Days of Horror von Mikito (Bomben auf der Christopher Street) ================================================================================ Kapitel 49: Donnerstag – 15. September -------------------------------------- ~~~~ Medical Center ~~~~ Den ganzen Tag hatte Ryo MacLane diese Spannung in seinen Knochen gefühlt. Sein Rücken tat ihm weh, obwohl alles gut verheilt war. Narben würde er behalten. Oder er konnte sie sich operativ von einem Schönheitschirurgen verkleinern oder entfernen lassen, aber daran verschwendete er keine Gedanken. Jedenfalls im Augenblick nicht. Denn in wenigen Minuten würde sich die Tür öffnen und eine Horde Männer in sein Krankenzimmer stürmen. Männer, denen er nun gerne aus dem Weg gehen würde. Aber das konnte er nicht. Denn dann würde es sich nur unnötig hinziehen. Als es nun an der Tür klopfte, zog er sich seinen Morgenmantel enger um sich. Stellte sich mit dem Rücken zum Fenster und sah leicht ängstlich blickend, etwas, das er so noch nie gekannt hatte, zur Tür. Ohne jedoch länger zu zögern rief er leise, „Herein!“ Zuerst erkannte er seinen Mann, gefolgt von Barclay Ross und dem Staatsanwalt, hinter diesem kam noch ein weiterer, ihm unbekannter Mann mit ins Zimmer. „Ryo! Das ist Staatsanwalt Powder,“ stellte Ross diesen vor. Doug ging auf den Befreiten zu und gab ihm die Hand, wobei er diesen sympathisch anlächelte. „Mr. MacLane.“ „Wir kennen uns,“ erklärte Ryo, als er den Griff fest erwiderte. „Doktor Ringours,“ stellte man ihm nun auch den anderen Mann vor. „Doktor? Worin?“ Ryo zog sich schon merklich zurück. Denn was sollte ein Arzt bei seiner Aussage? „Er ist Psychiater, Ryo!“ erklärte Ross. Das hätte dieser wohl nicht sagen sollen, denn Ryo kreuzte nun demonstrativ die Arme vor der Brust und sah von einem zum anderen. „Ich sage nichts, so lange der Arzt hier drinnen ist.“ „Ryo! Es ist doch nur…“ „Ich sagte nein!“ fuhr er Ross unbarmherzig in den Satz. „Ihr wollt meine Aussage, dann bestimme ich, wer mit im Raum ist.“ Dee ahnte schlimmes, aber er wollte von Ryo nicht hinausgeworfen werden. Diese Diskussion hatten sie gestern. Ryo konnte es nicht verhindern, dass sein Mann die Aussage lesen würde, wenn er alles zu Protokoll gab, aber er wollte nicht, dass er in diese grünen Augen blickte, wenn er von seiner Tortur berichtete. Den Abscheu und Ekel. Nein. „Ich begleite Sie hinaus, Doktor Ringours,“ sagte Dee. Ging dann aber erst zu Ryo. Legte ihm sacht eine Hand an die Schulter, etwas, das dieser sich auch langsam gefallen ließ. „Ich warte draußen….“ erklärte er und lächelte ihn aufmunternd an. Konnte er sich noch nicht einmal im Ansatz vorstellen, was Ryo hier nun gleich sagen würde. „Danke,“ war alles, was dieser von sich gab. Ryo wartete, bis sowohl Dee als auch der Psychiater das Zimmer verlassen hatte, bevor er sich auf die Kante des Krankenbetts sinken ließ. Powder hingegen hatte es sich auf einem Stuhl bequem gemacht, packte in aller Ruhe ein Aufnahmegerät heraus sowie ein Notizblock und legte alles vor sich auf den bereitgestellten Tisch. „Sie haben nichts gegen eine Aufnahme einzuwenden, Mr. MacLane?“ fragte Powder, der das bereits alles vorab von Barclay hatte klären lassen und somit nun auch nicht mit Komplikationen rechnete. „Nein… es ist… okay.“ Ryo fühlte sich schlecht. Gleich sollte er nochmals alles durchmachen. Hatte er überhaupt die Kraft dazu? Aber wenn er schwieg, dann würde dieser Kerl davonkommen. Jedenfalls bestand diese Möglichkeit. Gerade in bezug auf den Mord an Logan. „Ryo, wenn du eine Pause brauchst, dann werden wir eine machen. Wir brauchen das nicht alles in einem Zug durchzugehen,“ erklärte Ross erneut, nun wo das Aufnahmegerät lief. „Ich weiß… aber... ich… ich weiß nicht, ob ich nochmals… Können wir nicht anfangen?“ bat er dann mit leiser, etwas brüchiger Stimme. „Wie Sie wünschen, Mr. MacLane. Bitte beginnen Sie damit, wie sie entführt wurden.“ Eine Weile war Stille in dem Krankenzimmer. Wenn er sich nun zurückerinnerte, fragte er sich, ob er tatsächlich alles genauso nochmals gemacht hätte, wie er es Dee glauben lassen wollte. Aber er selbst war nun nicht mehr davon überzeugt. „Es... Es war in einer Kapelle. Man hielt mich für tot...“ „Wie kam es zu dem Verdacht?“ unterbrach Powder, der zwar die Fakten kannte, aber wenn er alles auf Band hatte, mit allen Punkten, war es nur zu seinem Vorteil. „Ich sollte wohl zusammen mit meiner Tochter im Basra umkommen. Ein Lokal von einem Bekannten, das in die Luft gesprengt wurde. Nur durch Glück entkamen alle,“ beantwortete Ryo wahrheitsgemäß. Schließlich waren dies Tatsachen. Seine Wunde war ein Beweis dafür. Jedenfalls die Narbe, die er behalten würde. „Bitte fahren sie fort,“ forderte der Staatsanwalt auf. „Ich wollte meine Beerdigung filmen. Weil wir alle, die an dem Bomben-Fall gearbeitet haben, davon überzeugt waren, dass sich der Bomber dort vielleicht blicken ließe. Ich suchte mir einen Platz, wo ich ungesehen Bilder machen konnte... Wie er mich gefunden hat, weiß ich nicht, nur, dass ich eine Hand auf meinem Gesicht spürte, bevor mein Kopf irgendwo gegen schlug... Als ich...“ „Entschuldigen Sie. Sie sagten, dass er sich an Sie herangeschlichen haben muss, ohne dass Sie etwas bemerkt haben? Obwohl Sie dort waren, vermutlich wachsam, jedenfalls wenn ich mir das so anhöre, und dann lassen Sie sich überrumpeln?“ Unglauben sprach aus den Worten des Staatsanwaltes, doch er zeigte wirklich nur Mängel auf, die diese Aussage hatte. „Ich rechnete zu dieser Zeit mit keinem Angriff, oder dass jemand anderes anwesend war. Als ich die Kamera aufbaute, war ich alleine... Der Pastor oder Kaplan war gerade gegangen... ich hörte die Tür der Kapelle nur einmal zuschlagen...“ Ryo’s Gesicht ließ darauf schließen, dass er nachdachte. Doch da er seinen Peiniger noch nie zu Gesicht bekommen hatte... Dee hatte alles so weit wie möglich von ihm ferngehalten, sogar den Namen kannte er noch nicht. Dee hatte ihm lediglich gesagt, dass es ein FBI-Agent gewesen war, der ihm das alles angetan hatte. „Nun gut. Kann ich das so verstehen, dass Sie früh in der Kapelle ankamen, um alles zu richten und dann niedergeschlagen wurden?“ „Ja!“ Barclay saß nur auf dem Stuhl mit übereinandergeschlagenen Beinen und schwieg. Er würde eingreifen, sobald der Staatsanwalt seiner Meinung nach den Bogen überzog, aber bisher war dies noch lange nicht der Fall. „Bitte...“ Ryo fühlte sich durch die ständigen Unterbrechungen aus dem Konzept gebracht. Das selbe machten er und Dee auch, wenn sie ein Verhör hatten, aber er war doch hier, um eine Aussage zu machen. Eine Aussage, und er stand doch nicht vor Gericht, oder warf man ihm etwa etwas vor? War Dee deshalb so besorgt darum, dass er so wenig wie möglich von all dem erfuhr? „Wird mir was vorgeworfen?“ fragte er nun lieber gleich. „Was?“ „Nein, Ryo. Keiner wirft dir was vor,“ fing Barclay eine möglich harsche Antwort von dem Staatsanwalt ab. „Wir wollen nur die Fakten haben. Wie es passierte, was passierte und wie du befreit wurdest.“ „Das hört sich aber anders an... Ich habe die Justiz nicht behindert und ich habe auch keine Selbstjustiz verübt. Also was wird das hier? Ich dachte, dass das, was ich sage, dazu beitragen soll, dass dieser Kerl hinter Schloss und Riegel kommt oder sogar...“ Ryo sprach es nicht aus, aber die Todesstrafe schwebte im Raum. Unausgesprochen aber dennoch lebhaft vorhanden. „Mr. MacLane, es geht einzig und alleine darum: der Angeklagte hat einen sehr guten Anwalt und er pflückt Sie im Zeugenstand auseinander, wenn Ihre Aussage nur einen Hauch einer Schwäche zeigt.“ „Ferner kommt hinzu, Ryo, dass du den Angeklagten nicht identifizieren kannst.“ „Aber...“ „Mr. MacLane. Fakt ist, dass wir zwar genügend Indizien aufweisen können, aber wenn dieser Anwalt Sie hart ran nimmt und Sie rau werden, kann es auch anders ausgehen. Verstehen Sie, und deshalb muss ich schon jetzt etwas dagegen unternehmen,“ erklärte Powder. „Sie wollen mir damit sagen...? Dass er frei kommt?“ „Ryo...“ „Nein, ich habe ein Anrecht darauf, das zu wissen. Egal was ich sagen werde... habe ich recht. Egal, was er mir alles angetan hat. Mich dazu gezwungen hat, Gary Logan zu töten, ist das alles unwichtig?“ fuhr er auf, ging im Zimmer auf und ab. So aufgebracht war er nun. Seine Ruhe war weg und das nur, weil er ihn nicht identifizieren konnte? Nein, da war noch mehr. „Was ist mir Sara? Sie hat ihn doch erkannt, sie hat mit dem Finger auf ihn gezeigt...“ drehte Barclay sich zu dem Staatsanwalt herum. „Das war keine offizielle Gegenüberstellung... die findet morgen statt. Dann wendet sich das Blatt wieder zu unseren Gunsten. Hinzu kommen die Bilder, die wir gefunden haben... Wie gesagt, der Fall liegt auf der Aussage einer Fünfjährigen und Bildern.“ Erklärte Powder leise. Ryo schien davon nichts mitbekommen zu haben. „Die ihm auch jemand untergeschoben haben kann... nicht wahr?“ wurde Ryo ein wenig sarkastisch. „Jedenfalls behauptet das der Anwalt. Ja.“ Ryo sackte schwer auf dem Bett zusammen. „Was ist mit Logan...“ Powder warf einen Blick in die Akte und dann auf Barclay, weil er mit diesem Namen direkt nichts anfangen konnte. „Die Leiche im Jeanelle Park,“ half Barclay dem Vertreter für den Staat auf die Sprünge. „Ach ja... Genau. Nun, Mr. MacLane. Wie der Befund der Forensikh zeigte, wurden Spuren von Gift in seinem Körper gefunden, dem, das Sie in sich hatten, ähnlich. Hinzu kommt jedoch die Tatsache, dass Ihr Sperma sowohl im After als auch in der Kehle des Toten gefunden wurde.“ „Dann klagen Sie mich also doch an... wegen Mordes an Gary Logan...“ Da arbeitete er jahrelang für Recht und Gesetz, doch was brachte ihm das. Eine Mordanklage. „Ich verstehe... Ich habe nichts mehr zu sagen.“ „Ryo?!“ „Mr. MacLane!“ „Ich bin lange genug Polizist, um zu wissen, worauf das hinausläuft. Es stimmt ja, ich habe ihn getötet... ich habe ihn vergewaltigt... habe das Blut aus ihm rinnen sehen... jedes Mal die Wunde wieder aufgerissen, als sie sich verschorfte... ja, ich bin schuldig am Tod von Gary Logan...“ sagte Ryo und drehte sich zu dem Staatsanwalt und Barclay herum. „Wollten Sie das hören? Ich verliere... egal, wie Sie es auch wenden. Ich kann ihn nicht identifizieren... weil ich ihn nie ohne diese Halbmaske gesehen habe... All der Schmerz... der Glaube an das Gute... alles... Ich dachte ich wäre das Opfer, aber nein... ich bin der Täter... Ich habe nichts weiter zu sagen...“ sagte der blonde Cop und drehte den beiden demonstrativ den Rücken zu. „Ryo...“, versuchte es Barclay erneut, „das was du sagst, mag aus deiner Sicht stimmen, aber es ist falsch, von uns anzunehmen, dass wir hierher gekommen sind, um dich zu verurteilen. Wir wollen...“ „Was ihr wollt interessiert mich nicht mehr.“ „Mr. MacLane. Bevor wir das Gespräch beenden, möchte ich Sie wenigstens noch einmal um eine Minute Zeit bitten. Hören Sie mich an.“ Da Ryo nichts darauf sagte, oder reagierte, nahm Powder dies als eine stille Zustimmung. „Wenn Sie sich an etwas erinnern, was den Angeklagten betrifft, würde das helfen. Ein Merkmal. Eine Narbe oder eine Tätowierung... etwas in dieser Richtung.“ Ryo drehte sich langsam zu dem Sprecher herum, sah ihn mit versteinertem Blick an. „Er trug schwarz. Schwarze Hose, schwarzes Hemd, schwarze Halbmaske und schwarze Handschuhe... ich konnte nie etwas von ihm sehen.“ „Was ist, als er Sie vergewaltigte?“ Ryo schluckte. Nur ungern dachte er daran zurück. „Ich war gefesselt... ich konnte ihn nie sehen... meist schnürte er mir die Kehle zu, drückte mir die Luft ab, ließ erst von mir ab, als ich ohnmächtig wurde. Ich sah ihn niemals, wenn er mich... mich... vergewaltigte. Er traf Vorkehrungen... jedes Mal. Wie gesagt... entweder er fesselte mich oder band mir die Augen zu... aber meistens tat er es... von hinten... Sie verstehen?“ Ja, Powder verstand ihn nur zu gut. Also auch dort nichts brauchbares. „Was ist mit seiner Stimme, Ryo? Würdest du sie wieder erkennen?“ „Ja... ich denke schon... Nein, ich bin mir sicher.“ „Okay, Powder. Können wir eine Stimmprobe von McNear bekommen?“ wand sich Barclay an den Staatsanwalt. „Könnte ich beantragen. Irgend etwas bestimmtes, das er immer zu Ihnen gesagt hat?“ stelle er die Frage an den Blonden. Kurz zögerte er. Noch niemals hatte er dieses Wort gesagt. Niemand wusste davon aber nun, wenn er sich sicher sein wollte, dann musste er einfach dieses Wort hören. „Schneewittchen...“ war alles, was er sagte, drehte sich dann um, klammerte sich an dem Rahmen des Krankenbettes fest. „Ich werde... diese Stimmprobe beschaffen. Sagen wir in drei Tagen könnte ich sie vorspielen. Da ich gehört habe, dass sie entlassen werden, Mr. MacLane, möchte ich Sie nun bereits auffordern, ins Gericht zu kommen, sobald mir die Stimmprobe vorliegt.“ Ryo nickte nur, blickte nicht mehr auf. „Gut, dann beenden wir das hier.“ Powder stellte den Recorder aus und räumte alles in seine Tasche. Dann erhob er sich und ging zur Tür. „Ich werde mich mit Ihnen in Verbindung setzen,“ erklärte er noch, bevor er dann endlich das Krankenzimmer verließ. „Soll ich Dee reinrufen?“ Noch immer klammerte sich Ryo ans Bett. Schüttelte den Kopf. „Nein... noch nicht... Barclay?“ „Ja?“ „Dieser McNear... den Sie eben erwähnten... ist er derjenige, der mich entführt hat?“ „Die Indizien sprechen dafür.“ „Warum mich? Was habe ich getan? Lag es nur daran, dass wir ihm auf der Spur waren?“ fragte Ryo leise und löste langsam seine Klammerung, wobei sich auch sein Kopf wieder etwas hob. Doch den Commissioner sah er dabei immer noch nicht an. „Hat Dee dir nichts gesagt?“ äußerte Barclay überrascht. „Nein... er hat mir nichts gesagt... noch nicht einmal den Namen... Gar nichts. Er schottet mich total ab... Was verheimlicht er mir?“ „Das solltest du Dee wohl besser selbst fragen.“ Da würde sich Ross höchst ungern einmischen. Da war wohl noch eine Sache zu klären zwischen Dee und Ryo und da wollte er weit weg sein, wenn das losging. „Ich frage aber dich, Barc. Ich dachte, wir wären Freunde... Was weißt du?“ verlangte Ryo, drehte sich nun energisch zu seinem Vorgesetzten herum. „Der Ring... Dee gab ihn mir zurück. Er sagte, er wurde beim Bombenleger gefunden. Aber war McNear nicht der Bombenleger? Wenn nicht, wer war er dann... Ich möchte doch nur Antworten, Ross. Antworten darauf, warum ich das durchmachen musste.“ Ross ging näher zu Ryo, legte eine Hand auf dessen Schulter und anders als bei Dee ließ Ryo Barclay gewähren, zuckte noch nicht einmal zurück. „Am Anfang mag es ein Angriff auf die Schwulenwelt gewesen sein. Doch es hat sich geändert, als dieser McNear ins Spiel kam. Der Bombenleger hieß Scott Peter Fulton und hatte eine Phobie gegen Schwule. Vermutlich wurde er ausgelacht, gehänselt, oder weiß der Geier warum. Auf alle Fälle fühlte er sich minderwertig. Fulton war der ältere Bruder von McNear, der sich von Washington hier nach New York versetzten ließ. Zu Beginn, so vermute ich mal, um seinem Bruder näher zu sein... aber zum anderen auch, um Dee wieder zu sehen.“ „Dee... wieder zu sehen? Ich versteh nicht?“ „Du solltest es wirklich Dee überlassen, es dir zu sagen...“ Der Commissioner fühlte sich alles andere als wohl in seiner Haut. Aber konnte er überhaupt noch zurück, wo er schon so weit gegangen war? „McNear... Er kam wegen Dee?... Du meist... du willst damit andeuten... eine alte... Freundschaft... zwischen... ihm und McNear?... Mein Entführer... er sagte immer, dass er Sara auch umbringen würde... dass er mit mir spielen wollte, um sein Ziel zu erreichen... Das Ziel war Dee... Richtig? McNear wollte Dee... liebte ihn wohl auf eine Weise... Seine Weise... und ich... ich... sag mir, dass ich mich irre... sag es mir, Barclay...“ Verletzt wie ein weidwundes Reh sah er seinen Commissioner an. Keuchte auf, griff sich an die Brust, da er den Blick von diesem richtig zu deuten wusste. Er hatte gelitten, war durch die Hölle gegangen wegen Dee? Nein... Nein... Nein... „Ryo?!“ Zaghaft griff er nach dem Taumelnden, half ihm, sich wieder zu setzen. „Ich sollte gehen... und Dee rufen.“ „Nein. Ich will alleine sein...“ bat er tonlos. Sein Herz schrie, es blutete, war verletzt von Dee’s Verrat. „Ich will niemanden sehen.“ „Gut...“ sagte Ross. „Ich geh... Ryo! Du solltest dir vor Augen führen, dass Dee das nie gewollt hat. Er hat McNear nie an sich gelassen, seine ganze Sorge galt dir, vergiss das nicht.“ Barclay ging, ohne sich sicher sein zu können, dass Ryo seine Worte gehört hatte. Doch das hatte er. Nur zu deutlich, und noch viel deutlicher sah er ein Bild vor sich. Ein Bild mit einem Mann, der sich lachend an Dee lehnte und der Arm, der sich um den Lachenden gelegt hatte. Dee hatte nur an ihn gedacht, aber den Arm um einen anderen gelegt. War dies sein Entführer gewesen? Das Gesicht war unscharf. Nur Dee’s war gut zu sehen gewesen. Alles in ihm zog sich zusammen, als er sich innerlich den Krämpfen hingab, die ihn nun überfielen. So viele Wochen hatte er durchgehalten. An ihre Liebe geglaubt. Alles durchgemacht, um nun hintergangen zu werden. «Ich liebe dich... pah... leere Worte... ich hasse dich... ich hasse dich, Dee, für das was du mir angetan hast...» Eine Stunde später... Ryo war nach dem Gespräch mit dem Commissioner und dem Staatsanwalt alleine geblieben. Offiziell hieß es, die Aussage hätte den Cop derart mitgenommen, dass er Ruhe brauchte. Doch die Tatsache sah ganz anders aus. Ryo wollte alleine sein. Auf alle Fälle wollte er Dee nicht sehen. Jedenfalls nicht, so lange dieser Zorn in ihm brodelte. Der Blonde fragte sich, seitdem er von Ross den Namen und auch den Grund erfahren hatte, warum Dee ihm nie etwas gesagt hatte. Ob sein Ehemann mit einer solchen Reaktion gerechnet hatte. Aber Ryo war sich sicher, dass er anders auf diese neue Erkenntnis reagiert hätte, wäre Dee nur Manns genug gewesen, es ihm selbst zu sagen. Nun fühlte er sich wieder hilflos und dazu noch verraten. Als es an der Tür klopfte, wischte er seine Zornestränen von den Augen. „Ja!“ bat er leise. Dee streckte seinen Kopf ins Zimmer, bevor er seinen Körper folgen ließ. „Na, geht’s dir wieder besser. Der Arzt meinte... Was ist mir dir?“ Dee kannte Ryo schon viel zu gut, um nicht zu merken, dass dieser angespannt war. Etwas brodelte in Ryo. „Nichts.“ Ein weiteres klares Zeichen, dass Ryo mit etwas kämpfte. Aber noch nicht bereit war, sich seinem Mann zu öffnen. „Du weißt, dass du mir alles sagen kannst,“ begann Dee deswegen zögernd, ging auf Ryo zu und als dieser seiner Hand gekonnt auswich, blieb der Dunkelhaarige stehen. „Ryo?!“ Dieser schluckte, doch er konnte es nicht länger aushalten. „Ich soll dir alles sagen, ja? Aber du schweigst. Wie lange wolltest du es vor mir geheim halten? Sollte ich erst bei der Gerichtsverhandlung davon erfahren? Oder wäre es dir sogar lieber, wenn ich weiter den Rest meines Lebens im Dunklen tappe... ja? Hast du dir das etwa so vorgestellt?“ fauchte Ryo und spie seinem Ehemann diese Worte hart und aufgebracht ins Gesicht. Dee, der sich vollkommen überfahren fühlte, wusste überhaupt nicht, welcher Elch ihn hier getreten hatte und trat dennoch einen Schritt zurück. „Ryo?!“ „Tu doch nicht so unschuldig, Dee MacLane!“ fauchte der Ältere weiter. „Sag es mir... sollte ich unwissend sterben? Das wäre doch am besten für dich... Ich hasse dich... Raus hier...! Verschwinde...!“ „Ryo... sag mir doch...“ „Ich sagte raus hier... und wehe du kommst wieder.“ Ryo ging wutbebend auf Dee zu, schubste ihn zur Tür und warf ihn persönlich aus dem Zimmer. Dee sah auf die vor ihm zugefallene Tür und wollte diese wieder öffnen. Denn er konnte doch nicht einfach so gehen, ohne zu wissen, was passiert war, als er von drinnen die Worte hörte, die ihn innehalten ließen. „Wage es ja nicht...“ In Dee’s Inneren zog sich alles zusammen. Womit hatte er diesen Ausbruch denn provoziert. Er fühlte sich wirklich vollkommen ahnungslos. Aber er wusste, dass es keinen Zweck hatte, mit seinem Mann zu reden, wenn dieser so war. Eigentlich wusste er es nicht, denn so hatte er Ryo noch nie erlebt, und das machte ihm Angst. Angst, die ihm die Kehle zuschnürte. Wie ein geprügelter Hund trollte er sich aus dem Krankenhaus. Ryo hingegen sackte zusammen, weinte hemmungslos. Fühlte sich so leer. Was sein Peiniger nicht in der Gefangenschaft gelungen war, prasselte nun über ihn in Freiheit herein. ***** TBC Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)