Der Glasgarten von Gadreel_Coco (Kitten in the house) ================================================================================ Kapitel 5: ZINNOBER ------------------- Teil V: ZINNOBER „Ja, habe ich und ja, hast du, Ran.“ Schuldig verlagerte sein Gewicht leicht nach hinten, sodass er sich hinknien konnte. „Komm lass uns aufstehen, ich bring das schnell alles in Ordnung und dann kochen wir dir deine Nudeln.“ Und dann kriech ich bald ins Bett, fügte er in Gedanken an und freute sich schon auf den Part des Essens und des Schlafens nach all dem Trubel hier. „Lass mich dir helfen“, bat Ran, weil er Schuld in sich fühlte. Schuld war etwas, das ihm in den letzten Jahren fremd geworden war, auch wenn der Gedanke, dass er am Tod seiner Familie die Schuld trug, nicht fremd war. Doch sonst… er hatte sich nie schlecht gefühlt, wenn er eines dieser Monster doch erwischt hatte… „Ich weiß doch jetzt, wie man dich verarztet.“ „Ja, das schon… nur hab ich ehrlich gesagt keine große Lust, noch einmal in Kontakt mit Krallen oder deinen spitzen Zähnen zu kommen. Ich hasse Narben. Du musst dir etwas einfallen lassen, wie du das unter Kontrolle bekommst“, verzog Schuldig bedauernd das Gesicht. „Wenn das so weitergeht, seh ich aus als wäre ich zukünftiges Raubtierfutter, hmm?“, neckte er und wuschelte Ran noch einmal durch die Haare. „Aber wieso sollte ich dich beißen oder kratzen, wenn ich dich verarzte?“, fragte Ran und runzelte die Stirn. Er war ruhig… hatte keine Angst mehr vor Schu, die ihn antrieb, sich gegen den anderen Mann zu verteidigen. Ran seufzte und seine Schultern sackten leicht in sich zusammen. Schu hatte schon Recht, er konnte es nicht kontrollieren, wann seine Angst ihn wieder um sich schlagen ließ. Würde das… mit der Zeit kommen? Wenn er genug Vertrauen zu ihm hatte? „Ich will nur wieder gut machen… was ich verschuldet habe.“ „Meine Worte bezogen sich auf die Zukunft unseres Zusammenlebens, Ran. Komm lass uns hochgehen.“ Er wartete, bis Ran seine Hand freigeben würde und drückte aufmunternd die Schultern. Der Zeigefinger seiner freien Hand stupste Ran todesmutig auf die Nase. „Lach …mal!“, grinste er. Rans Augen wurden groß, als er Schu anstarrte. Er sollte lachen? Er hatte lange nicht mehr gelacht, schon Ewigkeiten nicht mehr. Vielleicht hatte er schon verlernt zu lachen. Er schüttelte langsam den Kopf und entwirrte ihre Hände. Er imitierte die Geste des anderen und tippte ihm auf die Nase. „Kann ich nicht.“ Der überlange Nagel streifte nur leicht seine Nasenspitze und Schuldig fühlte dennoch eher die Fingerkuppe. „Bist du kitzlig?“, lächelte Schuldig eindeutig hinterhältig, erhob sich aber dabei vorsichtig. Seine Schulter brannte, aber er war darauf geschult es teilweise gut ignorieren zu können. „Ich weiß es nicht“, erwiderte Ran mit einer Ehrlichkeit, die ihn vermutlich ins Verderben stürzen würde. Doch er vermutete schier unschuldig nichts Schlimmes hinter dieser Frage, vielleicht Interesse, aber nichts Schlimmes. „Früher war ich es einmal.“ Er sah, wie groß die Schmerzen waren, die Schu hatte und bedauerte es wirklich. Schneller als der andere erhob er sich und kam neben ihn. Schon wieder so eilfertig, so beflissen, resümierte Schuldig und seufzte innerlich. Bis zur nächsten Panik- und Misstrauensattacke. Er beschloss später darüber nachzudenken und ging den Arm der verletzten Schulter an sich haltend hinauf, wieder einmal in sein Schlafzimmer samt angrenzendem Badezimmer, welches von zwei Seiten begehbar war und setzte sich erst einmal aufs Bett, zog sich langsam sein Hemd aus, das unbrauchbar geworden war. Das Blut bekam er aus dem weißen Stoff nicht mehr raus. Ran holte unterdessen den Koffer, in dem sich das Verbandsmaterial befand und ließ sich vor Schu auf die Knie nieder, sah erwartungsvoll zu ihm hoch. Etwas in ihm sagte, dass er sich möglichst wenig bedrohlich verhalten und einen harmlosen Eindruck machen sollte. Besonders nach dem, was geschehen war. Der Oberkörper sah schlimm aus und Ran hatte das Gefühl, dass Schu innerhalb weniger Tage mehr Verletzungen davongetragen hatte, als er diesen Monstern in den fünf Jahren hatte zufügen können. Es war ungerecht und geschah nur, weil Schu ihm die Freiheit ließ, ihn zu verletzen. Hier gab es keine Fixierungen, die seine Panik zurückhielten. Also musste er diese Fixierung sein. Selbstbeherrschung. Kontrolle. Vertrauen? Ja… auch das. Das an allererster Stelle. „Es gibt Aufzeichnungen über das, was vor ein paar Stunden passiert ist“, sagte er und öffnete den Koffer. „Auch darüber, was es auslöst.“ Ran konnte es nicht selbst sagen… nicht, weil er es körperlich nicht konnte, sondern weil er es nicht über die Lippen brachte. Weil es ihn demütigte, schien es doch ein Beweis für sein dressiertes Tiersein zu sein. Schuldig ließ sich das Desinfektionsmittel und einen Pack Kompressen reichen und säuberte sich seine Hand. Einige der Kratzer waren doch recht tief und er kam wohl nicht umhin, die Wunde mit zwei, drei Kompressen zu belegen und diese mit einer Mullbinde zu fixieren. „Ich bin mir sicher, dass es darüber Aufzeichnungen gibt“, murmelte er, während er den Verband fixierte. „Sollen wir sie zusammen ansehen?“ Immerhin konnte Ran dann sicher sein, dass er mit dieser Information nichts unmittelbar Schlimmes anstellte. Ran half, wo er konnte, doch sein Blick war abwesend. In Gedanken wog er die Vorteile und Nachteile dessen ab, was Schu ihm vorgeschlagen hatte. Auch wenn er es als Demütigung empfand, so war er doch dabei, wenn Schu es sich ansah. Er riss ein paar Klebestreifen ab und befestigte den Verband. „Ja… aber nach dem Essen.“ Denn er hatte Hunger und er wusste, dass es ihm den Appetit verderben würde. Schuldigs Fingernägel waren noch voller Blut, vor allem unter ihnen hatte sich der rote Saft hineingezogen. „Kannst du mir den Verband an der Schulter entfernen?“ Und nicht nur der bedurfte Erneuerung. Die genähte Wunde auf der Brust war sicher auch fällig, obwohl es doch trocken aussah, zumindest war der Verband nicht voller Sekret. Trotzdem musste er nachsehen, ob durch ihre Rangelei die Naht in Mitleidenschaft gezogen worden war. „Du kochst und nach dem Essen sehen wir nach wo wir was finden.“ Er strich Ran mit den Fingern seiner verbundenen Hand eine Strähne aus dem Gesicht. „Ich koche, setze die Küche in Brand und dann durchsuchen wir die Akten“, bestätigte Ran und hielt still, während die überlange Strähne aus seinem Sichtfeld geschoben wurde. Seine Finger mit den langen Klauen zuckten, doch er hielt sie bei sich und erst nach einem Moment setzte er sich zu Schu auf das Bett und entfernte konzentriert und übervorsichtig den Verband, zog ihn langsam ab. Es sah schlimm aus, der ganze Oberkörper war ein Feld von Schnitten, Bissen und blutigen Kratzern. „Von wegen in Brand stecken. Ich pass da schon auf, keine Sorge, ich will schließlich etwas essen und das sollte nach Möglichkeit auch noch gut schmecken! Also wirst du dich anstrengen, nicht?“ Schuldig hob die Brauen und lächelte neckend, versuchte das Ziepen auf seiner Haut zu ignorieren. Ran war konzentriert bei der Sache. Das war er und bemühte sich nun, das vor ein paar Tagen Gelernte erneut anzuwenden, als er mit Desinfektionsmittel getränkte Kompressen vorsichtig über die Wunde strich, für jedes Mal eine neue nahm und dann nach einer sterilen Wundauflage griff. „Ich strenge mich immer an“, behauptete Ran und seine Lippen verzogen sich und zeigten die nicht ganz ausgeprägten Fangzähne. Es sollte so etwas wie ein Lächeln werden… Was Schuldig auch als solches erkannte und er erwiderte es. „Du siehst süß aus, wenn du lächelst, Ran, das könntest du ruhig öfter tun“, sagte Schuldig leicht dahin und beschäftigte sich damit die Brustwunde genauer zu inspizieren, zog deshalb den Verband vorsichtig ab. Ran runzelte die Stirn und pappte die Wundauflage fest, sicherte sie mit einer Mullbinde. „Kuscheltiere sind süß“, erwiderte er schließlich indigniert und seine Mundwinkel zogen sich gehorsam in eine gerade Linie um ja nicht den von Schu Verdacht zu bestätigen. „Magst du keine Kuscheltiere?“ Schuldig fasste Ran näher ins Auge und grinste leicht. „Ich habe sie zum Fressen gern“, zeigten sich kleine, spitze Zähne. Natürlich hatte Ran sie gemocht - als kleiner Junge. Doch er war keins. „Es ist eine Mischung aus anziehender Gefährlichkeit und niedlicher Zutraulichkeit, könnte man sagen“, sinnierte Schuldig gänzlich unbedarft und im Zuge einer wissenschaftlichen Beobachtung. Sollten diese Worte ein Kompliment sein? Ran wusste es nicht so ganz und legte verwirrt seinen Kopf schief. Er lauschte dem, was Schu gesagt hatte, nach und nahm die Worte in seinen Gedanken auseinander. Dass er gefährlich war, wusste er. Das Resultat dessen sah er vor sich. War das anziehend? Stand Schu auf Schmerzen? Es gab solche Menschen, das wusste Ran, aber Schu hatte doch noch vor nicht langer Zeit etwas Gegenteiliges gesagt, oder? Also gehörte er nicht dazu. Dann blieb noch die Zutraulichkeit…sah Schu das so? Dass er Vertrauen gefasst hatte? Und dass dieses Vertrauen niedlich war? Ran konnte dieser Logik nicht folgen. Er wusste nur, dass er den Begriff nicht mochte. Fast schon schmollend verzogen sich seine Lippen und er verengte die Augen. Da war noch etwas… „Ist das Ironie?“, fragte er plötzlich. „Ironie?“ Schuldig furchte gespielt nachdenklich die Stirn. „Ich glaube nicht. Aber es sollte eher neckend gedacht sein, Ran.“ Schuldig löste das kleine scheinbare Rätsel für Ran auf, doch eines stimmte allerdings: Ran sah zum Anbeißen aus, wenn er schmollte. Eindeutig. Und wenn er lächelte mit seinen kleinen spitzen Zähnchen, die aussahen wie die eines kleinen Vampirs, gehörte das Siegel: unwiderstehlicher Frechdachs obenauf. Mal sehen, wie sich dies noch auswachsen würde… Das war also die Antwort zu seinen Überlegungen. Aya und er hatten das früher oft getan, doch es schien, als hätte er in den vergangenen Jahren vieles verlernt. Aber eines wusste er, dass Schu es tatsächlich so meinte. Er musste also daran arbeiten. Ran betrachtete sich den Oberkörper des anderen und strich seinen angelegten Verband noch einmal glatt. Er musste seine Klauen nachher noch reinigen…sie waren an einigen Stellen vom Blut des anderen gezeichnet. Hoffentlich Blut, das er zum letzten Mal vergossen hatte. „Meine Schwester und ich haben uns früher immer auf den Arm genommen“, sagte er, wie ihn Gedanken versunken und seine Augen waren weich, als er an sie dachte. Dass Schu nun der erste Mensch nach ihr war, löste in Ran etwas aus, dass er noch nicht so recht verstand. Er wusste nur, dass es gut tat. „Sie war besser als ich.“ Der wehmütige Ausdruck in den Augen Rans blieb Schuldig nicht verborgen. Bisher hatte er den Unterlagen nur entnehmen können, dass Rans Angehörige alle eliminiert wurden. Zum Zwecke der Geheimhaltung. „Mädchen sind immer besser in so etwas“, lächelte Schuldig lausbubenhaft und zuckte mit den Schultern. Okay, er war früher oft besser als die Mädchen gewesen, aber er hatte auch einen kleinen Vorteil… Ran schwieg einen Moment lang. „Sie lebt nicht mehr, oder?“ Schu hatte ihm die Frage, als er sie das erste Mal gestellt hatte, nicht beantwortet und Ran hatte sich seine Gedanken dazu gemacht. Doch er wollte Gewissheit… wollte wissen, dass er alleine war. Hoffnung, dass er es doch nicht war, hatte er nicht. „Laut den Unterlagen nicht, Ran“, sagte Schuldig und suchte Rans Blick, der immer noch auf dem Verband lag, vermutlich in Gedanken versunken. Nun wandte sich der Blick in die blauen Augen. In ihnen war nichts zu lesen, Rans ganze Mimik lag in diesem Moment blank. Dann strich er ein letztes Mal über den Verband, der nun wirklich fest saß. „Das war zu erwarten“, nickte er dann ruhig, auch wenn Schmerz in seinem Inneren tobte. Schmerz und der Wunsch, die Zeit rückgängig zu machen. Diese Monster zu töten und seine Familie wieder zu haben. So wirklich wusste Schuldig nun nicht, wie er mit dieser Schutzmaßnahme umgehen sollte. Er mochte es, wenn auf dem Gesicht lesbar wurde, was ein Mensch dachte oder fühlte. Zumindest wenn ihm aus Verbot - oder wie in Rans Fall die Umstände - der Gedankenzugang verwehrt wurde. Reichlich hilflos erhob er sich. „Ich geh kurz ins Badezimmer und mach mich frisch, geh doch du schon mal runter und leg die Zutaten für dein Gericht heraus. Schau mal, ob du dich noch an alles erinnern kannst“, bot er Ablenkung an und verschwand im Badezimmer. Ran nahm diese Ablenkung an und streunte nach unten in die Küche. Sie hatte bisher immer in ihm geschwelt, die Ahnung, dass er alleine war und jetzt wusste er es. Fünf Jahre hatte er sich alleine gefühlt, alleine unter Feinden, mit dem Wissen, dass seine Eltern tot waren, aber mit dem Glauben, dass Aya noch lebte. Dass dem nicht so war… damit musste er leben, denn dagegen tun konnte er nichts. Auch wenn es wehtat, auch wenn es ihn isolierte. Doch er wollte nicht aufgeben. „Das Essen…“, murmelte er zu sich um sich zur Räson zu rufen und sich auf seine momentane Aufgabe zu konzentrieren. Er holte die Zutaten, an die er sich erinnerte, aus dem Kühlschrank und den Vorratsschränken und häufte sie auf der Ablage an. Daraus sollte jetzt etwas gekocht werden, stellte er fest. Er hatte nur nicht die geringste Ahnung wie. Wenig später – mit Tabletten gestärkt, einem schwarzen Shirt versehen und einer lässigen Jeans bekleidet – kam Schuldig in die Küche, sich gerade einen Haargummi zwischen den Zähnen hervorziehend. Er betrachtete sich die Ratlosigkeit des anderen für einen Moment voller kleiner böser Geistesblitze, bevor er sich besann und Ran den Haargummi hinhielt. „Bind mir mal bitte die Haare zusammen“, wies er an und ging an einen der Schränke und holte zwei gefaltete Stoffe hervor. Ran nahm mit einem Blick auf die verbundenen Hände des anderen an, dass dieser das nicht mehr alleine konnte. Das hieß dann auch, dass er alles machen musste… und machen wollte. Er griff sich das Haargummi und kam um Schu herum, fasste dessen Haare. Es fühlte sich gut an, wenn er das tat, wenn er die fremde Haare durch seine Hände gleiten ließ, beobachtete Ran und kämmte die langen Strähnen mit seinen Klauen auseinander. Damit sie besser lagen. Dann versuchte er das Haargummi um sie zu wickeln, doch das stellte sich umso schwieriger heraus, umso bemühter er darum war, den anderen nicht zu verletzen. „Fertig!“, sagte er schließlich, das Ergebnis kritisch musternd. „Gut. Dann deine eigenen Haare“, wie Schuldig an und zauberte einen zweiten Haargummi hervor, viel mehr ein Lederband. „Dreh dich mal mit dem Rücken zu mir.“ „Ist das ein Ritual vor dem Kochen?“, fragte Ran noch skeptischer, drehte sich jedoch. „Machst du das immer so?“ Er wusste nicht, was das für einen Grund haben sollte. Schuldig strich durch die Haare und teilte sie etwas, flocht sie lose zusammen und fasste das Ende mit dem Lederband ein. „Ja, oder möchtest du deine Haare auf der Herdplatte anschmoren? Oder sie ins Essen fallen lassen und später aus selbigem ziehen?“, fragte Schuldig lächelnd und wackelte mit den Augenbrauen. „Hier die Schürze, jeder Profikoch braucht eine“, lehrmeisterte er und band Ran eine schwarze Kellnerschürze um die Hüften. Profikoch… aber das war Ironie gewesen, beschloss Ran und zog sich seine Haare nach vorne. Vielleicht sollte er sich von Schu das Flechten zeigen lassen. Doch das, was der andere gesagt hatte, war logisch… sehr sogar. Früher hatte er nie das Problem gehabt, früher waren seine Haare nicht bis über den Hintern gewachsen. Ran legte besagte Haare wieder ordentlich nach hinten und wandte sich den Zutaten zu. „Was soll ich machen?“, fragte er geschäftig. Sie kochten. Besser… Schuldig leitete Ran an und half hier und da bei einigen Handgriffen nach, möglichst so, dass Ran den Eindruck gewann, er würde alleine kochen. Ramen mit Huhn und Curry war ein Gericht, welches gut für solche Zwecke geeignet war. Nur störten Rans Krallen ab und an. Schon allein das Halten des Kochlöffels brauchte eine gewisse Einübungszeit, aber… schlussendlich klappte es. Schuldig war gerade dabei den Tisch zu decken, legte Servietten bereit, die Schalen, die Stäbchen. „Und was möchtest du als Nachtisch?“ Er hörte beinahe schon wie laut „Schokolade!“, gerufen wurde und musste in sich hinein lächeln als er sich gerade umwandte von seinem Tun. „Eis!“, kam es freudig zurück und strafte Schuldigs latente prophetische Kräfte Lügen. Ran ließ noch schnell eine der rohen Nudeln, die noch übrig waren, in den Tiefen seines Magens verschwinden, bevor er sich zu Schu umdrehte. Sein Gesicht war entspannt, hatte jedoch noch einen Hauch an Konzentration auf den blassen Zügen. „Schokoladeneis!“, machte er nun jedoch ein Eingeständnis an besagte Kräfte und trug die gekochte Suppe vorsichtig zum Tisch auf den dazugehörigen Untersetzer. Es roch gut und vielleicht würde es ebenso köstlich schmecken, hoffte Ran. Die erste warme Mahlzeit seit wie viel Jahren? Er hatte irgendwann den Überblick verloren, konnte schon gar nicht mehr sagen, wann sie damit begonnen hatten, ihm spezielles ‚Futter’ zu geben. Die Frage war jetzt… konnte er jetzt noch mit den Stäbchen umgehen? Er hatte selbst schon beim Kochlöffel Probleme gehabt. Und nun? Na so ganz falsch hatte er da nicht gelegen, resümierte Schuldig und setzte sich schon mal an den Tisch, die Schürze beiseite legend. Er würde sich bedienen lassen und mit prüfendem Blick beäugen, wie Ran das Essen verteilte. Eben dieser fühlte sich nun tatsächlich auf dem Prüfstand, als er Schu eine ordentliche Portion in die Schüssel lud. Er wusste nicht, wie viel der andere aß… also gab er ihm viel. Sich selbst jedoch gab er nur eine minimale Menge, sich nicht sicher, ob er es vertragen würde. Oder essen können würde. Er nahm auch sich die Schürze ab und setzte sich Schu gegenüber, die Augen lebendig vor Hunger und auch ein wenig Stolz. Doch nun… die Stäbchen. Der Horror. „Guten Appetit“, sagte er zweifelnd. „Dir auch!“, lächelte Schuldig zufrieden und vorfreudig. Er hatte Hunger nach all der Aufregung des heutigen Tages und der letzten Tage. Es schien sich alles langsam zu beruhigen. Er griff zu seinen Stäbchen und schob sich eine Ladung Nudeln in den Mund. „Hmm, lecker gekocht, Ran!“, lobte er zufrieden. „Ich habe nur das gemacht, was du mir gesagt hast“, erwiderte Ran ehrlich und griff zu den Stäbchen, die er unsicher und ungelenk in seinen Fingern hielt. Kochlöffel, denk an den Kochlöffel, sagte er sich selbst. Denk an das, was dir deine Eltern beigebracht haben, nicht, was die Monster dich Glauben gemacht haben. Es gibt noch menschliche Teile in dir. Ran nickte für sich und versuchte es. Es klappte beim dritten Mal. Die Schüssel in der einen Hand haltend, mit der anderen die Ramen immer sicherer zu seinem Mund führend, aß er das erste warme Essen seit langem. Es schmeckte köstlich. Auch wenn er sich verbrannte, weil er so hastig aß. „Langsam, Ran… oder willst du deine loderndes Zünglein mit dem süßen Eis löschen?“, fragte Schuldig, lächelte dabei aber eindeutig nicht jugendfrei. Der Anblick des hastig essenden jungen Mannes lockte in ihm den Teufel hervor. Violette Augen sahen dunkel von ihrer Schüssel hoch. Ran hatte den feinen Spott sehr wohl verstanden. Auf der einen Seite beschämte es ihm, auf der anderen jedoch wusste er, dass Schu Recht hatte. Er aß langsamer, bedächtiger und pustete, bevor er die Nudeln schlürfte. „Eis ist gut… zum Löschen“, stimmte er schließlich zu. „Und zum Abkühlen…“ Ein weiterer Blick auf Schu. „Dich oder mich?“, lachte Schuldig nun doch offen und amüsiert über die entweder bewusste oder unbewusste Anspielung. Ran überlegte einen Moment lang. Zumindest tat er so, denn in Wahrheit fühlte er seinem Instinkt nach, seinen Sinnen, die ihm sagten, was hier vor ihm saß. Der Wandel des Tons, der Blick… all das war Lockstoff, das wusste Ran, auch wenn ihm jegliche Erfahrung fehlte. Aber Rolligkeit war es nicht. „Dich…“, sagte er dann mit einem kritischen Blick auf den anderen. „Du bist… wie Feuer.“ Schuldig vergaß für einen Moment das Kauen bei diesem Vergleich. Zunächst waren seine Augen groß, dann wurden sie kleiner, als er die Stirn in Falten zog und dann wurde sein Blick eindeutig skeptisch. „Wie meinst du das denn jetzt?“ Es war klar, dass Schu danach fragte… absolut. „Du bist unruhig, aber doch kontrolliert… du brichst manchmal aus… öfter… und du…“ Ran stockte, wusste nicht, wie er es sagen sollte. „Deine Worte haben etwas unterschwellig Lockendes.“ So hatten sie das… „Ich wusste nicht, dass du dich von Feuer anlocken lässt?!“ Schuldig fing wieder an seine Ramen zu essen, ganz unbekümmert, gänzlich sorglos… wenn da nicht ein kleiner böser Teufel auf seiner Schulter sitzen würde, der ihm viele Gemeinheiten in sein Ohr flüsterte, wie er Ran triezen konnte, natürlich auf harmlose, spaßige Art. Natürlich. „Instinkt…“, sagte Ran. „Sie haben dieses Feuer damals Rolligkeit genannt“, sagte Ran allen Ernstes. Für ihn war das Thema eines wie jedes andere: von unguten Erinnerungen durchsetzt, mit einem Stich an Trauer in Gedenken an seine Vergangenheit. Doch er sagte es zwanglos, ohne jegliche Scheu. „Instinkt… ja… Ran das verstehe ich, aber… sollte dein Instinkt nicht eher auf Weiblichkeit ausgerichtet sein?“, hakte Schuldig mit einem kurzen Blick in die violetten Augen nach. „Nicht unbedingt“, erwiderte Ran mit gerunzelter Stirn. „Zum Instinkt gehört auch, einen Konkurrenten zu erkennen.“ Außerdem war er als Mensch nie auf die Weiblichkeit ausgerichtete gewesen, wie Schu es gesagt hatte. Damals… hatte er Frauen nichts abgewinnen können. Doch wie das heute war, wusste er nicht. Er würde es nicht ausprobieren. “Einen Konkurrenten?“, echote Schuldig und beendete sein Mahl. „Aber hier ist doch niemand oder etwas weshalb wir in Konkurrenz treten sollten, oder könnten.“ Ran brauchte länger, viel länger als Schu, was alleine schon daran lag, dass er sich schlussendlich noch eine gute Portion nahm. „Dann einen möglichen Konkurrenten“, erwiderte Ran zwischen zwei Nudeln. „Es geht nur um das Gefühl…den Instinkt, nicht um den Grund.“ Er war ratlos und das zeigte sich in seinen Augen, denn er wusste nicht, wie er es Schu anders erklären sollte, wie er ihn wahrnahm. Und Schuldig hatte keinen blassen Schimmer von dem, was Ran sagte. Warum sollte er ein Konkurrent sein? Er war es doch, der Ran zu Essen gab und… versuchte ihn aufzupäppeln… was ab und an an Zähnen oder Krallen scheiterte oder schlicht und ergreifend am Misstrauen des Katerchens. „Wollen wir das Eis draußen essen?“ Die letzte Nudel in den gierigen Schlund seines Magens ziehend, nickte Ran begeistert. Draußen klang gut… vor allen Dingen, da es warm war und die Sonne noch schien. Ran war schier verrückt nach der Natur außerhalb dieser Fenster, als wolle er das nachholen, was er in fünf Jahren verpasst hatte. „In dem wackelnden Stück Stoff?“, fragte er frech und sich weit mehr zutrauend, als er vermutlich bewältigen konnte. Aber er dachte eher an die Variante Schu auf diesem Stoff und er irgendwo in Sicherheit daneben - mit dem Eisbottich. Kleine Fangzähne zeigten sich vor Vorfreude und violette Augen strahlten in schelmischer Spiellaune. Oh Man, wie konnte man diesem Jungen etwas abschlagen? Diesen glitzernden, strahlenden Augen? Und diesem frechen Lächeln? „Klar, wenn du willst? Ich setze mich dann daneben und seh dir zu!“, beschloss Schuldig und ging zum Eisfach, holte das Schokoladeneis hervor. Seine Gedanken waren jedoch weitaus weniger harmlos als seine Worte. Sie waren getrübt von der Frage nach dem Warum. Warum hatten sie dieses Wesen so verändert? Nein, nicht verändert… so geschaffen? So allein und…so… traurig. Ein Kind in einer kalten Welt, ohne Chance dort leben zu können. Er ahnte, wie Ran sich fühlen musste. Diese Situation war Schuldig nicht ganz fremd. Ran wusste nichts von Schus Gedankengängen, doch er spürte instinktiv, dass hinter der lebhaften Schicht des Mannes etwas anderes lauerte. Er konnte es nicht benennen, so beschloss er, es zumindest zu verscheuchen. Gesittet nahm er ihrer beider Schalen und stellte sie in die Spülmaschine, wie er es sich bei Schu abgeschaut hatte. Ebenso die Stäbchen und alles andere, was dort hinein zu gehören schien. Alleine sein Blick verriet, was er wirklich plante und das war die Entführung des Eises. Violette Augen gierten stumm nach der Süßigkeit, als Ran immer noch unschuldig zwei Löffel hervorholte, für Schu natürlich auch, seinen aufnahm und dann mit ihm und dem Eisbottich in Richtung Terrasse stiften ging. „Ich schau zu!“, warf er noch zurück und hatte bereits einen der riesigen Korbsessel okkupiert, die in der Nähe standen. Schuldig kam etwas langsamer hinterher und schmunzelte in sich hinein, gab sich aber nach außen hin nachdenklich. „Hast du Angst dich in die Hängematte zu legen?“ Den Löffel mit einer großen Portion Eis noch zwischen den Lippen, schüttelte Ran den Kopf, warf einen Blick auf das unschuldig aussehende Stück Stoff. „Nein, eigentlich nicht“, erwiderte er und runzelte die Stirn, nun seinerseits nachdenklich. „Ich schaue lieber zu!“ „Also mit anderen Worten, du hast Schiss!“ Klarer Fall, da gab es gar nicht viel drumherum zu reden. Siegessicher setzte sich Schuldig in einen Korbsessel halb Ran gegenüber und legte den Kopf in den Nacken, genoss die letzten Strahlen der untergehenden Sonne. "Habe ich nicht!", kam es ausdruckslos, aber mit einem leichten Hauch an Empörung von dem rothaarigen Katzenmenschen. Ein weiterer Löffel mit Eis verschwand zwischen den Lippen. "Nicht davor! Nur hier ist es angenehmer." „Das hätte ich an deiner Stelle jetzt auch gesagt“, gab Schuldig provozierend zurück und seine Hände langten nach dem Eisbottich, der außen nass und beschlagen war. „So mein Lieber, jetzt gibst du mir auch was davon ab“ Nämlich zuzulassen, dass der Kater hier – so unterhaltsam es war, ihm zuzusehen – genussvoll und fleißig das ganze Eis verschlang kam gar nicht in Frage. Doch noch bevor Schu seine Hände an das kostbare Gut legen konnte, hatten es flinke Finger vor den Eindringlingen in Sicherheit gebracht. Rans Augen glitzerten, als sein Spieltrieb geweckt wurde... aber warum es genau jetzt so war, wusste er nicht. Es war nur... heilsam. "Hol's dir!", sagte er dreist und kleine spitze Zähne zeigten sich. Das Eis entglitt seinem Zugriff und verschwand in luftige Höhen. „Ran…damit macht man keinen Spaß. Einem Schwerverletzten das wohlverdiente Essen zur Genesung vorzuenthalten ist strafbar, weißt du das?“, behauptete er stocktrocken und legte seinen Kopf fragend schief, das Gesicht voller Sorge über das Nichtwissen seines… Haustierchens. Violette Augen weiteten sich und Ran ließ das Eis wieder sinken. "Man kann dafür ins Gefängnis kommen?", fragte er unschuldig und lehnte sich etwas vor, in völliger Aufmerksamkeit. Schneller als Schu jedoch nach dem Eis greifen konnte, war er aufgesprungen und stand nun auf der anderen Seite vom Tisch. Mit dem Eisbottich. "Glaub ich nicht!" Und wieder verschwand ein Löffel zwischen seinen Lippen. Aber Schuldig blieb sitzen. Er war heute einfach zu fertig für Katz- und Mausspielchen. Seine Schulter brannte und er fühlte sich zu verspannt als dass er hier gut gelaunt durch die Gegend – einer Katze hinterher - laufen wollte. Er lachte gutmütig auf und seine Augen wärmten sich in dem verspielten Anblick. „Es stimmt auch nicht, Kleiner. Lass dir das Eis schmecken, aber lass mir ein paar Löffel übrig, ja?“ Schuldig ließ sich bequem in seinen Sessel zurück und entspannte sich. Das passte nun gar nicht zu Rans Konzept des Jagens, wie er zugeben musste. Er legte seinen Kopf leicht schief und betrachtete sich den Mann im Sessel. "Und was passiert, wenn nicht?", fragte er in einem letzten Versuch, Schu nun doch etwas zu triezen, vor allen Dingen da der andere ihn schon wieder beschummelt hatte. Schuldig lachte laut auf, verzog aber sogleich das Gesicht, da ihm das Atmen und vor allem das Lachen wohl nicht so gut taten. Aber beides wollte er nicht missen… „Dann kaufe ich dir keines mehr, ist doch klar! Ich könnte dir auch all deine Kuschelkissen wegnehmen“, überlegte er mit schmunzelndem Gesichtsausdruck. Also DAS nahm Ran sehr ernst. "Die Kissen...?", fragte er lauernd. "Alle?" Er runzelte die Stirn, teilweise auch ob des Schmerzes, der kurzzeitig in Schus Gesicht stand. "Das würdest du nicht tun!" Aha. Ein wunder Punkt. Sehr gut, lobte Schuldig seine Kreativität und lehnte seinen Kopf zurück in den Korbsessel, die Beine auf den Hocker ablegend und es sich bequem machend. „Und… wie kommst du darauf, dass ich das nicht tun würde?“, fragte er tatsächlich erstaunt. Er hätte sogar überhaupt kein Problem damit. „Die Kissen sind alt und ich wollte sie schon lange wegwerfen.“ Und wie sich die violetten Augen zu Schlitzen verengen konnten... wie sie funkeln konnten. "Sie sehen nicht alt aus und sie riechen auch nicht so. Du sagst nicht die Wahrheit", erwiderte Ran und kam ein paar Schritte näher. "Wieso wirfst du sie weg, obwohl sie noch gut sind? Das ist Verschwendung." In aller Ehrlichkeit kritisch musterte Ran den Sitzenden. Das Objekt der kritischen Musterung war die Ruhe selbst, wobei das Funkeln in den Augen ein wenig Sorge aufkommen ließ, die Schuldig jedoch in sich verbarg. „Sie lagen früher im Wohnzimmer, ich habe sie verbannt, weil ich sie wegwerfen wollte und jetzt hast du sie. Wärst du später gekommen, wären sie jetzt längst auf der Müllkippe. Magst du die Kissen so gern?“, fragte er mit eindeutig spielerisch drohender Note. Ran hörte eben diese Note heraus und wäre er wirklich eine Katze gewesen, hätten seine Ohren ob diesem Ton gezuckt. Er kannte ihn, hatte ihn schon früher gehört, früher, als er noch naiv auf ihre Versuche und Tests reagiert hatte. Früher hätte er solche Fragen vorbehaltlos mit ja beantwortet, heute wusste er es besser. Es gab ihnen... ihm Mittel, ihn unter Druck zu setzen, Versuche mit ihm zu machen, ihm... "Nein", erwiderte Ran und der vorherige Spieltrieb fehlte dieses Mal völlig in seiner Stimme. Seine Mimik war ausdruckslos, gar unbeweglich, als er das Eis auf die Mitte des Tisches stellte, sich auf einen der Sessel Schuldig gegenüber niederließ. Das Spiel war aus, wie Schuldig bemerkte und sein Kopf rollte zur Seite um den Stubentiger zu mustern. Eine Weile schwieg er. Dann jedoch… „Ran… was ist los?“, fragte er im sanften Tonfall. „Du… weißt doch, dass wir Spaß machen, oder? Wenn du mir mein Eis wegnimmst, dann nehm ich dir deine Kissen weg, ist doch fair meinst du nicht?“ Es fehlte das Vertrauen, das wusste Schuldig, aber es ließ sich nicht in zwei Tagen ändern. So etwas brauchte Monate oder gar Jahre. Fair... Schus Ton hatte ihn an Dinge erinnert, die nicht fair gewesen waren. Er hatte das übertragen und war jetzt immer noch vorsichtig. Doch wie Schu sagte... war es nur Spaß, den sie trieben? Ran wusste es nicht zu unterscheiden, dafür war er noch zu unerfahren. "Ja, das ist fair", nickte er, auch wenn er nicht wollte, dass die Kissen weggeworfen wurden. Er mochte sie... sie waren Farbe, sie waren Gemütlichkeit. Sie waren die erste Farbe seit Jahren gewesen, die er gesehen hatte. Aber sie waren Schuldigs Kissen, nicht seine. Seufzend hob Schuldig seine Beine vom Hocker und stand umständlich auf. Vorsichtig näherte sich seine Hand dem Haarschopf und strich kurz über die Haare am Hinterkopf. „Na komm, lass uns rein gehen, oder möchtest du noch hier bleiben und dein Eis essen? Ich könnte den Kamin anwerfen.“ Er spürte, dass es in dem Wesen arbeitete und er war es, der diesen Spaß in den Augen vertrieben hatte. Ein wenig spürte er die Schuld darüber in sich und es schmeckte ihm nicht. Jede einzelne Sinneszelle an Rans Hinterkopf hatte diese Berührung misstrauisch beäugt und schließlich für vorsichtig gut befunden... für anders als andere Berührungen. Ran war leicht angespannt, doch es war eher eine innere Anspannung, die niemand außer ihm wahrnehmen würde. Es war noch ungewohnt für ihn, jemand so nahe an sich zu haben, ohne dass etwas Schlimmes passierte. Um diese Unsicherheit zu überbrücken und zu überspielen griff er sich eben diese Hand und hielt sie in der seinen, betrachtete sich den Verband, der sich um den Handrücken schlängelte. Er wusste, dass darunter seine Bisswunde ruhte und so, als wenn er sehen könnte, was dahinter geschah, inspizierte er sie kritisch, bevor er sie losließ Erst dann widmete er sich den Worten des anderen. Kamin? "Klingt gut! So richtig warm... und mit Feuer?" Schuldig lachte und griff sich die sauberen Schüsseln samt Löffel und wandte sich ab um hineinzugehen. „Ja… so richtig. Und… vergiss das Eis nicht, wenn du herein kommst.“ Er ging in die Küche und verstaute die Schüsseln im Schrank. Er hatte keine Lust mehr auf Eis, denn er war einfach schon zu müde. Schuldig freute sich schon auf sein Bett, denn er war wirklich reif dafür, doch sie hatten noch einen kleinen Programmpunkt auf der Liste abzuarbeiten. Die Liste der heutigen Katastrophen, wohlgemerkt. Nur… er glaubte, dass sie dies wohl auf Morgen verschieben würden und dass er aufgrund seiner tollen Idee am Kamin einschlafen würde. Er konnte dem anderen seine so voreilig offerierte, feurige Idee jetzt nicht mehr abschlagen. Wie brav Ran Schu folgte, als dieser hineinging und wie schnell das Eis wieder in die Kühltruhe geräumt worden war. "Soll ich helfen?", fragte er in den Raum hinein. "Du siehst müde aus." Wie ein Mann, der gerade seine Zähne und Krallen zu spüren bekommen hatte, so sah Schu aus. „Es geht schon.“ Schuldig ging an Ran vorbei ins Wohnzimmer und bereitete alles für das Feuer vor, was sehr langsam und auch mit einigem an Zähnezusammenbeißen vonstatten ging. „Holst du uns von oben zwei Decken herunter?“, wandte er sich an Ran, als das Feuer in Gang kam und er die Abdeckung verschloss. Mit kritischem Blick auf Schu setzte sich Ran langsam in Bewegung und machte sich vorsichtig auf den Weg die Treppe hinauf. Währenddessen warf er immer wieder einen Blick zu dem anderen zurück, als könne er dadurch erfahren, ob Schu gleich zusammenbrechen würde. Gerade deswegen hatte er fluchs die gefragten Decken an sich genommen und befand sich schon auf dem Weg nach unten, als er sich anders entschied und noch an etwas dachte. Samt den Decken verschwand er im Badezimmer und suchte nach dem Arzneimittelkoffer, förderte ihn schließlich zutage und durchwühlte ihn nach den Medikamenten, die er bei Schu gesehen hatte. Wieso konnte auf den Pillendöschen nirgendwo stehen, ob es Schmerzmittel waren, er kannte sie doch nicht! Frustriert darüber nahm er einfach alle Döschen, die er fand, mit und ging damit nach unten, ließ sich vor dem Kamin nieder. Und verstreute seinen Schatz vor Schuldig, der das Feuer beobachtete und sich gerade hatte erheben wollen, als Ran samt Decken und Döschen bei ihm angekommen war. Der unglückliche Blick und das Schweigen weckten in Schuldig erneut ein warmes Gefühl. Schon seltsam wie ein Wesen, welches so offen mit seinen Gefühlen umging und selten etwas verbarg, ihm so gut tun konnte. Er besah sich die Döschen und zog das Kleinste aus dem Sammelsurium heraus. „Das hier ist das Richtige. Die sind stark, machen aber auch müde. Deshalb nehme ich nur eine davon“, erklärte er eindringlich und erhob sich um sich ein Glas Wasser aus der Küche zu holen. Er lächelte dabei und zwinkerte. „Danke, das war sehr aufmerksam von dir, Ran.“ Ein Lob hatte noch niemandem geschadet, vor allem Ran nicht, der so etwas wohl eher selten gehört hatte und wenn, dann nicht im positivem Sinne, konnte sich Schuldig vorstellen. Der rothaarige Japaner konnte nicht verhindern, dass eben genau wegen dieses Lobes sich ein leises, überraschtes Schnurren seinen Weg nach draußen bahnte, bevor er es wieder einstellte. Es tat gut, tief in ihm drin, sehr gut sogar und die Worte machten ihn stolz auf sich selbst. Es war nur etwas Kleines, das wusste er, doch er war in der Lage, daran zu denken. "Du sahst so aus, als ob du sie bräuchtest", sagte er etwas ratlos und räumte die restlichen Döschen beiseite, breitete danach die Decken aus. „Bringst du mir die restlichen Döschen her, bitte? Nicht das sie verloren gehen“, fügte er leiser an und sah wie Ran eifrig die Decken auf dem Teppich vor dem Kamin ausbreitete. Schuldig schüttelte nachsichtig den Kopf. Wie ein Kind… dachte er Ran beobachtend, bevor er sich abwandte und aus dem Schrank ein Glas holte, es füllte und dann mit dem Wasser die Schmerztablette schluckte. Als Schu wiederkam, lagen die Döschen auf der Decke, fein säuberlich auf einem ungeordneten Haufen. Damit auch ja nichts verloren ging. Ran selbst saß neben ihnen und las sich die Beschreibungen auf den Etiketten durch, die Namen, die ihm nichts sagten. "Was ist das alles?", fragte er neugierig. Anstatt sich auch auf den Boden zu setzen, bevorzugte Schuldig die Couch. Er war sich nicht sicher ob ihm der Teppich nicht doch etwas zu ungemütlich war mit seiner lädierten Schulter. Vorsichtig zog er die Beine auf die Längsseite der Couch, und lehnte sich an die Lehne an. „Ein paar Tabletten gegen Übelkeit, etwas gegen Schlafmangel… die meisten Tabletten sind Beruhigungsmittel und dann noch Schmerzmittel.“ "Das ist viel", meinte Ran nachdenklich und sein Blick ruhte auf den Medikamenten. Er kannte die Begriffe, wusste mit allen etwas anzufangen... aus persönlicher Erfahrung. Sie hatten vieles an ihm getestet. Er hatte vieles nicht vertragen. Wärme schlich sich langsam über seine Haut und ließ ihn schaudern... so direkt hatte er Hitze lange nicht mehr spüren können, nicht in ihrer Urgewalt, hatte er doch immer diesen Anzug gehabt, der ihn vor Kälte geschützt hatte. Ran fuhr sich über die Hose, die er trug und sie er immer noch mit leichtem Unwohlsein anzog, war sie doch trotz ihrer Weichheit leicht kratzig. Ebenso wie die Socken, zu denen er sich zwang. Er wollte schließlich... menschlich sein. Schuldig beobachtete Ran von seiner gemütlichen Lage aus. „Ist dir zu warm?“ Er konnte es sich zwar nicht vorstellen, denn Ran saß nicht zu nahe am Kamin, aber er konnte vieles an diesem Halbwesen nicht von sich selbst ableiten. "Nein, es ist nur ungewohnt und komisch", sagte Ran mit einem Blick auf die knisternden Flammen, die gerade an einem kleinen Holzscheit züngelten. Er schwieg einen Moment. "Zuhause hatten wir auch einen Kamin." Seine Augen starrten abwesend ins Feuer. Ja, den hatten sie gehabt. „Kommst du mal kurz her, Ran? Und wenn ja, dann bring die Pillen mit, bitte.“ Schuldig korrigierte seine Lage und setzte sich wieder mehr auf. Langsam wirkte das Mittel und er konnte freier durchatmen. Ran wusste zwar nicht, warum er aufstehen sollte, tat es aber aus reiner Neugier. Auf dem Weg zu Schuldig, nahm er die Pillen auf und platzierte sie neben dem anderen auf die Couch. Er selbst blieb vor ihr stehen und sah den Telepathen fragend an. So geheimnisvoll wie seine Aufforderung auch gewesen sein mochte, so wenig dramatisch zog er jetzt seine Füße von der Couch und stellte sie vor Ran ab. Langsam nahm er dessen Hände in seine und sah zu ihm auf. Sein Blick war ernst und streng. „Versprich mir bitte, dass du keine Tabletten oder sonst etwas Derartiges zu dir nehmen wirst ohne mich zu fragen.“ "Wieso sollte ich sie nehmen?", fragte der andere voller Erstaunen nach. Sein Blick ruhte auf ihrer beider Hände, dann auf dem ernsten Blick des anderen. "Ich mag so etwas nicht." Ran besah sich das Gesicht Schus noch etwas eingehender, versuchte herauszufinden, warum der andere Mann ihm so ein Versprechen abnahm. "Aber ich verspreche es dir", schob er schließlich nach. Diese Musterung bemerkend drückte Schuldig die Hände noch einmal, bevor er sie wieder entließ. „Gut, versprochen.“ Er legte sich wieder hin, nutzte die Zeit um abzuwägen, was er sagen sollte, auf die Frage. „Manchmal kommt man auf komische Ideen Ran. Aber diese Medikamente machen Bauchweh und Schwindel und man kann furchtbar krank davon werden, wenn man zuviel einnimmt.“ Natürlich und morgen kommt der Weihnachtsmann. Eigentlich konnte man dabei sterben. Und uneigentlich auch. Und manch einer bezweckte diesen Umstand, indem er zuviel davon einnahm. Aber er hatte nicht vor, Ran auf diese Idee zu bringen. "Das weiß ich... doch." Er ging wieder zu den Decken und ließ sich darauf nieder, setzte sich mit dem Rücken zum Feuer in Schus Blickrichtung. "Hast du zuviel von ihnen genommen schon mal?" Schuldig blieb bei der harmlosen Darstellung seiner Version. „Ja, es kam schon einmal vor. Deshalb wäre es gut, wenn du es vermeidest.“ Was für eine Untertreibung, lachte es zynisch in ihm. Sein Gesicht drückte jedoch nichts außer Harmlosigkeit aus. Und er bemühte sich redlich, dies beizubehalten. "Wieso hast du zuviel genommen?", hakte Ran nach, seine volle Aufmerksamkeit nun auf dem anderen Mann. Er hatte damals bei seiner Familie davon gehört, dass sich jemand aus ihrer Nachbarschaft mit Schlaftabletten umgebracht hatte... warum, das hatten sie nicht erfahren. Und bei Schu war es das Gleiche? „Ein Versehen. Ich dachte ich könnte noch ein paar nehmen, um die Wirkung zu steigern, ich hatte Schmerzen. Aber mir ging es danach schlechter. Mir war Übel und mir war schwindlig.“ Schuldig schloss die Augen und atmete tiefer durch. Er war so verdammt müde heute. Welch eine Aufregung den ganzen Tag schon. „Morgen… sehen wir uns zusammen die Datei an, ja?“ Oh... das war auch eine Möglichkeit. Daran hatte Ran nicht gedacht. "Sie sind nicht gut", wiederholte er wie in Gedanken und schnupperte leicht. Der schwache Geruch von Blut lag in der Luft, als er die folgenden Worte des anderen vernahm und es ihm kalt über den Rücken lief. "Ja... morgen." Am Liebsten gar nicht, nie. Doch jetzt war es zu spät. „Keine Angst. So schlimm wird es sicher nicht sein. Es kann dir doch hier keiner was tun“, murmelte Schuldig halb dösend, die Lider nur soweit angehoben wie er den warmen Schein des Feuers erkennen konnte. Den Blick auf das müde Gesicht gerichtet, dachte Ran über Schus Worte nach. Es war schlimm, noch nicht einmal aus dem Grund, dass ihm hier niemand etwas tun konnte - was er nicht glaubte. Wenn er an den schwarzhaarigen Mann dachte. Nein. Er vertraute nicht. Doch ganz davon ab, war es auch so schlimm... sehr schlimm. Er wollte nicht sehen, wie sie die Versuche aufgenommen hatten, die sie mit ihm gemacht hatten. Er empfand sie nach wie vor als Demütigung. Als Ran aus seinen Überlegungen wieder in die Realität kam, bemerkte er, dass Schu eingeschlafen war und dass sich die Brust des anderen leicht hob und senkte. Nahezu friedlich sah der Telepath aus, wie er hier lag und nun leicht schnorchelte. Ran kam etwas näher, wollte jede Einzelheit des Gesichtes, des Menschen in sich aufnehmen und studieren. Tagsüber hatte er nicht die Gelegenheit dazu... jetzt schon. Und er nahm sich ausgiebig Zeit dafür, bis er schließlich seine Hand hob und mit den Fingerspitzen über eine rote Strähne strich, die auf der Couch lag. Es war pure Neugier, die ihn dazu trieb, diese Haare zu erfühlen, purer Forscherdrang... der jedoch damit endete, dass eine seiner Klauen ein paar Zentimeter der Strähne abtrennte. Rans Augen weiteten sich. Oh... Es war nicht viel... vor ein paar Momenten hätte es noch mehr sein können... aber... oh... Hastig nahm er die nun abgetrennten Haare an sich und stand auf, entsorgte sie draußen auf der Terrasse, damit es so aussah, als wäre nichts passiert. Vielleicht würde es Schu ja auch nicht merken... so viele waren es nicht gewesen. Für den Rest der Nacht ließ er sich - nachdem er das Licht gelöscht hatte - in einem Sicherheitsabstand von Schu nieder und nahm ein neues Buch zur Hand. o ~ „…Datei wird geladen“, las Schuldig und lehnte sich in dem Sessel zurück. Sein Blick ging zum… er konnte es nicht mehr zählen wie oft schon… nach draußen in den Garten. Ab und an sah er Ran dort wie er durch das Unterholz streifte und dann wieder im Gras lag und die herbstliche Sonne auf sich scheinen ließ. Es war Nachmittag und Schuldig wollte das Ansehen der Datei nicht mehr länger aufschieben, aber Ran wäre danach sicher nicht gut drauf. Darüber grübelnd kam ihm eine Idee und er erhob sich. Er war heute morgen Einkaufen gewesen und hatte… eine Kleinigkeit besorgt aber… er hatte damit noch warten wollen. Nun ja, aber warum nicht gleich… es gab sicher keinen schlechteren oder besseren Moment für diesen… kleinen Spaß. So versicherte er sich nochmals, dass Ran gemütlich in der Sonne lag, bevor er hinunter in die Küche eilte und die Tüte hervorholte, die er dort im obersten Schrank gebunkert hatte. Still schlich er wieder nach oben. Wobei das Schleichen eher normales Gehen war und er – seiner Schulter sei Dank – noch immer Schmerzen hatte. Er ging in Rans Zimmer und präparierte sämtliche Kissen, die er dort fand mit einer großen roten Schleife. Jeder der schmückenden Bänder bekam eine Süßigkeit schokoladiger Art verpasst. Nach getaner Arbeit schloss er die Tür und ging hinunter um Ran zu holen… Ran sah auf, als er Schu in der Tür stehen sah. Er hatte es sich hier im Gras bequem gemacht, hatte seine Gedanken schweifen lassen... weit weg von dem, was ihm hier noch bevorstand. Die warme Sonne war dafür optimal gewesen und so erhob er sich jetzt mit einem schweren Seufzen. Er wollte nicht. Er musste. "Jetzt?", war alles, was er Schu fragte, als er bei ihm ankam. Man sah die gekürzten Strähnen nicht... gut. “Ja… jetzt“ Schuldig stieß sich mit seiner unversehrten Schulter am Rahmen ab und ging vor, hinauf ins Arbeitszimmer. „Wo sollen wir's uns ansehen?“ Er hatte nur einen Sessel an seinem Schreibtisch. Wenn sich Ran hinsetzen wollte, mussten sie die kleine Sitzgruppe am Fenster wählen. "Egal!", kam es ungeduldig von dem rothaarigen Japaner und dessen Ausruf war von einer unwirschen Geste begleitet. Er wollte es nur schnell hinter sich bringen. "Setz' dich und sieh es dir an." Er fuhr sich nervös über die Arme und verschränkte diese. Ran wirkte, als würde er gleich davon laufen. Vermutlich war das nicht nur der äußere Schein, resümierte Schuldig innerlich. Er setzte sich und öffnete die Datei. Sie bestand lediglich aus drei kurzen Filmaufnahmen, inklusive verbaler Erläuterungen, des Objektes Abyssinian und eine kurze Anmerkung über das Projekt Isis und die Datei Chavin, die er gerade vor sich hatte. Schuldig wurde Zeuge davon, wie Ran in einem weißen engen Anzug in dem Raum, den er schon kannte, gebracht wurde und die Fesseln dort entfernt wurden. Eine Frau saß in einer Ecke des Raumes, zusammengekauert und ihr Blick flirrte aufgescheucht zu Ran. Ein Wort schallte in den Raum „Abyssinian“ und Ran… er machte sich an die Frau ran… und wie…er zerriss ihre Kleidung, packte sie im Nacken, warf sie herum und kam über sie. Noch bevor mehr passieren konnte wurde der Versuch abgebrochen und die beiden getrennt. Die zweite Datei öffnete sich und Schuldig sah Ran alleine im Raum. Wieder lief das gleiche ab und Ran gebärdete sich eindeutig so, als wäre er sexuell erhitzt und wüsste nicht wohin damit. Eine männliche Stimme… Schuldig erkannte den Leiter des Labors in ihr … erläuterte, dass es bei diesem Versuchsobjekt wohl zu einer Fehlentwicklung gekommen wäre. Anstatt des Tötungsbefehls hatte sich eine Art sexueller Bereitschaftsbefehl entwickelt. Ran war auf dieses Wort Abyssinian konditioniert. Mit „Ran“ war dies wieder auszuschalten. Ran durchlief es heiß und kalt anhand dieser Datei, dieser Erinnerungen und dem Wort... diesem einen Wort, auf das er eben reagiert hatte. Er hatte es gespürt, wie diese andere Seite in ihm aufgekommen war, dieses Unbeherrschte, Tierische... und gleich darauf war der Instinkt, Schuldig als sexuelles Objekt zu sehen, wieder verschwunden, vernichtet durch seinen Namen. Ihm war schlecht, als er die Filmbrocken sah, als er sah, was er war und was währenddessen mit ihm geschah. Er taumelte ein paar Schritte zurück und zog sich zurück auf die Sitzecke am Fenster, die Beine zu sich nach oben gezogen. Ein Tier. Auf diesen Dateien sah man ein Tier, losgelöst vom menschlichen Verstand. ER war dieses Tier. Er... nur er. "Die Frau...", sagte er schließlich in die Stille hinein, seine Stimme rau und in Gedanken versunken. "Sie hatte soviel Angst... sie hat geweint. Sie hatte Angst vor mir. Ich wollte ihr nichts tun, aber ich... auf dem Video... Sie haben sie umgebracht. Einfach so." Schuldig bewegte seine Finger auf dem Touchpad um damit den Ton aus zu stellen und sich auch noch den Rest dieser Datei und der Nächsten anzusehen. Hier sah man deutlich, wie tierhaft Ran agierte. Schuldig spulte die Datei erneut ab, in der Ran alleine war. Mal abgesehen von dem Zähnezeigen und den Pupillen, den überlangen Nägeln, die er in die künstlichen Scheiben schlug… auch seine Bewegungen waren so, als hätte er keine menschlichen Knochen im Leib. So geschmeidig und grazil. Das offene lange Haar, das wild über eine Seite seines Rückens floss… Schuldig schloss die Datei, brannte sie mit den anderen Daten auf eine andere Disc und löschte den Rest von seinem Rechner. Erst dann sah er zu Ran auf, der dort hinten saß und sich umarmte um einen Halt zu haben und vielleicht auch etwas Wärme. Schuldig hatte die Worte deutlich gehört, reagiere aber erst jetzt darauf. Bevor er aufstand, betrachtete er sich die traurige Gestalt für einige Augenblicke um sich zu überlegen, was er dazu sagen sollte. Ähnliches hatte er schon vermutet, aber dass sie es tatsächlich gewagt hatten, aus ihren Züchtungen Tötungsmaschinen zu machen, war dann doch eine herbe Information, die er da vor Augen geführt bekommen hatte. Es zu wissen und es zu sehen waren unterschiedliche Kategorien. Jetzt verstand er auch ihr Verkaufsgespräch mit dem Waffenhändler etwas besser, aber vielleicht hätte Brad besser einen reichen Zuhälter für würdig befinden sollen, witzelte er zynisch in Gedanken, als er zu Ran hinüberging. Er setzte sich in den Ledersessel Ran gegenüber. „Nicht einfach so, Ran. Sie hatten Gründe dafür. Keine guten. Aber sie brachten jeden um, der nutzlos oder gefährlich für das Projekt sein würde. Da gibt es keine höheren Prinzipien, keine edlen Motive. Nichts. Blanke Logik.“ "Und das Beste ist... ich sollte sie töten. Ich war dazu gedacht, sie zu töten... zu zerfleischen. Anstelle dessen bin ich ein fehlgeschlagenes Experiment", sagte Ran, den Blick zum Fenster gewandt, ohne dass er auf die Worte des anderen reagierte. Erst einen Moment später realisierte er das Gesagte. "Ich habe sie so oft töten wollen. Ich habe mir vorgestellt, wie ich meine Zähne in ihr Fleisch grabe und es auseinander reiße. Von jedem einzelnen dieser weißen Monster..." „Nur zu verständlich. Aber dann wärst du genau das was sie beabsichtigen, nicht wahr? Gerade hast du noch gesagt, du hättest die Frau töten sollen und nun sagst du, dass du gerne jemand anderen hättest töten wollen.“ Schuldig bedachte Ran mit einem nachdenklichen Blick, bevor er sich einen Ruck gab und sich erhob. Er streckte Ran die Hand hin. „Komm. Steh auf, ich möchte dir etwas zeigen. Denk nur an eines: Tötest du einmal, wirst du wieder töten.“ Das stimmte... ja, vielleicht stimmte das wirklich. Er würde dann nicht mehr aufhören können, weil er Blut geleckt hatte. Ran besah sich die ihm hingestreckte Hand. Vor ein paar Tagen... war es gestern gewesen... hatte er sie gebissen. Nun nahm er sie an und ließ sich hochziehen, seine Krallen vorsichtig gestreckt, damit sie nicht verletzten. Nach und nach wischte er die schrecklichen Erinnerungen an die Frau und die Versuche aus seinen Gedanken, schob sie wieder zurück, wo sie vorher gewesen waren: ganz weit weg von seiner jetzigen Realität. "Was willst du mir zeigen?" Schuldig hob die Braue aufgrund des traurigen Gesichts. „Na… ich dachte immer, Katzen wären neugierig? Aber du scheinst ja weit davon entfernt zu sein“, neckte er um der trüben Stimmung zu entkommen, die zwischen ihnen lastete. Er würde später über die Probleme, die aus dem Wissen der Daten entstanden waren nachdenken. Später, nicht jetzt. "Aber ich bin doch neugierig!", hielt Ran dagegen, die Stirn runzelnd. Er zeigte Interesse an dem, was der andere vorhatte, oder nicht? "Deswegen will ich ja wissen, was du vorhast." Hoffentlich nichts Schlimmes, sagte etwas in ihm, nein, schrie es hinaus und Ran schauderte innerlich ob dem leisen Verdacht, der in ihm aufkeimte. Schu würde nicht... oder? Nein, er hatte schließlich gesagt, dass er nicht würde. Dass er ihm vertrauen sollte. Aber das hatten schon andere gesagt. Doch Ran war gewillt, sich zu ändern. Es war nicht ganz überzeugend, also musste etwas anderes für Schuldig sprechen. Er zog Ran aus dem Raum hinaus und über den Flur in dessen eigenen Raum. Davor blieb er stehen. „Augen zumachen“, lächelte er und drückte die Hand behutsam, versichernd. „Es ist nichts Schlimmes.“ Nichts Schlimmes? Etwas war in seinem Raum und genau das war nicht schlimm? Ran bezweifelte das nun wirklich, schloss aber seine Augen. Dass er nervös war, merkte man ihm an, dazu war seine innere Unruhe viel zu deutlich nach außen hin zu sehen. "Was ist es denn?", fragte er noch einmal, doch er hatte wenig Hoffnung, dass Schu ihn erlöste. Schuldig ließ die Hand los, umfasste Ran aber an den Schultern mit seinen Händen. „So… wirst du gleich sehen, sobald du die Tür öffnest“ Er freute sich selbst schon über das Gesicht, das Ran machen würde. Zumindest hoffte er auf ein paar glücklich strahlende violette Augen. Aber noch standen sie vor der verschlossenen Tür und dahinter würde alsbald ein rotbuntes Farbenmeer erblühen. Zugegeben... Ran konnte es nicht abwarten, was hinter dieser Tür warten würde. Dementsprechend flink hatten seine Hände auch die Klinke gefunden und drückten sie herunter. Die Tür quietschte leise, beinahe unhörbar, was sie immer tat, wenn sie aufging und Ran stand da. "Ich sehe nichts... meine Augen sind noch zu!" Schuldig rollte mit den Augen. „Ich dachte du wärst neugierig?“, meinte er lachend den Kopf schüttelnd. Da waren sie die bunten Kissen mit den dicken roten Schleifen, und den Süßigkeiten die mal versteckt mal sichtbar in den Bändern steckten. "Darf ich denn jetzt?", fragte Ran noch einmal nach, zur Sicherheit, da er nicht genau wusste, ob Schu ihn einfach neckte oder ob es das Signal war, die Augen zu öffnen. Seine Stimme hatte einen leicht...anderen, ja gar quengelnden Klang. Oh Gott. Der war ja brav. Schuldig vergaß seinen Spott und schaute ernst auf Rans Profil. „Ja du kannst sie jetzt öffnen“, gab er den eindeutigen Befehl. Wie es ihm schien. Jeder andere hätte bereits gelinst. Also er hätte gelinst. Aber Ran? So viel Unschuld in einer Portion Mann. Kater. Also… innerlich seufzend schob er das Thema weg. Schwupp, da waren die Augen offen. Es ging ganz schnell, ganz fix versuchte er alles in diesem Zimmer aufzunehmen um seine Neugier zu befriedigen. Doch da war viel zu viel... da musste er zweimal hinschauen... dreimal, näher herangehen, damit er sich bewusst wurde, was das hier war. Obwohl... eigentlich wusste er es nicht Recht. "Was...?", entkam es ihm, als er durch den Raum streifte, überall die bunten Kissen sah, die mit roten Schleifen verziert waren. Jedes einzelne! Und was war daran befestigt? "Süßes...", murmelte er zu sich selbst, die Augen groß und die Wangen vor plötzlicher Aufregung rot. "Was ist das?", drehte er sich zu Schu um und sah den anderen durchdringlich an. Der ein stilles Lächeln auf seinen Lippen trug und sich an den rot gefärbten Wangen gar nicht satt sehen konnte. „Ein Geschenk. Ich schenke dir die Kissen. Sie gehören jetzt dir. Und weil zu einem Geschenk immer Schleifen und etwas Süßes gehören, muss es natürlich hier auch seine Richtigkeit haben.“ Gehören... Schenken... Worte, die für Ran zunächst keinen Sinn ergaben, eben weil er sie solange nicht mehr gehört hatte. Schon gar nicht in Bezug auf sich. Und nun? Nun hatte Schu ihm diese Kissen geschenkt? Genau diese, wo er vorher noch gedacht hatte, der andere könne sie dazu benutzen, ihn zu erpressen? Dazu... dazu noch die süßen Sachen, die er mit seinen Augen überall, an jedem Kissen auf dieser Schleife wahrnahm. Ran sah Schuldig in die Augen und erkannte Ernst dort. Es war wirklich so. Wie schon Tage zuvor, merkte er das salzige Nass auf seiner Wange erst, als es ihn am Kinn kitzelte. Er hatte noch nicht einmal das Brennen in den Augen gemerkt, aber er war doch gar nicht traurig... er freute sich doch. Wieso...? Oh. Damit konnte er nun wirklich nichts anfangen. Tränen. Das war… nicht so sonderlich gut für Schuldigs gewohnt souveräne Seite – ich mache alles mit links. Von wegen. Seine Linke war in die Hosentasche seiner Jeans geschoben, die Rechte lehnte am Türrahmen, von dem er sich nun löste und die paar Schritte zu Ran überbrückte. Als er vor ihm stand, überwand er den restlichen Abstand, indem er Ran mit seiner freien Hand an sich zog. Möglichst unverfänglich, möglichst nicht bedrohlich. Er strich ihm über den Rücken. „Hmm… freust du dich nicht?“ Jeder würde sich doch freuen, aber so wie Ran hier stand, das Gesicht ausdruckslos und still weinend, war er sich nicht mehr sicher. „Ich dachte du würdest dich freuen… du… kennst doch noch nicht alle Sorten. Nur Schokolade… aber das sind alles unterschiedliche Riegel… damit du auch andere Sorten kennen lernst. Das ist doch nicht schlecht, oder?“ So ganz sicher war er sich da nicht. Aufgrund der Versuche im Labor konnte jede neue Szene alles Mögliche in dem… Mann wachrufen. Das stillte Rans Tränen nicht, ganz im Gegenteil. Er war einfach erschlagen von der Mühe, die sich Schu gab... mit IHM gab. Wegen ihm, wegen so banalen Dingen. Er hatte ihm Schokolade geschenkt, verschiedene Schokolade, damit er alles kennen lernte. Das war traurig und schön, sehr schön, zugleich. Nein, eigentlich war es wunderschön. "Ich freue mich", sagte Ran leise, als müsse er es noch einmal wiederholen, als müsse er es ihnen beiden bestätigen. Nun... Schu zumindest schon. Dem Mann, der ihm so nahe war. Er spürte ihn direkt an sich, doch er hatte nichts dagegen. Denn das Einzige, was er fühlte, war Dankbarkeit. "Das ist so schön..." Fortsetzung folgt… Vielen Dank für’s Lesen. Bis zum nächsten Mal! Coco & Gadreel Diese und unsere anderen Geschichten findet ihr auch unter http://gadreel-coco.livejournal.com Viel Spaß beim Stöbern! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)