When I'm feeling blue von -Amalthea- (Das etwas andere Ende von Act 4 (Band 2)) ================================================================================ Kapitel 1: One Shot ------------------- Der Sirenenlärm vor der Bar ‚Maniera’ war verklungen, es war inzwischen tiefe Nacht. Drei Personen standen im Eingangsbereich des Lokals. Ein vornehm aussehender, dunkelhaariger Polizeibeamte telefonierte noch kurz auf seinem Handy, bevor er sich den beiden jungen Männern zuwandte, die den Drogenhandel hatten auffliegen lassen. “Schade um das schöne Lokal.“ Hatozaki stand in der Tür und sah sich im ‚Maniera’ um. „Wird es geschlossen?“ fragte Taki, die blonde Hälfte des Yellow-Geschwaders. „Ich denke ja. Die Inhaberin wird wegen Drogenhandels verurteilt, ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Ihr Sohn ist ja noch minderjährig.“ „Was soll überhaupt aus dem werden?“ meldete sich Taki’s Partner Go zu Wort. „Nun ja...“ Hatozaki rieb sich die Stirn. „Er kennt seine Verwandten nicht, seine Mutter scheint schon als junges Mädchen von zu Hause davongelaufen zu sein. Also ist niemand da, der sich um ihn kümmern könnte.“ Taki schluckte. Die Situation kannte er aus seiner eigenen Vergangenheit nur zu gut. „Und wurde von seiner Mutter schon zum Arbeiten gezwungen, anstatt zur Schule geschickt. Schöne Schweinerei,“ kam es von Go. Er schlenderte in den Innenraum der Bar. „Ihm schien das ganz recht zu sein,“ meinte Hatozaki. „Mir kommt er eher praktisch veranlagt vor, viel Lernen liegt so jemandem nicht.“ „Praktisch?“ meinte Go über seine Schulter. „Sie meinen zappelig! Wenn der in Stimmung ist, bleibt kein Stein auf dem anderen!“ „Das ist doch jetzt egal,“ sagte Taki. „Die Frage ist immer noch, was soll aus ihm werden?“ „Nun... Nachdem er schon hier gearbeitet hat, habe ich eben mit Tsunega telefoniert, und er hat daran gedacht...“ Hatozaki wurde von Go unterbrochen, der schnell wieder zu den beiden zurückkehrte. „Sagen sie jetzt nicht, dass sie diese kleine Nervensäge bei uns im Café aufnehmen wollen!!“ „Go, bist du mies...“ protestierte Taki. „Sind Sie wahnsinnig?? Das ewige Gebrüll halte ich nicht aus!“ stöhnte Go. „Jetzt reg dich nicht auf, wir müssen was für ihn tun. Können ihn ja nicht einfach auf der Straße aussetzen. Wir halten ein Auge auf ihn,“ versprach Taki dem Polizeibeamten. „Aber... Moment...“ Go’s Protest verklang ungehört. „Gut, dann zähle ich auf euch!“ sagte Hatozaki. „Mimi wird sich auch freuen, wenn sie Unterstützung bekommt, Tsunega sagte, dass sie zur Zeit ziemlich viel Arbeit hat. Bringt ihn zum ‚Roost’, im Erdgeschoss ist noch ein Zimmer frei, da kann er wohnen. Sagt ihm, er soll seine Siebensachen packen. Ich werde dafür sorgen, dass die Bar geschlossen und die Räume wieder vermietet werden. Um den Jungen kann mich leider nicht kümmern, offiziell habt ihr ja mit der ganzen Sache nichts zu tun.“ „Ha-halt...“ Offensichtlich war Go überstimmt. Hatozaki drehte den beiden den Rücken zu und ließ sie allein vor der offenen Bartür, aus der noch schummriges Licht auf die Straße floss. Kurz darauf hörte man das Geräusch eines davonfahrenden Autos. „Du hast es mal wieder geschafft. Muss das sein, Taki?“ „Kannst dir ja die Ohren zuhalten, wenn dir der Junge zu laut wird,“ grinste Taki und verschwand ins Innere der Bar. Go brummte etwas Unverständliches und folgte ihm. Im ‚Maniera’ kam ihnen Kanji entgegen, der sonst fröhliche Junge sah deprimiert und nervös aus. Bevor er den Mund aufmachen konnte, packte Taki ihn leicht an der Schulter. „Kanji, du weißt, was jetzt aus deiner Mama-san wird?“ Der Junge senkte den Blick. „Sie kommt ins Gefängnis, oder?“ „Ja.“ „War ja klar.“ Kanji schluckte. „Und das ‚Maniera’?“ „Wird geschlossen. Du kannst es nicht übernehmen, bist ja noch zu jung.“ Der Junge nickte, ihm war sehr mulmig zumute. Immerhin war die schöne Bar mit dem eigenwilligen Publikum jahrelang sein Zuhause gewesen. „Hör mal...“ Taki war es jetzt doch etwas ungenehm, obwohl ihm Hatozaki’s Idee zuerst gefallen hatte. „Wir möchten dir was anbieten.“ Der blonde Junge hob den Kopf, um Taki ins Gesicht zu sehen. „Du kannst bei unserem Chef arbeiten, er hat ein eigenes Café. Nicht so schön wie diese Bar, aber ganz o.k. Seine Kellnerin hat ziemlich viel Arbeit, du kannst ihr helfen. Und du kannst dort auch wohnen.“ „Echt...?“ Kanji’s Lebensgeister erwachten langsam wieder. „Ja. Stimmt’s, Go?“ Der Dunkelhaarige steckte die Hände in die Hosentaschen und versuchte, ohne viel Erfolg, brummig dreinzuschauen. „Ja doch.“ „Wir wohnen auch dort... im ersten Stock,“ ergänzte Taki. Nicht ahnend, was er damit anrichtete. „Nein!! Im Ernst??? Ich soll da... ich meine, bei euch...!“ „Nein, nicht bei uns in der Wohnung, aber...“ „Ist doch egal!! Klar mach ich das!! Dann bin ich wenigstens immer da und kann auf euch aufpassen!“ Kanji ging es ganz offensichtlich wieder gut. Er redete wieder viel zu schnell und zu laut, fing an, zu gestikulieren und schaute aufgedreht von einem zum anderen. „Ja, ja, nun wird nicht übermütig,“ funkte Go dazwischen. „Wir brauchen keinen Aufpasser! Pack lieber deine Sachen zusammen.“ In einer blumigen - und vor allem lauten - Wortflut rannte der Junge zur Treppe, die zu seiner ehemaligen Wohnung führte. Go und Taki wollten gerade erleichtert aufseufzen, als wieder rasche Schritte die Treppe hinunterkamen. „Ich weiß was!!“ rief der ehemalige junge Kellner. „Oh Gott... was?“ fragte Go. „Was heißt hier ‚Oh Gott’! Ich dachte, da das jetzt der letzte Abend hier war... ich meine, das schließen wir jetzt auch richtig ab, oder?? Ich mixe euch zwei Drinks und ihr trinkt sie in Ruhe aus, während ich meine Sachen packe.“ „Klingt gut,“ meinte Taki. „Ich nehme einen ‚Tom Collins’.“ Er lehnte sich an den Tresen und kreuzte seine langen Beine. „Ich bin für ‚Sex on the Beach’,“ grinste sein Partner. Taki knuffte ihn in die Seite. „Jetzt werd nicht albern.“ „Ich bin NIE albern. O.k., dann einen ‚Orgasmus’...“ Taki rollte die Augen zur Decke. Kanji kicherte, er kannte die zwiespältige Situation zwischen den beiden. Er schäkerte mit Go, bis er die Drinks fertig gemixt und ihnen hübsch arrangiert in zwei Gläsern serviert hatte. „So, das Radio stelle ich euch auch an, dann langweilt ihr euch nicht. Aber macht keine Dummheiten, bis ich zurück bin!!“ „Wieso, willst du zugucken?“ fragte Go. Taki stützte verzweifelt den Kopf in die Hand. „Bin gleich zurück!“ kicherte Kanji, ging daraufhin wieder treppauf, hüpfte dabei vor sich hin. Er konnte sein Glück noch kaum fassen, dass er in der Nähe dieser beiden wohnen würde, die für ihn die coolsten Typen im Umkreis von mindestens 100 Kilometern waren. Go grinste vor sich hin. Offenbar hatte Kanji mit dem ‚Aufpassen’ gemeint, dass er hoffte, er und Taki würden schließlich doch noch zusammenfinden, und er wollte es miterleben. Vielleicht hatte der Bursche ja doch seine guten Seiten. Zumindest konnte er erkennen, wer zusammenpasste und wer nicht... Go jedenfalls war sich schon seit Monaten überzeugt, dass er und Taki ein so heißes Paar sein würden, dass es die Chroniken der Männerliebe versengen würde. Sein blonder Partner, sturer Hetero, wenn auch - seltsamerweise - Single, war davon leider nicht so überzeugt. Taki nippte an seinem Drink. Er hatte das Geplänkel von vorhin schon vergessen, er und sein Partner widersprachen einander fast immer, das gehörte zum Pflichtprogramm. Er reckte sich, schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Er hatte heute riskiert, verprügelt, unter Drogen gesetzt zu werden und einen Arm gebrochen zu bekommen. Go hatte ihn wieder mal in letzter Minute aus dem Schlamassel gezogen. Nein, entspannen wie jetzt konnte man bei diesem Job selten. Aber für Taki war es wichtig, für das Gesetz zu arbeiten und anderen Menschen zu helfen, seit er vor einigen Jahren ohne eigenes Verschulden der Komplize eines Mörderpaars geworden war. Das waren keine angenehmen Gedanken. Taki schüttelte den Kopf, um sie loszuwerden. Trotzdem fühlte er sich etwas deprimiert. Nachdenklich sah Taki sich in dem großen, jetzt menschenleeren Raum um. Das ‚Maniera’ war herrlich dekoriert, exotisch und sehr einladend. „Wer weiß, wohin die Gäste ab jetzt gehen werden, um ihre Sorgen zu erzählen,“ meinte er grüblerisch. „Wer braucht so was schon.“ Go schwang sich auf den Tresen und ließ die Beine hängen. „Wenn ich schlechter Laune bin, brache ich ganz was anderes.“ „Das möchte ich im Detail gar nicht wissen,“ schnaubte sein blonder Partner. „Was du schon wieder meinst. Ich dachte an einen Drink.“ Go nahm einen Schluck, grinste ihn unverschämt über den Glasrand an. Taki schaute entnervt weg. Go war die bedrückte Stimmung seines Partners nicht entgangen. Eine Weile war es still, nur die Radiomusik kam aus den Lautsprechern. «Was mache ich bloß mit dir, Taki?» fragte sich der Dunkelhaarige. Er schwang sich über die Theke, inspizierte scheinbar die auf den Regalen gestapelten Flaschen voller hochprozentiger Getränke und lehnte sich dann seinerseits gegen den Tresen. Das nächste Lied fing an, eine leichte Swing-Melodie breitete sich jetzt langsam im Raum aus, eine angenehme Frauenstimme sang. Give me just a little smile Make the world stop for a while When I’m feeling blue Whatever you do Give me just a little smile Go sah zu Taki herüber. Dessen Gesicht zeigte keine Regung. „Hübsches Lied,“ meinte er versuchsweise. „Hmmm,“ kam es von dem Blonden. Every care will disappear With a little smile, my dear All you gotta do Whenever I’m blue Is give me just a little smile This is what I look for Whenever I am down Somebody with a smiling face To help me off the ground Taki sah nach wie vor ernst vor sich hin. Irgendwann nahm er ein leises Lachen wahr. Er drehte sich um. Go stand immer noch hinter dem Tresen, hatte sich in der gleichen Position wie sein Partner dagegen gelehnt und sah ihn grinsend an. Taki sah wieder in eine andere Richtung. A smile is just a little thing But it makes me wanna sing When I’m feeling blue All you gotta do Is give me just a little smile Never shed a single tear Smiling people never fear Try to get a kick Is a good old trick Hold on for a little smile Unwillkürlich sah Taki wieder zu seinem dunkeläugigen Partner. Der lächelte immer noch, aber das Lächeln nahm allmählich verschiedene Nuancen an. „Grins nicht so unverschämt.“ „Ich? Wie werd ich denn.“ Taki drehte sich weg, dieses Mal, um sein eigenes Lächeln zu kaschieren. Dann sah er Go wieder an. Er konnte nicht anders, er musste selbst grinsen. Er versuchte, es zu unterdrücken, statt dessen ging sein Lächeln in die Breite. Er konnte nicht widerstehen. Go merkte, dass seine Taktik Wirkung zeigte, und sein Gesichtsausdruck wurde frecher. Taki legte sich die freie Hand vor den Mund, tat so, als würde er gähnen. Noch ein Blick zu Go, er fing noch ein Lächeln auf, musste wieder grinsen. You always must remember this: A laugh is like a single kiss A smile is just a smile Not only for a while You always should remember this This is what I look for Whenever I am down Somebody with a smiling face To help me off the ground Das Spiel ging noch eine Weile weiter. Go und Taki hielten eine stumme Zwiesprache, tauschten Blicke und grinsten sich an, Go amüsierte sich, Taki kam sich leicht dämlich vor, konnte aber nicht aufhören. Allmählich fing er an, sich wieder wohl zu fühlen. Nach einer Weile kam Kanji zurück, polterte unüberhörbar auf der Treppe, so dass sich die beiden jungen Männer sofort zusammenrissen, zumindest versuchten, wieder ernst zu werden und die letzten Schlucke ihrer Drinks austranken. „Da bin ich wieder!! Ist euch nicht zu langweilig geworden, oder?! Wie waren die Drinks?“ „Sie waren gut, aber jetzt komm. Um diese Zeit gehörst du längst ins Bett,“ sagte Taki, setzte das Glas auf den Tresen und richtete sich auf. „Oooooch, wie öde...“ „Nichts da. Jetzt bringen wir dich erst mal hin, damit du dich an alles gewöhnst. Aber mach keinen Krach, ja? Unsere ist eine ruhige Gegend, da schlafen sicher schon alle.“ „Klar doch. Mach ich,“ Kanji salutierte spielerisch wie ein Soldat, mit der Handkante an der Stirn. Go sprang über die Theke, streckte sich und ließ die Fingerknöchel knacken. „So, dann wollen wir diesen kleinen Banditen mal in unsere Obhut bringen!“ „Bandit?? Wer hat euch denn kontaktiert wegen des Drogenhandels, wie?? Und überhaupt...“ „Ruhe jetzt!“ donnerte Go. „Sonst kommen wir hier gar nicht mehr weg.“ „O.k., o.k...“ Kanji schaltete das Radio und das Licht aus, ging mit den beiden zur Tür, warf noch einen letzten Blick in den Raum, seufzte etwas und schloss dann die Tür ab. Dann drehte er sich schwungvoll um. Er war noch ein wenig traurig wegen seiner Mutter, freute sich aber über eine aufregende Zukunft bei seinen neuen Freunden. „Gehen wir! Wohin müssen wir? Nehmen wir euer Auto??“ „Wir gehen zu Fuß, es ist nicht so weit,“ antwortete Taki. „Och kommt schon. In den Filmen haben Agenten immer so tolle Autos, mit allen möglichen Tricks und Extras und so...“ „Vergiss es, wir sind keine schlechte Imitation von James Bond! Wir brauchen so was nicht. Komm jetzt, sonst schlafe ich noch im Stehen ein.“ Taki hatte Schatten unter den Augen, und was das bedeutete, sah Kanji zum Glück ein. „O.k., gehen wir! Ich sag auch nichts mehr, versprochen,“ sagte der blonde Junge. Auf dem Weg zum ‚Roost’, das zum Glück nur etwa eine halbe Stunde Fußweg entfernt war, konnte Kanji sich trotz seiner Versprechungen natürlich nicht zurückhalten und textete die beiden Männer mit Fragen, Vermutungen und allen möglichen Kommentaren zu. Es war alles zu spät, er hatte einen Narren an ihnen gefressen. Taki seufzte schicksalsergeben und legte ihm einen Arm um die Schulter. Kanji strahlte ihn an und quasselte weiter. Taki warf Go über den Kopf des Jungen hinweg einen halb verzweifelten, halb amüsierten Blick zu. Nach einer kurzen Weile legte der auch einen Arm um Kanji. Der Junge strahlte gleich doppelt und lief vor Aufregung so schnell, dass sie kaum noch mitkamen. „Kanji! Renn doch nicht so, verdammt,“ protestierte Taki. „Sorry!“ „Schon gut...“ „Wir sind ja gleich da.“ Go’s Hand legte sich wie zufällig auf die seines Partners. Taki warf ihm einen knappen Blick zu, sagte aber nichts. Er überlegte, seine Hand wegzuziehen, tat es dann aber doch nicht. Über den dreien schimmerte ein halber Mond in einem vom Wind klar gewehten Nachthimmel. „Morgen wird ein schöner Tag,“ sagte Taki. Dann schüttelte er kurz den Kopf, als wollte er etwas loswerden. Die letzten Töne des Liedes gingen ihm immer noch nach. A smile is just a little thing But it makes me wanna sing When I’m feeling blue All you gotta do Is give me just a little smile. Anmerkung: Ich habe leider nicht rausfinden können, wer das Lied „Smile“ singt, aber es kommt auf der Soundtrack-CD von „Barfuss“ vor. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)