Crestfallen von Ryusei (You'll be the GOD of a new world. [Mikami Terus POV]) ================================================================================ Kapitel 1: Crestfallen ---------------------- Vorwort Serie: Death Note Sicht: Mikami Teru Genre: Darkfic, Sad, Death Beta: And the oscar goes to... Raito! Wie immer ^_^ Bestes Beta-chan überhaupt Widmung: Für Shirou, das mikami’schte Mikami überhaupt. Ich hab dich lieb, Suppe-chan ^^ Autor’s Note: Oh Gott. Das war ein Plotbunny, das ich partout nicht klein bekam. Und es sollte eine Kurzgeschichte werden. KURZ! Aber irgendwie wurde alles immer und immer länger und das Ende war nicht einmal in Sicht. Jetzt ist sie fast so lang wie ‚Faith’. Und das komplett ohne Shônen Ai, ohne L und mit nur ganz wenig Raito. Wow ô___o Ach ja. Der Titel. ‚Hoffnungslos’. Wer die wenigen, japanischen Begriffe nicht versteht: Kami = Gott. Sakujo = Vernichten/Auslöschen. Crestfallen „Kennst du Kira?“ Ein Mädchen lachte, warf ihre gebleichten Haare nach hinten und hielt ihr Handy hoch. „Ich kenne ihn persönlich!“ – „Wirklich?!“ Der schwarzhaarige, junge Mann hob nicht einmal den Kopf, während er wie gebannt auf seinen Laptop starrte und die einzelnen Schriftzeichen mit leicht beschleunigter Atmung beobachtete. Nachrichten. Todesdaten. Eine Fanseite. Kira. Die Welt schien sich nur noch um diese Person zu drehen. Dieses Pseudonym, mit denen sich viele wichtig taten und welches die wenigsten wirklich verstanden. Kira, der die Meinungen der Menschen entzweite. Jene, die ihn unterstützten, die ihm Glück wünschten, die ihm diesen Namen erst gegeben hatten. Und solche, die gegen ihn vorgingen, die sich auf Gesetzestexte stützten und erfolglos ihren Atem verschwendeten. Aber Kira war mehr als nur ein Mensch, ein Mörder, eine Person. Kira war… Gott. Er beobachtete diese Person, die endlich für Gerechtigkeit in dieser Welt zu sorgen schien, schon länger. Verbrecher weltweit starben. Menschen, die anderen Unrecht taten. Mikami Teru war zufrieden. Nein. Mehr als das. Er lebte wieder. Es war nicht so, dass er hätte sterben wollen. Eigentlich mochte er sein Leben, seinen Beruf als Anwalt, sein Erscheinen nach Außen. Aber es war nichts, worauf es sich hinzuarbeiten lohnte. Er war Staatsanwalt geworden, um Verbrecher richten zu können, doch je länger er arbeitete, desto mehr merkte er, wie erfolglos dieser Versuch doch war. Gesetze konnten Verbrechen nicht aufhalten und wenn er einen Verbrecher verurteilen konnte, so waren es noch immer Hunderte, die ohne Strafe davonkamen. Es war vergebens. Bis zum 28. November 2003. Dem Tag, an dem die Morde begannen. Kira war so unscheinbar aufgetaucht, wie eine Grippe, die man anfänglich auch nicht bemerkt. Langsam und schleichend testete er seine Fähigkeiten, ehe er ausbrach und zuschlug, die Welt in Atemlosigkeit versetzte und eine Massenpanik bei der Polizei hervorrief. Die Todeszahlen schnellten nach oben, von 52, auf 100, auf 200. Immer mehr, immer schneller. Mikami Teru hatte es beobachtet. Und er hatte es genossen. Nach außen hin spielte er seine Rolle als treuen Anwalt, als Gegner Kiras, auch wenn es ihm jedes Mal aufs Neue einen Stich versetzte, wenn er seine Stimme gegen seinen Gott erheben musste. Aber abends, wenn er alleine in seinem Appartement war, da schaltete er die Nachrichten ein und stimmte in das Gejubel der Kira-Fans mit ein. Und er fragte sich wie viele andere Tausende auch wer Kira wohl war. Wie er aussah, wie er hieß, wie alt er war. Jünger oder Älter? Ein Junge oder gar ein Mädchen? Ein Schüler oder ein Rentner? Mikami Teru wagte nicht sich ein Bild von Kira zu machen. Er wollte sich nicht selbst enttäuschen. Der 4. Dezember 2003 begann klirrend kalt und für Mikami Terus Geschmack ein wenig zu früh. Nur wenige Stunden hatte er schlafend verbracht. Ein wichtiger Fall hatte ihm die restliche Nacht geraubt, aber nun hatte er stichhalte Beweise und konnte einen Verbrecher vor Gericht führen. Dabei war es eigentlich gleichgültig. Kami würde ihn so oder so strafen. „Guten Morgen, Mikami-san.“ Nur leere Worte. Mikami Teru hob mechanisch die Hand und blickte die junge Frau an der Rezeption an, ehe er das gewaltige Gerichtsgebäude betrat. Die Gänge waren wie jeden Morgen um diese Uhrzeit wie ausgestorben. Seine Schritte hallten an den weiß gekachelten Wänden wider, erzeugten einen Laut, der in den Ohren angenehm klang und Mikami Teru dazu veranlasste seine Schritte noch zu beschleunigen. Dunkelfarbene Türen glitten links und rechts an seinen Augenwinkeln vorbei, hoben sich als einzige Farbtupfer von dem sterilen Gang ab. Zimmernummern mit je einem Buchstaben davor zur zweifellosen Identifizierung der Büros, die hinter diesen Türen lagen. Mikami Teru stoppte und sah sein eigenes, verschwommenes, verzerrtes Bild in einem der Schilder. B 1302. Ein gewohntes Bild in seinem gewohnten Alltag. Er drückte die Klinke nach unten und betrat das Büro. Der Raum war weder sonderbar groß, noch zu klein. Unter seinen Schuhen verlief ein hässlicher, dunkelgrauer Teppich mit einem Muster, welches bereits so ausgetreten war, dass man nicht einmal erahnen konnte, was es wohl einmal gewesen sein musste. Die Wände waren annähernd so steril wie der Gang vor der Tür, mit Ausnahme des Wasserfleckes in der rechten Ecke des Zimmers. Mikami Teru blieb einen Moment stehen und sah sich um. Für einen kurzen Augenblick hatte er Gänsehaut… und das nicht verschwinden wollende Gefühl, dass noch jemand im Raum war. Doch das war Einbildung. Das wusste Mikami selbst. Aber der Gedanke, dass Kira hier in diesem Zimmer auf ihn wartete, war für einen Moment zu schön gewesen. Sich selbst seinem Alltag ergebend ließ er sich an dem breiten, schweren Schreibtisch nieder und schlug seine Unterlagen auf. Ordner, überfüllt mit Namen und Daten von Schwerverbrechern. Er hätte Kira helfen können. Doch brauchte ein Gott überhaupt menschliche Hilfe? Mikami wollte diese Frage nicht verneinen, denn das würde bedeuten, dass die Chance, Kira jemals zu Gesicht zu bekommen, auf Null sank. „Sie gehen?“ Die junge Frau richtete sich leicht auf und sah dem hochgewachsenen, schlanken Mann nach. „Nur in die Mittagspause“, erklärte Mikami kurz angebunden und verließ das Gebäude. Es war immer noch bitterkalt. Mikami zog fröstelnd seinen Mantel fester um seinen Oberkörper, duckte sich und eilte die leeren Straßen entlang. Das Gerichtsgebäude lag abgelegen und Mikami brauchte gute fünfzehn Minuten, bis er die Innenstadt erreichte. Doch selbst als er noch einige hundert Meter von dem Stadtzentrum entfernt war, hörte er bereits laute Stimmen. Mechanisch beschleunigte er seinen Gang und stieß schließlich in eine Menschenmenge. Hoch über ihnen prangte ein gewaltiger Bildschirm an einem der Wolkenkratzer. Darauf zu sehen war ein schwarzhaariger Mann Mitte zwanzig, bekleidet mit einem Anzug und einer dunklen Krawatte. Vor ihm stand ein Namensschildchen. „Was ist das?“, hörte Mikami einen Schüler neben sich fragen. „Eine Interpol-Sonderansprache“, erklärte eine Stimme, deren Standort Mikami aber nicht ausmachen konnte. „Eine Ansprache an Kira!“ Kami? Mikami hob den Kopf und fixierte den Mann auf dem Bildschirm wieder. „Sehr geehrte Damen und Herren. Ich bin Lind L. Tailor… Besser bekannt als… L.“ L. Mikami hatte von dieser Person gehört. Er war ein Ermittler, der sich seine Fälle gezielt aussuchte und mit dem niemand selbst in Kontakt treten konnte. Er galt als Genie und wurde häufig als letzter Trumpf in einem scheinbar unlösbaren Fall gehandelt. Wenn Interpol jetzt schon L einsetzte, dann gab die japanische Polizei wirklich auf. Mikami konnte es verstehen. Wer legte sich schon mit einem Gott an? „Kira! Ich weiß, dass du deine Taten vor dir selbst zu rechtfertigen versuchst. Aber was du tust ist böse!“ Mikamis linke Hand ballte sich zu einer Faust. Kira war nicht böse. Kira war Gerechtigkeit! Selbst auf die Entfernung konnte Mikami erkennen, dass sich die Lippen des Mannes zu einem Grinsen formten. Er fühlte sich siegessicher, obwohl er sich hier mit Namen vor allen präsentierte. Mikami fühlte, dass seine Lungen brannten, so scharf hatte er Luft geholt. Und in dem Moment änderte sich die Stimmung. Eine kurze Welle der Bewegung ging durch die Menschenmasse und etliche schrieen. Hände deuteten auf die gewaltige Leinwand. Mikami verstand Wortfetzen, Laute und Phrasen wie „Oh mein Gott, seht!“ und „Er stirbt!“ Lind L. Tailor hatte die schlanken Hände in seinen Anzug gekrallt und holte in kurzen Stößen Luft. Seine Stimme klang schmerzverzerrt, er keuchte, gab einen abgehackten Laut von sich und schlug schließlich mit dem Kopf auf dem Schreibtisch vor sich auf. Die Menge um Mikami herum hielt den Atem an. Auf dem gewaltigen Bildschirm stürzten Menschen, die wohl für den Fernsehsender arbeiteten, auf den Toten zu, holten ihn rasch von der Kamera weg, um die Zuschauer nicht länger dem Anblick der Leiche auszusetzen. Zurück blieben ein leerer Stuhl, der sich noch leicht drehte und das Namensschild, welches die ganze Zeit vor dem Mann gestanden hatte. Mikami wollte jubelnd aufschreien, doch er riss sich zusammen. Kami hatte über L gesiegt. Über L, von dem Mikami noch am ehesten geglaubt hatte, dass er Kami gefährlich hätte werden können. Doch L war törichter und dümmer als angenommen. Mikami hatte sich gerade abgewandt und das Geld in seinem Portemonnaie überprüft, als eine verzerrte Stimme ihn wieder aufsehen ließ. Der leere Stuhl und der Schreibtisch waren verschwunden. Stattdessen zierte den Bildschirm nun ein pechschwarzes „L“ auf einem weißen Grund. „Ich… Ich wollte es nicht glauben. Kira. Du kannst tatsächlich töten ohne selbst Hand anzulegen. Ich habe so etwas erwartet, aber hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen, hätte ich es nicht geglaubt. Andererseits waren deine Taten nicht anders zu erklären. Kira. Wenn du es warst, der den im Fernsehen gezeigten Lind L. Tailor getötet hat… Dieser Mann war nicht ich. Er war ein zum Tode verurteilter Schwerverbrecher, über den weder im Fernsehen, noch im Internet berichtet wurde und von dem du nicht wissen konntest. Aber L existiert wirklich. ICH existiere wirklich! Los, versuch mich zu töten!“ Mikamis Augen weiteten sich hinter der schmalen, schwarzen Brille. Was fiel diesem… Was erlaubte er sich? Er forderte einen Gott heraus! „Na los, mach schon! Lass mich nicht warten. Töte mich!“ Die Menschen um Mikami herum waren still. Alle Augenpaare richteten sich auf den Buchstaben. Nur gelegentlich nahm Mikami eine Frage wahr. Fragen wie: „Wer ist eigentlich „L“? Ich kenne nur Kira…“ Mikami biss sich auf die Lippen. „Du kannst mich also nicht töten. Danke für diese Information. Als Gegenzug verrate ich dir auch etwas, Kira. Zu Beginn dieser Sendung wurde gesagt, sie würde weltweit ausgestrahlt. Das ist eine Lüge. In Wahrheit wurde nur in Tokio gesendet. Und damit lieferst du mir den Hinweis wo du dich aufhältst. Du bist in der Kanto-Region.“ Mikami gab einen leisen, undefinierbaren Laut von sich. Kira war hier? In Tokio? In der Kanto-Region? Kira war in seiner Nähe? „Es lässt sich leicht beweisen. Am 28. November 2003 ereignete sich ein Mordfall in einem nahe gelegenen Kindergarten. Ein Geiselnehmer starb an Herzversagen. Die Polizei schenkte diesem Fall keinerlei Beachtung, aber ich verband ihn schnell mit deinen Handlungen und setzte ihn als Test deiner Mordmethoden fest. Im Vergleich zu deinen anderen Opfern war die Schuld dieses Mannes verhältnismäßig gering. Und über diesen Fall wurde nur in Japan berichtet. Damit war für mich klar, dass du dich in Japan aufhältst. Wir haben den Bericht erst in der Kanto-Region ausstrahlen lassen, weil dort die Bevölkerungsdichte am höchsten ist. Dass du dich wirklich dort aufhältst, war ein Glückstreffer. Deine Art zu töten interessiert mich wirklich sehr. Aber ich werde es bald herausfinden… wenn ich dich vor Gericht gebracht habe!“ Mikami Teru schmeckte Blut in seinem Mund, als er sich zu fest auf die Zunge biss. Was fiel L ein Kira so vorzuführen? Wenn er nur gekonnt hätte, er hätte der Person hinter dem schwarzen Buchstaben jeden Knochen einzeln gebrochen. „Kira…“ Mikami sah, dass die Menschen unmittelbar neben ihm die Muskeln anspannten. „Ich werde dich finden und aus dem Verkehr ziehen! Ich bin… Gerechtigkeit!“ Mikami konnte nicht ahnen, dass der Mensch, den er mehr verehrte als alles andere, in dem Moment exakt dieselben Worte in einem perfekten Unisono mit L sprach. Doch Mikami sah nur die dreiste Herausforderung an Kira, an seinen Gott, unwissend, was für ein Kampf diesen Worten noch folgen würde. Mikami Teru war schon immer eine Person, die sich gerne für die Schwächeren eingesetzt hatte. Wann immer ein Mitschüler gemobbt wurde, war es Mikami, der sich vor ihn warf und den Ärger auf sich zog. Doch Mikami lernte schnell, dass man Menschen weder ändern, noch beeinflussen konnte, dass Ungerechtigkeit über Gerechtigkeit siegte und dass zu viele wegsahen, statt einzugreifen. Er lernte, dass das Leben unfair war. Also schloss er unmittelbar an seinen Oberstufenabschluss sein Jura-Studium an, in der Hoffnung, wenigstens etwas in der Welt besser machen zu können, indem er als Staatsanwalt gegen Verbrecher vorging. Er lernte hart und schaffte es doch nicht Klassenbester zu werden. Aber das war nichts, was zählen würde. Wichtiger war, dass er es schaffte. Dass er es schaffte sein Studium unter den verächtlichen Blicken und den bissigen Kommentaren seiner Mitstudenten durchzustehen. Mikami lernte wieder einmal, dass den Opfern in dieser Welt keine Hilfe geschenkt wurde. Opfer. Wer oder was waren Opfer? Die Polizei sprach von den getöteten Verbrechern als Opfer. Doch konnte man diese Individuen wirklich als solche bezeichnen? Was war mit den Menschen, die von diesen Verbrechern getötet oder misshandelt worden waren? Das waren die Opfer. Nicht die Täter. Mikami Teru nippte an seinem Kaffee und fixierte seinen aktuellen Fall. Ein 42 jähriger Familienvater, der für seine neue Geliebte Ehefrau und Kinder abgestochen hatte. Nein, so ein Mensch war kein Opfer. Solch ein Mensch verdiente kein Mitleid und keine Gnade vor dem Volke. Solch ein Mensch verdiente nichts als den Tod. Und diese gerechte Strafe würde Kami ihm auferlegen. Ihnen allen. Mikamis dunkle Augen glitten zu den Akten, die er noch nicht bearbeitet hatte. Fälle, die er in naher Zukunft vor Gericht zu behandeln hatte, doch er wusste, dass diese Seiten, die in den schwarzen Mappen lagen, alle Grausames enthielten. Mörder, Vergewaltiger, Kinderschänder. Menschen, deren Namen es nicht einmal wert waren ausgesprochen zu werden. Mikami warf noch einen weiteren Zuckerwürfel in seinen Kaffee und stellte die Tasse ein wenig zu schwungvoll ab. Die braune, heiße Flüssigkeit lief über den Rand und hinterließ einen Fleck auf seinem Schreibtisch, der von dem Anwalt unbeachtet blieb. „So etwas… Lächerliches.“ Der Löffel klimperte, als Mikami ihn neben der Tasse fallen ließ. „14 Jahre bei dreifachem Mord…“ Mikami ging den Strafvorschlag des Rechtanwaltes durch. „Menschen, die so etwas fordern, gehören selbst gerichtet…“ Er merkte nicht, dass er seine Gedanken laut aussprach. Doch seine Hände hatten sich zu Fäusten geballt. „Kami…“ Er würde diesen Menschen treffen. Dessen war sich Mikami sicher. Eines Tages würde er Kiras Stimme hören, in seine Augen sehen und er würde wissen, warum er an ihn glaubte. „Kami…“ Hinter der Skyline von Tokio versank die Sonne und tauchte die gewaltigen Wolkenkratzer in ein angenehmes rostrot. Mikami atmete tief ein und aus. Seine Finger bewegten sich unablässig. Er war nervös, ohne wirklich selbst sagen zu können wo der Grund für diese innere Unruhe eigentlich lag. Es war alles wie immer. Wie jeden Tag versuchte er sich für die Opfer einzusetzen und verspürte einen Anflug von Glück, wenn sein Handel von Erfolg gekrönt war. Doch umso mehr verärgerte es ihn, wenn er keinen Sieg verzeichnen konnte, wenn der Rechtsanwalt seine Beweise zerschlug und einen Freispruch heraushandelte. Freispruch für einen Menschen, der in den absehbaren, folgenden Wochen die nächste Straftat beging und für neue Opfer sorgte. Aber all das war vor Kiras Zeit gewesen. Jetzt gab es keine Verluste mehr. Ein Grinsen schlich sich auf Mikamis schmale Lippen und er drückte die Hände an die Fensterfront seines Büros. „Kami… Ich werde Euch finden… Ich werde Euch helfen… Als Euer Werkzeug werde ich Euch bei-…“ Mikami unterbrach seinen leisen Monolog und blickte nach unten auf die Straße. Im Dämmerlicht bewegten sich zwei Schatten, ein größerer und ein schmaler. Eine Frau floh vor einem Verfolger. Ohne zu zögern griff Mikami seinen Mantel von der Garderobe, ungeachtet dessen, dass das Möbel durch seine zu stürmische Bewegung kippte und gegen den Aktenschrank stieß, dann eilte er nach unten. Die junge Dame an der Rezeption brachte keinen Laut mehr heraus, so rasch war Mikami an ihr vorbei und an den Haupttüren. Es schepperte, als die Türen mit zu viel Schwung aufgestoßen wurden und jetzt, wo er sich der fliehenden Frau mit schnellen Schritten näherte, hörte er sie auch rufen. Die wenigen Passanten, die um diese Uhrzeit noch in der Gegend waren, wandten den Blick ab. „Loslassen! Sofort!“ Mikamis Stimme erzeugte ein leichtes Echo und schreckte den Verfolger auf. Die junge Frau schrie. „Halten Sie den Mann auf!“ – „Yuza!“ Der Mann lachte, dann packte er die Frau an der Kehle und drückte ihr eine Waffe an die Schläfe. Eine Handfeuerwaffe, welche in Japan zu tragen verboten war. „Macht mich nicht wütend!“, rief er und erst jetzt erkannte Mikami, dass er von Polizisten verfolgt wurde. „Lass die Frau sofort los! Yuza!“ – „Kommt nicht näher oder ich töte die Lady!“ Der Mann namens Yuza war wahnsinnig. Und Mikami erinnerte sich an ihn. Yuza war in einen Raubüberfall verwickelt gewesen und seither auf der Flucht. Sein Bild war in den Nachrichten und an Plakatwänden. Die Polizei warnte die Bevölkerung, dass sie äußerst vorsichtig sein solle und sachdienliche Hinweise zur Ergreifung Yuzas bei der örtlichen Dienststelle gemeldet werden sollen. Dieser Mensch war hochgefährlich und bereit über Leichen zu gehen. Wenn nichts geschah, dann würde die Frau- Yuza spannte sich an. Schaum trat über seinen Lippen und seine Augen weiteten sich in panischer Todesangst. Ein kehliges Schreien entwich ihm, die Waffe sank zu Boden, gefolgt von dem schweren Körper des Mannes. Die Frau stolperte zur Seite weg, stieß gegen die Wand und sackte immer noch vor Angst und Panik bebend zu Boden. Ihr haltloses Schluchzen war das Einzige, was zu hören war. Mikami starrte auf den toten Körper wenige Meter vor sich. Herzversagen. Es dauerte einige Sekunden, bis die Polizisten nach vorne stürzten und den Mann umdrehten. „Hey… Yuza! Er… Er ist tot!“ – „Ist alles okay mit Ihnen, Lady?“ Auf Mikamis Lippen stahl sich ein zufriedenes Lächeln. „Kami…“ Wie konnte man bei diesem Beweis noch behaupten, dass Kira böse war? Er hatte dieser Frau das Leben gerettet. Kira war nicht böse… Kira war der Erlöser. Es war ein schauderliches Gefühl allein zu sein. Das merkte Mikami in den Moment, in dem seine geliebte Mutter starb. Nicht, dass er schon vorher allein gewesen wäre. Er hatte sich schon immer für die Opfer eingesetzt, glücklich darüber, wenn sie ihm dankten und ihn anlächelten, auch wenn es bedeutete, dass er selbst Schmerzen erlitt, dass er selbst zur Zielscheibe wurde. Seine Mutter stand immer hinter ihm, pflegte seine Wunden, wenn er nach Hause kam, munterte ihn immer wieder auf, auch wenn Mikami ihren Sinn von Gerechtigkeit nicht teilen konnte. Und dann passierte das Unglück… Es war ein Unfall, sagte die Polizei später. Ein Autounfall. Die vier Insassen seien betrunken gefahren. Auch sie wären tot. Aber was kümmerte es Mikami, dass Menschen, die er nicht einmal kannte, die die Verkehrsregeln missachteten und im trunkenen Zustand Auto fuhren, gestorben waren? Sie hatten seine Mutter mit in den Tod gerissen. Seine Mutter, die in ihrem Leben niemals etwas Unrechtes getan hatte. Und damit war Mikami Teru wieder allein. „L vs KIRA! Nur ein Komplott der Polizei?“ „L – Retter oder Verräter?“ „ICPO sucht Unterstützung bei L!“ „Kira von L herausgefordert!“ Es war egal welche Zeitung man nahm. Sie alle kannten nur ein Thema: Die Ansprache Ls an Kira. Auch Mikami verfolgte die Neuigkeiten interessiert. Mit dem Auftreten Ls hatten die, die Kira nicht duldeten, endlich eine Person gefunden, an die sie glauben konnten. Nun hatten beide Parteien ihren Messias, der für sie eine eigene Form von Erlösung darstellte und an den sie glaubten. Doch viel interessanter als die großen Meldungen über den Ermittler und Detektiv waren für Mikami die Anzeigen über die Verbrecher, die von Kira hingerichtet worden waren. Die Zeitungen schrieben, dass die Zahl derer, die an die japanische Polizei glaubte, höher war als die Zahl der Kira-Anhänger. Doch Mikami wusste, dass die Dunkelziffer wesentlich höher sein musste. Im Internet gab es Fanseiten und Zirkel zu Kira, Communities und Foren, in denen man posten konnte, wen man als nächstes tot sehen wollte. Viele der Jugendlichen verstanden nun mal nicht, was Kira in Wirklichkeit für diese Welt war. Und Mikami sah es ihnen nach. Es war das Interesse nach etwas Neuem. Man kannte Mörder und Verbrecher, man kannte Selbstmordattentäter, man kannte Bankräuber. Menschen, die aus Verzweiflung, Glauben, Überzeugung, Geldgier, Rachsucht oder anderen, menschenverständlichen Gründen handelten und agierten. Aber Kira war anders… Man wusste nicht wer er oder sie war. Man kannte weder sein Gesicht, noch sein Alter, noch seine Gründe. Man wusste nur, dass er Menschen strafte, die Böses taten. Verbrecher, die vor dem Gesetz entkommen waren. Solche, die auch von L nicht bestraft worden waren. Und man wusste, dass die Zahl der neuen Verbrechen seit Kira zurückgegangen war, dass man sich nicht mehr traute eine Straftat zu begehen, weil die Gefahr bestand von Kira gerichtet zu werden, doch es wurde verdrängt. Es machte Mikami wütend, dass genau dieser Fakt so gerne übersehen wurde. Denn es war dieser Fakt, der deutlich machte, dass Kira nicht böse war oder böse handelte. Und es verstärkte Mikamis Wunsch seinem Gott endlich helfen zu können. Doch dieser Wunsch brauchte noch einige Jahre Zeit… „Wir unterbrechen das laufende Programm für eine Sondersendung!“ Mikami sah von seinen Unterlagen auf und drehte sich zu seinem Fernseher um. „Ich bitte um Ihr Verständnis. Wir sind nichts weiter als die Geiseln von Kira. Heute vor vier Tagen erhielten wir einen Umschlag mit vier Videobändern und einer Liste mit Personen, die in diesen vier Tagen sterben sollten. Wir können versichern, dass alle Personen auf der Liste nicht mehr am Leben sind. Den Videos lag eine Anweisung bei, dass wir Videoband Nummer 2 heute am 18. April 2004 um 5:59 Uhr zeigen sollen. Wir werden das Video nun einspielen.“ Das Bild, das von den sprechenden Moderatoren zu einem Videoband gewechselt war, wurde weiß. „Ich bin Kira.“ Eine verzerrte Stimme hinter vier schwarzen, leicht verzogen wirkenden Buchstaben. Mikami Teru starrte wie gebannt auf seinen Fernseher. „Ich möchte die Welt von allem Bösen reinigen. Die ansässige Polizei soll sich aus meiner Arbeit heraushalten.“ Schon an diesen beiden Sätzen merkte Mikami Teru, dass das nicht der Kira war, den er als Gott verehrte. Es war ein Nachahmungstäter. Mikami knirschte mit den Zähnen. „Ich möchte Ihnen nun beweisen, dass ich Kira bin. Schalten Sie auf Taiyo TV… Der Nachrichtensprecher Hibima Kazuhiko wird um exakt 6 Uhr an Herzversagen sterben.“ Mikami biss sich auf die Lippen. Was sollte das? Dieser Kira zog Seinen Gott in den Dreck! „Mr. Himiba hat Kira in seinen Nachrichten als ‚böse’ bezeichnet. Das konnte ich nicht dulden. Ich werde Ihnen nun ein weiteres Opfer präsentieren. Es ist ein Kommentator von NHN, Kumaizuma Seiji, der sich das Gleiche Verbrechen zu Eigen machte.“ Verbrechen. Diese Person nannte eine Beleidigung Kiras „Verbrechen“. Das war schlichtweg lächerlich. Diese Menschen, die sterben mussten, hatten nichts Unrechtes getan. Sie hatten nur ihre Meinung vertreten. Für so etwas verdiente niemand den Tod. „Ich hoffe, jeder von Ihnen glaubt mir nun, dass ich Kira bin. Ich möchte Sie bitten, mir zuzuhören. Es ist mir fern unschuldige Menschen zu töten.“ Mikami schnaubte verächtlich. Seinen Kaffee, den er eigentlich, während er Akten bearbeitete, hatte trinken wollen, war längst kalt. „Ich hasse das Böse und liebe Gerechtigkeit. Ich betrachte die Polizei nicht als meine Feinde, sondern als meine Verbündeten im Kampf gegen das Böse. Mein Ziel ist es die Welt von Verbrechern zu reinigen und eine neue, friedvolle Welt zu erschaffen. Wer mir nicht im Weg steht, dem wird auch nichts passieren und das Sterben von Unschuldigen wird aufhören. Überlegen Sie sich, was Sie tun. Wird die Polizei mich unterstützten? Sie haben bis zu den Mitternachtsnachrichten Zeit zu antworten.“ Der Bildschirm wurde kurz schwarz, ehe man die Außenansicht des Gebäudes von Sakura TV sehen konnte. „Sie haben es gehört“, hörte man die helle Stimme einer Nachrichtensprecherin. „Wir haben nur getan was uns aufgetragen- Ah! Jemand ist vor dem Eingang kollabiert!“ Mikami rutschte näher an seinen Fernseher heran. Dort lag ein Mann. Ein Polizist? Dem einzelnen Blaulicht nach, das sich auf dem Dach des Autos vor dem Gebäude befand, war dem so. Aber was hatte die Person getan? Mikami umklammerte seine Kaffeetasse fester, als zwei weitere Polizeiwagen vorfuhren und die Beamten ausstiegen. Das ganze war ein Paradoxon. Mikami konnte nicht sagen, welche Partei er vertreten sollte. Diese Person, die Kiras Namen in den Dreck zog oder die japanische Polizei. Er hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gebracht, als die beiden Polizisten ebenfalls vor dem Gebäude zusammenbrachen. Wer auch immer die Person hinter dem Video war, sie hatte die gleichen Fähigkeiten wie Kira selbst. Auch sie konnte töten, ohne selbst Hand anzulegen. Aber anders als Gott war es ihr egal ob Unschuldige starben oder nicht. Diese Person tötete um des Tötens Willen und nicht um eine bessere Welt zu schaffen. Ein lautes Krachen ließ Mikami den Bildschirm wieder fixieren. Ein Van war durch die vordere Fensterfront des Gebäudes gekracht und ließ die Nachrichtensprecherin hell aufschreien. Glas und Funken vermischten sich zu einem glitzernden Regen, Rauch quoll aus dem Wagen und bedeckte den nächtlichen Himmel, ließ die Lichter der Skyline blass wirken. Mikami blinzelte kurz. Wer war die Person, die den Wagen gefahren hatte? Und welche Gründe hatte sie um solche rabiate Methoden anzuwenden? Blaulichter tauchten die nächtlichen Häuser in ein kurzes, flackerndes Schimmern. Erst hielten nur einige wenige Wagen, dann immer mehr. Polizisten, die Gesichter hinter Helmen verborgen, stiegen aus und bildeten eine Mauer. „Haltet eure Gesichter bedeckt!“, rief eine Stimme durch ein Megaphon. „Kira ist nicht in diesem Gebäude, aber seid trotzdem vorsichtig! Es besteht die Chance, dass sich Kira irgendwo versteckt und unsere Gesichter sehen kann. Die Polizei wird gegen Kira kämpfen. Sie wird sich ihm nicht ergeben und ihn nicht frei walten lassen. Wenn das die richtige Entscheidung ist, dann stimme ich dem überein. Mein Name ist Tanakabara Kouki. Ich bin Tanakabara Kouki, Kommentator von NHN TV’s Golden News!“ Mikami rührte sich nicht. Er starrte nur auf den Fernseher, auf dem das normale Abendprogramm weiterlief. Noch ein Kira. Diese Information brauchte ihre Zeit, bis sie vom Gehirn endgültig als Fakt wahrgenommen wurde. Um Mitternacht würde das nächste Video gesendet werden. Das Video, das eingesetzt wurde, wenn die Polizei sich weigerte Kira zu unterstützen. Der Tag, der so langweilig begann, versprach spannend zu enden. Mitternacht. Mikami Teru schaltete den Fernseher an und stellte den Sender auf Sakura TV. Erneut sah er die Moderatoren, die auch schon am Abend zu sehen waren. Und der schwarze Kira-Schriftzug auf dem weißen Grund. „Es ist wirklich traurig, dass die Polizei mein Angebot verneint. Da die Polizei sich weigert mich zu unterstützen, werde ich entweder das Leben des Generaldirektors der NPA nehmen… oder das des Masterminds, der die Sonderkommission gegen Kira leitet, allgemein bekannt als „L“. Sie entscheiden, wer von beiden sterben wird. Der Generaldirektor oder „L“? Wer wird für eine friedvolle, neue Welt gerichtet werden? Sie haben vier Tage um zu entscheiden.“ Mikami Teru konnte nicht wissen, dass für seinen Gott, für Kira, an den er mehr glaubte als an sein eigenes Leben, im Moment alles nach Plan lief, auch wenn dieser zweite Kira es gewagt hatte den Namen Kiras in den Dreck zu ziehen. Hätte Mikami es gewusst, so wäre er verletzt gewesen, weil so eine unwürdige Person Kira eine Hilfe war, während er nur die Hände in den Schoß legen konnte. Vier Tage später. Die Entscheidung wer sterben sollte. Mikami Teru interessierte sich nur noch mäßig für diesen Part. Der zweite Kira war nichts als eine Beleidigung. Und doch schaltete er den Fernseher an. „Wir unterbrechen für einen Live-Report. Nachdem bei Sakura TV bereits Videos eines Kiras eingingen, erhielten wir nun ein Videoband eines Kiras, der von sich selbst behauptet, der echte Kira zu sein. Diese Aufnahme wird von allen Fernsehsendern abgespielt. Wir haben polizeiliche Erlaubnis dieses Material zu senden. Ist das nun Kira?“ Mikami ließ seinen Füllfederhalter fallen. Noch ein Kira? Noch ein Nachahmungstäter? Wie viele gab es denn noch?! Der Bildschirm wurde gelblich und ein in geschwungener Schrift geschriebenes ‚Kira’ tauchte zeitgleich mit einer leicht verstellten Stimme auf. „Ich bin Kira. Ich bin der richtige Kira. Der, der die Videobänder für Sakura TV erstellt hat, ist eine Fälschung.“ Mikami fühlte, dass seine Hand zu zittern begann. „Ich zeige Verständnis für die Person, die sich für mich ausgegeben hat, in der Annahme, dass sie nur versuchte mir bei der Verwirklichung meiner Ziele zu helfen. Aber das Töten und Foltern von unschuldigen Menschen ist gegen meinen Willen. Wenn sich die Person, die meine Identität annahm, für meine Ziele einzusetzen versucht und sich wünscht mir zu assistieren, dann bitte ich solche Unternehmungen zu unterlassen und erst zu versuchen meinen Willen und meine Ziele zu verstehen.“ Mikamis Finger, sein Handrücken, alles war schweißnass. Sein Atem ging immer noch schneller, während die Moderatoren von Sakura TV wieder mit dem Programm fortfuhren und das Video nicht mehr ansprachen. Euphorie tobte durch Mikamis Adern, ließ sein Blut heiß werden. „K … KAMI!“ Das war Kira. Ohne Frage. Er hatte, wenn auch verzerrt, die Stimme Gottes gehört. Dem Video folgte eine Antwort von Kira 2. Eine Antwort, die besagte, dass sich Kira 2 Kira unterwerfen würde, dass Kira 2 aufhören würde unschuldige Menschen zu richten. Weiter verfolgte Mikami Teru die Videobänder nicht mehr. Kira 2 war nebensächlich. Das Einzige, was zählte, war Kira. Und der entbrannte Wunsch ihn endlich zu treffen. Doch Kira meldete sich nicht mehr öffentlich. Die Zahl der getöteten Verbrecher stieg, aber die Zeitungen berichteten von einem Rückgang der Kira-Morde. Der Alltag drohte zurückzukehren. War Kira nicht mehr als ein kurzzeitiges Phantom gewesen? Die Presse sagte es so. Aber Mikami weigerte sich daran zu glauben. Kira war irgendwo da draußen. Dass sich etwas geändert hatte, fiel Mikami Teru das erste Mal gegen Ende des Jahres 2004 auf. Etwas an Ls Verhalten hatte sich verändert. Nicht, dass man viel über die Ermittlungen des Masterminds erfahren hätte, aber es war so ein Bauchgefühl, das Mikami sagte, dass sich einige Dinge geändert hatten. War die Person hinter dem schwarzen Buchstaben tot? Hatte Kira über ihn gesiegt? Was war geschehen? Die Zeitungen schwiegen. Die Polizei auch. So musste sich Mikami auf sein Gefühl verlassen. Aber zeitgleich mit diesem Gefühl änderte sich auch die Einstellung der Menschen. Kira feierte, um es klassisch auszudrücken, ein Comeback. Von einer Nacht auf die andere schnellten die Mordzahlen in die Höhe. Verbrecher weltweit starben wie die Fliegen. Fernsehsendungen für und von Menschen, die sich öffentlich zu Kira bekannten, wurden ausgestrahlt und trieben die Einschaltquoten in die Höhe. „Kiras Kingdom“ war auf Platz 1 der Zuschauerhitlisten. Verbrecher weigerten sich ihre Namen zu nennen, wenn sie verhaftet wurden. Die Gerichte bekamen immer weniger zu tun, da Verbrecher es meist nicht einmal in die Untersuchungshaft schafften. Die Welt ergab sich Kira. ‚Was ist Kira für Sie?’ Mikami starrte auf die Frage, die sich da vor ihm auftat. Es war der 22. November 2009. Und Mikami nahm wieder einmal an „Kiras Kingdom“ teil. Routiniert malte er zwei Schriftzeichen. Nicht mehr und doch sagten sie alles, was er für Kira empfand. Mehr Worte hätten diese Gefühle, diese Verehrung gar nicht ausdrücken können. Sie wären nichts als leere Gebilde, die den Kern der Aussage zerstören würden. Mit einem zufriedenen Lächeln blickte Mikami auf seine Antwort. „Kami.“ Vier Tage später, am 26. November 2009, wurde Mikami Teru früh von dem Postboten geweckt, der ihm ein schmales Päckchen entgegenhielt und eine Unterschrift von dem jungen Mann forderte. Mikami verstand nicht ganz. Er hatte weder etwas bestellt, noch erwartete er etwas. Mit gerunzelter Stirn kehrte er zu seinem Schreibtisch zurück und durchtrennte das Klebeband, das das Päckchen zusammenhielt. In dem Päckchen lag ein dünnes, schwarzes Notizbuch mit befremdlichen Zeichen auf der Vorderseite. Unsicher nahm Mikami es heraus. Was sollte er mit einem Notizbuch? Noch dazu mit so einem hässlichen? Doch kaum hatte er es herausgenommen, da fiel ihm der Brief auf, der unter dem Buch in dem Päckchen lag. Mikami legte das Buch auf dem Schreibtisch ab und öffnete den Umschlag. Mikami Teru Du fragst dich, warum ich dich auserwählt habe. Nun, dein Sinn für Gerechtigkeit ist dem meinen nicht unähnlich und du scheinst meine Ziele zu verstehen. Ich habe dich beobachtet, wann immer du im Fernsehen zu sehen warst. Dieses Buch, was nun vor dir liegt, ist ein so genanntes Death Note. Notiert man den Namen einer Person und hat dabei ihr Gesicht vor Augen, so wird diese Person nach 40 Sekunden an Herzversagen sterben. Zu diesem Notizbuch gehört ein Shinigami. Wenn du Fragen hast, so wende dich an ihn. Sein Name ist Ryuk. Er ernährt sich von Äpfeln. Ich möchte dich bitten diesen Brief zu verbrennen und alle Spuren zu vernichten. Das Death Note wirst du gut verstecken, wenn du es nicht benutzt. Da es mir momentan nicht möglich ist, wirst du mein Werk weiterführen und Verbrecher richten. Mache dabei keine Ausnahmen. Gemeinsam werden wir eine neue, bessere Welt schaffen. Kira „KAMI!“ Mikami spürte, wie sein Herzschlag von einer Sekunde auf die andere doppelt so schnell wurde. Kira. Kira hatte ihn endlich bemerkt. Nein, noch besser. Er nahm ihn zu seiner rechten Hand. Gott brauchte ihn. „Sakujo.“ Nur ein Wort, ein Laut, der über die Lippen des schwarzhaarigen Mannes drang. „Sakujo.“ Mit jedem Wort folgte ein Name, folgte ein Mord. „Sakujo… Sakujo… Sakujo!“ Mikami fühlte seine Hände zittern. „Sakujo!“ Seine Stimme wurde immer lauter, seine Schrift immer unordentlicher. Im Fernsehen lief „Kiras Kingdom“ … und die Kandidaten starben der Reihe nach. „SAKUJO!“ Der Moderator, Demegawa Hiroshi, stolperte rückwärts die Treppen nach unten, während Mikami Teru hastig nach Luft schnappte. „Sakujo…“ In der folgenden Woche trug Mikami das Death Note immer nah bei sich. Er ließ es nicht aus den Augen und erfüllte Kiras Wunsch mit besessener Faszination. Die Seiten des schmalen Buches füllten sich mit Namen, doch das Buch wurde nicht voll. Endlich. Endlich konnte auch Mikami die Welt zu etwas Besserem machen. Seine Welt war perfekt. Mit den Augen eines Shinigami sah er den Namen eines jeden Menschen, dem er begegnete. Wenn er nur Kira begegnen würde… Er wusste von Ryuk, dass die Lebensspanne eines Menschen, der das Death Note benutzte, für jemanden mit Shinigamiaugen nicht mehr sichtbar war. Doch wann immer er sich umsah, sah er nur Personen mit einer Lebensspanne. Der Brief war ebenso die letzte Mitteilung, die er von Kira persönlich erhielt. Alle weiteren Anweisungen erfolgten über die junge Nachrichtensprecherin Takada Kiyomi und über Handy. Mikami war damit nicht einverstanden, denn der Gedanke, dass Kira mehr als eine Person außer ihm brauchte, ließ ein leichtes Gefühl der Eifersucht in ihm aufsteigen. Aber sicherlich, so redete er sich immer ein, galt das alles nur zu Kiras und seiner eigenen Sicherheit. Je mehr sie waren, desto weniger Routinespuren konnte die Polizei nachweisen und desto geringer war die Chance, dass die gestellt wurden. Immerhin hatte er Kira geschworen ihm beim Aufbau seiner idealen Welt zu helfen. Und Takada Kiyomi war eine gute Wahl, wenn es um Medien wie Fernsehen ging. Mikami kam mit ihr aus. Das war alles, was zählte. Für Kiras Willen. Es war bereits spät, als er sein Handy aufklappte und Takadas Nummer wählte. Sie klang nervös, als sie an das Telefon ging. „Bist du alleine?“, fragte Mikami ohne Umschweife und klopfte mit den Fingern leicht auf die Schreibtischplatte. „Nein… Ich bin hier mit meinem Freund. Sonst ist niemand hier…“ Ihr Freund? Mikami legte die Stirn in Falten. Diese Frau trat als öffentliche Sprecherin für Kira im Fernsehen auf, sie sprach aus, was Kira dachte und dann hatte sie einen Freund bei sich? Was für eine Person war das? „Lass mich mit ihm sprechen“, befahl er und dann hörte er, wie Takada das Handy weiterreichte. „Ich bin am Telefon.“ Die Stimme war jung, aber dennoch männlich. Vielleicht ein Student oder ein Arbeitsanfänger. Mikami schätzte die Person nur ein wenig jünger als sich selbst. „Wer bist du?“ Mikami wusste, dass seine Stimme durch den Chip in seinem Handy verzerrt klang. Und dennoch zitterten seine Finger leicht. „Der 26. November? Ein Brief? Worüber reden Sie?“, sagte die schöne Stimme am anderen Ende der Leitung und Mikamis Herz setzte für einige Schläge aus. Das war… „Kami!“ Von einer Sekunde auf die nächste fühlte Mikami, wie ihm das Blut durch die Adern schoss. Seine Haut wurde warm, seine Finger bebten immer unkontrollierter. Kira. Kira war am Telefon. Diese Stimme, diese wunderschöne Stimme. Sie gehörte Gott. Kira war also ein junger Mann in seinem Alter. Wenn er ihn doch nur sehen könnte. „Kann Kami frei reden?“, fragte er und versuchte seinen beschleunigten Atem unter Kontrolle zu kriegen. „Nein“, antwortete Kira und entlockte Mikami damit ein leises Geräusch. „Ist Kami unter Beobachtung?“ – „Ja. Bist du wirklich Kira?“, folgte Kiras Frage und Mikami wollte brüllen, dass er Kira niemals so beleidigen würde, dass er es nicht wert war sich Kira zu nennen, dass er nur Kiras Marionette war und dass er alles für ihn tun würde. Doch er hielt sich zurück, weil er verstand, was Kira ihm sagen wollte. ‚Bring jemanden um.’ Das bedeutete diese Frage. „Sakura TV!“, rief Mikami in den Hörer und schlug noch während er sprach das Death Note auf. Er hörte, dass Kira seine Worte wiederholte. Einer der Moderatoren von „Kiras Kingdom“ fiel sterbend die Treppen herunter. „Wenn du Kiyomi nach meiner Identität fragst, werde ich dir das nicht verzeihen.“ Mikamis Herz zog sich leicht schmerzhaft zusammen. Er würde Kira also nicht sehen. Aber er hatte ihn gehört. „Wie Ihr befehlt… Kami.“ „Sakujo.“ Das Wort war Alltag geworden. Leiche um Leiche, Mord um Mord, Gerechtigkeit um Gerechtigkeit. Kiras Stimme klang immer noch in seinen Ohren. Er wollte diesen Menschen stolz machen, wollte ihm zeigen, dass er sich mit seiner Wahl nicht geirrt hatte, dass er fähig war an Gottes Seite zu agieren. Nicht einmal der Jahreswechsel hatte neben Kira noch eine Bedeutung für Mikami. Nahtlos glitt das alte Jahr in das neue über und der Januar zog sich schleppend dahin. Bis er am 28. Januar 2010 eine Nachricht von Kira persönlich erhielt. Er sollte sich mit seinem Death Note mittags um 14.00 Uhr an der Daikoku Wharf, einem Lagerhaus am Hafen, auch bekannt als ‚Yellow Box’, einfinden und über die dort anwesenden Personen richten. Mikami verstand diesen Befehl nicht. Aber er würde ihm Folge leisten. Der Hafen war um diese Uhrzeit wie ausgestorben. Die Schiffe waren längst auf See und so beachtete niemand den hübschen, jungen Mann, der sich langsam dem Lagerhaus näherte. Ein Ventilator drehte sich so unnatürlich laut, dass Mikami ihn hören konnte, als er sich an der Seitentür des Lagerhauses einfand und diese langsam einen Spalt öffnete. Sonnenlicht flutete sofort durch den Schlitz und ließ die in der Lagerhalle anwesenden Personen aufsehen. Ein kleiner, weißhaariger Junge hockte vor drei Männern und einer Frau. Einer von den Personen, ein schwarzhaariger, junger Mann in einem dunkelblauen Anzug, kam Mikami bekannt vor. Er hatte ihn in der U-Bahn gesehen. Dem Jungen gegenüber standen vier weitere Männer, davon zwei deutlich jünger als die anderen. Mikami biss sich auf die Lippen, während er die Namen der Personen las. Nate River über dem Kopf des Jungen, Halle Bullook über dem der Frau, Mogi Kanzo, Anthony Carter, Stephen Loud über denen der Männer hinter dem Kind. Auf der anderen Seite Aizawa Shuichi, Matsuda Tota, Ide Hideki und… Yagami Raito. Ein Name ohne Lebesspanne. Nur ein Name über dem Kopf eines braunhaarigen, jungen Mannes. „KAMI!“ Ohne noch zu zögern griff Mikami sein Death Note und den dunklen Füllfederhalter, ehe er zu schreiben begann. „Sakujo, Sakujo, Sakujo!“ Seine Vorstellungen wurden nicht enttäuscht. Kira war schön. Kira wurde seinem Namen gerecht. „Sakujo, Sakujo, Sakujo!“ Wie ein Sutra betete Mikami das Wort herunter. „Sakujo… SAKUJO!“ Der Flut folgte die Stille. Mikami rührte sich nicht. Wie eine leblose Puppe hielt er das beschriebene Death Note in der einen, den Füller in der anderen Hand. „Du da draußen.“ Mikami drehte die Augen zu dem Spalt in der Tür. Das war die weiche Stimme Kamis. „Hast du die Namen aufgeschrieben?“ Der Schwarzhaarige richtete sich ganz auf, ehe er antwortete. „Ja, das habe ich.“ – „Ist es nicht seltsam?“, meldete sich der weißhaarige Junge – Nate River – zu Wort, der in wenigen Sekunden den letzten Atemzug tun würde. Aber er schien nicht Mikami anzusprechen, sondern… Kira. „Dass er auf deine Frage so ehrlich antwortet.“ Mikami konnte das leichte Grinsen auf Kiras Lippen nicht sehen. „Wer weiß. Vielleicht ist er ein aufrichtiger Typ? Oder er versucht Zeit zu schinden… Vielleicht ist deine Geschichte auch zu Ende…“ – „Aber… dann werden wir…“ Die Stimme klang nicht alt. Es musste Matsuda sein, der sprach. „Mikami Teru. Wenn es dir nichts ausmacht, würdest du bitte hereinkommen?“ Wieder der Weißhaarige. Mikami stutzte und blickte in den Raum. „Ich weiß, dass du Kiras Verurteilung gerade vollzogen und die Namen aufgeschrieben hast. Es gibt nichts zu fürchten, also komm rein.“ Doch Mikami rührte sich nicht von der Stelle. Auf diesen halbstarken Bengel würde er nicht hören. Er saß Kira gegenüber, also war er sein Feind. „Mikami Teru also? Versteck dich nicht und komm herein.“ Mikami begann zu grinsen. „Kami…“ Mit aller Kraft die er aufbringen konnte stemmte er sich gegen die schwere Tür und schob sie auf. Die Augen der Anwesenden weiteten sich. „So… Wie viel Zeit ist vergangen, seit du die Namen aufgeschrieben hast?“ Kamis Befehl folgend beugte sich Mikami weit über seine Uhr, um das viereckige Ziffernblatt erkennen zu können. Dann begann er zu zählen. „30… 31… 32…“ Der junge Polizist namens Matsuda sog die Luft scharf ein und stieß ein Wimmern aus. „33… 34… 35…“ Nate River rührte sich nicht. „36… 37…38… 39…!“ – Kira drehte die braunen Augen zu dem Weißhaarigen „Near! Das ist mein Sieg!“ – „40!“ … Die Stille im Raum war greifbar. So dicht und verletzend, dass Mikami schlecht wurde. Sie lebten. Sie lebten alle noch. Aber… Das konnte nicht sein. Das war einfach nicht möglich! Er hatte sie doch aufgeschrieben. Sie alle. Außer Kira. Sie hätten tot sein müssen. Es war doch… „Wir… Wir leben noch? Eine Minute ist vergangen… und wir leben noch!“ Matsudas Stimme war so ekelhaft erleichtert, dass Mikami sich selbst zügeln musste. „Deshalb sagte ich so häufig, dass wir nicht sterben werden!“ Mikami zitterte und starrte ohne zu verstehen auf sein Death Note, auf die Namen, die dort notiert waren und die der Wahrheit entsprachen. Doch die Personen lebten. Wie konnte das… „Warum…?! Warum sind sie nicht…?! Kami! Ich habe alles getan, was Ihr befohlen habt!“ – „Lester! Gevanni! Nehmt Mikami fest!“ Die Personen, die Mikami als Anthony Carter und Stephen Loud aufgeschrieben hatte, stürmten nach vorne und griffen seine Hände. Mikami fühlte den kalten Stahl von Handschellen, während Kira ihn nicht ansah. Der Arm von Lester schlang sich um seinen Hals, das Death Note fiel zu Boden und blieb aufgeschlagen liegen, ehe Near es sich geben ließ. „Die ersten Namen sind ohne Ausnahme die richtigen Namen der SPK-Mitglieder. Darunter die Namen der Sonderkommission… Doch ein Name ist nicht notiert.“ Mikami versuchte dem Klammergriff Lesters zu entkommen, doch der Blonde ließ ihn nicht los. „Yagami Raito. Damit ist es bewiesen… Mikami nannte dich ‚Gott’ und sagte, er habe nach deinen Anweisungen gehandelt.“ Mikami sah, dass Kira zitterte, doch er konnte nichts tun, um ihm zu helfen. „Eine… Eine Falle!“ Kiras laute Stimme kam so plötzlich, dass Mikami zusammenfuhr. „Das ist eine Falle von Near, um mich hereinzulegen! Die Namen aufzuschreiben und nicht zu sterben… Ist das nicht seltsam? Das beweist, dass das eine Falle ist!“ Schweißperlen rannen über Kamis schönes Gesicht, welches mit einem Mal nicht mehr ganz so schön wirkte. Hatte Mikami sich letzten Endes doch getäuscht? War Kira ein Schwindler? Nein, er wollte an so etwas nicht glauben. „Sagte ich nicht, dass ich die Notizbücher ausgetauscht habe?“, warf der Junge, den Kira als ‚Near’ bezeichnet hatte, ein und blickte hinterlistig wie eine Schlange zu Kira hoch. „Nicht wahr… Das ist eine Falle… Ich kenne diese Person nicht einmal!“ Und in diesem Moment glaubte Mikami, dass Kira seinen Namen aufgeschrieben haben musste. Sein Herz zog sich so schmerzlich zusammen, doch es schlug unnachgiebig und hart weiter gegen seine Brust. Kira stritt ab, dass er ihn kannte. Kira verleugnete ihn. Ihn, der für Kira doch alles aufgegeben hatte. Warum nun also? Warum? Mikami konnte sich die Frage beantworten. Kira war kein Gott. Kira war… …ein Mensch. Ein normaler, sterblicher Mensch. Nicht mehr und nicht weniger. Nur eine sterbliche Hülle. Kein Gott. Kein Gott… Mikami hörte die Anwesenden kaum noch. In seinen Ohren rauschte das Blut. Er hörte nicht, wie die Polizisten versuchten Kira zu verhaften. Er hörte nicht, wie Kira in heller Panik gegen eines der Rolltore stolperte. Er hörte auch nicht die verachtungswürdige Stimme Nears, die Kira vorführte. Aber er fühlte Tränen in seinen Augenwinkeln, die sich langsam in seine Haut zu fressen drohten, nur weil er sie hartnäckig zurückhielt. Er hatte Kira enttäuscht. Und Kira ihn. Es war vorüber. Der Traum von einer idealen Welt war in Scherben zerbrochen. „Es ist wahr…“ Mikami hob den Kopf. „Ich bin Kira.“ Genugtuung in der weichen Stimme Kamis. „Was willst du nun tun? Mich hier töten?“ Ein Grinsen auf den schmalen Lippen. „Hör zu… Ich – bin – Kira. Und auch… Gott einer neuen Welt.“ Es wurde deutlich, dass er sich lange danach gesehnt hatte frei zu reden. Mikami lauschte ihm. „In dieser Welt, in der wir heute leben, ist Kira das Gesetz und der Schutz… Bald werde ich Gerechtigkeit sein… Die Hoffnung für einen jeden Menschen. Seit Kira existiert, gingen die Verbrechen zurück. Es lebten zu viele schlechte Menschen in dieser Welt… Als ich das Notizbuch fand, wurde mir klar, dass nur ich in der Lage bin, es zu tun… Nur ich konnte diese Welt reinigen… und eine neue Welt kreieren!“ Kira schwieg, zufrieden mit seinen eigenen Worten und seinen eigenen Zielen. „Das ist falsch. Du bist nichts weiter als ein Mörder! Und dieses Notizbuch… ist die tödlichste Waffe in der Geschichte der Menschheit! Du wurdest ein verrückter Massenmörder… Mehr nicht.“ Mikami konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie tropften lautlos und ohne eine Spur zu ziehen auf den staubigen Boden. „Near. Das Notizbuch, welches vor dir liegt… und dieses, welches Aizawa bei sich trägt… Sind sie echt?“ Der Angesprochene zuckte. „Du könntest es testen… Notier meinen Namen… oder Mikamis. So kannst du prüfen ob…“ Mikami drehte die roten Shinigamiaugen in Kamis Richtung. Er tat etwas. Konnte er sie beide retten? Gab es noch Hoffnung? „… sie echt sind!“ Ein Schuss, laut wie ein Peitschenknall, gefolgt von einem schmerzerfüllten Schrei Kiras. Mikami sah Blut. Blut, das auf den Boden tropfte. Und er hörte seinen Gott schreien. „DU ARSCHLOCH!“ Matsuda, immer noch mit erhobener Waffe und tränennassen Wangen, zitterte. „Mussten deshalb so viele Menschen sterben?! Was ist mit deinem Vater?!“ Kira lachte, doch in seiner Stimme lag Schmerz. „Vater…? Du meinst Yagami Soichiro? … Nichts weiter als ein Bauer auf meinem Spielfeld!“ Wieder Schüsse, wieder ein Schrei. Mikami konnte die Augen nicht von seinem fallenden Gott abwenden. Blut. Überall war Blut. „Mikami…!“ Der Dunkelhaarige fuhr zusammen, doch Gottes Stimme klang so fern… So… fremd. „Schreib sie auf… Bring sie um…!“ Worte, von leisen Schmerzesschreien zerrissen. Kira, Gott einer neuen Weltordnung, lag blutend auf dem Boden und schnappte nach Luft. Kira. Ein Lügner. Mikami fühlte den Füller in seinen Fingern. Den Stift, den er nie losgelassen hatte. Und noch in dem Augenblick, in dem sich diese Tatsache in seinem Gehirn manifestierte, wusste er, was er zu tun hatte. Kira hatte ihm gezeigt, dass es in dieser Welt doch noch eine Gerechtigkeit gab. Er war über Jahre hinweg alles gewesen, was für ihn wichtig war. Er hatte alles für diese Person, für Yagami Raito, aufgegeben. Nun war es an der Zeit es zu Ende zu bringen. Um nichts auf der Welt wollte er von diesen Menschen, die ihn hier umgaben, gerichtet werden. Entweder richtete ihn Gott… oder… Es schmerzte nicht, als Mikami den Füller tief in sein eigenes Fleisch trieb. Aber er fühlte, wie sich die Spitze des Schreibgerätes durch die Außenhaut seines Herzens bohrte. Und er spürte das Blut, welches augenblicklich über seine Hände quoll. Mikami schrie, ohne es noch selbst zu hören. Er taumelte, während sein Körper die Kraft verließ, während er Halt suchte und mit den Augen Kira zu erfassen versuchte. Er wollte seinen Gott sehen, wenn er starb. Langsam ging er in die Knie. Die Mitglieder der SPK drehten sich zu ihm um, doch ihre Stimmen waren längst so dumpf, dass er sie nicht mehr hörte. Lester und Gevanni griffen ihn wieder, doch Mikamis Augen ruhten auf Kira. Ein stetes, haltloses und vor Schmerz gepeinigtes Schluchzen trat über seine Lippen. Er sah, dass Kira sich gegen das Tor stemmte und es aufschob, dass er aus dieser scheußlichen Lagerhalle floh. „K… Kami…!“ Wenn er es nur schaffte. Wenn Kira fliehen konnte. Dann war ihr Traum doch noch nicht zerstört. Mikamis Muskulatur gab nach, ehe er auf dem schmutzigen Boden zusammensank. Er hatte geglaubt. Er hatte auf diese neue Welt vertraut, die ihm Gott so feierlich eröffnet hatte. Er wollte, dass sich etwas änderte. Doch am Ende änderte sich nichts. Ein Mensch kann kein Gott sein. Mikami Teru fühlte die warmen Sonnenstrahlen, die auf seinen Körper fielen, nicht mehr. Der Boden um ihn herum war rot. Rot ist die Farbe des Lebens. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)