Späte Erkenntnis von abgemeldet (Endlich doch ein Happyend?) ================================================================================ Kapitel 1: Erster Teil ---------------------- Späte Erkenntnis Georgie saß gedankenverloren auf dem Sofa in ihrer Kabine und starrte mit leerem Blick durch eines der Bullaugen hinaus in die Dunkelheit. Ihre Hände waren unablässig mir ihrem goldenen Armreifen beschäftigt, und ihre Füße traten unruhig von einer Stelle auf die andere. Eigentlich war es längst Zeit gewesen, sich mit den anderen in den Salon zu begeben, um dort das Abendessen einzunehmen, aber wie sie es in letzter Zeit schon des öfteren getan hatte, war Georgie auf ihrem Zimmer geblieben. Seit sie vor drei Wochen die Rückreise aus England angetreten hatten, war sie immer häufiger in diese melancholische und doch irgendwie rastlose Stimmung verfallen. Sie isolierte sich dann meistens von Abel, Arthur und Maria, um in Ruhe nachdenken zu können. Natürlich war es verständlich, daß sie nach all den vergangenen Geschehnissen einige Zeit brauchen würde, um sich wieder in ihr normales Leben zurück zu finden, doch trotzdem machten sich die anderen ein wenig Sorgen um sie. Immerhin war es ihr in London doch noch gut gegangen und nun würde man schließlich bald zu Hause in Australien sein. Georgie verstand die Besorgnis der anderen, zumal sie ja selber nicht sagen konnte, was sie quälte. Irgend etwas tief in ihrem Herzen verursachte ihr Schmerzen, nicht physischer, sondern seelische Natur. Sie hatte nicht den blassesten Schimmer, woher diese Schmerzen rührten, alles was sie tun konnte, war sie zu beschreiben. Sie kamen ganz urplötzlich, niemals zu einem bestimmten Zeitpunkt, und wenn sie erst einmal da waren, dann nagten sie an Georgies Seele wie ein sehnsüchtiger Wunsch, wie eine tiefe, unerfüllte Leidenschaft, ein brennendes Verlangen. Jedes Mal gab sie sich verzweifelt Mühe um zu ergründen, wonach diese Sehnsucht bestehen konnte, aber sie fand keine Erklärung. Sie kannte dieses Gefühl, oh ja, da war sie sich sicher. Irgendwann hatte sie diese seltsame Leere schon einmal verspürt, doch sie konnte sich nicht entsinnen wann und wo. Als sie das erste Mal in diese Stimmung verfallen war, nachdem man den Anker hatte lichten lassen, war Georgie fest davon ausgegangen, daß die Sehnsucht nach ihrem Vater sie übermannt hatte. Immerhin waren die Gefühle erst auf hoher See gekommen und es wäre auch eine äußerst plausible Erklärung gewesen. Aber obwohl sie ihn in der kurzen Zeit sehr lieb gewonnen hatte, wußte Georgie, daß sie Earl Gerald nicht so sehr vermissen konnte, daß selbst der Gedanke an Australien sie nicht hätte aufzurichten vermocht. Sie liebte ihren Vater, doch sie wußte, daß er sie bald in ihrem zu Hause besuchen kommen würde, und im Gegensatz zu der Zeit, die sie bislang hatten getrennt leben müssen, waren so ein paar Monate doch beinahe wie ein Witz. Irgendwann war ihr dann die Idee gekommen, daß es vielleicht an Lowell liegen konnte, weshalb sie sich so erbärmlich fühlte. Zuerst hatte sie versucht, diesen Gedanken zu verdrängen, aus Angst, es würde ihr das Herz zerreißen. Doch sehr schnell hatte sie eingesehen, daß dem nicht so war. Natürlich verband Georgie mit ihm viele schmerzliche Erinnerungen, aber sie taten nicht so weh, wie sie anfangs befürchtet hatte. Sie wußte ja, wie unmöglich ihr gemeinsames Leben geworden wäre, denn letztendlich hatte sie Lowells wahren Charakter doch noch bei Tageslicht gesehen. Er war nicht annähernd so liebevoll gewesen, wie sie sich das eingebildet hatte. Er war in diese Welt des hochnäsigen Adels hineingeboren, in der man ihm all seine Wünsche erfüllte. Er gehörte zu ihnen! Sie selbst war doch nicht mehr als ein Abenteuer für ihn gewesen. Und trotzdem konnte sie Lowell nicht dafür hassen, was er ihr und ihrer ganzen Familie angetan hatte. Sie war bis zum letzten Moment in ihn verliebt gewesen, und wenn sie auf dem Fest ihres Vaters geweint hatte, dann nicht, weil sie ihn an Elise verloren, sondern er ihr sein wahres ich offenbart hatte. Und sie hatte geweint, weil sie erkennen mußte, wie blind sie die ganze Zeit über gewesen war was die vermeintliche Liebe zu Lowell betroffen hatte. Trotz all der Dinge, die ihret- und Lowells wegen über ihre Familie hereingebrochen waren, konnte sie ihn nicht hassen. Sie empfand tiefes Mitleid, weil er sich am Ende doch zu einem Knecht des Geldes und des Adels hatte machen lassen. "Wenn mir das alles so klar ist, warum fühle ich mich dann noch immer so fürchterlich leer und einsam? Ich liebe Lowell nicht mehr, das habe ich längst aufgegeben. Und ich weiß auch, daß nicht alles meine Schuld gewesen ist, das Schicksal..." sie biß sich auf die Unterlippe. Bevor diese komische Stimmung das erste Mal über Georgie gekommen war, hatte sie sich schreckliche Vorwürfe gemacht, daß all die schlimmen Dinge niemals passiert wären, wenn sie doch bloß auf ihre Mutter gehört hätte. Es war Abel gewesen, der sie schließlich vom Gegenteil überzeugt hatte: "Es ist so gekommen, wie es kommen mußte, Georgie. Wären wir nicht nach England gereist, hättest Du niemals Deinen Vater gefunden und seine Unschuld beweisen können. Und wer weiß, vielleicht hätte Duke Dangering sogar sein Vorhaben in die Tat umgesetzt und hätte die Königin gestürzt. Und vielleicht wäre dann auch Maria mit in den Sog seiner üblen Machenschaften geraten und hätte ihr Lebensende im Kerker verbringen können, wenn man sie nicht sogar hingerichtet hätte!" Das waren sein Worte gewesen und ein Schauer lief Georgie den Rücken hinunter, bei der Vorstellung, die arme kleine, unschuldige Maria hätte für die Taten ihres durchtriebenen Onkels büßen müssen. Abel hatte ihr hierüber die Augen geöffnet. Sie fröstelte und schlang die Arme um ihre Beine. Jedesmal, wenn sich Georgie die Worte Abels ins Gedächtnis rief, verstärkte sich ihre innere Unruhe. In den letzten Tagen hatte sie oft stundenlang zusammen mit ihm an Deck gestanden und geredet, denn irgendwie hatte sie das Gefühl, daß er sie als einziger verstehen konnte. Und seit sie gemeinsam um Arthurs Leben gebangt hatten, verstand auch sie ihn viel besser. Sie hatte Abel vor Verzweiflung weinen sehen, ihre innigsten Gefühle mit ihm geteilt und war in gewisser Weise selbst ein Teil von ihm geworden. Es mußte an ihm liegen, daß sie diese Sehnsucht verspürte. Sie wußte, daß er sie in viele geheime Dinge einweihte, aber da mußte noch etwas sein, eine Ungewißheit, die er ihr gegenüber noch nie offen ausgesprochen hatte. Georgie wollte wissen, was ihn quälte, wollte aus seinem Mund hören, was ihn bedrückte, denn sie war sich sicher, daß es das gleiche -war, was auch ihr Verlangen entfachte. Sie wollte alles mit ihm teilen, nie wieder ein Geheimnis vor ihm haben, weil sie hoffte, so die Schmerzen lindern zu können, die sie ihm einst zugefügt hatte. Sie fühlte sich seit London seltsam mit ihm verbunden, ganz anders als in ihrer Kindheit, und auch viel stärker, als sie es je bei Lowell gespürt hatte. Ein leises Klopfen riß sie aus ihren Gedanken: "Georgie", ihre Kabinentür öffnete sich vorsichtig und Arthur schob den braunen Lockenkopf herein, "Du warst schon wieder nicht beim Essen, geht es Dir nicht gut?" "Doch, natürlich", schnell sprang sie auf und versuchte, ein fröhliches Gesicht zu machen, "mein Magen scheint wohl nicht ganz in Ordnung zu sein, da wollte ich lieber kein Risiko eingehen. Lieb, daß Du Dir Sorgen machst, aber ansonsten geht es mir wirklich blendend!" "Ganz sicher?" Arthur war nicht im mindesten überzeugt und versuchte auch gar nicht, einen gegenteiligen Eindruck zu erwecken. "Aber sicher, kleiner Dummkopf", Georgie lachte leichtfertig und drückte ihrem Bruder einen Kuß auf die Stirn, "weißt Du was? Ich werde jetzt noch einmal kurz an Deck gehen um ein bißchen frische Luft zu schnappen und komme dann zu Euch in den Salon, einverstanden?" Arthur blickte noch immer ein wenig skeptisch drein, doch irgendwie schaffte Georgie es, ihn davon zu überzeugen, daß es ihr gut ging. Er machte sich zurück auf den Weg zum Salon, während sie sich ein Tuch um die Schultern warf und an Deck ging. Draußen schlug ihr eine kalte und salzige Brise entgegen. Fest schloß sie die Augen und atmete tief durch, damit jeder Zentimeter ihres Körpers von dieser würzigen Luft erfüllt wurde. Der Himmel war sternenklar und das Meer schimmerte wie ein Teppich aus gewebtem Silber. Georgie stellte mit Erleichterung fest, daß sie wohl die einzige Person an Deck war. In den Bereichen, die für die Passagiere zugängig waren, hielten sich nur sehr selten und nachts eigentlich nie Matrosen auf, und die anderen Reisenden genossen anscheinend lieber die Wärme im Schiffsinneren. Georgie tat einige vorsichtige Schritte in Richtung Reling, doch als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatte, bemerkte sie, daß sie doch nicht alleine war auf ihrem spätabendlichen Spaziergang. Weiter vorne, in der Nähe des Hauptmastes stand eine hochgewachsene Gestalt, die in einen blauen Mantel gehüllt war. Georgie überlegte zuerst, diese Person zu ignorieren, doch etwas an ihrer Körperhaltung machte sie stutzig. Leise trat sie ein paar Schritte näher und erkannte schließlich die dunkelbraunen Haare, durch die der Wind strich und die ein gutaussehendes, männliches Gesicht umrahmten. Georgies Herz machte einen kleinen Hüpfer und Blut schoß ihr in die Wangen. Freudestrahlend eilte sie zu der Person hinüber: "Abel, was tust Du denn hier draußen?" rief sie, bevor sie ganz bei ihm war und er drehte sich zu ihr herum; seine düster dreinblickende Miene wurde wie von einem Sonnenstrahl erhellt: "Gerogie!" er streckte eine Hand nach Georgies Arm aus und zog sie zärtlich an sich: "Ich habe Dich beim Essen vermißt!" seine liebevolle Stimme und die Wärme seiner Umarmung ließen Georgies Herz schneller schlagen, doch äußerlich ließ sie sich nichts anmerken. "Ach, ich hatte einfach keinen Hunger, weißt Du..." Abel legte ihr die Hände auf die Schultern und hielt sie ein wenig auf Abstand, damit er ihr genau in die Augen blicken konnte: "Ist das auch wirklich die Wahrheit? Du ißt in letzter Zeit immer seltener und ich habe dieses unbestimmte Gefühl, daß Dich etwas bedrückt!" Schnell wandte sich Georgie von ihm ab, denn sie konnte seinen besorgten Blick nicht ertragen. Sicher, sie hatte gewußt, daß sie vor ihm nichts verheimlichen konnte, nicht so gut, wie er vor ihr. Und trotzdem wollte sie ihn nicht mit ihren Sorgen belasten: "Danke, aber mir geht es wirklich gut, glaub mir!" "Georgie", wieder spürte sie Abels Hände auf ihren Schultern, "Du weißt, daß Du vor mir nichts verbergen kannst. Ich weiß, daß Dich irgend etwas bedrückt und es macht mich ehrlich gesagt sehr traurig, daß Du es mir nicht erzählen willst. Du weißt doch, daß Du mit all Deinen Sorgen zu mir kommen kannst!" Das Blut in Georgies Adern begann zu kochen und erhitzte ihren Körper. Warum wurde dieses Gefühl nur immer so schrecklich unkontrollierbar, wenn Abel in der Nähe war? Sie war doch früher in seiner Gegenwart nicht so unsicher gewesen, aber sie hatte ja auch noch nie so sehr seine Nähe gesucht, wie nach den Abenteuern in England. Manchmal überkam sie der sehnliche Wunsch, sich einfach fest an ihn zu drücken, um die ganze Welt um sich herum zu vergessen. Ähnlich erging es ihr jetzt, doch sie versuchte, ihre Sehnsucht nach seiner Wärme zu unterdrücken: "Ich weiß, daß Du für mich da bist, aber ich weiß nicht so ganz genau, was mir eigentlich fehlt..." "Wenn Du herausfinden solltest, was Dich bewegt, dann sag es mir, denn ich würde alles tun, um Dich wieder glücklich zu sehen!" Dankbar lächelnd strich Georgie durch Abels Haar: "Ich bin doch glücklich! Wenn ich nur hier mit Dir stehen und von zu Hause träumen kann!" Einen Augenblick starrte Abel sie überrascht an und ließ seinen Blick dann wieder hinaus über die Reling schweifen: "Ja, von zu Hause. Bald sind wir wieder in Australien, Georgie, wir alle zusammen." "Deshalb warst Du hier draußen, nicht wahr", sie schmiegte sich sanft an seine rechte Schulter, "Du hast über Australien nachgedacht, nicht wahr." "Es ist erstaunlich, wie gut Du mich doch kennst, obwohl wir uns doch in den letzten zwei Jahren kaum gesehen haben." "Das ist richtig", nickte Georgie versonnen, "aber ich habe das Gefühl, in den letzten Wochen mehr über Dich gelernt zu haben, als in all den Jahren zuvor!" vor ihrem geistigen Auge manifestierte sich wieder das Bild von Abel, der sich weinend und hilfesuchend an sie geklammert hatte. "Das liegt wohl daran, daß die Geschehnisse uns alle verändert haben... wir sind erwachsen geworden, Georgie. Viele von unseren Träumen sind geplatzt wie Seifenblasen und andere sind dafür entstanden..." Georgie nickte, denn sie glaubte, Abels Gedanken verstehen zu können. Auch sie hatte sich in der Vergangenheit geändert. Ihre Liebe zu Lowell war erloschen wie eine schwache Kerze im Wind und an ihre Stelle war dieses seltsame Gefühl gerückt, das sie immer dann verspürte, wenn sie in Abels Nähe war. Das Traumschloß mit Lowell hatte sich zurück in ihre alte Farm verwandelt, die man mit gemeinsamer Kraft wieder aufbauen wollte. Doch plötzlich fiel Georgie etwas erschreckendes ein: "Abel... wenn wir wieder zu Hause sind, wirst Du dann auch bei uns bleiben?" Verwirrt dreht sich Abel zu ihr herum. "Na, ja, ich meine, Dein Traum ist es doch immer gewesen, Seemann zu sein, oder nicht?" Angst lag in ihrer Stimme, die Abel lächeln ließ: "Ach, Georgie, glaubst Du denn tatsächlich, ich wäre noch ein zweites Mal in See gestochen, wenn ich nicht geschworen hätte, Dich zurück zu holen..." Georgies Augen begannen vor Freude zu leuchten, "als ich Australien das erste Mal verlassen habe, hatte ich es gar nicht erwarten können, andere Länder zu erkunden. Doch kaum, daß ich einen Tag auf See verbracht hatte, wäre ich auch schon beinahe vor Heimweh gestorben." "Das heißt, Du wirst nicht wieder fortgehen?" "Nein, ich werde bei Euch bleiben und helfen, die Farm wieder aufzubauen. Zu viert werden wir das doch wohl schaffen, meinst Du nicht auch?" Georgie konnte ihre Gefühle einfach nicht mehr länger unterdrücken. Mit einem herzzerreißenden Schluchzen warf sie sich an Abels Brust und klammerte sich fest in seinen Umhang: "Ich bin so froh, daß Du das sagst, Abel!" Er schloß seine Arme um ihren Oberkörper und drückte sie fest an sich: "Egal, was auch kommen wird, gemeinsam werden wir alle Hürden bezwingen..." er trat einen Schritt zurück und hob ihr Kinn sanft mit der Spitze seines linken Zeigefingers nach oben, "und jetzt gehen wir zurück zu den anderen, bevor sie noch eine Vermißtenmeldung aufgeben!" Wortlos wischte sich Georgie die Tränen fort und nickte mit einem zaghaften Lächeln als sie sich bei Abel einhakte und zurück unter Deck führen ließ. "Endlich, Australien... wir sind zu Hause!" mit einem verzückten Lächeln sprang Georgie von der Gangway und drehte sich wie ein Wirbelwind immer wieder um die eigene Achse. "Hör lieber auf mit dem Blödsinn, sonst wird Dir schwindelig oder Du fällst in Ohnmacht, bevor wir tatsächlich zu Hause sind!" Abels Worte hatten zwar ermahnend klingen sollen, doch an seinem Gesichtsausdruck war nur zu deutlich zu erkennen, daß er sich ebenso wie Georgie freute, endlich wieder australischen Boden unter den Füßen zu haben. Gleich hinter Abel drängte sich Maria von Bord, die zwar noch etwas verängstigt, aber mindestens genauso interessiert ihre neue Umgebung musterte. Sie war nie zuvor in Australien gewesen und konnte sich verständlicher Weise nicht satt sehen an all den Dingen, die ihr ihre -neue Heimat entgegen brachte. Arthur bemerkte ihre aufgewühlten Gefühle und legte ihr beruhigend einen Arm um die Schultern: "Keine Sorge, Maria, Dir wird es hier ganz bestimmt gefallen!" Ein wenig zögerlich schmiegte sie sich an seinen Arm und ihren Augen stand geschrieben, daß sie sich wohl überall zu Hause fühlen würde, solange nur Arthur bei ihr war. "Oh, wie wundervoll, ich könnte die ganze Welt umarmen", Georgie hatte endlich aufgehört, sich zu drehen und ergriff überschwenglich Abels Hände, "danke, daß Du mich hierher zurück gebracht hast, ohne Dich säße ich jetzt bestimmt noch immer in England!" ungestüm wollte sie wieder anfangen herumzutoben, doch Abel bekam sie an den Handgelenken zu fassen: "Und wenn Du Dich jetzt nicht gleich wie eine junge Dame verhältst, setzte ich Dich gleich wieder aufs Schiff und schicke Dich dorthin zurück, damit man Dir noch ein paar Manieren beibringen kann!" seine Augen strahlten, denn es machte ihn froh, Georgie endlich wieder herzhaft lachen zu sehen. "Natürlich, mein Herr, wo habe ich bloß meine Erziehung gelassen?" würdevoll hakte sie sich bei ihm unter und ließ sich, gefolgt von Arthur und Maria vom Schiff weggeleiten. Als allererstes würde man wohl einen Wagen organisieren müssen, um das Gepäck nach Hause transportieren zu können. Dieses stellte sich als äußerst schwieriges Unterfangen heraus, denn selbstverständlich waren sie nicht die einzigen Passagiere, die hier im Hafen das Schiff verlassen hatten und nun nach einer Mitfahrgelegenheit suchten. Der Pier wimmelte nur so von Menschen, die schreiend aufeinander zuliefen, sich stürmisch in die Arme fielen oder einander auch ein bißchen weniger herzlich begrüßten, doch weit und breit schien es keinen Pferdespanner zu geben, der nicht schon mit Reisenden und deren Gepäck belegt war. Frustriert ließ sich Georgie eine Locke ihres blonden Haares aus der Stirn und ließ mißmutig ihre kleine Handtasche zu Boden fallen: "Wenn das so weitergeht, kommen wir erst zu Hause an, wenn es schon dunkel ist!" Abel knuffte ihr verschmitzt in die Seite: "Na, na, wer wird denn so schnell aufgeben? Eben warst Du doch noch die Fröhlichkeit in Person!" Noch bevor Georgie die spitze Antwort aussprechen konnte, die ihr gerade in den Sinn gekommen war, stieß Arthur plötzlich einen kleinen Freudenschrei aus: "Schaut mal", rief er vergnügt und begann mit den Armen zu rudern, "dort drüben ist Onkel Kevin!" er wies auf einen kleinen Einspänner, der nicht weit von ihnen vor einem Geschäft stand. Und tatsächlich, der alte Mann, der dort auf dem Kutschbock saß und ihnen fröhlich zuwinkte war unverkennbar Onkel Kevin. "Jippieh..." Georgie rannte wie von einer Schlange gebissen los, dicht gefolgt von Junior, der nun auch sein Herrchen erkannt zu haben schien. Kaum das Kevin vom Kutschbock herunter geklettert war, lag Georgie ihm auch schon mit Tränen in den Augen in den Armen und drückte ihn fest an sich: "Onkel Kevin, was machst Du denn hier?" sie wollte ihr Glück gar nicht so recht fassen. "Ach, kleine Georgie", auch Kevins Augen begannen vor lauter Wiedersehensfreude leicht zu schimmern, "glaubst Du, ich lasse es mir nehmen, Euch persönlich abzuholen, wenn Ihr nach so langer Zeit endlich wieder Heim kommt!" "Ja, jetzt weiß ich, daß ich wirklich wieder daheim bin", verlegen wischte sich Georgie ihre Tränen fort und tätschelte Juniors Kopf, der schwanzwedelnd vor seinem Herrchen stand, "aber wie um alles in der Welt konntest Du nur wissen, daß wir heute ankommen?" "Weil ich ihm ein paar Tage vor unserer Abreise einen Brief geschrieben habe!" ertönte Abels Stimme hinter ihr, denn nun war auch der Rest der kleinen Gruppe beim Wagen eingetroffen. "Abel, Arthur, ich bin so froh, Euch beide gesund und munter wieder zu sehen!" Kevin drückte beiden herzlich die Hand und betrachtete sie dann mit prüfendem Blick: "Und wie erwachsen Ihr drei geworden seid! Meine Güte, aus Georgie ist eine richtige Lady geworden, und Ihr zwei seid ganz das Abbild Eures Vaters!" "Laß Dich da bloß nicht täuschen", lachte Abel laut auf und fuhr durch Georgies Haare, "sie mag zwar wie eine Lady aussehen, benimmt sich aber immer noch genauso ungestüm wie der Wildfang von damals!" Pikiert steckte sie ihm die Zunge heraus und mußte dann aber selber grinsen. Er hatte ja schließlich recht, Georgie war einfach nicht für das Leben in feiner Gesellschaft geboren worden. Sie gehörte hierher, wo sie frei sein und tun und lassen konnte, was sie wollte. In einem Punkt, so dachte sie und schaute grübelnd zwischen den beiden Jungen hin und her, irrte Kevin jedoch. Sie waren zwar beide erwachsener geworden, aber im Gegensatz zu Abel war Arthur eher unscheinbar geblieben und hatte nicht sehr viel mit seinem Vater gemein. Abel hingegen war Mr. Buttman wie aus dem Gesicht geschnitten, nur daß Georgie fand, daß Abel eigentlich sogar noch stattlicher aussah. "Wir sind Dir sehr dankbar, daß Du extra hergekommen bist, um uns abzuholen. Ich muß gestehen, daß ich mir einen kurzen Moment lang doch Sorgen gemacht habe, wie ich die beiden Damen wohlbehalten nach Hause schaffen sollte!" Abel übernahm wie selbstverständlich das Reden, was nun auch Kevin wohlwollend zur Kenntnis nahm. Dieses Verhalten zeigte ganz deutlich, daß aus dem jungen Heißsporn von damals ein verantwortungsbewußter Mann geworden war, aber für Georgie bedeutete es noch weitaus mehr. Für sie verkörperte Abel das neue Familienoberhaupt und gab ihr damit ein unbeschreiblich großes Gefühl von Sicherheit. Und zu sehen, wie glücklich Abel sich anscheinend in seiner neuen Rolle fühlte, erfüllte sie nur noch mehr mit Freude und Stolz. "Das ist doch selbstverständlich, Abel", murmelte Kevin verlegen und schielte an Georgie vorbei zu Maria, "ich hätte nur nicht erwartet, neben Georgie noch ein weiteres Fräulein in Eurer Gesellschaft zu sehen!" Arthur zog Maria mit hochrotem Kopf an seine Seite und verkündete dann etwas zittrig aber überzeugt: "Onkel Kevin, das ist meine Verlobte, Maria Dangering!" Und hätte er sie als die Königin von England vorgestellt, Kevins Gesicht hätte nicht verdutzter aussehen können. Mit aufgerissenem Mund starrte er abwechselnd Arthur und Maria an, während Georgie sich ein leichtes Kichern verkneifen mußte: "Dein Verlobte. Meine Güte, das ist ja... Da fährt der Junge mal so eben nach England und verlobt sich, also diese Jugend... Aber was rede ich denn da... Ich freue mich natürlich für Dich, mein Junge, und wünsche Euch beiden alles Gute..." Maria errötete und ergriff verlegen die Hand, die Kevin ihr reichte: "Vielen Dank, sie sind zu freundlich, Mister..." "Papperlapapp", wischte er ihren Ansatz mit einer Bewegung fort, "ich bin schlicht und einfach Onkel Kevin. Von diesen drei Rabauken hier bin ich nichts anderes gewohnt und ich muß gestehen, daß es mir in meinem Alter äußerst schwer fällt, mich an neue Dinge zu gewöhnen!" er schenkte Maria eines seiner schiefen Grinsen, was das Eis zum schmelzen brachte. "Also gut, Onkel Kevin!" "Jetzt ist aber Schluß mit dem Gerede", Georgie kletterte behende wie eine Katze auf den Kutschbock und ergriff die Zügel, "ich will endlich nach Hause, sonst platze ich noch!" bevor sie es sich jedoch auf ihrem Sitz bequem machen konnte, war Abel auch schon neben ihr und nahm ihr die Zügel bestimmend wieder ab: "Das ist nichts für eine junge Lady, wenn Du erlaubst, fahre ich!" "Und wenn Du erlaubst", Kevin stemmte die Arme in die Hüften und blinzelte die beiden grimmig an, "ist das immer noch meine Kutsche. Seht also zu, daß Ihr Euch dort oben runter bewegt. Ladet gefälligst das Gepäck auf und verschwindet nach hinten, bevor ich Euch zwei hier lasse und Ihr nach Hause laufen dürft!" Abel und Georgie warfen sich einen verstohlenen Blick zu, dann sprang er auf die Straße und half ihr galant beim Absteigen. Das Kleid, das ihr Vater Georgie für die Reise geschenkt hatte, war zwar wunderschön, aber nicht unbedingt für Kletterpartien gemacht. In Windeseile verluden die beiden Jungen das Gepäck und machten es sich dann zusammen mit Georgie und Maria auf der Ladefläche bequem. "Wir sind fertig, Onkel Kevin, es kann losgehen!" als ob die Stute diese Aufforderung verstanden hatte, setzte sie sich mit einem Ruck in Bewegung und trottete gemütlich in Richtung Hauptstraße los. Während der ganzen Fahrt sprachen die Mädchen kaum ein Wort. Sie saugten begierig die vorbeiziehenden Bilder in sich auf, genossen die warmen Sonnenstrahlen, die ihnen ins Gesicht schienen und bestaunten die wunderschöne Landschaft Australiens. Nach den kalten, nebelverhangenen Gassen von London fühlte sich Georgie wie ein Vogel, den man endlich aus seinem Käfig gelassen hatte und der nun wieder seine Freiheit genießen konnte. Nicht anders ging es Maria. Sie war nie zuvor in Australien gewesen, hatte kaum etwas anderes als das verregnete England gesehen, und kam nun aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Ständig löcherte sie Georgie mit Fragen über seltsame Pflanzen und Blumen, die sie noch nie zuvor gesehen hatte, oder ließ sich etwas über die Tiere in den Wäldern und am Wegrand erzählen. Abel und Arthur unterhielten sich in der Zwischenzeit mit Kevin über die Farm und die Dinge, die in ihrer Abwesenheit passiert waren. Kevin hatte sich wie versprochen um den Hof gekümmert, die Felder bestellt und die Tiere versorgt, aber natürlich wies er die beiden darauf hin, daß sie nicht zuviel erwarten durften: "Ich bin ein alter Mann geworden, wißt Ihr. Es ist schon anstrengend genug, meine eigene Farm in Schuß zu halten. Ich konnte nicht verhindern, daß der Hof langsam heruntergekommen ist, Ihr werdet eine Menge Arbeit hineinstecken müssen..." "Natürlich, Onkel Kevin. Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie zutiefst dankbar wir alle Dir sind, für das, was Du getan hast. Unseretwegen hattest Du soviel Mühe und Ärger, daß wir es glaube ich nie wieder gut machen können!" "Ach, Junge..." gerührt blickte Kevin zur Seite. "Aber ab jetzt werden wir uns wieder um alles kümmern können und die Buttman-Farm wird wieder genauso sein, wie früher! Und wenn es noch so viele Ausbesserungsarbeiten gibt, wir werden sie schon in Angriff nehmen!" Abels Tonfall ließ keine Zweifel daran, daß er sich genau auf diese Aufgaben schon maßlos freute. Sie würden ihr Heim mit eigener Kraft wieder aufbauen, es im alten Glanz erstrahlen lassen und dort ein glückliches Leben führen. "Seht nur, dort ist es!" unterbrachen Georgies aufgeregte Worte seinen Gedankengang. Sie war aufgesprungen und klammerte sich mit einer Hand an der Rücklehne des Kutschbocks fest, während sie mit der anderen auf eine Gruppe von drei kleinen Häusern zeigte, die nach und nach am Horizont auftauchten. "Wirklich?" Arthur erhob sich ebenfalls und schützte seine Augen mit der rechten Hand gegen die Sonnenstrahlen, um besser schauen zu können: "Tatsächlich, da ist sie. Unsere Farm... gleich sind wir zu Hause!" "Oh, Onkel Kevin", bettelte Georgie aufgeregt, "können wir nicht ein kleines bißchen schneller fahren?" hibbelig trat sie von einem Fuß auf den anderen. "Nein, tut mir leid", lachte Kevin amüsiert, "mein Pferd ist genau wie ich nicht mehr das allerjüngste und ich fürchte, bei so einer Last wird es ein größeres Tempo nicht überleben!" Abel sah, wie sich große Enttäuschung auf Georgies Gesicht ausbreitete: "Weißt Du was", er ergriff voller Tatendrang eine ihrer Hände, "wir laufen einfach schon mal voraus!" plötzlich war alle Vernunft von eben verschwunden und eine riesige kindliche Übermacht nahm von ihm Besitz. "Au fein", jubelte Georgie, schnürte sich schnell ihre Stiefel auf und streifte sie samt Socken von den Füßen, "wie lange mußte ich darauf warten, endlich wieder barfuß laufen zu können!" Diese Idee schien Abel wohl zu gefallen, denn er entledigte sich ebenfalls seines Schuhwerks und bat Kevin dann kurz den Wagen anzuhalten, damit er und Georgie absteigen konnten. "Wir sehen uns dann zu Hause!" sie verhakte ihre Finger mit denen von Abel und stob mit einem lauten Jauchzen den Hügel hinunter. Kapitel 2: Zweiter Teil ----------------------- Endlich...der zweite Teil meiner Georgie-Fanfic, und ich hoffe, Euch auch bald den letzten präsentieren zu können!!! Georgie fühlte sich so leicht und beschwingt wie in einem Traum, als ihre Füße sie durch das saftige Gras trugen. Nie hatte sie sich glücklicher gefühlt, als in dieser kurzen Zeit, als sie Hand in Hand mit Abel über die Wiesen lief und dabei alles um sich herum vergessen konnte. "Abel, warte, ich kann nicht so schnell..." rief sie heiter und versuchte durch ein wenig Widerstand das Tempo zu verringern. "Dann mußt Du eben fliegen..." kam seine übermütige Antwort und schon rannten sie noch schneller als zuvor. Bald schnappte Georgie erschöpft nach Luft und prustete wie eine alte Diesellok: sie war diese Art von Spaß einfach nicht mehr gewohnt und das enge Kleid schnürte ihr die Kehle zu. "Ich kann nicht mehr", wie ein störrischer Maulesel versuchte sie Widerstand zu leisten, "laß uns doch das letzte Stück gehen, ja!" Und tatsächlich blieb Abel für einen kurzen Augenblick stehen: "Wenn Du nicht mehr kannst, werde ich Dich eben tragen!" mit einem spitzbübischen Grinsen zog er Georgie auf seinen Rücken, bevor sie protestieren konnte. "Du bist ja verrückt!" lachte sie mahnend, als sich Abel mit ihr wieder in Bewegung setzte: "Man sollte nicht meinen, daß Du ein erwachsener Mann bist!" aber im Grunde gefiel es ihr, von ihm durch die Gegend getragen zu werden. "Sei bloß ruhig da oben, sonst lasse ich Dich noch versehentlich fallen!" schnaufte Abel und ließ sie kurz nach unten sacken, um seinen Worten mehr Ausdruck zu verleihen. Erschrocken schrie Georgie auf und klammerte sich fest an seinen Hals, machte aber auch keine Anstalten den Griff wieder zu lockern, als sie sich auf Abels Rücken wieder sicher wähnte: "Als Du mich das letzte Mal getragen hast, hatte ich mir bei der Miene das Knie aufgeschlagen, weißt Du noch?" "Natürlich", Abel gab ein ersticktes Brummen von sich, "aber damals bist Du doch um einiges leichter gewesen!" "Oh, dann laß mich lieber runter, wenn ich Dir zu schwer bin!" enttäuscht wollte sie sich von seinem Rücken rutschen lassen, aber so schnell war Abel nicht klein zu kriegen: "Keine Sorge, ich schaffe es schon bis nach Hause, es ist ja nicht mehr weit!" Und tatsächlich brachte er es fertig, Georgie bis zum Gatter der Buttman-Farm zu tragen, wo er sie schwer atmend absetzte. "Oh, Abel", flüsterte Georgie andächtig und faltete die Hände vor der Brust, als wollte sie ein stummes Gebet sprechen, "ist das wirklich wahr? Sind wir wirklich wieder zu Hause?" liebevoll ruhten ihre Blicke auf dem Haus, in dem sie alle miteinander groß geworden waren. Sie spürte, wie sich einer von Abels Armen um ihre Schultern legte: "Ja, Georgie, und keine Macht der Welt wird uns je wieder von hier fort bringen." Langsam und ehrfürchtig traten die beiden hinüber zu der alten Haustür, die sie noch vor gar nicht allzu langer Zeit zum großer Ärger ihrer Mutter mit lautem Knallen hatten hinter sich zufallen lassen. Abel erwartete, daß die Angeln beim Öffnen ein markerschütterndes Quietschen von sich geben würden, doch nichts dergleichen geschah. Geräuschlos schwang die Tür auf und ließ das helle Sonnenlicht in die staubbedeckte Küche fluten. "Hier hat sich überhaupt nichts verändert..." Georgie trat auf den knarrenden Dielenboden und schaute sich verträumt um. Der Tisch, die Stühle, ja selbst die Töpfe auf dem Herd standen noch genau so, wie sie es in Erinnerung hatte. "Du hast recht", Abel betrat den Raum nach ihr, geradewegs so, als wäre es nicht eine Küche, sondern eine Kapelle oder ähnliches gewesen, es kommt einem beinahe so vor, als wäre das Haus noch immer bewohnt. Es ist fast, als würde Mami jede Sekunde aus unserem Zimmer kommen, wo sie gerade unsere Betten gemacht hat, um uns zum Essen zu rufen." Georgie schauderte: "Bitte hör auf damit, Abel, Du machst mir Angst!" so als suchte sie eine Bestätigung dafür, daß der Geist ihrer verstorbenen Mutter hier nicht umherspukte, öffnete sie die Tür zu Abels und Arthurs ehemaligem Zimmer. Erleichtert atmete sie auf, als sie die unbezogenen Betten sah, auf die müde das hereinfallende Sonnelicht schien: "Da hast Du einen Beweis dafür, daß die Farm unbewohnt ist: die Fenster sind so dreckig, daß man schon gar nicht mehr durchgucken kann und überall liegt zentimeter dicker Staub. Mal ganz abgesehen davon, daß hier schon ewig nicht mehr gelüftet wurde!" schwungvoll riß sie das Fenster auf, welches ihr am nächsten war: "Oh, Onkel Kevin und die andere kommen..." Abel trat zu Georgie und blickte dem heranrollenden Wagen entgegen: "Gut, daß es erst Mittag ist, da können wir noch einiges schaffen und das Haus bis heute abend noch einigermaßen auf Fordermann bringen." Ein plötzliches Scharren auf dem Fußboden leiß Georgie erschrocken herumfahren. Zwei Meter hinter ihr saß ein kleiner Koalabär und starrte sie mit seinen dunklen Knopfaugen neugierig an. "Knöpfchen?" Georgie ließ sich auf die Knie sinken und musterte den kleinen Besucher eindringlich. Konnte es denn sein... "Bist Du sicher, daß das Knöpfchen ist, Georgie?" Abel beäugte den Bären eher skeptisch, denn Koalas waren ja in Australien bekanntlich keine Seltenheit. Doch im nächsten Moment macht er einen Satz auf Georgie zu, sprang ihr ohne Scheu in die Arme und begann zufrieden ihr Gesicht abzuschlecken. "Oh Knöpfchen", Georgie schloß überglücklich die Arme um ihren Freund, "daß Du noch hier bist, mein Kleiner!" "Er scheint hier wohl die ganze Zeit auf Dich gewartet zu haben..." Abel tätschelte den Kopf des kleinen Tieres und schlängelte sich dann an den beiden vorbei, um draußen beim Entladen des Wagens zu helfen. "Ich habe einige Vorräte in die Speisekammer gebracht, weil ich dachte, Ihr hättet erstmal genug mit der Farm zu tun..." sagte Kevin, als er sich eine halbe Stunde später von Ihnen verabschiedete. "Ach, Onkel Kevin, was würden wir bloß ohne Dich tun?" Georgie drückte ihm einen überschwenglichen Kuß auf die Wange und sprang vom Wagen. "Wenn Ihr meine Hilfe braucht, dann müßt Ihr bloß bescheid sagen, ich gehe Euch gerne zur Hand!" "Das ist wirklich nett von Dir, aber ich denke, wir wollen es erst einmal allein versuchen!" Abel stemmte tatendurstig die Hände in die Hüften, worauf Kevin unweigerlich lachen mußte: "Na schön, wie ich Euch kenne, werdet Ihr das schon schaffen." mit diesen Worten lockerte er die Zügel und sein Wagen setzte sich in Bewegung. "So, meine Lieben", Arthur blickte auffordernd von einem zum anderen, "und womit fangen wir an, jetzt wo wir unter uns sind?" "Ich würde mich ganz gern ein wenig umschauen, wenn keiner was dagegen hat." antwortete Maria schüchtern und erntete sofort die volle Unterstützung von Georgie: "Das ist eine ganz ausgezeichnete Idee. Ich schlage vor, daß Arthur Dich ein bißchen herumführt und ich mache in der Zwischenzeit das Essen. Mit leerem Magen läßt es sich doch schlecht arbeiten und hinterher können wir dann so richtig loslegen. "Und was mache ich?" überrascht sah Georgie zu Abel hinüber: "Na, mir helfen, natürlich, oder denkst Du, ich mache hier alles alleine?" damit griff sie ihn bei der Hand und zog ihn entschlossen hinter sich ins Haus. "Viel Spaß, Abel, aber überanstreng Dich nicht!" rief Arthur ihm nach lachend hinterher und begann dann seine kleine Führung mit Maria. "Ich soll was machen?" Abel betrachtete den Besen, den Georgie ihm entgegen hielt, wie ein Wesen von einem anderen Stern. "Ausfegen, das wirst Du doch wohl noch können, oder? Ich putze in der Zeit ein wenig Staub und mache das Mittagessen!" freudestrahlend lief Georgie zur Tür. "Hey", empört hielt Abel sie am rechten Handgelenk fest, "Staub wird aber hier drinnen geputzt!" "Keine Sorge", Georgies Lächeln wurde noch breiter, "ich drücke mich schon nicht vor der Arbeit, ich bin in einer Minute wieder da!" schon war sie aus dem Haus und steuerte ihr Zimmer an. Ihr Reisekoffe stand auf dem noch ungemachten Bett und eifrig begann Georgie darin zu suchen, bis sie ein blaues, luftiges Sommerkleid in Händen hielt. Das paßte doch wirklich besser hierher als die ganzen überladenen Ballkleider. Nur gut, daß sie Emma kurz vor ihrer Abreise noch darum gebeten hatte, es anzufertigen. Schnell zwängte sie sich aus ihrer engen und unbequemen Reisegarderobe und schlüpfte in das wesentlich bequemere Baumwollkleid. Dann öffnete sie die kleinen Silberspangen und ihre hochgesteckten Locken ergossen sich wie ein Strom aus Gold über ihre Schultern. Wie durch Zufall entdeckte Georgie, daß unter ihrem eingestaubten Spiegel die rote Schleife lag, die Abel ihr einmal zum Geburtstag geschenkt hatte, und liebevoll band sie sie sich jetzt ins Haar. Gerade als sie sich ein letztes Mal im Spiegel betrachtete, öffnete sich ihre Zimmertür: "Gerogie..." tiefes Erstauenen und Bewunderung sprachen aus Abels Stimme, als er sie erblickte. "Wie, bist Du etwa schon fertig mit Fegen?" "Ähm, nein", Abel errötete leicht, "ich wollte bloß schauen, was Du so wichtiges zu erledigen hattest!" Fröhlich drehte sich Georgie ein paar Mal um ihre eigene Achse: "Ich habe mir etwas bequemeres angezogen. Das andere Kleid war einfach... nicht passend!" Abels Augen leuchteten vor Begeisterung, als er die rote Schleife in ihrem Haar erblickte: "So gefällst Du mir auch tausend Mal besser, Georgie." "Ach Abel", verschämt sah sie zu Boden, "Du sollst doch nicht immer so einen Blödsinn erzählen!" trotzdem machte ihr Herz einen kleinen Hüpfer vor Freude über das Kompliment. "Das ist mein voller Ernst! Du bist das hübscheste Mädchen, das ich kenne..." für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke und Georgie wurde warum ums Herz. Warum nur brachte Abels Anwesenheit sie mit einem Mal so durcheinander? Seine Schmeicheleien hatten sie doch früher nicht aus der Bahn werfen können. "Wir sollten langsam anfangen, sonst gibt es heute wohl kein Mittagessen mehr..." schnell hatte sich Abel umgedreht, um die Röte zu verbergen, die ihm in den Kopf gestiegen war. Der Bann war gebrochen: "Nachher verhungern wir noch am ersten Tag, das wäre natürlich nicht gerade eine Glanzleistung!" beschwingt versetzte sie Abel einen kleinen Klaps und eilte lachend vor ihm zurück in die Küche. Nachdem alle eine gehörige Portion von Georgies vorzüglicher Gemüsesuppe verspeist hatten, beschlossen Abel und Arthur einen Rundgang über den Hof zu machen. Sie wollten feststellen, wo die dringendsten Reparaturen von Nöten waren, um sich einen ungefähren Plan über das weitere Vorgehen zurechtlegen zu können. Die beiden Mädchen waren also sich selbst überlassen und machten sich eifrig daran, das Haus wieder in einen wohnlichen Zustand zu versetzen. Vorher hatte Georgie Maria allerdings noch eines von ihren alten Kleidern verpaßt, da auch sie schnell eingesehen hatte, daß die Zeit des vornehmen Lebens endgültig vorbei war. "Ich kann gar nicht glaube, wieviel Staub und Dreck sich hier angesammelt hat." stellte Georgie hüstelnd fest, während sie ihren Putzlappen zum wie ihr schien hundertsten Mal ins graue Wasser tauchte. "Schließlich hat hier seit über einem Jahr niemand mehr sauber gemacht, da ist es doch nicht verwunderlich, daß es so aussieht!" Maria fuhr mit ihrem Tuch über eines der Fenstersimse im Zimmer der Jungen und begutachtete skeptisch die Schmutzstreifen, die daran hängengeblieben waren. "Du hast schon recht", verträumt setzte sich Georgie auf Abels Bett, "aber Mami war immer so sorgfältig beim Putzen, daß man hätte vom Boden essen können. Und wir haben das Haus so verkommen lassen, daß ich mich beinahe dafür schäme." "Du hast Deine Mutter sehr gern gehabt, nicht wahr?" Maria nahm ihr gegenüber auf Arthurs Bett Platz. "Ja, das habe ich. Sie hat mir immer so furchtbar leid getan, weil sie oft so traurig gewesen ist. Sie war so schrecklich einsam, nachdem Papi gestorben ist, und dann habe ich sie auch noch so schrecklich enttäuscht, weil ich Lowell..." "Georgie", Maria versuchte ihre aufsteigenden Selbstzweifel zu bremsen, "Du kannst Dir nicht ewig für alles, was passiert ist die Schuld geben. Du warst nun einmal in Lowell verliebt, woher solltest Du denn schließlich wissen, daß Abel und Arthur nicht Deine richtigen Brüder sind?" Georgies Geischt nahm einen harten Zug an: "Oh, ja, und wie ich in Lowell verliebt gewesen bin. Er war der perfekte Märchenprinz, nicht wahr? Ich habe mir doch tatsächlich eingebildet, ich könnte den Rest meines Lebens mit ihm verbringen und habe über meine ganzen romantischen Hirngespinste hinweg gar nicht bemerkt, was für ein Mensch er war. Und als mir dann doch irgendwann endlich mal ein Licht aufgegangen ist, war alles schon zu spät." "Das ist doch überhaupt nicht wahr!" die tröstenden Worte von Maria verfehlten gänzlich ihre Wirkung. "Doch, es ist wahr. Ich bin ja so besessen gewesen von der Vorstellung, einmal einen gutaussehenden und netten Mann zu heiraten, daß ich mich wohl oder übel in den erstbesten verlieben mußte, der mir über den Weg gelaufen ist. Und das war nun einmal Lowell, der mich mit seinen aufgesetzten Gefühlen auch noch völlig überwältigt hat. Wenn ich nur damals schon gewußt hätte, daß ich..." "Aber wenn das alles nie geschehen wäre, was glaubst Du, wie Dein Leben dann jetzt aussehen würde? Wie unser aller Leben dann jetzt aussehen würde?" Georgie stand langsam auf und ging zum Fenster hinüber. In der Ferne konnte sie erkennen, wie Abel und Arthur sich an einem kaputten Zaun zu schaffen machten und zuckte müde mit den Schultern: "Ich weiß es nicht. Vielleicht würde Mami jetzt noch leben und uns allen wäre viel Leid erspart geblieben." "Du weißt nicht, ob Deine Mutter noch am Leben wäre", geistesabwesend starrte Maria auf den dreckigen Lappen in ihren Händen, "aber Du hättest mit Sicherheit niemals Deinen Vater gefunden und seine Unschuld beweisen können. Und Arthur und ich hätten uns niemlas kennengelernt, mal ganz abgesehen davon, was mein Vater noch alles hätte anrichten können..." ein schmerzlicher Ausdruck huschte über ihr Gesicht, doch sie versuchte ihn so gut wie möglich zu verdrängen, "und denk nur an Abel. Er wäre wahrscheinlich bis an sein Lebensende unglücklich in Dich verliebt gewesen, ohne Dir jemals seine wahren Gefühle gestanden zu haben." "Möglich", zärtlich ruhten Georgies Augen auf dem jungen Mann, der dort draußen mit nacktem Oberkörper in der sengenden Sonne stand und einen Pfahl in die Erde trieb, "aber die Schmerzen, die ich ihm mit meiner Dummheit zugefügt habe, werde ich nie wieder gutmachen können!" "Du meinst, weil Du ihn abgewiesen hast?" Dieses Mal konnte Georgie nur nicken, denn die Erinnerung an Abels Liebesgeständnis schnürte ihr die Kehle zu. "Aber so hat er doch wenigstens die Möglichkeit gefunden, mit seinen Gefühlen fertig zu werden, meinst Du nicht?" "Ich weiß nicht. Manchmal kann ich ihm nicht in die Augen schauen, weil ich mich für mein Verhalten so fürchterlich schäme!" "Ach, Georgie" Maria war neben sie getreten und berührte sacht ihren rechten Arm, "ich glaube Du quälst Dich ganz unnötig." Verwirrt blickte Georgie sie an: "Wie meinst Du das?" "Na, ja", Maria nickte zu den beiden Jungen hinüber, "man merkt doch, daß er sich an den Gedanken gewöhnt hat, Dich nur als seine Schwester zu sehen, oder? Ich meine, er wirft Dir keine schmachtenden Blicke zu oder so etwas. Er macht auf mich den Eindruck, als wäre er glücklich, so wie alles ist." "Bist Du Dir da sicher?" Georgies Frage war voll von Zweifeln und da war auch noch etwas anderes in ihrer Stimme? Hatten Marias Worte sie beunruhigt? Hatte sie sich wohlmöglich so sehr an den Gedanken gewöhnt, von Abel geliebt zu werden, daß sie sich ihr Leben schon gar nicht mehr anders vorstellen konnte? "Vollkommen sicher! Wart es nur ab, er wird bestimmt bald merken, daß es auf der Welt auch noch andere hübsche Mädchen gibt und dann ist die Sache mit Dir ein für alle Mal vergessen." Sicherlich hatte Maria es nur gut gemeint mit ihren Worten, doch sie hatte in Georgies Kopf ein geradezu perfektes Chaos angerichtet. Immer wieder durchkreuzten diese letzten Worte ihre Gedanken und hielten sie von der Arbeit ab. Was, wenn Abel sich tatsächlich wieder verlieben, oder vielleicht sogar eine Tages heiraten würde? Ob er sie und die Farm dann verlassen würde? Vielleicht wäre sie dann allein mit Arthur und Maria, die doch nur noch Augen für einander hatten. Oder vielleicht würde Abels Frau ja auch mit auf ihre Farm ziehen, wobei Georgie sich nicht vorstellen konnte, was schlimmer war. Von Abel getrennt zu werden oder seine Zuneigung einer anderen Frau überlassen zu müssen. Irgendwann wunderte sie sich, daß sie überhaupt auf solch absurde Gedanken kommen konnte. Wenn Abel heiraten wollte, dann war das doch schließlich sein Sache. Schließlich sprach nichts dagegen, daß auch sie sich wieder verliebte und ein neues Leben anfing. Komischer Weise war ihr der Gedanke an einen anderen Mann aber nicht geheuer. Sie fühlte sich wohl, so wie es im Moment war, und wenn es nach ihr ging, mußte sich an der augenblicklichen Situation nie wieder etwas ändern. Abel war für sie da, wann immer sie ihn brauchte, und mehr wollte sie nicht. Sie wußte, daß sie sich bei ihm sicher fühlen konnte. Wenn Abel jedoch heiraten würde... Eine entsetzliche Angst beschlich Georgie. Die Angst, Abel verlieren zu können. Sie hatte diesen stechenden, bedrückenden Schmerz schon einmal gespürt, aber damals hatte sie es geschafft, ihn irgendwie zu verdrängen. Es war bei der Rettung von Arthur gewesen, als Abel in den alten Brunnenschacht geklettert war. Sie hatte damals nur gebetet, daß er heil und unversehrt zu ihr zurückkommen möge, und nun wollte sie, daß er bei ihr blieb. Glücklicher Weise schaffte sie es, ihre Ängste bis zum Abendessen unter Kontrolle zu bringen, so daß niemandem etwas auffiel. Müde von der harten Arbeit, aber trotzdem ausgelassen erzählten sich die vier, was sie über den Tag hinweg alles geleistet hatten. "Übrigens", begann Abel mit wichtiger Miene, nachdem er sich den Rest seines Brotes in den Mund geschoben hatte, "wir haben Euch beiden noch etwas sehr wichtiges zu erzählen!" er warf einen auffordernden Blick zu Arthur hinüber, der sich augenblicklich erhob. "Na, das muß ja wirklich ausgesprochen wichtig sein!" frozelte Georgie und zwinkerte Maria verschwörerisch zu. "Das ist es in der Tat!" stimmte Arthur ihr ohne Gemütsregung zu und schob seinen Stuhl zurück: "Als wir vorhin mit dem Zaun fertig waren, sind Abel und ich noch einmal zu Onkel Kevin gegangen, weil wir etwas mit ihm besprechen wollten. Zuerst wären wir ja am liebsten gleich wieder gegangen, weil er nämlich zur Zeit Besuch aus Sydney hat, von dem wir nichts wußten..." "Das ist doch völlig nebensächlich", drängelte Abel ein wenig unruhig, "komm schon zur Sache!" Arthur konnte sich das Lachen nicht verkneifen: "Wenn Du erlaubst, erzähle ich, was ich für wichtig halte. Also, bei diesem Besuch handelte es sich um Onkel Kevins Sohn und seine Enkelin Sindy", hierbei warf er seinem Bruder einen verschmitzten Blick zu, "und letztere bestand dann vehement darauf, daß wir, explizit Abel zum Kaffee blieben!" "Arthur!" mit einem hochroten Kopf erwiderte Abel den Blick, was Arthur nur noch mehr zu amüsieren schien: "Was denn, ich erzähle doch nur die Wahrheit!" "Den Blödsinn, den Du von Dir gibst, will aber niemand hören!" Abel schien tatsächlich wütend zu sein. "Was kann ich denn bitte schön dafür, daß Du dem armen Mädchen gleich den Kopf verdrehen mußt!" "Arthur..." automatisch sah Abel zu Georgie hinüber, die mit einem Mal aschfahl geworden war. "Alter Frauenheld..." begann Maria glucksend zu lachen und warf Georgie einen vielsagenden, zwinkernden Blick zu. Mit aufgesetzter Fröhlickeit stimmte Georgie in das Gelächter mit ein, obwohl sie das Gefühl hatte, ein Eisklumpen würde ihr im Magen liegen. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und weinend aus dem Zimmer gerannt. Konnte es denn wirklich sein, daß Abel seine Liebe zu ihr so schnelle vergessen hatte? Bedeutete sie ihm nichts mehr? "Hört auf mit dem Unsinn", raunzte Abel verlegen und hieb mit der Faust auf den Tisch, "ich bin nur höflich gewesen, das ist alles." Eingehend musterte Georgie sein Gesicht und fragte sich ängstlich, ob das wohl der Wahrheit entsprach. Seine heftige Reaktion war doch eigentlich genug Beweis dafür, daß er sich ertappt fühlte. Wenn sich Abel nun tatsächlich verliebt hatte, war dann der Kampf nicht bereits verloren? Georgie konnte sich nicht vorstellen, wie es sein würde, ohne Abel weiterzuleben, wo sie ihm doch in der letzten Zeit so nahe gekommen war. "Und aus reiner Höflichkeit hast Du sie dann auch zu einem Ausflug eingeladen, wie?" drängten sich Arthurs neckende Worte in ihre Gedanken und ließen ihr Herz für einen Moment erstarren. Erschrocken sah sie zu Abel hinüber, dessen Augen sich gerade zu zwei gefährlich aussehenden Schlitzen verengten: "Das war ja wohl das mindeste, was ich tun konnte, nach allem, was Onkel Kevin für uns getan hat!" wütend sprang er auf und verschwand im Jungenzimmer. Mit einem lauten Krachen fiel die Tür hinter ihm ins Schloß. "Hoppla", war das erste, was Maria dazu einfiel, "ist der aber empfindlich!" "Das ist ihm nur furchtbar peinlich, sonst nichts!" grindte Arthur und sah belustigt von Maria zu Georgie. Als er ihren verzweifelten Gesichtsausdruck erkannte, verblaßte seine gute Laune jedoch etwas und er fragte sich, warum Georgie nach dieser kleinen Zankerei so mitgenommen wirkte. Auf jeden Fall kam er zu dem Schluß, daß es das beste war, nun endlich mit der eigentlichen Nachricht herauszurücken. "Laßt uns jetzt lieber das Thema wechseln, bevor er uns noch das Haus zu Kleinholz verarbeitet. Eigentlich wollten wir Euch ja einen Vorschlag unterbreiten, den uns Onkel Kevin vorhin gemacht hat." Er vergewisserte sich, daß er die ungeteilte Aufmerksamkeit der Mädchen hatte und gab dann mit gewichtigem Ton seine Neuigkeit preis: "Onkel Kevin will zu seinem Sohn nach Sydney ziehen, weil er meint, daß er sich nicht mehr lange um seine Farm wird kümmern können. Immerhin sei er nicht mehr der jüngste und die harte Arbeit werde langsam zu schwer für ihn. Na, ja, das ist wahrscheinlich Ansichtssache, aber sein Entschluß in dieser Sache steht fest. Und er will doch tatsächlich mir und Maria den Hof vermachen. Zu einem grandios günstigen Preis, weil er meint, dann könnten wir uns dort nach der Hochzeit ein Heim aufbauen und er würde die Farm sowieso nie in fremde Hände geben." Noch bis tief in die Nacht hinein echoten diese Worte in Gerogies Kopf und hinderten sie daran einzuschlafen. Wie sehr sich doch Maria über diese Nachricht gefreut hatte! So glücklich lachend war sie Arthur um den Hals gefallen. Gerogie konnte diese Reaktion durchaus verstehen, denn immerhin bedeutete Kevins Angebot die Grundlage für ihr neues gemeinsames Leben, wer wäre da nicht vor Freude an die Decke gesprungen? Aber wenn die beiden tatsächlich die Farm übernehmen würden, woran nach ihren Reaktionen zu urteilen wohl kein Zweifel bestehen konnte, was wurde dann aus ihr? Sie würde allein mit Abel auf der Buttman-Farm bleiben, vorausgesetzt natürlich, daß er das überhaupt wollte. 'Keine Macht der Welt wird uns je wieder von hier fortbringen' das waren seine Worte vom Morgen gewesen, als sie das Haus zum ersten Mal seit langer Zeit wieder betreten hatten. Aber was, wenn Maria recht behielt? Vielleicht machte er sich ja wirklich nichts mehr aus ihr und würde wieder in See stechen, wenn Arthur und Maria erst fort waren. Würde er es fertig bringen, sie alleine zurück zu lassen? Oder wenn er tatsächlich ein anderes Mädchen kennenlernen und heiraten würde. Vielleicht verlangte er dann ja sogar von ihr, die Farm zu verlassen, damit er sich ein eigenes Leben ohne sie aufbauen konnte! Unruhig wälzte sich Georgie aus dem Bett und ging benommen hinüber zum Fenster. Das kühle Glas wirkte beruhigend, als sie ihre Wange dagegen lehnte: "Ich habe mir das alles viel zu einfach vorgestellt", flüsterte sie traurig in die alles verschluckende Dunkelheit hinaus, "ich dachte, wir kehren zurück und bleiben für immer zusammen. Aber statt dessen ziehen Arthur und Maria weg und Abel..." sie mußte ein plötzliches Schluchzen unterdrücken und eine verstohlene Träne kullerte ihre Nase hinunter: "Wie kann ich es ihm denn übelnehmen, daß er sich jetzt für andere Mädchen interessiert? Ich habe ja schließlich nichts von ihm wissen wollen, und ich kann ja wohl schlecht von ihm verlangen, daß er sein ganzes Leben darauf verschwendet, seine kleine Schwester zu behüten! Wenn ich doch bloß früher auf ihn gehört hätte!" ihre Augen brannten nun noch stärker und verzweifelt warf sie sich zurück in das zerwühlte Bett. Warum war sie bloß so dumm gewesen? War sie nicht selber schuld, daß er sie jetzt verlassen würde? Schließlich hatte sie es nie wahrhaben wollen! Hemmungslos liefen ihr jetzt die Tränen die Wangen hinunter und sie versuchte verzweifelt ihr Schluchzen in den Kissen zu ersticken: "Du darfst mich nicht verlassen, Abel. Ich brauche Dich!" beinahe war Georgie selber überrascht von den Gedanken, die sie plötzlich in Bezug auf Abel hatte, aber in ihrer momentanen Lage war ihr alles egal. Ihr Kopf sagte ihr, daß Abel sie wohl bald verlassen würde und ihr Herz sagte ihr, daß das nicht passieren durfte. Auch wenn sie sich am nächsten morgen vor sich selber schämen würde, diese Nacht mußte sie weinen, weil sie Abels Liebe verloren glaubte. Kapitel 3: Ende --------------- Als Georgie am nächsten Morgen erwachte, schien die Sonne bereits mit kräftigen Strahlen vom Himmel und in der Küche waren Stimmen zu hören. Schnell schwang sie sich aus dem Bett, zog sich das Kleid vom Vortag an und wusch sich flüchtig das Gesicht. Bevor sie aber das Zimmer verließ warf sie noch einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel. Mißmutig betrachtete sie die dunklen Ringe unter ihren Augen und die zerzausten Haare; sicherlich würden die anderen sofort bemerken, was mit ihr los war. Sie griff nach Abels Schleife und band sie sich flüchtig in die krausen Locken, das mußte vorerst genügen. Als sie mit einem aufgesetzten fröhlichen Lächeln in die Küche trat, konnte man ihr keineswegs ansehen, was für eine Nacht sie hinter sich hatte: "Guten Morgen alle miteinander", als erstes fiel ihr Blick auf Abels leeren Stuhl und ihr Fröhlichkeit verblaßte etwas. "Guten Morgen, Georgie! Setz Dich, Du kommst gerade recht zu Frühstück." Maria stand strahlend am Herd und hantierte mit einer Kaffeekanne herum. Ihre neue Aufgabe als Hausfrau und Hofherrin macht ihr anscheinend Spaß, auch wenn sie es aus ihrem früheren Leben nicht gewohnt war, sich um solche Dinge wie das Frühstück selber zu kümmern. Bereitwillig nahm Georgie gegenüber von Arthur Platz, der herzhaft gähnte. "Wo ist denn Abel", fragte sie so beiläufig wie möglich und versuchte dabei ein unbekümmertes Gesicht aufzusetzen, "schläft er etwa noch?" "Nein", Arthur streckte genüßlich alle viere von sich und schob sich dann ein Stück Brot mit Marmelade in den Mund, "der ist schon vor einer Stunde zum Wäldchen gegangen, um zu sehen, inwieweit die Zäune dort noch in Schuß sind. Meinte, wir sollten ihn rufen, wenn das Frühstück fertig ist, aber er hört uns wohl nicht." Sofort war Georgie aufgesprungen: "Ich hole ihn!" ohne darauf zu achten, daß diese Reaktion wohl reichlich wenig beiläufig gewesen war, flitzte sie wie ein Irrwisch zur Tür hinaus. Sie wußte selber nicht genau wieso, aber sie verspürte einen unbändigen Drang danach, Abel so schnell wie möglich zu sehen. Leichtfüßig rannte sie über die große Wiese hinter dem Haus, sprang problemlos über zwei Gatterzäune hinweg und trieb die Schafe auseinander, die Arthur wohl schon aus dem Stall gelassen hatte. Es dauerte nicht lange, bis sie das Wäldchen erreichte und Abel erblickte, der lässig an eine Eiche gelehnt stand. "Abel!" rief sie lauthals und wäre beinahe vor Schreck gestolpert, denn jetzt erkannte sie, daß Abel nicht alleine war: bei ihm stand ein Mädchen mit langen, kastanienbraunen Haaren. Georgie spürte den Stich, den dieser Anblick ihrem Herzen versetzte und war drauf und dran, an den beiden vorbei zu rennen. Gerade als sie sich umdrehen wollte, hörte sie Abels Stimme rufen: "Georgie, ich bin hier oben!" Widerstrebend schaute sie in seine Richtung und sah, daß er ihr gut gelaunt zuwinkte. Nun blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als sich doch zu ihnen zu gesellen, wenn sie nicht unhöflich erscheinen wollte. Als sie näherkam, bemerkte sie, daß sich das Mädchen ein wenig von Abel entfernte und ihr nicht gerade freundlich gesonnen Blicke zuwarf. Jetzt durfte sie sich bloß nichts anmerken lassen. "Morgen, Georgie, hast Du mich gesucht?" Abels Lächeln ließ sie für eine Sekunde vergessen, daß sie nicht alleine waren. "Ja, das Frühstück ist fertig..." unsicher warf sie der Fremden einen abschätzenden Blick zu. Georgie mußte neidlos zugeben, daß sie ausgesprochen hübsch war. Sie hatte mandelförmige dunkelgrüne Augen, ein würdevolles, geradezu aristokratisch geschnittenes Gesicht und winzig kleine Löckchen umrahmten ihre Stirn. Sie trug ein modisches Tweed-Kleid, das ihre schmale Taille und ihren wohlgeformten Busen hervorragend zur Geltung brachten. "Oh, ähm, wie unhöflich von mir..." Abel hüstelte kurz, "darf ich vorstellen, das ist Sindy Richards, die Enkelin von Onkel Kevin. Und das ist Georgie, meine ähm..." er stockte und konnte den Satz nicht zu Ende bringen. 'Schwester wolltest Du sagen!' schoß es Georgie durch den Kopf und der bittere Geschmack in ihrem Mund verstärkte sich. Zu gerne hätte sie gewußt, wie sich Abel aus dieser Situation heraus gewandt hätte, doch Sindy nahm ihr diese Gelegenheit: "Oh, ich weiß schon, mein Großvater hat mir von Dir erzählt, Georgie. Ihr seid so etwas wie Adoptivgeschwister, nicht wahr?" diese Frage hatte wohl herausfordernd klingen sollen, doch Georgie ging nicht darauf ein. Zuckersüß erwiderte sie: "Ja, ich denke, so kann man das wohl nennen." Beide lächelten sich höflich an, als sie sich gespielt angetan die Hände reichten, doch ihre Blicke durchbohrten einander so haßerfüllt, daß selbst die Hölle davon zugefroren wäre. "Abel, wir sollten jetzt gehen, sonst fangen die anderen noch ohne uns an!" Georgie ergriff eine seiner Hände und drückte sie eindringlich. "Denk ja an heute abend, Abel!" flötete Sindy und warf ihm einen letzten schmachtenden Blick zu. Dann verschwand sie hocherhobenen Hauptes im Wald, ohne Georgie auch nur mit einem Kopfnicken bedacht zu haben. "Willst Du tatsächlich mit ihr einen Ausflug machen?" sie blinzelte ihn schräg von der Seite an, versuchte aber so wenig Interesse wie möglich vorzutäuschen. "Ja sicher, wieso denn nicht? Ich finde, sie ist ein nettes Mädchen..." er sah sie nicht an, sondern lächelte nur versonnen vor sich hin, während er sprach. "Findest...", Georgie schluckte schwer, "findest Du sie hübsch?" diese Frage hatte sie viel Überwindung gekostet, aber als Belohnung dafür galt ihr nun wieder seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Mit einem überraschten Ausdruck im Gesicht blieb er stehen und ergriff ihre Schultern: "Habe ich Dir nicht gestern gesagt, daß Du das schönste Mädchen bist, das ich kenne?" Mißtrauisch nickte sie, denn schließlich war das gewesen, bevor diese Sindy auf der Bildfläche aufgetaucht war. Und außerdem hatte sich sein Kompliment am Tag zuvor doch um einiges ehrlicher angehört; oder bildete sie sich das jetzt nur ein? Das hatte doch eben eher wie ein Trost und nicht wie ein Kompliment geklungen, seine Worte waren nicht schmeichelnd sondern brüderlich gewesen. Georgies Hände verkrampften sich zu Fäusten. Wie sehr sie diesen Ausdruck brüderlich auf einmal hasste! "Er hat nicht abgestritten, daß ich sein Adoptivschwester bin", murmelte sie verbittert, als sie sie nach dem Frühstück daran machte, den Schafstall auszumisten, "aber daß er sich selber nie als mein Bruder gesehen hat, das brauchte er dieser Sindy wohl nicht zu erzählen!" Versonnen stützte sie sich auf ihre Heugabel: "Aber was mache ich mir eigentlich für einen Kopf um Abels Verabredung? Er muß immerhin wisse, was er tut, das geht mich nichts an." so entschlossen wie möglich versuchte sie Abel aus ihren Gedanken zu streichen und setzte ihre Arbeit übertrieben fröhlich pfeifend fort. Irgendwie schaffte sie es aber über den Lauf des Tages hinweg nie so ganz, ihren Vorsatz einzuhalten. Zwar ging sie Abel bestmöglich aus dem Weg, aber trotzdem drängte sich immer wieder diese unbestimmte Angst in ihr Unterbewußtsein, die sie ständig aufs Neue erschauern ließ. Und als sie Abel am Abend das Haus verlassen sah, hätte sie ihn am liebsten begleitet, um dafür Sorge zu tragen, daß Sindy immer schön auf Abstand blieb. Er trug ein weißes Hemd und eine schwarze Hose dazu, und seine sonst so wilden Haare waren ordentlich gekämmt. Man konnte schlichtweg behaupten, daß er umwerfend gut aussah! Auf seinem Gesicht lag ein zufriedenes Grinsen, als er sich zum Abschied noch einmal umdrehte: "Was meinst Du, Georgie, wie sehe ich aus?" Seine Selbstsicherheit und die unverkennbare Vorfreude auf die bevorstehende Verabredung schlugen dem Fass endgültig den Boden aus: "Wenn Du mich fragst, wie ein alberner Gockel!" ohne seine Reaktion abzuwarten drehte sich Georgie wieder ihrem Abwasch zu, so als handele es sich dabei um eine höchst komplexe Wissenschaft. Sie hörte noch, wie Abel etwas unverständliches vor sich hin murmelte, dann glitt die Tür hinter ihm leise ins Schloss. Arthur und Maria, die am Esstisch gesessen hatte, starrten sich überrascht und verständnislos an und eine unangenehme Stille breitete sich in der Küche aus. Erst als das Klappern von Pferdehufen und das Rattern von Kutschrädern verrieten, daß Abel aufgebrochen war, brach Arthur das Schweigen: "Das war nicht gerade sehr nett!" Scheppernd ließ Georgie einen Teller ins Abwaschwasser fallen: "Das sollte es auch nicht sein!" sie setzte die trotzigste Miene auf, die man sich bei ihr nur denken konnte. "Ich fand, daß er gut aussah..." kleinlaut linste Maria zu ihrer Freundin hinüber und merkte zu spät, daß diese kurz davor war, daß ihr der Kragen platzte: "Ich finde es nur einfach schrecklich, daß er sich wegen dieser Pute so zum Affen macht. Da muß man seine Eitelkeit nicht auch noch unterstützen." "Ich glaube, Du hast ihn damit ganz schön verletzt, Georgie." "Das glaube ich kaum, Arthur, der schwebte doch auf Wolke sieben und hat sowieso nicht gehört, was ich zu sagen hatte." "Oh doch", Maria hatte noch immer nicht die Gefahr der Situation erkannt, "er hat wirklich sehr enttäuscht ausgesehen!" Wütend fuhr Georgie herum: "Na, um so besser, dann hat es ja vielleicht sogar etwas gebracht!" hastig wischte sie sich die nassen Hände an der Schürze ab und verließ mit buchstäblich wehenden Röcken das Haus. "Ich fand, daß er gut aussah..." äffte Georgie erbost die Worte von Maria nach, nachdem sie ihre Zimmertür mit einem lauten Knall zugeworfen hatte: "Es ist doch wirklich furchtbar, was für einen Zirkus er nur wegen dieser Sindy veranstaltet!" Grimmig ließ sie sich aufs Bett sinken und stützte den Kopf in die Hände. Was war denn plötzlich nur los mit ihr? Warum störte es sie so vehement, daß Abel mit einem anderen Mädchen ausging? Er war doch nach allem immer noch ihr Bruder, oder nicht? Und noch während sie das dachte, wurde Georgie bewußt, daß Abel für sie weitaus mehr war als nur ein Bruder. Sie hatte seine Liebe immer als selbstverständlich angesehen, aber war es ihr denn möglich, auch ohne sie zu leben? Würde sie in der Lage sein, ohne Abels Zuneigung zurecht zu kommen? "Abel..." flüsterte sie unter Tränen, "was soll ich denn ohne Dich anfangen?" schnell entledigte sie sich ihres Kleides und schlüpfte, nur noch mit ihrer Unterwäsche bekleidet, unter ihre Bettdecke. Verängstigt zog sie die Beine fest an den Körper und schlief bald darauf ein. Als sie einige Stunden später wieder erwachte, war sie von völliger Dunkelheit umgeben. Benommen erhob sie sich und stolperte schlaftrunken in die Nacht hinaus. Die Luft war mild und der Himmel sternenklar, doch Georgie hatte im Moment wenig Sinn für die Schönheit der Natur. Vorsichtig schlich sie über die Veranda und tastete sich bis zur Küchentür vor. Im Haus war es totenstill und die ruhigen, gleichmäßigen Atemzüge zeigten an, daß Arthur und Maria bereits schliefen. Leise öffnete sie die Tür zum Jungenzimmer. Der Mond schien durch eines der Fenster und Georgie hatte sofort erkannt, daß Abel noch nicht zurück war. Sie kehrte zurück in die Küche, um eine Kerze anzuzünden. Erschrocken blickte sie auf die kleine Uhr über dem Herd; es war schon nach Mitternacht. Ihr Herz begann wie wild zu rasen; wieso war Abel um diese Zeit noch nicht zurück? Ob ihm wohlmöglich etwas zugestoßen war? Schnell eilte sie zum Fenster, doch weit und breit war auch nicht das kleinste Anzeichen von ihm zu erkennen. Ihm durfte nichts passiert sein! Zitternd ließ sie sich vor der Fensterbank nieder und begann sich die schrecklichsten Dinge auszumalen, die ihm zugestoßen sein konnten. Ungeheure Gewissensbisse nahmen von ihr Besitz und machten alles noch viel schlimmer. Wenn sie doch bloß nicht so grob zu ihm gewesen wäre. Vielleicht würde sie jetzt nie wieder die Chance bekommen... Wie ein Häufchen Elend kauerte sie dort auf der Bank, während langsam die Zeit dahin ging. Endlich, um kurz nach eins jedoch, wurde sie aus ihren Leiden erlöst, als eine Pferdekutsche gemächlich den Pfad zu ihrer Farm hinuntergefahren kam. Erleichtert sprang Georgie auf, blies die Kerze aus und lief nach draußen. Die Kutsche kam jetzt schnell näher und hielt direkt auf die Scheune zu. Als sie darin verschwunden war, fasste sie all ihren Mut zusammen und ging mit pochendem Herzen zu dem schwachen Lichtschein hinüber. Abel hatte die Kutschlaternen noch nicht gelöscht und war gerade dabei, das Pferd auszuspannen, als sie eintrat. "Abel..." Es war nicht mehr als ein Flüstern gewesen, aber Abel war zusammengezuckt, als wäre eine Dampflok an ihm vorbei gefahren. Entgeistert blickte er sich um, nahm aber sofort freundlichere Züge an, als er sie erkannte: "Georgie, Du bist noch wach?" "Wo bist Du so lange gewesen?" schüchtern trat Georgie näher heran und Abel konnte im Schein der Laternen die Konturen ihrer weißen Spitzenunterwäsche ausmachen: "Ach, Sindy und ich haben uns so gut unterhalten, daß uns irgendwie die Zeit davon gelaufen ist..." er warf einen verstohlenen Blick auf den Ansatz ihres Dekolletés und eine leichte Röte stieg ihm ins Gesicht, die Georgie wohl auf die Äußerung bezüglich Sindy zurückführte: "Die Zeit ist Euch davon gelaufen? Weißt Du eigentlich, wie spät es ist?" "Natürlich weiß ich das!" peinlich berührt drehte sich Abel von ihr ab, um sich nicht weiter dem Reiz ihres Anblickes auszusetzen. Wieder verstand Georgie seine Reaktion falsch und dachte, er würde ihre Einwände einfach leichtfertig ignorieren. "Hast Du überhaupt eine Ahnung, was ich mir für Sorgen gemacht habe?" immerhin wäre sie beinahe vor Angst gestorben, während er sich allem Anschein nach prächtig amüsiert hatte. "Tut mir leid..." "Es tut Dir leid", schnitt sie ihm unbeherrscht das Wort ab, "ist das etwa alles, was Du dazu zu sagen hast?" "Himmel Georgie", Abel griff das Pferd am Halfter und führte es hinüber in seine Box, "ich weiß gar nicht, was das ganze soll, Du wußtest doch, daß ich mit Sindy unterwegs bin." verständnislos schüttelte er den Kopf. "Bleib gefälligst hier, wenn ich mit Dir rede!" Georgie ging ihm hinterher und wartete ungeduldig, bis er den Holzverschlag hinter sich geschlossen hatte. Noch immer vermied Abel es, sie direkt anzusehen, denn ihre momentan Abendgarderobe brachte sein Blut in Wallung: "Ich habe mich doch entschuldigt, oder nicht? Willst Du, daß ich vor Dir auf den Knien rutsche?" seine Augen schielten zu ihren nackten, schlanken Beinen hinüber und er mußte sich schwer zusammenreißen, um nicht die Kontrolle über seine Stimme zu verlieren. Georgie war so wunderschön, wußte sie denn nicht, was ihr Anblick bei ihm bewirkte? "Hör auf dumme Witze zu machen", herrschte sie ihn unwirsch an, "Du hast kein bißchen Verantwortungsgefühl gegenüber anderen!" sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt und bot so noch ein wenig besser zur Schau, was Mutter Natur ihr geschenkt hatte. "Entschuldige bitte", Abels Tonfall nahm einen ironischen Zug an, "nachdem Du mich heute nach allen Mitteln der Kunst ignoriert hast, wäre es mir nie in den Sinn gekommen, daß gerade Du Dir Sorgen um mich machst..." er hatte es also bemerkt. "Außerdem wäre es freundlich, wenn Du Dich etwas weniger freizügig hinstellen würdest..." nun starrte er offenkundig auf ihren Busen und versuchte seine Freude über diesen Anblick auch nicht länger zu verbergen. Erschrocken verschränkte Georgie die Arme vor der Brust und errötete leicht: "Ich habe Dich keineswegs ignoriert..." ihr Puls begann heftiger zu schlagen als ihr plötzlich bewußt wurde, daß sie nur in Unterwäsche vor Abel stand, "ich fand es nur einfach lächerlich, wie albern Du Dich wegen dieser Pute aufgeführt hast!" Und nun war es an Abel, die Arme in die Hüften zu stemmen: "Erstens ist Sindy keine dumme Pute, zweitens habe ich mich ihretwegen überhaupt nicht anders verhalten, als sonst und drittens..." er lehnte sich vor und fixierte Georgies Augen wie ein Adler seine Beute, "selbst wenn ich mich ihretwegen anders verhalten hätte, würde Dich das gar nichts angehen, Schwesterchen!" "Was..." Georgie war wie vom Donner gerührt. Seit er ihr im Haus von Onkel Kevin seine Liebe gestanden hatte, war ihm dieses Wort nicht mehr über die Lippen gekommen. Und jetzt, wo er es auch noch mit soviel Sarkasmus benutzt hatte, schmerzte es mehr als tausend Nadelstiche. Ihre Augen begannen zu brennen und Georgies Stimme zitterte, als sie kaum hörbar flüsterte: "Dann bin ich also doch nichts weiter als nur Deine Schwester..." sie wollte sich umdrehen und davonlaufen, doch blitzartig hatten sich Abels Arme um ihre Handgelenke gelegt. Energisch zog er sie ganz nah an sich, so daß sie beinahe seinen Herzschlag hören konnte, obwohl sie sicher war, daß der ihrige alles andere übertönen mußte. Für den Bruchteil einer Sekunde starrte Abel sie an, mit funkelnden, angsteinflößenden Augen. Georgie fürchtete, ihre Beine würden jede Sekunden nachgeben; sie spürte seinen warmen Atem im Gesicht. Und dann legten sich seine Hände plötzlich um ihren Kopf und sie spürte, wie er seine Lippen fest auf ihren Mund preßte. Sie war von seiner mit einem Mal so groben Art so erschrocken, daß sie ihn heftig zurück stieß und sich keuchend über den Mund wischte: "Bist Du wahnsinnig geworden?" ihr Herz hämmerte schmerzlich in ihrer Brust und sie wußte nicht, ob sie vielleicht nur einen schlechten Traum hatte. Doch Abels Hand, die sich erneut fest um ihren Arm schloß bewies ihr das Gegenteil: "Hör auf, Du tust mir, weh... was ist denn auf einmal in Dich gefahren?" Ohne Vorwarnung schleuderte Abel sie herum und sie landete sanft in dem großen Haufen Heu neben der Pferdebox: "Was in mich gefahren ist, möchtest Du wissen", theatralisch breitete er die Arme aus, "Du bist in mich gefahren! Denn ganzen Tag schmollst Du eifersüchtig herum wegen meiner Verabredung mit Sindy, hüpfst mir hier in Unterwäsche vor der Nase rum, so daß ich fast den Verstand verliere und dann... bist Du auch noch gekränkt, weil ich Dich Schwesterchen nenne!" völlig außer sich raufte er sich die Haare und Georgie konnte seinem Auftritt nur mit blankem Entsetzen zusehen. "Wie soll ich denn nicht wahnsinnig werden, wenn Du Dich so verhältst?" Abel ließ schwer atmend die Arme sinken und versuchte, sich unter Kontrolle zu bringen. Die Wildheit aus seinen Augen war verschwand langsam und mit einem Mal meinte Georgie sogar ein leichtes Schimmern in ihnen erkennen zu können. "Verdammt, es tut mir leid..." er ging auf den nächsten Stützbalken zu und schlug mit aller Wucht seine Faust gegen das Holz, immer und immer wieder, "es tut mir leid... es ist einfach mit mir durchgegangen..." als er ungefähr zehnmal auf den Balken eingeschlagen hatte, lehnte er matt den linken Arm dagegen und verbarg sein Gesicht. Georgie sah, daß sein Körper zitterte und im nächsten Moment hörte sie ein leises Schluchzen: "Es tut mir so leid... ich dachte, ich hätte es unter Kontrolle..." Georgie stand mit zittrigen Beinen auf. Abels Anblick regte tiefes Mitleid in ihr und ließ sie das eben geschehene vergessen. Sanft legte sie eine Hand auf seinen linken Arm: "Abel, es ist schon in Ordnung..." "Ach, Georgie..." Abel fuhr herum und zog sie fest an sich, noch immer konnte er sich nicht beruhigen, "ich habe mir eingebildet, daß alles wieder so werden könnte, wie früher, aber das war naiv...!" sein Griff wurde noch ein wenig fester und Georgie schoß das Blut in den Kopf. So nah war sie ihm schon lange nicht mehr gewesen. Die Berührung seiner Hände auf ihrer nackten Haut jagte ihr einen Schauer über den Rücken und ihr Magen fühlte sich an, als würden tausende von Schmetterlingen darin herumfliegen. Einen Moment lang widerstand sie dem Verlangen, seine Geste zu erwidern, doch dann schlang sie die Arme um seinen Rücken und drückte sich eng an ihn: "Das wird es Abel, solange wir nur zusammen halten..." "Nein..." Abel schob sie sacht von sich und starrte ihr tief in die Augen, "es wird nie mehr so sein wie früher, Georgie. Ich hätte gar nicht mit Dir kommen dürfen. Ich war sicher, ich könnte meine Gefühle für Dich unterdrücken, aber es geht einfach nicht, Georgie. Ich kann es nicht." er ließ sie los und drehte sich von ihr weg: "Jedesmal, wenn ich Dich ansehe, wenn ich Dein Lachen höre... meine Gefühle gehen einfach mit mir durch und ich kann nichts dagegen tun. Solange Du in meiner Nähe bist, werde ich es niemals schaffen..." Georgies Herz pochte wild gegen ihre Brust. Nervös legte sie die Hände aneinander, so als wollte sie beten und berührte ihre Lippen. Versuchte Abel gerade, ihr zu sagen, daß er noch immer etwas für sie empfand? Konnte es wahr sein, daß all ihre Ängste die ganze Zeit über unbegründet gewesen waren? "Und Sindy..." flüsterte sie ängstlich, "ich dachte, Du... bist in sie... verliebt..." Abel konnte den Ausdruck auf ihrem Gesicht nicht sehen, denn sonst hätte er das Funkeln in ihren Augen, die plötzlich erwachte Leidenschaft in ihren Zügen erkannt: "Sindy... und wenn ich noch tausend Mädchen wie Sindy begegne, an meinen Gefühlen zu Dir wird sich nie etwas ändern..." "Oh, Abel..." war alles was Georgie herausbrachte, denn das plötzliche Glücksgefühl schnürte ihr die Kehle zu. "Ich weiß, Georgie, aber ich kann es nun mal nicht ändern", noch immer kehrte Abel ihr den Rücken zu, "wenn ich nur an Dich denke, ist es, als würde mein Herz in Flammen aufgehen. Das kann ich uns beiden einfach nicht länger antun..." entschlossen fuhr er herum, darauf gefaßt eine völlig aufgelöste Georgie zu sehen, "ich denke, es ist das beste, wenn ich die Farm so schnell wie möglich verlasse!" wie überrascht war er, als er Georgies seliges Lächeln sah. "Und Du glaubst wirklich, daß ich Dich so einfach gehen lassen würde?" schüchtern ergriff sie seine Hände und schloß sie fest in die ihren, was Abel vollkommen aus der Fassung warf. "Georgie, was..." die Überraschung gefror ihm geradewegs auf dem Gesicht, als sie sich vorbeugte und ihm einen sanften Kuß gab. "Ich will nicht, daß Du gehst", sie schmiegte seine Hände an ihre Brust und versuchte seinem verwirrtem Blick standzuhalten, "ich würde sterben, wenn Du mich verlassen würdest... ich kann nicht ohne Dich leben, Abel!" Ein überwältigtes Funkeln stahl sich in Abels Augen, als er seine Hände auf Georgies Schultern legte: "Ist das wirklich Dein Ernst, Georgie?" "Mir ist noch nie im Leben etwas so ernst gewesen..." Georgie starrte unsicher auf ihre Finger, "ich... liebe Dich..." Sie spürte, wie sich ein Finger unter ihr Kinn legte und sie sanft und bestimmt zwang aufzublicken. "Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie lange ich mich nach diesen Worten von Dir gesehnt habe..." langsam näherte sich Abels Gesicht dem ihren und seine Lippen bedeckten ihren Mund mit einem zärtlichen Kuß. Georgie schmiegte sich wie im Traum an seine Brust: "Ich bin so froh, daß ich es Dir endlich gesagt habe...seit Du damals in diesen Brunnen gestiegen bist, um Arthur zu befreien..." "Ach, Georgie", liebevoll strich Abel über ihre blonden Locken, während er sie noch immer mit dem anderen Arm fest an sich gedrückt hielt, "wieso hast Du nur so lange damit gewartet? Hattest Du Angst, ich könnte Dich nicht mehr lieben?" "Ich glaube, ich habe es mir einfach nicht eingestehen wollen... vielleicht wirklich aus Angst, daß es zu spät sein konnte!" "Aber das ist es nicht, Dummerchen", seine Umarmung war so stark, seine Streicheleinheiten so beruhigend, "wenn man sich wirklich liebt, dann ist es niemals zu spät!" "Und Du wirst mich jetzt auch nicht alleine hier lassen?" natürlich wußte Georgie bereits, wie die Antwort ausfallen würde, doch sie wollte sie aus Abels Mund hören. "Ich verspreche Dir, meine kleine Georgie..." er schloß ihr Gesicht fest in die Hände, um in ihre schimmernden Augen schauen zu können, "solange ich lebe, werde ich Dich nie wieder alleine lassen!" und im langsam erlöschenden Licht der Kutschlaternen verschmolzen ihre Silhouetten in einem langen und innigen Kuß. So, Leute, das ist das Ende meiner Geschichte. Wenn sie Euch gefallen hat, oder auch eben nicht, dann hinterlasst mir doch bitte einen kleinen Kommentar oder mailt mir an Deed.of.Lodoss@web.de. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)