Das Spielzeug mit den blauen Augen von Kassia (AtemuxSeth; SethxAtemu u.a.) ================================================================================ Kapitel 23: Schmerzliche Erinnerungen ------------------------------------- Kapitel 23 – Schmerzliche Erinnerungen „Wirklich üble Viecher. Ganz, ganz übel“, knurrte der Mann verächtlich und trat etwas Sand in Richtung des näher kommenden Skorpions. „Kreaturen der Wüste; was erwartest du?“, entgegnete sein Kamerad sardonisch und versuchte angestrengt in der Dunkelheit der Nacht noch mehr dieser ungebetenen Gäste auszumachen. Solange die Skorpione weder ihnen noch dem Pharao zu nahe kamen, waren sie ihm eigentlich recht egal. Herzhaft biss er in seine rohe Zwiebel, kaute ein wenig auf dem Stückchen herum und spuckte es dann in einem hohen Bogen wieder aus. „Bah! Ich brauch mal wieder was Richtiges zwischen die Zähne! Nur Brot, Wasser und Zwiebeln! Was für ein scheiß Fraß ist das denn?!“ „Statt dich über das Essen aufzuregen, tue lieber was Sinnvolles und halte Wache. Das ist schließlich deine Aufgabe. Eure Aufgabe, um genau zu sein“, entgegnete Mahaado missmutig und blickte die beiden faulen Leibwachen des Pharaos mürrisch an. Diese schreckten hoch. „Mahaado, Sir! Wir, uh, wir hatten Euch gar nicht kommen hören.“ Mahaado verdrehte die Augen. „Sollte sich so was noch mal wiederholen, so werde ich das dem Pharao melden müssen. Ihr seid zum Schutz des Pharaos hier und ich erwarte, dass ihr eure Pflicht angemessen erfüllt. Und wo ist eigentlich Mehi?“ Die beiden Wachen wechselten einen kurzen Blick. „Der bewacht das Zelt des Pharaos.“ Mahaado runzelte die Stirn. „Das ist doch Seths Aufgabe.“ Nachdenklich strich er sich über sein Gesicht. Am liebsten wäre er sofort zum Pharao gegangen, um nach dem Rechten zu sehen, fürchtete aber zugleich, dass seine Sorge wie üblich von Atemu absolut unerwünscht war. Auf eine erneute Rüge jedenfalls hatte er überhaupt keine Lust, zumal Seths geschwollenes Gesicht schon darauf schließen ließ, dass der König heute nicht unbedingt seinen besten Tag hatte. Trotzdem hätte Mahaado nur zu gerne gewusst, was eigentlich genau zwischen Seth und dem Pharao vorgefallen war, denn erkennen konnte er nur, dass die beiden ihre wie auch immer gearteten Differenzen inzwischen wenigstens zeitweilig beilegt hatten. Sie schwiegen sich zwar immer noch an, aber im Gegensatz zu vorher schien diese Stille nicht mehr länger so unangenehm wie die am Vormittag zu sein. „Was auch immer passiert ist, Seth scheint der Leidtragende gewesen zu sein. Atemu jedenfalls hat nicht den kleinsten Kratzer. Für einen scheinbar ehrlosen Sklaven hat Seth manchmal eine wirklich beachtliche Selbstbeherrschung.“ Und das war etwas, wofür Mahaado dem jungen Priester nur seine Hochachtung aussprechen konnte, wenngleich es ihm aufs tiefste widerstrebte. „Ich wollte es Atemu Recht machen, ihm meinen Körper darbieten…ihm das geben, was er sich so offensichtlich von Seth wünscht. Und bin mit meinem Vorstoß jämmerlich gescheitert.“ Nachdenklich betrachtete er den blassen Mond über ihm, versuchte sich den Gesichtsausdruck des Pharaos in Erinnerung zu rufen, wann immer er Seth sah. Atemus Mimik…sie zeigte so viel. Ärger, Wut, Stolz und Verlangen…aber vor allem Zuneigung. Es war eine schmerzvolle Erkenntnis für ihn. Sonst war immer er es gewesen, dem der König mehr as allen anderen vertraute; eine der wenigen Personen, denen Atemu nicht nur als Pharao, sondern auch als Mensch begegnete. Doch nun hatte Seth diese Rolle in Atemus Leben inne und er, Mahaado, war zu einer Randfigur degradiert worden. „Obwohl Atemu und ich uns schon so lange kennen, wir zusammen aufgewachsen sind und ich ihm immer treu zur Seite stand…letztendlich war es nicht genug.“ Ein schwaches Lächeln erschien auf seinen Lippen und verschwand ebenso schnell wieder. „Ich kann einfach nicht mit Seth konkurrieren. Isis, ist es das, was du mir bei meiner Abreise sagen wolltest?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, das ist es nicht. Sie wollte…dass ich Seth eine Chance gebe.“ Er lachte humorlos. „Vielleicht wäre Seth wirklich einigermaßen erträglich, wenn ich ihn nur besser kennen lernen würde. Nur, wenn Isis mit ihm richtig lag, bedeutet das dann nicht auch, dass ihre übrigen Worte ebenfalls wahr sind? Stimmt es, dass ich von meinem Wunsch, dem Pharao zu gefallen und zu dienen, so geblendet bin, dass ich alle anderen Menschen um mich herum vergesse?“ „Mahaado, Sir?“, fragte einer der Wachmänner plötzlich zögerlich. Die Wachen! An die hatte Mahaado für den Moment gar nicht mehr gedacht, doch nun fixierte er die Männer eisern. „Keinen Laut über das, was ihr hier gerade gehört habt. Es war nicht für eure Ohren bestimmt. Und nun geht endlich.“ Die Wachen gehorchten, zwar nicht unbedingt begeistert, aber zumindest widerspruchsfrei. Und irgendwie erinnerte Mahaado dieses Verhalten der Männer an sich selbst. „Bedingungslose Treue. Auch ich habe mir dies geschworen.“ Er atmete leise. Ob Isis nun Recht hatte oder nicht, war letztlich unbedeutend. Er würde seinen Pflichten gegenüber dem Pharao nachkommen, ganz egal, was auch immer er dafür opfern musste; ganz egal, was auch immer dafür von ihm verlangt werden würde. Und wenn es ein Leben in Einsamkeit und Demut war, dann sollte es eben so sein. --------- Der kleine, bärtige Mann namens Mehi kratzte sich bedächtig am Kinn und gähnte dabei lauthals. Wache vor dem Zelt des Pharaos zu halten, war eine verdammt langweilige Angelegenheit. Und im Grunde genommen noch nicht einmal die seinige, sondern die des Priesters Seth. Doch der hatte sich lieber gemeinsam mit dem Pharao in dessen Zelt zurückgezogen. Eine Weile waren ihre tiefen, leisen Stimmen zu hören gewesen, doch so sehr Mehi sich auch angestrengt hatte, Worte hatte er keine verstehen können. Was schade gewesen war. Er hatte gehofft, dass er vielleicht den einen oder anderen delikaten Brocken aufschnappen und dann später seinen Kameraden hätte erzählen können. Als schließlich auch das Geflüster des Priesters und des Pharaos verstummt war, hatte Mehi seine Neugierde nicht bezähmen können und, auch wenn er wusste, dass es verboten war, einen hastigen Blick in das Zelt geworfen. Insgeheim hatte er fast erwartet, die beiden im gemeinsamen Liebesspiel vorzufinden, doch auch dies stellte sich als Enttäuschung heraus. Der Pharao war ruhig am Schlafen; der Priester in eine Schriftrolle vertieft gewesen. „Langweiler“, ärgerte sich Mehi und ließ ein erneutes Gähnen hören. So wie es aussah, würde der Priester sicherlich die ganze Nacht aufbleiben. Und in dem Fall, dachte Mehi, könnte doch vielleicht wenigstens er ein bisschen Schlaf finden. Vorsichtig legte er sein Krummmesser zur Seite, suchte sich eine einigermaßen bequeme Position und schloss müde die Augen. „Ohne Schlaf bin ich morgen früh mit meinen Kräften am Ende. Und dann kann ich bei Gefahr den Pharao nicht mehr beschützen. Also, dass ich mich jetzt hier ein wenig ausruhe, ist damit doch eigentlich nur in des Königs bestem Interesse gedacht. Genau, ich erfülle nur meine Pflicht...“ ---------- Seth hatte tatsächlich nicht vor zu schlafen. Nicht, weil er nicht müde war, denn das war er sehr wohl, sondern weil er sich einfach nicht gut in Gegenwart anderer entspannen konnte. Er mochte es nicht, im selben Raum, Zelt oder was auch immer mit einer anderen Person zu schlafen; selbst dann nicht, wenn es sich bei dieser anderen Person um Atemu handelte. Er fühlte sich einfach so verletz- und angreifbar. So vollkommen schutzlos. Er hasste dieses Gefühl und obwohl er ein leichter Schläfer war, bei dem kleinsten Geräusch innerhalb weniger Sekunden aufwachen würde, so war manchmal sogar eine Sekunde schon zu lange. Erschöpft rieb er sich seine juckenden Augen. Er hatte versucht, sich mit dem Studium einiger Schriftrollen von dem Gedanken an Schlaf abzulenken, was leider nicht unbedingt von Erfolg gekrönt gewesen war. Die Abhandlung über die richtige Aufteilung der Landparzellen unter den Bauern nach einer Nilflut war nicht wirklich spannende Lektüre. Wieso hatte er die eigentlich mitgenommen? Behutsam legte er das Schriftstück zur Seite. Er hatte ohnehin kaum noch eine Hieroglyphe erkennen können. Bei der Düsternis sahen alle Zeichen fast gleich aus. Langsam zog Seth seine Knie an, schlang seine Arme um sie und legte sein Kinn auf ihnen ab. Fast wie in Trance konzentrierte er seine Aufmerksamkeit auf die Kerze, die ein schwaches, tröstliches Licht spendete; beobachtete eine Motte, die unruhig um die Flamme hin und her flatterte. Immer dichter drängte sie sich an das Feuer, zog sich rechtzeitig wieder zurück und floh vor der gefährlichen Hitze. Eine Weile ging ihr Katz- und Mausspiel gut, doch schließlich verschätzte sie sich. Vielleicht war es nur ein unbedachter Augenblick gewesen, vielleicht auch hatte sie der kleinen Flamme einfach nicht länger widerstehen können; auf jeden Fall näherte sie sich ihr zu dicht. Ihre winzigen, glänzenden Flügel fingen Feuer. Kurz konnte sich die Motte noch in der Luft halten, doch dann fiel sie spiralenförmig nach unten, um dort ganz zu verbrennen. Seth sah gebannt zu. Feuer, sein Dorf, seine Mutter. Von den tödlichen Flammen verschluckt. Wie die Motte, so hatte auch sie keine Chance gehabt und bestimmt wäre auch er an diesem Tag gestorben. Doch dann war der Drache erschienen. Stark und majestätisch hatte er über den brennenden Gebäuden gethront; seine Flügel weit gespreizt, ihr Spann gewaltig; ein lautes Gebrüll in die Nacht schickend, das selbst die Angst- und Todesschreie der vielen Menschen übertönt hatte. Und er hatte Seths Peiniger, die Mörder seiner Mutter, getötet; hatte getan, wozu Seth selbst nicht in der Lage gewesen war – Rache zu nehmen. Von den Räubern war nicht mehr übrig geblieben als ein Haufen Asche. Ihre Körper konnten nie bestattet werden; ihre Seelen würden nie ins Totenreich finden. Keine Wiedergeburt und kein zweites Leben. Seth spürte eine seltsame Genugtuung bei dem Gedanken. „Sie haben es verdient, jeder einzelne von ihnen“, flüsterte er; sein Atem brachte die Kerze leicht zum Flackern und tauchte sein Gesicht in tiefste Schatten. Der Drache…und das Mädchen. Der weiße Drache und das Mädchen mit der blassen Haut. In letzter Zeit musste er häufig an sie denken. Und nicht nur an sie. Da war noch etwas, noch eine Erinnerung. Oder war es nur ein Traum? Seth wusste es nicht genau. Er war damals noch so jung gewesen. „Nein, es muss wirklich passiert sein. Denn sonst würde mich dieser Gedanke nicht so quälen. Sonst würde ich nicht diese Traurigkeit in mir spüren.“ Das war noch ein Grund, warum er nicht einschlafen wollte. Wenn er schlief, kamen die Erinnerungen. Und er wollte sich nicht erinnern. Er hatte mit diesem Teil seines Lebens abgeschlossen. Er würde Priester werden. Punkt. Aus. Sein altes Leben hatte da keinen Platz mehr. Nicht die Demütigungen, die er als Sklave hatte erfahren müssen und auch nicht die schrecklichen Verluste einer zu kurzen Kindheit. Seth fühlte, wie sich seine Augen schlossen und sich sein Körper entspannte. Er wollte wirklich nicht schlafen. Er wollte es einfach nicht. Außerdem musste er doch auf den Pharao aufpassen. Die Wache vor dem Zelteingang war bestimmt nicht mehr wach. Der Mann hatte ja kaum noch die Augen aufhalten können, als er einen schnellen Blick in das Zelt hineingeworfen hatte. Doch obwohl er sich bemüht hatte, möglichst unauffällig zu sein, hatte Seth ihn gesehen. Er hatte weder von seiner Schriftrolle aufgeblickt, noch hatte er irgendetwas gesagt, doch er hatte ihn gesehen. Irgendwie beruhigte Seth das. So müde er auch war, niemand, ob Freund oder Feind, würde sich ihm oder dem Pharao unbemerkt nähern können. Dafür würde er Sorge tragen. „Ich bin nicht schutzlos. Ich kann mich verteidigen, mich und Atemu. Ich...“, murmelte er, kämpfte vergeblich gegen die immer stärker werdende Müdigkeit, die Geist und Körper erschlaffen ließ; kämpfte einen Kampf, den er schließlich verlor. Sein Kopf sackte auf seine Knie, seine Atmung wurde ruhiger. Unbewusst ließ er sich zur Seite fallen und fiel in einen tiefen Schlaf. Die Kerze indes war schon lange abgebrannt. ------------------ AN: Der Teil mit den Räubern und Seths Mutter bezieht sich auf die jap. Version. In der Folge, in der Seth Kisara von den Räubern befreit, sieht er sein Dorf in Flammen stehen und rennt entsetzt zurück, wo er dann von den Räubern gepackt und, ich mein ein Knie in den Bauch gerammt bekommt, damit er ihnen verrät, wo er Kisara gelassen hat. Außerdem stecken sie sein Haus in Flammen, während der festgehaltene Seth verzweifelt nach seiner Mutter ruft, die wohl noch in dem Gebäude war und vergeblich versucht, ihr zu Hilfe zu eilen. Die Schreie nach seiner Mutter sind in der 4kids Version rauseditiert worden, weswegen ich es hier erwähne. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)