötige geregelt ist, werde ich Euch einen Besuch abstatten.“ Yarinuyuki nickt höflich: „Ich sehe dem mit Wohlwollen entgegen.“ Dann wendet sie sich zum Gehen. „Und was soll nun mit den beiden geschehen?“, Itakouris Frage lässt sie noch einmal innehalten. Er zeigt auf Samushi und Kegawa die ihn abschätzend und mit verschränkten Armen beobachten. Seufzend wendet Yarinuyuki sich zu den beiden um. Dann tritt sie auf sie zu und mustert die zwei streng. Trotzig erwidern sie ihren Blick. Dann sagt sie zu Samushi: „Das was du sagtest, hat meine Entscheidung beeinflusst, nicht mit allen Mitteln auf meine Rache zu beharren. In diesem Fall wurde dadurch vermutlich ein Krieg verhindert. Man könnte also sagen, eure Anwesenheit war von Vorteil für mich. Deshalb habe ich beschlossen, euch nicht zu töten. Jetzt nicht und auch nicht in Zukunft, solange ihr euch benehmt. Wenn ihr wollt, könnt ihr wieder zurückkommen. Es ist eure Entscheidung!“ „Ihr seid überaus fair und großzügig, Yarinuyuki-sama!“, sagt Yaeba anerkennend, „Ich gebe zu, es hätte mir sehr missfallen, wenn ihr die beiden getötet hättet.“ „Ach, Yaeba“, winkt Samushi gelassen ab, „Wir sind so lange unentdeckt geblieben. Du kennst uns, wir wissen uns schon zu helfen. Notfalls wären wir eben wieder stiften gegangen.“ Schelmisch grinst er den neuen Ostfürsten an doch dann wird er wieder ernst. „Aber ich bin trotzdem froh, dass das Weglaufen jetzt ein Ende hat.“ Yaeba nickt verständnisvoll. „Ihr seid ausgezeichnete Krieger. Ich bin stolz so lange an eurer Seite gekämpft zu haben. Hier gibt es jetzt viel zu tun. Ich könnte noch einige gute Offiziere brauchen. Jetzt nach Raimeimarus Tod hat das Higashi no Ken keinen Anführer mehr. Hast du Interesse an diesem Posten, Samushi?“ Doch der Nordyoukai legt nur den Kopf schief. „Du weißt genau, dass wir nie wirklich Streuner waren, Yaeba. Es hat uns immer zurück in den Norden gezogen. Jetzt wo wir endlich die Möglichkeit haben, gibt es keine Frage wie unsere Entscheidung aussehen wird.“ Wieder nickt Yaeba. „Wenn das so ist, dann lebt wohl, meine Freunde!“ „Worauf du dich verlassen kannst!“, meint Kegawa zwinkernd. Dann drehen sie sich um und beeilen sich rasch der Nordfürstin mit Itakouri im Schlepptau zu folgen, die sich bereits auf den Weg zum Eingang des Kessels gemacht hat. „Aber glaubt ja nicht, dass ihr auf euren alten Posten zurückkehren werdet“, meint Itakouri grimmig im Gehen. Samushi verschränkt die Hände hinter dem Kopf: „Wir werden sehen! Schließlich hast du mich immer noch nicht besiegt.“ „Das spielt gar keine Rolle!“, zetert Itakouri, „Ich bin der Hauptmann der Garde seit du fort bist und ich entscheide auf welchen Posten ich dich setze!“ „Ach ja?“ „Darauf kannst du Gift nehmen! Du wirst für mindestens fünfzig Jahre die Aborte säubern, kapiert!“ „Träum weiter! Du kannst deine dämlichen Klos selber putzen!“ „Hey, wie sprichst du denn mit deinem Vorgesetzten!“ „Das musst du nicht zwangsläufig bleiben!“ „Halt die Klappe, Kegawa!“ „Kegawa, ich glaub da kommen noch sehr interessante Zeiten auf uns zu!“ „Ganz deiner Meinung, Samushi!“ Mit diesen Worten verebben die Stimmen und zurück bleiben Inu Yasha und seine Freunde mit den beiden übrigen Fürsten und den Ostyoukai die bereits eifrig wieder ihre Geschäftigkeit aufgenommen haben. Einige beginnen damit die Trümmer beiseite zu räumen und andere mehrere Notunterkünfte zu errichten oder Gegenstände aus den Trümmern zu bergen, die noch heil geblieben sind. Jedoch alle machen einen großen Bogen um die Überreste ihres früheren Fürsten. Keiner scheint ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Es scheint als habe jemand namens Arashitsume niemals existiert. Geschieht ihm recht!, findet Inu Yasha. Für jemanden dessen größtes Bedürfnis es war, allen klar zu machen, das niemand ohne ihn leben kann, muss dies die größte Demütigung von allen sein. Doch dann zuckt er nur mit den Achseln und folgt Yaeba gemeinsam mit seinem Bruder und seinen Freunden hinüber zu den behelfsmäßig, doch immerhin fachmännisch errichteten Unterkünften, die die Palastbediensteten inzwischen aufgebaut haben. Langsam meldet sich auch sein Magen zu Wort und er ist ehrlich erleichtert, dass das Alles nun endlich vorbei ist. Seine Verletzungen schmerzen unverändert heftig und in seinem linken Bein hat er schon lange kein Gefühl mehr. Außerdem fühlt er sich so müde wie schon lange nicht mehr. Wäre da nicht dieses nagende Hungergefühl in seinem Magen, dann würde er sich die nächste Schlafstätte suchen und bis zum nächsten Morgen durchschlafen. Wieder geht sein Blick hinüber zu Sesshomaru und er seufzt innerlich schwer. Wer weiß warum, zum Geier, der Kerl das wieder so eilig hat. So wie er die Verletzungen seines Bruders einschätzt, steht der Daiyoukai selbst kurz vor dem Kollaps. Niemand wird etwas Schlechtes von ihm denken, wenn er sich ein paar Tage Erholung gönnt. Doch die Beweggründe seines Bruders bleiben Inu Yasha ein Rätsel, wie leider so oft. Schließlich erreicht Inu Yasha mit den anderen ein gemütliches Zelt in dessen hinterem Teil bereits einige Lagerstätten ausgebreitet worden sind. Schwerfällig lässt sich Inu Yasha auf eine davon hinabgleiten. Das Bett ist angenehm bequem. Von irgendwo dringt ihm ein verlockender Geruch in die Nase der ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Einen kurzen Moment die Augen auszuruhen, wird ihm sicher keiner übelnehmen. Mit einem leichten Seufzer lässt der Hanyou sich auf der weichen Unterlage nach hinten sinken und nur wenige Augenblicke später hat alles andere um ihn her gänzlich an Bedeutung verloren. Inu Yasha ist eingeschlafen. Epilog: Heimkehr ---------------- Die Sonne steht schon recht hoch am Himmel. Heute regnet es zur Abwechslung mal nicht. Inu Yasha ist erleichtert. Das Wetter hier im Osten kann man gemeinhin nur als lausig bezeichnen. Doch heute ist sonniges Reisewetter. Ein Glück, denn Sesshomaru hat seine Drohung wahr gemacht und gleich am nächsten Morgen zum Aufbruch gedrängt. Dieser hat sich allerdings noch ein wenig verzöger, da Yaeba... nein, Yaomonzurushi... verdammt, den Namen wird er sich nie merken können, da der neue Ostfürst darauf bestanden hat, sie großzügig mit Reiseproviant zu versorgen und niemanden weglassen wollte, dessen Wunden nicht ausreichend versorgt wurden. Nach einigem hin und her hatte dann auch Sesshomaru ein Einsehen und ließ die Prozedur bereitwillig über sich ergehen. Dabei wurde er permanent umschwänzelt von seinem treuen Diener Jaken, der kein Ende damit fand, die schweren Verletzungen seines Herrn zu bedauern und sich unzählige Male unterwürfigst dafür entschuldigte, Rin nicht rechtzeitig aus der Gefahrenzone gebracht zu haben. Irgendwann war es Sesshomaru dann wohl doch zu viel geworden und er war für eine Weile spurlos von der Bildfläche verschwunden, nur um irgendwann am frühen Nachmittag wieder aufzutauchen als wäre nichts gewesen und nachdrücklich zum Aufbruch zu drängen. Schweren Herzens, wie er zugeben muss, hat sich Inu Yasha gefügt. Er hat fast einen ganzen Tag lang geschlafen und nachdem er irgendwann wieder wach wurde, hat er sich heißhungrig über eine ganzen Berg Essen hergemacht. Voller Neid muss er eingestehen, dass der Ostclan trotz allem eine fabelhafte Küche hat. Es fiel ihm wirklich schwer, das so rasch wieder aufzugeben. Aber keiner seiner Freunde wurde schwerwiegend verletzt und das ist ihm das Wichtigste. Nachdem sie alle ausreichend Schlaf nachgeholt haben, sind sie nun schon fast wieder fit genug für den anstrengenden Heimmarsch. Vor einigen Stunden sind sie aufgebrochen und auch wenn seine Verletzungen noch immer schmerzen, so scheinen die Heiler des Ostclans ihr Handwerk zu verstehen. Zumindest spürt er sein Bein jetzt wieder. Die Frage stellt sich zwar, ob das die Sache wirklich besser macht, denn nun brennt es wie Feuer, aber Inu Yasha beißt die Zähne zusammen. Er weiß, das gehört zum Heilungsprozess und wird sich vorerst nicht ändern lassen. Irgendwann werden auch diese Schmerzen verschwinden, das war schon immer so. Er ist nur froh, dass niemand seiner Freunde das durchmachen muss. Bei ihnen hilft kein Daiyoukaiblut nach bei der Heilung und so würde es vermutlich noch bedeutend länger und schmerzhafter sein, und das wünscht er wirklich keinem. Nicht einmal Sesshomaru. Argwöhnisch beobachtet er seinen Bruder der vor ihm geht. Sesshomarus Bewegungen sind etwas steifer als gewöhnlich und er legt auch nicht mehr dieses unangenehme Tempo an den Tag wie sonst wenn er reist. Nein, der Daiyoukai ist noch lange nicht wieder hergestellt. Doch was Inu Yasha weit mehr zum Grübeln bringt, ist die Stimmung seines Bruders. Sesshomaru war schon immer recht kühl und verschlossen, doch heute ist sein Schweigen anders. Inu Yasha weiß, dass seinem Bruder etwas schwer auf der Seele brennt und er hat eine ziemlich klare Vorstellung was das sein könnte. Er ist sich nicht sicher, ob er es wagen soll seinen Bruder darauf anzusprechen. Vermutlich würde Sesshomaru ohnehin kein Wort darüber verlieren und Inu Yasha wüsste auch gar nicht recht was er sagen sollte. Was kann er schon sagen um seinen Bruder aufzumuntern? Immer wieder blickt Inu Yasha zu Sesshomaru hinüber und langsam wird ihm klar, dass eigentlich er gerne über die ganze Angelegenheit reden würde. Auch ihm geht viel im Kopf herum und irgendwie hat er das Bedürfnis, sich darüber auszutauschen. Und diesmal ist es nichts, was er mit Kagome besprechen könnte. Das ist nur eine Sache zwischen ihm und seinem Bruder. Doch leider ergibt sich keine Gelegenheit, denn sein Bruder wandert unbeirrt weiter und macht nicht den Anschein, an einer Unterhaltung interessiert zu sein. Auf einmal verlassen sie den Wald und vor ihnen liegt ein weiter See der im hinteren Teil von einigen Berghängen begrenzt ist. Inu Yasha hebt den Kopf. Sesshomaru ist stehengeblieben. „Wir rasten heute hier“, sagt er und dann lässt er die kleine Reisegruppe ihr Lager aufbauen, während er ein Stück entfernt hinter einem der Bäume am Ufer verschwindet. Inu Yasha blickt ihm nach. Eine Weile ist er unschlüssig was er tun soll, doch dann ballt er die Faust und steht wieder auf, um seinen Bruder zu folgen. „Wo willst du hin?“, hört er Kagome hinter sich, „Lass ihn lieber in Ruhe. Er möchte jetzt bestimmt allein sein.“ Inu Yasha zögert. Doch dann sagt er: „Ist mir egal! Ich will ja nur mal nach ihm sehen! Ich werde ihn schon nicht ärgern.“ Mit diesen Worten folgt er seinem Bruder und lässt Kagome stehen die ihm ein wenig nachdenklich hinterherblickt. Es dauert nicht lange bis er den Daiyoukai aufgespürt hat. Sesshomaru sitzt an einen Baum gelehnt und blickt mit halbgeschlossenen Augen auf das Wasser vor ihm. Nun wo er hier ist, fühlt sich Inu Yasha doch etwas beklommen und er beißt sich ein wenig auf den Lippen herum. Wie soll er anfangen, ohne sofort eine Abfuhr zu kassieren? Doch Sesshomaru nimmt ihm diese Entscheidung ab. „Was willst du?“, fragt er, ohne den Blick vom See abzuwenden. Inu Yashas Herz pocht nervös. „Ich wollte nur mal nach dir sehen“, beschließt er dann zu antworten, „Alles in Ordnung mit dir?“ Sesshomaru rührt sich nicht, nur seine Kiefer verhärten sich. „Ist das alles was du wissen willst?“, fragt er schließlich. Inu Yasha atmet tief durch. „Eigentlich nicht“, gesteht er, „Ich dachte mir, du möchtest vielleicht... reden, oder so.“ Eigentlich rechnet Inu Yasha prompt mit einer verächtlichen Bemerkung und einer abweisenden Haltung seines Bruders, doch diesmal wird er überrascht. Sesshomaru tut nichts dergleichen. „Und worüber willst du reden?“, fragt er nach einer Weile. Ein wenig irritiert kommt Inu Yasha nun ins Schwimmen. Weiter als bis hier hat er die Unterhaltung nicht geplant. Eigentlich hat er schon viel früher damit gerechnet, dass sein Bruder in wegscheuchen würde. Da das nicht passiert ist, muss er nun improvisieren. „Was machen deine Verletzungen?“, fragt er. Sesshomaru seufzt kaum merklich. „Sie werden heilen, wie immer.“ Kritisch mustert Inu Yasha seinen Bruder. Eine ganze Weile schweigt er, aber dann stellt er doch die Frage die ihm auf der Seele brennt. „Tut es sehr weh?“ Sesshomaru schließt die Augen und er lässt langsam die Luft entweichen. „Du machst dir keine Vorstellung!“, sagt er leise. Inu Yasha stutzt. Soviel Offenheit ist er von seinem Bruder nicht gewohnt und deshalb bringt ihn dieses Geständnis ein wenig aus dem Konzept. Aus alter Gewohnheit heraus versucht er das heikle Thema erst mal herunterzuspielen. „Oh, ich denke schon!“, meint er abwehrend, „Ich kann mich immer noch kaum bewegen vor Schmerzen, und mein Bein bringt mich noch um. Viel hätte nicht mehr gefehlt und du hättest es mir abgebissen.“ „Dann wären wir jetzt quitt“, antwortet Sesshomaru trocken. Inu Yasha verstummt. Nachdenklich mustert er Sesshomaru von Kopf bis Fuß. Seine Wunden sind versorgt worden und man hat ihm andere Kleidung gegeben um die zerstörte zu ersetzen, doch noch immer fehlt dem Gesicht seines Bruders jede Farbe und unter seinen wässrig goldenen Augen liegen tiefe, dunkle Ringe. Der Daiyoukai wirkt so erschöpft wie er ihn noch nie zuvor gesehen hat, und Inu Yasha beschleicht eine wage Ahnung. „Wann hast du eigentlich zum letzten Mal geschlafen?“, fragt er. Sesshomaru versteift sich unwillkürlich, doch er sagt nicht. „Also noch vor unserer Abreise Richtung Osten“, stellt Inu Yasha fest, „Dachte ich es mir doch.“ Sesshomaru schweigt. „Ich verstehe“, nickt Inu Yasha leicht, „Deshalb also die übereilte Abreise.“ Er atmet einmal tief durch, dann meint er: „Du solltest dir endlich Ruhe gönnen. Wir sind weit genug vom Ostpalast weg. Hier brauchst du dir keine Gedanken darüber machen, dass jemand mitbekommen könnte, dass selbst ein Fürst des Westens im Schlaf seine Schmerzen nicht unter Kontrolle hat.“ Ein wenig überrascht hebt Sesshomaru den Kopf. Fast scheint es, als wolle er etwas sagen, doch dann überlegt er es sich doch anders. Schließlich sagt er zögernd: „Ich kann nicht schlafen.“ „Warum nicht?“, fragt Inu Yasha. Nun, da sein Bruder von selbst damit anfängt, kann er auch nachhaken. Doch Sesshomaru wendet sich wieder dem See zu. „Es ist wohl besser, wenn du dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmerst“, sagt er steif, „Jetzt geh! Es ist schon schwer genug sich zu konzentrieren, auch ohne, dass du mich mit irgendwelchen Fragen löcherst.“ Schweigend starrt Inu Yasha seinen Bruder an. Selbst wenn ihn die Reaktion seines Bruders nicht überraschen sollte, es kränkt ihn, solch eine rüde Abfuhr zu erhalten. Dabei hat er es diesmal wirklich nur gut gemeint. Aber seinem Bruder ist offenbar nicht zu helfen. Er wendet sich missmutig zum Gehen, doch dann sagt er noch verstimmt: „Tut mir leid, dass ich dich verletzt hab! Eigentlich wollte ich dich gar nicht so zurichten. Ich wollte eigentlich nur verhindern, dass du dich umbringst.“ Da ist es, das heikle Thema von dem er nicht recht wusste, wie er es zur Sprache bringen sollte. Aber nun ist er etwas verärgert, da fällt es im leichter, nicht zu sehr auf seinen Bruder Rücksicht zu nehmen. Schmollend will er von dannen stapfen, doch Sesshomarus Stimme hält ihn zurück. „Inu Yasha! Warte!“ Unwillig hält der Hanyou inne. „Was ist noch?“, fragt er patzig. Täuscht er sich, oder sieht Sesshomaru ein wenig verlegen aus. „Komm bitte wieder her!“, wiederholt der Daiyoukai. Diesmal klingt seine Stimme etwas milder. Lustlos schlendert Inu Yasha zu ihm zurück und stemmt den Arm in die Seite. „Was?“ Einen Moment lang scheint der Daiyoukai die richtigen Worte zu suchen dann meint er zögerlich: „Ich... habe mich noch nicht bei dir bedankt dafür, dass du mich... aufgehalten hast.“ Inu Yasha hebt eine Braue: „Hmm? Was sind denn das jetzt für neue Töne von dir?“ Sesshomaru atmet noch einmal tief durch und seine Faust öffnet und schließt sich unruhig. „Ich bin nicht besonders gut in solchen Dingen“, gibt er schließlich zögernd zu, „Aber ich möchte dir danken! Du hast mich vor einem schweren Fehler bewahrt, selbst noch unter Einsatz deines eigenen Lebens. Ich weiß, ich bin meist nicht besonders... umgänglich. Nicht jeder hätte an deiner Stelle so gehandelt. Das rechne ich dir hoch an.“ Ungläubig starrt Inu Yasha seinen Bruder an. „Dir geht’s wirklich nicht gut, oder?“, fragt er skeptisch. Doch dann wird er wieder ernst und strafft sich ein wenig. Erst zögert er noch kurz doch dann sagt er: „Ach, lassen wir endlich mal dieses alberne Geplänkel! Ich bin nämlich eigentlich auch nicht gut in so was.“ Demonstrativ lässt er sich neben seinen Bruder ins Gras plumpsen. „Schluss mit dem dummen Drumherum-Gerede! Ich sehe dir doch an, dass dir was zu schaffen macht. Du willst reden, also reden wir!“ Ein wenig verwirrt schaut Sesshomaru seinen Bruder an, doch dann wendet er sich wieder dem See zu. Allerdings scheint er sich auch nicht daran zu stören, dass sein Bruder direkt neben ihm sitzt und ihn verstohlen aus den Augenwinkeln beobachtet. Eine ganze Weile reden die beiden kein Wort. Schließlich seufzt Inu Yasha. „Na schön! Auch gut! Ich hab ja Zeit!“, murmelt er gedehnt. Wieder vergeht eine ganze Weile der Stille. Schließlich hebt Sesshomaru den Kopf. „Beabsichtigst du hier sitzen zu bleiben?“ Inu Yasha verschränkt die Hände hinter dem Kopf und lässt sich nach hinten ins Gras fallen. „Darauf kannst du wetten! Die ganze Nacht, wenn es sein muss.“ Verwundert schaut Sesshomaru ihn an. „Warum?“, fragt er. Inu Yasha überlegt einen Moment, dann sagt er. „Weil ich auch etwas loswerden möchte.“ „Und was?“, kommt es zögernd zurück. Inu Yasha setzt sich wieder auf und mustert seinen Bruder ernst. „Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Das hat mir gar nicht gefallen.“ „Einen Schrecken?“, kommt die langsame Frage zurück. „Ja, du Idiot!“, meint Inu Yasha nachdrücklich, „Was zum Teufel sollte diese Selbstmordaktion? So was passt einfach nicht zu dir. Ich dachte immer, dass nichts dich unterkriegen kann, dass du über allen Dingen stehst, besonders über mir, nebenbei bemerkt. Wenn mich irgendjemand gefragt hätte, wer der stärkste und unbeugsamste Youkai ist den ich kenne, dann hätte ich wohl gesagt: Sesshomaru! Na ja“, lenkt er rasch ein, „Vielleicht hätte ich es nicht gesagt, aber gedacht!“ „Ich kann dich vielleicht nicht besonders leiden, aber ich bin nicht so blöd, dass ich die Fähigkeiten eines Gegners nicht einschätzen könnte. Und du warst bisher von all meinen Gegnern der Zäheste. Bei unserem Kampf gestern musste ich bis an meine Grenzen gehen und noch darüber hinaus, nur um dich zum Stehen zu bringen. Aber ich hätte niemals gedacht, dass du wirklich so weit gehen würdest. Dafür kamst du mir immer zu perfekt vor.“ Der Daiyoukai blickt schweigend zu Boden. Aufmerksam behält Inu Yasha seinen Bruder im Auge. „Womöglich...“, beginnt er wieder nachdenklich, „lag es gerade daran. Du hast nie einen Fehler zugegeben. Du machst keine Fehler, nicht wahr? Als Herrscher über ein ganzes Volk kann man sich so was vermutlich nicht erlauben. Wahrscheinlich redest du dir das immer wieder ein.“ Inu Yasha atmet noch einmal tief durch. „Aber bei Tenmaru hast du gründlich Mist gebaut und irgendwann ließ sich das wohl nicht mehr leugnen. Muss ein ziemlicher Schock für dich gewesen sein, als du begriffen hast, dass du auch nicht unfehlbar bist.“ „Du hast ja auch wirklich nichts ausgelassen, um mir das klar zu machen“, zum ersten Mal ergreift Sesshomaru wieder das Wort. Überrascht blickt Inu Yasha ihn an. Der Daiyoukai schließt erschöpft die Augen. „Du hast recht. Ich hätte es gern geleugnet, aber deine Worte haben es mir einfach unmöglich gemacht.“ Inu Yasha schnauft auf. „Warum hast du dich überhaupt so lange angestellt? Seit Tenmaru bei uns aufgetaucht ist, warst du die Kratzbürstigkeit in Person. Du hast doch gewusst, dass er dein Sohn ist. Es ist eine Sache, das für sich zu behalten, aber du hast ja geradezu verzweifelt versucht es zu leugnen. Das will mir einfach nicht in den Kopf.“ „Weil ich...“, Sesshomaru bricht ab. Er scheint nach den richtigen Worte zu suchen. Schließlich fragt er: „Hast du dich jemals gefragt, ob deine Mutter unserem Vater aufrichtige Gefühle entgegengebracht hat?“ Überrascht hebt Inu Yasha die Brauen: „Was hat das damit zu tun? Spielt das wirklich eine Rolle?“ „Beantworte meine Frage!“, entgegnet Sesshomaru, „Die Beziehung unseres Vaters zu deiner Mutter hatte nicht das Geringste mit Logik oder Politik zu tun. Sie verlief ausschließlich emotional. Wie würdest du darüber denken, wenn sie ihn niemals geliebt hätte, oder er sie?“ Inu Yasha stutzt. Nachdenklich blickt er zu Boden. „Wäre dann nicht die ganze Beziehung eine Lüge gewesen?“, fährt Sesshomaru fort, „Ein Verrat? Würde das nicht alles beschmutzen was zwischen ihnen war?“ „Schon möglich“, räumt Inu Yasha zögernd ein, „Aber sie haben sich geliebt. Dessen bin ich mir sicher.“ „Und was sagt dir das?“, hakt Sesshomaru nach, „Hast du dafür irgendwelche Beweise?“ „Er kam um mich und meine Mutter zu retten, unter Einsatz seines Lebens“, erwidert Inu Yasha, „Ist das nicht Beweis genug?“ „Und wenn unser Vater nun angenommen hätte, sie würde seine Liebe nicht erwidern? Eine Liebe für die er unglaublich viel riskiert hat. Sein Ansehen, seine Familie, die Loyalität seines Volkes. Wenn ihm jemand Beweise geliefert hätte, dass sie überhaupt nicht an ihm interessiert gewesen wäre, glaubst du, er wäre ihr trotzdem zur Rettung geeilt? Glaubst du, du würdest dann jetzt hier neben mir sitzen?“ Einen langen Augenblick schaut Inu Yasha seinen Bruder an. Es ist schwer zu erraten was er denkt, doch dann hebt er den Kopf. „Ja, das denke ich!“, sagt er mit Nachdruck. Sesshomarus Augen weiten sich. In seinem Blick liegt nun zum ersten Mal ehrliches Interesse. „Wie kommst du darauf?“ „Ganz einfach!“, im Schneidersitz hockt Inu Yasha da und hat die Hände um seine Füße gelegt, „Weil unser Vater ein Ehrenmann war. Selbst wenn er womöglich enttäuscht und gekränkt wäre, er hätte uns trotzdem beschützt. Einfach, weil er das Gefühl hätte, uns zumindest das schuldig zu sein.“ Eine ganze Weile kommt von dem verletzten Daiyoukai keine Reaktion. Dann sagt er betrübt: „Vermutlich ist das der Grund weshalb ich ihn niemals erreichen werde.“ Sesshomarus Blick ist starr zu Boden gerichtet. „Ich bin überrascht, dass du trotz allem eine so hohe Meinung von mir hast, aber ich bin lange nicht so... vollkommen wie du mich siehst. Ich habe bei weitem nicht Seine Größe.“ „Was meinst du damit?“, fragt Inu Yasha. „Ich konnte es ihr nicht verzeihen“, Sesshomarus Stimme ist leise geworden, „Ich wollte alles vergessen was zwischen uns war. Ich wollte sie für immer aus meinem Leben verbannen.“ „Wen? Hanaki?“, stellt Inu Yasha die Vermutung an. Nun kommt ein wenig Bewegung in den Daiyoukai neben ihm. Sesshomaru hebt den Kopf dann sagt er leise: „An diesem See habe ich sie zum ersten Mal richtig wahrgenommen.“ Inu Yasha hebt etwas irritiert die Brauen doch er sagt nicht. Er lässt seinen Bruder reden. Offenbar hat er schließlich doch den Mut dazu gefunden, über das zu sprechen was nun sein ganzes Leben grundlegend verändert hat. Und dass es so ist, dafür braucht Inu Yasha nicht Gedanken lesen können. Ein Blick in das Gesicht seines Bruders genügt. Der Daiyoukai ist in den letzten Tagen um Jahre gealtert. Sesshomaru schluckt einmal dann fährt er leise fort. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, welche Wirkung ihre Witterung auf mich gehabt hat, auf jeden Mann der mit ihr zu tun hatte. Du hast Yarinuyukis Reaktion auf... Ihn gesehen. Es ist unglaublich mächtig. Ich wollte sie so sehr, mir war alles andere egal.“ Wieder muss er schlucken. Es fällt dem Daiyoukai sichtlich schwer weiterzusprechen. „Aber das war es nicht, was mich am meisten an ihr anzog. Sie war stark und klug und sie war mit Herz und Seele eine Anführerin. Und sie war stolz. Sehr stolz“, er senkt betrübt den Blick, „Und sie war einsam! Sie durfte sich niemals gestatten, ihren Gefühlen nachzugeben. Ständig musste sie ihre Untergebenen auf emotionaler Distanz halten. Auf ihren Schultern lastete unheimlich viel Verantwortung und sie hatte niemanden, mit dem sie diese Last teilen konnte“, wieder macht der Daiyoukai eine Pause, „Wir waren uns sehr ähnlich. Vielleicht war es das, was mich so unwiderstehlich zu ihr hinzog.“ Ein wenig unbehaglich rutscht Inu Yasha auf seinem Platz hin und her. Wie soll er mit dieser plötzlichen Offenheit seines Bruders umgehen? Doch Sesshomaru redet schon weiter als wäre er weit weg mit seinen Gedanken. „Damals, in Arashitsumes Palast, hat es geregnet. Als er mir einredete, sie hätte sich nur mit mir eingelassen, um sich mit einem Kind von mir die Fürstenwürde zurückzukaufen, da hat es geregnet. Niemand hat es bemerkt, aber es waren keine Regentropfen auf meinem Gesicht. Ich war gebrochen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr es geschmerzt hat, sie zu verlieren.“ „Sesshomaru...“, meldet Inu Yasha sich nun etwas unbehaglich zu Wort, „Fass das jetzt bitte nicht falsch auf, aber warum erzählst du gerade mir das? Wir standen uns nie besonders nahe. Ich meine... na ja, ich weiß ehrlich gesagt nicht so recht was du jetzt von mir erwartest.“ Der Daiyoukai nickt langsam. „Du hast recht!“, sagt er, „Wir standen uns nie besonders nahe. Aber“, nun blickt er wieder zu Inu Yasha auf, „in den vergangenen Tagen hast du dich zum ersten Mal in deinem Leben wie ein wahrer Fürstensohn, wie ein wirklicher Sohn unseres ehrenwerten Vaters, verhalten und ich bin... stolz auf dich.“ Inu Yasha schießt unwillkürlich das Blut ins Gesicht. „Also... Sesshomaru...“, stammelt er verlegen, doch der Daiyoukai redet schon weiter. „Und deshalb habe ich auch beschlossen heute ausnahmsweise ganz ehrlich mit dir zu sein.“ Verblüfft und ziemlich verunsichert beobachtet Inu Yasha seinen Bruder. Leise redet dieser weiter. „Um die Wahrheit zu sagen“, wieder zögert er, „es fällt mir sehr schwer... mit dieser Situation umzugehen und ich... würde es begrüßen, mit einem... Familienmitglied über diese Sache zu reden.“ „Ähm... also...“, dem Hanyou hat es unwillkürlich die Sprache verschlagen. Irgendwie ist ihm aus verschiedenen Gründen gerade gar nicht wohl in seiner Haut. Zum einen weil ihn das Wohlwollen und das immer noch so untypische Verhalten seines Bruders gerade ein wenig aus der Fassung bringt, und zum anderen weil er eine Ahnung hat, dass das Thema dieser Unterhaltung sicher nicht sein Fachgebiet ist. Doch dann fasst er sich ein Herz. „Sie fehlt dir, nicht wahr?“ „Ja...“, dem Daiyoukai bricht beinah die Stimme weg. „Und Tenmaru ebenfalls“, stellt Inu Yasha behutsam fest. So viel Taktgefühl besitzt er gerade noch. Sesshomaru fährt sich über die Augen. „Ich komme mir sehr töricht vor, dass ich dich damit behellige“, gibt er zu. „Also wenn du das schon selbst einsiehst“, meint Inu Yasha gönnerhaft, „dann besteht für dich wohl noch Hoffnung.“ Dann wird er wieder ernst. „Aber mal Spaß beiseite. Ich kann durchaus verstehen, dass dir das hier unglaublich peinlich ist. Einem Daiyoukai fällt es sicher nicht leicht, über seine Gefühle zu reden. Es fällt mir ja schon nicht leicht.“ „Ein Daiyoukai redet niemals über seine Gefühle.“ „Sag ich doch“, meint Inu Yasha, „Kagome würde jetzt sagen: Sie sind wirklich zu bedauern!“ Aus den Augenwinkeln beobachtet der Daiyoukai den Hanyou der neben ihm sitzt. Doch seine Gedanken behält er für sich. „Sesshomaru?“, wendet sich Inu Yasha nun wieder an seinen Bruder. „Ja?“ „Tenmaru war schon ein prima Kerl, nicht wahr?“ „Ja. Das war er.“ „Ich glaube, er war fast so stark wie du.“ „Er kämpft genau wie seine Mutter.“ „Hast du sie jemals kämpfen gesehen?“ „Ja.“ „Und wie ist sie?“ „Nicht schlecht.“ „Na komm! Nur keine falsche Bescheidenheit! Sei ehrlich!“ „Sie hätte dich in drei Sekunden aufs Kreuz gelegt.“ „Blödsinn! Du übertreibst!“ „Du hättest dich freiwillig hingelegt.“ „Nie im Leben!“ „Du vergisst ihre Witterung. Du hättest alles getan, was sie von dir verlangt hätte.“ Hier hält Inu Yasha inne. „So heftig, ja?“ Sesshomaru seufzt. „Oh ja.“ Verwundert schüttelt Inu Yasha den Kopf: „Wie machst du das bloß? Das frage ich mich schon die ganze Zeit. Wie bringst du es bloß fertig, dir diesen ganzen Kram nicht anmerken zu lassen. Woher nimmst du nur diese unerschütterliche Selbstbeherrschung? Ich wär manchmal froh, wenn ich nur ein bisschen davon hätte.“ Sesshomaru blickt auf. Er sieht sehr erschöpft aus. „Ich wünschte, es wäre so einfach, wie du dir das vorstellst. Aber manchmal ist daran festzuhalten das Einzige was mich aufrecht hält.“ „Ist deine Würde wirklich alles was dir bleibt?“, ernst blickt Inu Yasha ihn an, „Ich glaube, dann bist du wirklich zu bedauern.“ Sesshomarus Augen fliegen auf. Doch Inu Yasha fährt schon fort: „Du darfst dich nicht so hängen lassen. Ich verstehe, dass du traurig bist. Ich...“, er zögert kurz, „ich kann dich sogar sehr gut verstehen. Du bist nicht der Einzige, der jemanden verloren hat, der ihm viel bedeutet. Aber ich habe gelernt, dass es irgendwann weitergeht. Es wird immer jemanden geben, der das Loch in deinem Herzen wieder schließen kann... mit der Zeit. Man muss es nur zulassen.“ Sesshomaru blickt schweigend auf die langsam untergehende Sonne, die sich auf den See herniedersenkt. „Ich sehe sie noch immer vor mir“, murmelt er leise, „Sie war so unglaublich schön! Ich hätte sie niemals aufgeben können, obwohl ich es so sehr versucht habe. Sie war alles was ich jemals wollte. Die einzige Seele mit der ich mich je verbunden gefühlt habe. Als sie ging, war ich am Boden zerstört. Und Tenmaru“, er schluckt schwer, „Wegen eines Schwurs gegenüber einem Verräter, hab ich meine Zukunft aufgegeben. Ich habe mich blenden lassen und meinen Stolz über das Einzige gestellt, was mir von ihr noch geblieben war. Nun habe ich beide verloren. Ich werde niemals ungeschehen machen können, was geschehen ist und ich werde niemals wiederbekommen, was mir genommen wurde. Damit werde ich leben müssen. Wie kann dieses Loch jemals geschlossen werden?“ „Du hast immer noch Rin!“, ernst blickt Inu Yasha seinen Bruder an, „Wenn ich mich nicht täusche, hast du sie gestern offiziell adoptiert und inzwischen sollte allen klar sein, dass sie für dich mehr ist als nur ein Zeitvertreib oder eine Laune.“ Sesshomaru blickt auf. Aber Inu Yasha redet schon weiter. „Sie liebt dich! Du warst immer schon wie ein Vater zu ihr. Wenn du es zulässt, dann wird der Verlust irgendwann nicht mehr ganz so wehtun.“ Nachdenklich betrachtet Sesshomaru seinen Bruder. Dann fragt er: „Inu Yasha, kann ich dich etwas fragen?“ Der Hanyou hebt die Brauen. „Hmm? Warum so förmlich? Was ist?“ Noch immer beobachtet der Daiyoukai ihn eingehend. Dann fragt er: „Du und dieses Menschenmädchen... ist das was Ernstes?“ Ertappt fährt Inu Yasha zusammen. „Was geht dich das an. Und selbst wenn es so wäre, das wäre dann ja wohl meine Sache!“ „Sie ist eine Miko, das ist dir klar, oder?“, sagt Sesshomaru ruhig. „Ja und, selbst wenn es so wäre. Ist doch egal, oder?“ „Und du bist ein Hanyou.“ „Na und, wen juckt das?“ „Ein Fürstensohn.“ „Ich kapier nicht worauf du... Oh!“, nun scheint es Inu Yasha langsam zu dämmern. „Das ist nicht erlaubt, oder?“, fragt er etwas kleinlaut. „Ich will es so sagen: Es ist bei unserem Volk nicht gerne gesehen, wie du inzwischen vielleicht mitbekommen hast. Und wie wichtig es für einen Fürsten ist, eine gewisse... Stellung zu wahren, muss ich dir nach den Geschehnissen wohl auch nicht mehr erklären. Aber eigentlich geht es mir um etwas anders.“ „Und das wäre?“, skeptisch sieht Inu Yasha seinen Bruder an. Der Daiyoukai ist offenbar bemüht, sich die richtigen Worte zurecht zu legen. Dann sagt er: „Normalerweise verlieben sich Youkai nicht. Besonders die Fürstenehen kommen überwiegend durch Absprache zustande. Du hast vielleicht schon davon gehört, dass Youkaikinder, die aus Liebe gezeugt werden, unerwünscht sind. Und das aus gutem Grund. Wir sind Youkai! Dämonen. Wir sind Verdammte! Unserem Vater wurde die Liebe zu einer Frau zum Verhängnis. Die einzige Liebe meines Lebens und mein einziger Sohn wurden mir beide genommen. Deine erste Liebe, diese tote Priesterin, sie bannte dich für Jahre an einen Baum und starb im Hass auf dich, weil sie dich für ihren Mörder hielt.“ Inu Yashas Herz schlägt bis zum Hals. „Das sind alles nur Zufälle! Das hat nichts damit zu tun“, stößt er entschieden hervor. „Ach ja?“, gibt Sesshomaru unnachgiebig zurück, „Ist dir noch niemals der Gedanke gekommen, dass wir vielleicht solch ein Glück gar nicht verdienen? Mein Vater nicht, du nicht und ich auch nicht. Auch mit dieser Kagome wird es nicht anders sein. Glaube mir, das Dämonenblut, das uns so stark macht, verwehrt uns gleichermaßen auch das was die Götter ausschließlich für die Menschen vorgesehen haben. Für uns kann Liebe nichts anderes als Schmerz bedeuten. Für uns nimmt es nie ein gutes Ende. Das ist unser Schicksal! Finde dich damit ab!“ Inu Yasha sitzt da wie vor den Kopf geschlagen. Dann schließlich erhebt er sich langsam und schaut mit verschlossener Miene auf seinen Bruder hinab. „Das denkst du also wirklich, ja? Jetzt will ich dich etwas fragen. Empfindest du Reue für Tenmarus Tod?“ Ein leichtes Zittern geht durch den Körper des Daiyoukai. „Ja!“, sagt er so selbstbeherrscht wie er es vermag, „Jeden Augenblick!“ „Das ist gut!“, sagt Inu Yasha kühl, „Denn, Sesshomaru, nicht das Schicksal ist schuld an Tenmarus Tod, sondern du!“ Der Daiyoukai reißt die Augen auf und er erstarrt. Ungläubig starrt er seinen Bruder an und man kann deutlich die tiefe Verzweiflung erkennen, die sich nun auf sein bleiches Gesicht legt. Unnachgiebig hält der Hanyou dem Blick seines Bruders stand, der ihn still anfleht, diese schmerzhafte Wahrheit ungeschehen zu machen. Doch Inu Yasha ist weit davon entfernt. Stattdessen ergreift er noch einmal das Wort. „Aber weißt du was? Das bedeutet auch, dass du etwas verändern kannst. Du bist kein Spielball des Schicksals.“ Ernst blickt er seinen Bruder an. „Ich werde dir mal was sagen! Kämpfen und für etwas einstehen, das einem wichtig ist, ist niemals vergebens! Würde ich glauben, dass alles in meinem Leben vorherbestimmt ist, dann hätte ich schon vor hundert Jahren aufgegeben. Und weiß Gott, ich stand mehr als einmal kurz davor. Aber ich gehe weiter! Ich kämpfe weiter! Und was ich selbst zu verantworten habe, das kann ich auch ändern. Mein Schicksal bestimme ich selbst, niemand sonst.“ Mit diesen Worten wendet er sich zum Gehen. „Solange du Reue empfindest, musst du auch die Verantwortung übernehmen und solange du das tust, bist du nicht machtlos! Glück fliegt einem nicht zu, genau so wenig wie es einem entrissen wird. Man muss dafür kämpfen! Denk mal drüber nach!“ Noch einmal wirft er kurz einen Blick über die Schulter zurück, doch dann wendet sich der Hanyou ab und verschwindet zwischen den Bäumen. Still blickt der Daiyoukai über den See hin zur sich senkenden Sonne. Da ist noch immer diese schreckliche Leere in seinem Herzen und dieser furchtbare Schmerz, der nicht von seinen vielen Wunden herrührt. Aber die Worte seines Bruder klingen noch immer in ihm nach. Er hat Recht! Sesshomaru seufzt leise. Warum ist es eigentlich immer wieder Inu Yasha, dem er einfach nichts vormachen kann? Er hat ihn immer schon instinktiv sofort durchschaut, auch wenn der Daiyoukai alles daran gesetzt hat, sich das niemals anmerken zu lassen. Doch bei seinem Bruder ist das scheinbar vergeblich. Nach Tenmarus Tod, hat jedes seiner Worte zielgenau jeden einzelnen wunden Punkt getroffen, den dieses ganze Dilemma schon die ganze Zeit in ihm hervorgerufen hat. All diese Fragen hat er sich auch schon gestellt, und versucht, sie beiseite zu wischen, oder sich schön zu reden. Vergeblich! Der Hanyou hat ihm gehörig den Kopf gewaschen, und vermutlich war das auch nötig. Vielleicht ist das der Grund warum er das Bedürfnis hatte, ausgerechnet seinem Bruder gegenüber sein Herz auszuschütten, und bei allen Göttern, er hatte schon vollkommen vergessen, wie gut so etwas tun kann. Irgendwie scheint Inu Yasha ihn immer zu durchschauen, und er versteht ihn. Er hat sich nicht lustig über ihn gemacht, als er die immense Flut an furchtbaren Gefühlen einfach nicht mehr bei sich behalten konnte, sondern hat sich sogar einfühlsam bemüht, etwas produktives zu ihrem Gespräch beizusteuern. Sesshomaru lässt den Kopf rückwärts an den Baumstamm hinter ihm sinken. Vielleicht ist es gerade das, was mich an ihm so auf die Palme bringt, dass er mich so gut kennt und sich von mir nichts vormachen lässt. Er war schon immer ein Kämpfer. Er gibt nicht auf, und das obwohl er es immer viel schwerer hatte als ich. Und er hat nicht zugelassen, dass ich mich aufgebe, obwohl ihn das beinah umgebracht hätte. Ich werde manchmal einfach nicht schlau aus ihm. Sesshomaru lässt den Blick langsam in die Runde schweifen. Vor seinem Inneren steigen Bilder auf von längst vergangenen Tagen. Wieder steht sie vor ihm. So wunderschön und verführerisch, dass es nur noch mehr schmerzt, zu wissen, dass sie tot ist. Er hätte mutiger sein müssen. Er hätte sie niemals aufgeben dürfen, und niemals hätte er Arashitsumes Worten Glauben schenken dürfen. Wie es wohl gewesen wäre, wenn er es wahr gemacht hätte. Wenn er sie damals tatsächlich geheiratet hätte. Nichts von all dem hier wäre dann je passiert und vielleicht hätte er dann diesen Abend irgendwo in seiner Heimat zusammen mit seinem Sohn verbracht. Tenmaru! Ich habe dich so ungerecht behandelt. Dich traf an der ganzen Sache nicht die geringste Schuld. Ich hätte dir ein Vater sein sollen und war dir nur ein Feind. Ich hätte es niemals so weit kommen lassen dürfen! Ich hätte dich anerkennen sollen! Ich habe so viele Fehler gemacht. Auf einmal vernimmt er neben sich eine leise, zaghafte Stimme. „Sesshomaru-sama, du weinst ja!“ Langsam wendet er sich dem kleinen Mädchen zu, das neben ihm steht und ihn besorgt mit großen Augen ansieht. Mit den Fingerspitzen fährt sich Sesshomaru flüchtig über das Gesicht. Dann streckt er den Arm nach ihr aus. „Komm her, Rin! Setz dich!“ Gehorsam rückt das kleine Mädchen etwas näher und nimmt dann neben ihrem Herrn Platz. Wie beiläufig lässt er die Schleppe seines Pelzes um ihre Schultern gleiten und das Mädchen kuschelt sich wohlig hinein. Inu Yasha, denkt Sesshomaru. Sogar eben hat er gleich erkannt, was er brauchte und er war sich nicht zu schade dazu, es ihm mitzuteilen. Auch wenn ihm das vielleicht gar nicht klar gewesen ist. Er ist nicht Spielball des Schicksals, hat er gesagt. Glück fliegt einem nicht zu und wird einem nicht entrissen, man muss darum kämpfen! Dieser sture Hanyou! Er hat gleich gemerkt, dass er dabei war, in Selbstmitleid zu zerfließen und wieder hat er es nicht zugelassen. Nein, das ist eines Daiyoukais unwürdig. Er fühlt noch immer Trauer und seine Wangen sind feucht von den stillen Tränen, die einfach seinem Schmerz Ausdruck verleihen müssen, aber nun legt sich ein sanftes Lächeln um Sesshomarus Lippen. Wie beiläufig geht sein Blick hinab zu Tenseiga. Inu Yasha hat Recht! Und wenn es mich alles kosten mag was ich besitze, ich werde mein Schicksal selbst bestimmen! Ich werde kämpfen! Die Sonne ist inzwischen untergegangen. Kagome beginnt sich langsam Sorgen zu machen. Schon vor einer Weile ist Inu Yasha wieder aufgetaucht, kurz nachdem Rin verschwunden ist. Der Hanyou meinte zwar, dass sie auf der Suche nach Sesshomaru war, und dass er ihr den Weg gewiesen hat, aber seitdem ist das Mädchen noch nicht wieder aufgetaucht und Kagome wird unruhig. „Wir sollten nachsehen wo sie steckt“, meint sie, „Kommst du mit?“ Stöhnend erhebt sich Inu Yasha. Er hatte sein schmerzendes Bein gerade erst in eine halbwegs angenehme Position bekommen, aber was sein muss, muss wohl sein. Gemeinsam gehen sie Seite an Seite durch den nächtlichen Wald. Der Schein der untergegangenen Sonne ist kaum noch zu sehen. „Meinst du, er kommt zurecht?“, fragt Kagome während sie gehen, „Er scheint sich das Ganze wirklich sehr zu Herzen zu nehmen.“ Inu Yasha trottet schweigend neben ihr her. Doch dann sagt er: „Sesshomaru kommt schon zurecht. Er ist ein Daiyoukai, die sind unverwüstlich.“ „Und du?“, Kagome ist stehengeblieben, „Das Ganze hat dich doch auch stark mitgenommen. Du machst mir nichts vor. Die Sache geht dir doch auch nahe. Tenmaru war immerhin dein Neffe.“ Nun bleibt auch Inu Yasha stehen. Einen Moment lang hält er inne. Dann dreht er sich langsam zu ihr um. Tiefgolden glänzen seine Augen durch die Nacht. Kagome stutzt. Sie hat diesen Blick schon einmal bei ihm gesehen, und ihr Herz fängt schon wieder an so verräterisch zu pochen. „Kagome“, sagt Inu Yasha leise, „Erinnerst du dich noch, als ich nach dem Sieg über Chihime sagte... mir würde nichts fehlen?“ „Ja...“, kommt die zögernde Antwort. „Weil es stimmt! Mir fehlt nichts. Im Gegensatz zu Sesshomaru, habe ich alles was ich brauche.“ Kagomes Augen weiten sich. Behutsam hebt Inu Yasha eine Hand und streift ihr kurz über eine Wange, und Kagomes Knie werden weich. „Ich kann Sesshomaru so gut verstehen“, murmelt Inu Yasha gedankenverloren, „Wenn ich dich verlieren würde... Dann wüsste ich auch nicht mehr weiter. Dann könnte ich genau da sein, wo er jetzt ist.“ „Inu Yasha...“, sprachlos blickt Kagome den betrübten Hanyou an. Doch im selben Moment gibt sich Inu Yasha einen Ruck und setzt seinen Weg fort. Verwirrt starrt Kagome ihm hinterher. Doch dann kommt wieder Leben in sie und rasch läuft sie ihm nach. Kaum hat sie ihn erreicht, hakt sie sich behutsam bei ihm ein und sie kann spüren wie seine warme Hand ihren Arm ein wenig fester als nötig hält. So laufen sie gemeinsam schweigend durch die Nacht, bis sie die Stelle erreichen an der Inu Yasha seinen Bruder unter dem Baum verlassen hat. Schon von weitem ist der weiche, weiße Pelz noch in der Dunkelheit auszumachen und in seine weiten Windungen gerollt entdecken sie Rin, die dort friedlich in tiefem Schlaf liegt. Was die beiden ein wenig mehr überrascht, ist die schlanke Hand die behutsam auf ihrem Kopf ruht. Leise treten die beiden näher, um das Mädchen nicht zu wecken. Dann umrunden sie den Baum und im selben Moment weiten sich ihre Augen vor Überraschung. Dort an den Stamm gebettet lehnt noch immer Sesshomaru in der selben Haltung in der Inu Yasha ihn verlassen hat, doch seine Augen sind geschlossen und seine Brust hebt und senkt sich langsam und gleichmäßig. Der erschöpfte Fürst des Westens hat endlich seinen so schwer benötigten Schlaf gefunden. Hin und wieder verkrampft sich seine Brust und sein Gesicht verzieht sich schmerzverzerrt, und gelegentlich entfährt ihm ein leises Stöhnen, doch der Daiyoukai schläft tief und fest. Inu Yasha verzieht das Gesicht. „Na, das wurde aber auch Zeit! Er musste schon viel zu lange dagegen ankämpfen.“ „Er hat es sich verdient“, sagt Kagome, „Ich glaube, um Sesshomaru müssen wir uns keine Sorgen machen. Lassen wir ihn schlafen!“ Inu Yasha nickt. „Morgen wird es ihm zwar peinlich sein, aber schließlich ist er auch nur ein Mensch!“ Er grinst ein wenig. „Oh Gott, lass ihn das bloß nicht hören!“, wispert Kagome und dann schiebt sie ihren Freund wieder in die Richtung aus der sie gekommen sind. Noch ein letztes Mal wendet sich Inu Yasha zu ihm um. Gute Nacht, Bruder! Erhole dich gut! Du schaffst das schon! Du hast noch immer die Chance etwas zu ändern, und so wie ich dich kenne, wirst du das sicher auch irgendwann tun. Dann fasst er Kagomes Hand und die beiden verschwinden zusammen leise in der Nacht. Glossar: Sesshomaru = Beender allen Lebens/ Perfektes Töten Yarinuyuki = Durchhalten im Schnee Yaeba = Eckzahn Arashitsume = Sturmklaue Yaomonzurushi = Allen Achtung entgegenbringender Zahn Yaeba/Yaomonzurushi = Wortspiel → Beides wird mit den selben Kanjis geschrieben Inu Taishou = Herr/General der Hundeköpfe Inu Taiarashi = Hund des großen Sturmes Inu Taihyouga = Hund des großen Gletschers Chihime = Blutprinzessin Hanaki = Schöne Blume Samushi = Kältetod Kegawa = Pelz Raihone = Blitzknochen Raiuko = Gewitterkind Katsubou = Gier Himoku = Holzkratzer Itakouri = Eisschmerz Kossoridoku = heimliches Gift Bouryoku = Gewalt Sokudo = Geschwindigkeit Dokutoge = Giftdorn Chitsurao = Bitterblut Kashikomon = Tor der Weisheit Higashi no Ken = Schwert des Ostens Higashi no Tate = Schild des Ostens Futaba = Zwillingszahn Nibai no Kamikizu = Doppelbiss Yuushuu Nibai no kamikizu = Überlegener Doppelbiss Kourimori = Eiswald Haka no Kesshou = Kristallsarg Wird ggf. ergänzt... (Sagt gerne bescheid, falls noch ein Wort unklar ist. Vielen Dank fürs Lesen, ich hoffe, es hat euch gefallen! *verbeug*) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)