Ikes Erbe von Ryucama (was nach dem Krieg geschah) ================================================================================ Kapitel 12: Eine unmenschliche Wahl ----------------------------------- weiter gehts! (sorry, dass es so lang gedauert hat...) Es dämmerte bereits, als Titania endlich das Signal zum Halten gab. Rhys und Ilyana fielen auf der Stelle dort hin, wo sie gerade standen. Sie rangen um Atem, das Tempo war einfach zu anstrengend gewesen. Gatrie, Mia, Ike, Soren und Boyd ging es nicht viel besser. Einzig Zihark und Shinon, deren Ausdauer wohl größer war, sahen noch etwas fitter aus, sie machten sich mit stur geradeaus gerichtetem Blick daran, das Lager aufzuschlagen. Titania seufzte. Sie hätte nie zulassen sollen, dass sie derartig hinter ihren Feinden herhetzten. Die Kämpfer, die zu Fuß hatten gehen müssen, waren völlig erschöpft. Sie beschloss, die erschöpften Söldner diese Nacht durchschlafen zu lassen und stattdessen nur die Reiter Wache halten zu lassen, auch wenn das bedeutete, weniger Schlaf zu bekommen. In diesem Moment sah sie einen verwischten braunen Schatten hinter sich aus dem Gebüsch schlüpfen. Mit einem Alarmschrei auf den Lippen fuhr sie herum - Geoffrey, der neben ihr gestanden hatte, riss seinen Bogen hervor und spannte ihn binnen eines Sekundenbruchteils, während die anderen noch an ihren Waffen herumnestelten. Doch gleich darauf zeigte sich, wie unbegründet der Alarm gewesen war. "Volker!", keuchte sie und ließ die Axt sinken, die sie aus dem Gürtel gerissen und kampfbereit vor sich gehalten hatte. Der schlanke Meuchelmörder richtete sich auf. "Sag bloß, ihr habt mich erst jetzt bemerkt? Das wird noch euer aller Tod sein, wenn ihr weiterhin mit geschlossenen Augen und tauben Ohren durch die Welt trampelt!" Er trat lässig zu der Kommandeurin hin. "Mit Verlaub, aber hättet ihr noch ein Plätzchen in eurer Truppe frei? Ich sah euch auf Baron Latices Burg und dachte, ihr könntet vielleicht noch jemanden gebrauchen, dessen... Fingerfertigkeit... etwas über der eines durchschnittlichen Mannes liegt." Titania nickte abwesend. "Natürlich. Jemanden wie dich dabeizuhaben, könnte sicherlich von Vorteil sein. Was meinst du, Ike?" Der blauhaarige Söldner, der neben sie getreten war, nickte. "Schon beim letzten Mal konnte ich mich blind auf ihn verlassen. Ich denke, er wird uns auch diesmal nicht enttäuschen. Was verlangst du diesmal, Volker?" Der Assassine lächelte unter seiner Maske. "Nur Verpflegung und Unterkunft. Mehr nicht, auch wenn es seltsam klingt. Mich interessiert, wie ihr die Königin und eure Freunde retten wollt. Dies zu sehen ist mir Lohn genug." Titania hob eine Augenbraue und nickte. "Verstehe. Dann wären wir Narren, wenn wir ein solches Angebot ausschlagen würden. Du bist dabei." Der Meuchler neigte den Kopf und Titania beeilte sich zu sagen: "Du kannst gleich dabei helfen, die Zelte aufzubauen, da du ja darin schlafen wirst." Volker nickte und machte sich neben Boyd, der ihn verblüfft anstarrte, an die Arbeit. Geoffrey meinte leise: "Ob das klug war? Solches Gesindel ist bekanntermaßen nicht besonders treu..." "Ich weiß!", erwiderte Titania. "Trotzdem, auf Volker können wir uns verlassen. Er war beim letzten Mal auch dabei, erinnerst du dich?" Der General Crimeas verdrehte die Augen. "Wie könnte ich das vergessen? Er war es schließlich, der dem General im Schloss des Schwarzen Ritters die Rüstung vom Leib gestohlen hat, damit ich in der Lage war, ihn mit Pfeilen zu spicken!" Titania lachte: "Oh ja, das klingt ganz nach Volker. Ich wüsste nur zu gern, wie er es angestellt hat, so nah an ihn heranzukommen, dass er die Bänder der Rüstung lösen konnte!" Ike mischte sich ein: "Er hat sie nicht gelöst, sondern durchgeschnitten. Ich habe es gesehen." "Somit wäre dieses Rätsel auch gelöst. Damit kannst du dich ja wohl auch wieder an die Arbeit machen, Ike?" Der Blauhaarige warf ihr einen eisigen Blick zu, gehorchte dann aber anstandslos, als er in Titanias und Geoffreys harte Gesichter blickte. "Oh, und wenn wir gerade dabei sind - Ihr könnt Euch Ike gleich anschließen, bevor Ihr Euren Rang hier in meiner Söldnertruppe noch vergesst." Titania musste arg an sich halten, um bei Geoffreys entsetzem Gesichtsausdruck nicht loszulachen. Der Ritter schluckte, meinte dann aber: "Wenn es Euer Wunsch ist... werde ich das tun... Commander!" Er saß ab und reichte Oscar, der schon wartete, die Zügel. Der grünhaarige Söldner grinste über das ganze Gesicht, als Geoffrey von dannen stiefelte. "Das wird er dir nicht so schnell vergessen. Einen Ritter zu bitten, beim Lager aufschlagen zu helfen, ist schon vermessen. Dasselbe bei einem General zu tun, kommt einer Beleidigung gleich." Titania sah dem Rittmeister nach, der sich mit unsicheren Schritten den Köchen für das Abendessen näherte. "Ich weiß, aber solange ich hier das Kommando habe, wird er tun, was ich von ihm verlange. Sonst gewöhnt er sich zu sehr daran, uns herumzukommandieren. Es reicht, wenn er das in der Schlacht tut." Als sie später beim Abendessen saßen, herrschte eine zwar müde, aber zufriedene Stimmung. Shinon gab ein paar zotige Witze zum Besten, die nicht nur die Damen zum Erröten brachten. Schließlich beschlossen Darahan und Volker, die Jüngeren mit ihrem mitgeführten Bier abzufüllen. In Boyd fanden sie ein dankbares, aber trinkfestes Opfer. Titania grinste, als sie sah, wie alle drei immer betrunkener wurden und der Jüngste schließlich schwankend von dannen taumelte, um seinem Magen Luft zu verschaffen. Sie schalt die beiden Älteren scherzhaft und ermahnte sie, nach Boyd zu sehen, ehe er noch Unsinn anstellen konnte, doch Oscar übernahm das, ehe die beiden auch nur auf die Füße kamen. Die drei Mädchen saßen dicht beieinander und tauschten Geschichten aus, ebenso wie Darahan, Volker und der nüchterne Zihark. Shinon war auf dem besten Wege, ebenso betrunken wie die anderen beiden zu werden, während Gatrie bereits die Augen zufielen, ehe er sich erheben und in sein Zelt torkeln konnte. Die Kommandeurin lächelte über den zufriedenen Gesichtsausdruck, der auf Gatries Zügen lag. Soren und Rhys lehnten nebeneinander und versuchten, im schlechten Licht des Lagerfeuers eine Meditationsübung, die Rhys' Zauberfähigkeiten wiederherstellen sollte, zu lernen. Verwirrt sah sich Titania um. Da fehlten doch noch zwei! Schließlich entdeckte sie Geoffrey und Muarim etwas abseits des Feuers. Der General Crimeas saß an einen Baumstumpf gelehnt und kraulte die dicke grüne Mähne des Laguz. Muarim schien ein guter Zuhörer zu sein, denn der junge Mann sprach fast ohne Pause, jedoch sehr leise und mit traurigem Gesicht. Titania beschloss, sie nicht zu stören. Als sich dann aber langsam alle verabschiedeten und in ihren Zelten verschwanden, bat sie: "Muarim? Geoffrey? Würde es euch etwas ausmachen, die erste Wache zu übernehmen?" Beide schüttelten wortlos den Kopf und sie fügte hinzu: "Sehr gut, dann weckt bitte Jill und Oscar, wenn es für die zweite Wache Zeit ist. Sie sollen Darahan und mich wecken, damit wir die letzte Wache halten können." Ein einträchtiges Nicken zeigte ihr, dass die beiden verstanden hatten und sie wandte sich ab, um sich den wohlverdienten Schlaf gönnen zu können. Sie hörte noch, wie Elincias Name fiel und Muarim ein beruhigendes Schnurren von sich gab, dann tauchte sie in die sanfte Dunkelheit ihres Zeltes ein, wo bereits die drei Mädchen einträchtig nebeneinander schliefen. Am nächsten Morgen - Titania und Darahan hatten das Frühstück bereits während ihrer Wache hergerichtet - brachen sie zügig auf. Sie kamen ihren Feinden immer näher. Und je geringer der Abstand zwischen den zwei Truppen wurde, desto unruhiger wurden die Söldner, speziell Ike, Boyd und Shinon. Aber auch Oscar und Geoffrey waren bei weitem nicht mehr so ruhig, wie sie es zuvor gewesen waren. Titania ermahnte ihre Untergebenen zur Vorsicht. So nah, wie sie jetzt an den Entführern heran waren, war es nicht mehr ausgeschlossen, dass sie sehenden Auges in einen Hinterhalt liefen. Dann meinte Volker plötzlich: "Dort vorne ist ein relativ schmales Felsental. Vielleicht könnte es uns gelingen, ihnen den Weg abzuschneiden und sie dann einzukesseln!" "Aber dann müssten wir die Truppe aufteilen und das ist etwas, was ich nur sehr ungern tue!" Volker nickte und seufzte. "Die Alternative ist, ihnen von hier bis zur Nordgrenze Daeins nachzulaufen. Wenn sie einmal weit genug voraus sind, werden wir sie nicht mehr einholen. Dieses Tempo halten wir nicht ewig durch, Rhys und Ilyana schleppen sich schon jetzt mehr vorwärts, als dass sie gehen. Und bei den anderen, die nicht das Glück haben, reiten zu können, sieht es nicht viel besser aus." Titania nickte nachdenklich. Dann rief sie Ike, Geoffrey und Soren zu sich und erläuterte ihnen die Lage. Von Ike und Geoffrey kam sofort Zustimmung für Volkers Plan, von Soren eine strikte Ablehnung. "Wenn wir das tun, halbiert sich unsere Kampfkraft. Stoßen wir dann auf einen Hinterhalt, könnte es gut sein, dass wir die Hälfte unserer Truppe, wenn nicht sogar noch mehr, verlieren. Das ist viel zu riskant! Lieber hetzen wir ihnen nach, als dass wir diesen Unsinn mitmachen!" "Es ist ja nicht deine Schwester, die wir hier verfolgen!", kam ein hitziger Einwurf seitens Ike, doch Soren sah ihn nur gelangweilt an. "Ein paar Tage mehr oder weniger werden ihr nicht schaden. Aber ein paar Tote werden uns Kraft kosten, Kraft, die wir dringend nötig haben werden, wenn es zum finalen Kampf kommt. Sei ehrlich, Ike, so kommen wir nicht weiter!" "Aber wenn wir es nicht wagen..." "...müssen wir dieses Tempo halt aufrechterhalten, bis wir sie haben! Nein, Ike, in dieser Position bekommst du von mir keine Zustimmung!", meinte Soren entschieden. "Aber das können wir nicht.", ließ sich Geoffrey leise vernehmen. "Wir haben nur diese eine Chance! Gib es doch zu, du bist genau wie alle anderen völlig am Ende, noch länger kannst du nicht mithalten, schon gar keine ganze Woche oder gar noch länger!" Soren seufzte angesichts dieser Qual. "Ich weiß. Aber wir müssen es versuchen." Titania schüttelte den Kopf. "Wenn ihr mich fragt, würde ich sagen, dass wir es probieren sollten. Mehr als schiefgehen kann es nicht. Wenn wir die Kräfte gut aufteilen, sollten wir nicht in einen Hinterhalt laufen." Volker nickte. "Das ist wahr. Eine gute Aufteilung der Ressourcen sollte uns den Sieg bringen." Der schwarzhaarige Magier schüttelte den Kopf. "Ihr seid alle wahnsinnig. Aber bitte. Setzt euren halsbrecherischen Plan nur in die Tat um. Aber beklagt euch nachher nicht, wenn ihr dann feststellt, dass euch die Hälfte eurer Leute abhanden gekommen ist!" Die Rothaarige lächelte. "Danke, Soren. Dann werden wir jetzt die Gruppen einteilen." Volker nickte und machte ihr ein Zeichen, fortzufahren. "Ich möchte, dass Ihr, Geoffrey, die zweite Gruppe anführt. Die erste übernehme ich. Ike, du wirst ihn unterstützen, ebenso wie du, Volker. Soren, du kommst mit mir. Des weiteren möchte ich Darahan, Boyd, Gatrie, Shinon, Zihark und Ilyana in meiner Gruppe haben. Jill, Rhys, Oscar, Mia und Muarim gehen mit euch, Ike. Bringt mir alle gesund und munter mit zurück, ja?" Ike und Geoffrey nickten und machten sich sofort daran, ihre Gruppe zusammenzustellen. Volker sah ihnen nach und meinte leise: "Hoffentlich machen wir jetzt keinen Fehler..." Als sich die Gruppen trennen sollten, begutachtete Titania noch einmal ihre Wahl. Ihre Gruppe konnte sich vergleichsweise leise bewegen, das war ihr wichtig erschienen, denn sie sollten diejenigen sein, die der normalen Route folgen würden, während Ikes und Geoffreys Gruppe einen Haken schlagen und die Verfolgten überraschen sollte. "Ich will, dass ihr beide", sie wandte sich an Jill und Darahan, "immer in der Luft bleibt und das Geschehen von oben überwacht. An euch liegt es, wenn wir in einen Hinterhalt laufen, also sperrt Augen und Ohren auf, damit ebendas nicht passiert!" Beide nickten und Titania lächelte Geoffrey noch einmal zu. Dieser nickte ihr zu und gab das Signal zum Aufbruch. Titania seufzte und Soren meinte: "Das wird spannend. Ich hoffe, sie sind in der Lage, den Vorsprung aufzuholen und schneller als die Daein zu sein." Die rothaarige Kommandeurin nickte. Sie hatte ein schlechtes Gefühl im Magen. Wenn das nur alles gutging! Geoffrey leitete seine Gruppe mit einer Disziplin, die einem General Crimeas würdig war. Keiner seiner Begleiter beklagte sich über das harte Tempo, nicht einmal Rhys, der zwar blasser und blasser wurde, sich aber trotzdem tapfer in der Marschordnung hielt. Volker kundschaftete nach vorne aus, während Jill die Lage aus der Luft überblickte. Plötzlich fluchte Ike neben dem General. "Verdammt! Das ist gar nicht gut!" Geoffrey sah ihn verwirrt an. "Was meinst du?" "Siehst du das nicht? Titania hat die beiden Magier behalten! Rhys nutzt uns herzlich wenig, sollten wir auf Laguz stoßen - oder hast du zufällig eine Laguzlanze dabei?" Der Ritter besah sich seine Truppe und nickte. "Stimmt. Na, dann wollen wir hoffen, dass uns ebendas nicht passiert." Er winkte Jill, die daraufhin tiefer sank. "Wie weit ist es noch?" Die Rothaarige lächelte. "Wir haben sie fast. Nur noch ein bisschen, dann haben wir es geschafft. Wir dürften den Ausgang des Tales rechtzeitig erreichen!" Geoffrey nickte und bedeutete ihr, wieder aufzusteigen. Ike sah zu dem Rittmeister auf und bemerkte: "Wenn das nur gutgeht. Ich habe ein verdammt schlechtes Gefühl dabei!" Geoffrey seufzte so leise, dass nur Ike ihn hören konnte: "Ich auch. Ich mache mir solche Sorgen um Elincia. Was passiert, wenn unsere Aktion schiefläuft, oder wenn wir nicht rechtzeitig ankommen?" "Dann werden entweder sie oder wir sterben.", bemerkte Volker, der auf Geoffreys anderer Seite dahintrabte, trocken. "Welch traumhafte Aussicht, wirklich!", ächzte der General und schüttelte den Kopf. "Warum hat sie mir nur diese reizende Gesellschaft gegeben?" Ike grinste breit. "Soren wäre noch unausstehlicher gewesen, vor allem, weil er gegen diesen Plan war und du dafür. Tja, sei froh, dass es nur Volker war!" Geoffrey zog es vor, darauf nicht zu antworten. Sie erreichten das Tal genau in dem Moment, als die verfolgte Gruppe hinauswollte. Es waren, wie es aussah, tatsächlich Daein. Ihre schwarzen Rüstungen schienen das Licht geradezu zu schlucken. In ihrer Mitte sahen die Söldner immer wieder ein orangefarbenes Kleid aufblitzen, was Geoffrey und Ike schier in den Wahnsinn trieb. Die Söldner bauten sich in einer Reihe vor ihren Gegnern auf und schnitten ihnen den Fluchtweg ab. "Von hinten kommt noch eine Truppe! Sie haben sich aufgeteilt!", hörten sie einen Kundschafter der Feinde flüstern. Geoffrey lächelte und trieb sein Pferd ein paar Schritte nach vorne. "Gebt Elincia und die anderen Gefangenen frei! Sonst können wir für nichts garantieren!" Durch die Reihen der Gegner ging ein leises Raunen, als sie den General erkannten. Ein besonders großer Daein grinste: "Sieh an, der Junge lebt tatsächlich noch. Haste allein deinem Pferd zu verdanken, würde ich sagen. Wäre dein Mistvieh nicht gewesen, würden dich jetzt die Würmer fressen, genau wie deine Kameraden! Du warst ja nicht mehr wirklich in der Lage, dich zu verteidigen! Und sowas schimpft sich würdevoll General von Crimea! Ha, das ist ein guter Witz!" Ein Schleier von Röte flog über Geoffreys Gesicht und er verlangte zornig: "Gebt Elincia heraus! Sofort, oder ich vergesse mich!" Der Daein lächelte ein kühles Lächeln. "Dann hol sie dir, wenn du kannst! Aber zuerst musst du uns fangen!" Wie ein Mann wirbelte die ganze schwarz gerüstete Gruppe herum und stürmte in das Tal zurück. Geoffrey überwand seine Überraschung schnell und befahl, ihnen zu folgen. Wesentlich ungeordneter hastete die halbierte Söldnertruppe ihren Gegnern hinterher. Sie stellten sie, als die Daein gerade eine Seitenwand des Tales erklimmen wollten. Geoffrey gab den Befehl, ebenfalls den schmalen Pfad, den die Daein gewählt hatten, zu ersteigen. Doch er kam nicht dazu, denn plötzlich drehte sich der großgewachsene Daein, der zuvor so unverschämt gesprochen hatte, um. In seinem Arm hielt er eine Gestalt. Eine junge Frau mit langen dunkelgrünen Haaren in einem orangefarbenen Kleid, wohlgemerkt. Ike und Geoffrey sahen beide rot, während Ike sich anschickte, den steilen Gebirgspfad hinaufzurennen, riss Geoffrey den Bogen hervor und spannte ihn, die Pfeilspitze zielte auf den Kopf des Entführers. "Halt!", riss eine scharfe Stimme beide aus ihrem Zorn. "Tut das nicht! Er wird sie töten, wenn ihr so unbesonnen handelt!", rief Volker hastig. "Ganz recht! Und ich garantiere euch, es macht mir rein gar nichts aus, dass dies hier eine Königin ist!", pflichtete ihm der Daein bei. Der General Crimeas hob die Hand und der Sturm auf den Felspfad kam zum Erliegen. Selbst Jill, die sich todesmutig mit ihrer Wyvern aus der Luft auf ihre Feinde hatte stürzen wollen, hielt überrascht inne. Stattdessen hob Geoffrey erneut den Bogen. "Ich sage es nur noch ein einziges Mal. Gebt Elincia frei!" Sein Gesicht zeigte einen Ausdruck, bei dem selbst Ike mulmig wurde. Solche Entschlossenheit, gepaart mit ungeheurer Konzentration, stand in seinem Blick, dass niemand es wagte, ein Wort dagegen zu sagen. Keiner, bis auf den Daein. Dieser lächelte nur und machte eine rasche Handbewegung. "Und ich sage es dir auch nur noch einmal: du willst das nicht tun, Junge!" "Unsinn! Ich töte dich, ehe du auch nur noch eine einzige Forderung stellen kannst!", drohte Geoffrey und spannte den Bogen noch eine Winzigkeit weiter. Sein Gesicht verzerrte sich vor Anspannung. Noch ein wenig mehr und er würde den Pfeil fliegen lassen. Er würde Elincias Peiniger treffen, dessen war er sich vollkommen sicher! Doch seine Gegner überraschten ihn erneut. Denn hinter dem Daein trat ein weiterer Schwarzgerüsteter hervor. Und auch dieser Mann hielt jemanden im Arm. Geoffrey wurde von einem Moment auf den Anderen sterbenselend. Sein Herz tat einen schmerzhaften Schlag und sein Inneres verkrampfte sich zu einem harten, eisigen Klumpen. "...Lucia..." Der zweite Daein hielt seine Zwillingsschwester im Arm. "Nun, junger General? Bist du immer noch so versessen darauf, mich mit deinem Pfeil zu erlegen, als wenn ich ein Stück Wild wäre? Ich kann dir garantieren, sobald du diesen Pfeil fliegen lässt, stirbt deine Schwester!" Um die Drohung seines Begleiters zu unterstreichen, zog der andere ein langes, bösartig gekrümmtes Messer hervor und hielt es der offensichtlich bewusstlosen Lucia an die Kehle. Geoffrey brachte kein Wort heraus, also übernahm Ike dessen Part. "Wenn ihr glaubt, dass uns das beeindruckt, dann seid versichtert, dass das nicht der Fall ist. Jede Sekunde, die verstreicht, bringt unsere Verbündeten uns näher - und somit auch euch!" "Pah, wie einfallslos. So lange wird es niemals dauern! Und da ich bei euch weder einen Bogen, noch Wurfspeer oder Wurfbeil sehe, denke ich, dass wir momentan im Vorteil sind!" Geoffrey keuchte, als auch der erste Daein ein Messer hervorzog und es an Elincias Hals hielt, die leise keuchte und versuchte, sich aus dem harten Griff des Mannes herauszuwinden. Doch natürlich hatte sie mit ihren Bemühungen keinen Erfolg. Geoffrey bat: "Lasst sie gehen! Bitte!" Er hielt den Bogen noch immer im Anschlag, ließ ihn jedoch sinken, als er sah, dass der Daein Elincia noch fester packte. "Geoffrey! Jetzt ist nicht die Zeit dafür, Feigling zu spielen!", flüsterte Volker. "Lass sie nicht die Oberhand gewinnen!" "Die haben sie bereits!", gab Oscar leise zurück. "Wir haben nur einen Schützen - und das ist Geoffrey. Du kannst von ihm nicht verlangen, seine eigene Schwester zu opfern. Das würdest du, wenn es Alja wäre, auch nicht tun!" Ike nickte verbissen. "Nun, was meinst du, wer jetzt im Vorteil ist?", grinste der Daein böse. "Aber ich will ja nicht so sein. Eine von beiden könnt ihr haben. Die andere kommt mit uns! Aber wählt weise!" Geoffrey verlor auch noch das letzte Bisschen Farbe aus dem Gesicht, als er mit ansehen musste, wie sich die große Hand des zweiten Daein um die Brust seiner Schwester legte und sich ein dreckiges Grinsen auf dem grobschlächtigen Gesicht des Mannes ausbreitete. Ike schüttelte den Kopf und der großgewachsene Daein lächelte: "Nun, wie lautet eure Wahl? Macht schon, ich habe nicht ewig Zeit!" Er ignorierte Ikes Ruf, Elincia freizugeben und wandte sich direkt an Geoffrey: "Was ist, Ritter? Hat es dir die Sprache verschlagen?" Der General Crimeas schloss gequält die Augen. "Das ist nicht fair..." "Oh nein, ist es nicht. Aber wir sind ja dafür bekannt, unfair zu spielen! Los jetzt! Oder sollen wir etwa beide töten?" Geoffrey fuhr zusammen. "Nein! Nicht!" "Dann will ich jetzt deine Antwort hören! Sofort!" Der Daein schien die Geduld zu verlieren, ebenso wie auch Ike. "Geoffrey, worauf wartest du? Elincia ist deine Königin!" Der Ritter ließ den Kopf hängen. "Ich weiß... aber was, wenn ich tatsächlich Elincia wähle? Was tun sie dann Lucia an?" Wie um das zu bestätigen, drückte der grobschlächtige Daein zu und strich mit den Lippen über Lucias Halsbeuge. "Nein...", keuchte der General, als das Messer die Haut der Schwertmeisterin ritzte und ein dünnes Rinnsal Blut ihren weißen Kragen rot färbte. "Ich warte, du Nichtsnutz von einem General!", schallte es von oben. Ike fauchte: "Na los, mach schon! Geoffrey! Du kannst Elincia nicht so leiden lassen!" Der Ritter biss sich auf die Lippe und krampfte die Hände um Pfeil und Bogen. Er dachte fieberhaft über eine Lösung des Problems nach. Doch ihm wollte keine Möglichkeit einfallen. Lucias Hals wurde von den Lippen des Daein saubergeküsst, während der junge General gequält innehielt und nachdachte. "Ich kann nicht ewig warten..." "Tu es! Wähle Elincia, los!", Ike schrie schon fast. Geoffrey erwiderte verzweifelt: "Ich kann nicht! Lucia ist meine Schwester!" "Na und? Elincia ist deine Königin! Verdammt, du bist ein Ritter von Crimea! Opfere Lucia, wie sie es auch an deiner Stelle getan hätte!", schrie Ike. "Sie ist nicht wichtig für Crimea, aber Elincia ist es sehr wohl!" Geoffrey keuchte, wandte gepeinigt den Kopf ab, als er sah, wie der Daein langsam Lucias Gewand zu öffnen begann. "Hört auf! Sofort! Ich bitte euch!" "Tja, mein Lieber, das können wir leider nicht. Auch wir hängen an unserem Leben, weißt du?", der große Daein schüttelte bedauernd den Kopf, was Ike schier in den Wahnsinn trieb. Er brüllte: "Geoffrey, entscheide dich endlich! Sei kein Narr!" Es war nötig, dass ihn Volker und Mia gemeinsam zurückhielten, sonst hätte er sich auf den Rittmeister gestürzt. Jill sah aus, als wolle sie jeden Moment auf die Gegner hinabfahren und sie beide attackieren, doch Oscar rief sie mit einem scharfen Befehl zurück, ehe sie eine Dummheit begehen konnte. Dann meinte der grün gerüstete Söldner: "Bitte, Geoffrey! Tu endlich etwas!" Geoffrey sah einer Leiche ungemein ähnlich. Sein Atem ging schnell und sein Herz raste. Er schwankte zwischen seiner Königin und seiner Schwester. Sein Gewissen schrie ihm zu, Elincia zu wählen, aber er konnte Lucia nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Er spürte, wie ihm Tränen der Verzweiflung und der Hilflosigkeit in die Augen stiegen. "Ich möchte, dass ihr mich an Lucias Stelle nehmt und Elincia freigebt!", meinte er schließlich leise. Doch nur ein schallendes Lachen antwortete ihm. "Große Worte, Ritter. Aber leider können wir das nicht tun. Deine Schwester ist uns viel zu teuer! Nicht wahr?" Einstimmige Zustimmung antwortete dem Daein aus seinen eigenen Reihen. Geoffrey wollte den Bogen hochreißen und den Daein erschießen, besann sich dann aber gerade noch darauf, dass sonst seine Schwester sterben würde und hielt inne. "Wen wählst du, General von Crimea? Entscheide dich jetzt auf der Stelle, oder wir schneiden beiden die Kehle durch!" Geoffrey ging durch die Hölle. Ike brüllte ihm zu, er solle endlich zur Vernunft kommen. Mittlerweile war auch Oscar abgestiegen und hielt ihn mit fest, ehe Ike sich losreißen konnte. Und auch Rhys hatte einen Arm des tobenden Blauhaarigen gepackt. "Geoffrey, du verdammter Idiot! Befreie Elincia! Jetzt!", schrie der ehemalige Söldnerführer rasend vor Wut. "Mach schon, Geoffrey, oder du bringst beide um!", drängte ihn auch Volker, nachdem er einen Faustschlag von Ike direkt ins Gesicht kassiert hatte. "Und... uns dazu!", würgte Mia hervor, die Mühe hatte, Ikes Schwertarm zu halten, so heftig riss der Söldner an ihrem Griff. Geoffrey schloss die Augen. Er atmete tief durch und kam zu einer Entscheidung. "Ich wähle..." "Ja?", kam es von dem Daein. "Ich wähle... Lucia!" Stille. Dann brachen die Daein in schallendes Gelächter aus, während diesmal Ike alle Farbe aus dem Gesicht verlor und sogar vergaß, sich zu wehren. Mia schluckte, als sie sah, welche Gefühlsregung in den Augen des Blauhaarigen aufblitzte und packte vorsichtshalber den Arm fester. "Nun gut. Dann nimm sie und sei glücklich mit ihr!", lachte der Daein boshaft. Er gab seinem Begleiter einen Wink und dieser stieß Lucia grob von sich. Die Bewusstlose kugelte hilflos den steilen Felsweg hinunter und wurde von Rhys aufgefangen. Die Daein flohen. Geoffrey versuchte noch nicht einmal, einen von ihnen mit seinen Pfeilen zu erwischen. Er saß einfach nur still und totenbleich auf seinem Pferd und starrte auf das verdreckte, blutige Häufchen Elend in den Armen des orangehaarigen Heilers. Ike dagegen war der Zorn selbst. Er riss an Mias, Volkers und Oscars Griff und Muarims festem Biss ins rechte Hosenbein, wand sich wie ein Aal, schrie, fluchte und schlug um sich. Doch der General beachtete ihn kaum. Die Tränen, die zuvor in seinen Augen gestanden hatten, rannen ihm nun ungehemmt über das Gesicht. Jill, die mittlerweile gelandet war, war sich nicht sicher, ob er es überhaupt bemerkte. Als Titania nur wenig später ankam, sah sie, wie fünf Leute todesmutig versuchten, Ike davon abzuhalten, Geoffrey die Haut abzuziehen. Sie wusste sofort, dass der Plan fehlgeschlagen war. Sie entdeckte Rhys, der jemanden im Arm hielt und sandte sofort Soren zu ihm, damit er sich ein Bild von den Verletzungen desjenigen machen konnte. Dann saß sie ab und trat zu dem tobenden Ike hin. Sie ohrfeigte ihn links und rechts und nannte ihn ein verzogenes Balg, was ihn endlich zur Räson brachte. Verblüfft starrte er die Rothaarige an. "Was ist hier passiert?" Ike, der bereits wieder in Rage an den Griffen der anderen riss, wollte sofort losbrüllen, aber Titania hob nur die Hand und bedeutete ihm, zu schweigen. Oscar antwortete: "Wir hatten sie eingeholt und ihnen den Weg abgeschnitten. Doch ehe wir sie erledigen konnten, entkamen sie zu diesem Pfad hier. Wir wollten ihnen folgen, aber sie hielten Elincia als Geisel. Als Geoffrey versuchen wollte, den betreffenden Mann zu erschießen, tauchte ein weiterer mit Lucia als Geisel auf. Geoffrey war natürlich hin- und hergerissen und hat sich dann für Lucia entschieden. Und das hat Ike - au! - in diesen Zustand versetzt!" Oscar verzog kurz das Gesicht, als Ike ihn heftig gegen das Schienbein trat, fuhr dann aber fort. "Dann sind sie geflohen. Wir folgten ihnen nicht, weil Ike es ohnehin nicht getan hätte und Geoffrey... nun, du siehst, in was für einem Zustand er ist!" Titania nickte nachdenklich und trat dann zu dem General hin. Geoffrey starrte noch immer auf die Stelle, wo die Daein verschwunden waren. Seine Hände lagen immer noch auf seiner Waffe. Sanft nahm ihm die Rothaarige Pfeil und Bogen aus der Hand und half ihm vom Pferd. Geoffrey ließ alles über sich ergehen und fiel schwer gegen Titania, als er auf seinen eigenen Füßen stand. Titania spürte das starke Zittern und den kalten Schweiß auf seiner Haut, als sie ihn stützte und ihn schließlich neben Rhys, Soren und Lucia auf den Boden setzte. "Kümmert euch um ihn. Er wirkt, als würde er gleich tot umfallen!" Der Schwarzhaarige nickte und besah sich den Ritter. "Ein schwerer Schock, würde ich sagen. Ein Donnerzauber hätte das nicht besser hinbekommen." Titania schoss ihm einen scharfen Blick zu, dies war nicht die Zeit für Scherze, doch Soren ignorierte diesen und meinte stattdessen. "Lassen wir sie gehen. Wir sind alle erschöpft. Eine Nacht wird uns nicht umbringen. Sie brauchen Elincia, sonst hätten sie Lucia nicht so einfach freigegeben." Die Kommandeurin nickte und gab ihrer Gruppe, die noch wesentlich ausgeruhter wirkte, den Befehl, das Lager aufzuschlagen. Dann trat sie noch einmal zu Ike hin. "Versprichst du mir, Geoffrey zu Frieden zu lassen oder muss ich dich fesseln?" Ike drehte den Kopf von ihr weg und fauchte: "Um diesen Narren wäre es nicht schade! Er hat unsere beste Chance vertan, Elincia zurückzubekommen!" "Ike!", zischte Titania. "Hättest du Alja geopfert, wärest du an seiner Stelle gewesen? Benutze deinen Verstand! Hätte er Elincia gewählt, wäre Lucia jetzt höchstwahrscheinlich tot! Es ist die Königin, die sie brauchen, nicht deren Leibwächterin! Geoffrey hat ihr das Leben gerettet, falls du das noch nicht begriffen hast! Sie werden Elincia nichts tun! Bestimmt nicht! Es wird noch eine Chance geben, Elincia und die anderen zu retten, ganz sicher!" Ike seufzte, beruhigte sich endlich. "Ich hoffe es. Denn wenn nicht, werde ich Geoffrey nicht verzeihen können!" "Ike!", entfuhr es Titania. Volker schüttelte den Kopf. "Bist du ach so großer Söldnerführer dir im Klaren darüber, was du da gerade ausgesprochen hast?" Der Blauhaarige nickte mit grimmigem Gesicht. "Oh ja, das bin ich. Und ich werde zu meinem Wort stehen. Wenn Elincia stirbt oder man ihr auch nur ein Haar krümmt, wird Geoffrey das mit seinem Blut bezahlen!" Die Kommandeurin schüttelte den Kopf. "Was ist nur aus dir geworden, Ike? Greil hätte das nicht gewollt!" "Aber mein Vater ist nicht mehr hier, Titania! Und ich bin alt genug, um eigene Entscheidungen treffen zu können!" "Ja. Aber ob das die richtige Wahl war?", meinte sie leise. "Versprich mir nur, dass du ihn in Ruhe lässt, bis wir sicher wissen, dass Elincia tot ist. Davor möchte ich, dass du ihm nichts tust. Er leidet ebenso wie du, denn er liebt sie ebenfalls." Ike seufzte. "Ich weiß, verdammt nochmal! Also gut, dann soll er meinetwegen tun, was er will. Aber falls Elincia etwas zustößt, werdet ihr mich nicht zurückhalten können!" Titania biss sich auf die Lippe, nickte dann aber und Oscar und die anderen ließen den Blauhaarigen los. Ike schüttelte sich, richtete seine Kleider und marschierte dann zum anderen Ende des Lagers, möglichst weit entfernt von den wieder vereinten Geschwistern und ließ sich schwer auf den Boden fallen. Titania sah ihm nach und richtete den Blick gen Himmel. "Göttin, gib mir Kraft. Denn sonst endet dies alles in einem Desaster..." und das war es schon wieder. ah, endlich war ich in der Lage, es zu schreiben, das hat mich echt schier um den Verstand gebracht. Ich hoffe, es gefällt euch, da steckt echt Herzblut drin... *sniff* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)