Der Glasgarten von Gadreel_Coco (Kitten in the house) ================================================================================ Kapitel 1: WEIß --------------- TEIL 1:#WEIß Forschungsstation pazifischer Ozean Weiß. Die Wolken waren weiß. Schnee war weiß. Blüten einer Blume im Frühling waren weiß. Vieles war weiß, das sich draußen befand, draußen in der Welt. Die Sonne war gleißend weiß, wenn er in sie hineinsah. Zumindest erinnerte er sich daran. Meinte er sich zu erinnern. An das Weiß, an die Geräusche, an die Gerüche. Hier…hier war alles still. Aber weiß. Still und weiß. Auch wenn ihre Stimmen immer und immer wieder kamen und ihn holten, wenn sie ihn ANFASSTEN, ihn mit sich NAHMEN, wenn ihre Augen in ihn HINEINSAHEN. Auch dann war es weiß, real und irreal weiß. Es zischte leise, ein Fauchen fast. Von wem? Von ihm. Ihm selbst. Wem sonst? Hier war niemand, jetzt, momentan, noch nicht. Sie würden kommen, doch nicht jetzt. Jetzt war er im Weißen… alles, ohne Ränder, ohne Macken, ohne alles. Übergangslos, haltlos, sinnlos. Auch wenn er Bewegung in das Weiß brachte, änderte sich nichts, er konnte gehen, ein paar Schritte, dann stehen bleiben und alles war gleich. Gleich und begrenzt. Ein weiteres Fauchen. Hass… war weiß. Weiß wie diese Kittel, diese Umgebung. Gleißend weiß. Rodrigo Chavez ließ die obligatorischen, enervierenden Sicherheitsscans über sich ergehen bevor sich die gläserne Tür mit der schmucken im grellen Rot leuchtenden Warnung über unerlaubten Zutritt vor ihm öffnete und ihn in das innere Labor der Unterwasserforschungsstation ließ. Eine weitere Sicherheitsmaßnahme stellte sich ihm in den Weg, als er in einen der Sprechapparate eines weiteren Schotts per Stimmanalyse und Retinascan die übliche, letzte Kontrolle passierte. Endlich an seinem Schreibtisch angekommen, prangte noch immer der offene Bericht, an dem er vor dem Beginn seiner Mittagspause gearbeitet hatte. #Projekt Isis/ Datei Chavin Versuchsobjekt der Gruppe Abessinier…# #Das Objekt befindet sich in einem Stadium, in dem wir es einem erneuten Test unterziehen können. Bisher konnten wir keine Anomalitäten in Bezug auf Schwierigkeiten durch die veränderte DNS feststellen, im Gegensatz zu den anderen Objekten gleichen Alters aus demselben „Wurf“, die sich bereits nach kurzer Zeit im Status epilepticus mit rascher Todesfolge befanden. [Siehe vorangegangene Berichte hierzu]# Chavez machte sich eine Randnotiz zu den Querverweisen und fuhr fort. #Wie bereits erwähnt fanden die Gene der Abessinier die beste Verwendung und der Erfolg zeigt sich nun hoffentlich auch im beginnenden Zuchtprogramm. Leider gab es keine geeigneten weiblichen Kandidaten und die einzige weibliche Katze, die in Frage gekommen wäre, fiel vor zehn Jahren der Probleme genereller Gefangenschaft zum Opfer. Somit mussten wir auf die Separation zurückgreifen. Dennoch stellte sich heraus, dass die Entnahme der Eizellen und deren kryogene Erhaltung eine viel versprechende Lösung darstellten. Objekt „Abyssinian“ wird noch heute für die Samenentnahme vorbereitet. Tagesbericht Ende.# Nanosekunden, Millisekunden, Sekunden, Minuten, Stunden, Monate, Jahre, Äonen. Hier. Nichts. Nichts von all dem. Keine Zeit, aber keine Hektik… es kriecht, alles kriecht, alles gleich. Weiß… das Blut, war es auch weiß mittlerweile? Eine durchsichtig scheinende Waffe - so bezichtigt nicht durch ihn - kratzte, wollte sehen, ob er Recht hatte. Nein. Rot, rot auf weißem Stoff. Es gab andere Dinge, die rot waren, die auch Blut waren, aber das war lange her, oder? Er kannte die Zeit nicht, er kannte nur sein Dasein hier… in dem Weiß. Weiß war der Schmerz, der in ihm war von ihnen, ihren Kitteln, ihren Monstern… er zog die Lippen zurück und bleckte die Zähne in stummer Wut. Chavez hatte heute eine Doppelschicht und er - als führender Wissenschaftler - lebte auch wie andere hier auf dieser offiziell nicht existierenden Einrichtung. Die Welt war noch nicht reif für seine Ideen, für seine Revolution, nein Evolution! Mit einem agitierten, beinahe euphorischen Lächeln blickte er durch die schwere Kunststoffscheibe und schob sich die Brille am Mittelsteg weiter auf den Nasenrücken. Das Licht spiegelte sich in den Gläsern und verweigerte so einen Blick in seine Augen. Sofia Müller, seine deutsche Assistentin, kräuselte die Lippen zu einem schmalen Strich, was ihrem hübschen Gesicht einen besorgten Ausdruck verlieh. „Es geht heute schon den ganzen Tag so.“ „Das heißt?“ „Die Überwachungskameras geben eine Zeit von 9 Stunden und exakt 37 Minuten an.“ „Dann setzt die Dosis höher. Es nützt nichts, wenn sich das Objekt selbst verletzt. Wir brauchen ihn unversehrt. Es ist unser Prototyp. Falls wir keine Nachkommen zeugen können, bleibt nur noch dieses Objekt - Abyssinian.“ Die Assistentin nickte nachdenklich. „Wenn wir die Dosis erhöhen, riskieren wir die gleichen Probleme wie schon einmal. Die Depression könnte ihn den Lebenswillen kosten.“ „Dann setzt die Aufheller ein. Verabreicht ihm zusätzliche Aufheller und steigert diese proportional zu der erhöhten Dosis. Aber wartet damit, bis wir das Erbgut gesichert haben.“ „Sollen wir ihn gleich vorbereiten?“ „Ja, ich werde in 30 Minuten hinzukommen. Fixiert ihn gut, ich denke, es dürfte keine Schwierigkeiten bereiten.“ Lächeln. Es bedeutete nichts, hier nicht. Nicht für ihn, denn er lächelte, obschon es gleißend weiß vor Hass war in ihm. Tief in ihm, in seinem ganzen Körper, nur nicht dort, so es wichtig war. Da lächelte er. Schweres Keuchen war in der Stille, sein schweres Keuchen. Wieder. Sie waren da gewesen, hatten ihn geholt, hatten ihn bewegt, ihn unbeweglich gemacht. Nadeln, Schläuche, Gummi… das ihn berührte, verbrannte… mechanisch, klinisch. Und er… gezwungen zu geben. Wieder und wieder. Er gab, konnte sich nicht verweigern. Schändlich. Er lag, im endlosen Weiß. Lag in seiner angeborenen Position. Nicht menschlich. Ein Versuchstier. o~ Das laute sproddelnde Geräusch, welches mittels zweier Trinkhalme aus dem Becher in den Äther produziert wurde, lenkte einige Blicke auf den Verursacher. Einen jungen Assistenten, der scheinbar heute erst mit dem Versorgungsschiff zu ihnen gestoßen war. Feuerrotes Haar in einem wilden Zopf am Hinterkopf eingefangen und ein blasses, attraktives Gesicht eingesäumt von zwei überlangen Strähnen konkurrierten mit dem leuchtenden, amüsierten Grün in den Iriden des Neuankömmlings. Die Lippen zu einem nachlässigen, ironischen Lächeln verkommen nahmen just den Strohhalm erneut in Beschlag und saugten geräuschvoll die Reste des Wassers aus dem Becher, bevor sich der junge Wissenschaftler, samt seinem MP3 Player erhob und die Kantine verließ. Begleitet von neugierigen und auch empörten, aber nicht uninteressierten Blicken der Männer und Damenwelt der Forschungsstation. Die violettblaue Kleidung, die sich der junge Assistent nun überstreifte um nach der hiesigen Vorschrift ins Labor zu gelangen bildete einen schönen Kontrast zu dem roten Haar. Er streifte sich den weißen Laborkittel über, heftete sich seinen Ausweis an und zwinkerte sich im Spiegel zu, bevor er die Umkleiden in Richtung inneres Labor verließ. Tod. War der Tod auch weiß? Oder rot? Rot… rot auf jeden Fall. Er hatte gesehen, dass er rot war, rot von ihnen. Er ging wieder. Zählte. Das hatte er nicht verloren, das war noch dageblieben, das zählen, die Fähigkeit dazu. Er kam nicht weit, dann stoppte er. Drehte sich um. Waren seine Augen mittlerweile auch weiß? Er sah sich nicht… hatte sich schon lange nicht mehr gesehen. Immer nur sein Körper, der weiß war. Weißer, enger Stoff um weiße Glieder. Doch seine Haare… rot. Rot waren sie und lang. Die einzige Farbe hier. Rot wie sein Blut. Rot wie der Tod. War er der Tod? Nein… der Tod hatte heute attraktive Züge und feuerrotes Haar, glühendes Magma, umrahmte helle Haut und paradierte nun mit einer Selbstverständlichkeit, die Ihresgleichen suchte, durch das Schott der höchsten Sicherheitsstufe. Er hatte hier einen Termin. Eine Angelegenheit, die zur Chefsache geworden war und er war nun einmal der Beste für diesen Job. Warum? Nun ganz einfach: Dinge die einem Spaß machten, gingen viel leichter von der Hand… nicht wahr? Hand. Sie sah nicht anders aus, minimal nur, als er sie gegen das Licht streckte. Nur seine Nägel, die nicht sichtbaren Krallen, sie glimmten matt. Waffen waren sie… doch er konnte sie nicht einsetzen. Sie wurden gebunden, immer wenn er nach einem von ihnen langte, wenn er nicht wollte. Nein, sie wurden immer gebunden. Nicht hier, hier konnte er lauern, darauf, dass sie kamen, dass er sie durch das Plastik sah. Er wollte sie anfallen, wollte seine Zähne in sie schlagen, wie in seine Beute. Er wollte weiß sehen… das Weiß der Sonne, des Schnees, der Wolken… jetzt. Mit einem Lächeln auf den Lippen betrat der Tod das Büro von Rodriguez Chavez und der musikalischen Untermalung von Beethovens Mondscheinsonate vollzog er seinen Sensenschlag mit Leichtigkeit. So leicht wie der Abzug, der gerade gelöst wurde, so leicht wie die Kugel aus seiner Luger durch den Schädelknochen des Zielobjekts ging. So leicht wie der Virus in das System gespeist wurde, von schlanken, hellhäutigen Fingern in Windeseile arrangiert. So leicht wie Gedankenwellen Konfusion und Panik auslösten, untermalt von einem alarmierenden Warnruf, der die Mitarbeiter wegen einer plötzlichen Störung in der Frischluftzufuhr evakuierte. Wild rannte das Personal durch die Gänge, als der Attentäter samt erbeuteter Datenchips dem Ausgang entgegenstrebte. Das innere Labor war weitgehendst leer und die Schotts wurden in wenigen Minuten hermetisch verriegelt. Ihm wurde gesagt, wenn dies geschah wurden die äußeren Bereiche des Forschungslabors aus Sicherheitsgründen geflutet. Dennoch hatte er Zeit, schließlich wurde er abgeholt… So schlenderte er gemütlich in aller Ruhe durch die Anlage, bis ihn leer stehende Boxen neugierig werden ließen. Sie ließen den Schluss zu, dass Tiere zu Versuchszwecken in ihnen gehalten werden konnten. Menschenaffen vielleicht? Doch sie waren derart klinisch steril, dass er nicht auf die Idee kam zu vermuten, dass in den Kammern, an denen er vorbeiging, vor kurzer Zeit noch jemand gehaust hatte. Der verwirrte Computer tat mit ruhiger Stimme die Brisanz der Evakuierung kund. „Bitte verlassen Sie die Station. Das System kann die Lebenserhaltung nicht mehr gewährleisten. Sicherheitscode vier. Die Außendecks werden in… 26 Minuten geflutet. Bitte verlassen Sie…“ Das Interesse ließ ebenso schnell nach, wie es gekommen war und er beschleunigte seine Schritte wieder, ging an den Scheiben vorbei… Gefahr. Er sah sie, er hörte sie, er fühlte sie. Instinkt, hatten sie es genannt und der Instinkt ließ ihn die Zähne blecken. Er tigerte. Gefahr… von ihnen, von ihnen drohte die Gefahr. Hass, Zorn, Wut… weiß glimmte es in ihm. Nichts, nichts sah er, doch seine Haut, sie prickelte und seine Hände formten sich zu Klauen. Sie liefen, wie aufgeschreckte Tiere, liefen durch den Gang. Gefahr. Einsamkeit… keine Augen mehr, die beobachteten, nichts mehr. Nur er. Der Attentäter registrierte eine Bewegung in einem Augenwinkel. Er hielt inne, war bereits an den Boxen mit den Plexiglaswänden vorbeigegangen und trat nun einen Schritt rückwärts zurück um in die letzte Box zu spähen. Die weiße eng anliegende Kleidung des Insassen sah aus, als hätten sie ihn aus einem Sci-fi Film gerissen. Er hätte schwören können, dass auf der Rückseite die Wirbelsäule entlang winzige Leuchtdioden auf dem Stoff leuchteten. Doch das war nicht das bemerkenswerteste an dem Mann. Das rote lange, wilde Haar und die violetten Augen, die fiebrig glimmten, ließen den Attentäter verharren. Wildheit sprach aus jeder Bewegung, aus jeder… nicht menschlichen Bewegung. Irgendetwas war hier… falsch, schrie sein Gehirn. Seine Hand fand an die Scheibe, während er ein Mikrophon an seinen Mund schwenkte um die Neuerung im Plan kundzutun und weitere Befehle abzufragen. Einer von ihnen. Gier nach Dunkelheit schlug in ihm, ließ ihn das Monster auf der anderen Seite fixieren. Neu… das Gesicht, die Haare… nicht bekannt und doch einer von ihnen, denn er trug weiß, das weiß der Monster. Er trat einen Schritt zurück, wiegte ihn in Sicherheit. Sollte er kommen, sollte er hineinkommen. Und er wollte kommen… allerdings auf einem anderen Weg. Noch während er seinen Kontakt im U-Boot aktivierte, touchierte der Telepath den Mann geistig, tastete ihn vorsichtig ab und umstrich die unerforschten, besser gesicherten Gebiete, die er scheinbar nicht betreten und belangen konnte. Er konnte ihn gedanklich nicht fassen, was ihn verwunderte. „Ich bringe ihn mit“, entschloss er und sah sich bereits nach einer Möglichkeit des Hineinkommens um. Die Antwort, die er bekam, war wenig erfreulich, doch er ignorierte den harschen Hinweis, doch bitte zum ursprünglichen Plan zurückzukehren geflissentlich. Nein… keiner von ihnen. Die Gefahr an sich, das war er, der Fremde. Ihn mitnehmen? Neue Häscher… neue Versuche, neue Tests mit ihm, dem Versuchstier. Hass strahlte in ihm und er kam nun doch näher. Vielleicht gab es das Überraschungsmoment, vielleicht wusste das Monster nichts von ihm, seinen Genen. Oder doch… Der Attentäter ahnte, dass wenn er diese vier Wände betreten würde, er ein großes Problem zu bewältigen hatte. Denn er konnte das unterschwellig aggressive in der schmalen Gestalt am anderen Ende deutlich ausmachen. Er entledigte sich des Mantels und zog seine zweite Waffe hervor, die mit den Betäubungsprojektilen. „So… mein Lieber… mal sehen…“ Er öffnete die Tür, die ohnehin durch den Virus im System entriegelt war und wartete einen Augenblick. „Hey…“, wisperte er begrüßend mit plötzlicher samtweicher Stimme. „Wir müssen hier raus…“ Der Kopf neigte sich leicht zur Seite, als er dem Ton des Monsters lauschte. Anders war er, anders als die anderen, verspielter. Sie… waren klinisch, nicht daran interessiert, Zeit zu verschwenden, doch er… er hier… er stand zwischen ihm und dem Weiß da draußen. Zwischen ihm und ihr. Er taxierte ihn, taxierte seine Möglichkeiten und blieb ruhig… noch. Die Waffe in der Hand sprach eine andere Sprache als die Worte, sie offenbarte die eigentliche Bedeutung. Doch der Auftragsmörder erkannte diesen Blick. Er war misstrauisch auf seine Waffe gerichtet. „Wir haben nicht viel Zeit, du hörst doch sicher den Alarm, oder?“ Plötzlich nicht mehr sicher, ob der andere überhaupt sprechen konnte übernahm seine linke Hand die Betäubungswaffe und die rechte streckte sich nach dem anderen aus. „Der Komplex wird gleich geflutet, wenn du nicht bis zu deinem Hals im Wasser stehen willst, solltest du mit mir kommen“, bot er nüchtern aber immer noch mit einem sanften Tonfall an. Trotzdem bereit für alle Eventualitäten. Worte, die ihn einlullen sollten, beruhigen… zum Mitkommen bewegen. Eine Hand, die sich ihm entgegenstreckte, ihm. Sie fassten ihn, einfach so, sie boten es nicht an. Er trat einen Schritt näher, vorsichtig, um keinen Verdacht zu wecken. Er wusste, wo es hinausging… er brauchte niemanden. Leises Zischen voller Hass begleitete seinen lautlosen, plötzlichen Vorstoß und seine Krallen zielten auf das Monster… Der Kerl war schnell, aber ungelenkt, zu wild, kommentierte der Killer interessiert. Er wandte sich geschickt zur Seite, wich dem scharfen Horn der Klauen aus, rollte davon und sah sich nun dem Ausgang gegenüber. Der Mann war jetzt neben der offenen Tür, die geradezu zur Flucht einlud. Wut und Hass zeigten sich in den violetten Iriden. Der Killer lächelte. Der Junge war gar nicht so blöd, täuschte an und schlug dann zu. Dennoch musste er dem Spiel ein Ende bereiten, er konnte hier nicht lange darauf warten, dass sich dieser junge Mann dazu bequemte abzuhauen. „Los, verschwinde endlich…“, wisperte er. Wenn er den Ausgang nicht fand, war das sein Problem, er war nicht für diesen Kerl verantwortlich, aber wie stets trieb ihn die spielerische Neugier in diese Art Probleme hinein… Worte… im Gegensatz zu Taten. Er wusste, dass dieser hier ihn niemals entkommen lassen würde. Nicht, wenn er nicht tot war… Die Tür war auf… und das würde sie auch bleiben. Er hatte Zeit und die Chance auf eine Flucht, eine ungehinderte. Aber erst… Fauchend setzte er nach und schlug zu, erwischte ihn an der Schläfe… leicht nur. Der Killer zischte und schlug dieses Mal beherzt zurück, traf den gewandten Angreifer in die Seite um dessen Nehmerqualitäten zu testen. „Wenn du hier nicht ersaufen willst, wie eine… junge Katze… solltest du dich vom Acker machen, die Zeit läuft, wir haben nur noch 20 Minuten und der Weg ist weit. Wie willst du überhaupt hier heraus kommen? Hast du eine Ahnung, dass du auf dem Meeresgrund bist?“ Sein Gesicht wurde ernst, das Spiel neigte sich dem Ende. Er gab dem Kleinen noch fünf Minuten. Er… Ahnung… Ein Lächeln zog seine Lippen auseinander, doch es war kaum als solches zu erkennen. Ein Entblößen seiner Zähne, Geste unter Tieren. Er keuchte leise, vor Schmerz, lange nicht gefühltem Schmerz, anderem Schmerz… der ihn sich leicht krümmen ließ. Doch er verlor das Ziel nicht vor Augen und streckte seine Finger, als könne er schon das Blut an ihnen fühlen… tatsächlich. Da war schon etwas. Rot… von ihm hervorgebracht. Ein weiteres Mal setzte er an, sein Körper auf Reflexe und Instinkte geeicht, die nicht menschlich waren. Ein weiteres Mal traf er, tief dieses Mal. Er hatte ihn kaum kommen gesehen, hatte ihn doch unterschätzt. Der Killer drehte sich noch im Angriff um die eigene Achse, erwischte den Arm, der ihn mit der krallenbewährten Hand die halbe Brust aufgerissen hatte. Schmerzerfüllt und keuchend ging er zu Boden riss den schlanken, sehnigen Leib mit sich. „Verdammt, wir müssen hier raus, du Idiot!“, schrie er vor Wut und Schmerz. „Scheiße.“ Was hatten diese Arschlöcher hier gezüchtet? Er bekam rotes langes Haar zu fassen, wickelte es sich um die Hand und zog das Gesicht näher zu seinem wutverzerrten. „Hör gut zu. Hast du keinen Lebenswillen? Wir müssen hier raus, hier ist keiner mehr, die sind alle weg oder tot, also hör auf hier herumzuzicken!“ Seine Brust brannte wie ein Höllenfeuer und er spürte, wie es warm und feucht in seiner Laborkleidung wurde. Schwindel befiel ihn und er ließ den anderen unvermittelt los. „Scheiße, mach doch was du willst…“, wisperte er und erhob sich schwankend, trat den Rückzug mit einem letzten Blick zurück an, bevor er leidlich sicheren Schrittes die Box verließ. Täuschung? Blut war an seinen Händen, Blut der anderen, nicht seins. Er führte einen der Finger zum Mund und leckte daran, sich des anderen gänzlich unbewusst für einen Moment, da dieser nicht mehr hier war… hier… im Weiß. Es schmeckte genauso. Wie seins. Waren sie Menschen? Er drehte sich langsam um und trat einen Schritt nach vorne… dann noch einen. Aus dem Weiß heraus in das Labor… den Raum. Er witterte dem Blut hinterher und folgte ihm… dem verletzten Monster. Rache. Das war es, was er fühlte, was er wollte. Na herrlich, jetzt hatte er nicht mehr die Zeit, die er für seinen Abgang eigentlich eingeplant hatte, dachte der Killer. Noch dazu musste er sich wirklich zusammenreißen um nicht über seine immer müder werdenden Beine zu straucheln. Die Schotts waren alle offen und nach einem kurzen Blick zurück erkannte er mit seltsamerweise grimmiger Genugtuung, dass ihm jemand auf der Fährte war. „Komm Kitty…“, grinste er finster und nahm Kontakt mit dem Unterseeboot auf. Nur wenige Minuten trennten ihn vom Dock. „Haltet euch bereit. Er kommt nach mir durch die Tür.“ Seine Schritte folgten, wurden langsamer, verharrten schließlich ganz, als er sah, was ihn erwarten konnte… wenn er ging. Rache, wollte er. Würde er sie bekommen, wenn er einstieg? Wenn er vertraute? Seine Augen schweiften über das Gebiet, die Andockstelle und sein Kopf lag schief, lauschte auf seinen Instinkt. Es war jemand… außerhalb dieser Welt. Er sah es an dem U-Boot, das angedockt hatte und dessen Schleuse geöffnet war. Gefahr… mehr als vorher. Gefahr von ihm, dem Blutigen. Er schnupperte, trat einen Schritt zurück und wartete halb versteckt. Doch es blieb keine Zeit um zu warten. Ein Signal erklang und die beiden Stahlschotts strebten einander zu. In wenigen Minuten wäre es geschlossen und keiner würde mehr diese Forschungseinheit betreten können, es sei denn, sie wurde von außen gesteuert und entsichert. Der Killer hatte sich bereits ins rettende Boot begeben. Rettung oder Verderben? Er konnte es nicht sagen… nur, dass er sterben würde, wenn er hier bliebe. Wollte er das? Was, wenn es schlimmer als der Tod war? Doch was war mit ihr? Sie wartete noch auf ihn. Er trug Verantwortung für sie, die ganze Zeit… wie viel Zeit auch vergangen war. Lebte sie? Der Drang, es heraus zu finden, leitete ihn und geleitete ihn durch die Schleuse in das Boot… die Ungewissheit. Die Ungewissheit wurde zur betäubenden Gewissheit als die Schüsse kurz hintereinander fielen und in zwei Treffern mündeten. Zwei Männer kamen aus ihrer verdeckten Position und beobachteten in einigem Abstand wie der rothaarige junge Mann auf den Boden sank. Erst dann näherten sie sich und brachten ihn in das Boot, welches kurz darauf ablegte… o~ Schmerz. Nichts Neues…wohlbekannt. Doch…Orientierungslosigkeit...Vergessen… Er blinzelte, die Augen schwer wie Blei, fielen wieder zu, öffneten sich, wollten sehen, was ihm verwehrt blieb. Doch er musste warten, ausharren, wenngleich er schon das gleißende Weiß auf der anderen Seite seiner Lider lauern spüren konnte. Keine Veränderung… immer das Gleiche, auch wenn… Das U-Boot. Die Männer. Dann Schwärze. Er fuhr hoch und schwindelte, zwang seine müden Augen mit Gewalt auf. Gefahr! Weit aufgerissen nahmen sie ihre Umgebung wahr und konnten doch nicht verwerten, was sie sahen. Gleißendes Sonnenweiß, auf der anderen Seite Farben… überall Farben, wohin er sah. Wände, rot mit Stoffen über und über bestückt… Boden, richtiger Boden. Teppiche… ein Fenster… Licht, Tageslicht… Sonne! Ihm war schwindelig von der Vielfalt der Farben, und dennoch rappelte er sich hastig hoch, zu hastig jedoch und sank wieder zurück. Sein Körper wollte nicht so wie er, auch wenn er konnte. Dieser Raum… keine Fixierungen…Farben…so viele Farben… Er lauschte und legte den Kopf schief. Die Vorhänge hingen still, während er dahinter Bäume sah. Grün… Es ging. Sein Körper wollte schließlich wie er und er tat einen Fuß vor den anderen, die Augen überall und nirgendwo auf Gegenstände, Farben und Dinge gerichtet, die seine Aufmerksamkeit gefangen nahmen. Er berührte Stoffe… berührte die Gardinen und fühlte die Textur unter seinen hypersensiblen Fingern, während sich sein Blick nach draußen richtete. Draußen. Die Hand legte sich auf den Knauf der Terrassentür und drehte ihn… doch es tat sich nichts… für ihn gesperrt. Er drehte sich um. Es gab noch andere Wege… die gab es immer. Das Bett, seine Lagerstätte. Ein Meer aus Kissen, alle bunt in den schillernsten Farben. Violett, Grün, Rot, Orange… Ornamente… Blutverkrustete Finger fuhren langsam über die Stoffe, ertasteten und entdeckten das, was sie in Staunen versetzte, wovon sie nicht genug bekommen konnten. Ein Nest aus Farben… nichts war weiß außer der Sonne, außer den Wolken am Himmel. Wieder wandte sich sein Blick und er bemerkte die Tür. Auch sie war nicht abgeschlossen. Es ging nach unten… alles war offen. Die Treppe… wie frei schwebende Stufen, die er vorsichtig hinunterkam, sich immer am Geländer festhaltend. Es war still und sein Instinkt sagte ihm, dass hier niemand war… dass es zu still für einen Menschen war. Menschen… gaben immer Geräusche von sich, egal, was sie taten. Er sah sich um… auch hier war vieles bunt, wenn auch nicht alles. Irgendwann einmal hatte er eine Idee davon gehabt, was Gemütlichkeit bedeutete. Nun wusste er, dass dies hier dem entsprach. Wohin er auch ging… Leere… auch schließlich in der Küche. Eine Küche… er ertastete sich seinen Weg über die Schränke, die Anlagen bis hin zur Quelle des Essens… des Selbstnehmens. Leise und mit einem Blick zur Seite öffnete er den Kühlschrank und sah… richtiges Essen. Er schnupperte. Hunger überwog über Misstrauen und er griff sich etwas, das für ihn einmal den Begriff Sandwich getragen hatte. Vorsichtig biss er hinein. Kaute… War das alles hier eine Illusion? Die Haustür öffnete sich leise und der Eigentümer betrat den geräumigen Wohnraum im Erdgeschoss, mit langsamen, bedächtigen Schritten näherte er sich der Küche und blieb bereits im Hineingehen stehen, das Chaos auf der Ablage betrachtend, die angegessenen Nahrungsmittel, die offene Kühlschranktür und darin sein sicher unfreiwilliger Gast, der hungrig aß. Ein Japaner, wie er feststellen hatte müssen und ein sehr attraktives Exemplar noch dazu. Er war in seinen egoistischen, lang vermissten Genuss so versunken gewesen, dass ihm erst jetzt etwas zuflüsterte, dass sich etwas verändert hatte und nicht so wie vorher war. Er hatte nicht darauf geachtet, sich zu schützen, wie er hier saß, ein Bein zu sich an den Körper gezogen, das andere frei von der Ablage baumelnd und um sich herum Essen… viel Essen. Soviel Essen wie in der letzten Zeit nicht. Schokolade… gefiel ihm am Besten. Doch nun platzierte er das letzte Stück, das er gerade essen wollte, wieder auf die Ablage und wandte sich langsam um, sein Körper noch auf der Ablage bereit dazu, loszupreschen und sich zu verteidigen. Doch noch… beobachtete er. Es war… das Monster aus dem Labor. Der Fremde, der ihn weggelockt hatte… hierhin gebracht hatte. Den er fast aufgeschlitzt hatte und dessen Blut nun rostig braun, eingetrocknet an seinen Fingern haftete. Huuh, da hatte er aber ganz viele Sympathien geerntet, so wie diese Augen ihn anfunkelten. Aber seine eigenen Sympathien gegenüber diesem… was auch immer hielten sich auch im negativen Bereich auf, sodass es ihn nicht wirklich juckte, was dieses Etwas dort über ihn dachte. „Ich heiße Schuldig und du… du räumst gefälligst diesen angenagten Kram wieder in den Kühlschrank, wenn du fertig bist und wasch dir das Gesicht.“ Er wandte sich mies gelaunt ab und sagte im Gehen wenig freundlich: „Im Übrigen gehört die Schokolade mir, wenn ich dich noch einmal dabei erwische, dass du sie dir einverleibst oder sie dir ins Gesicht schmierst, setzt es was…“ Danach ging er hinauf in sein Schlafzimmer um sich aus seinem Anzug zu schälen und sich in bequemere Klamotten zu kleiden. Das Unterfangen war nicht ganz einfach mit seiner quer über die Brust gezogenen Wunde, die an einigen Stellen hübsche Ziernähte erfahren hatte. Schuldigs Gedanken huschten wieder zu seinem Ehrengast und vor allem zu dem, was dieser war. So ganz schlau war er aus diesem Ding noch nicht geworden. Die Daten, die sie beim Einsatz erbeutet hatten, mussten erst gesichtet werden und das dauerte noch mindestens zwei Tage, bis ihr Spezialist sie ausgewertet hatte. Wenn sie endlich herausgefunden hatten, wem dieses Ding gehörte, wären sie in der Lage es an den Meistbietenden zu verkaufen. Und er war sich sicher, dass jemand sehr viel Geld für so ein Exemplar zahlen würde. Die Daten, die sie für den Auftrag in die Hände gespielt bekommen hatten, zeugten klar von genetischen Veränderungen, von Experimenten im großen Stil und das seit Jahrzehnten. Endlich angezogen – was lange genug gedauert und seine Laune nicht wirklich gehoben hatte, ging er wieder hinunter um sich dem Chaos in der Küche zu widmen. Und konnte gerade noch sehen, wie das letzte Stück Schokolade zwischen fremden Lippen verschwand, während violette Augen die Reaktion des Monsters genau beobachteten. Erst dann riss er sich mit herausforderndem Blick ein Küchentuch von der Rolle ab und säuberte sein Gesicht mehr oder minder gründlich. Im Gegensatz zu seinem vorherigen Verhalten faltete er dieses und legte es auf der Anrichte ab, die er gerade verlassen hatte. Ein Name für ein Monster… Er lauschte immer noch dem fremdartigen Klang in seinen Ohren nach, die jede Nuance der Aussprache eingefangen hatten. Er sollte also Angst haben… Nein, gerade das sollte er nicht haben, zumindest in Schuldigs Vorstellung. Angst brachte Menschen dazu dumme Dinge zu tun und zwei dieser dummen Dinge hatte er nun… in seiner Küche und auf seiner Brust. Schuldig betrachtete sich die Szene. Es war, als hätte sich ihm gerade bei dieser Geste ein kleines Geheimnis offenbart, er konnte nur nicht sagen wie er es deuten sollte. Aufseufzend ging er näher, zog ein Trockentuch aus einem der Schränke hervor und trabte an seinem Gast Richtung Spüle vorbei, um das Tuch mit Wasser zu befeuchten. Zwar hatte sich der Rothaarige den Mund abgewischt, doch Schuldig konnte sehen, dass es ein viel geübter Handgriff war, der jedoch ungelenk vollzogen wurde, fast schon trotzig, als wolle sich der andere beweisen, ihm und sich selbst, dass er Manieren hatte. Doch nicht alle Schokoladen- und andere unidentifizierbaren Essenreste waren von dem hübschen Gesicht verschwunden. Schuldig näherte sich vorsichtig mit dem Tuch. „Es ist noch nicht alles weg“, erwog er zunächst das selbst zu tun, allerdings kannte er diese überlangen Nägel noch allzu gut und er hielt dem anderen das Tuch hin. „Willst du dich waschen?“, fügte er ruppig an. War das nicht Alltag? Eine Wahl… die er hatte. Er sah die Vorsicht im Anderen, sah, was Maske und Realität war. Seine Hand kroch nach vorne, die langen Nägel voran, genau wissend, dass Abstand von ihnen genommen wurde. Einen Moment lang schien es sich zu lohnen, das Monster zu kratzen, ein weiteres Mal, doch die Reinlichkeit gewann die Vormachtstellung und er umfasste das Tuch, zog es zu sich heran und wischte sich mit einem wachsamen Auge auf den Menschen vor ihm, den Rest des Essens aus dem Gesicht, trocknete es danach mit einer nicht nassen Stelle ab. Es waren viele neue Eindrücke und ihm war etwas schwindelig davon, schlecht gar… Farben, Gerüche, Geschmacksrichtungen… Situationen. Während dieser lauernden Stille die zwischen ihnen herrschte begutachtete Schuldig die teils nur mit einem Bissen angenagten Lebensmittel und wandte somit den Blick ab. Als er ihn wieder hob und schon zu einem Tadel ansetzen wollte, verzog er das Gesicht in eine unfreiwillig komische Grimasse. „Du wirst aber nicht gleich kotzen oder? So grün, wie du um die Nase aussiehst.“ Eine klauenbewehrte Hand fuhr automatisch zur Nase und fühlte, bevor er die Bedeutung der Worte verstand und leise fauchte. Eine Missbilligung. Übelkeit war nichts Neues… zu oft gefühlt, besonders früher. Doch diese Frage hatte er nie vernommen, es war immer alles gegeben, nicht änderbar. Notwendig. Sein Blick schweifte ab, fuhr durch die Küche und blieb interessiert an einigen Dingen hängen, die ihm bekannt vorkamen. Vieles jedoch kannte er nicht - und das war noch interessanter. Diese Geste entlockte nun doch ein seltenes, echtes Lächeln auf Schuldigs Gesicht, als er sah, wie die Hand zur Nase fuhr um zu ertasten ob da etwas war. Neugier sprach aus dem Gesicht und Schuldig fragte sich erneut, ob der andere überhaupt sprechen konnte. Wenn er doch nur mehr wüsste. „Hast du das Haus schon erkundet?“, wagte er einen kleinen Vorstoß um die Neugier noch weiter auszureizen. Der Gesichtsausdruck gefiel nicht… Ein kurzer Blick und er hatte erhascht, was er in der Stimme zu hören meinte. Kaum verhohlene Neugier, wenngleich anders… anders als ihre. Sie war nicht fordernd, nicht analytisch wissenschaftlich, sie war einfach nur. Er legte den Kopf schief und runzelte die Stirn, wog ab. Zwei Seiten, pro und kontra… welche sollte er nehmen, jetzt, wo er die Wahl hatte? War es wirklich von Interesse? Lange Zeit war es das nicht. Sein Blick fiel auf das Kissen, das er aus dem Wohnzimmer mit hierher genommen hatte, als ob das die Frage des anderen beantworten würde. Was sie auch tat, zumindest nahm Schuldig an, dass der kleinere Mann mit den überlangen roten, zotteligen, weil verwüsteten Haaren nur das Wohnzimmer inspiziert hatte. Das Kissen stammte von seiner… hellen Couch. Das Lächeln verblasste und Schuldig überlegte wie er den anderen dazu bringen könnte, ihm zu folgen. Er musste ihm schließlich… zumindest das Badezimmer zeigen. „Komm mit, ich zeig dir das Badezimmer, da kannst du dich waschen, wenn du willst“, ließ er dem anderen Raum. Allerdings wusste er jetzt schon, dass falls dieser hier stinkend und ungewaschen durch die Gegend laufen, würde er wohl zu groben Mitteln greifen würde. Wie stets eine mürrische Miene ziehen ging Schuldig ein, zwei Schritte voraus und wartete dann halb umgewandt. Offenes Misstrauen folgte ihm, zunächst mit dem Blick, dann setzte sich das personifizierte Misstrauen in Bewegung und folgte dem Monster… dem ihm die Wahl lassenden Monster. Die Anderen waren nicht so. Sie hatten getestet, ob sich die Verhaltensänderung auch auf seine Badegewohnheiten ausgewirkt hatte… hatte sie. Er wusch sich, ebenso wie er duschen konnte, doch Bäder schafften blinde Panik, wenngleich es nur Wasser war… wenngleich er nur von ihnen unter Wasser gedrückt worden war. Das Badezimmer war großzügig geschnitten in hellen, weichen Tönen gestaltet. Selbst hier gab es einen Zugang zur Terrasse. Die freistehende in den Boden eingelassene Badewanne war das Zentrum des Bades. Gleich daneben eine Dusche mit Regenschauer und genügend Platz für drei Personen zu bieten. „Wie du siehst, ist das Bad nicht weit von der Treppe entfernt. Oben in der Nähe des Zimmers, in dem du aufgewacht bist, ist auch ein solches Badezimmer.“ Schuldig ging ins Bad hinein und deutete auf ein Regal. „Handtücher sind hier und Duschgel ist bereits in der Dusche.“ Verachtung traf die Badewanne, während der Rest des Bades jedoch mit neugierigem Blick gemustert wurde. Besonders die Dusche und das Duschgel… und… der große Spiegel. Violette Augen sahen zum ersten Mal seit langer Zeit sich selbst, nahmen wahr, wie er aussah, wie er sich verändert hatte. Er war… beinahe unverändert, doch nicht mehr menschlich, intuitiv konnte er das spüren und wahrnehmen. Seine Haare… die Gliedmaßen… die Gesichtszüge… die Hände. Ein Schock, das war es für ihn, doch es passte…zu dem Horror der vergangenen, unbestimmten Zeit… So wie der Spiegel und das Bild darin betrachtet wurden… so ähnlich fanden sich auch Schuldigs beobachtende Augen auf dem jungen Mann. Er konnte den Blick nicht deuten, mit dem er in diesen Spiegel blickte… war es die Fremdheit… oder stummes Entsetzen? War es ein fragender Ausdruck nach dem Warum? Schuldig begriff es nicht und momentan wollte er sich diesem Begreifen auch nicht stellen, so machte er kehrt und verließ seinen Beobachtungsposten um in die Küche zurückzukehren. Er packte alles, was noch einigermaßen Wert hatte um es aufzubewahren, in eine Frischhaltedose und kennzeichnete es mit der wohlklingenden Aufschrift: angenagtes Futter. Der Rest wanderte in den Abfall. Das Kissen hatte erstaunlicherweise keine Flecken abbekommen und wanderte nach genauer Inspektion wieder an seinen angestammten Platz auf der Couch zurück. Wohin er sich auch platzierte und die mitgebrachten Unterlagen studierte. Warum ausgerechnet er dieses Etwas hier vorübergehend beheimaten musste, war ihm schleierhaft. Der Verdacht einer Strafe jedoch - weil er ihn überhaupt mitgeschleppt hatte - brannte tief in ihm und fachte seine üble Laune noch mehr an. Jetzt hatte er das Ding am Hals. Nach einiger Zeit wurde die Tür zum Bad leise geschlossen und man konnte hören, wie sich der Schlüssel im Schloss herumdrehte. Die Bestandsaufnahme abgeschlossen, machte er sich daran, sich aus dem weißen, eng anliegenden Anzug zu schälen. Er hatte es schon oft gesehen, wie sie es machten, welche Punkte sie berührten, damit die Fasern sich wie eine zweite Haut von seinem Körper lösen ließen. Wie so oft erschlaffte der Stoff und er konnte ihn abziehen, stand nun nackt vor dem Spiegel und fuhr sich über die Haut. Wie hatte er ausgesehen, bevor…? Nicht so, nein, anders, jünger, anders doch. Schmerz stand in seinen Augen. Wie lange war es her? Stille um ihn herum, Stille und Einsamkeit, lang vermisst. Er hortete sie, bevor er langsam die Dusche anmachte und abrupt einen Schritt zurückwich, als das erste Wasser aus dem Duschkopf tröpfelte. Es war kalt. Doch auch als es warm wurde, brauchte er zwei Anläufe um sich unter die Dusche zu wagen. Doch… er konnte. Die Augen wohlig geschlossen und leise schnurrend wusch er sich und seifte sich ein, auch seine Haare. Alles sauber… von ihm selbst gewaschen… in ungelenken Bewegungen. Erst, ja… doch dann erinnerte er sich an damals. An Gesten, Bewegungsabläufe, an alles. Schließlich saß er nackt, aber trocken vor dem großen Spiegel und kämmte mit der erbeuteten Bürste seine Haare durch. Strähne für Strähne für Strähne, bis sie glatt hinunter hingen… und Zeit vergangen war, die er nicht messen konnte, doch er hatte lange gebraucht. Sie hatten sich nicht oft darum gekümmert, fast nie. Es hatte wehgetan, die Knoten aus den Haaren zu kämmen. Seine Augen suchten… und fanden den Luxus eines Föns, dessen leises Brummen schließlich ankündigte, dass er seine Haare trocknete. Erst danach machte er sich auf die Suche nach anderen Toilettenartikeln… die Zahnbürste, die er zuerst fand, nahm er und putzte sich langsam, vorsichtig die Zähne. Nicht so schnell, wie sie es taten. Er fand ein Haargummi, wand es sich um seine Haare… nicht wissend, wie er sie flechten sollte. Und er fand den Bademantel… in den er sich einhüllte, bevor er das Bad aufschloss und wieder den Wohnraum betrat, die Wangen erhitzt vom beinahe schon heißen Wasser. Sein Lieblingsbademantel!, kreischte es in Schuldig und er warf das Papier auf den Tisch, die nun saubere Gestalt musternd. Das Gesicht war gerötet, irgendwie schien alles gerötet zu sein, außer dem graumelierten Bademantel im Kimonostil. Die Augen blickten ihn stumm an, taxierten ihn. „Hast du einen Namen?“, gab er schließlich dem Drang nach Kommunikation in diese ungemütliche Stille hinein nach. Namen… Er erinnerte sich. Es gab mal einen Namen, doch er war verschwommen, ohne Bedeutung für sie gewesen… und so hatte er auch die Bedeutung für ihn selbst verloren. Erinnerungsfetzen durchzogen seine Gedanken an früher. Ein Name, liebevoll gerufen von einer Frauenstimme… darauf sanfte Arme, die ihn umfingen. Sie interessierten sich nicht für den Namen, dieser hier schon. Sie hatten sich auch nicht dafür interessiert, ob er sprechen konnte… und dieser hier? Er nickte langsam, dann jedoch wurde seine Aufmerksamkeit von einem draußen herhuschenden Eichhörnchen abgelenkt, das er fasziniert beobachtete. Nur die Ruhe, versuchte Schuldig sich seine Ungeduld nicht anmerken zu lassen. „Und wie lautet dieser Name? Kannst du ihn mir sagen?“ Zunächst kam keine Antwort, er folgte dem Blick der Interesse ausdrückte und Faszination. Irgendetwas Raubtierhaftes schlummerte hier in diesem… Ding, soviel hatte er schon erfahren, aber was genau entzog sich seiner Kenntnis. Bis jetzt zumindest noch. Sagen? Sprechen? Es geisterte in seinen Gedanken, während er sich in Bewegung setzte und dem kleinen Tier dort draußen folgte, wie es ein paar Schritte auf die Terrasse tat. Seine Augen glimmten und er öffnete die Lippen. „R...a…n…“, kam es kaum verständlich über seine Lippen und er räusperte sich, als könne er damit den Nichtgebrauch tilgen, dem seine Stimme unterlegen war. Seine Augen hefteten sich auf das rote Fell des Eichhörnchens. „Mein…Name…ist Ran“, versuchte er, wie ein Mensch einen ganzen Satz hervorzubringen und tatsächlich erinnerte er sich an das, was seine Eltern ihm beigebracht hatten. Seine Worte waren immer noch heiser und rau, sie kratzten ungewohnt in seiner Kehle, doch er hatte gesprochen. Noch einen Augenblick sitzen bleibend, starrte Schuldig den anderen an. Er hatte nicht mit einer tiefen, samtenen noch kratzigen Stimme gerechnet. Das Fauchen hatte ihm irgendwie eine hellere Stimme suggeriert. Ein Fehler. Schuldig erhob sich und warf einen unschlüssigen Blick auf die Unterlagen, die bisherigen wenigen Erkenntnisse, die er erhalten hatte und im Prinzip nur die generelle Forschungseinrichtung betrafen, jedoch rein gar nichts über… Ran aussagten. Vermutlich eine Abkürzung für irgendetwas. R.A.N. Obwohl, für einen Japaner wäre es dennoch passend. Nein, er war passend für diesen rothaarigen… Japaner. Ein Widerspruch in sich diese ganze Gestalt. Schuldig ging näher, blieb aber auf Abstand stehen. „Ran…?“, sprach er leise den Namen aus. „Möchtest du dich anziehen?“ Eine weitere Frage… an ihn gerichtet, obwohl er gesprochen hatte. Es wurde umgesetzt, was er sagte. Das Eichhörnchen hüpfte den Baum herauf und verschwand in den Kronen, wo er es aus den Augen verlor. Eine gute Gelegenheit, sich wieder umzudrehen. Er nickte langsam. Wärme… war gut. Er maß den erstaunten Blick. Ein Tier mit menschlichen Eigenschaften, las er darin und sein eigener Blick verdüsterte sich. Was an ihm war denn noch menschlich? Das Mienenspiel verfolgend zuckte Schuldig innerlich mit den Schultern. „Dann komm mit nach oben, ich habe Kleidung für dich besorgt.“ Eigentlich nichts um nach draußen zu gehen, sondern vorerst nur Hausanzüge, weiche, anschmiegsame Klamotten aus guten Stoffen, die die Haut nicht reizten. Ein längerer Aufenthalt. Das bedeutete immer Kleidung für ihn. Es verwunderte ihn nicht, denn das Emblem auf den Unterlagen kannte er. Daten über die Station, über ihn. Einen hohen Preis… würde er erzielen, als Mutation, als Tier in Menschengestalt. Zumindest hatte er es einmal gehört, als die Monster sich unterhalten hatten. Er folgte, die unsichere Treppe wieder hinauf, die ihn sie vorsichtig erklimmen ließ. Es ging in ein anderes Zimmer als das bunte mit den Bäumen. Er musste wissen, was geschehen würde, müsste sich auf SIE fokussieren und herausfinden, wo sie war. Doch er wusste nicht wie. Schuldig hatte die Tür zu seinem Schlafzimmer geöffnet, welches bis auf wenige Möbelstücke schlicht eingerichtet war, die vorherrschenden Töne waren hier ein zartes Grau, Rot und Olive. Er ging zum Kleiderschrank, öffnete ihn und legte einige Kleidungsstücke heraus. Zu den gekauften Stücken aus weichem Stoff legte er auch zwei Jeans, eine Kordhose und andere Oberteile. Er war neugierig, welche Stücke Ran aussuchen würde. „Unterwäsche ist in der Tüte dort“, wies er auf das Bett und die Papiertüte eines renommierten Geschäfts. Wie in den anderen Räumen zuvor auch schon besah Ran sich zunächst die Farben, die ihm entgegensprangen. Hier war nichts weiß, alles farbig… impulsgebend für sein Gehirn. Während er über das glatte Holz des Kleiderschrankes strich und sich an dessen Struktur satt sah, bedachte er seinen Namen. Sie hatten ihn nie danach genannt. Doch dieser hier benutzte ihn, sobald er selbst ihn genannt hatte. Es schien ihm, als könne er sich selbst nun wieder mit seinem Namen identifizieren…als gäbe es ihm ein Stück Menschlichkeit zurück, die er nicht mehr hatte. Oder? Seine Finger tasteten sich über die Bettdecke vor, einmal hinterließen seine Nägel einen kleinen Schnitt in der Decke, woraufhin er seine Hand zurückzog und mit der flachen Hand über die Stoffe strich. Ein paar gefielen ihm… viele waren zu kratzig. Doch… Unterwäsche. Ran nahm sich mit einem Seitenblick auf den Menschen die Tüte herbei und legte den Kopf schief, als es raschelte. Stück um Stück beförderte er es ans Licht… drehte es… erfühlte die Textur… ungewohnt rau, nicht perfekt. Doch Unterwäsche. Er sah auf, war mit einem Satz wieder beim Schrank und öffnete ihn langsam, sog den Geruch ein, der ihm entgegen kam. Ran strich durch das Zimmer wie ein Raubtier auf Beute, berührte alles und sprang schließlich ohne Vorankündigung an Schuldig vorbei zum Schrank. Nicht genug, dass der Telepath den Schnitt in der Decke mit einem säuerlichen Gesichtsausdruck mit ansehen hatte müssen, jetzt ging dieses Ding auch noch auf seine Kleidung los. „Ah, nein …nein!“, wies Schuldig scharf zurück und umfasste mit deutlicher Vorsicht das Handgelenk des anderen, zog es weg und schloss den Schrank wieder, schob sich vor die Tür und war somit… unbeabsichtigterweise sehr nah an dem… Etwas dran. Ah… ja… Ran war der Name. „Ran, das sind meine Kleidungsstücke und wenn du mit allem so verfährst wie mit der Decke dort, dann möchte ich nicht, dass du sie anfasst, verstehst du das?“, setzte er milder an, obwohl er sich ordentlich zügeln musste. Doch die violetten Augen so aus der Nähe betrachtet, wirkten fast hypnotisierend auf ihn. Sie waren in der Tat hypnotisierend intensiv, denn was dieser Mensch fühlte ob des engen Kontakts… durchzuckte Ran tausendfach. Eine Berührung, nicht sanft, überhaupt eine Berührung. Es vergingen Sekundenbruchteile, in denen er sein Handgelenk aus den Fängen des anderen befreite und mit der freien Hand nach dessen Hals fasste, ihn daran wütend an den Schrank presste. Unmenschlich schnell geschah alles, waren die Zähne gebleckt, erklang ein Zischen zwischen ihnen, bevor er - Ran - auf den Laut der Worte lauschte, auf ihre Bedeutung. Logik. Keine Grausamkeiten. Ein Wunsch. Eine Frage nach Verständnis. Er wich zurück, brachte sicheren Abstand zwischen sie. „Ja, ich verstehe das“, kam immer noch brüchig, aber schon längst mit mehr Sicherheit von seinen Stimmbändern. „Verdammt!“, rief Schuldig aus. Er hasste dieses Ding. „Warum tust du das?“ Zittrig und unsicher, aber dennoch mit Wut gefüllt, kamen die Worte über seine Lippen. Er hatte nur zu deutlich gespürt, wie diese messerscharfen Krallen in seine Haut gedrungen waren. Und er wusste nun, dass er mit dieser Schnelligkeit nicht konkurrieren konnte. Er würde den Teufel tun und das Teil noch mal anfassen. Verärgert verließ er das Schlafzimmer ins Badezimmer neben an und warf die Tür ins Schloss. Er musste nachsehen warum ihm das kitzelnde Rinnsal Blut den Hals hinunterlief. Warum…? Es stand doch tatsächlich Überraschung in Rans Gesicht geschrieben. Dieser Mensch fragte danach, warum er etwas tat, gerade so, als ob es wichtig wäre? Er hatte Angst gemacht. Aus Angst hatte er Angst gemacht. Es war ungewohnt und besänftigend für ihn. Nachdenklich besah er sich seine Krallen und strich mit einem Finger über das kleine Rinnsal Blut. Er könnte sie schneiden… aber er war nicht in Sicherheit. Er brauchte diese Waffe. Immer den Hintergrundgeräuschen lauschend, ließ er den Bademantel langsam fallen und zog sich einen der schwarzen Slips über. Es fühlte sich komisch an… ungewohnt rau und kratzig im Gegensatz zu dem Anzug. Er wählte das Weichste, was es hier gab und zog es sich über, doch es verursachte ihm immer noch eine Gänsehaut vor Empfindlichkeit den menschlichen Stoffen gegenüber. Erst dann folgte er seiner Neugier und öffnete die Tür des Badezimmers. „Ich habe gelernt zu nähen…“, bot er an. „Ach hast du?“, blaffte Schuldig und wandte sich vom Spiegel ab, warf das kleine Handtuch in die Wäsche. „Was? Haut, Fleisch, Sehnen?“, seine Stimme sprach von Verletztheit und äußerte sich aber mit kaltem Spott. „Am besten hältst du dann Nadel und Faden immer bereit, denn so wie es aussieht, werde ich bald nur noch von einigen Nähten zusammengehalten. Es war keine Angst, die dem Menschen entgegenschlug, sondern Neugier. Wut hatte Ran dort unten fast nie erfahren. Kalte, wissenschaftliche Gleichgültigkeit, doch Wut nicht, so ließ er sich jetzt nicht abschrecken von den Worten, die verletzen sollten, sondern trat in das Badezimmer. „Du hast mich angefasst“, erklärte er schließlich, als würde das alles erklären. „Ja und?“ Schuldig wusch sich die Hände und trocknete sie ab. „Hast du mich nicht zuerst angefasst mit deinen Krallen? Zweimal sogar? Und… habe ich dich deshalb verletzt? Dir wehgetan?“, versuchte er es mit anderen Worten, die jedoch noch immer wütend klangen. Enerviert feuerte er das jetzige Handtuch dem anderen hinterher und verließ das Badezimmer, möglichst darauf bedacht dem ‚Versuchstierchen’ nicht zu nahe dabei zu kommen. Ran war… der Meinung gewesen, dass dieser Mensch zu den Monstern gehörte. Aber obwohl er einen Kittel getragen hatte, war dem nicht so. Kein Monster… ein Mensch, den er verletzt hatte? Er schnupperte dem minimalen Blutgeruch nach und versank in der Betrachtung des Badezimmers. Er war verwirrt. Bei all dem Trubel hatte Schuldig doch glatt vergessen, sich etwas zu Essen zu machen, was er eigentlich vorgehabt hatte, da seine einzige Mahlzeit heute morgen aus einem Kaffee bestanden hatte und es jetzt nach vier Uhr nachmittags war. Hunger machte ihn immer gereizt… In der Küche angekommen machte er sich ein Sandwich und setzte sich damit an den Tisch. Es war furchtbar immer darauf zu achten, dass man nicht doch zu guter Letzt von seinem Haustier in irgendeiner Art und Weise angefallen wurde, dachte er zynisch und biss mit Genugtuung und Hunger in sein Sandwich. Besagtes Haustier machte sich nach einiger Zeit daran, das restliche Haus zu erkundschaften und seiner Neugier zu frönen. Hin und wieder ging dabei etwas zu Boden, aber nicht zu Bruch, es wurde immer wieder vorsichtig aufgestellt. Es dauerte lange, bis Ruhe in Ran einkehrte und er zu dem Ausgangszimmer zurückkehrte. Er legte sich auf das Bett und betrachtete sich das Wiegen der Bäume im Wind. Er hatte lange nicht mehr gehört, wie die Blätter rauschten, wie sie sich einander Geheimnisse zuflüsterten, die nur sie verstehen konnten. Lange hatte er sie auch nicht mehr gesehen, die Blätter und wenigstens das war ihm nun vergönnt. Er lag auf der Seite, das Kinn auf einen Unterarm gestützt, die vor ihm gekreuzt waren, die Beine leicht angezogen und beobachtete träge das Spiel des Windes. Es war Ruhe eingekehrt als es gegen Abend zuging und Schuldig bearbeitete Daten in seinem Arbeitszimmer, neben sich ein Glas Rotwein. Sanfte Musik untermalte seine gute Stimmung und er lehnte sich nach getaner Arbeit bequem in seinen Sessel zurück. Die Daten wurden gerade von Nagi übertragen, zumindest ein kleiner, entschlüsselter Teil davon, wohl nichts Wichtiges wie verkündet worden war, aber dennoch sehenswert. Es war Hunger, der Ran wieder nach unten trieb, aber vielmehr noch der Durst. Es war dämmrig und umso schwieriger war es trotz seiner Augen, die Treppe zu bewältigen. Unten angekommen forschte er nach Geräuschen und fand sie nicht in diesem Raum, sondern weiter weg. Er ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank, sah dort die Box stehen. Las ihre Aufschrift. Es war nur natürlich, was darauf stand, und er hatte es auch ahnen können, doch es schmerzte. Aber sicherlich war er ein Tier. Er ließ die Frischhaltebox links liegen und nahm sich anderes hervor, besann sich dieses Mal jedoch anders. Nach einem Teller und Messer suchend, fand er nur ersteres und brach sich von jedem, was er fand, ein Stück ab, legte es sich auf den Teller und setzte sich schließlich wieder auf die Anrichte, aß mit dem Blick nach draußen. Neben ihm stand eine Wasserflasche, die er öffnete und deren Inhalt mit gierigen Schlucken trank. Er würde das Glas morgen hinunter bringen, beschloss Schuldig, setzte den Rechner auf Stand-by und löschte das Licht. Die Wunde auf seiner Brust wurde kurz noch im Badezimmer inspiziert und danach begab er sich gleich nackt wie er war ins Schlafzimmer zurück. Dort fand er noch immer das Kleiderchaos vor, welches er zusammenräumte und schlussendlich entschied, es hinüber ins Zimmer seines Gastes zu transportieren. Also zog er sich zwecks Transportes eine weit geschnittene Schlafanzughose über, raffte die Kleidung zusammen und ging hinüber ins verdunkelte Zimmer. Er legte die Kleidung sorgfältig zusammen und verstaute sie in der kleinen Kommode, das einzige Möbelstück welches bis auf das Bett im Raum vorhanden war. Nach getaner Arbeit ging er wieder zurück ins Schlafzimmer und legte sich ins Bett. Die Alarmanlage war installiert, die Fenster gesichert. Herrlich, alles prima und er konnte schlafen. Seine Tür natürlich abgesperrt. Was… Ran dort draußen trieb war ihm momentan herzlich egal. o~ Wann hatte er das letzte Mal den Mond gesehen? Ran konnte sich nicht erinnern, wie so vieles war der letzte Mond verschwommen und undefinierbar. So war es auch kaum ein Wunder, dass er wie hypnotisiert auf die blasssilberne Scheibe starrte, die das Zimmer erleuchtete. Es war tief in der Nacht, sah er jetzt und er folgte seinem natürlichen Biorhythmus, nachts hellwach zu sein und tagsüber zu ruhen. Er war vorher durch das Haus gestreunt, hatte sich jeden Winkel bei Nacht angesehen und die Dinge ertastete, wie sie sich im Mondlicht anfühlten…nicht viel anders als am Tag, dennoch konnte er dem Zauber der Dunkelheit wenig widerstehen. Ran hatte festgestellt, dass er überall hin konnte, nur nicht nach draußen und durch eine bestimmte Tür, hinter der vermutlich er schlief. Er konnte Angst und Vorsicht spüren, verstand jedoch nicht, warum. Er war kein Monster, oder? Jemanden im Schlaf heimtückisch zu ermorden, würde er nie tun. Vielleicht sie. Ja, sie würde Ran töten… aber den Menschen? Er hatte Ran das Weiß genommen und Farben gegeben, ebenso wie Kleidung und Nahrung, die er seit langem nicht mehr getragen und gegessen hatte. Er hatte mehr Freiheiten, als bei ihnen, auch wenn ihm der Weg nach draußen verwehrt wurde. Weil Ran eben immer noch das Tier war… Er spürte es selbst, denn wenngleich seine Gedanken nun flüssiger wurden und nicht nur Eindrücke sein Denken beherrschten, er somit auch herausgefordert wurde, was seine Umgebung betraf, so waren diese Gene nicht zu verneinen. Er trug sie in sich… er war so und auch wenn er dachte und sprach wie ein Mensch, war er keiner. Ein weiteres Mal betrachtete er sich sein rotes Blut, schmeckte es. Es schmeckte nicht anders, roch nicht anders, sah nicht anders als das eines Menschen… Der zweite Tag brach an und er wurde ignoriert. Zum ersten Mal seit langer Zeit war Ran wirklich einsam, nicht unter der Aufsicht von Wissenschaftlern, nicht fixiert auf einem Labortisch, nicht in der gleißend hellen Zelle, sondern für sich, ohne ihn beobachtende Augen. Er löschte das Licht, wann er wollte, er stand auf, verließ das Zimmer, wann er wollte, um in seiner größeren Zelle herum zu spazieren, denn nichts anderes war dieses Haus. Ein leises Gefühl der Haltlosigkeit schwelte in ihm. Er schien vollkommen auf sich alleine gestellt zu sein, ohne irgendjemanden an seiner Seite…und obwohl es soviel zu entdecken gab, viel Neues, das seine Zeit forderte, war da doch etwas, das fehlte. In der zweiten Nacht hatte er den Fernseher gefunden und schaltete die Programme durch, bevor er ihn ausmachte. Es war… eine Reizüberflutung für ihn, sich auf die schnell wechselnden Bilder zu konzentrieren und sie zu verwerten. Er wurde unruhig davon und wütend. Dafür nahm er sich einen ganzen Stapel an Büchern mit nach oben in das bunte Zimmer. Er hatte früher viel gelesen…und versuchte sich jetzt mit einigen Anfangsschwierigkeiten erneut daran. Doch je länger er las, desto mehr und schneller konnte er in die Geschichte eintauchen… oder in das Wissen, das sich ihm hier feilbot. Wie sehr er das vermisst hatte, wurde ihm erst jetzt bewusst. Es schien, als hätte die Nacht zu wenig Stunden, als er den Blick in die gleißende Sonne richtete, die schon vor längerer Zeit aufgegangen war und einen warmen, strahlenden Tag ankündigte. Er würde ihn gerne von außen spüren, den Tag, nicht nur durch geschlossene Fenster und Sicherheitsglas, wie er letzte Nacht herausgefunden hatte. Seine Knöchel schmerzten immer noch von der Wucht, mit der er versucht hatte, durch die Scheibe zu dringen. Ran verließ das bunte Zimmer, in seiner Hand vergessen das gerade angefangene Buch und ging langsam die Treppe hinunter. Er betrat die Küche und machte sich wie immer daran, sich das Essen aus dem Kühlschrank zu nehmen und zu warten. Neuer Tag, neues Glück, sinnierte Schuldig und beschloss nach einem herzzerreißenden Gähnen und Strecken aufzustehen. Er strich sich durch die verkletteten Strähnen und gab es schließlich auf, ging nach einer kurzen Morgentoilette barfüßig und nur mit einer Hose bekleidet die Treppe hinab, Richtung Küche. Die Nacht hatte er in einem sehr unruhigen Schlaf verbracht. Warum konnte er nur marginal sagen. Vermutlich weil er wusste, dass noch jemand im Haus war… außer ihm. Und da war er auch schon… er oder es… also Ran, sein Mitbewohner. „Morgen“, murmelte Schuldig um diese Zeit noch wenig gesprächig, obwohl die Sonne schon munter hereinschien. Er warf dem anderen einen nichtssagenden Blick zu, wandte sich zum Kühlschrank und schenkte sich ein Glas Milch ein, ging damit ins Wohnzimmer und öffnete mit einem Schulterzucken die Tür zum Garten. Er ging hinaus und sofort zog sich eine Gänsehaut über seinen Körper. Tief einatmend genoss er die frische Luft am Morgen und nahm einen Schluck seiner Milch. Mal sehen wie lange es dauerte, bis das andere Männchen neben ihm hier auftauchte. Er hätte wetten können… nicht lange. Es war wirklich nicht lange, denn als der erste Luftzug über Rans Haut strich und er sah, wie sich die kleinen Härchen auf seinem Arm erwartungsvoll aufrichteten, schnupperte er in die Richtung, aus der es auch immer kommen mochte. Er erhob sich und folgte den neuen Gerüchen… hinaus auf die Terrasse, in den Garten. Es fröstelte ihn ebenso wie den Menschen, der neben ihm stand, doch ihm war schon seit er diese normale Kleidung trug, nicht wirklich warm. Aber der Drang, auch diesen Bereich zu erkunden überwog und er streunte in den weitläufigen Garten, betrachtete mit Faszination und Glück die Bäume und die Lebewesen, denen er ansichtig werden konnte. Wann hatte er das Land das letzte Mal gesehen? Die Natur? Immer wieder einen Blick zurück zu dem anderen werfend, drang er tiefer in diesen grünen Himmel vor. Jetzt könnte er fliehen...er könnte von diesem Mann entkommen mit Leichtigkeit. Ran war schneller, das hatte er schon gelernt. Doch was genau hielt ihn nun davon ab? Schuldig sah die Freude, die Sehnsucht nach der Natur, doch er sah kein einziges Lächeln auf dem hellen Gesicht, das sich weiter, immer weiter von ihm entfernte. Als wäre mit dem Sprachvermögen auch die Mimik eingefroren. Ran… kannte nicht viele Gesichtsausdrücke, als wäre sein Gesicht starr und vermochte nur Wut, Argwohn, Hass, Widerwillen oder Missbilligung auszudrücken. Zumindest das zeigte sich in den hellen Zügen. Für einen Moment ärgerte sich Schuldig über die Tatsache, dass er überhaupt über dieses… Etwas… über diese Missgeburt nachdachte. Verdammt auch! Er trank sein Glas leer, schon wieder in schlechter Stimmung, dabei war vor wenigen Augenblicken noch alles im grünen Bereich gewesen. Er ging hinein, schloss die Tür, verriegelte sie jedoch nicht und ging den Kopf voll mit negativen Gedanken zurück in die Küche um das Glas dem Spülautomaten anzuvertrauen. Danach ging er in die Dusche um sich aufzuwärmen. „Soll er doch abhauen“, grummelte er. Dieses Etwas brachte sein ganzes, schönes Leben durcheinander, seine Stille, seine Routine. Er wusste, dass er ungerecht war und das ärgerte ihn noch mehr. Dieses Haus war seine Rückversicherung, seine Zuflucht wenn es Probleme gab und sie sich trennen und zurückziehen mussten. Und jetzt… war es usurpiert worden von diesem Frankenschein’schen Monster. ‚Na…jetzt übertreibst du aber’, spross sein Gewissen zarte Triebe empor und er seufzte, begann sich anzuziehen. „Ja…schon recht“, murmelte er diesen zarten Knospen entgegen. Wenn er wenigstens mehr über Ran wüsste. Aber so? Es war Unsicherheit im Umgang mit ihm, es war Vorsicht wegen der bereits geschehenen Angriffe und Verletzungen in seine Richtung und auch Unverständnis über so eine Kreatur. Schuldig ging wieder hinunter, setzte sich auf die Couch und starrte vor sich hin. Du Idiot, schallte eine andere Zweigstelle in seinem Kopf spottend. ‚Du selbst bist eine solche Kreatur und spielst dich hier als perfekten Menschen auf? Das ich nicht lache. Komm mal wieder runter von deinem Trip. Wo du geistig anders bist als der Standarttyp Mensch, ist er es körperlich und vermutlich auch in seinen Verhaltensweisen. Doch legst du nicht auch ein anderes Verhalten an den Tag als sonst jemand aufgrund deiner Fähigkeiten und somit Möglichkeiten?’ Es gab viel zu viel, was letztendlich Rans Aufmerksamkeit forderte und ihn von dem anderen ablenkte. Ungeachtet sich und seiner Umgebung streifte er weiter hinein in die Wildnis des Gartens, der Natur um sich herum. Erst spät merkte er, dass es ihn fröstelte und dass er regelrecht fror... eine zunächst unbekannte Empfindung für ihn... wie die letzten Tage auch schon, denn er hatte lange nicht mehr gefroren. Sie hatten Tests mit ihm gemacht, ihn Kälte ausgesetzt ohne den Anzug, da hatte er die Kälte gespürt und zu hassen gelernt, doch hier war das etwas anderes. Hier war er... eingenommen von den neuen Eindrücken, die sein Gehirn gierig aufsogen um sie zu verwerten. Bis er merkte, wie weit er vorangekommen war und zurückblickte... das Haus nicht mehr sah. Genau in diesem Moment hätte er mit Leichtigkeit entkommen können, wenn er wollte, das erkannte Ran ein weiteres Mal, doch warum sollte er fliehen, wenn anscheinend keine Absichten bestanden, ihn festzuhalten? Denn sonst wäre die Tür wohl kaum offen gewesen, oder? Unsicherheit schwelte auf in ihm und trieb ihn zurück, ebenso wie die nun unangenehmere Kälte in seinem Körper. Instinktiv suchte er sich seinen Weg zum Haus und fand die Terrasse verlassen vor, die Tür zu. Ran legte den Kopf schief. War sie verschlossen? Er ausgeschlossen? Das war... neu. Sie hatten ihn nicht ausgeschlossen, die Monster, sie hatten ihn eingesperrt. War das etwa der Grund, warum er so leicht nach draußen gelangen konnte? Wollte der andere Ran loswerden? Langsam kam er auf die Terrasse und versetzte der Tür einen leichten Schubs. Kein Widerstand, als sie aufschwang und ihn hineinließ. Sich hinter ihm schloss, als er die Klinke hinunterdrückte und die Tür verschloss. Auf seine Hand starrend, wunderte Ran sich über die Alltäglichkeit in der Geste und Erinnerungen an andere Zeiten durchflossen ihn... an Zeiten, wo er noch normal gewesen war, kein Tier und Versuchsobjekt. Wo sie noch lebten und ihn mit einem Lächeln begrüßten, nicht mit kalten, wissenschaftlichen Gesichtern und Nadeln... oder anderem, das ihm Angst machte. Mit diesen Gedanken sah sich Ran suchend um und fand den Unaussprechlichen auf der Couch. Er kam langsam auf ihn zu und ließ sich weit weg am anderen Ende des Sofas auf den weichen Stoff nieder, augenscheinlich angespannt und der Körper zur Flucht bereit, falls es notwenig war... oder auch zum Angriff. "Wer bist du?", fragte er schließlich das, was ihm beim Anblick des anderen als erstes in den Sinn gekommen war. "Warum warst du da unten?" Danke fürs Lesen! Fortsetzung folgt… Coco & Gadreel Kapitel 2: MAGENTA ------------------ Schuldigs Kopf schwenkte langsam hinüber und maß das Subjekt seiner inneren Gereiztheit mit genervtem Blick. Bis er ihn schließlich fallen ließ und gelangweilt mit den Schultern zuckte, leise Musik mittels Fernbedienung aus der Anlage in den Hintergrund rieseln ließ. „Ich töte Menschen für Geld und ich erledige Aufträge die kein anderer in dem Maß erledigen kann.“ So, Frage Nummer eins abgehakt, Frage numero zwei… „Ich war dort unten um einen Auftrag zu erledigen.“ Jetzt redete das Tierchen also …und sogleich die lästigsten Fragen musste er stellen… Der Ton, schlussendlich auch die Worte des anderen ließen Ran innehalten. Er tötete Menschen gegen Geld? Das hatte er noch nicht bedacht, das war anders als er erwartet hatte. Sein Blick wanderte vorsichtig prüfend über diesen Menschen, als könne er so herausfinden, welche Gefahr ihm von ihm drohe. Monster...hallte es in ihm, ein tötendes Monster, das andere umbrachte. Doch war er nicht genauso? wie oft hatte er sie angegriffen, wie oft hatte er sie regelrecht zerfleischen wollen vor Wut, Hass und Zorn über das, was sie mit ihm taten? "Gehöre ich auch zu deinem Auftrag? Warum bin ich hier?", fragte er schließlich, den Beruf des anderen nicht wertend...innerlich jedoch Abstand davon nehmend. War es denn nicht etwas anderes, aus Selbstschutz zu töten, als für Geld? Prima, die nächste bescheuerte Frage, ätzte Schuldig und stöhnte innerlich. Wie ein kleines Kind, urteilte er und legte nach einer kleinen Überlegungsphase, die eigentlich nur aus unproduktiven Schimpfwörtern bestand, den Kopf auf die Couchlehne und drehte sein Gesicht Ran zu. „Vermutlich, weil ich absolut masochistisch und idiotisch bin.“ Nach der Stille, die danach einsetzte zu schließen, war das wohl nicht eine befriedigende Antwort für Ran. „Das Labor war Unterwasser“, versuchte er es mit einfachen Erklärungen. „Nachdem alle geflohen waren, flutete es sich automatisch, um die Daten für Diebe oder Unbefugte zu sichern. Hätte ich dich dort unten lassen sollen? Du wärst entweder verhungert, wenn das Wasser dich nicht erreicht hätte oder du wärst ertrunken. Es war eher Zufall, dass ich dich dort gesehen habe, du gehörtest nicht zu meinem Auftrag, wurdest nicht einmal erwähnt. Nicht einmal eine Randnotiz über dich.“ Er konnte sich ein kleines ironisches Lächeln nicht verbeißen, über diese Worte. Nichts über ihn? Eine Stimme in Ran sagte ihm, dass es gut war… dass er nicht wichtig genug für sie war, dass sie ihn erwähnten. Eine andere jedoch wusste, dass all das, was sie mit ihm gemacht hatten, all das, was er in der letzten Zeit durchmachen musste, für nichts gewesen war. Doch war das nicht… war das nicht nur wieder ein Zeichen dafür, dass er nichts als ein Versuchstier war? Dass sie… dass sie sie einfach so getötet hatten, um ihn zu bekommen, dass seine Schwester im Koma lag, nur wegen ihm… nur weil er unwichtig war? Weil seine Präsenz, sein Leben oder das, was er dafür gehalten hatte, vollkommen verschwunden war. Wo sein Gesicht keine Freude ausdrücken konnte, stand es mit Trauer anders. Kurz und von ihm unbewusst huschte Verzweiflung über sein Gesicht, war jedoch als er erneut aufsah, wieder verschwunden. Doch sie waren tot, oder? Dieser Mann hatte gerade gesagt, dass er Menschen für Geld umbrachte und dass das ein Auftrag von ihm war. Er hatte die Monster getötet… war er gut? Er hatte ihm Farben gegeben, Essen, Natur… festen Boden unter den Füßen… frische Luft. Er fragte nach seinem Namen, danach, ob er Kleidung tragen wollte, ob er sich waschen wollte… „Heißt das… dass sie tot sind und ich nicht… existiere?“ Aber Ran hatte doch einen Namen, eine Familie, eine Vergangenheit. „Wer soll tot sein? Die Typen im Labor? Ich denke, dass ein Großteil von ihnen eliminiert wurde, als sie an die Oberfläche kamen. Ich selbst habe nur einen zum Auftrag gehabt.“ Schuldig lächelte müßig. „Natürlich existierst du. Du atmest, du isst, du sprichst, du denkst… du bist. Ob du nun irgendwo registriert bist oder nicht, ist das so wichtig?“ „Ja...“, erwiderte Ran zögernd. „Ohne Ausweis kann man nicht arbeiten, nichts…“ Zumindest in der Gesellschaft, in der er gelebt hatte. Zumindest zu der Zeit, als er noch Mensch war und kein Tier. Doch vielleicht war es auch gar nicht so wichtig, dass er registriert war. Er war etwas, das anders als die Menschen war, etwas, das Menschen erforschen wollten. Sie würden ihn nie sein Leben leben lassen… wenn er denn dazu noch fähig war. Er wusste doch noch nicht einmal, wie viel Zeit vergangen war zwischen ihrer Ermordung und heute… zwischen diesem Tag, der sein Leben auf den Kopf gestellt hatte bis jetzt. „Welches Jahr haben wir?“ Oha… da hatte das Versuchstierchen aber einiges aufzuholen… „2020“, kam es dann absolut staubtrocken aus Schuldigs Mund und er stand auf. „Weshalb fragst du? Haben sie dir in deinem Glasbunker nichts über die Welt überm Wasser erzählt?“ Er ging in die Küche um sich einen Kaffee zu machen. 20…20? Violette Augen wurden weit, als sie der Bedeutung dessen gewahr wurden. Das waren über 20 Jahre… die er dort verbracht hatte und die er sich vom Aussehen her kaum verändert hatte. Zwanzig… lebte seine Schwester überhaupt noch? Er sah sich hektisch nach dem anderen um und machte ihn schließlich in der Küche aus. „Ist das wahr?“, fragte er mit Entsetzen in den Augen. „Warum zweifelst du daran, dass es wahr ist?“ Schuldig füllte den Kaffee in den vorgesehenen Behälter des Automaten und wandte sich mit ernstem Gesicht und… trotz seines kleinen inneren Spaßes darüber… echtem Interesse. Wobei die Angst und auch das Entsetzen im Blick etwas in ihn berührten. „Ich… ich weiß nicht. Ich wollte zurückrechnen, wann…“ …wann sie ihn von seiner Familie getrennt hatten, wann die Monster seine Eltern umgebracht hatten. Er senkte den Blick. Er kam sich dumm vor, dass er nicht wusste, welches Jahr sie hatten, dass er eigentlich nichts wusste. Sie hatten ihn nichts lesen lassen, ihm keinen Unterricht gegeben. Er war dumm… ein Tier. Ein dummes Tier. Schuldig schaltete die Maschine ein und lehnte sich mit verschränkten Armen vor der Brust an die Anrichte. Er unterzog die Gestalt einer eingehenden Betrachtung. „Morgen bekomme ich vielleicht einige Daten, dann können wir sehen, ob sie dir eine Identität gegeben haben. Warst du schon immer dort?“ „Nein… ich bin bei meinen Eltern aufgewachsen und mit meiner Schwester“, erwiderte Ran leise. Es brachte Erinnerungen hervor, die ihm in der Zeit dort unten vorenthalten wurden, die ihm jetzt aber Schmerzen bereiteten. Diese Schmerzen machten sich auf seinem Gesicht erkennbar. Gerade jetzt griffen Schuldigs telepathische Hände in Rans Geist… wollten es zumindest, doch es gelang ihnen nicht. Zu verworren war es, was ihn empfing, zu unnatürlich. Er gelangte nicht hinein und zuckte vor dem Schmerz in seinem Schädel zurück, der als Echo zu ihm zurückprallte. „Scheiße“, fluchte er und stützte sich auf der Anrichte auf. Er brauchte einige Augenblicke um sich wieder zu fangen. Ran sah verwirrt auf, als seine Ohren dieses irritierende Wort aufnahmen, nein, er spürte das Unwohlsein seines Gegenübers. „Was ist mit dir?“, fragte er nervös und trat einen Schritt vor. Seine Finger zuckten, doch er hielt sich zurück. Schuldig spürte die feinen unsichtbaren Schweißperlen auf seiner Stirn und blickte grimmig auf. „Nichts“, wehrte er ab und wandte sich gleichzeitig unwirsch um. Er hatte es noch nie erlebt, dass jemand ihn nicht eingelassen hatte. Noch nicht einmal sein Eingreifen bemerkte. Wenn er es drauf anlegte, konnte er wie ein Dieb eindringen, ohne dass der Überfallene etwas bemerkte. Doch hier…bei diesem Kater… der noch nicht einmal bemerkte, wenn er ohne Schonung in seinen Geist drang. Was war das nur für… ein Ding? Es verunsicherte ihn und brachte ihn zusätzlich gegen dieses… ja… dieses Etwas auf. „Lass mich in Ruhe.“ Ablehnung sprang ihm hier entgegen und Ran trat unwillkürlich zurück. Ablehnung war etwas, das er sehr wohl verstand und was ihm deutlich machte, dass er lästig war. Lästig vermutlich, weil er erzählt hatte, dass er doch eine Familie hatte. Dass er auch menschliche Seiten hatte… das war lästig, denn ein Tier war leichter zu händeln? Wo war der Hass geblieben, die Wut, die Ran gegen die Monster in dem Labor gehabt hatte? Wieso reagierte er nicht mit Wut auf diesen Mann? Wortlos zog Ran sich aus der Küche zurück und ging nach oben, ins bunte Zimmer. Er legte sich aufs Bett und zog die Decke über sich… für einen Moment unachtsam, denn er geriet mit seinen Krallen in den Stoff und riss einen kleinen Schnitt hinein. Ja… vielleicht war er wirklich ein Tier, das nicht mehr erkennbar war, wie es ihm gesagt wurde. Ein Tier, das niemand sehen und haben wollte, weil es so anders war. Er schloss die Augen und stülpte sich die Decke über den Kopf. Selbst über diesen leisen Abgang war Schuldig wütend. Alles machte ihn an diesem… Ding wütend. Dass es hier war, dass es sprach… dass es… verdammt noch mal… warum hatte er es am Hals!? Er konnte mit so etwas nicht umgehen. Wer kann das schon, du Idiot… meldete sich die enervierende Stimme in seinem Schädel wieder und er zählte bis zehn, atmete tief ein und griff sich seinen Kaffee. Die Spannung stieg, wie sie die nächsten Tage zusammen verbringen würden, denn er musste momentan nicht arbeiten. Ein Umstand, der sich zwar schnell ändern konnte, doch er hatte wenig Hoffnung darauf. o~ Es war Abend, als Ran nach unten schlich. Er hielt sich ruhig, den Tag über, las etwas in den Büchern, die er nach oben geholt hatte oder folgte dem Lauf der Wolken, die tief hängend und gewaltig über den Himmel wuchteten. Manchmal auch dem Regen, der an seine verschlossenen Scheiben prasselte. Erst als er in die Stille des Hauses hineinlauschte und sich alleine glaubte, ging er in die Küche und öffnete den Kühlschrank, holte sich etwas zu essen heraus. Bevor Ran jedoch zum Wasser griff, fiel sein Blick auf die Dosenansammlung, die er vorher schon inspiziert hatte. Es befanden sich verschiedene Teesorten darin. Er hielt inne und entschloss sich dann anders. Er hatte noch keines der Geräte in der Küche ausprobiert… doch er war doch noch zumindest mit einem kleinen Rest Mensch, oder? Er konnte doch noch denken…Außerdem hatte er früher immer gerne Tee getrunken, als er noch bei seinen Eltern war. Als sie noch am Leben waren. Vorsichtig griffen seine Finger nach dem Wasserbehälter und füllten ihn, setzten ihn wieder in die Verankerung. Er suchte den Schalter zum Anmachen und betätigte ihn ebenso vorsichtig. Während das Wasser anfing zu kochen, holte er sich eine Tasse aus dem Schränken. Während das Wasser sich erwärmte, fragte er sich, wann er das letzte Mal etwas Warmes getrunken hatte? Tee? Nicht immer nur Wasser oder vitaminversetzte Flüssigkeiten, die, wenn er sie nicht trinken wollte, ihm mit Gewalt zugeführt worden waren? Eine Ewigkeit… zweiundzwanzig Jahre… wenn sie das Jahr 2020 hatten. Und er hatte sich nicht verändert. Ein leises Klacken sagte ihm, dass das Wasser fertig war und er suchte sich die Teesorte, die am Besten roch, gab ein paar Löffel davon in die Tasse und schüttete Wasser darauf. Schuldig dagegen hatte andere Sorgen, als herumirrende Teeblätter in einer Tasse. Er blickte auf die Akte „Abyssinian IV“, die ihm gerade von Nagi überspielt worden war. „Schöne Scheiße“, murmelte er und scrollte auf dem Bildschirm nach unten. Scheinbar wurde dieses Etwas wirklich in einem Labor gezüchtet und danach… hatten diese Laborjungs ihn dann in eine Pflegefamilie gegeben um ihm so etwas wie soziales Verhalten zu lernen. Im Alter von 15 Jahren hatten sie ihn dann wieder zurückgeholt und seitdem… Schuldig las weiter und es gab sogar mehrere Bilddateien. Er öffnete eine und wurde mit Bildern von Zellen konfrontiert und schloss die daher wieder. Eine andere jedoch fand er wesentlich interessanter. Fünfzehn Bilder. Jedes Jahr eines von Ran… die ersten als Baby in einer Forschungseinrichtung, dann kamen plötzlich Bilder mit der Familie und später ab dem fünfzehnten Lebensjahr nunmehr Bilder in kürzeren Abständen, akribisch geordnet und monatlich oder bei Veränderungen aufgenommen. Jedes Bild enthielt eine Textdatei, in der der aktuelle Status des Versuchsobjekts schriftlich hinterlegt war. Zwei Stunden brütete Schuldig über diesen Daten, bevor er die Datei schloss, die Daten extern sicherte und den Rechner ausschaltete. Für heute hatte er genug von den Horrorgeschichten. Er ging hinunter in die Küche um sich noch einen kleinen Snack zu genehmigen, bevor er sich vor den Fernseher schmiegen konnte. Ran hörte schon lange bevor der andere die Küche betrat, dass der andere kam, doch er drehte sich nicht um, wusste er doch, dass er mit Ablehnung konfrontiert sein würde und egoistischerweise wollte er das nicht. Er musste jedoch warten, bis der Tee durchgezogen war, damit er ihn abschütten konnte, insofern er ein Sieb fand. Erst dann würde er wieder nach oben gehen. Er machte sich in den Schubladen auf die Suche nach einem Sieb und fand es schließlich. Das erste was dem Eigentümer des Hauses auffiel war das… Kindergemantsche auf der Anrichte. Teeflecken um die Tasse herum und zwei ungeschickte Hände, die sich mit neuen Gerätschaften zurechtfinden mussten. Alles passte in sein neues Bild von… Ran. Und es nervte ihn und am meisten nervte es ihn, dass es ihn überhaupt nervte. Er betrachtete sich den Zwanzigjährigen und grub seine Hände in seine Jeans, stand locker in einigem Abstand da. „Zwanzig“, sagte er und wartete auf eine Reaktion. Die erst daraus bestand, dass Ran eine gute Menge des Tees, die er konzentriert von einer in die andere Tasse zu bringen versuchte, verschüttete. Er hatte sich erschrocken, nicht darauf gefasst, dass er mit ihm sprach. Bevor er sich jedoch zu dem anderen umdrehte, vollendete er seine jetzige Aufgabe und stellte dann die leere Tasse auf die Ablage. „Was ist…mit dieser Zahl?“, fragte er, darauf konzentriert, das, was er angerichtet hatte, wieder aufzuräumen. „Dein Alter“, zuckte Schuldig mit seinen Schultern und ging näher, öffnete den Kühlschrank und spähte stirnrunzelnd hinein. Er griff sich unversehrte Zutaten für sein Sandwich und legte sie auf die Anrichte, neben das kleine Chaos, das da lag und…dort in voller Lebensgröße stand. „Wir haben das Jahr 2003 und du bist zwanzig Jahre alt. Du warst fünf Jahre lang in dieser Tiefseemuschel. Eigentlich sieben, wenn man es genau nimmt. Du bist mit zwei Jahren zu deinen Pflegeeltern gekommen.“ Die Hände, die gerade versuchten, das Chaos zu beseitigen, hielten abrupt still und Rans Blick fuhr hoch. Nur… fünf Jahre? Oder war es: GANZE fünf Jahre… sieben Jahre? Seine Eltern, seine Pflegeeltern? Die ersten zwei Jahre hatte er auch dort in dem Labor verbracht? Hatten sie ihn gezüchtet? War er noch nicht einmal menschlich geboren? Seine Miene war nicht besonders emotionsvoll und er bemerkte die Träne, die seine Wange hinunterlief erst, als sie ihn am Kinn kitzelte und er ihr nachfühlte. Es war… eine lange nicht mehr da gewesene Reaktion. Er wandte sich abrupt ab und wischte mit ungelenken, zittrigen Fingern die Teeblätter auf, die er verschüttet hatte. Eine Frage geisterte jedoch im Hinterkopf…warum hatte der Mann ihn angelogen? Eine Reaktion mit der Schuldig nicht wirklich gerechnet hatte. Gut, er wollte eine provozieren, aber so etwas? Es nervte ihn. Ärgerte ihn. So stark, dass er beschloss sich gegen dieses Ärgernis abzuschotten. Er schwieg, schloss die Reaktion des anderen aus und machte sich sein Sandwich, dass er mit hinüber in das große Wohnzimmer nahm. Er schaltete den Fernseher ein und aß genüsslich sein Brot. Zumindest versuchte er es sich angestrengt einzureden, dass er es sich schmecken ließ… Es brauchte etwas, bis Ran das Gefühl hatte, dass die Ablage und seine Tasse sauber waren, bevor er den warmen Tee vorsichtig mit beiden Händen umfasste und ins Wohnzimmer trug. „Du weißt soviel über mich… weißt du auch etwas über meine Familie?“, fragte er nach einigem Zögern. Sie hatten ihn damals auch mit seiner Schwester erpresst. Hatten sie mitgenommen und er war ihnen gefolgt. Doch als er schließlich heim wollte, hatten sie ihn nicht gelassen, hatten ihm gesagt, was passiert war. Was sie getan hatten. „Sie sind tot, steht zumindest in den Berichten“, bemerkte Schuldig beiläufig und biss in sein Sandwich, zappte durch die Kanäle. „Setz dich endlich hin, dieses Rumgestehe nervt mich“, knurrte er übellaunig. „Alle von ihnen?“, fragte Ran nach, nachdem er sich etwas von dem anderen Mann entfernt niedergelassen hatte. Er vermied den Blick auf die sich schnell bewegenden Bilder und versuchte, seine Nervosität der hohen Geräusche wegen zu ignorieren. Ein paar der langen Strähnen waren nach vorne gerutscht und er spielte mit den Haaren, während seine Augen über das Gesicht des Mannes neben ihm fuhren. „Was weiß ich, im Bericht hieß es alle. Keine Überlebenden. Akte geschlossen.“ Er schnaubte. „Wie in allen diesen Berichten… es ist immer das Gleiche… Ran“, meinte er müde, seine ablehnende Haltung für einen Moment zugunsten der eigenen Trauer aufgebend. „…immer das gleiche mit solchen Akten. Sie werden erst geschlossen, wenn man nutzlos oder tot ist.“ In seinen Augen flackerte kurz Erinnerung auf, doch er starrte weiter auf die flimmernden Bilder, mied den Blick zu… Ran. Dieser spürte, dass da noch etwas mehr war, doch er sagte nichts dazu, wollte nichts dazu sagen. Er widmete sich den Worten und sein Blick fiel auf den Tee, der in seinen Händen zitterte. Keine Überlebenden? Hieß das… dass seine Schwester auch tot war? Seine Eltern und seine Schwester? Er war also alleine, niemand war mehr da. Ran wusste nicht, wieso ihm das in dem Labor nicht zu schaffen gemacht hatte… vielleicht waren es aber auch die Medikamente gewesen, die sie ihm verabreicht hatten. Doch nun spürte er, dass da nichts mehr war, das ihn in einer dicken, zähflüssigen Schicht an Betäubung auffing. Alleine, ohne menschliche und familiäre Verbindung fühlte er sich. „Kann ich diese Akten sehen?“ „Sie sind noch nicht alle ausgewertet“, erwiderte Schuldig und wandte den Blick wieder ruhiger zu dem anderen. „Es empfiehlt sich nicht, Tee auf dieser hellen Couch auszuschütten. Warum zittern deine Hände?“, wollte er - schon wieder nahe an der Grenze zum schlecht Gelaunten – wissen. War der andere krank? Hatte er irgendeine Krankheit? Oder war es nur die Trauer, oder das Entsetzen, die Verzweiflung über die Worte, die er Ran gesagt hatte? „Es ist… nichts Schlimmes“, schüttelte Ran den Kopf, stellte jedoch die Tasse auf den niedrigen Glastisch. Er wollte jetzt nichts trinken, weil er wusste, dass er es dann verschütten würde und er wollte menschlich sein. Er wollte Koordination beweisen. Aber war das überhaupt noch wichtig? Niemand war mehr da, dem er beweisen konnte, dass er menschlich war. Niemand. Er legte die Handinnenflächen ineinander und klemmte sie zwischen seine Knie ein. Das brachte Schuldig nun wirklich auf die Palme. Er stellte seinen Teller lautstark auf den Tisch, stand auf und ging zu dem anderen hinüber, setzte sich und nahm dessen Teetasse in die Hand. „Trink schon, wenn du Durst hast. Ich wollte nur wissen, ob sie dir vielleicht etwas verabreicht haben, dessen Fehlen jetzt dieses Zittern auslösen könnte.“ „Ich weiß es doch nicht! Ich weiß nicht, was in den vielen Spritzen gewesen ist, die sie mir gegeben haben… in den Infusionen!“, fuhr Ran auf und war im gleichen Moment erschrocken über diesen Ausbruch. „Ich… es kann gut sein. Sie haben mir soviel gegeben“, fügte er leiser hinzu und seine Hände fuhren nach einigen Momenten des vorsichtigen Wartens zur Tasse, legten sich unter denen des anderen um das Gefäß. Sie waren sich nahe, näher als zuvor und Ran machte das wachsam. Menschen, die ihm zu nahe kamen, bedeuteten nie etwas Gutes, doch dieser hier… hatte noch nichts getan, das ihm nach einer positiven Erfahrung Schmerz zufügte. Instinktiv war Schuldig etwas zurückgewichen als der andere lauter wurde, verzweifelter. Dennoch hatte er die Tasse noch stabilisierend im Griff seiner Hand. Schade um die schöne Couch, wenn er hier nun kniff. „Trink etwas, dann stell die Tasse wieder hin“, sagte er zugegebenermaßen sanfter als zuvor. Innerlich seufzte er resignierend auf. Um zu wissen welche Mittel in ihm herumschwirren müsste man ihm Blut abnehmen und je nach Ergebnis Maßnahmen einleiten. Aber darauf hatten sie überhaupt keinen Bock und keine Zeit. Sie wollten dieses Versuchsobjekt bald wieder loswerden und das zu einem hohen Preis verstand sich. Ran hatte das Zurückweichen gesehen und bemerkt, dass selbst dieser Auftragsmörder Angst vor ihm hatte. Dann musste sie schlimm sein, seine Fremdartigkeit. Er führte die Tasse mit einer Hand des anderen zu seinen Lippen und trank vorsichtig einen minimalen Schluck. Es war ein komisches Gefühl, im ersten Moment beängstigend und zu warm, doch dann schien sich sein Körper daran zu erinnern, dass er früher immer Tee getrunken hatte. Immer. Der nächste Schluck war gewagter, mehr und wurde regelrecht genossen. Seine zitternden Finger wurden von einer ruhigen Hand stabilisiert, die ganz nah an seiner lag ohne sie jedoch zu berühren. Der Tee schmeckte ihm und er trank ihn schließlich leer, bis er die Tasse wieder vorsichtig abstellte, dabei unvorsichtigerweise die fremden Finger berührte. Er war es, der nun zurückzuckte, da dieser Hautkontakt von ihm initiiert worden war... etwas, das er nicht gewohnt war. „Sie haben alles aufgezeichnet… was sie getan haben. Was sie gespritzt haben und wie die Reaktionen darauf waren“, sagte er schließlich und wagte einen Blick auf das Fernsehen, wo gerade ein Film über Australien lief. Es war ruhiger als das, was er bisher zu sehen bekommen hatte. „Vielleicht gibt es Vermerke darüber.“ Die Aussprache war gewählter als man es einem Versuchsobjekt zusprechen mochte. Kein Wunder, wuchs es ja schließlich in einer vornehmen Familie mit allem drum und dran auf. Haus, Garten, Geld, Erziehung, Familie… Liebe… All der Kram eben. Das Zurückzucken mit einer sich hebenden Braue quittierend begab sich Schuldig wieder aus der Reichweite dieser überlangen Nägel auf seinen Platz zurück und aß an seinem Sandwich weiter. „Ja die gibt es mit Sicherheit, allerdings sind sie verschlüsselt und der Code noch nicht geknackt. Das dauert.“ „Ja…“, stimmte Ran zu und sein Blick schweifte von dem anderen zum Fernsehen, das ihm Informationen über diesen fremden Kontinent lieferte. Die Bilder nahmen ihn beinahe sofort gefangen, so bunt waren sie… von soviel Leben sprachen sie. Nur zwischendurch kamen seine Augen immer wieder zurück zu dem anderen, dessen Namen er immer noch nicht aussprechen konnte. Etwas, das Ran nicht in Ruhe ließ. Er wollte es können… „Dein Name…“, begann er. „Wie spricht man ihn aus?“ Das brachte Schuldig zu einem unfreiwilligen, echten Lächeln. Er versuchte es zu verbergen, indem er einen Bissen nahm und dann fast warnend zu dem Japaner hinüberblickte. „Sag einfach Schu. Das reicht. Der Rest… hört sich sonst einfach nur schlimm an.“ „Schu“, wiederholte Ran langsam, aufmerksam im übertragenen Sinne die Ohren gespitzt um die Laute zu erfassen. Es waren nicht die Laute, die in seinen Ohren melodisch klangen, doch es war ein weicher Name. Er hatte das Lächeln gesehen, kurz nur und legte nun den Kopf leicht schief um den anderen zu mustern. „Perfekt!“, behauptete Schuldig spöttisch und erhob sich um seinen Teller in die Küche zu befördern. Na das konnte ja heiter werden, jetzt hatte er auch noch eine Art Kosenamen verraten und hörte vermutlich den ganzen Tag nichts anderes mehr. Auf seinem Teller lag noch ein kleiner Rest, den er noch verschlang, bevor er alles aufräumte und wieder zurück ins Wohnzimmer ging. Sich auf die Couch plumpsen lassend, machte er es sich gemütlich und begann einen gemütlichen - im üblichen Sinne dann langweiligen Abend. Irgendwann im Laufe des Abends hatte sich Ran von der Couch zurückgezogen und war mit einem weiteren Buch aus dem Bücherregal in sein monddurchschienenes Zimmer verschwunden. Er legte sich auf den Boden, direkt in den Mondschein und ließ seine Gedanken streifen… in die Vergangenheit, zu seinen Eltern, seiner Schwester. o~ Die Tage vergingen und Schuldigs Laune wurde nicht wirklich besser. Es nervte ihn alles um sich herum nur noch mehr und vor allem versuchte er seinem Gast auszuweichen. Er war nun seltener zuhause, tauchte höchstens mit Einkäufen oder zum Schlafen und zum Essen auf. Es wurde Zeit, dass sie wieder - er wieder - Ruhe und Frieden hatte und nicht ständig alles absperren musste, damit keiner ihn im Schlaf aufschlitzte, anknabberte, zerstückelte oder auffraß. Deshalb war er umso erleichterter als Brad endlich anrief und den Startschuss freigab für Verhandlungen um das Versuchsobjekt. Tja, die Erleichterung löste sich prompt in Luft auf, als sie erfuhren weshalb sein Gast so gut und sogar unter Wasser… versteckt worden war. Die Ernüchterung kam direkt im Verhandlungsgespräch mit dem Vertreter eines Waffenherstellers in den USA. Im Großen und Ganzen hätte Schuldig beinahe über den gesamten Verhandlungstisch gekotzt als ihm Details des so genannten Einsatzgebietes von „Abyssinian IV“ offenbart wurden. Selbst Brad ließ die Finger davon und sie zogen sich mit Pauken und Trompeten… oder mit einigem an Manipulation und Bleigewitter aus den Verhandlungen zurück. Brad meinte ohnehin, dass es zu wenig Geld für dieses Objekt gewesen wäre. An diesem Abend kam Schuldig mit viel Mühe nach Hause. Im Wagen noch hatte er die Verhandlungen um den Preis Revue passieren lassen und schnaubte noch immer bei dem Gedanken daran, wie sehr es ihn angewidert hatte. Aber… zuvor hatte er ihn loswerden wollen. Dumm nur, dass genau dieses Gerede um „Besitzansprüche“ um „Entlohnung“ um „Forschungsobjekt“ und nicht zuletzt auch um „Verfügbarkeit über dieses Objekt“, Schuldig überkochen hatten lassen. Es erinnerte ihn zu sehr an sein eigenes Leben und daran, wie diese Worte seines bestimmt hatten. War er deshalb so wütend auf… Ran gewesen? Nun, jetzt war es ihm auf jeden Fall gleichgültig. Er wollte nur nach Hause in sein Bett und die Schusswunde versorgen, da er ja dummerweise Kugelfänger spielen hatte müssen. Er parkte den Wagen, schälte sich aus dem Sitz und ging über die Garage nach drinnen, schaltete die Sicherheitsanlage sofort ein und lehnte sich zunächst matt und leicht verschwitzt an die Tür. Nur kurz ausruhen. Er spürte wie er langsam gen Boden rutschte, riss seinen Kopf hoch und stemmte sich ab. Er musste wenigstens nach oben in sein Bett. Dort konnte er sich etwas ausruhen und dann gleich… den verfluchten…. Verband… machen… Das redete er sich wiederholt ein, während er den langen Weg nach oben bewerkstelligte. Die Schmerzen hatten seine rechte Seite fast gelähmt und er hielt die Schulter in einer Schonhaltung. Er hatte das Gefühl, es würden Ewigkeiten vergehen, bis er endlich auf dem Bett lag und die Beine nach oben zog. Brad hatte ihm die Wunde notdürftig versorgt und dabei sichergestellt, dass kein Fremdkörper mehr darin war, aber Schuldig spürte wie das Blut bereits die Verbände voll sog. Wen er jedoch vollkommen übersehen hatte, war Ran, der sich, nachdem er festgestellt hatte, dass Schuldig nicht wiederkam, in dessen Schlafraum zurückgezogen hatte und nun im Dunkeln saß... darauf wartend, dass Schu zurückkam, immer darauf horchend, ob nicht Gefahr drohte. Die Gefahr witterte er nun in Form von Blut in der Luft und seine Augen hefteten sich auf die zusammengekrümmte Gestalt auf dem Bett. Die letzten Tage waren einsam und isoliert gewesen, sie hatten kaum miteinander gesprochen, dennoch konnte Ran nicht ohne einen Kontakt zur Außenwelt… nicht, wo er sich so alleine fühlte. Er löste die Beine von seiner Brust und kroch auf allen Vieren durch das Zimmer, ebenso lautlos auf das Bett, über den verletzten Mann. Schnuppernd kroch er über Schu und lauschte dem Pochen des Herzens, dem Durst nach Blut, der das Raubtier in ihm weckte. Doch dieses Mal war es kein Blutdurst, sondern Besorgnis und Nervosität. Seine Nase fand die blutende Stelle und seine Hand fuhr vorsichtig darüber. Blut war an ihr… „Schu…“, flüsterte er rau und fasste nach dem Gesicht des anderen. „Schu?“ Dieser verzog das Gesicht bei der Berührung, driftete wieder etwas mehr in eine wachere Phase zurück und bewegte sich leicht zur Seite. Etwas schmerzte stark an seiner Schulter und er hatte Durst, obwohl ihm schlecht und schwindlig war. Lediglich ein dumpfes Stöhnen entließen seine Lippen. „Nicht einschlafen… du musst wach bleiben!“, sagte Ran lauter, eindringlicher und schüttelte die Schulter des anderen. Nichts… keine Reaktionen, außer einem weiteren Stöhnen. Er hatte es nicht oft verspürt, doch nun hatte er Angst, große Angst um diesen Mann… dass er starb und ihn alleine ließ. Aufgrund dieser Furcht instinktgetrieben griff Ran zu dem Handgelenk des anderen und zwickte mit seinen Zähnen in den Unterarm hinein… Schmerz wirkte doch belebend… oder? „Schu!“, versuchte es Ran noch einmal und beugte sich ganz nah über den Mann, sodass er jeden Atemzug, jede Regung in dessen Gesicht beobachten konnte. Ran hatte Erfolg, denn dieses Zwicken löste ein weiteres Stöhnen, ein träges Blinzeln und einen heben der Lider aus. Schuldig hob die Hand zu dem verschwommenen Gesicht über sich und berührte die Wange fahrig, bevor er die Augen wieder schloss und seine Hand zurück aufs Bett glitt. Er wollte einfach nur ausruhen, verdammt. „Lass mich schlafen…“, murmelte er, viel zu verwaschen und viel zu leise. „Nein! Nicht schlafen! Du musst wach bleiben… du brauchst Hilfe!“, hielt Ran dagegen und schüttelte Schu noch einmal und ließ sich auf eine Seite nieder. Er schob seine Hände vorsichtig unter den Körper des anderen und stemmte ihn in die Sitzende hoch. Er fauchte leise und zwickte noch einmal zu, dieses Mal in die unverletzten Schulter. „Sag mir, woher ich Hilfe bekommen kann!“ Das Herumgewerkel an seinem Körper holte Schuldig aus seinem unnatürlichen Schlaf zurück und seine Hand grabschte nach dem langen Haar, das sich in seiner Hand verfangen hatte. Er hob die Hand und griff in den Nacken des anderen, zog daran, mit halbgeöffneten Augen. „Verdammt… ich bin wach… hör auf mich zu beißen, du Idiot“, krächzte er wenig erbaut, aber auch nicht wirklich sauer. Doch es musste schließlich die Form gewahrt werden. Ran zischte als Antwort auf die Worte und den Zug an seinen Haaren, der weniger Bedrohung, als Versicherung war, dass Schu wieder bei Bewusstsein war. Er zog unwirsch das Kissen heran und stopfte es Schu in den Rücken, damit dieser sitzen blieb. „Du bist verletzt… was soll ich tun?“, fragte er noch einmal und seine Augen beschlossen, dass die Dunkelheit nicht ausreichte, sich die Wunde anzuschauen. Er langte nach der Nachttischlampe und schaltete sie an, wurde im ersten Moment geblendet von dem hellen Licht. Dann jedoch richteten sich seine Augen auf den anderen Mann, der bleich im Gesicht hier lehnte und dessen Schulter blutig war. „Bring mir… eine Schüssel mit Wasser und… Handtücher. Und …“ Schuldig wischte sich fahrig über das Gesicht. „…den Koffer… der… im Badezimmer steht… den aus Metall… und …“ Er lehnte sich wieder etwas zurück und senkte die Lider. Der Schlaf zog an ihm, aber er musste doch… Rans Hand patschte auf Schus Wange, weniger sacht, als er es eigentlich haben wollte. Doch Schu durfte nicht schlafen! „Was noch?“, fragte er eindringlich. „Los, reiß dich zusammen… was noch?“ Schuldig lächelte fahrig. „…und beeil dich“, kicherte er, amüsiert über die drängende Stimme, die so knurrig in seinen Ohren klang. Schus Amüsement wurde mit einem dunklen Grollen belohnt, doch Ran erhob sich ohne den anderen Mann noch einmal zu beißen - wenngleich er es wohl verdient hatte, wie Ran in einem Anflug an spielerischer Indigniertheit bemerkte - und suchte sich die Sachen zusammen. Er war ungeschickt und mehrere Sachen fielen seinem Drang, möglichst schnell zu handeln, zum Opfer, doch schließlich hatte er alles oben und war wieder bei Schu auf dem Bett. Inzwischen hatte Schuldig wieder etwas geruht und sein Kopf war ihm auf die Brust gerutscht. Er war zwar wach, doch er war unglaublich müde und musste sich zwanghaft daran hindern wirklich einzuschlafen. Ihm war kalt, zwar nicht so, wie es war, wenn der Blutverlust zu groß wurde, dennoch musste diese Wunde noch einmal verbunden werden. Er spürte wie das Bett sich wieder senkte und jemand zu ihm kam. Im ersten Moment erschreckt, ruckte sein Kopf nach oben, rutschte in den Nacken und blieb schlussendlich auf dem Kissen liegen. Die Augen, die ihn so lebhaft und aufgeregt anblickten, boten einen fantastischen Ausblick, sodass er in ihnen zu versinken drohte. Eine Katze… rumorte es in seinen Gedanken… natürlich … eine Katze… „Ein Kater…“, lächelte Schuldig und wisperte diese Worte leise. „Sag mir, was ich tun muss“, überging Ran die fiebrigen Worte, die ihm doch nur allzu gut zeigten, was Schu in ihm sah. Nichts anderes als das Tier, das er war… Er löste die Schnallen des Koffers und warf einen Blick hinein, dann jedoch löste er das Oberteil, riss es schließlich ungeduldig auseinander und legte den nutzlosen Verband frei. „Soll ich ihn ablösen?“ „Ja, mach ihn ab… und pass auf, dass du mit deinen Nägeln nicht an die Wunde kommst, wasch dir die Hände in dem Wasser, wenn du ihn abgelöst hast…“ Schuldig presste die Kiefer zusammen und seine andere Hand fand Rans Seite um sich an etwas festzuhalten, um böse zu werden, wenn der andere ihm vielleicht wehtun sollte. Und wie willst du böse werden? Willst du ihn zu Tode pieken?, grinste Schuldig bissig über seinen eigenen Kommentar. Ran tat, was Schu gesagt hatte, dieses Mal jedoch vorsichtiger als vorher. Der Verband fand seinen Weg auf den Boden und schließlich lag die Wunde nass glänzend vor ihm. Einen Moment lang huschte über seine Augen ein merkwürdiger Ausdruck, fast schon abwesend, doch dann war er wieder weg und Ran blinzelte. Er wusch sich seine Hände und hob fragend die Augenbraue. Die Hand an seiner Seite wog schwer und machte es ihm nicht leicht, sie zu ignorieren, doch er wusste, dass es nun auf etwas anderes ankam. Schuldig beobachtete die Gesichtsregungen und verzog die Lippen maliziös. „Na… Hunger …kitty?“, wisperte er und blinzelte träge. „Nimm das Desinfektionsmittel raus, nimm etwas davon auf deine Hände und wasch sie noch mal damit, danach…“ Er seufzte, das war ihm alles zu langwierig. „…danach nimmst du diese Päckchen dort… gib mir den Koffer…schieb ihn näher…“ Ran gab Schu den Koffer und nahm sich das Desinfektionsmittel, führte die ihm unbekannte Prozedur durch und sah dann wieder auf. „Wenn ich Hunger hätte…würdest du nicht mehr leben“, sagte er und deutete auf den Koffer. „Was soll ich machen?“ Schuldigs Hand glitt von der Flanke ab und fiel in den offenen Koffer hinein, er versuchte sich etwas aufzurichten, biss die Zähne zusammen und warf einen Blick hinein. „Hier…“, zog er einen Stapel Kompressen heraus. „Tränk das hier mit dem Zeug da und leg es auf die Wunde, wisch sie sauber. Mit jedem Wisch eine neue Kompresse“, wies er an und keuchte, da ihn erneuter Schwindel befiel. „Zum Schluss tränkst du noch einmal eine und legst sie auf die Wunde, danach trockene darüber.“ Während er zusah… musste er an die Worte denken. „Du glaubst also, ich würde dann nicht mehr leben, hmm?“, sinnierte er und verfolgte das Tun mit seinen Augen. „Du… hattest doch schon einmal Hunger… und ich kann mich erinnern… dass Schokolade da besser geschmeckt hat als so etwas Zähes wie ich…“, wieder kicherte er, allerdings matter als zuvor. Während Ran die Wunde säuberte, dachte er seinerseits über die Worte nach. Er verstand nicht, wieso es so unwahrscheinlich war, dass Schu dann nicht mehr leben würde. Er hatte die Fähigkeit, einen Menschen zu zerfleischen, seine Gene hemmten die menschliche Zurückhaltung vor dem Töten. Wenn er jemanden hasste, dann… „Die Schokolade war einfacher zu erreichen. Außerdem war ich neugierig“, gab er ehrlich zurück, sich des Spaßes nicht ganz so bewusst. „Vielleicht bringst du ja noch etwas Gutes.“ Er griff zur trockenen Kompresse und legte sie auf die getränkte. „Jetzt Verbandsmaterial?“ Schuldig hangelte nach einer Binde und drückte sie auf den kleinen Haufen Kompressen. Er musste dabei lachen…leise und verhalten. „Jetzt wickele die Binde rum, straff, aber nicht zu sehr.“ Die Binde samt Kompressen auf seine Wunde drückend wartete er bis die Fixierbinde angewickelt wurde. „Etwas Gutes… habe ich noch niemandem gebracht… du weißt gar nicht wie gut diese Wissenschaftler im Gegensatz zu mir waren… Waisenkinder …“ Er legte den Kopf in den Nacken und lachte bei diesem Gedanken laut. Das war gut… dieser Witz war zu gut…! Ran befestigte die Binde mit einem Klebestreifen und wusch sich die Hände, trocknete sie vorsichtig. Sein Blick ruhte auf seinen Nägeln, den Krallen. „Schlimmer als sie?“, fragte er langsam, gedehnt. Schlimmer als das, was sie getan hatten? Noch schlimmer? Seine menschliche Angst sagte ihm, dass er sich ganz schnell von diesem Wesen entfernen sollte. Sein geschärfter Instinkt wusste nicht, was er sagen sollte, so blieb Ran verwirrt zurück. Doch war es früher nicht auch so gewesen? Immer erst das Gute, dann das Schreckliche? „Hee… träum nicht, Bastet“, lachte Schuldig gutmütig, vermutlich durch den Blutverlust verrückt geworden, diagnostizierte er für’s interne Protokoll. „Hol deinem Albtraum ein Glas Wasser … dann stopf ich mir noch ein paar dieser hübschen Pillchen in den Rachen und dann wird das alles wieder… super… werden…“, verblassten seine Worte hinter den stiller werdenden Zügen. Ran wusste nichts mit diesen Worten anzufangen, also konzentrierte er sich auf das, was ihm logisch schien: das Glas Wasser. Er ging wie immer mit besonderer Vorsicht die Treppe hinunter und füllte ein großes Glas mit der klaren Flüssigkeit, trug es vorsichtig wieder nach oben und stellte es auf den Nachttisch. Er setzte sich nicht wieder neben Schu, sondern blieb in ausreichender Entfernung stehen und wartete. Und wartete… denn Schuldig amüsierte sich schon fast mit dem Sandmännchen, das gerade auf ein Schwätzchen hereingeschaut hatte und zum Träumen einlud. Und wartete noch etwas mehr, bis ihm bewusst wurde, dass er wirklich beinahe schlief. Ran war sich nicht sicher, was für Pillen gemeint waren und ob sie gut waren, doch der andere durfte nicht schlafen… er musste wach bleiben. So fanden die kleinen, spitzen Eckzähne ein weiteres Mal ohne Vorwarnung ihren Weg auf die Haut und bissen zu. Nicht zu stark um Blut hervor zu bringen, nicht zu schwach, um nicht wirksam zu sein. Schuldig riss das tatsächlich aus dem beginnenden Schlaf, er öffnete die Augen träge und fand den Mund samt Zähnen gerade noch auf seiner Haut und wie sie sich dann entfernten. „Verdammt… was…?“, murmelte er und stöhnte wieder verhalten. Er brauchte die Tabletten, fiel ihm nach einem Blick auf den Koffer auf und griff danach, lehnte sich vor, ungeachtet des anderen, entzog ihm seinen Arm. Das Antibiotikum war mit zitternden Fingern bald gefunden und er drückte sich zwei der großen Tabletten heraus. Eine entglitt ihm auf seinen Schoß und er lehnte sich erschöpft wieder an. „Gib… gibst du mir das Wasser…?“ Ran sah die Tablette ungewollt verschwinden und langte sich die noch angefangene Packung heran. Er drückte eine weitere heraus und nahm die erste mit spitzen Fingern aus Schus Hand. „Mund auf“, benutzte er Worte, die er zu oft gehört hatte und die ihm in Fleisch und Blut übergegangen waren. In der einen Hand hielt er die Tabletten, in der anderen das Glas Wasser. „Gib… gib sie mir“, griff Schuldig nach dem Glas Wasser, umfasste die Hand mit den überlangen Nägeln des anderen und fing ihn mit einem wütenden, zugleich fordernden Blick ein. Er würde sich die Tabletten nicht wie ein Kind einflößen lassen. Never ever. „Du hast schon eine verloren“, hielt Ran dagegen und ließ sich das Glas Wasser nicht abnehmen, auch wenn diese menschliche Hand über seiner eigenen lag. Er trotzte dem Blick des anderen und bleckte leicht die Zähne in einer Dominanzgeste. „Du zitterst… wirst auch die nächsten verlieren“, sagte er schließlich. Das Gesicht veränderte sich etwas nur durch das Blecken der Zähne, durch das Zeigen der kleinen spitzen Eckzähne… Fangzähne. Mit aller Kraft stützte sich Schuldig auf die Hand des Arms, dessen Schulter angeschlagen war und kam etwas vor. „Hör mal gut zu… ich lasse mir …“, atmete er schwer. „…ich lasse mir von niemandem Tabletten in den Hals stopfen… kapiert? Nie wieder… verstanden? Also gib mir diese verdammten Scheißpillen.“ Er starrte angestrengt in das Gesicht des anderen. Ran legte den Kopf schief. Worte, die ihm nur zu bekannt vorkamen, Schwüre, dass etwas nicht noch einmal passieren würde. Hatte er selbst nicht ähnlich gedacht, aus vielleicht ähnlichen Gründen? Wortlos reichte er die Tabletten weiter und legte sie in eine der zitternden Hände, doch das Glas Wasser hielt er wie Schu zuvor auch schon in der Stütze einer seiner beiden Hände. Schuldig schloss die Hand um die Tabletten wie um einen Rettungsanker und verleibte sie sich ein, haschte nach dem Glas Wasser samt Hand und nahm einen Schluck Wasser um sie hinunterzuspülen. Danach ließ er die Hand los und sank wieder zurück. Diese Forderung hatte ihn seine gesamte Kraft gekostet. Wachsbleich starrte er den anderen an. „Was… siehst du mich so an?“ „Sie haben Versuche mit dir gemacht?“, fragte Ran anstelle einer direkten Antwort, auch wenn das für ihn schon Antwort genug war. „Das geht dich einen Scheißdreck an, verstanden?“, knurrte Schuldig und etwas flackerte in seinen Augen… Furcht und Erinnerungen. Er streifte sich unbeholfen die Schuhe ab, mit denen er noch immer auf dem Bett zur Hälfte lag und versuchte sich etwas weiter in die Liegende zu rutschen. Dabei zog er den Koffer noch einmal heran und kramte darin nach Schmerztabletten, da er bemerkte, dass die Spritze, die er gegen Schmerzen erhalten hatte, völlig nachließ. Er zerkaute sie ohne Flüssigkeit und war dankbar dafür, dass es nur eine Kautablette war und sie nicht allzu grausam schmeckte. Schweißperlen liefen über seine Schläfe hinab, als er den plötzlich schweren Koffer zur Seite stemmte und für einen Moment ruhte. Er brauchte noch die Decke und dann… dann noch das Licht etwas weniger und er konnte endlich schlafen. Es schien, als wäre es eine Warnung an Ran, Schu nicht weiter näher zu kommen und so erhob er sich und ging ein paar Schritte zurück. Es war die gleiche Ablehnung, die er schon einmal gespürt hatte, dieses Mal jedoch mit etwas anderem versetzt, etwas, das er auch kannte. Er wusste, wie er darauf zu reagieren hatte, so wachte er nur darüber, dass hier nichts passierte, griff aber selbst nicht ein. Er trat noch einen Schritt zurück und wartete schließlich am Türrahmen. Doch Schuldig regte sich nicht mehr. Er war nun endgültig eingeschlafen, samt Decke, die er halbherzig um sich geschlungen hatte. Er träumte… und irgendwie schien es, dass das Sandmännchen den Sand vertauscht hatte… statt dem Schlafsand hatte es Albtraumsand in seinem Säckchen. Und Schuldig hatte mal wieder in den bitteren Apfel zu beißen und musste das kleine Missgeschick büßen. Zunächst war sein Schlaf erholsam doch in den Morgenstunden wurde er zunehmend unruhiger. Bilder aus Versuchsreihen mit ihm spukten vor seinen Augen umher. Er war in diesem Bild gefangen… dieses eine Bild… dieser Raum… dieser helle Raum, in dem sie ihn auf das Bett gefesselt hatten um ihn ruhiger zu bekommen… seine Schulter jemand… jemand drückte so fest mit seinem Knie auf seine Schulter b…is sie brach… es schmerzte… Wimmernd wälzte er sich herum, bis er keuchend die Augen aufschlug. Und sich violetten Augen gegenübersah, die direkt über ihm schwebten und hinter der Ausdruckslosigkeit Sorge innehatten. Während Schu angefangen hatte zu träumen und deutliche Angst seine Sinne flutete… Angst, die nicht von ihm kam, war Ran ein weiteres Mal auf das Bett gekrochen und hatte sich überlegt, was er tun sollte… tun konnte. Doch nun war der andere wieder wach und würde ihn rügen, dass er doch noch hier war. Doch diese Rüge blieb aus. Schuldig blickte lange in diese Augen ohne wirklich etwas zu sehen. Es dauerte etwas, bis er erkannte, dass er nicht mehr dort war… Sondern hier… in seiner Wohnung und dass merkwürdigste war, dass die Präsenz des anderen einen gewissen Beruhigungseffekt auf ihn ausübte. Oder war es einfach, dass er nicht mehr in diesem… Albtraum gefangen war? Mit einem raschen Blick hatte er erkannt, dass Ran nicht auf seiner Schulter herumdrückte, sondern dass es wirklich ein Albtraum gewesen war. Ja, er war vorbei, aber die Schmerzen dummerweise noch da. „Ich… etwas zu trinken.“, ging die Hälfte der Worte durch seine trockene Kehle unter. Rans Blick fiel auf das Glas und er stellte mit Erleichterung fest, dass er nicht nach unten laufen musste, nicht noch einmal an diesem Morgen. Das Glas war hier, Wasser gab es im benachbarten Badezimmer… doch noch war etwas übrig geblieben und er holte sich das Glas heran. Eine Hand schob sich unter das klamme, schweißnasse Haar und die andere hielt das Glas an die durstigen Lippen. Seine Mutter hatte es oft mit ihm gemacht, wenn er krank war, so war seine Geste zwar etwas ungelenk, aber dennoch… gelernt. Schuldigs Hand griff zum Glas und zur Hand, klammerte sich halb an beidem fest und trank gierig ein paar Schlucke, bevor er ermattet den Kopf in die Hand, die ihn stützte sinken ließ. „Danke“, formten seine Lippen und er schloss die Augen wieder. Er fühlte sich furchtbar. Alles tat ihm weh, das Atmen, das Sprechen, aber vor allem seine Schulter. Den Kopf schief gelegt, lauschte Ran diesem Wort nach, das ihm so seltsam schien… in Bezug auf sich selbst. Niemand hatte sich in der letzten Zeit bei ihm bedankt, wofür auch? Er wurde schließlich auch nicht gefragt… von ihnen. Das Glas neben sich auf den Boden stellend, maß er passgenau jeden Millimeter des Menschen und versuchte herauszufinden, ob dieser die nächsten Stunden überleben würde. Sein Instinkt sagte ihm ja und daran klammerte sich Ran, hatte er doch Angst, dass dem nicht so war. „Hast du Hunger?“, fragte er etwas unbeholfen. Hunger… hatte er nicht. Sein Mund klebte ihm noch zusammen vor Durst und einem üblen Geschmack. Ihm war schlecht, aber vielleicht kam dies vom Hunger, denn so genau konnte Schuldig das nicht definieren. „Nein“, sagte er seufzend und schlug die Augen wieder auf. Er fühlte sich miserabel, stank nach altem Schweiß, nach Blut und dem Dreck der Straße. Sich plötzlich auf die Seite rollend und seinen beeinträchtigten Arm an sich haltend um die Schulter zu schonen zog er die Beine vom Bett und versuchte sich aufzurichten. Kurz befiel ihn Schwindel, den er durch harsches Einatmen vertreiben konnte. „Ich muss mich waschen und… neue Kleidung… außerdem muss ich auf die Toilette.“ Ran war aufgesprungen und um das Bett herum gegangen, während er nun das Vorhaben des anderen belauerte und mit hängenden Armen und hilflos sich bewegenden Fingern vor ihm stand. Das Essen hätte er noch machen können, zumindest hoffte er das, aber das hier… das war zuviel. Damit wusste er nichts anzufangen. Sein Blick verweilte durch das Halbdämmer auf Schu, irgendwo zwischen Ratlosigkeit und dem Wunsch, etwas gegen die eigene Besorgnis zu tun. Gegen das Gefühl der Unruhe. „In deinem Kleiderschrank ist Kleidung…“, sagte er recht verloren. Schuldig, der erst einmal sitzen blieb um den Schwindel ordentlich ausklingen zu lassen, bemerkte diese Unsicherheit in feinen Nuancen der Stimme und im Verhalten und blickte nun auf um in das Gesicht über ihm zu sehen. Das nicht wirklich etwas ausdrückte… doch… die Augen waren sehr ausdrucksstark und in ihnen stand definitiv Besorgnis. Es brachte Schuldig unüblicherweise zu einem milden aber müden Lächeln. Da stand jemand, der um ihn bemüht war und… das ehrlich und… ja… ohne Hintergedanken, ohne Absicht. Keine andere Absicht als zu helfen. Gab es so etwas noch in dieser kaputten Welt? Ja… irgendwie… gab es das noch. Hier stand es und wusste nicht, wie es das Gefühl der Hilflosigkeit bekämpfen konnte. Auch ohne seine Fähigkeiten zum Einsatz bringen zu können las er in dem anderen und irgendetwas öffnete sich… öffnete sein Gefühlszentrum für dieses Wesen, das da stand und ihm helfen wollte, aber nicht wusste wie. Und er selbst war schon so verdorben, dass er diese Unschuld… Gott… tatsächlich… dieses Wesen war so unschuldig… wie er selbst nach der Geburt nie gewesen war, dachte er zynisch. „Tust du mir einen Gefallen und holst mir aus der Küche eine große Flasche Wasser? Und… mach mir doch bitte gleich einen Tee, ja? Kriegst du das hin, Ran?“, fragte er im milden Tonfall, die Stimme noch müde und rau durch die trockene Kehle. Es gab etwas, das er tun konnte und dem er nicht ganz so hilflos gegenüberstand, wie dem hier. Ran nickte bedächtig und stromerte aus dem Zimmer. Nun musste er doch die Treppe hinunter, doch es schien ihm zumindest dieses Mal leicht zu fallen. Vielleicht auch, weil Schu sich den Tee und das Wasser gewünscht hatte. Das, was er vor ein paar Tagen schon einmal getan und seitdem immer wiederholt hatte, ging ihm nun relativ leicht von der Hand. Er war hastig, ja, doch die Menge, die er verschüttete, war gering. Schließlich ging er bewaffnet mit der Teetasse und einer Flasche Wasser wieder vorsichtig nach oben ins Schlafzimmer und stellte beides gewissenhaft auf den Nachttisch. Und fand Schuldig nicht am Bett vor, wie wohl vermutet. Denn dieser hatte die Gelegenheit genutzt, denn er hatte Ran nicht ohne Hintergedanken eine Beschäftigung gegeben. So stand er nun an die Duschwand gelehnt da und ruhte sich für einen Moment von seinem heroischen Gewaltakt des Laufens und des Auskleidens aus und genoss das Wasser auf seiner Haut. Zumindest auf der Seite wo kein Verband war prasselte das Wasser aus dem Duschkopf auf ihn. Die verletzte Seite hatte er mit einem Badetuch vor etwaigen darauf fallenden Wassertropfen geschützt. Sein Gesicht nun unter das Wasser haltend, atmete er tief ein und genoss das Gefühl der Sauberkeit und Frische. Zu unruhig, um hier in dem leeren Zimmer zu warten, folgte Ran der Geräuschkulisse und öffnete vorsichtig die Badtür, lauschte auf die Laute, die an sein Ohr drangen. Er sah den anderen, wie er mit geschlossenen Augen dort stand und schlüpfte in das Badezimmer, ließ sich auf dem geschlossenen Toilettendeckel nieder, zog ein Bein an und beobachtete die Gestalt. Er musste Obacht geben, dass nichts passierte, doch gleichzeitig war er auch neugierig, hatte er doch nicht wirklich die Gelegenheit gehabt, einen anderen Menschen nackt zu sehen… sich selbst, bei manchen Gelegenheiten, ja. Doch er war… nicht menschlich. So hätte er also aussehen können… sollen. Schuldig hob den Kopf dem Wasserstrahl entgegen und wischte sich mit dem beweglichen weil schmerzfreien Arm über den Kopf. Er sehnte sich nach einer Haarwäsche und öffnete die Augen um nach dem Shampoo zu sehen, als ein Schatten in seinem Blickfeld seine Aufmerksamkeit verlangte. Blitzschnell wandte er den Kopf alarmiert um. Da saß Ran und konnte kein Wässerchen trüben. Unverholen neugierig blickten die Augen und vor allem ungeniert. Nach einem taxierenden Blick wandte sich Schuldig wieder dem aktuellen Problem der Haarwäsche zu. Er wusste, dass er nicht mehr lange hier herumstehen konnte, aber wenigstens oberflächlich wollte er die Haare sauber bekommen. „Kannst du mir das Shampoo öffnen, wenn du schon hier herumlungerst und nackte Männer bespannst?“ Einen Moment dauerte es, bis Ran sich erhob und die Shampooflasche in die Hand nahm, sie nach einiger Begutachtung öffnete. Seine Augen hoben sich und er blickte ebenso unschuldig, wie er Schu gerade noch in tieferen Regionen gemustert hatte, in die Augen. „Was ist ‚bespannen’?“, fragte er und streckte Schu die Flasche entgegen. Schuldig drehte sich etwas und hielt die Hand auf, ließ sich eine kleine Menge der wohl duftenden Essenz auftragen und zog die Hand weg, bevor Ran die halbe Flasche ausquetschen konnte. „Es wird umgangssprachlich für Voyeur benutzt, kennst du das Wort?“ Ran suchte in seinen Erinnerungen nach diesem Wort. Voyeur… er hatte es schon einmal gehört… sein Vater hatte es benutzt und er hatte ebenso gefragt, wie jetzt auch. Doch jetzt kam er sich dumm vor, dass er nach so etwas fragen musste. Was jedoch die violetten Augen dazu brachte, sich peinlich berührt zu weiten, war die Bedeutung, die das Wort innehatte. „Ich wollte vergleichen…“, gab er zurück und stellte die Flasche wieder auf die Ablage. „Nicht spannen… das wollte ich nicht.“ Den Kopf sacht schüttelnd hob Schuldig einen Mundwinkel und zuckte gelassen die unverletzte Schulter. „Das weiß ich. Es war eine übertriebene Darstellung deiner ungenierten Blicke um dich daraufhinzuweisen, dass du starrst. Man könnte es als Ironie bezeichnen.“ Schuldig fühlte sich… fast als Lehrer und irgendwie… es gefiel ihm. Er fühlte sich nützlich und seine Fähigkeiten der Telepathie waren ihm sehr hilfreich dabei. Vielleicht hätte er doch etwas anderes werden können außer… Auftragsmörder. Er gab sich das Shampoo auf die Haare und verteilte es halbherzig. Diese Haltung war nicht für längere Positionen geeignet. „Und zu welchem Schluss bist du gekommen? Oder dauert deine Bestandsaufnahme noch an?“ Wieder durchzog feiner aber sanfter Spott die Worte durch das Prasseln der Dusche hindurch. „Ich weiß nicht, ich habe noch nicht alles gesehen zum Vergleichen. Vorne war es zu klein, da habe ich noch nichts gesehen!“, erwiderte Ran völlig neutral, ohne jede Färbung und mit interessierten, wachen Augen. Er wollte schauen, ob auch er es konnte. Ohje, ächzte Schuldig innerlich und musste plötzlich lachen, was er bald wieder bleiben ließ nachdem seine Schulter dabei schmerzte wie die Hölle. „Dann hattest du bisher wie oft Sex?“ Er ließ seinen Kopf in den Nacken gleiten und wischte sich das Shampoo unter dem Wasser aus den Haaren. Ran nahm an, dass das, was sie im Labor getan hatten, auch darunter fiel. Dass es das war, was die Menschen als Sex bezeichneten. Erfahrung hatte er vorher nicht, nicht bevor er dorthin gekommen war. „Ich weiß es nicht… ich habe nicht mitgezählt“, erwiderte er ruhiger als vorher. Er hatte es vergessen wollen, immer wieder. Jedes Mal hatte er es verbannen wollen aus seinen Gedanken, doch er konnte nicht über diese ungewollten, gezwungenen Berührungen hinweg, über das Gefühl des Latex auf seiner Haut, das schabende, kalte, medizinische Gefühl. „Also war das, was ich vorher gesagt habe, keine Ironie?“, fragte er schließlich nach. „Was meinst du?“ Schuldig brachte seinen langsam schmerzenden Kopf wieder nach vorne und stellte das Wasser ab, versuchte sich etwas von der Duschwand zu lösen. So ganz gelang ihm das nicht seine Stütze loszulassen. „Die Handtücher liegen da drüben, gibst du mir eins?“ Ran holte eines der warmen Tücher und befühlte es vorsichtig mit seinem Fingern. Es war ein weicher Stoff, weicher als der aus dem Labor. „Ich habe versucht, Ironie anzuwenden, als ich gesagt habe, dass ich vorne nichts gesehen hätte, weil es zu klein ist“, erklärte er sich und schob sich eine Strähne des nach vorne gefallenen Haares nach hinten, damit sie nicht in Berührung mit den umher fliegenden Wassertropfen kam. Schuldig nahm das Handtuch und wischte sich als Erstes über das Gesicht, linste dabei zu dem Versuchstierchen, das die ersten Ausflüge ins Leben tat… so wie es schien. „Für Ironie brauchst du eine gewisse spöttische Nuance in deiner Stimme, sonst erkennt dein Gegenüber es nicht. Ironie ist eine feinere Variante des Spottes. Es beherrscht nicht jeder.“ Er trat aus der Dusche heraus und setzte sich auf die breite, gewärmte Steinbank. „Ich weiß sehr gut, wie groß mein Schwanz ist, aber ich weiß nicht, wie groß deiner ist, also woher soll ich wissen, dass meiner nicht kleiner ist als deiner?“, lächelte er zwinkernd. „Somit wäre dein Satz keine Ironie gewesen.“ „Oh.“ Es schien, als hätte er noch einiges zu lernen. Einiges, was er vielleicht hätte lernen sollen. Wieder folgte Ran Schuldig mit seinen Blicken und blieb an der verletzen Schultern hängen. „Wieso hast du dich verletzt?“, fragte er neugierig und Besorgnis keimte wieder durch seine emotionslosen Gesichtszüge. „Weil ich unachtsam war.“ Schuldig trocknete sich grob ab und sammelte sich für Momente, bevor er sich nackt wie er war erhob und zum Waschbecken schlurfte. Sein Rücken schmerzte schon von dieser leicht geschonten Gangweise. Er zog die Zahnbürste hervor und nahm die Paste, hielt sie Ran hin. „Dreh die Tube auf“, bat er. Wieder folgte Ran dem, was der andere sagte und war es nur so, damit er Schu nahe sein konnte, falls der Mann bewusstlos wurde. Er griff sich die Zahnpasta und löste den Verschluss, gab etwas davon auf die Zahnbürste. „Wobei warst du unachtsam?“ Schuldig nickte wortlos dankend. „Wie sah die Wunde für dich aus? Wodurch glaubst du ist sie entstanden?“ So wollen doch mal sehen wie weit das Kombinationsgeschick des Tierchens ging. Schuldig putzte sich unterdessen die Zähne. Er hatte früher einmal eine ähnliche Wunde gesehen, erinnerte sich Ran. In einem Film, den seine Schwester und er verbotenerweise geschaut hatten, als sie klein waren. Es war eine Schusswunde gewesen. Außerdem… roch Schus Kleidung an der Stelle nach Blei oder nach irgendeinem anderen Metall. Überbleibsel der Kugel? „Du wurdest angeschossen?“, fragte er mit einem interessierten Blick in Schus Gesicht. Schuldig spülte den Mund aus und trocknete sich selbigen ab, bevor er sich zwinkernd und halb lächelnd, halb das Gesicht vor Schmerz verziehend zu Ran umwandte. „Ahh, sehr gut“, lobte er und ging nackt wie er war an Ran vorbei, griff sich einen Bademantel gab ihm den anderen. „Halt das mal, sodass ich hineinschlüpfen kann.“ „Du solltest dich hinlegen“, beobachtete Ran und hielt den Stoff auf. Es war nicht der Gleiche, den er auch schon getragen hatte. „Von wem wurdest du angeschossen?“ Schuldig schlüpfte in den Mantel hinein und hielt ihn vorne zusammen. Er wandte sich halb um und lächelte spöttisch. Genug der Freundlichkeit. „Von deinen potentiellen Käufern“, erwiderte er leise mit feinster Ironie durchzogen. Er drehte sich um und ging wieder zurück ins Schlafzimmer, setzte sich aufs Bett. Dieses Mal folgte Ran Schu nicht. Er blieb zurück in dem leicht diesigen Bad und lauschte den gerade ergangenen Worten, die ihm verrieten, was er nicht hatte glauben wollen… bisher nicht. Potentielle Käufer. Also würde dieser hier… auch nur… er sah auch nur seinen Profit. Also war er hier auch nur ein Gefangener, bis sich jemand anderes fand, der weitere Versuche mit ihm anstellte? Ran sah auf seine Finger und sie zitterten, nein, er zitterte. Unverständnis ließ ihn rastlos werden, unruhig. Doch war es nicht nur natürlich…das waren Menschen und er war das Tier. Natürlich konnten sie ihn verkaufen? Furcht trieb ihn aus dem Bad, Furcht und der Drang, zu fliehen, möglichst weit weg. Wohin, das war egal, nur weg von den Menschen. Möglichst schnell weg. Doch alle Türen unten waren verschlossen, wie immer waren sie das… und er war hier gefangen. Ran presste seine Stirn gegen das Glas der Terrassentür und rutschte auf den Boden. Er wollte weg, hatte Angst… ja, plötzliche Angst auch vor Schu, vor einem der Monster. Kapitel 3: INDIGO ----------------- Der Verursacher dieser Furcht zog sich gerade den Koffer heran, fischte zwei Antibiotika und ein starkes Schmerzmittel heran und genehmigte sich beides. Da saß er nun, samt schlechtem Gewissen und starrte ins Leere, wartete bis… ja, saß dort zwanzig lange Minuten und haderte mit sich selbst. Er hatte ihm wehgetan. Er wollte ihm wehtun. Warum auch immer. Er wollte einfach, dass dieses weiche Gefühl in ihm wegging, dass er sich nicht so gut fühlte wie er sich fühlte. Sondern, dass alles wie vorher war, nicht? Nur deshalb hatte er ihm das erzählt. Um dieses Nette wieder wegzumachen. Nachdem der Schmerz wieder etwas in den Hintergrund gerutscht war, erhob er sich erneut und beschloss sein Gewissen zu beruhigen. Er ging hinunter und dieser Vorgang dauerte… und dauerte. Bis er schließlich in der Küche nachsah und dann im Wohnzimmer auf dem Boden an der Terrassentür die Gestalt hocken sah. Stumm blickte er sie an und kam seitlich zur Couch, setzte sich in einen Ledersessel und atmete erst einmal. „Warum…glaubst du, bin ich angeschossen worden?“ Ran antwortete nicht. Er kannte die Antwort doch schon… weil das Monster ihn verkaufen wollte. Und wie immer, wenn es darum ging, ihn zu bekommen, floss Blut, wurde jemand getötet. Immer. Er hatte bisher gedacht, dass es hier anders war und er war naiv gewesen. Naiv wie ein Tier, wie er für sich feststellte, das gewahr wurde, seine Familie verloren zu haben und sich nun an etwas klammerte, das sein Verderben war. Ran verstand, ja, er verstand nur zu gut und es stieß ihn in einen Schmerz, der schlimmer als jeder körperliche war. Schuldig seufzte vernehmlich und lehnte sich vorsichtig zurück. „Ran?“ Er wartete weitere Minuten, sah die kauernde Gestalt an, wie sie hinaus blickte in den Morgen, in die Freiheit, und es schmerzte ihn. Er kannte das Gefühl von drinnen nach draußen zu blicken, ausgeliefert und wehrlos zu sein. Und es quetschte und drückte sein Herz, daran zurückzudenken und… dieses Wesen hier in der gleichen Lage zu wissen, nur weil er dämlich war. „Hör zu“, fing er leise an. „Mir gefiel einfach nicht, was sie mit dir vorhatten, nur deshalb habe ich die Verhandlungen abgebrochen. Zunächst logen sie uns an, bis ich ihnen ihre wahren Absichten offen legte und dann wurden sie ungemütlich.“ Er seufzte und wusste nicht, wie der andere darauf reagieren würde, wenn er ihm erzählte, er habe außersinnliche Fähigkeiten. „Ich… wir… ich meine…“, wurde er einsilbiger. „Was …soll ich denn mit dir hier anfangen, Kleiner, hmm? Ich bin nicht so der gesellige Typ.“ Schuldig hob hilflos die Hand. „Wenn diese Typen dich für ein Wiedereingliederungsprogramm oder für - vor mir aus - für integrative Forschung mit anderen wollten… okay. Das ist gut. Du lebst mit anderen, du lernst viel und du wirst gefördert, kannst auf die Uni und all das. Aber… das was die Jungs mit dir vorhatten war einfach… nicht gut für dich, okay?“ Oh Gott… Nur weil er nicht so der gesellige Typ war, wurde er verkauft. Natürlich, man machte es mit Haustieren ja so. Entweder aussetzen oder verkaufen, und es war umso besser, auch noch Geld zu bekommen. Damit er es auch gut hatte, wurde er dann an andere Forscher verkauft… die ihn sogar LERNEN lassen würden, doch Ran wusste, dass das alles das Gleiche war. Niemand war selbstlos, niemand wollte helfen. Sie wollten alle das, was aus ihm gemacht wurde… was herangezüchtet worden war. Er selbst war nicht wichtig. Ran schloss die Augen und seine Hände ballten sich so gut es die überlangen Klauen zuließen zu Fäusten. Er hasste… jawohl, er hasste und dieser Hass war gut, er war besser als Enttäuschung und Schmerz über diesen Verrat, der keiner war. Vermutlich hätte er nicht von Anfang an glauben sollen, dass dieser hier es irgendwie gut meinte. Schuldig sah diese Wut und… er kannte den Hass dahinter. „Glaub mir, es ist mehr, als du jemals kriegen wirst. Ich wäre froh gewesen, hätte mir damals jemand eine Möglichkeit gegeben, wo ich bleiben kann, wo ich lernen kann, mit… meinen Fähigkeiten umzugehen, mit anderen zu leben und zu lernen. Stattdessen habe ich begonnen zu hassen, weil niemand da war und habe begonnen zu… töten. Willst du so werden wie ich? Ich hoffe nicht, Kleiner.“ Es wurde für ihn entschieden, was das Beste war? Weil er nicht töten sollte? Er wollte aber töten, er wollte nichts anderes als das, denn der Hass auf die Monster fraß ihn innerlich auf. Wer immer seiner Familie und ihm das angetan hatte, der würde sterben… wenn er nicht schon tot war. „Was weißt du schon vom Anderssein, du MENSCH“, spie Ran das letzte Wort wie einen Fluch aus und zischte. „Du hast nur gute Ratschläge und tolle Absichten, die sich mit Geld vereinbaren lassen. Wie alle anderen Monster auch…“ „Oh… ich bin ein Monster, aber kein Mensch, mein kleiner Besserwisser“, wisperte Schuldig nun etwas schärfer, aber immer noch ruhig bleibend. Er hatte schließlich diese Wut und diesen Hass ausgelöst oder wieder hervorgerufen, also musste er es auch wieder bereinigen, so wenig er Stress sonst vertragen mochte, jetzt musste er ihn bekämpfen. „Ich weiß genug vom Nicht-Mensch-Sein, länger als du, Ran.“ Heiseres Fauchen, das vielleicht entfernt an ein Lachen erinnern mochte, hallte durch den stillen Raum. „Ein Monster… nur das“, bestätigte Ran mit einem Blick aus dem Fenster. „Hast du schon andere, die wie ich waren, verkauft? Weil du nicht gesellig bist? Weil es Wissenschaftler gibt, die nicht nur Versuche machen, sondern auch die Möglichkeit geben, ein normales Leben zu führen? Bringt dir das Geld… neben dem Töten?“ „Nein… üblicherweise verkaufe ich mich sonst nur selbst“, sagte Schuldig tonlos und erhob sich. „Nur weil ich aussehe wie ein Mensch, heißt das nicht, dass ich so normal wie einer bin. Wenn du fertig mit dem Wälzen in deinem Selbstmitleid bist, dann komm nach oben und wir reden… Außer du bestehst darauf so behandelt zu werden, wie du dich hier gerade aufführst. Hörst du überhaupt, was ich dir sagen will?“ Schuldig schüttelte verständnislos und verärgert den Kopf. Er wollte ihm sagen, dass er Gedanken lesen konnte, dass er Menschen manipulieren konnte, aber so? Zwischen Wut und Hass? Ran hörte ihn überhaupt nicht. Das war kein Thema, das man schnell zwischen der berühmten Tür und der nicht weniger berühmten Angel erzählen konnte. Schuldig wandte sich ab und trat den Weg in sein Zimmer an. „Ich habe genau gehört, was du sagen willst“, sagte Ran in den Raum hinein, ohne sich von seinem Platz zu erheben. Er würde nirgendwo mehr hin folgen. „Du bist ebenso wenig Mensch wie ich. Dennoch willst du mich verkaufen. Viel schlimmer. Das macht dich noch mehr zu einem Monster.“ Er verstummte für einen Moment. „Es gibt hier kein Selbstmitleid. Das Einzige, was ich fühle, ist Hass.“ Schuldig fühlte Wut. „Herrgott nochmal. In deiner kleinen, selbstgerechten Welt gibt es so etwas wie Fehler nicht, was? Du siehst tatsächlich nur dich und deine eigene Gerechtigkeit. Was meinst du, wovon der Hass kommt? Kommt er nicht nach dem „alle sind so gemein zu mir“, und von dem „warum hilft mir keiner, warum bin ich allein, warum lassen sie mich alle allein?“ Kommt danach nicht der Hass, kommt danach nicht das Töten?“ Seine Stimme war laut und er war fast schon außer sich. „Und weißt du, was unmittelbar vor dem Töten kommt? Dann bist du innerlich leer. So leer, dass du nichts mehr fühlst. Willst du das? Ja, scheinbar ist es so, scheinbar willst du es nicht anders. Auch ohne deine Gedanken zu lesen, seh ich dir das an, du stehst darauf zu hassen, oder?“ Er wandte sich wütend ab und wankte die Treppe hinauf, die Augen blind vor wütendem Nass. Dieser kleine selbstgerechte Fratz, fluchte er innerlich und fühlte sich an sich selbst erinnert, so stark, dass ihm die Tränen kamen. Als Schu das Ende der Treppe erreichte, wurde er gewaltsam herumgerissen und zu Boden gestoßen. Das Tier in Ran hatte sich seinen Weg nach außen gebahnt und reagierte mit einer Geschwindigkeit, die nicht menschlich war, mit einer Kraft, die dem Zorn entsprang. Wütend die Zähne gefletscht kniete er über dem anderen Mann und hielt dessen Hals im Griff seiner Klauen gefangen. „Ja, das tue ich. Hass ist das, was am Leben hält. Hass ist Leere und Leere ist alle Male besser als das hier“, zischte er kehlig und bohrte seinen Blick in die tränendurchwirkten Augen des anderen. „Meine selbstgerechte Welt ist nicht schlimmer als deine, denn DU tötest für Geld. Und nicht nur das… du kannst Gedanken lesen? Du kannst meine Gedanken lesen und hast beschlossen, dass es das Beste ist, das Tier zu verkaufen. Wer ist hier selbstgerecht und lebt in seiner eigenen Welt?“ Zuviel Kraft für ihn… für seinen normalsterblichen, angeschlagenen Körper, resümierte Schuldig und gab es auf, sich nach anfänglichen Versuchen zu wehren. Sein Körper war ein einziger Schmerzpol, zu nichts nutze. Er hatte nicht vorgehabt, jemandem seine Tränen zu zeigen. Wirklich nicht. „Nein. Kann ich nicht“, flüsterte er heiser. „Ich… kann deine Gedanken nicht lesen.“ Die Ruhe, die letztendlich von dem anderen ausging, ließ auch Ran ruhiger, wieder menschlicher werden. Der Griff um den Hals lockerte sich, auch wenn er immer noch drohend zwischen ihnen schwelte. Dem Hass in seinen Augen tat das aber keinen Abbruch, wohl aber der Intensität in seiner Stimme. „Warum nicht?“, fragte er. „Woher soll ich das wissen?“ Schuldig wandte den Blick ab. „Was spielt das für dich eine Rolle? Ich kann sie nicht lesen und damit ist doch für dich alles geritzt oder?“, erwiderte er abweisend. Dass diese Tatsache ihn verunsicherte und verängstigte ging den anderen nichts an, vor allem nicht wenn er dessen messerscharfe Krallen an seinem Körper fühlte, wenn die Wunde auf seiner Brust noch nicht einmal verheilt war und nun anklagend hervorschaute. „Was wird jetzt passieren?“, wollte Ran wissen, ohne auf das Gesagte einzugehen. „Was hast du jetzt mit mir vor? Wirst du dich an den Nächsten wenden und wenn der nicht will, an den Übernächsten?“ Seine Augen sprühten vor Verachtung für dieses Monster. So hilflos er in manchen Alltagssituationen auch sein mochte, hier wusste er genau, was er zu tun hatte, hier bestimmte Instinkt sein Verhalten. „Nichts wird passieren. Außer, dass du mich vermutlich tötest und ich an meinem eigenen Blut ersticke, wird nichts Großartiges passieren. Dein erster Toter in einer langen Laufbahn als Killer. Genau das, was sie mit dir machen wollten, haben sie damit erreicht. Du tötest, und das auch noch freiwillig. Was für ein Forschungserfolg, meinst du nicht auch?“ Er spürte, wie seine Schulter unter dem Gewicht des anderen feucht wurde, wie der Verband durchblutete, nicht viel, aber ein wenig und er fühlte sich schlecht, so richtig ungut. Aber innerlich schaltete er auf Minimalversorgung und ihn befiel eine Art Gleichgültigkeit der Situation gegenüber. „Es wäre es mir wert…“, sagte Ran und legte den Kopf schief. Seine Lippen waren zu einer wölfischen Gebärde verzogen und er sog den Duft des Blutes sein, der sich so massig und schwer zwischen ihnen ausbreitete. Er war sich sehr wohl bewusst, dass der andere seine Frage nicht beantwortet hatte, doch er kannte die Antwort schon. Er hätte jede Möglichkeit, jetzt mit seinen Krallen das Fleisch des Halses zu durchtrennen und den anderen hier verbluten zu lassen, doch das würde nichts nutzen. Er brauchte das Monster noch, um von hier zu fliehen. Langsam zog sich Ran von dem anderen zurück und richtete sich auf. „Wert?“ Schuldig lachte heißer und wieder liefen ungebetene Tränen aus seinen Augenwinkeln. Er lachte und lachte, bis er erstickt verstummte. „Wert? Was hat das Leben für einen Wert? Was glaubst du? Los… mach… töte mich, komm… es ist ganz leicht, für dich doch sowieso. Ganz leicht für dich, für mich. Für uns ist sowas ganz leicht“, wurde er leiser. „Das Schwierige für uns ist… es nicht zu tun, richtig? Aber tu es ruhig. Dann… dann siehst du welchen Wert das Leben hat… wenn es zerrinnt. Probier’s ruhig mal aus. Du hast eine Freitötung von mir… heute im Spezialangebot, extra nur für neugierige Ersttöter!“ Der beißende Zynismus peinigte ihn fast schon selbst, aber er konnte nicht anders. Es war so surreal, so absurd. „Du bist noch nützlich“, war das Einzige, was Ran dazu sagte, als er über den anderen hinweg stieg und sich auf den Weg ins bunte Zimmer machte. Weg von dieser Situation, von dieser Lockung, der er widerstehen musste. Er würde töten, wenn der Tod auch einen Wert besäße und nicht so sinnlos wäre. Das waren die letzten Reste des Menschseins in ihm. Die letzten Reste, die auf die Tränen des Mannes reagierten, der am Boden lag. Der Mann, der so emotional war… so widersprüchlich, dass es schmerzte. Ran hatte Angst, er hasste und er war zornig. Das machte ihn unruhig. Schuldig dagegen wurde ruhig. Sein Körper blieb zurück, denn er wollte und konnte sich nicht mehr rühren, zuviel hatte ihn eingenommen und zerrte an ihm, an ihm und seinen Wunden. Er musste seinem Körper Ruhe gönnen und ließ ihn zurück, klinkte sich aus und ließ sich treiben, draußen in den Gedanken der anderen. Wie so oft eine Flucht vor vielen Dingen. Es verging Zeit, die für ihn keine Bedeutung hatte, denn er genoss die Abgeschiedenheit in den Gedanken, in dem Geist in den er sich zurückgezogen hatte. Sein Körper dagegen lag noch immer dort, wo er ihn zurückgelassen hatte, still und reglos, mit offenen Augen schlafend. o~ Ran zog sich zurück nach dem Vorfall. Er mied den Kontakt zu Schu, tagsüber schlief er die meiste Zeit oder las etwas in den Büchern, die er in seinem Raum – seinem Gefängnis - hatte, tief in der Nacht streunte er verloren nach unten, nahm sich einen Tee oder etwas zu essen, immer im Hinterkopf, dass es der letzte sein könnte, den er trank oder das letzte Buch, das er las. Er hatte Angst, ständige Angst, dass neue Käufer gefunden werden würden… die, egal, ob gute Absichten oder nicht, Versuche mit ihm anstellen würden, die über ihn verfügen konnten – eben weil sie ihn gekauft hatten. Er dachte viel über das nach, was sie an dem Morgen gesprochen hatten. Auch viel über den Menschen, der doch keiner war. Er konnte Gedanken lesen? Das hieße, er war auch kein normaler Mensch. Anscheinend waren auch mit ihm Versuche angestellt worden… doch Ran konnte nicht darauf hoffen, dass es Schu deswegen davon abhalten würde, ihn loszuwerden. Es war ja auch logisch... er war hier fremd, sie kannten sich nicht, er hatte kein Recht zu bleiben, wie er es erst angenommen hatte, als er sich auf den anderen fixiert hatte. Und vielleicht hatte Schu Recht… vielleicht war er wirklich nicht in der Lage anders zu leben. So wie normale Menschen, weil er ein Tier war. Denn… so ähnlich sie sich in ihrem Anderssein waren, so verschieden waren doch die Auswüchse. Er trug Katzengene in sich, Schuldig konnte Gedanken lesen. Sein Körper, seine Bewegungen waren anders, während Schu ein normaler Mensch war… er fiel nicht auf. Ran wollte das, wusste aber, dass er es nicht haben konnte. Warum also noch weiter kämpfen? Selbst wenn er entkam, wenn diese Türen offen waren, wo sollte er hin? Er hatte nichts, keine Identität, keine Familie, gar nichts. Die Menschen würden ihn so nicht akzeptieren, im Leben nicht. Der Gedanke, vorher schon da, aber durch die Präsenz des anderen abgemildert, setzte sich nun in der Einsamkeit und der Abschottung fest und hüllte Ran in eine Aura aus dumpfer, tauber Resignation. Er kam seltener aus dem Zimmer heraus, blieb einfach liegen… meist am Fenster, denn die Sonne wärmte ihn, wenngleich er nicht richtig warm wurde. In Erinnerungen an seine Familie verloren wartete er. Hin und wieder schweiften seine Gedanken auch zu dem emotionalen Menschen, der auch hier war. Er hatte geweint… an dem Morgen, Tränen, die Ran nicht übrig hatte. Hatte verloren und verletzt gewirkt. Ran fröstelte, als er die Augen aufschlug und feststellte, dass es dunkel geworden war. Der Wandel vom Tag zur Nacht verschwamm für ihn, floss dahin, ohne dass er an ihm teilnahm. Schuldig kam an diesem Tag oder diesem Abend spät nach hause. Er hatte lange und sehr ausführlich mit Brad gesprochen. Und… einen neuen Käufer für Ran gefunden. Er selbst hatte ihn Brad abgekauft. Reine Formsache, denn er würde Ran hier bei sich behalten. Was sollten sie mit Ran tun? Ihn ausliefern kam nicht in Frage und Schuldig bezweifelte, dass es zum jetzigen Zeitpunkt Interessenten von Greenpeace gab oder jemals geben würde. Schuldig suchte das Haus ab nach seinem Gast und fand ihn schließlich in dem Zimmer, dass er ihm zur Verfügung gestellt hatte. Er hatte bemerkt, wie sehr diese Wände Ran aufs Gemüt schlugen und er hatte nicht vor es weiter zu treiben. „Wir haben einen neuen Käufer gefunden. Er will, dass du hier bleibst, bis du gelernt hast, in der Gesellschaft zu leben, dann sollst du dein eigenes Leben leben und bist frei“, sagte er in den Raum, sicher dass seine Worte auch zu der ablehnenden Gestalt drangen. Ran hörte diese Worte, doch verwerten konnte er sie noch nicht. Wie losgelöst geisterten sie durch seine Gedanken und eckten hie und da an ohne einen Impuls zu geben. Erst nach einigen Momenten begriff Ran, dass er sich auf sie konzentrieren musste, sich auf sie einlassen musste. Er tat es, lauschte dem Klang, der Bedeutung und sein Blick hob sich langsam, schwenkte zu der Stimme. Jemand hatte ihn gekauft. Das machte ihm Angst. Dieser jemand wollte, dass er hier blieb. Es neutralisierte diese Angst etwas, denn hier bedeutete Bäume, Farben, Sicherheit. Er sollte sein eigenes Leben leben und frei sein, wenn er gelernt hatte, in der Gesellschaft zu leben. Das war unglaublich… im ersten Moment. Das war… das, was er sich gewünscht hatte, auch wenn er sich davor fürchtete. Fürchtete, weil es ihm Hoffnung hab. Hoffnung auf ein normales Leben. Violette Augen musterten ihre blauen Gegenstücke für eine lange Zeit in ihrer gewohnten Ausdruckslosigkeit. „Und das ist… keine Ironie?“, fragte Ran, die Stimme leicht angeraut vom tagelangen Nichtgebrauch. “Nein, ist es nicht. Es wäre höchstens eine Lüge, aber keine Ironie“ Schuldig war es leid. Er drehte sich ohne ein weiteres Wort um und ging ins Schlafzimmer. Er brauchte Ruhe. Die letzten Tage waren nicht nur körperlich anstrengend gewesen und das Gespräch mit Brad und seine Entscheidung ebenfalls nicht. Sich ins Badezimmer begebend machte er sich fertig für die Nacht. Eine Lüge? Das verunsicherte Ran, wusste er doch nichts mit den Worten, wie auch mit dem Ton anzufangen. Die Hoffnung begann zu schwinden, die er gerade geschöpft hatte und er erwog, sich wieder in seinen Gedanken zu verkriechen. Doch… Unsicherheit trieb ihn hoch, ließ ihn den Geräuschen folgen. Schließlich in der Badezimmertür stehen bleibend, fand er den anderen. „Ich… verstehe nicht“, bat er um Erklärung. Der gerade die Zahnbürste weglegte und resignierend zu der Gestalt im Türrahmen blickte. Verdammt auch, er hatte vergessen abzusperren. „Da gibt es nichts zu verstehen. Du fragtest ob es Ironie wäre, obwohl ich keinerlei Färbung in die Worte gelegt habe. Weder Spott noch Witz. Nur Ernst. Also kann es keine Ironie sein. Es wäre höchstens eine Lüge, was es aber nicht ist. Das ist alles, kein großes Geheimnis.“ Er zog eine Schlafanzughose an und drückte sich mit einigem Abstand an dem anderen vorbei, löschte das Licht im Badezimmer und im Schlafzimmer, ließ nurmehr das indirekte warme Licht an den Leisten an. Er setzte sich aufs Bett, griff kurz unter das Kissen um sich seiner Luger zu versichern und legte sich hinein. Ran blieb derweil zurück im Badezimmer und setzte sich langsam auf die große Holzbank, den Blick gen Ausgang gerichtet, als würde der andere dort immer noch stehen. Es war also wahr und jemand hatte sich tatsächlich darum bemüht, ihm diese Möglichkeit zu geben? Das war einfach zu schön, um wahr zu sein. Aber du willst das nicht, du hast niemanden außer ihm, der dich verkauft hat, flüsterte die Stimme in ihm, die nicht mehr wollte, die gar nicht mehr unter den Menschen leben wollte. Doch Ran… der überwiegendere Teil im Moment wollte es versuchen. Er wollte es wirklich; vielleicht auch um sich zu beweisen, dass er noch menschlich sein konnte. Sein Blick fiel auf seine Nägel. Er konnte es. Er würde versuchen, es zu können. Scheitern konnte er schließlich immer noch, oder? Leises Schnurren drang an seine Ohren und er verstummte, als er bemerkte, dass er es war, dessen augenblickliche Zufriedenheit ein solches Geräusch produzierte. Zumindest war es Hoffnung auf Besserung. Schuldig wartete… und wartete, doch dieser Jemand, der sein Badezimmer augenblicklich noch besetzte, kam nicht heraus. Somit wollte er auch das Licht nicht löschen, war aber auch zu faul um noch einmal aufzustehen und ihn hinauszuscheuchen. Wenn er es genau nahm, wollte er einfach auf einen weiteren Konflikt verzichten. Er hatte keine Nerven momentan für ein Gezanke mit Klauen und Zähnen. Schuldig wartete auch noch eine etwas längere Zeit, bis sich Ran erhob und das Badezimmer verließ. Sorgsam löschte er das Licht und schloss leise die Tür. Seine Unruhe trieb ihn nach unten, zunächst ins Wohnzimmer, von dort aus in die Küche, wo er sich wie gewohnt am Kühlschrank bediente. Trotz allem, was ihm Hoffnung machte, gab es etwas, was die Freude dämpfte. Schu hatte ihn verkauft, daran änderte nichts etwas. Was ihn jedoch stutzig machte, war die Tatsache, dass er dann immer noch hier blieb und nicht weggeholt wurde… zudem er ja gesagt hatte, er wäre eher Einzelgänger. Warum also? War der Preis so hoch gewesen, dass selbst Schu nicht nein sagen konnte, ihn bei sich zu behalten, obwohl er es nicht wollte? War Schu deswegen so schlecht gelaunt? Ran legte den Kopf schief und fixierte das Sushistück, als könne es ihm Aufschluss darüber geben, wo die Logik war, die er nicht sah. Aber vielleicht… war er auch nur zu dumm, zu ungeübt dafür. Die Nacht kündigte sich bereits mit einem Albtraum an, aus dem Schuldig mit wild schlagendem Herzen aufwachte. Die Hose und das dünne Laken, welches als Zudecke diente, klebten an seinem Körper. Lauer Wind fegte durch das gekippte Fenster herein und ließ ihn trotz der milderen Temperaturen frösteln. Fast Vollmond, stellte er fest, als er seinen Kopf hob und sich im Schein des nächtlichen Himmelskörpers fand. Er erhob sich, zog sich einen dünnen Pulli heran und zog ihn über. Vollmond… na herrlich. Kein Wunder, dass er schlecht schlief, waren doch bei Vollmond zu viele in Albträumen gefangen, ließen ihre Gedanken streifen und kratzten an seinen Schilden. Er beschloss hinunter in die Küche zu gehen um sich nach etwas zum Trinken umzusehen. Es galt ein weiteres Einschlafen hinauszuzögern um etwaigen Albträumen vorzubeugen. Dass er dabei auf seinen unfreiwilligen Gast treffen würde, hatte er wahrscheinlich nicht vermutet. Dass dieser im Mondschein mit unterkreuzten Beinen auf der Anrichte saß, noch viel weniger. Zumindest Ran überraschte die Anwesenheit des Menschen und er hielt ruhig inne, besah sich die unruhige Gestalt. War es wieder ein Alptraum gewesen, wie ein paar Nächte zuvor? Kurz nur war sein Herzschlag schneller geworden, schmerzhaft schnell, als er den genmanipulierten Menschen mit Katzengenen – wie er in der Zwischenzeit wusste – auf der Anrichte sitzen sah. Schuldig fluchte unterdrückt und ging an der stillen, reglosen Gestalt vorbei zum Kühlschrank, ohne Licht zu machen, denn dieser verdammte Mond schien schließlich hell genug. Doch vielleicht brauchte er das Licht um diese gruselige Situation eines ruhig und völlig harmlos aussehenden Kerls auf der Anrichte zu tilgen. Er öffnete den Kühlschrank und blinzelte ob der grellen Helligkeit der Beleuchtung, nahm sich nach einem kleinen Seitenblick Milch aus dem Kühlschrank und schloss ihn wieder. Sie auf den Tisch stellend, begann er sich eine heiße Schokolade zuzubereiten und schon bald durchzog der schokoladige Duft die Küche vom Herd aus. Die Stille war greifbar zwischen ihnen, nur die Geräusche seines Tuns durchdrangen sie. In eben dieser Stille hing Ran dem wohlbekannten Geruch warmen Kakaos nach. Es war lange her, dass er so etwas gerochen oder gar getrunken hatte. Nichts in dem Labor hatte jemals danach gerochen, so war es nun Labsal für ihn und es dauerte wieder einen Moment, bis er sich gewahr wurde, dass er schnurrte und den Laut abstellte. Er sagte nichts, doch seine Augen lagen auf dem anderen, taxierten jede Bewegung, jedes Muskelspiel. Sie waren beide also nicht menschlich. Dieser Laut bescherte Schuldig eine Gänsehaut wie schon lange nicht mehr. Es war einfach schrecklich diesen Laut aus einem Menschen zu hören… von einem Menschen. Und er konnte sich nicht einfach so damit abfinden, dass Ran kein Mensch war. Er war trotz allem einer. „Hör auf damit, das macht mich wahnsinnig“, sagte er leise, unruhig. „Willst du auch einen?“, bot er nach kurzem Zögern an. Schließlich hatte er gesehen, wie bevorzugt die Schokolade zwischen diesen Lippen verschwunden war. Schuldigs Hand befand sich gerade dabei eine Tasse aus dem Schrank zu holen. „Ja.“ Ein wenig zu schnell um die Ruhe in Ran wiederzuspiegeln, doch eine offensichtliche Zustimmung. Ran fragte nicht nach, was Schu wahnsinnig machte, er wusste es. Und er würde sich bemühen, das zu unterdrücken, soweit es denn ging. Er zog seine Beine hervor und erhob sich, kam etwas an den Herd heran um in den Topf zu schauen. „Soll ich umfüllen?“, fragte er mit einem skeptischen Blick in Richtung Schrank. In Richtung Tassen. Schuldig hatte schon vor diesem schnellen und erwarteten „Ja“ zwei Tassen hervorgeholt und stellte sie neben den Herd. „Ohne kleckern?“, neckte Schuldig, allerdings war es weder an seinem Tonfall noch seiner Mimik abzulesen. Selbst für ihn war es nicht immer möglich, aus diesem Topf in diese schmalen hohen Tassen zu zielen. Er wandte sich um und überließ Ran das weitere Tun, ging hinaus in den Wohnraum, bis zur Terrasse und öffnete mittels Code die Terrassentür weit. Sofort drang das Rauschen der Baumwipfel an seine Ohren und er sog tief die Luft ein, tapste barfuß über die Terrasse bis hin zu der Hängematte um sich hineingleiten zu lassen. Hier war es besser als dort drinnen. Ran hielt sich unterdessen an das ‚Ohne Kleckern’. Nun, zumindest versuchte er es und hatte somit eine gute Beschäftigung gefunden, denn zwischen vorsichtig eingießen, einhalten, weiter gießen und den verschütteten Kakao aufwischen, hatte er nicht mehr viel Konzentration für anderes. Letzten Endes war jedoch das Werk vollbracht und er wischte beide Tassen ab, nicht dass es noch so aussah, als wäre er ungeschickt. Er folgte den Geräuschen und Gerüchen nach draußen und atmete wie Schuldig zuvor auch schon tief ein, als könne er all den Sauerstoff, der ihm in den vergangenen Jahren verloren gegangen war, wieder einsaugen. Seine Augen machten Schuldig auf einem großen, schwankenden Stück Stoff aus, das er kritisch musterte. Das war ihm suspekt. Langsam kam er an den anderen heran und hielt ihm dessen Tasse entgegen, einen vorsichtigen Blick immer noch auf die zwei Pfähle gerichtet, die den Stoff zusammenhielten. Was die zur Zierde dienenden Stützbalken für den oberen Balkon waren. Schuldig streckte die Hand aus und schloss sie um die Tasse des warmen Getränks. „Danke.“ Er balancierte sich auf die Seite um, stellte die Tasse auf den Boden und rollte sich die Augen schließend etwas ein. Das Rauschen des Windes beruhigte seine Gedanken. Es schien nicht nötig, etwas zu erwidern, also schwieg Ran und beobachtete das Verhalten des anderen. Anscheinend war er geübt, sich auf diesem Stück Stoff zu bewegen, denn die Sicherheit, mit der er sich zur Seite drehte, konnte Ran nicht nachvollziehen. Er führte die warme, duftende Tasse an seine Nase und schnupperte, bevor er einen vorsichtigen, kleinen Schluck nahm… der ihm wie der Himmel vorkam. Ja, das war Kakao, daran erinnerte sich sein Körper sofort… danach gierte er mit aller Macht. Warm, süß, kakaoig. Ran nahm noch einen Schluck, dann noch einen, schließlich drehte er sich um und warf einen Blick in den stillen Garten, der sich vom Mondlicht nahezu bescheinen ließ. Es war, als würden die Pflanzen übertags arbeiten und nun wie Schu auch den Mond genießen… das silbrige, kühle Licht. „Kannst du die Gedanken von allen Menschen lesen? Auch von denen in Australien?“, fragte Ran schließlich, urplötzlich ganz im Gegenstrom zu seinen nichts sagenden Gedanken. Dieses Thema schien sein neues Haustier… sein erstes Haustier nicht loszulassen. Über diesen Gedanken musste Schuldig grinsen. Manche hatten ihr erstes Haustier als Kind… und bei den meisten Kindern in einem bestimmten Alter ließ das anfänglich große Interesse und die Aufmerksamkeit, mit der sie es bedachten, mit der Zeit nach. Viele Haustiere wurden wieder ausgesetzt oder weiterverkauft. „Ja, auch die in Australien.“ „Wie ist das möglich?“, fragte Ran und minimales Interesse schien in seiner Stimme durch. Er sah Schu immer noch nicht an, sondern genoss das Lichtspiel des Mondes, das sich in den rauschenden Kronen der Bäume brach. Keine sehr originelle Frage, aber Schuldig ließ es Ran ausnahmsweise durchgehen. „Das weiß ich nicht. Es gehört zu mir wie zu dir das Schnurren oder das… Verengen der Pupillen, wenn du wütend wirst… oder deine starken, langen Nägel, die der Substanz von Horn ähneln.“ Er hob den Kopf, fischte die Tasse von unten herauf und nahm einen Schluck, bevor er sie wieder abstellte und sich wieder in die Hängematte sinken ließ, die Bäume im Wind beobachtete. Genetisch bedingt, also? „Kannst du das schon immer, seit du klein warst?“, fragte Ran weiter. Er sammelte Informationen und nahm währenddessen kleine Schlucke des köstlichen Kakaos. Eine Bewegung neben sich ließ seinen Kopf herumfahren und er erspähte eine herumstreunende Katze, ebenso nachtaktiv wie er selbst. Sie blieb stehen und maß ihn, ebenso wie er sie… und sie schien verwirrt zu sein, dass er einer der ihren war, aber dennoch nicht wirklich. Sie fauchte leise und verschwand dann wieder im Dickicht, ließ ihn nachdenklich zurück. Schuldig hatte die kleine Szene interessiert beäugt und schmunzelte darüber. „Scheint als suche sie ein kleines Abenteuer für die Nacht. Du warst ihr wohl zu… groß…“, lachte er leise, besann sich aber dann doch auf die Frage. „Ja, ich konnte es schon immer, es gab keinen Moment in meinem Leben, der nicht von fremden Gedanken durchsetzt war.“ Zu groß… zu fremdartig. Weder zur einen, noch zur anderen Art, ein Mischwesen, geisterte es durch Rans Gedanken. Aber er würde sich bemühen, sich für eine Seite zu entscheiden… für die menschliche. So kehrten seine Gedanken auch zurück zu dem Mann, der neben ihm baumelte und der Rans Aufmerksamkeit nun auf sich zog. Er drehte sich wieder zurück und kam einen Schritt näher heran, beäugte die Gestalt ausdruckslos. „Du hörst sie die ganze Zeit? Und was ist mit deinen eigenen Gedanken?“ „Ich lernte sie in den Hintergrund zu drängen, wie ein leises Summen, das ständig da ist. Meine eigenen Gedanken? Eine zeitlang wusste ich nicht, welche meine sind und ich wurde verrückt“, erklärte er nüchtern und ruhig. „Ich kann dir ein Mädchen besorgen… wenn du möchtest? Vielleicht gefällt dir das besser als die Mieze da gerade eben?“, bot er an. „Ein Mädchen? Wofür…?“, fragte Ran mit einer Unschuld, die man ihm fast nicht abnahm, die jedoch ernst gemeint war. Bis ihm dann aufging, was Schu meinte und ein überraschter Ausruf seiner Kehle entkam. „Nein, das ist nicht nötig. Ich habe kein Verlangen danach.“ Er wollte nicht. Das Letzte, was er wollte, war Sex, zumindest zu diesem Zeitpunkt. Zumal er… nicht menschlich dort unten war. „Wie… bist du dann so geworden wie heute?“ „Warum hast du kein Verlangen nach Sex? Du bist doch im besten Alter um einiges auszuprobieren.“ Schuldig überging die letzte Frage, er verstand sie ohnehin nicht wirklich. Wie sollte er schon geworden sein? So wie er war eben. Verrückt, abgedreht und tödlich. Ran trank einen Schluck Kakao um die Zeit zu überbrücken, die er zum Nachdenken brauchte. Er wusste nicht, wie er es sagen sollte und ob er sich nicht anstellte. Es war schließlich… nichts gewesen, eine Sache unter vielen in dem Labor. Er schloss die Augen und schüttelte den Kopf. „Es fühlt sich nicht gut an“, sagte er schließlich vage. „Der Sex? Sie haben dir also im Labor ein Mädchen besorgt? Und dir hat es keinen Spaß gemacht?“ bohrte Schuldig weiter nach. Diese Laborratten hatten schon einiges auf Lager um einem das Leben zur Hölle zu machen. Seine Stimme war zu einem intimen, vertrauen Lautstärke gesenkt, ruhig und souverän, nur begleitet vom Rauschen der Blätter im Wind. Von den Geräuschen der kleinen Tiere in der Nacht. „Nein. Nein, hat es nicht“, erwiderte Ran verwirrt, verneinte damit sowohl erste, als auch die zweite Frage, doch er bezweifelte, dass Schu es so wahrnahm. Er nahm einen weiteren Schluck Kakao und merkte, dass seine Hände zitterten. Sprich nicht weiter, flüsterte es in ihm. Es war und ist demütigend, was sie getan haben, wie sie es getan haben. Die Abwehrhaltung gegenüber Berührungen hatte Bände gesprochen und Schuldig ließ das Thema fallen… allerdings… „Haben sie dir diese Dinge aufgezwungen?“ „Ja“, erwiderte Ran und Hass wallte in ihm hoch, ohne, dass er es abwehren konnte. Doch er ließ ihn nicht heraus, ließ dieses weiße Feuer nicht aus seinem Inneren, das den Monstern Schmerz zufügen wollte, die das getan hatten. Er hob seinen Blick gen Mond und schloss die Augen, atmete tief ein. Scheiße. „Dann ist klar warum du es nicht magst. Dinge, die man nicht selbst erprobt und selbst aus freiem Willen machen möchte… wenn man diese Dinge auferzwungen bekommt, fängt man an sie zu fürchten und sie zu hassen.“ Schuldig hangelte nach seiner Tasse, zog sie zu sich und trank seinen Kakao leer. Ja, Ran fürchtete und hasste diese Berührungen, dieses Gefühl. Hasste es jedes Mal, wenn sie in seine Zelle gekommen waren und ihn dorthin gebracht hatten. Er erwiderte nichts, sondern konzentrierte seine Aufmerksamkeit an dem Stück Stoff, das Schu hielt und zog vorsichtig daran. Es schwankte leicht hin und her. Schu verstand, was er fühlte, er ging nicht darüber hinweg wie die Monster. Er wusste, wie es war. Das war beruhigend in gewisser Weise. Das linderte seinen Schmerz, seltsamerweise gleichzeitig auch den Schmerz über das Verkauft werden. Ran schalt sich selbst als naiv, doch eine nicht zu geringe Seite in ihm wollte nicht alleine sein wie die letzte Zeit. Er brauchte menschlichen Kontakt und der einzige, der sich anbot, war dieser Mann hier. „Findest du diese Hängematte… interessant? Willst du sie ausprobieren?“ Schuldig lächelte amüsiert auf die vorwitzigen Finger, die ihn angeschubst und ihn in sanfte Schwingung versetzt hatten. „Ausprobieren?“, fragte Ran mit überrascht geweiteten Augen und misstrauischer Note in der Stimme nach. „Es ist wackelig.“ Als wenn das alles erklären würde… auch wenn sich bereits Interesse in seine Züge geschlichen hatte und er die Dynamik dieses Stoffes zu analysieren versuchte. „Stimmt, ist es. Wenn du es ausprobieren möchtest dann steh ich auf und du kannst testen ob du es schaffst. Mit der richtigen Balance liegst du bestimmt ebenso bequem hier wie ich.“ Schuldig war neugierig, ob sich Ran auf dieses Unterfangen einlassen würde, so neugierig wie er schien und so sehr wie es den anderen wohl in den Fingern juckte, er sich aber nicht traute. „Es kann nichts passieren, außer dass du auf den Boden plumpst.“ Das Misstrauen nahm zu, als er den Worten des anderen lauschte. Er, alleine auf diesem Stück Stoff, das auch noch höchst unsicher schien. „Nein… du gehst nicht weg“, bestimmte er stirnrunzelnd. Er würde nur versuchen hochzusteigen, wenn Schu noch darin war… damit wenigstens ein Gegengewicht da war. „Du bleibst.“ „Und… wenn ich nicht bleibe?“, grinste Schuldig anzüglich. Er ahnte, dass Ran die enge Zweisamkeit seines eigenen nächtlichen Exkursionskurses völlig abhanden kam. Der dachte nämlich gar nicht an das kuschelige Gefühl, dass sich zweifelsohne einstellen würde. Mal sehen, was noch so geschah. Schuldigs Spieltrieb war geweckt und Ran bot eine gewisse Herausforderung in seiner neugierigen Art. Für Ran zählte die Erkundung von Neuem, jedoch nicht, dass dies als Anmache aufgefasst werden konnte und dass er – der kontaktscheue Kater - somit zweifelsohne sehr nahe an Schuldig heran musste. Ran konnte mit der Note des Lächelns nichts anfangen, so hörte er nur auf die Worte, die sich zu ihm trugen. Er grollte leise. „Anders geht es nicht“, bestimmte er und maß mit einem unsicheren Flackern in seinen Augen die bewegende Matte. „Wenn du drin bist, ist sie weniger… schwankend.“ Seine Hand zupfte noch einmal an dem Stoff. Schuldig reichte Ran die Tasse hoch. „Gut, dann stell das weiter weg und sei vorsichtig wenn du dich herlegst.“ Er richtete sich schon einmal darauf ein, unsanfte Bekanntschaft mit dem Terrassenboden zu machen. Und er hoffte nur, dass der andere seine Krallen bei sich behalten würde, falls er ängstlich um sich schlug. Ran stellte die beiden Tassen weg… weit weg und kam dann zurück zu Schu. Ein letzter, skeptischer Blick und er umfasste den Stoff der Hängematte, während er einen Fuß auf den Stoff stellte und sich hoch hievte. Nicht, dass das Gegengewicht des anderen half, als die gesamte Konstruktion anfing zu schaukeln und er überrascht und überrumpelt nach vorne fiel. Beinahe auf Schu, denn er konnte er sich gerade noch abfangen und mit schreckensgeweiteten Augen zu Schu hinabschauen. Er fühlte sich unwohl… unsicher, weil es kein fester Boden unter seinen Füßen war. „Alles ist gut“, versuchte Schuldig zu beruhigen und berührte beide Oberarme seines ‚Haustiers’. Er sah diesen Schreck, konnte beinah das Zittern und das hektische Schlagen des Herzens ausmachen, so unwohl schien sich Ran zu fühlen. „Leg dich hin, dann wird es ruhiger und schaukelt nicht mehr so. Leg dich einfach hin“, redete er ruhig auf Ran ein, lächelte zu diesem hoch, weil es ihn selbst schon amüsierte… Rans Entdeckungsreise durch das Leben. Sehr pathetisch, sehr absurd. Ran erschreckte sich, doch größtenteils wegen der Hände, die ihn berührten und der unsicheren Lage, in der er sich befand, die so wider seiner Natur schien… doch er war ein Mensch, sagte er sich. Kein Tier, das irrationale Angst hatte. Leichter gesagt als getan. Er folgte zögernd Schus Rat und legte sich halb auf, halb neben den anderen. Die menschliche Wärme war ungewohnt für ihn und er war angespannt, aber er wich nicht zurück. Doch wenigstens war es jetzt ruhiger… wurde es ruhiger. „Das ist unheimlich.“ „Findest du?“ Schuldig amüsierte sich königlich. „Diese Hängematte ist eigentlich nur für eine Person ausgerichtet, aber du bist so schlank, dass es reicht. Pass auf…“ Er drehte sich etwas, schob seinen Arm unter den Kopf des anderen. „Leg deinen Kopf darauf, so hast du mehr Platz und es ist bequemer, hmm?“, lockte er, obwohl er es nicht zu weit treiben wollte, da Ran Nähe nicht wirklich schätzte, vor allem nicht auferzwungene oder gar Nähe durch ihn… denn er war ja das Monster… das ihn verhökern wollte, schließlich auch hatte. Seltsam, dass Ran dennoch so nahe an ihn herankam. Es dauerte nun etwas, bis Ran einsah, dass es wirklich mehr Platz für ihn bedeutete, aber auch mehr Nähe. Es schien ihm in dem Moment ungefährlich… doch nicht nur in dem Moment; er hatte mehrmals gesehen, dass er sich gegen Schu wehren konnte, dass er sich verteidigen konnte, wenn er wollte. Ohne dass Schu ihn angriff, wohlgemerkt. Neugier siegte hier über den immer anwesenden Gedanken des Verrats und er probierte aus, was ihm vorgeschlagen worden war. Er fand es körperlich bequemer und war auch in der Lage, es darauf zu reduzieren. Denn dies war keine erzwungene Nähe, sondern von ihm freiwillig gesucht. „Soll so etwas bequem sein?“, fragte er skeptisch. „Ja, wobei sich hier die ganze Wirkentfaltung erst nach einiger Zeit einstellt. Willst du die volle Wirkung dieser Matte erfahren?“ Schuldig lächelte immer noch hintergründig, es machte ihm Spaß auf… entspannende Weise. Es war neu, auch für ihn. Wenn er schon einmal hier war und in der nächsten Zeit dieses schaukelnde Stück Stoff nicht verlassen würde, dann… ja. Ran nickte langsam und sah sich unauffällig um, als könne er erraten, was damit gemeint war. „Gut. Dann tu genau das, was ich dir sage“, meinte Schuldig gewichtig und entspannte sich selbst, ließ die Augen zufallen und weitete seine übersinnlichen Fähigkeiten aus, sprach gleichzeitig zu Ran. „Entspann dich, schließ die Augen und lausche auf die Nacht… dann spürst du das sanfte unauffällige Schaukeln im Wind.“ Entspannend war es nicht wirklich, dafür hatte Ran immer noch das Gefühl, dass die Matte jeden Moment einen Überschlag machte und sie beide mit sich riss. Doch er hatte die Augen geschlossen und seine Ohren nahmen jedes Geräusch, das durch die Nacht zu ihnen drang, auf. Es waren Labsale für seine innere Unruhe und langsam wurde Ran wirklich ruhiger… nahm damit auch das von Schu beschriebene, sachte Schaukeln im Wind wahr. Es war nicht beängstigend, nicht zu stark, aber gerade so angenehm, dass es sein Unwohlsein einlullte. Schuldig döste ein. Er fühlte sich merkwürdigerweise sicher mit diesem Kater neben sich, der sich sofort regen und sie auf den Boden befördern würde wenn sich etwas näherte, egal was es war, ob Freund oder Feind, denn Ran war noch immer das Forschungsobjekt im Innern. Schuldig ließ sich deshalb treiben, bettete seinen Kopf zur Seite und kuschelte sich bequemer an den Hochofen neben sich, denn Ran strahlte angenehme Wärme in dem lauen Lüftchen dieser Nacht aus. Eben jener Hochofen erkannte die Absicht des anderen und violette Augen nahmen jeden Zentimeter der schlafenden Gestalt auf einen feindlichen Übergriff hin auseinander. Doch nichts deutete darauf hin, schon gar nicht der tiefe Atem, der den Schlaf charakterisierte. Andererseits konnte er auch ohne Hilfe und mit einem schlaffen Menschen nicht von diesem Ding hinunter, das ein gutes Stück über dem Boden hing. Was blieb ihm also, als zu warten… an der frischen Luft, mit den Geräuschen der Nacht und des Menschen neben sich, der Vertrauen zu ihm fasste, das Ran nie haben würde. Er schloss die Augen und tat das, was er gerade auch schon getan hatte… dem Wind und den Geräuschen lauschen, immer auf der Hut vor etwaigen Feinden. Schuldig hatte sich unterdessen erneut in einen Albtraum verirrt, jedoch fand er selbst hinaus und Vogelgezwitscher lärmte in seinen Ohren, als er in eine wachere Schlafphase hinüberdriftete und schlussendlich seufzend und sich näher an die Wärmequelle schmiegend die Augen öffnete. Es war noch dunkel, aber die Nacht war bald vorbei, wenn er diesen nervenden Flattermännern so lauschte. Der fremde ruhige Herzschlag, den er an sich fühlte, gehörte jemandem, wie er sinnigerweise feststellte und seine Hände spürten eindrücklicher, an wen er sich schmiegte. Stimmt… da war ja was, dämmerte es ihm, doch er veränderte seine Lage keineswegs. Innerlich Seufzend sann er über ihrer beider Situation nach, grübelte darüber wie es nun weitergehen sollte. Doch zunächst suchte sich ein dunkles Grollen seine Aufmerksamkeit zu sichern und die sich bewegenden Hände wurden an Ort und Stelle gehalten. Ran hatte die vergangenen Stunden neben der schwachen Wärmequelle ausgeharrt und selbst gefroren. Denn obwohl er genug Körperwärme produzierte um nicht zu erfrieren, hieß das nicht, dass er ein Fell besaß, das ihn vor äußerer Kälte schützte. Selbst diese Kleidung vermochte das nicht. Der Anzug hätte es vielleicht vermocht, aber ihn würde er mit Sicherheit nicht mehr tragen. Seine Gedanken waren zu seiner Schwester geglitten. Sie hatten oft so zusammen gelegen und es war ihm nun eine schmerzliche, jedoch willkommene Erinnerung. Zumal spendete ihm dieser Körper auch etwas Wärme. Dass sich nun aber die Hände bewegten, steigerte das Gefühl der Beengung in ihm, der menschlichen Nähe. Durch dieses Grollen endgültig aufwachend, hielt Schuldig seine Hände still, ließ sie jedoch an Ort und Stelle und zwar unter den Klauen des Raubtieres, an das er sich gekuschelt hatte, wie ihm sarkastischerweise gerade auffiel. „Was ist?“, wisperte er mit schlafesrauer Stimme. Er hatte trotz allem gut geschlafen, besser als in seinem Schlafzimmer, zwar nicht tiefer, aber dennoch erholter. „Du bewegst dich“, kam es hellwach zurück, in Rans typischer logischer, aber unbeholfener Art, Dinge auszudrücken. Er erkannte in dem anderen momentan keine Gefahr, also blieb es auch bei der einfachen Warnung. Er löste seine Hände wieder und legte sie außer Gefahr, den anderen aus Versehen zu berühren. Diese Antwort brachte Schuldig dazu, ein wenig frustriert zu stöhnen. „Ja… und weiter?“ Allerdings bemerkte er auch, dass die Krallen unverrichteter Dinge von seinen Händen wieder abließen und das beruhigte ihn doch ungemein. Ihm reichten die bisherigen Verletzungen, vor allem, wenn er daran dachte, dass einige davon weniger hübsche Narben bleiben würden. Rans Blick stach in die blauen, verschlafenen Augen und er runzelte die Stirn, nicht sicher, ob sich der andere einen Spaß machte. Er hatte sich ungeschickt ausgedrückt und wollte es nicht näher erläutern, also zuckte er mit den Schultern… so gut das auf dem wackeligen Ding möglich war ohne sich in Gefahr zu begeben, hinunterzufallen. „Es ist kalt hier draußen“, sagte er anstelle dessen. Doch Schuldig ließ nicht locker. Das war nicht seine… Art. „Ja… das stimmt, jetzt wo du es erwähnst. Aber was hast die Kälte mit meinen Bewegungen zu tun?“ Er furchte die Stirn ebenfalls und blickte in die Augen, die durch die Nacht, denn der Mond war nicht mehr von hier aus zu sehen, ihm wie dunkle Knopfaugen erschienen. Rans Kopf lag noch auf seinem Oberarm. Warum war er nicht hineingegangen, wenn’s kalt oder wenn es ihm unangenehm war? „Nichts… es hat nichts damit zu tun“, erwiderte Ran mit hochgezogenen Augenbrauen. Er richtete sich vorsichtig auf, ließ das jedoch, als die Matte anfing zu schaukeln und er unwohl auf den Boden sah. Er legte sich wieder hin und schloss die Augen. Auf das sanfte Schaukeln konzentrieren… auf die Geräusche… dann würde es schon gehen. „Okay… und mit was hat es dann zu tun?“ Schuldig ahnte natürlich, um was es hier wirklich ging, doch er glaubte auch, dass hier zwei Themen vermischt wurden. Denn die Bewegungen, die er mit seinen Händen machte, brachten die Hängematte mit Sicherheit nicht so sehr zum Schaukeln, dass Ran Furcht vor einem Absturz aus einem halben Meter Höhe bekam. Dass auch ihm kalt war, gehörte zu den Fakten und musste schnellstens behoben werden, aber nicht, bevor er ein oder zwei vernünftig klingende Sätze aus dem jungen Mann gehört hatte. Gehörte das auch zur Integration? Dass er Rede und Antwort stehen musste, bis ins Kleinste? Ran zweifelte daran, doch er sah, dass der andere nicht lockerlassen würde und was sollte er hier machen? Ihn ignorieren, so wie er es mit ihnen getan hatte? „Deine Hände haben sich bewegt… auf mir“, versuchte er es dann noch einmal. „Das…“ Schuldig zog seinen Arm unter Ran hervor und stellte gleichzeitig mit seinem Aufsetzen ein Bein auf den Boden, stabilisierte so die Hängematte. „…ist eine Feststellung. Eine Beobachtung.“ Hier hatte er ja noch einiges zu tun, bevor er seinen Mitbewohner in die große weite Welt entlassen konnte. ‚So war der doch nicht überlebensfähig!, entrüstete er sich innerlich. Er sah Ran lange an. Vermutlich wollten sie das auch nicht. Er sollte schließlich von seinen Herren abhängig bleiben. Wenn so etwas wie er… anfing sein eigenes Ding zu drehen, was würde dann aus ihm werden? Ein Killer? So jemand wie Schuldig? Schuldig grinste innerlich darüber. Ja… genau… so etwas wie er. „Was willst du mir mit dieser Beobachtung mitteilen? Ich kann deine Gedanken nicht lesen.“ „Schu, du weißt, was ich meine!“, fuhr Ran auf und seine Augen verengten sich. Der Stoff unter ihnen schwankte und er krallte sich instinktiv fest… versuchte es zumindest, denn gleichzeitig bemühte er sich, nichts kaputt zu machen. Doch… vielleicht hatte der andere Recht. Es war eine Feststellung, aus der nichts gelesen werden konnte. „Ich will nicht, dass du mich anfasst“, sagte er das, was in ihm schwelte. Mit Unsicherheit noch, denn es war so lange her, dass er einen Wunsch oder gar seinen Willen geäußert hatte… eben weil es einfach nicht nötig war. Sie übergingen ihn so oder so. Gleichzeitig jedoch war er sich der Widersprüchlichkeit dessen wohl bewusst, denn er hatte nichts… oder wenig dagegen gehabt, dass sie sich berührt hatten. Solange er die Kontrolle hatte. Schuldig erhob sich gekonnt und ließ seinen Gast alleine in der Hängematte zurück, streckte sich etwas und wischte sich dann fröstelnd über die Arme. Es war wirklich schneidend kalt. „Nein, ich weiß nicht, was du meinst, solange du dich nicht klar ausdrückst“, wurde er etwas deutlicher und auch nachdrücklicher. „Glaubst du irgendjemand gibt etwas auf deine Beobachtungen und Feststellungen dort draußen? Wenn du nicht sagst, was du willst oder was du nicht willst, dann gehst du unter, verstanden?“, durchschnitten seine ruhig gesprochenen Worte die Nacht. Dennoch fühlte er, dass er wütend war, warum auch immer. Vermutlich, dass seine Hände sich tatsächlich auf Wanderschaft begeben hatten. Es ärgerte ihn. „Stell deine Füße raus und dann kannst du aufstehen. Wenn du nicht willst, dass man dich anfasst, dann darfst du auch nicht so nahe an jemanden herankommen, Ran. Es besteht immer die Gefahr bei dieser Nähe, dass dich jemand anfasst. Du fasst mich ja auch ungefragt an.“ Schuldig warf Ran einen längeren Blick zu, hob die Tassen auf und ging dann ins Warme hinein. Ein Schauer befiel ihn ob der wohligen Wärme, als er den Raum durchquerte und zur Küche ging. Ran wartete noch, bis sich das immense Schaukeln vom Aufstehen des anderen gegeben hatte. Es bot ihm einen guten Grund über die Worte nachzudenken, die Schu gesagt hatte. Wenn er nicht wollte, dass ihn jemand berührte, dann musste er selbst Abstand halten? Aber… er hatte immer versucht, Abstand zu halten, nur hielten sie sich nicht daran. Und hier sollte das anders sein? Doch hier musste er auch deutlich sagen, was er wollte und was nicht. Hier… in der realen Welt, nicht dort unten im Labor. Schwierig. Aber machbar? Ran schwang vorsichtig, wie ihm schon gesagt wurde, die Beine über den Rand der Matte und sprang dann ab. Es war weniger gefährlich als das Hochkommen, hatte er das Gefühl und er besah sich das nun harmlose dahängende Stück Stoff. Sein Blick fiel auf das Wärme versprechende Haus und er streunte zurück, kam dem anderen hinterher. Eines war ihm bewusst geworden… Schu hatte ihm nicht gesagt, dass er ihn nicht berühren solle, zumindest nicht, wenn er ihn nicht angegriffen hatte. Also wollte es der andere? Aber er nicht, also würde er Abstand halten. Doch zunächst… Er machte den anderen in der Küche ausfindig und ließ seinen Blick über den Herd streifen. „Ich möchte kochen.“ Schuldig wandte sich um und stellte den Geschirrspüler an, der begann mit seinem Programm an und untermalte die Stille nach diesem doch recht kühn ausgesprochenen Wunsch. „Und was?“ Schuldig verschränkte die Arme und lehnte sich seitlich an die Anrichte. Da war er mal gespannt drauf. Er wusste nicht warum, aber er wollte dem Rothaarigen helfen sich einzufinden, vielleicht würde er ihm dann nicht ganz so auf die Nerven gehen. Vielleicht war Schuldig wie ein Kind, das ein neues Spielzeug gefunden hatte und austesten konnte, wie weit er gehen konnte, bis es zerbrach, grübelte er, während er Ran näher ins Auge fasste. Nein… es war wohl doch eher der Wunsch danach seine eigene verlorene Kindheit aufzuarbeiten in dem er diesem Kind hier einen Rahmen bot. Zumindest war es nobel, sich dies einzureden… Das war wiederum eine gute Frage, wie auch Ran befand. Denn viel hatte er, bevor sie sie umgebracht hatten, nicht selbst gekocht. Seiner Mutter assistiert, ja, aber gekocht? Vielleicht könnte er sich noch an ein oder zwei Sachen erinnern, wenn er erst einmal die Zutaten vor sich hatte. Deswegen… „Was hast du denn da?“ Eine reichlich vermessene und mutige Frage angesichts der Tatsache, dass er aller Wahrscheinlichkeit noch nicht einmal nach einem Kochbuch kochen konnte. Ein Punkt, den auch Schuldig bedachte, als sein Gesicht dies mit einiger Skepsis zum Ausdruck brachte. „Normalerweise denkt man sich zuerst aus, was man machen möchte, kauft dies dann ein und bereitet es dann zu. Das ist der Optimalfall. Was möchtest du denn essen? Gibt es etwas, was dir gut schmeckt und du essen möchtest? Ein Lieblingsgericht?“ Schuldig kam sich vor wie der ober… oberste Oberlehrer, den er sich je vorstellen konnte. Schon allein die umständlichen, erklärenden Sätze entlockten ihm beinahe jedes Mal ein Lächeln. Das war natürlich ein Argument, befand Ran und furchte nachdenklich die Stirn. Es war so lange her, dass er etwas Warmes, Leckeres gegessen hatte, dass er jetzt beinahe nicht mehr wusste, was es gewesen war oder für was er sich entscheiden sollte. „Ramen mit Huhn und Curry“, befand er dann und ließ seinen Blick über die dämmrige Küche gleiten, als könne sie seinen Wunsch sofort erfüllen. „Zum Frühstück?“, fragte Schuldig indigniert, verzog aber keine Miene dabei. „Oder möchtest du heute Abend kochen, dann kaufen wir zusammen ein und kochen dann Ramen mit Huhn und Curry“, offerierte er sein Angebot. Er wusste zwar nicht, ob Ran nach dem Abenteuer des Einkaufens dazu fähig wäre zu kochen, aber er würde es darauf ankommen lassen. Vor allem brauchte er eine Leine, witzelte er in Gedanken. Einkaufen? Ran legte den Kopf schief und überdachte das. Einkaufen bedeutete Menschen und Menschen bedeuteten eben… Menschen. Er war keiner. Er würde auffallen, sie würden erkennen, dass er keiner war. „Ich bin… dazu nicht menschlich genug“, sagte er schließlich und sein Blick kam auf den langen Krallen zum Ruhen. Alles an ihm würde ihn verraten. Ganz zu schweigen von seinen eigenen Gefühlen. Er war seit wie viel Jahren nicht mehr unter Menschen gewesen? Unter so vielen? Innerlich seufzte Schuldig. Wie gut, dass er keinen normalen Job hatte, sondern freiberuflich tätig war. So konnte er sich genügend Zeit bis zum nächsten Auftrag nehmen um diesen Burschen hier Satz für Satz ins Leben zu führen. Zumindest hoffte ein kleiner Teil in Schuldig das. Denn wenn das geschah… dann würde er von hier verschwinden und er konnte sein Leben leben wie bisher. „Soll das heißen, dass du nicht mit zum Einkaufen möchtest?“, fragte er ruhig und durchkämmte bereits die Schränke nach den Zutaten, die sie brauchen würden. Vermutlich musste er sich einen Plan zurechtlegen, wie er Ran was lernen sollte. Vielleicht war Einkaufen doch keine so gute Idee. „Ich werde dann also alleine gehen, aber erst später, jetzt hat noch kein Geschäft geöffnet, es ist ja noch nicht einmal richtig hell.“ „Ja… das stimmt.“ Ran wurde erst jetzt bewusst, dass es noch früh am Morgen war und dass Menschen eben keinen Nacht-Tag-Biorhythmus hatten wie er, der nachts wachte und übertags die meiste Zeit döste oder ruhte. Auch etwas, das er sich vielleicht abgewöhnen musste, wenn er unter ihnen leben wollte. Unter den Menschen. „Ich würde schon gerne, aber ich sehe nicht aus wie ein Mensch“, sprach er, gelehriger Schüler, wie er war, seinen Wunsch aus. Seine Bedenken. Ein weiteres Mal ruhte sein Blick auf seinen Krallen… seinen Waffen, mit denen er sich verteidigte. Sie hatten es einmal ausprobiert und sie ihm gestutzt; es ging, auch wenn er anhand dieser Erinnerung erzitterte. Es hatte nicht wehgetan, doch das Schneiden hatte sich so widernatürlich angefühlt, dass ihm schlecht davon wurde. Es war gegen seine Natur, gegen alles, was er darstellte… Zumal er dann völlig hilflos wäre, ohne seine Krallen. Aber er sollte doch ein Mensch werden. Menschen hatten keine Krallen, sie waren alle hilflos. „Ich könnte sie kürzen“, sprachen seine Gedanken das aus, was er noch nicht ganz für sich beschlossen hatte. „So viel unterscheidet dich nicht von einem Menschen, den Rest kann man tarnen.“ Schuldig, der durchaus die Unsicherheit, die sich in einer dissonanten Note in die Stimme geschlichen hatte, bemerkte, notierte etwas auf einen Einkaufszettel und ließ den Block in der Küche liegen. „Willst du sie denn schneiden?“ Die messerscharfen Krallen boten sicher gute Werkzeuge zur Verteidigung und er glaubte nicht, dass Ran sie freiwillig aufgeben wollte. Er selbst hatte seine Waffe immer dabei und fehlte ihm die Telepathie… er würde wohl fühlen, als hätte man ihm einen Arm abgeschnitten. Momentan fühlte er sich bei Ran, als wäre er ein ‚Blinder’. „Um als Mensch zu gelten ja. Doch dann wäre ich schutzlos. Wie kann man sie denn tarnen?“, fragte er mit mehr Interesse und besah sich die Nägel. Irgendwann, wenn er sich sicher fühlte, würde er sie schneiden. Doch jetzt… nein. Jetzt noch nicht. Er würde gerne das Haus verlassen und etwas Normales tun, doch gleichzeitig hatte er auch Angst davor. Zumal er dafür in Kleidung steigen musste, die ihn kratzte. Er wusste nicht, ob er sich je wieder an Jeansstoff oder einen normalen Pullover gewöhnen würde, geschweige denn an Socken oder Schuhe. War das heute also nicht eine gute Gelegenheit um es auszuprobieren? Ran fürchtete sich. Na, das konnte ja lustig werden. Aber es war ja nicht so, dass Schuldig Herausforderungen nicht reizten. „Wenn dir jemand eine Kugel in den Kopf schießen will, nützen deine Krallen auch nichts, kitty“, meinte er lächelnd, fast schon liebevoll schmunzelnd. „Sie bleiben dran“, winkte er lapidar ab und wandte sich um. „Sie vermitteln dir zumindest das Gefühl von Sicherheit, auch wenn es ein Trugschluss ist. Dort draußen wimmelt es von Haien, aber du kannst froh sein, du schwimmst zumindest schon mal mit einem mit.“ Schuldig grinste in sich hinein und ging hinauf in Rans Zimmer. Er wollte sich die Kleidung des Roten ansehen. Violette, sacht glimmende Augen sahen Schu nachdenklich nach. Sollte ihm das Mut machen? Er hatte nicht das Gefühl… Wenn es ein Trugschluss war, konnten sie auch ab, doch hatte er nicht gesehen, dass er sehr wohl in der Lage war, einen Menschen ernsthaft zu verletzen, wenn nicht gar zu töten, wenn er es wollte? Er konnte die verschorfende Wunde auf der Brust des anderen immer noch riechen. Lautlos und vor allen Dingen neugierig folgte er Schu nach oben und machte ihn in dem bunten Zimmer aus. „Was machst du?“ Schuldigs Herz setzte nur kurz aus, als er die Stimme hinter ihm vernahm, jedoch hatte er geahnt, dass der andere ihm folgen würde. Trotzdem… er war verflucht leise. „Deine Kleidung durchsehen, ob etwas Geeignetes für einen Stadtbesuch dabei ist.“ Das Einzige, das ging, war ein Zweiteiler bestehend aus einem kurzärmligen Oberteil und einer weich fließenden, langen aber dünnen Hose. Dazu bequeme Sommertreter und die Sache war geritzt. „Sind deine Krallen an den Zehen auch so ausgeprägt?“ Schuldig nahm beide Kleidungsstücke und ging hinüber in sein eigenes Schlafzimmer, wühlte dort in den Schubladen und förderte seine ledernen Handschuhe zu Tage, warf sie zu der Kleidung aufs Bett. Dazu feuerte er noch eine Sonnenbrille mit transparenten roten Gläsern und eine mit dunklen Gläsern. Fortsetzung folgt… Vielen Dank für’s Lesen. Bis zum nächsten Mal! Coco & Gadreel Kapitel 4: CYAN --------------- Rans Erstaunen wuchs mit jedem Teil, was mehr auf dem Bett landete und er runzelte schließlich skeptisch die Stirn. Erst nach einigen Momenten besann er sich auf die Frage und sah an sich herunter. „Nein… sie sind normal“, erwiderte er und in der Tat, seine Zehnägel sahen normal aus. Menschlich, könnte man dazu sagen. Ran trat noch einen Schritt näher, blieb aber in einiger Entfernung zu Schu stehen. Er befühlte den Stoff und ein leichtes, erfreutes Pochen klang durch seine Blutbahnen. Es würde nach draußen gehen… „Normal? Seltsam“, murmelte Schuldig und hob die Brauen. Nun ja, man musste ja nicht alles verstehen wollen, beschloss er und wischte das Thema beiseite. Stattdessen wandte er sich mit taxierendem Blick um, kam näher zu Ran und sah ihn forschend an. Der Raum war noch immer mit schwachem Licht beleuchtet. „Kennst du dich mit Waffen aus?“, fragte er ernst. „Sie meinten… da wäre etwas schief gelaufen. Die Gene hätten sich dort nicht richtig durchsetzen können, zumindest habe ich das so verstanden.“ Rans Gedanken glitten zurück in die Vergangenheit, zu dem Anblick Schus in dem weißen Kittel mit der Waffe in der Hand. Anscheinend für ihn etwas Gewohntes, doch Ran hatte keine Erfahrung damit. Keinerlei. „Mein Vater und ich haben früher Kyudo gemacht, aber ansonsten nicht.“ „Gut. Das ist kein Problem. Du solltest nur wissen, dass deine Gegner… oder meine Gegner von Waffen Gebrauch machen. Sie werden dich nicht mit Nahkampfwaffen angreifen, sondern mit Fernkampfwaffen. In diesem Fall sind deine Krallen und deine Selbstverteidigung nutzlos. Ich werde immer eine Waffe tragen, wenn nicht sogar mehrere. Gut getarnt. Wenn wir draußen sind, möchte ich, dass deine Sinne wachsam sind, jedoch nicht so, dass es auffällt. Wenn dir jemand auffällt, der dir nicht geheuer ist, teilst du es mir ruhig und gelassen mit. Das verschafft uns Zeit und erweckt keinen Argwohn, soweit klar?“ Ran nickte. Es schien logisch, nein, strategisch. Vielleicht gab es ja noch andere Wissenschaftler, die zur gleichen Organisation gehörten wie die im Labor und vielleicht wurde er ja gesucht. Ran hoffte es nicht, er wollte es nicht, doch Schu schien mit dieser Möglichkeit zu rechnen. Oder es gab andere ‚Interessenten’, die es auf seine Andersartigkeit abgesehen hatten. Sein Blick glitt aus dem Fenster. Oh ja, die gab es sicherlich. „Wie viel… hast du für mich bekommen?“, fragte er mit schmerzlichem Interesse in seiner Stimme. Wie viel war er als Versuchstier wert? „Ich? Gar nichts. Mein Boss hat alles bekommen, ich habe keine Ahnung wie viel, aber sicher nicht wenig. Vermutlich müssten wir unser Leben lang nicht mehr arbeiten.“ Gott, wie blauäugig war das Rehkitz hier ihm gegenüber eigentlich? Und er? Er war der große, böse Wolf. So kam er sich im Moment zumindest vor. Er seufzte lautlos und setzte sich aufs Bett. Selbst wenn jemand soviel Geld für dieses Wesen gezahlt hätte, niemand würde es in die Freiheit entlassen. Niemand. Wirklich niemand. Wenn… dann auch nur, um es abzuknallen oder um es wieder einzufangen… aus Spaß. Aber frei? Wieder passte das Benehmen des anderen nicht zu seinen Worten und Ran war verwirrt ob dieser Diskrepanz, die sich ihm hier bot. Doch gleichzeitig schmerzte auch etwas ganz tief in ihm. Vermutlich war es der kleine, menschliche Teil, der noch übrig geblieben war und der sich gegen das Besitztum wehrte. Gegen die Entmenschlichung, wenngleich ihm doch gesagt wurde, dass er menschlich werden sollte. Warum also? Ran kannte die Antwort darauf nicht und es verwirrte ihn, ließ ihn unruhig werden. Wieder glitt sein Blick zum anderen als versuche er herauszufinden, ob er durch diesen Anblick an seine Antworten kommen würde. „Wer hat soviel Geld bezahlt?“, fragte er schlussendlich. Nicht, wer hat mich gekauft oder wer ist jetzt mein Besitzer… nein. Als wollte er es nicht wahrhaben, als wollte er sich akzeptiert fühlen und nicht geduldet, eben weil er Geld gebracht hatte… viel Geld. Schuldig wähnte sich auf dünnem Eis, aber er glaubte nicht daran, dass Ran noch weiter bohren würde. Außerdem hatte er nicht vor jetzt schon aufzustehen, deshalb legte er sich aufs Bett und hantierte mit der Decke, schaltete das kleine Licht aus und wandte sich zur Seite. Noch ein wenig dösen und so gegen halb zehn konnte man ja dann aufstehen, beschloss er. „So ein alter einsamer Knacker“, erwiderte er etwas verspätet auf Rans Frage. „Keine Angst, er meint es gut, ich habe in seinen Gedanken nichts Negatives gelesen. Eher so etwas wie Erinnerungen an eine längst verschollene Familie oder so. Er will einfach was Gutes tun und Geld hat er wie andere Heu in ihrer Scheune, also mach dir keinen Stress. Oder… möchtest du hier weg?“ Schuldig drehte sich wieder zu Ran, legte sich halb auf den Rücken. „Wenn es dir hier nicht gefällt, könntest du auch zu meinem Boss ziehen?“, bot er an, obwohl es ihm nicht wirklich gefiel dieses Angebot zu machen. Es diente auch eher dazu, Ran zu beruhigen und ihm eine Wahl zu lassen. In ein unbekanntes Gebiet mit jemanden, auf den er sich neu einstellen müsste? Bei Schu hatte er wenigstens schon einmal eine Ahnung, auf was er sich einstellen konnte, doch ein anderer? „Nein, es ist angenehm hier“, sagte er. Schön war es nicht, dazu gab es zu vieles, was ihn belastete, doch es war besser als das Labor… hier gab es all das, was er sich je gewünscht hatte – außer seiner Familie. Doch sie… würde er nirgendwo mehr finden. Es war jemand gewesen, der ihm Gutes tun wollte? Ran glaubte nicht wirklich daran. Bei dem, was er war, was er konnte, was sie mit ihm gemacht hatten, da wollte jemand uneigennützig sein? Das war… etwas Neues. Schier unglaublich. Ran tigerte zum Fenster und blickte hinaus in den langsam aufkommenden Tag. Er spürte eine gewisse Müdigkeit in sich, der er sonst nachgab, doch nun… sein Blick glitt zurück zum Bett. „Du bleibst liegen?“, fragte er. „Ja“, lächelte Schuldig auf diese offensichtliche Feststellung. „Du kannst dich ja auch herlegen, wir haben noch Zeit, ich habe nicht vor, vor neun Uhr einen Finger zu heben.“ Schuldig mummelte sich etwas ein und lauschte auf Ran, was dieser tun würde. Für einen absurden Moment lang hatte er tatsächlich geglaubt, er müsse Brad die Hiobsbotschaft überbringen, dass Ran zu ihm wolle. Aber das hatte sich ja glück- oder unglücklicherweise, je nachdem von welchem Standpunkt man es aus sah, nicht bestätigt. Ran überdachte das und schüttelte dann den Kopf. Er würde sich in das bunte Bett mit den vielen Kissen legen. Dort schien es gemütlicher zu sein. Eben diesen Gedanken gefasst, streunte er aus dem Zimmer und setzte ihn in die Tat um. Er würde ebenso ruhen wie der andere, warten, bis sie losfuhren oder sich etwas anderes tat. Sich ebenso einmummelnd wie Schu auch, schloss er die Augen und war eingeschlafen, noch bevor er sich es wirklich gemütlich gemacht hatte. o~ Ran besah sich seinen Aufzug. Es war… unbequem, kratzte überall und die Schuhe waren etwas, an das er sich definitiv erst gewöhnen musste. Er hatte Ewigkeiten keine Schuhe mehr getragen und war nun eher abgeschreckt als beruhigt, den Boden nicht mehr direkt unter seinen Füßen zu spüren und etwas an ihnen zu haben. Mit den Handschuhen sah er aus wie ein Mensch, befand er, aber nur, wenn er völlig stillstand. Die Bewegungen waren die eines Raubtiers, zu fließend, zu bedächtig, als dass sie zu einem Menschen gehören konnten. Die langen Haare waren zu auffällig, sagte er sich. Ein Japaner mit roten Haaren? Das gab es nicht. Und die Augen… Er war unruhig und nervös, als er schließlich fertig und mit der Sonnenbrille in der Hand nach unten kam und Schu in der Küche fand. Dieser konnte sich ein wohlwollendes Lächeln nicht verkneifen und nickte anerkennend. „Gar nicht so schlecht“, lobte er und maß den jungen Mann im trendig lässigen Stadtoutfit. „Dann kanns ja losgehen.“ Er selbst trug ein weißes Hemd, Stoffturnschuhe und eine Jeans. „Wiederhole noch einmal das, was ich dir gesagt habe, auf was du achten sollst.“ „Auf die Umgebung achten, aber nicht so, dass es auffällt. Die Augen offen halten“, spulte Ran die Anweisung aus seinem Gedächtnis ab und die Sonnenbrille drehte sich nervös in seinen Händen. Seine Augen bohrten sich in die des anderen. „Sehr gut.“ Schuldig griff sich den Einkaufszettel, Geld und Schlüssel und marschierte in Richtung Garagen. „Dann mal los. Setz deine Brille auf und geh die ganze Sache locker an. Es kann nichts passieren.“ Seine Stimme war ruhig und besonnen, er selbst fühlte sich wohl und ausgeglichen, hoffte, dass diese Ruhe und Souveränität auf Ran abfärben würde. Er hielt dem Rothaarigen die Wagentür auf und ließ ihn hineinsetzen. Dann stieg er selbst ein und schnallte sich an. „Du solltest dich anschnallen.“ Das hatte Ran gerade vorgehabt und kämpfte nun umständlich mit dem Gurt, bevor er ihn schlussendlich in der Halterung hatte. Erst dann setzte er die Brille auf und fühlte sich damit prompt noch unwohler. Früher… war es kein Problem gewesen, früher, als er noch Mensch war. Doch jetzt sträubte sich sein veränderter Körper gegen alles, was einmal dieses Menschsein ausgemacht hatte. Das tat weh und ließ ihn frustriert aufseufzen. Alleine schon das Einkaufen. Schu hatte gut reden. Es würde nichts passieren… es konnte sehr viel passieren. Ran lehnte sich im Sitz zurück… drückte sich fast in den Stoff hinein. Wer wusste schon, wie er reagierte, wenn Schu losfuhr? „Für den ersten Ausflug reicht es, wenn wir in einen der kleineren Supermärkte gehen. In die Stadt können wir ein anderes Mal fahren.“ Er fuhr langsam los und vom Grundstück in Richtung Schnellstraße um in den nächsten Ort zu gelangen. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, sonderlich auffallen wirst du nicht, nicht mit meinem Tokyoter Kennzeichen und der Tatsache, dass ich nicht gerade japanisch aussehe.“ Es dauerte nicht lange und sie waren in Kyoto angekommen, fuhren auf einen der ausgewiesenen Parkplätze eines Supermarkts, der gerade neu geöffnet hatte, und Schuldig ließ den Wagen verstummen. „Kyoto also…“, murmelte Ran in Gedanken, den Blick stetig nach draußen gerichtet, immer auf neue Impulse, die mal langsam, mal schneller an ihm vorbeizogen und ihn erstaunt zurückließen. Er kannte Kyoto, sie waren schon oft dagewesen, wenngleich sie in der Nähe von Tokyo gewohnt hatten. Doch diese Stadt noch einmal zu sehen und nicht in diesem Labor zu versauern, war ein großes Geschenk, das ihn glücklich machte. Er wartete, bis Schu ausstieg und tat es ihm dann gleich, immer darauf bemüht, menschlich zu wirken. Rasch kam er um den Wagen herum und war an der Seite des anderen. Dieser ‚Andere’ kam sich vor wie ein Kindergärtner, so beflissen und aufmerksam Ran war, so ungewohnt war es für Schuldig, dass er auch ohne telepathischen Einfluss jemanden das tun lassen konnte, was er wollte. Seltsam war das schon. Sehr seltsam. Mit einem Seufzer ging er los, verschloss den Wagen per Fingerdruck und steuerte muffig wie immer das Einkaufsparadies an, welches er sonst so schnell als möglich wieder zu verlassen gedachte. Heute, war er sich da nicht so sicher, ob das schnell von Statten gehen würde. Dafür war der Einkaufswagen schnell organisiert und schon umwogte sie die Atmosphäre des zweistöckigen Supermarktes. „Wir brauchen zunächst…“, er murmelte einige Zutaten von der Liste ohne diese zu bemühen und steuerte auch schon in diese Richtung, Ran im Schlepptau. „Und lauf ja nicht weg. Immer schön beim Wagen bleiben“, gab er Anweisung und seufzte erneut innerlich. Gott… er war ein Babysitter… ein lausiger Babysitter. Für die ersten Minuten war es auch kein Problem… Ran blieb bei Schu, sah sich um, verließ jedoch die Seite des anderen nicht. All die Reize, die auf ihn einströmten, die sein Gehirn bestürmten, konnte er gar nicht verwerten und wurde dadurch unstetiger und unruhiger. Und dann nahm ihn die Süßigkeitenabteilung gefangen, die Schu anscheinend noch nicht eingeplant hatte. Wie von einem unsichtbaren Drang getrieben driftete er nach links und war in dem Gang verschwunden, seine Augen auf die Reihen von Reiskuchen mit Rotbohnenpaste gefüllt, Schokolade, Bonbons und anderen Sachen gerichtet, die er nicht kannte und die ihn in ihrer bunten, quietschigen Farbe ansprangen. Und als Schuldig zum Wagen zurückkam, die Nudeln hineinlegte und um die nächste Ecke lugte, musste er feststellen, dass Ran nicht mehr da war. „Verdammt“, wisperte er verärgert und schob den Wagen zur Seite um nicht den ganzen Gang zu blockieren. Er musste ohnehin noch einige Sachen hier besorgen, also warum nicht ein wenig warten, bis das abtrünnige Kätzchen wieder zum Wagen zurückkam… Ran überlegte, ob er nicht einfach das mitnehmen sollte, was ihm gut genug erschien… oder das er aus reiner Neugier ausprobieren wollte… zweimal nahm er es auf, zweimal legte er es wieder zurück und sah sich dann zu Schu um. Nur dass dieser nicht mehr da war. Furcht durchzog Ran. Der andere war weg und er stand hier alleine. Nein. Doch er musste ruhig bleiben, das hier war keine bedrohliche Situation. Alles würde gut gehen. Alles. Er war… noch soweit menschlich, dass ihm das nichts ausmachte. Außerdem hatte er einen Orientierungssinn und Augen im Kopf. So machte er sich auf die Suche nach Schu, fand aber schließlich nur den Wagen… aber Schu war weg. Wo war er? War er verschwunden? Ran verschwand im nächsten Gang, suchte weiter, seine hellwachen Sinne immer auf ein Anzeichen von Gefahr gerichtet. Da sah er ihn, den dunkelroten Schatten der Haare. „Ran“, knurrte Schuldig, sich sicher, dass dessen Sinne seinen Ruf gehört hatten. Er ging dem Irrwisch hinter her, legte dabei Nudelplatten für Lasagne in den Wagen. Schu hatte richtig vermutet und Ran fuhr herum anhand der bekannten Stimme. Da war er! Ungeachtet aller Vorsicht nahm er die Sonnenbrille ab und gewährte Schu einen Einblick in seine vom Unwohlsein großen Pupillen. „Ich habe dich gesucht…“, sagte er leise. „So hast du?“, knurrte Schuldig gefährlich leise. „Hättest du aber nicht müssen, wenn du nicht vom Wagen weggegangen wärst.“ Er fixierte die violetten Augen. „Hör zu. Wenn du hier verloren gehst und dich irgendwelche Typen auflesen und dich wieder in einen Käfig stecken, wie groß ist wohl die Chance, dass dich ein verblödeter Vollidiot wie ich herausholt? Wie groß ist wohl noch einmal diese Möglichkeit?“ Er sagte das ganz ruhig, weil er spürte, dass der andere unruhig war und nicht noch zu dieser Unruhe einen Anschiss gebrauchen konnte. Doch Schuldig war auch nicht so wohl bei diesem Ausflug, wie er vorgab. Diese Worte strahlten trotz ihrer ruhigen Intonation eine Dominanz aus, die Ran gleich gegen sie aufbrachte. Seine Lippen zogen sich auseinander und für einen minimalen Augenblick zeigten sich spitze, kleine Fangzähne, die jedoch schnell wieder versteckt wurden, als Vernunft und auch Bewusstsein für ihren Ort in Ran Einzug hielt. Er war unvernünftig gewesen, das sah er ein, doch er hatte den Reizen nicht widerstehen können… und nun? Nun war er unruhig und nervös, noch nervöser als vorher. „Es war die Schokolade…“, sagte er und seine Stimme betrog seinen ausdruckslosen, gar kalten Blick, denn sie war weich und entschuldigend. Für einen Moment wusste Schuldig nicht wie diese Situation ausgehen würde. Würde sie kippen… Ran ausflippen und ihn angreifen? Er starrte ihn an, vollzog den Mimikwechsel mit und tarnte diese Beobachtung, indem er Ran die Brille aus der Hand nahm, sie aufklappte und sie diesem in einer sanften Geste auf den Kopf steckte, die Bügel hinter die Ohren fädelte. „Soso… die böse Schokolade wars also?“ Schmunzelnd und auch erleichtert hob Schuldig die Augenbraue. „Dann wollen wir mal die böse Schokolade schimpfen gehen, was?“ Er nahm den Wagen und fuhr in die Süßigkeitenabteilung. „Such dir zwei Sachen aus, die du möchtest und dann gehen wir weiter, wir brauchen noch so einiges.“ Die drei Sachen, die Ran nicht liegen lassen konnte, weil er sie schon so lange nicht mehr gegessen hatte, legte er mit einem Blick, der jeden Unschuldsengel neidisch gemacht hätte, in den Korb. „Dieses Mal lasse ich dir auch etwas über?“, fragte er und seine Lippen kräuselten sich fast zu einem Lächeln - fast. Was Schuldig durchaus zu durchschauen wusste. Er senkte den Blick auf Halbmast, als er an dem Wagen vorbei ging. „Und ich dachte, du könntest wenigstens bis zehn zählen. Oder was hast du sonst gelernt bis zu deinem Fünfzehnten?“ Gut, es war gemein, aber verarschen ließ er sich nicht, auch von solch unschuldig blickenden Augen nicht. Oder gerade von solch unschuldig blickenden Augen nicht! „Nichts, was ich bis heute behalten hätte“, erwiderte Ran instinktiv auf die Worte des anderen. Er wusste, dass es eine Lüge war und dennoch hatte er sie ausgesprochen, weil er genau sagen konnte, dass Schu wusste, was er meinte… denn in diesem Moment schien es ihm das Richtige gewesen zu sein. Denn diese Worte taten ihm weh, ohne dass er es wollte. Schuldig war wütend. Sehr sogar, aber er sagte nichts. Hier war der falsche Ort dafür. Seine Anweisungen in kleinen Dingen zu missachten war nicht schlimm. Doch es war die Übung für die großen Dinge. Und ein Fehlen in diesen großen Dingen kostete das Leben. Seine Miene verhärtete sich zu einer höflichen, aber nichts sagenden Maske, als er den Wagen weiter schob und schweigend einsammelte was sie brauchten. Ran folgte ihm, sich stetig umsehend. Er hatte die Hände in den Taschen seiner Hose vergraben und sah nun zu, wie der andere alles auf das Band lud und schließlich einpackte. Sie verließen den Supermarkt und gingen zurück zum Wagen. Auch hier hielt sich Ran in direkter Nähe zu Schu auf, achtete aber auf die Umgebung, die Menschen, die an ihnen vorbeigingen und sie beide ansahen. Hier war nichts auffällig, hier war alles Alltag. Menschen, die vielleicht nichts von ihm ahnten… von ihnen. Noch immer keinen Ton von sich gebend fuhr Schuldig nach dem Einladen vom Parkplatz, fädelte sich in den Verkehr und schlug den Weg in Richtung ihres Domizils ein. Für den ersten Versuch war ja alles gut verlaufen, dachte er zynisch und sein Blick kehrte sich während der Fahrt nach innen. Er hatte sich dazu entschlossen, diesen Kerl „lebensfähig“ und fit für diese Scheißwelt zu machen und der konnte schon bei Kleinigkeiten nicht auf ihn hören. Über diesen und viele anderen Gedanken kamen sie wieder am Haus an und Schuldig stieg aus dem Wagen. Das Raubtier in Ran spürte die Spannung, die von Schu ausging und er verstand sie nicht wirklich. Es mussten seine Worte gewesen sein… Also schwieg er, als sie die Sachen zum Haus brachten und versank in seinen Gedanken um alles zu verarbeiten, was er gesehen hatte. Um auch das Gespräch zwischen Schu und ihm zu verarbeiten. Schuldig parkte die Tüten auf dem Tisch, stellte danach das Radio an und begann damit die Sachen zu verräumen. Das Licht in der Küche nahm ab und Schuldig wunderte sich nicht wirklich, da draußen dicke Regenwolken den Himmel verschatteten und schon bereits die ersten Tropfen an die Scheiben schlugen. Da hatten sie ja mal richtig Glück gehabt. Einkaufen war schon schlimm genug aber auch noch bei so einem Sauwetter? Das war einer der Höllenkreise. Ganz sicher. Nach getaner Arbeit verzog er sich in sein Arbeitszimmer, kontaktierte Nagi um diesen wegen neuer Daten oder etwaiger Aufträge zu befragen, was allerdings nicht lange dauerte… da nichts Neues für ihn anstand. Seufzend ließ er sich in den Sessel gleiten und schloss die Augen, sich die Nasenwurzel reibend. Wie sollte das nur alles weitergehen? Währenddessen streunte Ran unstet durch das Haus, konnte sich nicht auf einen fixen Punkt festlegen. Sowohl die Couch als auch sein Bett wurden bald verlassen, ebenso wie die Bücher, auf die er sich nicht konzentrieren konnte. Er wusste, wo sich Schu aufhielt, doch dessen Abweisung und Schweigsamkeit machten ihm zu schaffen… er lauschte, ging weiter… lauschte wieder. Schließlich war er in der Küche und besah sich den Inhalt des Kühlschranks. Eigentlich wollte er kochen… Unterdessen hatte Brad angerufen und Schuldig befragt, wie gut ‚es’ denn laufen würde. Schuldig, der natürlich log bis sich die Balken bogen, sagte natürlich, dass ‚es’ super liefe. Prächtiger… könne es gar nicht laufen, flunkerte er und speiste damit Brad ab. Denn dieser hatte ihm diese Schnapsidee vom Behalten des „Katers“ auszureden versucht. Nur Schuldig hatte beteuert, dass es schon werden würde, dass er das schon hinbekommen würde, und dass alles in Butter sei. ‚Was für ein Trugschluss’, seufzte das neue Herrchen des Katers und machte sich nach einiger Zeit wieder nach unten auf. Er würde sich noch ein wenig das Fernsehprogramm zu Gemüte führen, samt einem Gläschen Wein und danach wollte Ran ja kochen… So platzierte er sich auf die Couch und zappte durch die Kanäle. Violette Augen beobachteten jede Bewegung des anderen, als dieser in die untere Etage kam. Er ignorierte ihn weiter, schaltete nur das Fernsehen an und ließ quietschige, laute Geräusche die Stille erfüllen. Ran verzog leicht die Lippen. Es schmerzte in seinen Ohren. Dennoch kam er lautlos an ihn heran und setzte sich neben ihm auf die Couch, ihm zugewandt. Ran besah sich das verschlossene Profil und legte den Kopf schief. Der observierte Telepath hatte seinen Observator kommen sehen, wandte zwar den Kopf nicht, doch seine Nackenhärchen stellten sich auf, da er Rans Blick auf sich spürte. „Was ist?“, schnappte er verbal in Richtung Ran und wandte sein Gesicht dem anderen zu. Beinahe sofort erlosch seine Wut und glimmte nurmehr mit halber Flamme vor sich hin, aufgrund der fragend blickenden Augen. Es nervte… alles nervte wieder. Er hatte gedacht, dass es besser werden würde, wenn er endlich eine Entscheidung getroffen hätte, aber es war noch immer alles nervig. Schuldig starrte nun seinerseits. Er war gut im Starren. Er hatte schon mehrere Starrduelle gewonnen. Jedes bisher. Nicht, dass es Ran davon abhalten würde, die Augen des anderen zu studieren und zu versuchen herauszufinden, was los war. „Du bist wütend…“, stellte er fest. ‚Ach?’, keimte wilder Spott wie eine Ranke Unkraut in ihm auf. „Würdest du tun was man dir sagt, wäre ich es nicht. Hier drinnen kannst du tun, was du willst, du kannst auch sämtliche Schokolade aufessen, wie es dir gefällt, nur dort draußen mach das, was ich dir sage, ja? Bis du die Dinge alleine kannst zumindest. Danach ist es mir völlig egal, was du machst.“ Schuldig wurde ruhiger, seufzte. „Versteh doch, ich kenne das dort draußen besser als du momentan. Wie kann ich sicher sein, dass du nicht kopflos davonspringst, wenn wir angegriffen werden, wenn du nicht auf das hörst, was ich sage? Und wenn es das ist, dass du zwei und nicht drei Dinge in den Einkaufskorb legst? Wir müssen uns einigen auf diese Absprachen, sonst läuft das nicht. Du bist hier um zu lernen, weil du frei sein willst. Und wenn du alles kannst, dann kannst du gehen wohin du willst, ja?“ Er hatte aber nichts, wohin er gehen konnte… Ran sagte zu diesem Punkt nichts, sondern lauschte den restlichen Worten nach, runzelte dabei die Stirn. „Es war Schokolade. Es waren keine Feinde. Ich bin zwar kein Mensch, aber unterscheiden kann ich“, erwiderte er schließlich und musterte Schuldig. „Was wichtig ist und was nicht…“ Nein, natürlich. Schuldig gab auf. Ran verstand es nicht und würde es auch nie verstehen. „Und wie willst du Unterscheidungen treffen? Aufgrund von was? Erfahrung?“ Er zuckte mit den Schultern und wischte das Thema vom Tisch. Warum sollte er sich Mühe geben? Brad hatte Recht. Es war nur anstrengend und schlussendlich ergebnislos. Doch in Rans Gedanken spielte es immer noch eine nicht zu geringe Rolle. Er schob die Worte des anderen Mannes hin und her, versuchte eine Lösung für diese Fragen zu finden… er wusste, dass seine Antworten Schu nicht befriedigen würden, doch das Warum… „Ich habe auf die Umgebung geachtet, wie du es mir gesagt hattest. Ich hätte mich nicht ablenken lassen sollen“, nickte er und furchte die Stirn. „Aber was ist an drei Schokoladen gefährlich?“ Es war eine ehrliche Frage, die zeigte, dass er den Kern von Schus Problem nicht verstanden hatte, eben weil er versuchte, eigenverantwortlich zu denken. „Ich habe Erfahrung… nicht so viel wie du. Aber ich war nicht immer dort unten.“ Schuldig glotzte. Wirklich. Anders konnte man es nicht beschreiben. Die Augen kugelrund und perplex. Dahingerafft von solch ehrlicher Logik und Beflissenheit. Er seufzte und rutschte tiefer in die Couch hinein, zog ein Bein zu sich und sah zu Ran auf. „Es geht doch gar nicht um die Schokolade. Vor mir aus hättest du dir zehn Tafeln mitnehmen können. Es geht mir darum, dass ich mich auf dich verlassen möchte. Ich möchte darauf vertrauen, dass wenn ich dir etwas sage, dass du es tust.“ Er schwieg einen Moment lang und sah dann geradeaus, fixiert einen Punkt in der Ferne. „Für mich… für uns also mein Team und mich ist es wichtig, dass wir aufeinander hören, wenn eine Mission ansteht und mein Boss mir sagt, hol zwei Tafeln Schokolade, dann hole ich zwei Tafeln Schokolade, nicht vier und nicht eine. Ich bin nicht dein Boss Ran, ich wollte dir das nur als Beispiel sagen. Der Versuch mit der Schokolade hat mir gezeigt, dass ich mich auf dich nicht verlassen kann, weil du in diesen Situationen, in denen du dich nicht auskennst, trotzdem das tust, was du gerne möchtest. Anweisungen korrekt auszuführen kann dir das Leben retten. Und du bist nicht so blauäugig, dass du nicht weißt, dass es den einen oder anderen geben wird, der es auf dich abgesehen hat.“ Schuldig wandte das Gesicht wieder hinauf zu Ran. „Ich weiß, dass du nicht dumm oder einfältig bist, Ran. Deine hübschen Augen sind anders als normale langweilige, wie meine“, er grinste halbseitig. „…sie zeigen viel von deiner Intelligenz. Ich dachte, ich könnte dein Lehrer sein. So etwas habe ich noch nie getan, jemanden etwas gezeigt und es tut gut. Aber bis aus dem Lehrer-Schüler-Verhältnis ein Team wird, dauert es ein Weilchen. Es streut Unsicherheit in mir, wenn du nicht auf mich hörst. Wie soll ich unterscheiden wann du die Gefahr erkennst und wann nicht, wenn sie dir noch nicht begegnet ist?“ Das war etwas, das Ran durchaus mehr verstand. Er nickte langsam. Er war fünf Jahre in diesem Labor gewesen und davor hatte er noch nicht einmal geahnt, dass es so etwas wie diese Forschungseinrichtungen gab… er war sich nicht bewusst gewesen, dass Menschen so etwas angetan wurde… Menschen, die sich als Menschen glaubten. Nein. Menschen, die schon mit Katzengenen gezüchtet wurden. „Aber wie soll ich sie jetzt erkennen, wenn sie mir völlig unbekannt ist?“, fragte er. „Im Labor… sie kannte ich. Aber vielleicht gibt es noch andere, nein, ganz sicher gibt es andere. Sie haben damals meine Schwester in eines ihrer anderen Häuser gebracht.“ Ran hielt für einen Moment inne… wenn fünf Jahre vergangen waren… vielleicht lebte sie dann noch. „Lebt meine Schwester noch?“, verbalisierte er seine Gedanken und leise Hoffnung schlich sich in seine Worte. Damals… war sie ins Koma gefallen durch einen Autounfall, der - so wurde ihm nachher gesagt - dazu diente, sie als Versicherung für ihn zu haben. Eine Geisel, damit er sich artig benahm. „Erkennen…wen meinst du mit erkennen, Ran?“ ‚Okay… Geduld immer schön geduldig bleiben’, mahnte er sich, bei diesem ganzen Fragenwirrwarr. Eine Frage nach der anderen. „Die Wissenschaftler oder andere von ihnen, die alle für diese Organisation arbeiten“, erwiderte Ran und seine Hände ballten sich leicht zu Fäusten. „Sie haben Macht… viel Macht.“ Manche von ihnen hatten wahrscheinlich gedacht, er wäre wirklich ein Tier ohne Sinn und Verstand, doch auch wenn er nicht gesprochen hatte, so hatte er doch jedes Wort verstanden, das in seiner Gegenwart gesprochen wurde. „Ach… ja… die“, murmelte Schuldig trocken. „Ja, Leute wie die haben meist viel Macht und sie spielen diese auch aus. Ich arbeite manchmal für solche Leute.“ Er streifte mit dem Zeigefinger spielerisch und aufmerksam machend über die rechte geballte Faust des Katers, entfernte sich jedoch wieder und ließ seine Hand auf seinem Schoß liegen. „Du kannst sie nicht erkennen, Ran. Nur vielleicht, wenn du lange übst und ein Gespür dafür entwickelst. Deshalb war dieser erste Ausflug so wichtig, aber er hätte auch übel schief gehen können. Es gibt keine zweite Chance mehr. Wenn sie dich haben, oder töten, gibt es keine zweite Chance mehr. Kein Spiel Ran, nur die Realität und die ist gnadenlos.“ Ran starrte auf seine Hand, auf die Finger, die langsam ihre starre Position aufgaben und sich entspannten. „Ich weiß, dass es kein Spiel ist, ich weiß, was sie getan haben und tun werden.“ Schu hatte Recht, er musste üben und sich wirklich schulen. Damit er, wenn er ihnen begegnete, nicht hilflos gegenüberstand. Dass er… als Erster angreifen konnte. „Du bist ein Killer…“, sagte er und sah hoch. „Kannst du sie töten? Alle?“ „Ja, das kann ich. Wenn du mir genügend Geld bezahlst, kann ich das“, baute er einen kleinen Haken ein. Er würde den Gedanken hassen, für eine Blutrache herhalten zu müssen. Vor allem aber würde er es hassen, wenn diese violetten, harmlosen Augen den Tod mit ansehen müssten, wie er durch diese überlangen Nägel rann. „Kannst du mir denn beibringen, wie ich… gezielt töte?“, fragte Ran, sich unbewusst, dass genau das nicht gewollt war. Das, was ihm wirklich Genugtuung verschaffen würde, war Rache an diesen Monstern, die ihm seine Familie genommen hatten und andere Dinge getan hatten. Hey… er hätte Hellseher werden können. Vielleicht wurde Telepathie wirklich überschätzt und er sollte Brad Konkurrenz machen. Schuldig wandte sich Ran zu. „Erstens: Nein. Kann ich nicht. Weil ich zwar ein Profi bin, aber nicht Leon heiße. Zweitens: Werde ich den Teufel tun und genau das tun, was diese Arschsäcke nämlich mit dir vorhatten, dich zu einer Mordmaschine züchten. Drittens: Kommst du zu spät, WEIL benannte Arschsäcke ohnehin als Würmerhotel herhalten müssen. Im Klartext heißt das: Jeder, der mit dem Projekt Abyssinian zu tun hatte, wurde eliminiert.“ Die Bedeutung der vorherigen Worte verblasste langsam im Hintergrund, wurde zu einem leisen Murmeln, ebenso wie jeglicher, rationaler Gedanke, der gerade noch dagewesen war. Alles trat in den Hintergrund, alles, bis auf eins und darüber hatte Ran keine Kontrolle mehr. Sein Blick wurde ruhiger, weniger unschuldig, sondern auf eine Art intensiv, die nicht mehr menschlich war und er fixierte Schu, der mit einem Male in den kompletten Fokus seines Seins gerückt war. Kein Wunder, war dieser schließlich der einzige Mensch, den er zu fassen bekam, den er riechen und wahrnehmen konnte. Er legte den Kopf schief und seine Lider senkten sich minimal herab, als er mit einem Satz vorschoss und seine kleinen, spitzen Eckzähne in die Schulter des anderen grub, den Blick der blauen Augen immer noch mit den Seinen festhaltend. Es brachte kein Blut hervor… dazu war der Biss zu leicht. Er schnurrte leise. Für den ersten Moment hatte Schuldig gedacht, dass etwas ganz übel schief laufen würde bei diesem abrupten Stimmungswechsel. Die Pupillen waren nur mehr Schlitze, das Violett dunkel und intensiv, der Blick fast schon… ja wie war er? Etwa ‚Ich hab dich zum Fressen gern?’ fragte er sich mit leicht panischer Skepsis. Es zwickte etwas, aber sonst tat sich nichts. Schuldig beschloss – mutig wie er war – in die Offensive zu gehen und so zu tun, als hätten sie nicht noch zuvor vom Töten gesprochen… „Hey… was ist? Hast du…Stress?“ Ein Versuch war es wert, wenn er davon ausging, dass er da eine halbe Katze im Haus hatte… Ran lauschte auf die Worte des anderen und löste seine Zähne langsam aus dem Stoff. Doch er wich nicht zurück, sondern folgte den Spuren verschiedenster Düfte auf dem Menschenkörper. Näher als zuvor kam er ihm, schnupperte mit seiner Nase am Hals, von dort nach vorne. Das Schnurren wurde tiefer, eindringlicher und seine Lippen teilten sich ein weiteres Mal, als er in die obere Seite der Brust biss… auch wieder leicht. Ähm… ja. … Scheiße… ‚Mehr fällt dir dazu nicht ein?’ kreischte es in Schuldig. Die halb geschlossenen Lider und das Schnurren hätten dir eigentlich alles sagen müssen, aber du Einfaltspinsel kapierst ja auch gar nichts. „Hey… komm Kleiner… was wird denn das?“ Er griff Ran ins Haar im Nacken. „Komm hör auf, okay?“ Die feuchten Lippen auf seiner Haut und das Schnurren, das ihn auch ohne diesen Hautkontakt regelmäßig aus der Bahn warf, taten ihr Nötiges um ihn mühsam schlucken zu lassen. ‚Entweder er will dich fressen oder er hat was… eindeutig Sexuelles im Sinn’, schlussfolgerte Schuldig. Lange, sonst gefährliche Krallen wölbten sich nun nach innen und Schus Griff wurde mit einem nicht feindlich gemeinten Fauchen belohnt. Rann bettete sein Kinn an die Brust und sah von unten herauf zu Schu hoch, streckte sich der ihn haltenden Hand wie der Kater, dessen Gene er in sich trug, der er war, entgegen. Alle seine Muskeln waren angespannt, jedoch geschmeidig und grazil, wie er hier neben Schu kniete und seine Zähne zeigte. Irgendetwas lief hier plötzlich ganz seltsam. „Ran… verdammt, was… ist mit dir? Ich weiß doch, was du bist… du brauchst es mir nicht extra zu beweisen. Hör auf damit“, sagte er leise und ruhig. Obwohl sein Herz schneller in seiner Brust hämmerte und er unsicher war ob, er die Kontrolle in dieser Situation noch behalten konnte. So schleichend wie das verspielte Raubtier zum Vorschein gekommen war, verschwand es auch wieder. Die Pupillen kehrten zu ihrer ursprünglichen Form zurück und die Gestalt wurde weniger tierisch, sondern menschlich. Ran blinzelte, war sich der Nähe bewusst, die er zu dem anderen innehatte. Was? Er nahm wahr, wie nervös Schu war und runzelte die Stirn, setzte sich langsam zurück. War das einer seiner Aussetzer gewesen? „Was war?“, fragte er in die unsicheren, blauen Augen. ‚Äh… okay… sämtliche Notzellen im Gehirn bitte zur Zentrale’, witzelte Schuldig spöttisch in Gedanken und er beschloss seinem Drang nach etwas Abstand bewusst… nicht nachzugeben. „Was war? Du hast gerade einer rolligen Katze ganz schön Ehre gemacht.“ Rans Augen weiteten sich leicht und er versuchte sich verzweifelt an das zu erinnern, worüber sie sich vor seiner geistigen Abwesenheit unterhalten hatten. Ein Wort stach heraus… ein Wort, das er eine Versuchsreihe lang immer wieder gehört hatte, bevor er sich an nichts weiter erinnern konnte. Ein einziges Wort, eine Konditionierung, wie sie es genannt hatten. Unruhig wischte er sich über das Gesicht. Eine Erklärung… eine glaubwürdige… damit es nicht noch einmal vorkam und dieser Mensch Macht über ihn erhielt. Wenngleich… vielleicht kannte er diese Macht schon und hatte es deswegen benutzt? „Das passiert sporadisch“, sagte er. „Das hängt mit den Genen zusammen…“ Warum glaubte Schuldig das nicht? „Und weshalb ist das bisher nicht passiert?“ hob er eine Braue. Er glaubte nicht daran, denn hier war etwas faul und stank zum Himmel. Meilenweit. „Ran… erzähl mir keine Scheiße, du bist kein guter Lügner.“ Schu wusste es also nicht. Er hatte anscheinend noch nichts gelesen, keine Aufzeichnung gesehen oder irgendetwas, das Schu verraten würde, womit er ihn seines freien Willens berauben konnte. „Es ist die Wahrheit“, erwiderte Ran schlicht. Nichts weiter. Wenn er sich in Lügen verstricken würde, dann würde er sich vermutlich irgendwann versprechen und Schu damit eine Waffe in die Hand geben, die nicht nur aus einem Grund gefährlich war. Schuldig sah Ran lange an, bis er lächelte und seine Enttäuschung in grünblauen Augen zu sehen war. „Du vertraust mir nicht.“ Er setzte sich behände auf und erhob sich, streckte sich und ging in Richtung Arbeitszimmer und somit in Richtung ersten Stocks. „Und ich hasse es, wenn Menschen versuchen etwas vor mir zu verbergen, das meine Sicherheit gefährden könnte.“ Dann würde er eben die Berichte weiter durchforschen um herauszufinden was Ran noch für Überraschungen bereithielt. „Nein.“ Noch bevor Schu die Treppe erreichte, hatte Ran ihn eingeholt und hielt ihn nun fest, drehte ihn zu sich herum. Er wusste, was Schu tun würde und vielleicht würde er erfolgreich sein. Dann… „Das ist etwas völlig harmloses, wirklich. Es wird weder deine Sicherheit noch irgendetwas anderes beeinträchtigen.“ Hoffte er. Bisher war es immer so gewesen. „Und ja… ich vertraue dir nicht. Sie haben es auch ausgenutzt, genauso wie du es tun wirst. Deswegen will ich nicht, dass du es weißt. Ich will es einfach nicht…“ „Woher willst du das wissen, verdammt noch mal?“, fuhr Schuldig auf und sein Gesicht war umwölkt. „Habe ich bisher irgendetwas ausgenutzt? Zu irgendetwas gezwungen? Du bist es, der mich ständig anfasst und auf Tuchfühlung geht, verdammt.“ Er machte sich frei. „Was ist wenn jemand dieses große Geheimnis kennt und dich ausnutzt und ich weiß nicht was ich dann tun soll?“ „Und woher weiß ich, dass du nicht irgendwann einmal damit anfangen wirst?“, begehrte Ran nicht minder aufgeregt auf. „Es wird niemand kommen… niemand, der es kennt. Du hast doch selbst gesagt, dass alle, die an diesem Projekt mitgewirkt haben, tot sind. Wer sollte es noch wissen? Und ich will nicht, dass es noch irgendjemand weiß.“ Rans Hände waren zu Fäusten geballt und er starrte Schuldig mit einer Mischung aus Wut, Verzweiflung und Misstrauen in die Augen. Die Verzweiflung erkannte Schuldig, doch er konnte sie nicht zu lassen. Nicht für sich und auch nicht für Ran. „Wer es noch wissen kann? Was glaubst du wohin die Daten über dich gegangen sind? Diese Leute wissen alles über dich.“ Er schüttelte langsam den Kopf. „Du kannst es nicht alleine schaffen, Ran. Du musst dir jemanden suchen, dem du vertraust. Allein bist du verloren.“ Es tat weh zu hören, dass Unbekannte soviel und doch gar nichts über ihn wussten. Für sie war er nur ein Versuchsobjekt, belegt mit Zahlen und Daten, doch was er innen drin war… das interessierte sie nicht. Er fuhr sich unstet über das Gesicht und wischte eine der langen Strähnen aus seinem Blickfeld. „Ich weiß, dass ich jemandem… vertrauen muss.“ Er hatte Mühe, dieses Wort nur auszusprechen. Vertrauen wurde ihm als Fehler gelehrt, mehr als einmal in dem Forschungslabor. „Aber nicht jetzt. Später… es ist noch nicht die Zeit dazu. Jetzt noch nicht…“ Schuldig spürte eine gewisse Artverwandtschaft zu Ran, wenn nicht im herkömmlichen Sinne. Aber er fühlte sich ihm Nahe, was seine Gefühle anbetraf. „Pass auf, dass aus diesem ‚später’ kein ‚zu spät’ wird.“ Er wandte sich ab und ging nun endgültig hinauf ins Arbeitszimmer, das routinemäßige Gespräch mit Brad stand auf dem Programm und wenn er diesem nicht glaubhaft versichern konnte, dass hier alles im grünen Bereich war, würde dieser umgehend hier antanzen. Und darauf – hatte Schuldig so gar keinen Bock. War das eine Zusage? Zeigte ihm das, dass Schu seinen Wunsch respektierte? Ran vermochte das kaum zu glauben, so folgte er dem anderen auch nach einiger Zeit und stand unschlüssig an der Tür des Arbeitszimmers, lauschte auf alles, was sich bewegte… und wenn es nur das Rascheln von Blättern war, die Schu nach seinen Daten durchforstete. Doch nichts… nichts, was darauf hindeuten würde, dass er verraten wurde - ein weiteres Mal. Schließlich der Beobachtung müde ging er wieder nach unten und legte sich auf die Couch. Vorsichtig angelte er die Decke heran und kuschelte sich darin ein, ein Kissen unter seiner Wange. Das Fernsehprogramm gab nicht viel her, was er sich ansehen konnte, also schaltete er es irgendwann aus und schloss die Augen. Aus dem Später sollte kein Zu spät werden… wo war denn die Grenze? Wann war es zu spät? ‚Nein, du brauchst nicht kommen’, schwirrten seine letzten Worte noch in Schuldigs Verstand herum, als er auch schon zwei Stunden später die Türklingel hörte. „Nerv“, murmelte Schuldig und seufzend stand er auf. ‚Wo zum Teufel hast du deine Schlüssel?’, keifte er Bradley in Gedanken an. ‚Zuhause’, kam es daraufhin wenig enthusiastisch zurück und Schuldig ging hinunter um die Tür zu öffnen. Von seinem Ruhepunkt auf der Couch konnte Ran hören, aber nicht sehen, wer sich nun ankündigte. Doch das machte ihn nicht minder nervös und er stemmte sich in die Sitzende, dass er wenigstens bereit war zu fliehen, wenn es ein Feind war. Aber zumindest… machte Schu nicht den Eindruck, als würde es ihn beunruhigen… doch was bedeutete das schon? Das war kein Anzeichen dafür, dass für ihn die Gefahr ausgeschlossen war. Die Augen wachsam, die Muskeln angespannt, lauerte er auf den Besucher. ‚Musste das sein?’ Schuldig öffnete die Tür, wandte sich jedoch wieder ab, als sie noch nicht einmal ganz offen war und ließ den Gast spüren, wie unwillkommen er war, indem er gleich in die Küche ging. ‚Ja. Musste es.’ Brad kam herein, die Augen hinter einer Brille mit dunklen Gläsern verborgen und ging in den offenen Wohnraum hinein, musterte die unter Strom zu stehende Gestalt in der Sitzecke. Ein hämisches Lächeln verzog Lippen des Hellsehers, bevor er den kühler werdenden Blick abwandte und Schuldig in die Küche folgte. Dieser lehnte an der Anrichte, die Haltung verschlossen, die Lippen trotzig verzogen. Er sah, wie Brad eine Datendisc auf den Tisch fallen ließ und holte sich die Informationen aus dessen Geist. ‚Du kannst ihn nicht ewig hier halten. Er muss in eine Unterbringung, die für ihn gemacht ist’, las er und verzog das Gesicht unwillig. ‚Das ist Schwachsinn.’ Ran wusste, dass dieser Mann böse war. Er sah ihn, sah dessen Körperhaltung, Mimik und Gestik und wusste, dass er nicht wie Schu war. Kalt, berechnend… unangenehm. Doch anscheinend kannte Schu ihn und akzeptierte ihn in seiner Gegenwart. Vielleicht war das der ‚Boss’. Es würde passen. Mit hellwachen Sinnen konzentrierte er sich auf die Beiden, merkte jedoch schon bald, dass sie kein einziges Wort miteinander sprachen. Kommunizierten sie im Kopf? ‚Das ist es nicht. Und das weißt du. Du willst ihn nur hier behalten, weil du glaubst, wenn du gut zu ihm bist, dann wird alles was du getan hast, ausgelöscht werden.’ Schuldig schnaubte. ‚Hör auf, mit dem Scheiß, Brad. Das ist gequirlte Hühnerkacke.’ Völlig falsch lag er jedoch nicht damit. Vielleicht nicht unbedingt so pathetisch gesprochen, aber Schuldig hatte schon selbst bemerkt, dass es ihm ein bereinigendes Gefühl gab, wenn er an Ran dachte und wie er ihn vor der großen bösen Welt da draußen beschützen konnte. ‚Oder ist es, weil du dich einmal wie er gefühlt hast? Bei SZ?’ Daraufhin wusste Schuldig nichts zu sagen und er schwieg, versiegelte seine Gedanken. Spannung lag in der Luft, aber es war keine feindliche Spannung. Die Gesichter der Beiden waren verschlossen, ernst, doch nicht feindselig. Es lag etwas wie Freundschaft unter dieser Schicht und Ran verspürte einen Stich an Wut auf den dunkelhaarigen Neuankömmling. Er hatte hier nichts zu suchen, sagte er sich selbst. Er war hier unwillkommen. Er, der Dunkelhaarige. Brad wandte den Kopf leicht zur Seite, fast als hätte er dieses Gefühle, diese Gedanken wahrgenommen. Er stand mit dem Rücken zur offenen Tür Richtung Wohnraum. Schuldig las seine Gedanken, die davon handelten, nach oben zu gehen und Schuldig nahm sich die Datendisc, verließ die Küche, warf Ran einen nichts sagenden bedeutungslosen Blick zu, als hätte er durch ihn hindurchgesehen und ging nach oben. Brad folgte ihm, wieder ein wissendes Lächeln auf den Lippen, ein Schmunzeln, dass er Richtung Sitzecke schickte. Durch und durch unangenehm. Ran öffnete leicht seine Lippen, als seine Augen den Unerwünschten verfolgten und entblößte seine Fangzähne. Er blieb vollkommen stumm dabei und in seinem Gesicht rührte sich kein einziger Muskel, der irgendetwas von den Emotionen ausgedrückt hätte, die ihn durchflossen. Er wartete, bis sie oben waren, bis er die Tür des Arbeitszimmers sich schließen hörte. Erst dann erhob er sich und folgte ihnen lautlos. Er spürte Gefahr, wusste, dass er - wenn notwendig - fliehen musste, doch auf diesen Zeitpunkt würde er nicht warten, bis… ja, bis es zu spät war. Schuldig, der von dieser brodelnden, köchelnden Masse vor der verschlossenen Tür nichts ahnte, legte die Datendisc in den Rechner. „Was sagen sie?“ „Nichts. Sie halten sich zurück, wissen aber, dass wir ihn haben.“ „Super.“ Schuldigs Miene drückte Frustration aus. Ihn haben. War er damit gemeint? Misstrauen schlich sich in Rans Gedanken, Misstrauen, das sich auf Schu bezog. Bisher klang es, als ob er eine Wahl hätte. Doch nun… nun klang es, als ob sich nichts geändert hätte. ‚Haben’ bedeutete Besitz und er gehörte zum Besitz des anderen? Angespannt lauschte er, sowohl auf den Ton als auch auf die Worte. „Können wir ihn verkaufen?“, hakte Schuldig missgelaunt an. „Wie sieht’s mit Übersee aus? Die hätten sicher Verwendung dafür. „Ich will das Ding loswerden. Es lenkt nur ihr Interesse auf uns.“ Brad schwieg sich zunächst aus, lehnte neben Schuldig, der im Sessel am Schreibtisch saß und sah ihn durch die dunklen Gläser hindurch an. „Zerstören wäre sinnvoller. Aber das werden sie uns nicht abnehmen.“ Hoffentlich war es nicht auf ihn bezogen. Hoffentlich nicht. Doch Rans Hoffnung schwand und ließ ihn Enttäuschung und Verletztheit zurück. Es klang… als würde es um ihn gehen. Es klang, als wäre all das, was Schu ihm gesagt hatte, gelogen gewesen. Es war so, sagte der Instinkt in ihm. Wer sollte auch schon selbstlos handeln? Wer glaubte denn auch schon die Lügen, die man ihm auftischte? Wie erstarrt stand Ran in dem Flur und zitterte am ganzen Körper. Er musste hier weg. Sofort. Es war egal wohin, es war auch egal, wie unfähig er noch war, alleine zu leben. Hier würde er nur wieder abhängig und zum Versuchstier gemacht werden. Brad wandte den Kopf erneut zur Seite als würde jemand hinter ihm stehen, doch er schüttelte nur den Kopf. ‚Dein Haustier lauscht wohl gerne’, dachte er und Schuldig runzelte aus seinen Gedanken gerissen die Stirn, als er das Kopfschütteln vernommen hatte und sogleich die dazugehörigen Gedanken aus Brads Geist gefischt hatte. ‚Was… jetzt?’ Brad zuckte nur mit den Schultern als ginge ihn das nichts an, und schon war Schuldig auf den Beinen, ging schnellen Schrittes zur Tür. Ran hörte das plötzliche Geräusch und ebenso abrupt kam er auch in Bewegung, wurde aus seiner Starre herausgerissen. Sie hatten mitbekommen, dass er da war und nun würden sie ihn holen kommen. Fluchtinstinkt, Überlebensinstinkt, nicht der des Raubtiers trieb ihn nach unten, laut polternd über die Treppe. Er probierte, die Terrassentür zu öffnen, doch sie ließ sich nicht bewegen, ebenso wenig wie die Fenster und die Haustür. Heute… heute Mittag waren sie doch noch offen gewesen, wieso jetzt nicht? Ran drehte sich hastig, ja gar panisch um und wusste, dass er nicht viele Möglichkeiten hatte, dem zu entgehen. Schuldig kam unten an, rannte ins Wohnzimmer und bremste seinen Lauf ab, als er sich Ran -dessen Blick unstet umherflirrte - gegenüber fand. „Warum hast du gelauscht?“, fing er ruhig an, kam einen Schritt näher. Ran atmete schnell, wich einen Schritt zurück, als der andere ihm näher kam. „Weil ich dir nicht vertraue… zurecht.“ Die Ruhe des Mannes täuschte, das wusste Ran. Gleich würde Schu losschlagen. Und wie er losschlug. Er machte einen weiteren Schritt auf Ran zu, beschleunigte diesen dann sofort und griff nach Ran, fasste jedoch ins Leere, da dieser zu flink nach hinten auswich. Er kam hier mit Reden nicht mehr klar, und er wusste dass jetzt nur noch eins helfen würde… Viele, viele Kratzer… Die bekam er auch, als Rans Angst der Wut wich und er trotz Zurückweichens nach dem anderen Mann gierte, nach dessen Blut für den Verrat. Er versuchte, zur Seite auszubrechen, sah sich jedoch in der totalen Defensive, die ihn Schritt für Schritt zurücktrieb und letztendlich gegen das Bücherregal stießen ließ. Blind für noch irgendetwas außer der Flucht, griff er hinter sich und schleuderte dem anderen die erstbesten Bücher entgegen, die er in die Finger bekam. Schuldigs Killerinstinkt machte kurzen Prozess damit schlug diese zur Seite, griff sich Ran am Hals und riss ihn zu Boden. Sie rutschten am Bücherregal hinunter und Schuldig spürte wie seine Haut an einigen Stellen böse darüber schabte. Die Kampfgeräusche und ihr Keuchen füllten den Raum. Schuldig hatte alle Mühe Ran in der halben Hocke gegen das Bücherregal mit dem Gesicht zu pressen und zwar so schmerzhaft, dass er dessen Arme gut in den Griff bekam und ihn mit seinem Körper einkesseln konnte. Doch Ran wehrte sich erbittert gegen diesen Griff und landete ein paar, hoffentlich tiefe Treffer am Körper des anderen. Er versuchte sich von dem Schmerz abzustemmen, versuchte ihn zu ignorieren, damit er nicht blind wurde für die Gefahr, die hinter ihm lauerte, doch einen Moment lang wurde es zuviel… einen Moment lang konnte er nicht mehr und diesen Moment büßte er, als er sich nicht mehr bewegen konnte und seine Waffe… seine Krallen unerreichbar für ihn gefangen gehalten wurden. Heftig atmend blockte Schuldig die kleinen verblassenden Ausschläge und keuchte an die Schulter des Kleineren. Schuldig hielt mit seinen bloßen Händen die Handgelenke des anderen fest und hielt ihn so halb umfasst, lehnte an dessen Schulter. „Wie oft muss ich das jetzt noch mitmachen?“ Scharfe Krallen bohrten sich in die ihn fesselnden Hände, als Ran schmerzerfüllt und wütend aufzischte. „Nicht mehr lange… dann bist du mich los!“, fuhr er auf, die Stimme ein einziges, bodenloses Fass des Zorns und des Hasses. Tief drin vielleicht auch noch Angst, viel Angst und Enttäuschung. „Wolltest du nicht hier bleiben, bis du fit genug bist auf eigenen Beinen zu stehen? Was soll dieser Ausraster jetzt?“ Schuldig verstand es nicht wirklich, aber vielleicht hatte Brad Recht und die Katze war zu gefährlich für ihn, zu unberechenbar. Nur wenn die Verzweiflung nicht in dieser Stimme gewesen wäre… „Lügen! Alles Lügen!“, schrie Ran. „Meinst du, ich hätte nicht gehört, was ihr gesagt habt? Ich bin nicht dumm und ich bin auch nicht taub! Du Monster! Du willst, dass ich wieder zu einem Menschen werde? Du hast gar kein INTERESSE daran!“ „Du wirst nie ein Mensch werden, verdammt! Nicht so, wie du es dir gerne wünschst. Du kannst die Zeit nicht zurückdrehen und warum willst du überhaupt einer werden?“ Schuldig spürte wie seine Schulter langsam wieder stark schmerzte und er wusste auch, dass er diese ständige Anspannung nicht mehr lange durchhalten würde. Ran hatte gelauscht und sich einen eigenen Reim auf die Worte gemacht…verflucht auch. „Das geht dich einen Dreck an! Das INTERESSIERT dich einen Dreck!“, spie Ran der Bücherwand entgegen. „Du willst mich doch loswerden, mich nach Übersee verkaufen, nein… zerstören. Weil ich ja gefährlich bin!“ Er wand sich ein weiteres Mal, ohne Erfolg jedoch. Da sah er, wie hilflos er war, sobald er seine Krallen nicht mehr hatte… doch seine Zähne hatte er… und die trieb er mit einem Akt der Verzweiflung in Schus Hand. Und das schaffte er nur, weil Schuldig langsam müde wurde, seine Schulter schmerzte höllisch und jetzt kam auch noch seine Hand dazu. Wie gut, dass er gegen vieles geimpft war. „Ran… verdammt“, ignorierte er den Schmerz kurz und rieb sein Gesicht unwillkürlich an der Schulter des anderen als er den Kopf schüttelte. „Das kommt… davon wenn man… lauscht, obwohl man es nicht sollte. Wir haben doch nicht über dich geredet!“, war er nun langsam auch wieder wütend, aber nicht wirklich, nur marginal. Er verstand die Angst und die Wut des anderen nur zu gut, aber er hatte keinen Bock mehr gebissen und gekratzt zu werden. „Wir waren doch nicht im Labor um dich rauszuholen, Kleiner. Wir… waren wegen etwas Anderem dort. Das hab ich dir doch erzählt. Und dieses Andere befindet sich eben noch in unserem Besitz. Und wir wollen es loswerden, bevor jemand zu neugierig wird, klar?“ Er wiegte sie beide langsam, sehr langsam… einfach weil sich so der Schmerz besser ertragen ließ, es lenkte ihn ab. „Hör auf… Ran… hör auf mir weh zu tun.“ ‚Du tust mir weh… missbrauchst mein Vertrauen!’, schrie es in Rans Innerem und er war nur zu bereit, diese Schmerz auch hinaus zu lassen. Doch diese Gesten und die Worte hinderten ihn daran und er verharrte für einen Moment still. Er ließ sich wiegen und nach einigen langen Momenten löste er langsam seine Zähne aus der Hand des anderen. Ebenso lange brauchte er um die Worte zu bedenken, die ihm vielleicht Entwarnung gaben. Er glaubte nicht daran, vertraute diesen Worten kein Stück. „Was ist dieses andere? Ich will sehen, was es ist.“ „Ein Chip, auf dem Daten sind, die zur Herstellung von gefährlichen Waffen benutzt werden. Biologischen Waffen. Da gibt es nicht viel zu sehen außer Zahlen, nackte Zahlen und vor allem einen Haufen Formeln.“ Schuldig ließ Ran nicht los, aber er seufzte und bettete sein Gesicht an die Schulter des anderen. „Wir kennen uns damit nicht aus, aber in den richtigen… oder falschen Händen hat die Welt ein Problem mehr, oder ein Land ein Druckmittel mehr.“ Das stimmte nicht ganz, Nagi, ihr Wizzkid, hatte bereits einen Teil der Formel entschlüsselt, aber für sie war das Ding viel zu heiß. „Ich will den Chip sehen“, beharrte Ran auf dem Beweis, dass er vielleicht falsch gelegen hatte mit seiner Annahme. Es klang glaubwürdig, was Schu ihm erzählte, doch auch die Wissenschaftler hatten am Anfang versucht, ihm Dinge durch Lügen schmackhaft und glaubhaft zu machen. Seine Fähigkeit zu vertrauen war demnach vollkommen verkümmert. „Wenn er so schlimm ist, warum zerstört ihr ihn nicht?“ Es gab keinen Sinn, alles nicht. Ran wollte nicht glauben, dass es einen Sinn ergab. Er versuchte sich leicht in der Umarmung nach hinten zu drehen, scheiterte jedoch. Er vertraute nicht, weil er den Beweis nicht hatte, doch was war der ultimative Vertrauensbeweis? Die Antwort auf die Frage kannte er selbst nicht. „Hier hast du ihn“, troff die Stimme vor beißendem Spott und der Datenträger flog Ran gegen die Wange. Schuldig hob den Kopf und blickte in ein paar dunkle Augengläser, dessen Besitzer eine Hand lässig in der Hosentasche vergraben hatte. „Du bist wirklich peinlich, Schuldig. Lässt dich von diesem kleinen Nichts zum Narren halten. Seit wann bist du so verweichlicht?“ Brad machte kehrt und ging zur Türe. „In drei Wochen will ich dich intakt und soweit hergerichtet haben, dass du an einem Auftrag teilnehmen kannst.“ Es rumste und die Tür fiel ins Schloss. Ein Nichts. Ein kleines Nichts war er. Das sagte selbst so jemand Fremdes wie der Dunkelhaarige. Nein, das sagte der Dunkelhaarige, weil er ihm wehtun wollte… doch das musste nicht so sein. Er wollte etwas sein, ein Mensch sein, soweit es ging, hieß das. Sein Blick fiel auf den Stick, dessen Aufprall er nicht wirklich gemerkt hatte und er wurde sich bewusst, dass es wirklich die Wahrheit sein könnte, die Schuldig aussprach. Dass er aus panischer Angst überreagiert hatte. Konnte das? Ja, es konnte. Vielleicht. Es bestand zumindest die Möglichkeit einer Erwägung. Nach und nach gaben Rans Muskeln ihre Anspannung auf und er wurde ruhiger, weniger voller Furcht, sondern einfach… verloren. Er nahm seine Umgebung wieder als das wahr, was sie tatsächlich war. Er sah verschiedene Details und Kleinigkeiten, wie auch die Bissspuren auf Schus Hand, die leicht blutig schimmerten. Er roch es auch, das Blut, das nicht nur von diesen Wunden stammte und wusste, dass er den anderen zuzüglich zu seinen sonstigen Verletzungen auch dieses Mal verletzt hatte. Ordentlich verletzt. Ran berührte ein weiteres Mal die Hand des Gedankenlesers, dieses Mal jedoch nicht um ihn zu beißen, sondern um vorsorglich über die Wunden zu lecken. Einmal nur… vielleicht eine Geste der Entschuldigung. Es kitzelte und war warm, resümierte Schuldig und zog eine seiner Hände hervor, die nicht gekost wurde, strich über Rans Schopf. „Hör nicht auf ihn, er ist ein Idiot.“ Gut, ein gefährlicher Idiot… „Wir kriegen das alles schon hin, was meinst du?“, sagte er aufmunternd, jedoch war seine Stimme müde und passte nicht so ganz zu den Worten. Diese einfache Geste beruhigte Ran mehr, als es jeder Vertrauensbeweis je erbracht hätte. Wann hatte ihm das letzte Mal jemand über die Haare gestrichen, wann hatte ihm jemand Mut zugesprochen? Es war lange her und diese Zeitspanne war nur ein Grund dafür, warum er immer wieder nicht vertraute und um sich schlug. Doch… das würden sie hinbekommen… oder? Ran lehnte sich zurück, zurück an Schu und suchte von sich aus den Körperkontakt. „Und zu ihm hätte ich gehen sollen, wenn ich nicht hätte hier bleiben wollen?“, fragte er skeptisch. „Ich mag ihn nicht… er ist gefährlich und kalt.“ Er sollte nicht auf den Mann hören? Kein Nichts also… er war etwas. Er war jemand. Er war Ran. „Ich denke, dass… wir es schaffen.“ Es brauchte etwas, bis er das ‚wir’aussprechen konnte, denn lange Zeit hatte es für ihn nur sie, die Monster, und ihn, das Tier gegeben. Aber so zeigte es, dass jemand mit ihm kämpfen wollte. Schuldig hörte nicht auf mit seinen Streicheleinheiten, verschränkte seine blutig gebissene und zerkratzte Hand mit Rans und drückte versichernd einmal zu. Ihm war die Nähe nicht unangenehm, ganz im Gegenteil, er spürte, dass er den schlanken Körper an sich gelehnt mochte. „Brad ist… nicht wirklich der Schlimmste von uns musst du wissen. Er ist nur unser Anführer und er zieht gerne eine Show ab um sein böses Image zu wahren. Das macht aber jeder von uns von Zeit zu Zeit.“ Er schloss die Augen und ruhte nun an Rans Schulter mit seinem Kopf. „Ich habe einkalkuliert, dass du nicht weg wolltest von hier, deshalb habe ich dir es angeboten. Der Hauptgrund war, dir zu zeigen, dass du durchaus die Wahl hast zwischen mir und etwas anderem. Er ist nicht die schlechteste Wahl. Zumindest ist er weniger emotional als ich und er lässt dich in Ruhe.“ Ran lauschte auf die Worte und genoss die versichernden und ihn einlullenden Berührungen mehr, als er es für möglich gehalten hätte. Vielleicht aber auch, weil sie sich so dermaßen von den kalten, sterilen Berührungen des Labors unterschieden. Es herrschte eine Wärme zwischen ihnen, von der er jetzt erst erkannte, wie sehr er sie vermisst hatte. Er schnurrte leise, eher tiefgründig und kehlig, bevor er merkte, was er tat und damit aufhörte. Dieser Dunkelhaarige musste also sein Image verteidigen und hatte sich deswegen so verhalten? Wie eine Drohgebärde unter Tieren, kam es Ran vor. Keine Schwäche zeigen, denn sonst wäre man tot. „Im Vergleich zu dir ist er die schlechtere Wahl“, sagte Ran schließlich mit ehrlicher Überzeugung und deutlicher Abneigung gegen den anderen Mann in seinen Gedanken. „Aber eine Wahl zu haben… ist schön.“ Dank war es, den er fühlte, aber es fiel ihm schwer, eben dies zu verbalisieren und deutlich auszudrücken. ’Wenn der wüsste…’, dachte Schuldig innerlich seufzend, über den Punkt der „besseren Wahl“, die er für Ran sein sollte. „Geht’s dir wieder besser?“ Schuldig hielt mit seinen Streicheleinheiten inne und hob den Kopf. Er musste versuchen irgendwie hier wieder hochzukommen, ohne dass es allzu lächerlich aussah. Doch momentan wurde er noch durch Ran daran gehindert, der die Hand des anderen, die mit seiner verschränkt war, wie einen Schatz festhielt und sie sich betrachtete. Wenn er sich erinnerte, hatte er weniger Schaden davon getragen, als Schu selbst, dessen Hand blutig und zerkratzt war. Gut, er hatte Angst gehabt, wie auch Panik, doch die wurde effektiv durch Schu besänftigt und beruhigt. „Du hast Schmerzen“, sagte Ran anstelle einer direkten Antwort und drehte seinen Kopf leicht nach hinten. Er hatte den anderen nicht nur an der Hand erwischt, vermutlich. „Ich habe dir wehgetan…“ Fortsetzung folgt… Vielen Dank für’s Lesen. Bis zum nächsten Mal! Gadreel & Coco Kapitel 5: ZINNOBER ------------------- Teil V: ZINNOBER „Ja, habe ich und ja, hast du, Ran.“ Schuldig verlagerte sein Gewicht leicht nach hinten, sodass er sich hinknien konnte. „Komm lass uns aufstehen, ich bring das schnell alles in Ordnung und dann kochen wir dir deine Nudeln.“ Und dann kriech ich bald ins Bett, fügte er in Gedanken an und freute sich schon auf den Part des Essens und des Schlafens nach all dem Trubel hier. „Lass mich dir helfen“, bat Ran, weil er Schuld in sich fühlte. Schuld war etwas, das ihm in den letzten Jahren fremd geworden war, auch wenn der Gedanke, dass er am Tod seiner Familie die Schuld trug, nicht fremd war. Doch sonst… er hatte sich nie schlecht gefühlt, wenn er eines dieser Monster doch erwischt hatte… „Ich weiß doch jetzt, wie man dich verarztet.“ „Ja, das schon… nur hab ich ehrlich gesagt keine große Lust, noch einmal in Kontakt mit Krallen oder deinen spitzen Zähnen zu kommen. Ich hasse Narben. Du musst dir etwas einfallen lassen, wie du das unter Kontrolle bekommst“, verzog Schuldig bedauernd das Gesicht. „Wenn das so weitergeht, seh ich aus als wäre ich zukünftiges Raubtierfutter, hmm?“, neckte er und wuschelte Ran noch einmal durch die Haare. „Aber wieso sollte ich dich beißen oder kratzen, wenn ich dich verarzte?“, fragte Ran und runzelte die Stirn. Er war ruhig… hatte keine Angst mehr vor Schu, die ihn antrieb, sich gegen den anderen Mann zu verteidigen. Ran seufzte und seine Schultern sackten leicht in sich zusammen. Schu hatte schon Recht, er konnte es nicht kontrollieren, wann seine Angst ihn wieder um sich schlagen ließ. Würde das… mit der Zeit kommen? Wenn er genug Vertrauen zu ihm hatte? „Ich will nur wieder gut machen… was ich verschuldet habe.“ „Meine Worte bezogen sich auf die Zukunft unseres Zusammenlebens, Ran. Komm lass uns hochgehen.“ Er wartete, bis Ran seine Hand freigeben würde und drückte aufmunternd die Schultern. Der Zeigefinger seiner freien Hand stupste Ran todesmutig auf die Nase. „Lach …mal!“, grinste er. Rans Augen wurden groß, als er Schu anstarrte. Er sollte lachen? Er hatte lange nicht mehr gelacht, schon Ewigkeiten nicht mehr. Vielleicht hatte er schon verlernt zu lachen. Er schüttelte langsam den Kopf und entwirrte ihre Hände. Er imitierte die Geste des anderen und tippte ihm auf die Nase. „Kann ich nicht.“ Der überlange Nagel streifte nur leicht seine Nasenspitze und Schuldig fühlte dennoch eher die Fingerkuppe. „Bist du kitzlig?“, lächelte Schuldig eindeutig hinterhältig, erhob sich aber dabei vorsichtig. Seine Schulter brannte, aber er war darauf geschult es teilweise gut ignorieren zu können. „Ich weiß es nicht“, erwiderte Ran mit einer Ehrlichkeit, die ihn vermutlich ins Verderben stürzen würde. Doch er vermutete schier unschuldig nichts Schlimmes hinter dieser Frage, vielleicht Interesse, aber nichts Schlimmes. „Früher war ich es einmal.“ Er sah, wie groß die Schmerzen waren, die Schu hatte und bedauerte es wirklich. Schneller als der andere erhob er sich und kam neben ihn. Schon wieder so eilfertig, so beflissen, resümierte Schuldig und seufzte innerlich. Bis zur nächsten Panik- und Misstrauensattacke. Er beschloss später darüber nachzudenken und ging den Arm der verletzten Schulter an sich haltend hinauf, wieder einmal in sein Schlafzimmer samt angrenzendem Badezimmer, welches von zwei Seiten begehbar war und setzte sich erst einmal aufs Bett, zog sich langsam sein Hemd aus, das unbrauchbar geworden war. Das Blut bekam er aus dem weißen Stoff nicht mehr raus. Ran holte unterdessen den Koffer, in dem sich das Verbandsmaterial befand und ließ sich vor Schu auf die Knie nieder, sah erwartungsvoll zu ihm hoch. Etwas in ihm sagte, dass er sich möglichst wenig bedrohlich verhalten und einen harmlosen Eindruck machen sollte. Besonders nach dem, was geschehen war. Der Oberkörper sah schlimm aus und Ran hatte das Gefühl, dass Schu innerhalb weniger Tage mehr Verletzungen davongetragen hatte, als er diesen Monstern in den fünf Jahren hatte zufügen können. Es war ungerecht und geschah nur, weil Schu ihm die Freiheit ließ, ihn zu verletzen. Hier gab es keine Fixierungen, die seine Panik zurückhielten. Also musste er diese Fixierung sein. Selbstbeherrschung. Kontrolle. Vertrauen? Ja… auch das. Das an allererster Stelle. „Es gibt Aufzeichnungen über das, was vor ein paar Stunden passiert ist“, sagte er und öffnete den Koffer. „Auch darüber, was es auslöst.“ Ran konnte es nicht selbst sagen… nicht, weil er es körperlich nicht konnte, sondern weil er es nicht über die Lippen brachte. Weil es ihn demütigte, schien es doch ein Beweis für sein dressiertes Tiersein zu sein. Schuldig ließ sich das Desinfektionsmittel und einen Pack Kompressen reichen und säuberte sich seine Hand. Einige der Kratzer waren doch recht tief und er kam wohl nicht umhin, die Wunde mit zwei, drei Kompressen zu belegen und diese mit einer Mullbinde zu fixieren. „Ich bin mir sicher, dass es darüber Aufzeichnungen gibt“, murmelte er, während er den Verband fixierte. „Sollen wir sie zusammen ansehen?“ Immerhin konnte Ran dann sicher sein, dass er mit dieser Information nichts unmittelbar Schlimmes anstellte. Ran half, wo er konnte, doch sein Blick war abwesend. In Gedanken wog er die Vorteile und Nachteile dessen ab, was Schu ihm vorgeschlagen hatte. Auch wenn er es als Demütigung empfand, so war er doch dabei, wenn Schu es sich ansah. Er riss ein paar Klebestreifen ab und befestigte den Verband. „Ja… aber nach dem Essen.“ Denn er hatte Hunger und er wusste, dass es ihm den Appetit verderben würde. Schuldigs Fingernägel waren noch voller Blut, vor allem unter ihnen hatte sich der rote Saft hineingezogen. „Kannst du mir den Verband an der Schulter entfernen?“ Und nicht nur der bedurfte Erneuerung. Die genähte Wunde auf der Brust war sicher auch fällig, obwohl es doch trocken aussah, zumindest war der Verband nicht voller Sekret. Trotzdem musste er nachsehen, ob durch ihre Rangelei die Naht in Mitleidenschaft gezogen worden war. „Du kochst und nach dem Essen sehen wir nach wo wir was finden.“ Er strich Ran mit den Fingern seiner verbundenen Hand eine Strähne aus dem Gesicht. „Ich koche, setze die Küche in Brand und dann durchsuchen wir die Akten“, bestätigte Ran und hielt still, während die überlange Strähne aus seinem Sichtfeld geschoben wurde. Seine Finger mit den langen Klauen zuckten, doch er hielt sie bei sich und erst nach einem Moment setzte er sich zu Schu auf das Bett und entfernte konzentriert und übervorsichtig den Verband, zog ihn langsam ab. Es sah schlimm aus, der ganze Oberkörper war ein Feld von Schnitten, Bissen und blutigen Kratzern. „Von wegen in Brand stecken. Ich pass da schon auf, keine Sorge, ich will schließlich etwas essen und das sollte nach Möglichkeit auch noch gut schmecken! Also wirst du dich anstrengen, nicht?“ Schuldig hob die Brauen und lächelte neckend, versuchte das Ziepen auf seiner Haut zu ignorieren. Ran war konzentriert bei der Sache. Das war er und bemühte sich nun, das vor ein paar Tagen Gelernte erneut anzuwenden, als er mit Desinfektionsmittel getränkte Kompressen vorsichtig über die Wunde strich, für jedes Mal eine neue nahm und dann nach einer sterilen Wundauflage griff. „Ich strenge mich immer an“, behauptete Ran und seine Lippen verzogen sich und zeigten die nicht ganz ausgeprägten Fangzähne. Es sollte so etwas wie ein Lächeln werden… Was Schuldig auch als solches erkannte und er erwiderte es. „Du siehst süß aus, wenn du lächelst, Ran, das könntest du ruhig öfter tun“, sagte Schuldig leicht dahin und beschäftigte sich damit die Brustwunde genauer zu inspizieren, zog deshalb den Verband vorsichtig ab. Ran runzelte die Stirn und pappte die Wundauflage fest, sicherte sie mit einer Mullbinde. „Kuscheltiere sind süß“, erwiderte er schließlich indigniert und seine Mundwinkel zogen sich gehorsam in eine gerade Linie um ja nicht den von Schu Verdacht zu bestätigen. „Magst du keine Kuscheltiere?“ Schuldig fasste Ran näher ins Auge und grinste leicht. „Ich habe sie zum Fressen gern“, zeigten sich kleine, spitze Zähne. Natürlich hatte Ran sie gemocht - als kleiner Junge. Doch er war keins. „Es ist eine Mischung aus anziehender Gefährlichkeit und niedlicher Zutraulichkeit, könnte man sagen“, sinnierte Schuldig gänzlich unbedarft und im Zuge einer wissenschaftlichen Beobachtung. Sollten diese Worte ein Kompliment sein? Ran wusste es nicht so ganz und legte verwirrt seinen Kopf schief. Er lauschte dem, was Schu gesagt hatte, nach und nahm die Worte in seinen Gedanken auseinander. Dass er gefährlich war, wusste er. Das Resultat dessen sah er vor sich. War das anziehend? Stand Schu auf Schmerzen? Es gab solche Menschen, das wusste Ran, aber Schu hatte doch noch vor nicht langer Zeit etwas Gegenteiliges gesagt, oder? Also gehörte er nicht dazu. Dann blieb noch die Zutraulichkeit…sah Schu das so? Dass er Vertrauen gefasst hatte? Und dass dieses Vertrauen niedlich war? Ran konnte dieser Logik nicht folgen. Er wusste nur, dass er den Begriff nicht mochte. Fast schon schmollend verzogen sich seine Lippen und er verengte die Augen. Da war noch etwas… „Ist das Ironie?“, fragte er plötzlich. „Ironie?“ Schuldig furchte gespielt nachdenklich die Stirn. „Ich glaube nicht. Aber es sollte eher neckend gedacht sein, Ran.“ Schuldig löste das kleine scheinbare Rätsel für Ran auf, doch eines stimmte allerdings: Ran sah zum Anbeißen aus, wenn er schmollte. Eindeutig. Und wenn er lächelte mit seinen kleinen spitzen Zähnchen, die aussahen wie die eines kleinen Vampirs, gehörte das Siegel: unwiderstehlicher Frechdachs obenauf. Mal sehen, wie sich dies noch auswachsen würde… Das war also die Antwort zu seinen Überlegungen. Aya und er hatten das früher oft getan, doch es schien, als hätte er in den vergangenen Jahren vieles verlernt. Aber eines wusste er, dass Schu es tatsächlich so meinte. Er musste also daran arbeiten. Ran betrachtete sich den Oberkörper des anderen und strich seinen angelegten Verband noch einmal glatt. Er musste seine Klauen nachher noch reinigen…sie waren an einigen Stellen vom Blut des anderen gezeichnet. Hoffentlich Blut, das er zum letzten Mal vergossen hatte. „Meine Schwester und ich haben uns früher immer auf den Arm genommen“, sagte er, wie ihn Gedanken versunken und seine Augen waren weich, als er an sie dachte. Dass Schu nun der erste Mensch nach ihr war, löste in Ran etwas aus, dass er noch nicht so recht verstand. Er wusste nur, dass es gut tat. „Sie war besser als ich.“ Der wehmütige Ausdruck in den Augen Rans blieb Schuldig nicht verborgen. Bisher hatte er den Unterlagen nur entnehmen können, dass Rans Angehörige alle eliminiert wurden. Zum Zwecke der Geheimhaltung. „Mädchen sind immer besser in so etwas“, lächelte Schuldig lausbubenhaft und zuckte mit den Schultern. Okay, er war früher oft besser als die Mädchen gewesen, aber er hatte auch einen kleinen Vorteil… Ran schwieg einen Moment lang. „Sie lebt nicht mehr, oder?“ Schu hatte ihm die Frage, als er sie das erste Mal gestellt hatte, nicht beantwortet und Ran hatte sich seine Gedanken dazu gemacht. Doch er wollte Gewissheit… wollte wissen, dass er alleine war. Hoffnung, dass er es doch nicht war, hatte er nicht. „Laut den Unterlagen nicht, Ran“, sagte Schuldig und suchte Rans Blick, der immer noch auf dem Verband lag, vermutlich in Gedanken versunken. Nun wandte sich der Blick in die blauen Augen. In ihnen war nichts zu lesen, Rans ganze Mimik lag in diesem Moment blank. Dann strich er ein letztes Mal über den Verband, der nun wirklich fest saß. „Das war zu erwarten“, nickte er dann ruhig, auch wenn Schmerz in seinem Inneren tobte. Schmerz und der Wunsch, die Zeit rückgängig zu machen. Diese Monster zu töten und seine Familie wieder zu haben. So wirklich wusste Schuldig nun nicht, wie er mit dieser Schutzmaßnahme umgehen sollte. Er mochte es, wenn auf dem Gesicht lesbar wurde, was ein Mensch dachte oder fühlte. Zumindest wenn ihm aus Verbot - oder wie in Rans Fall die Umstände - der Gedankenzugang verwehrt wurde. Reichlich hilflos erhob er sich. „Ich geh kurz ins Badezimmer und mach mich frisch, geh doch du schon mal runter und leg die Zutaten für dein Gericht heraus. Schau mal, ob du dich noch an alles erinnern kannst“, bot er Ablenkung an und verschwand im Badezimmer. Ran nahm diese Ablenkung an und streunte nach unten in die Küche. Sie hatte bisher immer in ihm geschwelt, die Ahnung, dass er alleine war und jetzt wusste er es. Fünf Jahre hatte er sich alleine gefühlt, alleine unter Feinden, mit dem Wissen, dass seine Eltern tot waren, aber mit dem Glauben, dass Aya noch lebte. Dass dem nicht so war… damit musste er leben, denn dagegen tun konnte er nichts. Auch wenn es wehtat, auch wenn es ihn isolierte. Doch er wollte nicht aufgeben. „Das Essen…“, murmelte er zu sich um sich zur Räson zu rufen und sich auf seine momentane Aufgabe zu konzentrieren. Er holte die Zutaten, an die er sich erinnerte, aus dem Kühlschrank und den Vorratsschränken und häufte sie auf der Ablage an. Daraus sollte jetzt etwas gekocht werden, stellte er fest. Er hatte nur nicht die geringste Ahnung wie. Wenig später – mit Tabletten gestärkt, einem schwarzen Shirt versehen und einer lässigen Jeans bekleidet – kam Schuldig in die Küche, sich gerade einen Haargummi zwischen den Zähnen hervorziehend. Er betrachtete sich die Ratlosigkeit des anderen für einen Moment voller kleiner böser Geistesblitze, bevor er sich besann und Ran den Haargummi hinhielt. „Bind mir mal bitte die Haare zusammen“, wies er an und ging an einen der Schränke und holte zwei gefaltete Stoffe hervor. Ran nahm mit einem Blick auf die verbundenen Hände des anderen an, dass dieser das nicht mehr alleine konnte. Das hieß dann auch, dass er alles machen musste… und machen wollte. Er griff sich das Haargummi und kam um Schu herum, fasste dessen Haare. Es fühlte sich gut an, wenn er das tat, wenn er die fremde Haare durch seine Hände gleiten ließ, beobachtete Ran und kämmte die langen Strähnen mit seinen Klauen auseinander. Damit sie besser lagen. Dann versuchte er das Haargummi um sie zu wickeln, doch das stellte sich umso schwieriger heraus, umso bemühter er darum war, den anderen nicht zu verletzen. „Fertig!“, sagte er schließlich, das Ergebnis kritisch musternd. „Gut. Dann deine eigenen Haare“, wie Schuldig an und zauberte einen zweiten Haargummi hervor, viel mehr ein Lederband. „Dreh dich mal mit dem Rücken zu mir.“ „Ist das ein Ritual vor dem Kochen?“, fragte Ran noch skeptischer, drehte sich jedoch. „Machst du das immer so?“ Er wusste nicht, was das für einen Grund haben sollte. Schuldig strich durch die Haare und teilte sie etwas, flocht sie lose zusammen und fasste das Ende mit dem Lederband ein. „Ja, oder möchtest du deine Haare auf der Herdplatte anschmoren? Oder sie ins Essen fallen lassen und später aus selbigem ziehen?“, fragte Schuldig lächelnd und wackelte mit den Augenbrauen. „Hier die Schürze, jeder Profikoch braucht eine“, lehrmeisterte er und band Ran eine schwarze Kellnerschürze um die Hüften. Profikoch… aber das war Ironie gewesen, beschloss Ran und zog sich seine Haare nach vorne. Vielleicht sollte er sich von Schu das Flechten zeigen lassen. Doch das, was der andere gesagt hatte, war logisch… sehr sogar. Früher hatte er nie das Problem gehabt, früher waren seine Haare nicht bis über den Hintern gewachsen. Ran legte besagte Haare wieder ordentlich nach hinten und wandte sich den Zutaten zu. „Was soll ich machen?“, fragte er geschäftig. Sie kochten. Besser… Schuldig leitete Ran an und half hier und da bei einigen Handgriffen nach, möglichst so, dass Ran den Eindruck gewann, er würde alleine kochen. Ramen mit Huhn und Curry war ein Gericht, welches gut für solche Zwecke geeignet war. Nur störten Rans Krallen ab und an. Schon allein das Halten des Kochlöffels brauchte eine gewisse Einübungszeit, aber… schlussendlich klappte es. Schuldig war gerade dabei den Tisch zu decken, legte Servietten bereit, die Schalen, die Stäbchen. „Und was möchtest du als Nachtisch?“ Er hörte beinahe schon wie laut „Schokolade!“, gerufen wurde und musste in sich hinein lächeln als er sich gerade umwandte von seinem Tun. „Eis!“, kam es freudig zurück und strafte Schuldigs latente prophetische Kräfte Lügen. Ran ließ noch schnell eine der rohen Nudeln, die noch übrig waren, in den Tiefen seines Magens verschwinden, bevor er sich zu Schu umdrehte. Sein Gesicht war entspannt, hatte jedoch noch einen Hauch an Konzentration auf den blassen Zügen. „Schokoladeneis!“, machte er nun jedoch ein Eingeständnis an besagte Kräfte und trug die gekochte Suppe vorsichtig zum Tisch auf den dazugehörigen Untersetzer. Es roch gut und vielleicht würde es ebenso köstlich schmecken, hoffte Ran. Die erste warme Mahlzeit seit wie viel Jahren? Er hatte irgendwann den Überblick verloren, konnte schon gar nicht mehr sagen, wann sie damit begonnen hatten, ihm spezielles ‚Futter’ zu geben. Die Frage war jetzt… konnte er jetzt noch mit den Stäbchen umgehen? Er hatte selbst schon beim Kochlöffel Probleme gehabt. Und nun? Na so ganz falsch hatte er da nicht gelegen, resümierte Schuldig und setzte sich schon mal an den Tisch, die Schürze beiseite legend. Er würde sich bedienen lassen und mit prüfendem Blick beäugen, wie Ran das Essen verteilte. Eben dieser fühlte sich nun tatsächlich auf dem Prüfstand, als er Schu eine ordentliche Portion in die Schüssel lud. Er wusste nicht, wie viel der andere aß… also gab er ihm viel. Sich selbst jedoch gab er nur eine minimale Menge, sich nicht sicher, ob er es vertragen würde. Oder essen können würde. Er nahm auch sich die Schürze ab und setzte sich Schu gegenüber, die Augen lebendig vor Hunger und auch ein wenig Stolz. Doch nun… die Stäbchen. Der Horror. „Guten Appetit“, sagte er zweifelnd. „Dir auch!“, lächelte Schuldig zufrieden und vorfreudig. Er hatte Hunger nach all der Aufregung des heutigen Tages und der letzten Tage. Es schien sich alles langsam zu beruhigen. Er griff zu seinen Stäbchen und schob sich eine Ladung Nudeln in den Mund. „Hmm, lecker gekocht, Ran!“, lobte er zufrieden. „Ich habe nur das gemacht, was du mir gesagt hast“, erwiderte Ran ehrlich und griff zu den Stäbchen, die er unsicher und ungelenk in seinen Fingern hielt. Kochlöffel, denk an den Kochlöffel, sagte er sich selbst. Denk an das, was dir deine Eltern beigebracht haben, nicht, was die Monster dich Glauben gemacht haben. Es gibt noch menschliche Teile in dir. Ran nickte für sich und versuchte es. Es klappte beim dritten Mal. Die Schüssel in der einen Hand haltend, mit der anderen die Ramen immer sicherer zu seinem Mund führend, aß er das erste warme Essen seit langem. Es schmeckte köstlich. Auch wenn er sich verbrannte, weil er so hastig aß. „Langsam, Ran… oder willst du deine loderndes Zünglein mit dem süßen Eis löschen?“, fragte Schuldig, lächelte dabei aber eindeutig nicht jugendfrei. Der Anblick des hastig essenden jungen Mannes lockte in ihm den Teufel hervor. Violette Augen sahen dunkel von ihrer Schüssel hoch. Ran hatte den feinen Spott sehr wohl verstanden. Auf der einen Seite beschämte es ihm, auf der anderen jedoch wusste er, dass Schu Recht hatte. Er aß langsamer, bedächtiger und pustete, bevor er die Nudeln schlürfte. „Eis ist gut… zum Löschen“, stimmte er schließlich zu. „Und zum Abkühlen…“ Ein weiterer Blick auf Schu. „Dich oder mich?“, lachte Schuldig nun doch offen und amüsiert über die entweder bewusste oder unbewusste Anspielung. Ran überlegte einen Moment lang. Zumindest tat er so, denn in Wahrheit fühlte er seinem Instinkt nach, seinen Sinnen, die ihm sagten, was hier vor ihm saß. Der Wandel des Tons, der Blick… all das war Lockstoff, das wusste Ran, auch wenn ihm jegliche Erfahrung fehlte. Aber Rolligkeit war es nicht. „Dich…“, sagte er dann mit einem kritischen Blick auf den anderen. „Du bist… wie Feuer.“ Schuldig vergaß für einen Moment das Kauen bei diesem Vergleich. Zunächst waren seine Augen groß, dann wurden sie kleiner, als er die Stirn in Falten zog und dann wurde sein Blick eindeutig skeptisch. „Wie meinst du das denn jetzt?“ Es war klar, dass Schu danach fragte… absolut. „Du bist unruhig, aber doch kontrolliert… du brichst manchmal aus… öfter… und du…“ Ran stockte, wusste nicht, wie er es sagen sollte. „Deine Worte haben etwas unterschwellig Lockendes.“ So hatten sie das… „Ich wusste nicht, dass du dich von Feuer anlocken lässt?!“ Schuldig fing wieder an seine Ramen zu essen, ganz unbekümmert, gänzlich sorglos… wenn da nicht ein kleiner böser Teufel auf seiner Schulter sitzen würde, der ihm viele Gemeinheiten in sein Ohr flüsterte, wie er Ran triezen konnte, natürlich auf harmlose, spaßige Art. Natürlich. „Instinkt…“, sagte Ran. „Sie haben dieses Feuer damals Rolligkeit genannt“, sagte Ran allen Ernstes. Für ihn war das Thema eines wie jedes andere: von unguten Erinnerungen durchsetzt, mit einem Stich an Trauer in Gedenken an seine Vergangenheit. Doch er sagte es zwanglos, ohne jegliche Scheu. „Instinkt… ja… Ran das verstehe ich, aber… sollte dein Instinkt nicht eher auf Weiblichkeit ausgerichtet sein?“, hakte Schuldig mit einem kurzen Blick in die violetten Augen nach. „Nicht unbedingt“, erwiderte Ran mit gerunzelter Stirn. „Zum Instinkt gehört auch, einen Konkurrenten zu erkennen.“ Außerdem war er als Mensch nie auf die Weiblichkeit ausgerichtete gewesen, wie Schu es gesagt hatte. Damals… hatte er Frauen nichts abgewinnen können. Doch wie das heute war, wusste er nicht. Er würde es nicht ausprobieren. “Einen Konkurrenten?“, echote Schuldig und beendete sein Mahl. „Aber hier ist doch niemand oder etwas weshalb wir in Konkurrenz treten sollten, oder könnten.“ Ran brauchte länger, viel länger als Schu, was alleine schon daran lag, dass er sich schlussendlich noch eine gute Portion nahm. „Dann einen möglichen Konkurrenten“, erwiderte Ran zwischen zwei Nudeln. „Es geht nur um das Gefühl…den Instinkt, nicht um den Grund.“ Er war ratlos und das zeigte sich in seinen Augen, denn er wusste nicht, wie er es Schu anders erklären sollte, wie er ihn wahrnahm. Und Schuldig hatte keinen blassen Schimmer von dem, was Ran sagte. Warum sollte er ein Konkurrent sein? Er war es doch, der Ran zu Essen gab und… versuchte ihn aufzupäppeln… was ab und an an Zähnen oder Krallen scheiterte oder schlicht und ergreifend am Misstrauen des Katerchens. „Wollen wir das Eis draußen essen?“ Die letzte Nudel in den gierigen Schlund seines Magens ziehend, nickte Ran begeistert. Draußen klang gut… vor allen Dingen, da es warm war und die Sonne noch schien. Ran war schier verrückt nach der Natur außerhalb dieser Fenster, als wolle er das nachholen, was er in fünf Jahren verpasst hatte. „In dem wackelnden Stück Stoff?“, fragte er frech und sich weit mehr zutrauend, als er vermutlich bewältigen konnte. Aber er dachte eher an die Variante Schu auf diesem Stoff und er irgendwo in Sicherheit daneben - mit dem Eisbottich. Kleine Fangzähne zeigten sich vor Vorfreude und violette Augen strahlten in schelmischer Spiellaune. Oh Man, wie konnte man diesem Jungen etwas abschlagen? Diesen glitzernden, strahlenden Augen? Und diesem frechen Lächeln? „Klar, wenn du willst? Ich setze mich dann daneben und seh dir zu!“, beschloss Schuldig und ging zum Eisfach, holte das Schokoladeneis hervor. Seine Gedanken waren jedoch weitaus weniger harmlos als seine Worte. Sie waren getrübt von der Frage nach dem Warum. Warum hatten sie dieses Wesen so verändert? Nein, nicht verändert… so geschaffen? So allein und…so… traurig. Ein Kind in einer kalten Welt, ohne Chance dort leben zu können. Er ahnte, wie Ran sich fühlen musste. Diese Situation war Schuldig nicht ganz fremd. Ran wusste nichts von Schus Gedankengängen, doch er spürte instinktiv, dass hinter der lebhaften Schicht des Mannes etwas anderes lauerte. Er konnte es nicht benennen, so beschloss er, es zumindest zu verscheuchen. Gesittet nahm er ihrer beider Schalen und stellte sie in die Spülmaschine, wie er es sich bei Schu abgeschaut hatte. Ebenso die Stäbchen und alles andere, was dort hinein zu gehören schien. Alleine sein Blick verriet, was er wirklich plante und das war die Entführung des Eises. Violette Augen gierten stumm nach der Süßigkeit, als Ran immer noch unschuldig zwei Löffel hervorholte, für Schu natürlich auch, seinen aufnahm und dann mit ihm und dem Eisbottich in Richtung Terrasse stiften ging. „Ich schau zu!“, warf er noch zurück und hatte bereits einen der riesigen Korbsessel okkupiert, die in der Nähe standen. Schuldig kam etwas langsamer hinterher und schmunzelte in sich hinein, gab sich aber nach außen hin nachdenklich. „Hast du Angst dich in die Hängematte zu legen?“ Den Löffel mit einer großen Portion Eis noch zwischen den Lippen, schüttelte Ran den Kopf, warf einen Blick auf das unschuldig aussehende Stück Stoff. „Nein, eigentlich nicht“, erwiderte er und runzelte die Stirn, nun seinerseits nachdenklich. „Ich schaue lieber zu!“ „Also mit anderen Worten, du hast Schiss!“ Klarer Fall, da gab es gar nicht viel drumherum zu reden. Siegessicher setzte sich Schuldig in einen Korbsessel halb Ran gegenüber und legte den Kopf in den Nacken, genoss die letzten Strahlen der untergehenden Sonne. "Habe ich nicht!", kam es ausdruckslos, aber mit einem leichten Hauch an Empörung von dem rothaarigen Katzenmenschen. Ein weiterer Löffel mit Eis verschwand zwischen den Lippen. "Nicht davor! Nur hier ist es angenehmer." „Das hätte ich an deiner Stelle jetzt auch gesagt“, gab Schuldig provozierend zurück und seine Hände langten nach dem Eisbottich, der außen nass und beschlagen war. „So mein Lieber, jetzt gibst du mir auch was davon ab“ Nämlich zuzulassen, dass der Kater hier – so unterhaltsam es war, ihm zuzusehen – genussvoll und fleißig das ganze Eis verschlang kam gar nicht in Frage. Doch noch bevor Schu seine Hände an das kostbare Gut legen konnte, hatten es flinke Finger vor den Eindringlingen in Sicherheit gebracht. Rans Augen glitzerten, als sein Spieltrieb geweckt wurde... aber warum es genau jetzt so war, wusste er nicht. Es war nur... heilsam. "Hol's dir!", sagte er dreist und kleine spitze Zähne zeigten sich. Das Eis entglitt seinem Zugriff und verschwand in luftige Höhen. „Ran…damit macht man keinen Spaß. Einem Schwerverletzten das wohlverdiente Essen zur Genesung vorzuenthalten ist strafbar, weißt du das?“, behauptete er stocktrocken und legte seinen Kopf fragend schief, das Gesicht voller Sorge über das Nichtwissen seines… Haustierchens. Violette Augen weiteten sich und Ran ließ das Eis wieder sinken. "Man kann dafür ins Gefängnis kommen?", fragte er unschuldig und lehnte sich etwas vor, in völliger Aufmerksamkeit. Schneller als Schu jedoch nach dem Eis greifen konnte, war er aufgesprungen und stand nun auf der anderen Seite vom Tisch. Mit dem Eisbottich. "Glaub ich nicht!" Und wieder verschwand ein Löffel zwischen seinen Lippen. Aber Schuldig blieb sitzen. Er war heute einfach zu fertig für Katz- und Mausspielchen. Seine Schulter brannte und er fühlte sich zu verspannt als dass er hier gut gelaunt durch die Gegend – einer Katze hinterher - laufen wollte. Er lachte gutmütig auf und seine Augen wärmten sich in dem verspielten Anblick. „Es stimmt auch nicht, Kleiner. Lass dir das Eis schmecken, aber lass mir ein paar Löffel übrig, ja?“ Schuldig ließ sich bequem in seinen Sessel zurück und entspannte sich. Das passte nun gar nicht zu Rans Konzept des Jagens, wie er zugeben musste. Er legte seinen Kopf leicht schief und betrachtete sich den Mann im Sessel. "Und was passiert, wenn nicht?", fragte er in einem letzten Versuch, Schu nun doch etwas zu triezen, vor allen Dingen da der andere ihn schon wieder beschummelt hatte. Schuldig lachte laut auf, verzog aber sogleich das Gesicht, da ihm das Atmen und vor allem das Lachen wohl nicht so gut taten. Aber beides wollte er nicht missen… „Dann kaufe ich dir keines mehr, ist doch klar! Ich könnte dir auch all deine Kuschelkissen wegnehmen“, überlegte er mit schmunzelndem Gesichtsausdruck. Also DAS nahm Ran sehr ernst. "Die Kissen...?", fragte er lauernd. "Alle?" Er runzelte die Stirn, teilweise auch ob des Schmerzes, der kurzzeitig in Schus Gesicht stand. "Das würdest du nicht tun!" Aha. Ein wunder Punkt. Sehr gut, lobte Schuldig seine Kreativität und lehnte seinen Kopf zurück in den Korbsessel, die Beine auf den Hocker ablegend und es sich bequem machend. „Und… wie kommst du darauf, dass ich das nicht tun würde?“, fragte er tatsächlich erstaunt. Er hätte sogar überhaupt kein Problem damit. „Die Kissen sind alt und ich wollte sie schon lange wegwerfen.“ Und wie sich die violetten Augen zu Schlitzen verengen konnten... wie sie funkeln konnten. "Sie sehen nicht alt aus und sie riechen auch nicht so. Du sagst nicht die Wahrheit", erwiderte Ran und kam ein paar Schritte näher. "Wieso wirfst du sie weg, obwohl sie noch gut sind? Das ist Verschwendung." In aller Ehrlichkeit kritisch musterte Ran den Sitzenden. Das Objekt der kritischen Musterung war die Ruhe selbst, wobei das Funkeln in den Augen ein wenig Sorge aufkommen ließ, die Schuldig jedoch in sich verbarg. „Sie lagen früher im Wohnzimmer, ich habe sie verbannt, weil ich sie wegwerfen wollte und jetzt hast du sie. Wärst du später gekommen, wären sie jetzt längst auf der Müllkippe. Magst du die Kissen so gern?“, fragte er mit eindeutig spielerisch drohender Note. Ran hörte eben diese Note heraus und wäre er wirklich eine Katze gewesen, hätten seine Ohren ob diesem Ton gezuckt. Er kannte ihn, hatte ihn schon früher gehört, früher, als er noch naiv auf ihre Versuche und Tests reagiert hatte. Früher hätte er solche Fragen vorbehaltlos mit ja beantwortet, heute wusste er es besser. Es gab ihnen... ihm Mittel, ihn unter Druck zu setzen, Versuche mit ihm zu machen, ihm... "Nein", erwiderte Ran und der vorherige Spieltrieb fehlte dieses Mal völlig in seiner Stimme. Seine Mimik war ausdruckslos, gar unbeweglich, als er das Eis auf die Mitte des Tisches stellte, sich auf einen der Sessel Schuldig gegenüber niederließ. Das Spiel war aus, wie Schuldig bemerkte und sein Kopf rollte zur Seite um den Stubentiger zu mustern. Eine Weile schwieg er. Dann jedoch… „Ran… was ist los?“, fragte er im sanften Tonfall. „Du… weißt doch, dass wir Spaß machen, oder? Wenn du mir mein Eis wegnimmst, dann nehm ich dir deine Kissen weg, ist doch fair meinst du nicht?“ Es fehlte das Vertrauen, das wusste Schuldig, aber es ließ sich nicht in zwei Tagen ändern. So etwas brauchte Monate oder gar Jahre. Fair... Schus Ton hatte ihn an Dinge erinnert, die nicht fair gewesen waren. Er hatte das übertragen und war jetzt immer noch vorsichtig. Doch wie Schu sagte... war es nur Spaß, den sie trieben? Ran wusste es nicht zu unterscheiden, dafür war er noch zu unerfahren. "Ja, das ist fair", nickte er, auch wenn er nicht wollte, dass die Kissen weggeworfen wurden. Er mochte sie... sie waren Farbe, sie waren Gemütlichkeit. Sie waren die erste Farbe seit Jahren gewesen, die er gesehen hatte. Aber sie waren Schuldigs Kissen, nicht seine. Seufzend hob Schuldig seine Beine vom Hocker und stand umständlich auf. Vorsichtig näherte sich seine Hand dem Haarschopf und strich kurz über die Haare am Hinterkopf. „Na komm, lass uns rein gehen, oder möchtest du noch hier bleiben und dein Eis essen? Ich könnte den Kamin anwerfen.“ Er spürte, dass es in dem Wesen arbeitete und er war es, der diesen Spaß in den Augen vertrieben hatte. Ein wenig spürte er die Schuld darüber in sich und es schmeckte ihm nicht. Jede einzelne Sinneszelle an Rans Hinterkopf hatte diese Berührung misstrauisch beäugt und schließlich für vorsichtig gut befunden... für anders als andere Berührungen. Ran war leicht angespannt, doch es war eher eine innere Anspannung, die niemand außer ihm wahrnehmen würde. Es war noch ungewohnt für ihn, jemand so nahe an sich zu haben, ohne dass etwas Schlimmes passierte. Um diese Unsicherheit zu überbrücken und zu überspielen griff er sich eben diese Hand und hielt sie in der seinen, betrachtete sich den Verband, der sich um den Handrücken schlängelte. Er wusste, dass darunter seine Bisswunde ruhte und so, als wenn er sehen könnte, was dahinter geschah, inspizierte er sie kritisch, bevor er sie losließ Erst dann widmete er sich den Worten des anderen. Kamin? "Klingt gut! So richtig warm... und mit Feuer?" Schuldig lachte und griff sich die sauberen Schüsseln samt Löffel und wandte sich ab um hineinzugehen. „Ja… so richtig. Und… vergiss das Eis nicht, wenn du herein kommst.“ Er ging in die Küche und verstaute die Schüsseln im Schrank. Er hatte keine Lust mehr auf Eis, denn er war einfach schon zu müde. Schuldig freute sich schon auf sein Bett, denn er war wirklich reif dafür, doch sie hatten noch einen kleinen Programmpunkt auf der Liste abzuarbeiten. Die Liste der heutigen Katastrophen, wohlgemerkt. Nur… er glaubte, dass sie dies wohl auf Morgen verschieben würden und dass er aufgrund seiner tollen Idee am Kamin einschlafen würde. Er konnte dem anderen seine so voreilig offerierte, feurige Idee jetzt nicht mehr abschlagen. Wie brav Ran Schu folgte, als dieser hineinging und wie schnell das Eis wieder in die Kühltruhe geräumt worden war. "Soll ich helfen?", fragte er in den Raum hinein. "Du siehst müde aus." Wie ein Mann, der gerade seine Zähne und Krallen zu spüren bekommen hatte, so sah Schu aus. „Es geht schon.“ Schuldig ging an Ran vorbei ins Wohnzimmer und bereitete alles für das Feuer vor, was sehr langsam und auch mit einigem an Zähnezusammenbeißen vonstatten ging. „Holst du uns von oben zwei Decken herunter?“, wandte er sich an Ran, als das Feuer in Gang kam und er die Abdeckung verschloss. Mit kritischem Blick auf Schu setzte sich Ran langsam in Bewegung und machte sich vorsichtig auf den Weg die Treppe hinauf. Währenddessen warf er immer wieder einen Blick zu dem anderen zurück, als könne er dadurch erfahren, ob Schu gleich zusammenbrechen würde. Gerade deswegen hatte er fluchs die gefragten Decken an sich genommen und befand sich schon auf dem Weg nach unten, als er sich anders entschied und noch an etwas dachte. Samt den Decken verschwand er im Badezimmer und suchte nach dem Arzneimittelkoffer, förderte ihn schließlich zutage und durchwühlte ihn nach den Medikamenten, die er bei Schu gesehen hatte. Wieso konnte auf den Pillendöschen nirgendwo stehen, ob es Schmerzmittel waren, er kannte sie doch nicht! Frustriert darüber nahm er einfach alle Döschen, die er fand, mit und ging damit nach unten, ließ sich vor dem Kamin nieder. Und verstreute seinen Schatz vor Schuldig, der das Feuer beobachtete und sich gerade hatte erheben wollen, als Ran samt Decken und Döschen bei ihm angekommen war. Der unglückliche Blick und das Schweigen weckten in Schuldig erneut ein warmes Gefühl. Schon seltsam wie ein Wesen, welches so offen mit seinen Gefühlen umging und selten etwas verbarg, ihm so gut tun konnte. Er besah sich die Döschen und zog das Kleinste aus dem Sammelsurium heraus. „Das hier ist das Richtige. Die sind stark, machen aber auch müde. Deshalb nehme ich nur eine davon“, erklärte er eindringlich und erhob sich um sich ein Glas Wasser aus der Küche zu holen. Er lächelte dabei und zwinkerte. „Danke, das war sehr aufmerksam von dir, Ran.“ Ein Lob hatte noch niemandem geschadet, vor allem Ran nicht, der so etwas wohl eher selten gehört hatte und wenn, dann nicht im positivem Sinne, konnte sich Schuldig vorstellen. Der rothaarige Japaner konnte nicht verhindern, dass eben genau wegen dieses Lobes sich ein leises, überraschtes Schnurren seinen Weg nach draußen bahnte, bevor er es wieder einstellte. Es tat gut, tief in ihm drin, sehr gut sogar und die Worte machten ihn stolz auf sich selbst. Es war nur etwas Kleines, das wusste er, doch er war in der Lage, daran zu denken. "Du sahst so aus, als ob du sie bräuchtest", sagte er etwas ratlos und räumte die restlichen Döschen beiseite, breitete danach die Decken aus. „Bringst du mir die restlichen Döschen her, bitte? Nicht das sie verloren gehen“, fügte er leiser an und sah wie Ran eifrig die Decken auf dem Teppich vor dem Kamin ausbreitete. Schuldig schüttelte nachsichtig den Kopf. Wie ein Kind… dachte er Ran beobachtend, bevor er sich abwandte und aus dem Schrank ein Glas holte, es füllte und dann mit dem Wasser die Schmerztablette schluckte. Als Schu wiederkam, lagen die Döschen auf der Decke, fein säuberlich auf einem ungeordneten Haufen. Damit auch ja nichts verloren ging. Ran selbst saß neben ihnen und las sich die Beschreibungen auf den Etiketten durch, die Namen, die ihm nichts sagten. "Was ist das alles?", fragte er neugierig. Anstatt sich auch auf den Boden zu setzen, bevorzugte Schuldig die Couch. Er war sich nicht sicher ob ihm der Teppich nicht doch etwas zu ungemütlich war mit seiner lädierten Schulter. Vorsichtig zog er die Beine auf die Längsseite der Couch, und lehnte sich an die Lehne an. „Ein paar Tabletten gegen Übelkeit, etwas gegen Schlafmangel… die meisten Tabletten sind Beruhigungsmittel und dann noch Schmerzmittel.“ "Das ist viel", meinte Ran nachdenklich und sein Blick ruhte auf den Medikamenten. Er kannte die Begriffe, wusste mit allen etwas anzufangen... aus persönlicher Erfahrung. Sie hatten vieles an ihm getestet. Er hatte vieles nicht vertragen. Wärme schlich sich langsam über seine Haut und ließ ihn schaudern... so direkt hatte er Hitze lange nicht mehr spüren können, nicht in ihrer Urgewalt, hatte er doch immer diesen Anzug gehabt, der ihn vor Kälte geschützt hatte. Ran fuhr sich über die Hose, die er trug und sie er immer noch mit leichtem Unwohlsein anzog, war sie doch trotz ihrer Weichheit leicht kratzig. Ebenso wie die Socken, zu denen er sich zwang. Er wollte schließlich... menschlich sein. Schuldig beobachtete Ran von seiner gemütlichen Lage aus. „Ist dir zu warm?“ Er konnte es sich zwar nicht vorstellen, denn Ran saß nicht zu nahe am Kamin, aber er konnte vieles an diesem Halbwesen nicht von sich selbst ableiten. "Nein, es ist nur ungewohnt und komisch", sagte Ran mit einem Blick auf die knisternden Flammen, die gerade an einem kleinen Holzscheit züngelten. Er schwieg einen Moment. "Zuhause hatten wir auch einen Kamin." Seine Augen starrten abwesend ins Feuer. Ja, den hatten sie gehabt. „Kommst du mal kurz her, Ran? Und wenn ja, dann bring die Pillen mit, bitte.“ Schuldig korrigierte seine Lage und setzte sich wieder mehr auf. Langsam wirkte das Mittel und er konnte freier durchatmen. Ran wusste zwar nicht, warum er aufstehen sollte, tat es aber aus reiner Neugier. Auf dem Weg zu Schuldig, nahm er die Pillen auf und platzierte sie neben dem anderen auf die Couch. Er selbst blieb vor ihr stehen und sah den Telepathen fragend an. So geheimnisvoll wie seine Aufforderung auch gewesen sein mochte, so wenig dramatisch zog er jetzt seine Füße von der Couch und stellte sie vor Ran ab. Langsam nahm er dessen Hände in seine und sah zu ihm auf. Sein Blick war ernst und streng. „Versprich mir bitte, dass du keine Tabletten oder sonst etwas Derartiges zu dir nehmen wirst ohne mich zu fragen.“ "Wieso sollte ich sie nehmen?", fragte der andere voller Erstaunen nach. Sein Blick ruhte auf ihrer beider Hände, dann auf dem ernsten Blick des anderen. "Ich mag so etwas nicht." Ran besah sich das Gesicht Schus noch etwas eingehender, versuchte herauszufinden, warum der andere Mann ihm so ein Versprechen abnahm. "Aber ich verspreche es dir", schob er schließlich nach. Diese Musterung bemerkend drückte Schuldig die Hände noch einmal, bevor er sie wieder entließ. „Gut, versprochen.“ Er legte sich wieder hin, nutzte die Zeit um abzuwägen, was er sagen sollte, auf die Frage. „Manchmal kommt man auf komische Ideen Ran. Aber diese Medikamente machen Bauchweh und Schwindel und man kann furchtbar krank davon werden, wenn man zuviel einnimmt.“ Natürlich und morgen kommt der Weihnachtsmann. Eigentlich konnte man dabei sterben. Und uneigentlich auch. Und manch einer bezweckte diesen Umstand, indem er zuviel davon einnahm. Aber er hatte nicht vor, Ran auf diese Idee zu bringen. "Das weiß ich... doch." Er ging wieder zu den Decken und ließ sich darauf nieder, setzte sich mit dem Rücken zum Feuer in Schus Blickrichtung. "Hast du zuviel von ihnen genommen schon mal?" Schuldig blieb bei der harmlosen Darstellung seiner Version. „Ja, es kam schon einmal vor. Deshalb wäre es gut, wenn du es vermeidest.“ Was für eine Untertreibung, lachte es zynisch in ihm. Sein Gesicht drückte jedoch nichts außer Harmlosigkeit aus. Und er bemühte sich redlich, dies beizubehalten. "Wieso hast du zuviel genommen?", hakte Ran nach, seine volle Aufmerksamkeit nun auf dem anderen Mann. Er hatte damals bei seiner Familie davon gehört, dass sich jemand aus ihrer Nachbarschaft mit Schlaftabletten umgebracht hatte... warum, das hatten sie nicht erfahren. Und bei Schu war es das Gleiche? „Ein Versehen. Ich dachte ich könnte noch ein paar nehmen, um die Wirkung zu steigern, ich hatte Schmerzen. Aber mir ging es danach schlechter. Mir war Übel und mir war schwindlig.“ Schuldig schloss die Augen und atmete tiefer durch. Er war so verdammt müde heute. Welch eine Aufregung den ganzen Tag schon. „Morgen… sehen wir uns zusammen die Datei an, ja?“ Oh... das war auch eine Möglichkeit. Daran hatte Ran nicht gedacht. "Sie sind nicht gut", wiederholte er wie in Gedanken und schnupperte leicht. Der schwache Geruch von Blut lag in der Luft, als er die folgenden Worte des anderen vernahm und es ihm kalt über den Rücken lief. "Ja... morgen." Am Liebsten gar nicht, nie. Doch jetzt war es zu spät. „Keine Angst. So schlimm wird es sicher nicht sein. Es kann dir doch hier keiner was tun“, murmelte Schuldig halb dösend, die Lider nur soweit angehoben wie er den warmen Schein des Feuers erkennen konnte. Den Blick auf das müde Gesicht gerichtet, dachte Ran über Schus Worte nach. Es war schlimm, noch nicht einmal aus dem Grund, dass ihm hier niemand etwas tun konnte - was er nicht glaubte. Wenn er an den schwarzhaarigen Mann dachte. Nein. Er vertraute nicht. Doch ganz davon ab, war es auch so schlimm... sehr schlimm. Er wollte nicht sehen, wie sie die Versuche aufgenommen hatten, die sie mit ihm gemacht hatten. Er empfand sie nach wie vor als Demütigung. Als Ran aus seinen Überlegungen wieder in die Realität kam, bemerkte er, dass Schu eingeschlafen war und dass sich die Brust des anderen leicht hob und senkte. Nahezu friedlich sah der Telepath aus, wie er hier lag und nun leicht schnorchelte. Ran kam etwas näher, wollte jede Einzelheit des Gesichtes, des Menschen in sich aufnehmen und studieren. Tagsüber hatte er nicht die Gelegenheit dazu... jetzt schon. Und er nahm sich ausgiebig Zeit dafür, bis er schließlich seine Hand hob und mit den Fingerspitzen über eine rote Strähne strich, die auf der Couch lag. Es war pure Neugier, die ihn dazu trieb, diese Haare zu erfühlen, purer Forscherdrang... der jedoch damit endete, dass eine seiner Klauen ein paar Zentimeter der Strähne abtrennte. Rans Augen weiteten sich. Oh... Es war nicht viel... vor ein paar Momenten hätte es noch mehr sein können... aber... oh... Hastig nahm er die nun abgetrennten Haare an sich und stand auf, entsorgte sie draußen auf der Terrasse, damit es so aussah, als wäre nichts passiert. Vielleicht würde es Schu ja auch nicht merken... so viele waren es nicht gewesen. Für den Rest der Nacht ließ er sich - nachdem er das Licht gelöscht hatte - in einem Sicherheitsabstand von Schu nieder und nahm ein neues Buch zur Hand. o ~ „…Datei wird geladen“, las Schuldig und lehnte sich in dem Sessel zurück. Sein Blick ging zum… er konnte es nicht mehr zählen wie oft schon… nach draußen in den Garten. Ab und an sah er Ran dort wie er durch das Unterholz streifte und dann wieder im Gras lag und die herbstliche Sonne auf sich scheinen ließ. Es war Nachmittag und Schuldig wollte das Ansehen der Datei nicht mehr länger aufschieben, aber Ran wäre danach sicher nicht gut drauf. Darüber grübelnd kam ihm eine Idee und er erhob sich. Er war heute morgen Einkaufen gewesen und hatte… eine Kleinigkeit besorgt aber… er hatte damit noch warten wollen. Nun ja, aber warum nicht gleich… es gab sicher keinen schlechteren oder besseren Moment für diesen… kleinen Spaß. So versicherte er sich nochmals, dass Ran gemütlich in der Sonne lag, bevor er hinunter in die Küche eilte und die Tüte hervorholte, die er dort im obersten Schrank gebunkert hatte. Still schlich er wieder nach oben. Wobei das Schleichen eher normales Gehen war und er – seiner Schulter sei Dank – noch immer Schmerzen hatte. Er ging in Rans Zimmer und präparierte sämtliche Kissen, die er dort fand mit einer großen roten Schleife. Jeder der schmückenden Bänder bekam eine Süßigkeit schokoladiger Art verpasst. Nach getaner Arbeit schloss er die Tür und ging hinunter um Ran zu holen… Ran sah auf, als er Schu in der Tür stehen sah. Er hatte es sich hier im Gras bequem gemacht, hatte seine Gedanken schweifen lassen... weit weg von dem, was ihm hier noch bevorstand. Die warme Sonne war dafür optimal gewesen und so erhob er sich jetzt mit einem schweren Seufzen. Er wollte nicht. Er musste. "Jetzt?", war alles, was er Schu fragte, als er bei ihm ankam. Man sah die gekürzten Strähnen nicht... gut. “Ja… jetzt“ Schuldig stieß sich mit seiner unversehrten Schulter am Rahmen ab und ging vor, hinauf ins Arbeitszimmer. „Wo sollen wir's uns ansehen?“ Er hatte nur einen Sessel an seinem Schreibtisch. Wenn sich Ran hinsetzen wollte, mussten sie die kleine Sitzgruppe am Fenster wählen. "Egal!", kam es ungeduldig von dem rothaarigen Japaner und dessen Ausruf war von einer unwirschen Geste begleitet. Er wollte es nur schnell hinter sich bringen. "Setz' dich und sieh es dir an." Er fuhr sich nervös über die Arme und verschränkte diese. Ran wirkte, als würde er gleich davon laufen. Vermutlich war das nicht nur der äußere Schein, resümierte Schuldig innerlich. Er setzte sich und öffnete die Datei. Sie bestand lediglich aus drei kurzen Filmaufnahmen, inklusive verbaler Erläuterungen, des Objektes Abyssinian und eine kurze Anmerkung über das Projekt Isis und die Datei Chavin, die er gerade vor sich hatte. Schuldig wurde Zeuge davon, wie Ran in einem weißen engen Anzug in dem Raum, den er schon kannte, gebracht wurde und die Fesseln dort entfernt wurden. Eine Frau saß in einer Ecke des Raumes, zusammengekauert und ihr Blick flirrte aufgescheucht zu Ran. Ein Wort schallte in den Raum „Abyssinian“ und Ran… er machte sich an die Frau ran… und wie…er zerriss ihre Kleidung, packte sie im Nacken, warf sie herum und kam über sie. Noch bevor mehr passieren konnte wurde der Versuch abgebrochen und die beiden getrennt. Die zweite Datei öffnete sich und Schuldig sah Ran alleine im Raum. Wieder lief das gleiche ab und Ran gebärdete sich eindeutig so, als wäre er sexuell erhitzt und wüsste nicht wohin damit. Eine männliche Stimme… Schuldig erkannte den Leiter des Labors in ihr … erläuterte, dass es bei diesem Versuchsobjekt wohl zu einer Fehlentwicklung gekommen wäre. Anstatt des Tötungsbefehls hatte sich eine Art sexueller Bereitschaftsbefehl entwickelt. Ran war auf dieses Wort Abyssinian konditioniert. Mit „Ran“ war dies wieder auszuschalten. Ran durchlief es heiß und kalt anhand dieser Datei, dieser Erinnerungen und dem Wort... diesem einen Wort, auf das er eben reagiert hatte. Er hatte es gespürt, wie diese andere Seite in ihm aufgekommen war, dieses Unbeherrschte, Tierische... und gleich darauf war der Instinkt, Schuldig als sexuelles Objekt zu sehen, wieder verschwunden, vernichtet durch seinen Namen. Ihm war schlecht, als er die Filmbrocken sah, als er sah, was er war und was währenddessen mit ihm geschah. Er taumelte ein paar Schritte zurück und zog sich zurück auf die Sitzecke am Fenster, die Beine zu sich nach oben gezogen. Ein Tier. Auf diesen Dateien sah man ein Tier, losgelöst vom menschlichen Verstand. ER war dieses Tier. Er... nur er. "Die Frau...", sagte er schließlich in die Stille hinein, seine Stimme rau und in Gedanken versunken. "Sie hatte soviel Angst... sie hat geweint. Sie hatte Angst vor mir. Ich wollte ihr nichts tun, aber ich... auf dem Video... Sie haben sie umgebracht. Einfach so." Schuldig bewegte seine Finger auf dem Touchpad um damit den Ton aus zu stellen und sich auch noch den Rest dieser Datei und der Nächsten anzusehen. Hier sah man deutlich, wie tierhaft Ran agierte. Schuldig spulte die Datei erneut ab, in der Ran alleine war. Mal abgesehen von dem Zähnezeigen und den Pupillen, den überlangen Nägeln, die er in die künstlichen Scheiben schlug… auch seine Bewegungen waren so, als hätte er keine menschlichen Knochen im Leib. So geschmeidig und grazil. Das offene lange Haar, das wild über eine Seite seines Rückens floss… Schuldig schloss die Datei, brannte sie mit den anderen Daten auf eine andere Disc und löschte den Rest von seinem Rechner. Erst dann sah er zu Ran auf, der dort hinten saß und sich umarmte um einen Halt zu haben und vielleicht auch etwas Wärme. Schuldig hatte die Worte deutlich gehört, reagiere aber erst jetzt darauf. Bevor er aufstand, betrachtete er sich die traurige Gestalt für einige Augenblicke um sich zu überlegen, was er dazu sagen sollte. Ähnliches hatte er schon vermutet, aber dass sie es tatsächlich gewagt hatten, aus ihren Züchtungen Tötungsmaschinen zu machen, war dann doch eine herbe Information, die er da vor Augen geführt bekommen hatte. Es zu wissen und es zu sehen waren unterschiedliche Kategorien. Jetzt verstand er auch ihr Verkaufsgespräch mit dem Waffenhändler etwas besser, aber vielleicht hätte Brad besser einen reichen Zuhälter für würdig befinden sollen, witzelte er zynisch in Gedanken, als er zu Ran hinüberging. Er setzte sich in den Ledersessel Ran gegenüber. „Nicht einfach so, Ran. Sie hatten Gründe dafür. Keine guten. Aber sie brachten jeden um, der nutzlos oder gefährlich für das Projekt sein würde. Da gibt es keine höheren Prinzipien, keine edlen Motive. Nichts. Blanke Logik.“ "Und das Beste ist... ich sollte sie töten. Ich war dazu gedacht, sie zu töten... zu zerfleischen. Anstelle dessen bin ich ein fehlgeschlagenes Experiment", sagte Ran, den Blick zum Fenster gewandt, ohne dass er auf die Worte des anderen reagierte. Erst einen Moment später realisierte er das Gesagte. "Ich habe sie so oft töten wollen. Ich habe mir vorgestellt, wie ich meine Zähne in ihr Fleisch grabe und es auseinander reiße. Von jedem einzelnen dieser weißen Monster..." „Nur zu verständlich. Aber dann wärst du genau das was sie beabsichtigen, nicht wahr? Gerade hast du noch gesagt, du hättest die Frau töten sollen und nun sagst du, dass du gerne jemand anderen hättest töten wollen.“ Schuldig bedachte Ran mit einem nachdenklichen Blick, bevor er sich einen Ruck gab und sich erhob. Er streckte Ran die Hand hin. „Komm. Steh auf, ich möchte dir etwas zeigen. Denk nur an eines: Tötest du einmal, wirst du wieder töten.“ Das stimmte... ja, vielleicht stimmte das wirklich. Er würde dann nicht mehr aufhören können, weil er Blut geleckt hatte. Ran besah sich die ihm hingestreckte Hand. Vor ein paar Tagen... war es gestern gewesen... hatte er sie gebissen. Nun nahm er sie an und ließ sich hochziehen, seine Krallen vorsichtig gestreckt, damit sie nicht verletzten. Nach und nach wischte er die schrecklichen Erinnerungen an die Frau und die Versuche aus seinen Gedanken, schob sie wieder zurück, wo sie vorher gewesen waren: ganz weit weg von seiner jetzigen Realität. "Was willst du mir zeigen?" Schuldig hob die Braue aufgrund des traurigen Gesichts. „Na… ich dachte immer, Katzen wären neugierig? Aber du scheinst ja weit davon entfernt zu sein“, neckte er um der trüben Stimmung zu entkommen, die zwischen ihnen lastete. Er würde später über die Probleme, die aus dem Wissen der Daten entstanden waren nachdenken. Später, nicht jetzt. "Aber ich bin doch neugierig!", hielt Ran dagegen, die Stirn runzelnd. Er zeigte Interesse an dem, was der andere vorhatte, oder nicht? "Deswegen will ich ja wissen, was du vorhast." Hoffentlich nichts Schlimmes, sagte etwas in ihm, nein, schrie es hinaus und Ran schauderte innerlich ob dem leisen Verdacht, der in ihm aufkeimte. Schu würde nicht... oder? Nein, er hatte schließlich gesagt, dass er nicht würde. Dass er ihm vertrauen sollte. Aber das hatten schon andere gesagt. Doch Ran war gewillt, sich zu ändern. Es war nicht ganz überzeugend, also musste etwas anderes für Schuldig sprechen. Er zog Ran aus dem Raum hinaus und über den Flur in dessen eigenen Raum. Davor blieb er stehen. „Augen zumachen“, lächelte er und drückte die Hand behutsam, versichernd. „Es ist nichts Schlimmes.“ Nichts Schlimmes? Etwas war in seinem Raum und genau das war nicht schlimm? Ran bezweifelte das nun wirklich, schloss aber seine Augen. Dass er nervös war, merkte man ihm an, dazu war seine innere Unruhe viel zu deutlich nach außen hin zu sehen. "Was ist es denn?", fragte er noch einmal, doch er hatte wenig Hoffnung, dass Schu ihn erlöste. Schuldig ließ die Hand los, umfasste Ran aber an den Schultern mit seinen Händen. „So… wirst du gleich sehen, sobald du die Tür öffnest“ Er freute sich selbst schon über das Gesicht, das Ran machen würde. Zumindest hoffte er auf ein paar glücklich strahlende violette Augen. Aber noch standen sie vor der verschlossenen Tür und dahinter würde alsbald ein rotbuntes Farbenmeer erblühen. Zugegeben... Ran konnte es nicht abwarten, was hinter dieser Tür warten würde. Dementsprechend flink hatten seine Hände auch die Klinke gefunden und drückten sie herunter. Die Tür quietschte leise, beinahe unhörbar, was sie immer tat, wenn sie aufging und Ran stand da. "Ich sehe nichts... meine Augen sind noch zu!" Schuldig rollte mit den Augen. „Ich dachte du wärst neugierig?“, meinte er lachend den Kopf schüttelnd. Da waren sie die bunten Kissen mit den dicken roten Schleifen, und den Süßigkeiten die mal versteckt mal sichtbar in den Bändern steckten. "Darf ich denn jetzt?", fragte Ran noch einmal nach, zur Sicherheit, da er nicht genau wusste, ob Schu ihn einfach neckte oder ob es das Signal war, die Augen zu öffnen. Seine Stimme hatte einen leicht...anderen, ja gar quengelnden Klang. Oh Gott. Der war ja brav. Schuldig vergaß seinen Spott und schaute ernst auf Rans Profil. „Ja du kannst sie jetzt öffnen“, gab er den eindeutigen Befehl. Wie es ihm schien. Jeder andere hätte bereits gelinst. Also er hätte gelinst. Aber Ran? So viel Unschuld in einer Portion Mann. Kater. Also… innerlich seufzend schob er das Thema weg. Schwupp, da waren die Augen offen. Es ging ganz schnell, ganz fix versuchte er alles in diesem Zimmer aufzunehmen um seine Neugier zu befriedigen. Doch da war viel zu viel... da musste er zweimal hinschauen... dreimal, näher herangehen, damit er sich bewusst wurde, was das hier war. Obwohl... eigentlich wusste er es nicht Recht. "Was...?", entkam es ihm, als er durch den Raum streifte, überall die bunten Kissen sah, die mit roten Schleifen verziert waren. Jedes einzelne! Und was war daran befestigt? "Süßes...", murmelte er zu sich selbst, die Augen groß und die Wangen vor plötzlicher Aufregung rot. "Was ist das?", drehte er sich zu Schu um und sah den anderen durchdringlich an. Der ein stilles Lächeln auf seinen Lippen trug und sich an den rot gefärbten Wangen gar nicht satt sehen konnte. „Ein Geschenk. Ich schenke dir die Kissen. Sie gehören jetzt dir. Und weil zu einem Geschenk immer Schleifen und etwas Süßes gehören, muss es natürlich hier auch seine Richtigkeit haben.“ Gehören... Schenken... Worte, die für Ran zunächst keinen Sinn ergaben, eben weil er sie solange nicht mehr gehört hatte. Schon gar nicht in Bezug auf sich. Und nun? Nun hatte Schu ihm diese Kissen geschenkt? Genau diese, wo er vorher noch gedacht hatte, der andere könne sie dazu benutzen, ihn zu erpressen? Dazu... dazu noch die süßen Sachen, die er mit seinen Augen überall, an jedem Kissen auf dieser Schleife wahrnahm. Ran sah Schuldig in die Augen und erkannte Ernst dort. Es war wirklich so. Wie schon Tage zuvor, merkte er das salzige Nass auf seiner Wange erst, als es ihn am Kinn kitzelte. Er hatte noch nicht einmal das Brennen in den Augen gemerkt, aber er war doch gar nicht traurig... er freute sich doch. Wieso...? Oh. Damit konnte er nun wirklich nichts anfangen. Tränen. Das war… nicht so sonderlich gut für Schuldigs gewohnt souveräne Seite – ich mache alles mit links. Von wegen. Seine Linke war in die Hosentasche seiner Jeans geschoben, die Rechte lehnte am Türrahmen, von dem er sich nun löste und die paar Schritte zu Ran überbrückte. Als er vor ihm stand, überwand er den restlichen Abstand, indem er Ran mit seiner freien Hand an sich zog. Möglichst unverfänglich, möglichst nicht bedrohlich. Er strich ihm über den Rücken. „Hmm… freust du dich nicht?“ Jeder würde sich doch freuen, aber so wie Ran hier stand, das Gesicht ausdruckslos und still weinend, war er sich nicht mehr sicher. „Ich dachte du würdest dich freuen… du… kennst doch noch nicht alle Sorten. Nur Schokolade… aber das sind alles unterschiedliche Riegel… damit du auch andere Sorten kennen lernst. Das ist doch nicht schlecht, oder?“ So ganz sicher war er sich da nicht. Aufgrund der Versuche im Labor konnte jede neue Szene alles Mögliche in dem… Mann wachrufen. Das stillte Rans Tränen nicht, ganz im Gegenteil. Er war einfach erschlagen von der Mühe, die sich Schu gab... mit IHM gab. Wegen ihm, wegen so banalen Dingen. Er hatte ihm Schokolade geschenkt, verschiedene Schokolade, damit er alles kennen lernte. Das war traurig und schön, sehr schön, zugleich. Nein, eigentlich war es wunderschön. "Ich freue mich", sagte Ran leise, als müsse er es noch einmal wiederholen, als müsse er es ihnen beiden bestätigen. Nun... Schu zumindest schon. Dem Mann, der ihm so nahe war. Er spürte ihn direkt an sich, doch er hatte nichts dagegen. Denn das Einzige, was er fühlte, war Dankbarkeit. "Das ist so schön..." Fortsetzung folgt… Vielen Dank für’s Lesen. Bis zum nächsten Mal! Coco & Gadreel Diese und unsere anderen Geschichten findet ihr auch unter http://gadreel-coco.livejournal.com Viel Spaß beim Stöbern! Kapitel 6: HASELNUSS -------------------- VI: HASELNUSS Schuldig zog wie von allein seine Hand aus der Tasche und bettete sie an Rans unteren Rücken um diesen ein wenig mehr an sich zu holen. Innerlich hoffend, dass doch diese Tränenflut bald stoppen würde. „Tut dein Herz weh?“, wagte er eine ebenso kindliche Äußerung wie Rans: Das ist so schön. „…weil‘s so schön ist? Weinst du deshalb?“ Ein Fauchen, das zunächst ein Schnauben hatte werden wollen, antwortete Schu. "Ich weiß noch nicht einmal warum... es ist schön, wieso sollte ich da weinen?" Ran runzelte die Stirn, immer noch etwas steif in diesen Armen, in diesem Körperkontakt, der ihn nicht bedrohte, ihn stützte. Doch beides war für ihn unheimlich. "Es tut nicht weh... es tut gut. Ich freue mich darüber." Vielleicht hatte er das Falsche getan und seiner Intuition zu stark nachgegeben? Schuldig drückte Rans Schulter fest und löste sich dann von ihm. Er sollte Ran vielleicht nicht zu nahe kommen. Dieser schien solcherart Nähe nicht zu behagen. Und er wollte nicht schon wieder schlechte Laune in dem anderen hervorbringen. „Ich…habe nur deshalb gefragt“, erklärte Schuldig und seine Hände verschwanden wieder lässig in der Jeanstasche. „…weil ich das früher manchmal gehabt habe. Wenn mich etwas ganz arg gefreut hat, dann hat sich meine Brust innen stark zusammengezogen… ein Gefühl, als wollte ich überschäumen vor Glück und ab und an musste ich dann weinen. Aber das war ganz früher… irgendwann gab es dieses Glück nicht mehr“, lächelte Schuldig und wandte sich um, Richtung Tür. „Dann lass es dir schmecken, Ran, aber überfutter dich nicht, sonst bekommst du Bauchweh. Und… teil es dir gut ein, damit du länger etwas davon hast.“ Schuldig verzog sich hinaus aus dem Raum, der ihm zu klein geworden war. Zu viel Gefühl darin, aber auch zu viel Anstrengung mit dem Hauch von Ablehnung darin. Er musste vorsichtig sein. Das Fauchen hatte ihn wieder wachgerufen, obwohl es nichts Angreifendes war, aber es beunruhigte ihn… und dann dieser Blödsinn mit dem Umarmen… ‚…das hättest du auch sein lassen können’, schimpfte er sich selbst einen Narren. ‚Du weißt doch, wie ängstlich er ist.’ Ran wiederum sah Schu für einen Moment schweigend nach. Es schien, als hätte der Mann den Rückzug angetreten... mit einem Ratschlag noch, aber dennoch. Ran runzelte seine Stirn. Wovor floh der andere? Vor ihm? Ein warmes Gefühl beschlich ihn jedoch, als er an die Worte des Telepathen dachte. Auch ihm war bewusst, wie groß der Unterschied zur bisherigen Wortwahl des Mannes war, so als würde er einen Ratschlag geben, ohne erziehen zu wollen. Aber als wenn er alles hinunterschlingen würde, befand Ran für sich und wischte die Tränen von seinen Wangen. Er weinte nicht mehr, aber die Nässe fühlte sich seltsam an. Vor allen Dingen fühlte sich diese Feuchte seltsam an, da er nicht traurig war. Nein... aber er würde nicht schlingen. Schöne Dinge musste man sich lange aufheben, damit man noch lange davon zehren konnte. Ran setzte sich mitten in einen der Kissenhaufen und schlug die Beine unter, inspizierte jedes der Kissen, als ihm die Worte über das Glücklichsein wieder ins Gedächtnis kamen. Schu hatte von Gefühlen erzählt, an die auch er sich nur schwach erinnerte und von denen er nicht wusste, ob sie jemals wiederkamen. Doch, dass sie bei Schu verloren gegangen waren, machte ihn traurig. Ran sah auf das Kissen, welches er gerade auf seinem Schoß hatte und auf die Schokolade dort. Vorsichtig pflückte er sie ab und versteckte sie hinter seinem Rücken, um dem anderen Mann nachzustellen, den er auf dem Flur fand, gerade im Begriff, wieder in sein Arbeitszimmer zu gehen. Ran stellte sich in den Türrahmen und versperrte Schu das Weiterkommen. "Augen zu!", sagte er ernst. Schuldig war schon etwas verwundert als der rothaarige Kater angestrolcht kam und so geheimnisvoll tat, aber trotzdem war er leicht zu durchschauen. Schuldig hob die Brauen in gespielter Verwunderung, schloss jedoch die Augen wie es sich gehörte. Er wollte Ran nicht den Spaß verderben, denn dieser schien sehr feinfühlig zu sein was Stimmungen anbetraf. Schuldig vermutete, dass er seinen inneren Rückzug mitbekommen hatte und ihn aufmuntern wollte, was ihn wiederum gegen sich selbst aufbrachte. Er hätte es nicht ganz so offensichtlich machen sollen. Langsam hob sich die Schokolade, die er schon während des Gehens mühsam aus ihrer Packung befreit hatte. Er betrachtete sich das kleine Stück - war das eine Animefigur? - und hob es vorsichtig an Schuldigs Lippen. Er musste aufpassen wegen seinen Klauen, doch das bekam er jetzt ganz gut hin. "Meine Mutter hat mal gesagt, dass Süßes immer gut für das Gefühls-Bauchweh ist", sagte er, in Gedanken die Worte und die Gestalt seiner Mutter sehend. Ja, sie war seine Mutter, auch wenn er nicht in diese Familie geboren worden war. Sie hatten ihn aufgezogen, hatten ihm Liebe geschenkt... das war es doch, was eine Familie ausmachte, oder nicht? Schuldig linste offensichtlich mit dem linken Augen und hapste sich die Milchschokolade aus den Fingern zwischen seine Lippen. „Da hat deine Mutter nicht so Unrecht gehabt, dank des Serotonins“, musste Schuldig den schlauen Schuldig rauskehren und ein wenig angeben. „Danke“, lächelte Schuldig und ließ sich die Schokolade auf der Zunge zergehen. „Jetzt kann ich endlich eine Yu-Gi-Oh Figur mit meinen Zähnen zermalmen. "Yu-Gi-Oh? Was ist das?", fragte Ran, die Augen äußerst zufrieden darüber, dass die Schokolade ihren Weg gefunden hatte. Serotonin... er hatte schon einmal etwas davon gehört. Sie hatten sich darüber unterhalten, während sie ihre Tests durchgeführt hatten. Damals hatte er es für etwas Böses gehalten, heute war er sich nicht mehr so sicher. "Und Serotonin?" Sie standen noch immer auf dem Flur und gerade jetzt fiel Schuldig etwas ganz besonders heftig auf. Während er der Schokolade nachschmeckte und seine Lippe als Denkhilfe missbrauchte, war ihm etwas in den Sinn gekommen. Es stand ihm klar vor Augen. Er hatte keine Lust der Mentor, der Lehrer, oder gar der Vater … dieses Katers zu sein. Er wusste nicht was er wollte, aber DAS nicht. „Kennst du dich mit dem Internet aus?“, fragte er nach einer genauen Prüfung des Gesichts seines… Neuerwerbs. Der Gedanken des anderen Mannes unbewusst, schüttelte Ran nachdenklich den Kopf. "Ich denke... ich war damals in der Schule und zuhause oft im Internet." Seine Augen glitten über das Gesicht Schus, nahmen jede Regung auf, die sie erhaschen konnten. „Gut. Ab Morgen kannst du dann ins Internet, ich richte es dir so ein, dass du dich bequem zurecht findest und man nichts hierher zurückverfolgen kann. Du bekommst deine eigene E-Mailadresse und dann kannst du deine Fragen ab sofort im Internet mit Antworten befriedigen. Allerdings… stimmt auch nicht alles, was dort so geschrieben steht. Wie steht dir der Sinn nach Büchern?“ Schuldig wollte hinunter in die Küche und ging schon einmal vor, wenn Ran weiter sprechen wollte würde er schon nachkommen. „Du könntest dir Bücher oder Hörbücher bestellen, über bestimmte Themen. Du hast schließlich einiges aufzuholen.“ Das hörte sich alles zu schön an um wahr zu sein. Lernen, Bücher und Hörbücher bestellen, eine eigene E-Mailadresse... Ran wusste im ersten Moment nicht, was er mit soviel Selbstständigkeit anstellen sollte. Zunächst schien es beängstigend, dann jedoch freute er sich... unbändig. Nur dass es sich bei ihm ausschließlich in seinen Augen äußerte. Er kam Schu hinterher, war ein weiteres Mal auf den Fersen des Telepathen "Ich möchte mir viele Bücher bestellen...", sagte er vorsichtig. Was sie zum nächsten Punkt brachten. Schuldig beäugte das freudige Glitzern in den violetten Augen und lobte sich selbst, wenn auch vorsichtig. „Ja das kannst du. Aber… du weißt doch sicher, dass man dafür Geld braucht, nicht?“, fing er langsam an und machte sich einen Kaffee. „Willst du auch etwas? Tee? Heiße Schokolade? Kaffee?“ Ran sah auf den Rücken des Mannes. Das war also der Haken. Natürlich konnte er sich ohne Geld nichts bestellen. Da er kein Geld hatte, gestaltete sich das Bestellen also als schwierig. Es sei denn... "Was muss ich tun für das Geld?", fragte er und verschränkte die Arme, sah einen kurzen Moment auf seine Krallen hinab, bis er sie unter seinen Armen versteckte. Schuldig zuckte mit den Schultern und machte sich seinen Kaffee weiter. „Keine Ahnung, das weiß ich auch nicht. Aber ich glaube nicht, dass es dir auf Dauer was bringen wird, wenn ich dir das Geld gebe. Klar wäre es unfair, denn ich habe das Geld, so ist es nicht. Ich würde es dir auch gern geben, mir ist Geld egal. Bis uns etwas Neues einfällt, könntest du einen Teil der… vielleicht Gartenpflege übernehmen, oder den Haushalt, wir teilen uns den Haushalt und du bekommst dafür Geld. Monatsgeld, wie jeder andere Mensch auch, der arbeiten geht. Krankenversicherung und Sozialversicherung inklusive, die ich stelle, ich bin ja dein Arbeitgeber. So schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Du lernst ein paar Sachen wieder… alltägliches, damit du später auch alleine zurecht kommst und hast dazu noch das Gefühl, etwas selbst erarbeitet zu haben. Wenn uns etwas Besseres einfällt, können wir das ja noch ändern. Gartenarbeit ist schwerer und gibt natürlich mehr Geld. Oder Botengänge später… alleine nach draußen… gibt Zuschläge, können wir alles schriftlich festhalten und einen Plan ausarbeiten. Was hältst du davon?“, fragte er nachdenklich. Ran schwieg ebenso nachdenklich und nahm sich eine Tasse Kaffee, schüttete sie vorsichtig ein. Dieses Mal gelang es ihm ohne etwas zu verschütten, auch wenn sein Herz freudig klopfte anhand dieser Aussichten, die sich ihm boten. Arbeit... Normalität... Bezahlung. Es war ein Anfang, oder? Oder war er dadurch abhängig von Schu? Aber es war ein Anfang! Er konnte später vielleicht immer noch richtig arbeiten gehen. Vielleicht. "Das klingt gut", nickte er schließlich und nahm einen Schluck des bitteren Getränks. Schuldig schenkte sich selbst auch ein und setzte sich mit seiner Tasse an den Küchentisch, draußen schien die Sonne und warf durch die Vorhänge ihr warmes Licht auf das Kirschholz des Tisches. „Gut. Jetzt will ich deine Bedenken hören, die du hast. Denn die müssen wir ehrlich miteinander besprechen. Es wird ohnehin schwer für uns beide, wenn du hier bist, verstehst du das, Ran?“ Sie mussten das von Anfang an richtig anpacken, sonst bekamen sie längerfristig Probleme. Und er hatte keinen Bock auf Stress. Rans Blick ging ins Nichts, als er überlegte, wie er seine Gedanken am Besten in Worte fasste. Schließlich seufzte er auf. "Ich werde abhängig von dir sein... dann. Sehr abhängig." Schuldig sah zu dem Stehenden auf und dann wieder auf seine Tasse zurück. „Ja, das stimmt. Aber das ist man immer in einem Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgeber hat einen in der Hand, man kriegt miese Arbeiten, oder den Lohn gekürzt oder man darf nicht krank sein und muss sich zur Arbeit schleppen. Aber du kannst kündigen. Und wir beziehen diese Arbeitsregelung ja nicht auf deine Dinge, die du zum Leben brauchst, Ran.“ Er lächelte traurig. Aus einem Impuls heraus hätte er den Kater jetzt näher an sich gehabt, aber… warum das so war, verdrängte er besser schnell. Vielleicht weil er ihm die Angst nehmen wollte? Denn er selbst hasste Abhängigkeit wie die Pest. „Es geht doch nur um die Bücher, nicht? Das Essen, die Naschereien“, Schuldig zwinkerte, „Kleidung, und was du sonst noch brauchst kriegst du von mir, ist doch klar. Schließlich hab ich dich dort rausgeholt und sorge jetzt für dich.“ Glaubte er zumindest. „Wir haben ja gesagt, das geht solange, bis du selbst klarkommst und auf eigenen Beinen stehst, dann kannst du natürlich auch weg von hier. Du bist nicht bis in die Ewigkeit an mich gebunden, Kleiner“, grinste er nach oben, aber das breite Lächeln erreichte nicht ganz seine Augen. Das Dumme war, er gewöhnte sich an den Strolch… "Schokolade brauche ich zum Leben", war das Erste, was Ran wichtiges... oder vielleicht auch weniger wichtiges zu dem Thema einfiel, bevor er einen erneuten Schluck Kaffee nahm. Irgendwie schmeckte er nicht. Zumindest schmeckte er sicherlich schlechter als die Schokolade. Ran sah nachdenklich aus dem Fenster. Solange, bis er auf eigenen Beinen stehen konnte, danach konnte er gehen, wenn er wollte. Es klang fair und gut und er war mehr als versucht, das Angebot anzunehmen. Es würde ihm gut tun. Ganz sicher. "Und was sagt dieser... einsame, alte Mann dazu?", fragte er nach einer kurzen Pause, den Blick nun direkt in Schus Augen gerichtet. Der momentan etwas überfordert mit der Frage war. „Meinst du… Brad?“, lachte er und schüttelte den Kopf. Seine Hände waren um die warme Tasse gewickelt und er nahm einen Schluck. „Erstens ist er nicht wirklich alt, er tut nur so als ob er weise und gesetzt ist. Das haben Hellseher so an sich. Zweitens bei dem Frauenverschleiß, den er hat… ist er höchstens im Herzen einsam. Stimmt. Wie konntest du das so schnell herausfinden?“ Er grinste und zwinkerte. „Aber mal im Ernst. Das Essen und alles was dazu gehört… auch die Schokolade kriegst du …ist doch klar. Außer du wirst fett“, setzte er kritisch an. „Dann wird sie gestrichen.“ "Dafür ist mein Stoffwechsel zu gut ausgeprägt", erwiderte Ran mit entwaffnender Ehrlichkeit, nicht wirklich begreifend, dass Schu ihn nur auf den Arm nahm. Also dieser komische Mann war ein Hellseher... auch jemand mit Kräften. Das war erschreckend zu erfahren, zu wissen. Doch er meinte jemand anderen. "Ich meinte meinen... Käufer", entkam ihm nun doch ein Schnauben, und sein Blick brannte sich in den schwarzen Kaffee vor ihm. Shit. Daran hatte er nicht mehr gedacht. Keine Millisekunde mehr. Er glotzte Ran an. Und als er es merkte, stand er sich unwohl fühlend auf und löste dieses Glotzen, um sich Kaffee nachzuschenken. Der ja noch voll in der Tasse schwappte wie ihm gerade seine Hand meldete, die die obere Hälfte abbekam. Fluchend stellte er die Tasse ab und hielt seine Hand unter das kühle Nass welches aus dem Wasserhahn kam. „Nichts. Was soll der schon groß sagen. Das ist ja nur ne Abmachung, solange du bei uns bist“, haspelte er. Ran war zu sehr instinktgeprägt, als dass ihm die Anzeichen von seltsamen Verhalten nicht entgegenspringen würden. Die Art, wie Schu ihn ansah, wie Verständnislosigkeit in seinen Augen stand, wie er diese Verständnislosigkeit mit einer Geste zu überdecken versuchte. Doch die Tonlage war es, die für Ran das Entscheidende war. Schu war selten so unsicher gewesen wie jetzt. Dieser Mann würde sicherlich wissen wollen, was er machte. "Ironie ist es nicht... Wahrheit auch nicht... Schu." Seine Stimme war ruhig, forschend, fragend. Er wollte dieses Gespräch nicht. Nicht jetzt. Nicht, wo alles so gut zu laufen schien. „Hör zu, der Alte… dem ist das doch egal, was wir hier machen. Der Deal lautet, dass du solange hier bleibst, bis du in dein eigenes Leben zurückgefunden hast. Wie wir dahin kommen ist ihm doch egal.“ Was für eine bescheuerte Lüge und dazu noch ziemlich wenig mit Fakten geschmückt, was sonst ja schon seine Art war. Wenn Lügen, dann gescheit. Aber so halbscharig? Nicht sein Stil. Aber auch nicht seine Gefühlswellenlänge heute. Nicht mit diesen violetten Augen, die einem mit einem Blick… direkt ins… Herz schossen. Er hatte Ran deshalb auch tunlichst nicht angeschaut. "Du hast mir dabei nicht in die Augen gesehen", sagte Ran ohne Wertung, einfach nur als Feststellung. "Beim ersten Mal hast du mir dabei in die Augen gesehen." Als er ihm zum ersten Mal gesagt hatte, dass er ihn verkauft hatte. Oder... als er die Schusswunde versorgt hatte und Schu ihm von potenziellen Käufern erzählt hatte. „Ja na und?“, meinte Schuldig geringschätzig, fühlte sich aber nicht in der Lage, die simpelste gespielte Kälte in sich heraufzubeschwören, das Abfällige. Es ging nicht. Dazu hatte sich Ran heute zu sehr über seine Schleifen und seine Schokolade gefreut. Wann hatte sich das letzte Mal jemand über ein so blödes simples Geschenk von ihm gefreut? Er sah kurz auf. „Was willst du eigentlich? Was hast du davon wenn der alte, einsame Sack weiß, dass du deine Brötchen hier auf gerechte Art und Weise verdienst? Willst du ihn etwa auch noch kennen lernen? Hast du keine Angst, dass er dich dann da behält und du ihm die verrunzelte, alte, kalte Hand küssen darfst?“ Okay, jetzt wurde er fies. Resignierend ließ er sich auf den Stuhl zurückplumpsen und starrte missmutig in seine Tasse, nahm trotzig einen Schluck. Das brachte Ran dazu zu schweigen und gedankenlos aus dem Fenster zu starren. Schu hatte Recht mit dem, was er sagte, wenn es nicht so gewesen wäre, dass der andere ihn erst an diesen anonymen Mann verkauft hatte. Dass der Ton des anderen nun an Schärfe gewann, war nicht verständlich für Ran, also ließ er das Thema fallen. Zumindest verbal, denn seine Gedanken schrieen auf die Frage, ob er ihn kennen lernen wollte, ob er seine Hand küssen wollte, ein lautes Nein. Immer wieder nein. Er wollte frei sein. Das würde er sein... wenn er soweit war und dafür musste er arbeiten. "Wie heißt der Mann?", fragte er schließlich, nachdem er sich einen Ruck gegeben hatte. Es... demütigte ihn, darüber zu sprechen. „Gabriel noch was… keine Ahnung, wir kennen nur den Namen, den er uns mitteilt“, murmelte Schuldig sah Ran dabei immer noch nicht an. „Können wir das Thema jetzt beenden? Ich hatte vor, dich glücklich zu sehen nach diesen Daten. Je weiter du bohrst, desto weniger wird das, was rauskommt, dir schmecken.“ Er brummte jetzt langsam wirklich beleidigt. Dieser blöde, verlauste Straßenkater, er hätte ihn irgendwo aussetzen sollen, meckerte er innerlich. Irgendwo… an einer lauschigen Autobahn, irgendwo anbinden… bis jemand kam und ihn mitnahm. Ins Tierheim. Zu Greenpeace. Oder so. "Ich freue mich über dein Geschenk", stellte Ran richtig, sich der Gedanken des anderen Gott sei Dank nicht bewusst. "Das habe ich nicht erwartet und es hat mich überrascht." Er stellte seine Kaffeetasse ab, die nur noch einen kleinen Rest des bitteren Getränks enthielt. "Ich freue mich aber nicht darüber, dass du mich verkauft hast wie einen Gegenstand." Wie ein Tier... Seine Stimme war ruhig, selbst für ihn, sie stellte klar, wertete äußerlich nicht. Innerlich jedoch wusste Ran, dass die kleinen Geschenke diese Entmenschlichung nicht aufwiegen konnten, nicht, wenn er sie in Verbindung stellte. „Und was hätten wir tun sollen? Dich an die Waffenindustrie weiterreichen, ohne einen Verkauf? Weiterreichen im Sinne von Freilassen? Denn die ersten, die dich unter Beobachtung hatten war die Waffenlobby in den USA. Du wärest exakt für fünf Minuten draußen frei gewesen. Auf der Straße? Bis du jemanden getötet hättest, nicht fähig, normale Kontakte zu schließen oder dich anders als mit Kämpfen zur Wehr zu setzen? Bis die erste Kugel dich erwischt hätte?“ Er nahm erneut einen Schluck. „Weißt du… ich habe es immer gehasst wenn die Jungs aus den oberen Klassen die Katzenbabys ersaufen wollten. Irgendwie dachte ich wohl, ich kann dich da nicht unten lassen, damit du verreckst.“ Es waren bittere Worte, genauso bitter wie der Kaffee, der zwischen seinen Händen klemmte. „Es tut mir leid, dass es dir hier nicht gefällt. Aber momentan habe ich nichts Besseres für dich.“ "Es gefällt mir hier... es ist das Einzige, wo ich bleiben kann", erwiderte Ran. "Aber ich verstehe nicht, wie du in der Lage bist, Geld mit mir zu machen, mich zu verkaufen wie Vieh und mir dann... SOLCHE Geschenke zu machen!" Ran war lauter geworden, verzweifelter auch. Seine Augen brannten vor Feuer, das in ihm schwelte ob diesen Zwiespalts. „Herrgott nochmal!“, rief Schuldig wütend, ein wenig verzweifelt auf und die Tasse landete samt Inhalt auf dem Boden. Ton traf auf die Fliesen und spritzte in vielen Splittern auf. Er hasste solche Situationen. „Ich habe dich gekauft. Und geht’s dir jetzt besser mit dieser Information? Dann hast du jetzt wenigstens jemanden, den du persönlich hassen kannst, ist das schöner für dich?“, blaffte er und wandte sich vor Wut bebend ab. „Und weißt du, warum ich es dir nicht sagte? Weil ich es nicht ausstehen kann, wenn man mich jeden Tag hasserfüllt ansieht. Kapierst du das?“ Ran lauschte auf die Worte, die für ihn zunächst keinen Sinn ergaben, weil sie zu abstrus schienen... zu widersprüchlich zu dem, was er sich bereits zurechtgelegt hatte. Schu war... Schu war derjenige? Aber wieso? Wieso war es NOCH nötig, ihn zu kaufen, wenn er sich schon hier befand? Er verstand es nicht, verstand diesen grausamen Akt nicht. Was er auch nicht verstand, war Schus Abneigung gegen diesen Hass. Jemand, der wie sie so ruchlos war, wieso konnte er dem nicht standhalten? Was bezweckte Schu damit? "Alter, einsamer Mann...", schnarrte Ran, die Stimme eine Mischung aus menschlichen Worten, Knurren und Fauchen. "...was bezweckst du damit? Oder ist das eine Lüge, damit ich still bin?" Eben jene letzten Worte entsprachen dem Zweifel, der auf kleiner Flamme in Ran köchelte. Doch insgeheim wusste er, dass Schu die Wahrheit sagte. Schuldig hörte dieses Fauchen und es machte ihm Angst. Es bereitete ihm Sorge. Gott… warum hast du mir nicht mehr Hirn gegeben…dann wäre ich ruhig gewesen und hätte eine bessere Lüge gehabt. „Nein. Oder schmeckt dir die Wahrheit nicht?“ Er wandte sich nicht um, spürte aber die drohende Präsenz in seinem Rücken. "Mir würde die Wahrheit so oder so nicht schmecken, egal ob du nun der Käufer bist oder irgendjemand anderes. Ich bin kein Gegenstand, mit dem man handeln kann. Die Frage ist aber, ob DU die Wahrheit verträgst, wenn du mir noch nicht einmal sagen kannst, dass DU derjenige warst." Schu hatte ihn angelogen, mehrfach und Ran wusste nicht mehr, was er glauben oder nicht glauben konnte. „DU willst kein Gegenstand sein. Aber du bist einer“, lachte Schuldig freudlos auf über soviel Naivität. „Und du wirst immer einer sein“, fügte er bitter an und seine Stimme wurde leiser als er seine Arme verschränkte. „In den Augen derer, die dich für ihre Zwecke wollen. So läuft das nun mal im Geschäft. Jeder der etwas aufzuweisen hat, das die Normalsterblichen nicht haben… jeder von denen ist interessant für solche Typen. Entweder sie verschleppen dich, oder sie produzieren dich, manipulieren dich… ja oder kaufen dich. Kaufen dich auf die eine oder andere Art. Nicht immer so plakativ wie in deinem Fall.“ Er blickte Ran an und Schuldig wappnete sich gegen Wut und Unverständnis, denn er musste sich auch gegen den Hass wappnen. Wie lange er das aushalten würde, wusste er nicht. „Die Wahrheit… vertrage ich. Glaub mir. Aber ich ertrage es nicht jemanden 24 Stunden um mich zu haben in meinem Rückzugsort, an dem ich mich wohl fühle und an dem ich schutzlos bin, der mich hasst. Da kann ich mir gleich die Kugel geben.“ Genau in dem Moment, in dem Schu ihm sagte, dass er für die Normalsterblichen ein Gegenstand sein würde... immer, ohne Ausnahme, wusste Ran, dass er für sich ein Mensch und ein Lebewesen bleiben würde und dass ihm dieser Stolz niemand nehmen konnte. Niemand. Das verriet auch sein Blick, der sich kurzzeitig mit einer Kälte überzog, die weder vergleichbar mit seinem Hass, noch mit seiner Wut, noch mit seiner Unschuld war. Es war die Kälte des Kämpfenden, der noch nicht aufgegeben hatte. "Keine Sorge... Hass fühle ich nicht für dich." Nein, momentan war es Eiseskälte, Wut, die ihn gefror. "Warum hast du das getan? Um ein Haustier zu besitzen, zu kaufen und bei sich zu halten?" Eins. Zwei. Drei. Vier. Fünf. Sechs. Sieben. Acht. Neun. Zehn. Tief Luftholen, mahnte sich Schuldig. Zählte ein weiteres Mal bis zehn, bis er sich soweit im Griff hatte, dass er sich ruhig zu Ran umdrehen konnte ohne erneut zu schreien. Du bist doch nicht auf den Kopf gefallen, sprach er sich Mut zu. Regel das so wie du es sonst auch regelst, verdreh ihm mit Worten den Kopf, rede ihm irgendetwas ein. NEIN. Das war eine andere Stimme und als er Ran anblickte, war sein Blick ruhig und er fühlte auch wie die Ruhe in ihn zurückkehrte. „Du hörst nicht zu. Das, was du hier von dir gibst, zeugt davon, dass du nur das hörst was du hören willst. Geh. Wenn du gehen willst, dann geh. Die Tür steht dir offen. Falls du es vergessen hast. Ich… lebe hier aus gutem Grund alleine. Und ich habe dich nicht hierher geholt, weil ich ein Haustier brauche, damit ich nicht einsam bin. Wenn ich eins gewollt hätte… hätte ich mir eins gekauft.“ "Dann verstehe ich nicht, wieso du mir Geschenke machst, mich... umarmst und doch Geld für mich bezahlst, als wäre ich ein Ding", zischte Ran mit kalter Wut, seine Zähne gebleckt. "Was bezweckst du damit?" Er trat näher an den anderen heran, die Augen Funken sprühend. "Du weißt ganz genau, dass ich gehen will, es aber nicht kann. Ich würde mich da draußen nicht zurechtfinden, nicht wahr? Das hast DU gesagt!" Schuldig ließ sich von Rans tierischem Gebaren nicht irritieren, auch wenn es ihm unwirklich vorkam. Es passte nicht zu einem Menschen. Diese konnten zwar auch tierische Gesten nachahmen, aber nicht derart perfekt. „Kommst du in deinem kleinen Hirn nicht darauf, dass ich dich beschützen will? Dass ich dachte, dass du es bei mir vielleicht besser haben wirst, als bei denen? Passt das nicht in dein Gesamtbild von mir, das du dir gemacht zu haben scheinst?“ Auch Schuldig konnte zynisch sein. Sehr sogar. Ran konnte zwar mit dem Ton nichts anfangen, der ihn unmerklich zurückweichen ließ, weil er seine Ohren verätzte, doch die Worte, sie drangen zu ihm durch. Sie waren es, die ihn erreichten und über die er so nicht nachgedacht hatte. Er hatte ihn gekauft, weil er ihn schützen wollte? Es klang logisch... angesichts dessen, welchen Wert er für manche betrug. Doch... "...ich verstehe nicht, wieso du mich kaufen musstest. DU warst es schließlich, der mich hierher gebracht hat." Rans Stimme war schon ruhiger, wenn auch noch nicht ganz befreit von den tierischen Einflüssen in ihr. Die Schuldig noch wahrnahm. Dieses aufgekratzte, noch raue Timbre hörte Schuldig sehr deutlich heraus. „Du gehörst jemandem. Verstehst du nicht? Du bist ein Produkt der Firma Lycotech. Eine Waffe. Glaubst du die Regierung lässt eine Waffe frei herumlaufen? Jemand, der unberechenbar ist? Wir haben im Auftrag der Regierung gehandelt um das Labor und alles, was dort existiert, zu eliminieren. Dumm nur, dass ich dich nicht tötete. Wir verschwiegen deine Existenz und Brad wollte dich an den Meistbietenden verkaufen um dich loszuwerden. Denn früher oder später werden sie dich entdecken. Was sie schlussendlich auch hatten. Viele Seiten bekundeten ihr Interesse. Also machten wir einen Deal. Ich wollte dich nicht verkaufen. Die Regierung wollte dich haben für…Wiedereinführungsmaßnahmen, wie sie es nannten. Davon halte ich nichts.“ Schuldig schnaubte. „Ich bot ihnen eine große Summe an und ging einen Deal ein, dich soweit wieder herzustellen, damit du keine Gefahr für die Öffentlichkeit bist. Das war die Bedingung. Keine Ausbildung zum Killer. Keine Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Stillschweigen. Dafür hast du ein einigermaßen normales Leben. So war der Plan. Nachdem ich dich gekauft hatte, ließen die anderen Händler nach einiger Zeit ab.“ Schuldigs Kiefer malmten. Aus Wut, aber auch aus Bitterkeit. Er war zu müde für diesen ganzen Scheiß. Ran schwieg. Das war eine Erklärung... auch eine, der er Glauben schenkte. Dennoch schloss er mit dieser unheimlichen Kälte in sich in diesem Moment den Pakt, jeden zu töten, der meinte, Besitzansprüche an ihn stellen zu können. Er war ein Lebewesen, nicht hundertprozentig ein Mensch, aber er war frei. Wer das in Frage stellte... Ran hatte Angst vor weiteren Versuchen, ja. Aber er würde sich nicht kampflos fangen lassen, wenn er weg von hier war, alleine, auf sich gestellt. Kritisch musterte er den anderen und setzte sich schließlich in Bewegung, trat an Schu vorbei, wollte sich in Richtung Treppe aufmachen. Er musste nachdenken. „Blöde Katze“, schickte er Ran hinterher, allerdings erst als dieser schon im ersten Stock war. Nach ein paar Minuten des sinnlosen Herumstehens holte er Besen und Schaufel und bereinigte seinen kleinen Wutanfall samt Tassenresten. Danach schnappte er sich ein kleines Kissen, samt Fleecedecke und ging hinaus auf die Terrasse, legte sich in die Hängematte und kuschelte sich ein. Er brauchte Ruhe um die Worte dieses Balges nicht allzu sehr an sich heran zu lassen. Und dazu den Nachmittag hier zu genießen war sehr angenehm. Zumindest redete er sich dies ein. Ran streunte währenddessen in sein Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Er wusste nachdenken, sich darüber bewusst werden, was Schu gerade gesagt hatte. Welcher Platz war dazu besser als das Bett, nur dass es gerade von lauter geschmückten und mit Süßigkeiten gespickten Kissen belagert war! Ran grollte und setzte sich in mitten dieser kleinen Aufmerksamkeiten, in der vollen Absicht, eines dieser Kunstwerke zu zerfetzen. Seine klauenbewehrten Finger waren gekrümmt und näherten sich dem bunten Kissen - welches er als erstes gesehen hatte, als er hier zu sich gekommen war - hielten dann jedoch ein. Jedes Kissen hier war ein Geschenk, an ihn, von einem Fremden. Von einem völlig Fremden, der ihn hier wohnen ließ, ihm ein normales Leben ermöglichen wollte... sein Zeigefinger legte sich auf die Süßigkeit. Es war mehr, als ihm jemand in den letzten fünf Jahren geschenkt hatte. Er hatte in dieser kurzen Zeit mehr Gutes erfahren als bei ihnen. Ran verschränkte die Arme und saß inmitten seiner, ja seiner Kissen, und hatte die Stirn stürmisch zusammengezogen, während er sich alles noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Derweil gammelte Schuldig in seiner Hängematte ab. Ja man konnte es genau so sagen. Ein Bein hing baumelnd herab, die Kuscheldecke um sich geschlungen, das Kissen unter dem Kopf, dunkle Gläser verbargen seine Augen, denn nun spitzte langsam die Abendsonne über sein Lager und wärmte ihn zusätzlich. Das Rauschen der Bäume lullte ihn ein und er seufzte tief. Da hatte er sich ja was eingefangen. Einen Vogel mit einem gebrochenen Flügel. Aufgelesen. Weil er zu bescheuert war um an dieser kleinen Katastrophe vorbeizugehen. Er hätte die Augen verschließen sollen. Dann wäre die Katze samt ihrer blöden, lilanen Augen abgesoffen. Wieder ein theatralisches Seufzen, das sich eher wie ein unwilliges Brummen anhörte. o~ Es dauerte seine Zeit, bis Ran sich wieder aus seiner Position löste und nun wirklich zu dem Schluss gekommen war, dass er Schu glauben konnte was dessen gute Absichten anging. Er sollte es versuchen, das normale Leben und er wusste auch schon, was ganz besonders dazu gehörte. Sich langsam erhebend streunte Ran aus dem Zimmer heraus nach unten. Dort griff er sich das Buch, das er sich in den letzten Tagen immer mal wieder angesehen und durchgeblättert hatte, nahm es mit sich in die Küche. Sorgsam suchte er sich die gewünschte Seite, schlug sie auf und legte das Buch auf die Anrichte. So stand er nun vor den Schränken und überlegte, wo nun was gelagert wurde. Wo was war, das er für sein Vorhaben brauchte. Zumindest hörte es sich in diesem Kochbuch einfach an. Er fing mit dem Kühlschrank an. Für die nahende Katastrophe hatte Schuldig jedoch kein Ohr. Er döste vor sich hin, hörte zwar wie aus weiter Ferne Geräusche, doch es waren die typischen Geräusche, die gemacht wurden wenn jemand in der Küche werkte. Es fehlte die Dringlichkeit darin um ihn gänzlich wach werden zu lassen. Er fühlte und hörte seine eigenen Atemzüge und war gänzlich entspannt. Ran stellte fest, dass Fleisch schneiden gar nicht so schwierig war, auch wenn er den unterschwelligen Drang verspürte, das rohe Fleisch mit seinen Zähnen zu reißen. Auch ein Test, den sie mit ihm gemacht hatten.... ob er rohes Fleisch aß, wenn er hungrig genug war. Ob er es wie ein Tier riss. Dieses hier musste jedoch mariniert und gebraten werden. Ran sah auf die kleine Schüssel voll von Teriyaki-Sauce, die er sorgsam gefüllt hatte, und legte vorsichtig die mundgerechten Stücke hinein, bevor er einen Blick auf die Pfanne warf und sich fragte, ob das Öl schon heiß war. Es rauchte leicht... vielleicht ja? Er hielt seine Hand über die Pfanne und stellte sie flugs von der Herdplatte. Das weitere Problem, was sich ihm hier stellte, war jedoch das Gemüse. Laut der Anleitung sollte er Dinge nehmen, die Schu nicht im Haushalt hatte, also war er auf andere Gemüsearten umgestiegen, wusste nun aber nicht, wie er sie zubereiten sollte. Vor allen Dingen den grünen Blumenstrauß - zumindest sah es so aus - von dem er nun ein Stück abbrach und es sich in den Mund steckte. Keine Sekunde später verzog er das Gesicht vor Ekel und schluckte es hinunter. Vielleicht konnte man es kochen? Vielleicht sollte er es in das schon seit geraumer Zeit kochende Wasser tun? Er runzelte die Stirn und legte es vorsichtig in das Wasser. Wie gut, dass der Topf groß genug war. Und das andere Gemüse? Einiges davon kannte er... anderes aber auch nicht. Sollte er alles in das Wasser tun? Ja, er tat alles in das Wasser und sah mit kritischem Blick zu, wie es vor sich hin brodelte, bevor er auf die Idee kam, die Flamme etwas kleiner zu stellen. Auch wenn Ran es nicht gerne zugab, so kamen seine Erinnerungen an die Zeit vor dem Labor nur langsam und momentan noch spärlich zurück. Das, was er damals mit seiner Mutter gekocht hatte, war wie durch eine Blockade geschützt und so musste er sich auf dieses Buch und die Zeilen verlassen, die ihm den Weg zeigten... oder auch nicht. Nach zehn Minuten goss er das Gemüse ab, in der Hoffnung, dass es nun gar war und gab die Fleischstücke vorsichtig in die Pfanne und stellte die Kombination auf den Herd. Er wich zurück, als ihn die ersten Fettspritzer trafen und grollte empört. Abwartend stand er vor der Pfanne, bis er sich getraute, die Hähnchenstücke umzudrehen. Sie waren leicht angebräunt von der andere Seite, daher vermutlich auch der etwas strenge Geruch, befand Ran und gab das Gemüse dazu. Die Mischung wiederum braten lassend, warf er schließlich einen Blick auf die Riege an Gewürzen, die er dort stehen hatte. Leicht angeschärft, hieß es in der Beschreibung. Eine kleine oder größere Prise Chili, etwas Pfeffer, Sambal Olek, dazu noch etwas Teriyakisauce. Ran versuchte vom ersten eine Prise zu nehmen, nur gelang ihm das nicht so ganz... es waren gleich mehrere, wie er befürchtete, als ihm das Gewürz von ungeschickten Fingern fiel. Er rührte es unter, in der Hoffnung, dass es nicht allzu scharf war und war nun vorsichtiger, bis er es schließlich wagte, die Pfanne vom Herd zu stellen und sich das Ergebnis anzusehen. Eine sanfte Brise brachte das kulinarische Gesamtwerk an Schuldigs Riechkolben, dessen Besitzer nun tatsächlich seine Lider hob und sich vorsichtig und geschickt zur Seite drehte, damit er in das Haus sehen konnte. Einen kleinen Einblick in die Küche konnte er erhaschen, aber nicht viel. Da versuchte sich wohl die blöde Katze als Koch, unkte er und rollte innerlich mit den Augen. Rasch ging er im Kopf alle Impfungen durch um sich sicher zu sein, dass er auch gegen alle Möglichkeiten gewappnet war. Sofern er überhaupt etwas vom Essen abbekam, hieß das. Ran holte sich in der Zwischenzeit einen Teller aus dem Schrank, nahm nach kurzem Überlegen noch einen zweiten dazu, ebenso wie er sorgfältig Stäbchen daneben legte. Mittlerweile ging es wieder mit dem Essen, er war nicht mehr ganz so ungeschickt. Aber saubermachen gefiel ihm immer noch nicht und er hatte ein ordentliches Chaos hier hinterlassen. Das er aber erst später wegmachen würde! Schuldig knautschte sich sein Kissen in eine bequeme Form und stieß die Hängematte erneut an um sich schaukeln zu lassen. Die Sonne wärmte seinen Rücken angenehm warm und er schloss erneut die Augen. Sah ja nicht so aus als ob das bald was werden würde, resümierte er und erwog nach dem Kochprofi zu schauen. Aber es blieb bei der Erwägung, den sein internes Gremium beschloss, dem Vorschlag nicht stattzugeben. Ran wollte kein Besitz sein, also sollte er auch selbst für sich aufkommen. Schuldig hatte es angekotzt, noch immer. Die Worte die Ran ihm an den Kopf geworfen hatten, schmerzten sehr und er war nicht gewillt ihm momentan innerlich zu verzeihen. ‚Er weiß doch gar nicht was er gesagt hat. Er war wütend und da ist das nur zu verständlich’, mühlte sein Gewissen ihm vor, bevor er es ausblendete. Als wenn er sich jemanden als Haustier halten wollte. Ja, er war beleidigt worden. Sehr sogar. Ran wollte schon aufgegeben und sich an den Tisch setzen, als er den anderen Mann draußen in der Hängematte sah. Er betrachtete ihn sich einen Augenblick lang, bevor er die Terrassentür anstrebte und sie öffnete. "Ich habe Essen gekocht", sagte er in die Stille der rauschenden Bäume hinaus und drehte sich wieder um. Wenn man das Essen kochen nennen konnte. Zumindest gab es etwas, das daraus entstanden war. Wie es nun schmeckte, das wusste Ran noch nicht. Mit skeptischem Blick verteilte er die Menge auf beide Teller, Schuldig weit mehr gebend als ihm selbst, und stellte sie auf den Tisch. Noch bevor Schuldig etwas sagen konnte war der Kater auch schon wieder weg. Auch gut, dachte Schuldig missgestimmt und brütete vor sich hin. Und…? Was sollte er nun mit dieser Information anfangen? ‚Ja schön, dass du Essen gekocht hast.’ Noch einen Moment lang auf Schu wartend und hin und wieder auf den anderen Mann schauend, schüttete sich Ran erneut Wasser nach und trank es auf, bevor er seinen Blick auf das Essen richtete, das vor ihm stand... und auf den Teller, der auf Schus Platz darauf wartete, gegessen zu werden. Doch anscheinend wollte der andere Mann nicht kommen, so wie er dort liegen blieb und sich nicht rührte. Vielleicht hatte er schon gegessen oder wollte einfach nicht, weil er gekocht war oder weil er hier saß. Ran überlegte. Nach ihrem Streit war es sicherlich letzteres, also war es wohl besser, er ging. Sein Blick glitt zur Anrichte. Jetzt musste er doch saubermachen, denn er wollte das Chaos hier nicht zurücklassen, wenn er wieder nach oben ging. Er erhob sich erneut und nahm aus der Spüle den Lappen, entschied sich um und räumte erst die Gewürze weg, dann die leere Flasche der Marinade. Den Rest steckte er zurück in den Kühlschrank und griff sich dann das Stück Stoff um sauber zu machen. Schuldig rappelte sich dann doch noch auf und setzte sich auf. Er streckte seine faulen Glieder und beschloss, sobald seine Wunde verheilt war, sein Training wieder aufzunehmen. Zeit wurde es. So ging es nicht weiter. Decke und Kissen wurden wieder mit nach drinnen genommen, als er in die Küche kam und feststellte, dass es so schlimm - wie befürchtet - gar nicht aussah. Eine Pfanne stand noch da in der eine kleine Spülschaumkrone im Fettwasser dahinschwomm und Seerose für Arme spielte. Die Anrichte und der Herd waren mit Spritzern bedeckt, die der Koch wohl versucht hatte wegzuwischen, die aber noch fettig glänzten. Und da stand noch ein Teller mit Gemüse… bei näherer Inspektion sogar mit Fleisch. Ob das sein Teller war? Schwer zu sagen. Dennoch stibitzte er sich ein Brokkoliröschen, welches fast sofort zerfiel, als er es zwischen die Finger nehmen wollte. „Hölle“, schluckte er geräuschvoll das verwürzte Teil Gemüse hinab. Zu viel von allem. Was hatte der Kerl da reingetan? Terpentin? Unfreiwillig musste er schmunzeln. Immerhin hatte der Kater es versucht. Über diesen Gedanken fing er an, seine Küche wieder in einen annehmbareren Zustand zu versetzen, umhüllte den Teller samt dem Attentat darauf mit Folie und packte es in den Kühlschrank. Vielleicht war es ja doch eher für den Kater. Und vielleicht schmeckte es diesem ja und er war anderes Essen gewohnt. Oder er brauchte anderes Essen. Er selbst machte sich ein paar belegte Brote und blätterte in einigen Zeitungen, die er sich bei ihrem Einkauf mitgenommen hatte. Das Essen war nicht wirklich etwas für den nun in seinem Zimmer verweilenden Kater und schon gar nicht etwas, dem man mit Impfungen vorbeugen konnte, wie Ran in der Zwischenzeit feststellte, als er mit Tränen in den Augen an die vielen Spritzen zurückdachte, die er erhalten hatte. Doch die Tränen kamen keinesfalls von den Erinnerungen, sondern von dem, was er gerade probiert hatte. Scharf! Es war SO scharf! Ran griff langsam zu seinem Glas Wasser und trank es noch langsamer leer. Leicht besser... Das konnte er nicht essen. Er erhob sich vom Boden, auf dem er gesessen hatte und streunte ins Bad, schenkte sich dort Wasser nach und stürzte es hinunter. Er blinzelte sich die Schmerzenstränen aus den Augen und und atmete schnell kühle Luft, die seine Zunge retten würde. Zu viele Gewürze... Sollte er es noch einmal versuchen? Vielleicht ein Stück Fleisch? Er ging wieder zurück und probierte es ein weiteres Mal und aus seinem Zimmer war ein leises Aufjaulen zu hören. Fast unhörbar. Das konnte er wirklich nicht essen! Schuldig sah von seinem Brot auf und runzelte die Stirn. Er leckte sich die Schokolade vom Finger und wischte sich den Rest in eine Stoffserviette bevor er beschloss nach dem Rechten zu sehen. Er kam sich vor wie der alterskluge Vater… der er nicht sein wollte. Schuldig ging nach oben und den Flur entlang. Rans Tür stand wie immer offen. Im Rahmen blieb er stehen. „Was…?“ Als er den Teller und das Essen sah, schüttelte er innerlich den Kopf. Der dumme Kater hatte Tränen in den Augen. Die Lippen waren feuerrot. „Was treibst du hier denn?“ Gut, Mist… jetzt war es ihm doch zu sanft herausgerutscht. Es sollte doch… reserviert oder wenigstens mürrisch klingen. "Essen", kam es ein wenig atemlos zurück und Ran sah hoch, blinzelte ob der Tränen, die ihm in den Augen standen. Er wischte sich unwirsch über die Augen und schniefte, erhob sich. "Es ist scharf... zu scharf", sagte er mit einem Fingerzeig auf den Teller. "Hat es dir denn geschmeckt?" Ran erhob sich und nahm den Teller mit sich auf. Er musste es wegwerfen, auch wenn er es nicht wollte. Oder Schu aß es noch. „Ich wusste nicht, dass es für mich ist. Aber ich habe es gekostet. Es ist zu scharf und es sind zu viele Gewürze darin, sodass es nicht sehr gut schmeckt. Soll ich dir zeigen, wie die Schärfe weggeht?“ Schon allein das Schniefen hatte einen sehr hohen Zuckerwert, befand Schuldig innerlich die Hände über den Kopf zusammenschlagend, weil er sich aber auch immer einlullen ließ. "Ja!", platzte es aus Ran und er warf einen Blick auf das Wasserglas, das ihm nicht wirklich geholfen hatte. "Ich wollte nicht, dass es so schlimm schmeckt", sagte er und sah Schuldig abwartend wie auch entschuldigend an. Er hatte Lebensmittel verschwendet, für die er nicht bezahlt hatte... vielleicht sollte er wirklich nicht kochen. „Das hoffe ich doch mal“, meinte Schuldig lapidar und winkte ab. „Komm lass uns runtergehen.“ Er ging voran und als sie in der Küche waren, holte er Toastbrot hervor und seine Geheimwaffe: Streichschokolade aus dem obersten Fach. Die hatte er Ran bisher unterschlagen und die… würde vermutlich ab heute nicht lange halten. Er machte Ran drei Brote und reichte den Teller weiter. „So… hau rein.“ Danach setzte er sich selbst an den Tisch und aß seine Brote weiter. Das halb angenagte Brot mit der halben Erdnussbutter und der anderen Hälfte Schokolade wartete noch auf ihn. Ran hatte misstrauisch den Vorgang verfolgt und sah nun auf diese Brote hinab, die sich ihm präsentierten. Streichschokolade? Wie schmeckte so etwas? Er musste es wohl herausfinden. Ran nahm eines der Brote hoch und schnupperte daran, biss hinein. ‚Komisch war das Gefühl!’, befand er innerlich, als er die Schokolade auf seiner Zunge, in seinem ganzen Mundraum nachfühlte und sich die Lippen leckte. Das schmeckte gut... das schmeckte sehr gut! Ran vertilgte das erste Brot in kleinen, genießenden Bissen und schwelgte glücklich in dieser Wohltat. Über diese Begeisterung, die Ran nur zu deutlich anzusehen war amüsiert, lupfte Schuldig jedoch nur eine Augenbraue und schmunzelte in sich hinein, bevor er seinem Brot den Garaus machte und sein Mahl damit beendete. „Okay. Deal. Die Hälfte des Glases gehört dir. Einmal die Woche wird eins gekauft. Wenn du deine Hälfte aufisst, hast du Pech gehabt.“ Er lehnte sich zurück wie der Boss eines Drogenrings, der einen wichtigen Clou landen wollte. Die Augen schmal als Zeichen, wie wenig er von seinem Vorschlag abweichen wollte. Schließlich… ging es hier um… Streichschokolade und er witterte hier einen Konkurrenten in seinem Einzugsgebiet. Einen Konkurrenten? Wohl eher einen flammend kämpfenden Gegner für die Gegenseite, so wie Ran das Glas mit der Streichschokolade fixierte. Ein halbes Glas in einer Woche? Sieben Tage… und man konnte sich sehr dick die Brote damit beschmieren, aber auch sehr dünn. Diese hier waren eher die erste Variante und schmeckten himmlisch. Würde ein halbes Glas reichen? Ran hatte sich früher nie als gierig gesehen, hatte während der vergangenen fünf Jahre auch gar keine Gelegenheit dazu gehabt. Das Einzige, wonach er gegiert hatte, war ihr Blut gewesen. Doch nun stellte er fest, dass es Dinge gab, denen er sich nicht entziehen konnte und wollte und dieser Brotaufstrich mit dem westlichen Namen gehörte mit dazu. Er zog das Glas zu sich heran und warf einen prüfenden Blick hinein. Es könnte reichen. "Abgemacht", nickte er schließlich und stellte es wieder hin, mehr auf seine Seite des Tisches als auf Schus. "Ein halbes Glas." Und später dann ein ganzes, wenn es wirklich so sein sollte, dass er Geld verdiente. Normalerweise hätte er zufrieden geschnurrt, doch nun war dieses Gefühl in dem satten Violett seiner Augen zu sehen, dem wirklich zufriedenen Ausdruck des Paschakaters. Schuldig griff nach vorne und rutschte das Glas mehr in die Mitte. „Gut. Deal, Kater. Und jetzt will ich wissen, zu welchem Entschluss du gekommen bist. Ich habe nicht vor das Thema einfach so fallen zu lassen, kapiert?“, ging er wieder auf die ruppige Art zurück, denn er wollte sein weiches Gehabe korrigieren. Es nervte ihn jetzt schon, dass er diesem verblödeten Kater diese noch verblödeteren Kissen samt roten Schleifen geschenkt hatte. Wer ihn nur auf diese hirnrissige Idee gebracht hatte? Die ruppige Art kam nur leider nicht so wirklich ruppig rüber, wie er bezweifelte. Dazu fehlte ihm seine sonstige kaltblütige Laune. Er schaffte das alles mit diesen glücklich und zufrieden strahlenden Augen nicht. Schon allein wie sich der Stirnansatz etwas hob, die Augen größer geworden waren beim Geschmack der Schokolade, wie sich die Nase beim Riechen leicht kraus gezogen hatte. Also ging er auf eine pseudoruppige Schiene über, getreu dem Motto: Ich tue, als ob ich böse auf die Mieze wäre. Entschluss? Welcher Entschluss? Ran runzelte die Stirn und grübelte über die Worte des anderen, bevor er begriff, was Schu vielleicht damit meinen konnte. Doch schließlich war es alleine der Ton, der ihm den Hinweis gab, dass es sich vielleicht um etwas nicht so positives handelte. "Ich glaube dir das, was du gesagt hast... Gedankenleser", erwiderte er auf die harten Worte des anderen. "Solange ich noch nicht alleine überleben kann, bleibe ich hier und arbeite für dich. Danach bin ich weg und du bist mich los." Ein seltsames Gefühl beschlich ihn bei seinen Worten. Schu war der erste Mensch seit Jahren, der mit ihm anstelle über ihn sprach. Er hatte ihn - wenn auch nicht beabsichtigt - dort unten herausgeholt und versuchte ihm ein neues Leben zu ermöglichen. Das war viel mehr, als Ran sich es in der dunklen Zeit erhofft hatte. In gewisser Weise war er Schu dankbar. Vielleicht ruhte daher auch das schlechte Gewissen, schließlich einfach so gehen zu wollen. Doch es schien gerade nicht so, als würde Schu wollen, dass er blieb. „Du musst nicht für mich arbeiten. Das war nur ein Angebot. Du kannst genauso mit mir einkaufen gehen und die Dinge, die du möchtest, werden von mir gezahlt. Es sei denn, du möchtest arbeiten. Du hast die Wahl.“ Schuldig erhob sich und nahm seinen Teller mit um ihn in die Spülmaschine zu räumen. "Ich will arbeiten", kam es von Schuldigs Rücken aus. Er wollte sich eingliedern, wollte wieder alltägliche Dinge tun. Aber dieses Brot hier, das zweite, das er sich jetzt zwischen die Zähne schob und in dem er schwelgte, das war keine Normalität, das war nicht alltäglich, das war der Himmel. "Außerdem will ich nicht von deinem Geld leben... zumindest nicht so sehr und nicht ohne etwas dafür zu tun." Seine Stimme klang beinahe schon kühl, als er das sagte, gerade so, als wäre sie zu Schuldigs Ton in Konkurrenz getreten. Es war... eine skurrile Zweckgemeinschaft, die sie hier bildeten. Schuldig hatte da schon seine Ideen. Eine Idee… die gefiel ihm besonders. Sie könnten im Garten… weiter hinten… etwas bauen… Aber er war unsicher. Es passte nicht in sein Leben, sich um jemanden zu kümmern… und schon gar nicht… um diesen Kater, der das ablehnte. Der ihn ablehnte. Er wandte sich um und lehnte sich an die Anrichte, die Hände neben sich aufgestützt. Das warme Rotgold der abendlichen Sonne traf auf seine Brust und wärmte sie. Bald würde der Winter kommen. Er mochte den Winter nicht sonderlich. Jeder wurde depressiv, er spürte die Einsamkeit nur umso deutlicher und es war kalt. Innen wie außen. „Ich bin in solchen Sachen nicht sonderlich gut. Brad wäre da besser. Ich… bin eher so der spontane Typ, verstehst du? Trotzdem glaube ich, dass es gut wäre, wenn wir es niederschreiben, also die Tätigkeiten, die du tun sollst. Damit es offizieller wird“, murmelte er und irgendwie war er selbst nicht mehr so begeistert von der Idee wie zu Anfang. Ran nickte. Niederschreiben klang gut. So etwas wie ein Arbeitsvertrag also? "Aber für ihn arbeite ich nicht, oder?" Für diesen komischen Mann, der mehr als alles andere seinen Widerwillen genoss. Sein Instinkt sagte ihm, dass es ein Konkurrent war. Ein gefährlicher Konkurrent. „Das könntest du, wenn du wolltest. Ich binde dich nicht an mich, Ran. Ich habe dich nicht gekauft, weil ich ein Spielzeug, ein Haustier oder… ein Sexspielzeug will. Du gehörst mir nur auf dem Papier… um dich vor anderen zu schützen. Ich bezweifle nämlich, dass sie mich angreifen werden. Das würden sie nicht wagen, weil sie wissen, dass ich sie töten werde. Ohne Reue. Ohne Gewissen. Wenn du nicht lernst mir zu glauben, wird unser Zusammenleben sehr schwer werden.“ Und er schulmeisterte schon wieder, rollte er innerlich mit den Augen und sah Ran mit einem warmen Gefühl in der Brust bei dessen rituellem Verschlingen der Brote zu. Besagtes rituelles Verschlingen, oder vielmehr das langsame Genießen dieser Kostbarkeit, bestimmte noch für einige Momente die Stille zwischen ihnen beiden, bevor Ran wieder hochsah. Es war schwer, sich den anderen Mann beim Töten vorzustellen, doch Ran hatte keinen Zweifel, dass Schu in der Lage war dazu. Ran glaubte es ihm... er glaubte ihm alles. Es war weit mehr menschlich, als er es erwartet hatte... Doch eine Sache ließ ihn die Stirn runzeln. Wieso... "...als Sexspielzeug nicht? Wie kommst du darauf?", fragte er verständnislos. Schu hatte doch seine Akte gelesen, alle Daten, die es über ihn gab. Unter anderem auch DAMIT. Dass er dort unten auch nicht menschlich war. Man. Man. Man. Innerlich ließ Schuldig den Kopf in stiller Verzweiflung hängen. Äußerlich sah er Ran stoisch an, bevor er den Kopf schief legte, das Kinn leicht reckte und so sehr… abwartend fragend dreinblickte. „Wärst du gern ein Sexspielzeug?“, fragte Schuldig mit dem Hauch von Ratlosigkeit. Fortsetzung folgt... Vielen Dank für‘s Lesen. Bis zum nächsten Mal! Gadreel & Coco Diese und unseren anderen Geschichten findet ihr auch unter http://gadreel_coco.livejournal.com Viel Spaß beim Stöbern! Kapitel 7: ZITRONENGRÜN ----------------------- VII: Zitronengrün "Nein, wer wäre das denn schon gerne?", hielt Ran dagegen, noch ratloser als Schu. "Ich nicht..." Und er war es auch nicht gewesen, nicht im herkömmlichen Sinn. Das andere war... zu Forschungszwecken gewesen, nicht so. Oder? Nein, das glaubte er nicht. Ran nahm sich das letzte Brot und biss höchst beschäftigt hinein. Wie sollte er Schu erklären, was er meinte? Wollte er es Schu überhaupt erklären? Nein... „Oh man“, seufzte Schuldig und schüttelte über soviel Naivität den Kopf. „Ich bin… im Wohnzimmer… falls du das Thema ausweiten möchtest.“ Er stieß sich von der Anrichte ab und verließ mit den Worten: „Ich habe das Gefühl, dass du in diesem Punkt mehr als nur naiv bist, Ran.“ die Küche. Ran musste ja noch vor sich selbst beschützt werden. Der erste Liebhaber, dem Ran in die Hände fallen würde… würde diesem jungen Mann ein Halsband anfertigen lassen und ihn an ein Bett ketten. Und dort würde Ran sein Katerdasein fristen. Und dabei spielte der Wille des Katers wohl die geringste Rolle. Naiv? Warum sollte er naiv sein? Nur weil er es niemandem wünschte...? Ran verspürte keine Lust, das Thema weiter zu verfolgen, war es doch für ihn ein unangenehmes Thema, das mit viel Demütigung verbunden war. Und ja... vielleicht war er naiv, wenn es um Geschlechtsverkehr ging, denn er hatte bis auf ihre Handlungen keine Erfahrungen in diesem Bereich. Gedankenlos starrte er aus dem Fenster. Schuldig besah sich gerade seine Spirituosensammlung und überdachte seinen Weinvorrat im Kopf, als er so vor seiner Bar stand. Keine Bar im überzogenen Sinne. Nichts Klassisches, nichts Pompöses. Schlicht ein Fach in einem Schrank im Wohnzimmer mit… vielen… wirklich vielen guten Tröpfchen darin. Er wählte einen… Scotch… oder doch lieber… Wein? Schlussendlich griff er zum guten, alten Scotch und machte sich mit einem Glas auf zur Couch, wo er gedachte, sinnlos in ein prasselndes Feuer zu glotzen und reichlich abzustürzen. Ja… heute war ein guter Tag um sich volllaufen zu lassen. Er musste über einige Dinge, die den heutigen Tag betrafen, nachdenken. Lange und ausführlich. Ran hatte sich währenddessen nach draußen begeben, war durch den weitläufigen Garten gestreunt um sich zu entspannen und etwas von dieser wunderbaren Natur zu genießen, die ihn umgab. Jedes Mal, das er hier verbrachte, machte ihn neugieriger, wagte sich weiter vor, bis er an den Zaun stieß, der das Gelände umzäunte. Ran hielt sich im Verborgenen und beobachtete die Autos, die im Dämmern manchmal vorbeifuhren. Er hatte Lust, auch am Steuer zu sitzen, wusste aber, dass er dazu Schu brauchte... es sei denn, er wollte, dass der andere ihn zwei Köpfe kürzer machte, wenn er sich seinen Autoschlüssel nahm und selbst sein Glück versuchte. Er würde ihn fragen müssen... Mit diesen und ähnlichen Gedanken kam Ran in der Dunkelheit zurück und schloss die Terrassentür leise hinter sich. Er schnupperte und runzelte die Stirn, als sich ihm ein Geruch aufdrängte, den er nicht erkannte. Sich wundernd, was es war, streifte er durch das Wohnzimmer, sah Schu auf der Couch sitzen, neben sich eine Flasche hellbrauner Flüssigkeit. Vielleicht war es jetzt keine gute Idee, ihn darauf anzusprechen… In der einen Hand das Glas haltend und mit der anderen ein Motorradmagazin durchblätternd blickte Schuldig von seinem Nest auf, das er sich mit einer Decke und einem Kissen geschaffen hatte. Ran stand neben der Couchlandschaft. „War‘s schön draußen?“ Der rothaarige Japaner nickte und kam ein Stück näher. Dieses Getränk roch gut, selbst für seine Nase. „Es waren einige Autos unterwegs“, begann er nun doch, als er sah, dass Schu nicht schlecht gelaunt war… und dass er eine Zeitschrift auf den Knien hatte, die auch in die Richtung seines Wunsches ging. Er ließ sich am anderen Ende der Couch nieder und zog ein Bein zu sich. Schuldig spürte, dass der Kater neben ihm nicht mehr dieselbe Wärme ausstrahlte wie… ein paar Stunden früher… als er ihm die Kissen geschenkt hatte. Es tat Schuldig leid, dass ihr Tag derart verlaufen war. Trotzdem war er jetzt reservierter, wie Schuldig befand. Sich zurücklehnend nahm er einen Schluck Scotch und sah sich Ran einen Moment an. „Magst du Autos? Oder Motorräder?“ Auch die violetten Augen erwiderten nun den Blick, sahen nun ihre Chance gekommen, das gerade zu utopische Vorhaben zu unterbreiten. Vor allen Dingen waren Motorräder etwas, das Ran reizte, von dem er aber nie gedacht hatte, es genießen zu können. Seine Eltern hatten für so etwas nichts übrig gehabt. „Ich würde sie gerne fahren!“, platzte es heraus und der Blick wurde intensiver, eindringlicher. Oha… da hatte jemand angebissen. Wieder nahm Schuldig einen Schluck. Die ganze Gestalt Rans war etwas mehr ihm zugewandt, die Augen leuchteten begeistert. „Und… wie stellst du dir das vor? Hast du eine Idee, wie du das in die Tat umsetzen könntest?“, fragte er ruhig, die Motorradzeitschrift schließend und zu Ran hinüberschiebend. Er war gespannt auf die irrwitzigen Vorschläge. Vielleicht sollte er Ran erst zeigen, wie viel ein Auto kostete, bevor er es zerlegen konnte. „Du kannst Auto fahren…“, sagte Ran zunächst wie für sich selbst und nahm sich die Zeitung, sah die Maschinen auf dem Titelblatt. Es würde schnell sein… „Du könntest es mir beibringen, so wie du mir zeigst, wie man kocht. Mir dabei helfen!“ Leise Zweifel machten sich in Ran breit. Er konnte nicht kochen… vielleicht war es mit dem Auto fahren genau das Gleiche? „Ja, ich kann Auto fahren. Weißt du, dass man dafür einen Führerschein braucht? Es ist nicht so ungefährlich, mit dem Auto zu fahren. Deshalb muss man einen Führerschein machen, um sich selbst und andere nicht zu gefährden. Das… ist die offizielle Version, Ran. Die inoffizielle ist Folgende: Setzt du einen Wagen gegen ein Hindernis oder überfährst jemanden, kommt die Polizei oder das Krankenhaus ins Spiel. Beide Fälle sind für dich nicht gut.“ Ran gefiel die inoffizielle Version nicht, bedeutete sie jedoch, dass es zu riskant war, selbst zu fahren. Er wusste, dass die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nicht gut war, dass sie ihn wieder ins Labor zurückbringen konnte. Hinter Rans Stirn arbeitete es, während er die Zeitschrift aufschlug. „Also geht es nicht?“, fragte er schließlich mit einem erneuten Blick in die blaugrünen Augen des anderen. Für einen Moment war Schuldig bereit dem zuzustimmen. Doch es wäre schlichtweg gelogen gewesen. Alles ging, wenn man es wollte und wenn man herausfand, wie. „Das habe ich nicht gesagt. Aber es ist nicht einfach und es dauert sicher länger, als du es dir vorstellst oder willst.“ „Ich will es aber!“, protestierte Ran und kam noch ein Stück näher, die Augen forschend. „Wenn es geht und möglich ist, dann möchte ich es!“ Denn auch wenn es langsam vorangehen würde, so würde das Ergebnis sicherlich lohnend sein. „Und was möchtest du? Auto oder Motorrad? Denn beides gleichzeitig wäre sinnlos. Erst eines, dann das andere.“ Das würde ein Spaß werden, befand Schuldig innerlich. Auch wenn er nach außen hin den Ernst des Unterfangens untermalte. Aber… wer war er denn, dass er nicht auch auf ein wenig Risiko stand? Ran überlegte. „Das Auto ist sicherer für den Anfang, oder? Es ist auch praktischer.“ Bot es doch mehr Platz an um Dinge zu transportieren. Ran legte die Zeitschrift zur Seite und betrachtete sich die Flasche auf dem Tisch. „Was ist das?“ Sicherer? Für wen? Dieser zynische Gedanke huschte kurz durch Schuldigs Hirn und er nahm einen herzhaften Schluck, leert das Glas somit. „Ein Wellnessgetränk. Es wärmt und beflügelt den Geist.“ Schallendes Gelächter von seinen inneren Stimmen. Äußerlich jedoch völlig ruhig und mit der Sicherheit, dass er nur die Wahrheit sprach. Nichts und nichts als die Wahrheit. Dieser Themenwechsel, den Ran wie schon zuvor von Schuldig öfter bemerkt durchführte, zeugte davon, dass der Kater momentan wohl das Thema Auto kurzweilig abgeschlossen hatte. Also bereit sich neuen Dingen zu widmen. „Willst du auch etwas?“ Well… ness? Das Wort kannte Ran nicht, konnte es sich aber anhand der Beschreibungen des anderen zusammenreimen. Also war das kein Alkohol, wie er ihn kannte, sondern etwas Gutes… Gesundes? Warum nicht, schaden konnte es ihm nicht. „Einen Schluck zum Probieren!“ Schuldig schälte sich aus der Decke heraus und stand auf um Ran auch ein Glas zu holen. Dann gab er zwei Fingerbreit Scotch hinein und reichte es Ran. „Aber langsam, nimm erst einen kleinen Schluck. Danach kann es sein, dass dir sehr warm wird.“ Wer wusste schon, wie es dem Kater bekommen würde. Schuldig warf Ran noch einen Blick zu, bevor er zum Kamin ging und einen Holzscheit nachlegte. Ran schnupperte währenddessen an dem Getränk und probierte einen ersten, kleinen Schluck. Es war… Feuer und schwer. Aber es war warm und angenehm im Nachgeschmack. Ran kannte den Geschmack nicht und schwelgte nun im zweiten Schluck, die Augen auf Schu gerichtet, wie dieser für noch mehr wohlige Wärme sorgte. Die langen Haare des anderen fielen Schuldig über eine Schulter und Rans Blick verfing sich in den Strähnen. Noch einen Scheit nachlegend, schloss Schuldig die Verkleidung erhob sich und kam zurück, schenkte sich selbst nach und setzte sich dann wieder. „Wie schmeckt es dir?“ Zumindest schien Ran keinen angeekelten Eindruck zu machen oder das Glas schon aus der Hand geben zu wollen. Ran war aufgefallen, dass diese Haare wie das Feuer leuchteten, das leise knisternd im Hintergrund an den Holzscheiten züngelte. Auch jetzt noch, wo sie in der sonstigen Dunkelheit des Raumes nicht mehr so leuchteten. „Es schmeckt gut“, antwortete Ran verspätet auf die Frage des Haarträgers und leerte sein Glas. Es war wirklich gut für Geist und Seele… es machte leicht und entspannt. Er streckte Schu das Glas entgegen, damit er ihm auch noch einschenkte. „Bist du sicher, dass du so schnell noch etwas möchtest? Dieses Getränk sollte man genießen… und wenn man zuviel davon trinkt, dann bekommt es dem Körper nicht mehr.“ Eine harmlose Untertreibung, aber Ran musste schließlich seine eigenen Erfahrungen machen. Ran nickte, senkte das Glas aber nicht. „Eines noch. Es schadet sicherlich nicht, wenn ich zwei davon genieße…“, sagte er und seine Augen hielten einen intensiven, fordernden Ausdruck in ihnen. Doch dieses Mal verengten sich seine Augen nicht, wurde er nicht zur Großkatze… nein, das war der Mensch in ihm. „Wie du meinst. Aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Ich würde dir raten bei der Schokolade zu bleiben“, lachte Schuldig leise in sich hinein und schenkte Ran nach. Er hob sein Glas und tischte Ran seines an. „Kampai!“ „Auf… die Freiheit, Kleiner“, fing Schuldig diesen intensiven Blick auf und er spürte wie etwas in ihm darauf ansprang. Doch er schrieb es der wärmenden Wirkung des Scotches zu. Die violetten Augen verließen den anderen nicht, als Ran einen weiteren Schluck nahm, der ihm gut tat. „Auf das Autofahren!“, toastete er Schu dann zu. „Und die Schokolade!“ Und auf diese Feuerhaare, die er in diesem Moment gerne anfassen würde. Einen Toast auf… Schokolade… hatte er auch noch nie gehört. Aber… man lernte ja nie aus, lächelte Schuldig und machte es sich wieder gemütlich. Es war still um sie herum und Schuldig genoss diese Ruhe. Die Augen schließend lehnte er halb liegend an der Couchlehne. „In zwei Wochen muss ich wieder arbeiten. Es könnte sein, dass du dann einige Tage allein sein wirst. Bis dahin solltest du einige Dinge beherrschen“, sagte er nach einer Weile. „Welche Dinge?“, fragte Ran, unruhig ob der Nachricht, dass er alleine sein würde, dennoch nicht in Panik. Er war vielmehr damit beschäftigt, das Profil des Gedankenlesers zu studieren, die Wangenknochen, die Nase, das Kinn… der lange Hals. Schade, dass er den Oberkörper nicht sehen konnte, der durch die locker umschlungene Decke verborgen war. Ran blinzelte ob dieser Gedanken, dachte sich jedoch nichts dabei. Schuldig hatte den Kopf leicht seitlich an die Lehne gebettet, das Glas vor sich auf seinem Schoß, die Beine ausgestreckt unter der Decke. Er öffnete die Augen langsam und sah ins Feuer. „Nun… Dinge damit du klar kommst. Beispielsweise dir Essen kochen, daran denken, den Herd auszustellen. Wissen was zu tun ist wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Zum Beispiel, wenn ein Feuer ausbricht, oder wenn ein Rohr bricht.“ Er machte eine kurze Pause. „Oder wie du telefonieren kannst ohne, dass jemand den Anruf zurückverfolgen kann, oder was du tust wenn jemand an der Haustür klingelt und herein will. Oder… .was du tust, wenn ich nicht mehr zurückkomme. All solche Dinge.“ „Wieso solltest du nicht mehr zurückkommen?“, hatte Schu nun Rans volle Aufmerksamkeit. Es war schlimm für Ran, daran zu denken, was werden würde, wenn Schu nicht mehr da war. Wenn niemand mehr da war. „Du kannst nicht wegbleiben“, sagte er mit eindringlicher Stimme, mehr zu sich als zu Schu selbst. Das ging nicht. „Ich werde auch nicht wegbleiben, wenn es sich vermeiden lässt, Ran.“ Schuldig wandte sich nun auch Ran zu, zog die Beine leicht an und drehte sich seitlich um den anderen besser ins Auge fassen zu können. „Hier ist… mein Haus und… vielleicht mein Zuhause für den Moment. Warum sollte ich freiwillig wegbleiben wollen? Ich möchte lediglich, dass du gerüstet bist für den Fall dass es dennoch eintritt, verstehst du?“ Ran nickte langsam. „Ich muss mich verteidigen können, wenn sie kommen…?“, fragte er und warf einen Blick auf seine Krallen. Er hatte Waffen, doch er wusste nicht, ob er sich verteidigen konnte. „Wie viele Tage bleibst du dann weg?“ Schuldig nickte zu Rans erster Frage. „Zwei oder drei Tage.“ Mehr war nicht drin, wenn er Ran hier so sitzen sah. Vielleicht konnte er später größere Aufträge annehmen, aber momentan ging es nicht. Ran war noch zu unselbstständig. Zwei oder drei Tage… das klang nicht viel. Ran ließ erleichtert seine Schultern sacken. „Bringst du mir dann bei, wie ich mich verteidigen muss?“, fragte er und sah auf Schus Hände. Sie hatten schon einmal gegeneinander gekämpft, mehrmals eigentlich und Ran hatte die Stärke des anderen zu spüren bekommen. Hatte besonders beim letzten Mal die Muskeln an seinem Rücken gespürt. „Ob wir das alles schaffen weiß ich nicht, Ran. Mir wäre es lieber, du würdest nicht in die Lage kommen um dich verteidigen zu müssen. Ich würde dir gerne grundlegende Dinge erzählen wollen. Wenn du willst, können wir trainieren.“ Er würde sich vor diesen Krallen in Acht nehmen müssen. Schutzkleidung wäre wohl das Beste. „Trainieren klingt gut!“ Dass er wusste, wie er seine Kraft am Besten einsetzte. „Wir haben noch etwas Zeit bis dahin, oder?“, fragte Ran und nahm einen weiteren Schluck. Schu musste ihm noch vieles erzählen. „Zwei Wochen. Aber ich kann nicht mit voller Kraft trainieren. Meine Verletzung ist noch nicht verheilt. Das dauert etwas, Ran. Aber ich kann dir trotzdem helfen, denke ich.“ Schuldig legte seine Wange an die Lehne und ließ seine Augen halb geschlossen über die Gestalt gleiten. Rans langes Haar schimmerte rotdunkel im Schein des Feuers. Eine herrliche Farbe. Ran fing den Blick des anderen auf und stellte fest, dass er dem seinen gar nicht mal so unähnlich war… vor allen Dingen das Objekt des Interesses war das Gleiche. Diese Augen hatten jedoch auch etwas für sich… „Kannst du denn überhaupt weg, wenn deine Verletzung nicht ausgeheilt ist? Das ist doch gefährlich“, sagte er mit dunkler, leicht tiefer Stimme. Schuldig lächelte verträumt, als er dem nachfühlte, was diese Stimme in ihm auslöste. Dem Gefühl des Wohlseins … „Ja. Ist es. Aber da muss ich durch. Es geht nicht anders. Bis in zwei Wochen… wenn nichts dazwischen kommt… wird es sicher schon etwas besser sein“, sagte er mit weicher Stimme. Wenn… keine Krallen dazwischen kämen, hieße das. Ran lauschte auf die Stimme, auf die Tonlage, die ihm plötzlich soviel näher zu sein schien als noch zuvor. Ebenso, wie sein Blick auf die freigelegte, ungeschützte Halsbeuge fiel, die sich ihm hier darbot… ideal zum Hereinbeißen, wie ihm eine Stimme vorschlug. Eine kleine, ausgehungerte Stimme, die sich fragte, wie sich wohl die Haut dort anfühlen würde. Ran blinzelte. „Es wird schon nichts passieren. Wissen kann ich es jedoch nicht“, gab Schuldig zu bedenken und er hob sein Glas an die Lippen und trank einen Schluck, schmeckte dem Geschmack mit seiner Zunge auf seinen Lippen nach, bevor er das Glas auf seinen Oberschenkel senkte. „Geht es dir gut, Ran?“ Schuldig fragte sich, ob der Alkohol bei dem anderen zu Buche schlagen würde. „Sehr gut“, kam er langsam und… nachdenklich zurück, aber beinahe wie ertappt. So als wäre Ran gerade in die Betrachtung dieser Lippen versunken gewesen, was natürlich nicht der Fall war. Natürlich nicht. Seine Augen richteten sich auf die des Gedankenlesers. „Du musst wiederkommen… ich muss schließlich noch lernen zu kochen.“ Schuldig lachte. Ein aufgerauter, Ton. Wie dunkle Seide, die im Licht violett schimmerte. Weich und dunkel. „So? Das ist ein guter Grund um sich nicht erschießen zu lassen. Da hast du wohl Recht.“ Ran grollte leise, als er jetzt deutlich die Ironie merkte. Doch er war nicht wirklich böse, dafür war er viel zu entspannt. Er nahm noch einen Schluck und blieb wieder an der Decke hängen, die wirklich nicht dort sein sollte, wo sie jetzt war. „Du musst wiederkommen, damit du siehst, dass ich die Küche abgebrannt habe beim Kochen…“ „Und dich ausschimpfen kann? Oder übers Knie legen kann um dir eine Abreibung zu verpassen oder weshalb?“, verkam Schuldigs Lachen zu einem warmen Lächeln. Ran war wirklich was Brad gesagt hatte. Ein Kuscheltier. Zwar mit wehrhaften Krallen, einem eigenen Kopf… doch trotzdem, wie sollte man diesen violetten Augen und dem erwartungsvollen Blick böse sein? Wieso hörte es sich so an, als ob diese Kinderstrafe, das über das Knie Legen… etwas… Anregendes war?, fragte sich Ran und stellte fest, dass es durchaus für ihn so WAR. „So etwas würdest du machen?“, fragte er nicht mehr ganz so unschuldig. „Wenn das der Grund ist, weshalb du möchtest, dass ich zurückkomme… denn das würde zwangsläufig folgen, wenn du meine Küche abfackelst und das Haus dazu“, hob Schuldig das Glas an seine Lippen um das versteckte Grinsen besser zu kaschieren, welches aber in seinen Augen durchaus noch zu sehen war, als er den Blick in Rans Augen senkte. Rans Stimme hatte eine andere Färbung angenommen, eine irritierend flirtende, aber auch… etwas unterschwellig Sexuelles. Was genau konnte Schuldig nicht sagen, ob es die Haltung, der Blick, die Stimme oder alles zusammen war. „Hmm…“ Ran stellte das Glas neben sich ab und bettete seine Arme auf die Couchlehne, legte sein Kinn darauf. „Das Haus geht nicht… wenn, dann muss ich wenigstens meine Kissen retten.“ Schelmisch zeigten sich die kleinen Eckzähne. „Ja… die Kissen“, seufzte Schuldig unhörbar und stürzte den letzten Rest seines Scotches hinunter. Er hätte jetzt ironisch oder zynisch werden können, doch Ran machte es ihm schwer mit seiner offenen Art und diesem kleinen Lächeln, welches Ran sehr gut stand. Die spitzen Zähnchen waren gewöhnungsbedürftig, aber Schuldig konnte darin nur Rans Neugier, seine neckende Art und einen gewissen rebellischen Unternehmungsgeist erkennen. Die Gefahr sah er nicht mehr. „Vielleicht auch noch deine Bücher…“, ergänzte Ran nach einer kleinen Weile und ließ seinen Blick grübelnd zum Regal mit den kostbaren Schätzen gleiten. „Wie lange hast du gebraucht um kochen zu können?“, fragte er schließlich und nahm noch einen Schluck. Schon wieder eine derart naive Frage. Noch nie hatte Schuldig einen solchen Menschen getroffen. Kinder. Ja doch… Kinder hatten oft solche Fragen auf Lager. Aber… ein Mann in diesem Alter… Es irritierte Schuldig und es bremste seinen Zynismus. „Jahre. Um etwas wirklich gut zu können, muss man ständig dazulernen und viel ausprobieren.“ Schuldig wandte das Gesicht dem Feuer zu und sein Blick versank in dem feurigen Rot, welches die Scheite fraß. „Das ist nicht nur beim Kochen so. Du musst dich schulen. Grundlegende Dinge kann man sicher schnell lernen. Aber wirklich gut kochen zu können, das dauert.“ Ran mochte, wie das Gesicht des anderen vom Feuer angeschienen wurde. „Mein Vater und ich haben früher Kendo trainiert“, sagte er, die Augen gen Fenster gerichtet. „Kannst du das?“ Er würde es wieder gerne machen, die Frage war nur, ob Schu diese Art von Kampf beherrschte. Allerdings würde er auch viele andere Dinge gerne lernen, alles, was ihm nützlich war. Und kochen. „Nein, das kann ich nicht. Ich beherrsche den Kampf mit Dolchen, aber ich verlasse mich meist auf andere Waffen“, Schuldig tippte sich an die Schläfe und Ran traf ein wissender, aber zugleich sanfter Blick. Ein leises Fauchen erklang und hatte so etwas wie ein Lachen werden sollen. „Willst du es denn lernen? Kendo, meine ich? Dolche sind doch… zu klein.“ Ran konnte zwar nicht so gut kämpfen wie sein Vater… es gekonnte hatte, doch er wäre sicherlich in der Lage dazu, Schu die grundlegenden Dinge beizubringen und somit einen Trainingspartner zu haben. Schuldig horchte bei diesem Laut auf der bis in sein Innerstes kroch. „Kendo? Ich kann mir nicht vorstellen… dass dein verändertes Wesen sich leicht an deinen früheren Stil anpassen kann. Sicher hast du früher doch anderes gekämpft, Ran? Du wirst dein Wesen auf diese Art anpassen müssen. Aber… wenn es dir gelingt… vielleicht wäre es keine schlechte Idee. Dolche sind für mich genau richtig. Man kann sie besser als ein Schwert verstecken.“ Das war auch wieder wahr. „Ich würde es gerne versuchen… mit dir“, gestand Ran ehrlich ein und war wirklich eingenommen von dieser Idee. Schu würde ein Katana oder ein Trainingsschwert aus Bambus wirklich gut stehen, vor allen Dingen würde es die Muskeln gut zur Geltung bringen. „Lass uns einfach abwarten. Zunächst sollten wir uns auf das Autofahren beschränken. Da werde ich sicher gefährlich leben eine Zeit lang“, lachte Schuldig in sich hinein. „Da wäre Kendo vielleicht zuviel des Guten. Kochen, Auto fahren und Kendo. Ich fürchte ich muss den ganzen Tag mit einer Schutzweste durch die Gegend laufen.“ „Das stimmt nicht! Ich passe schon auf dich auf, damit dir nichts passiert!“, grollte Ran, kam dann aber zum Entschluss, dass es wirklich zuviel des Guten werden würde. Schu wollte sicherlich auch seine Ruhe haben. Aber vielleicht konnte er ja für sich trainieren. Schuldig lächelte und schloss die Augen wieder, von der Wärme um sich herum war ihm ganz komisch zumute. Und das lag nicht nur am Feuer im Kamin. „Ja? Das hört sich gut an Ran. So etwas hat noch niemand zu mir gesagt“, murmelte Schuldig träumerisch. Ja es hörte sich verdammt gut an. Und mit solcher Ernsthaftigkeit vorgetragen, dass man den Worten sofort glauben mochte. Ran hob überrascht seine Augenbrauen. „Niemand?“, fragte er. Noch nicht einmal Schus Mutter? „Aber es stimmt doch auch. Ich muss doch auf dich… und auf mich aufpassen, wenn ich Mist mache.“ Und wieder war es vollkommene Ernsthaftigkeit, die aus Rans Worten strömte. Die erste Frage bewusst unbeantwortet lassend lachte Schuldig leise. „Ja… das solltest du …und zwar, bevor du Mist baust. Allerdings macht man immer Fehler, wenn man etwas lernt. Das gehört zum Lernen dazu.“ Ran nickte bedächtig. Fehler gehörten dazu. Das wusste er… Ähnliches hatte ihm seine Mutter einmal gesagt. Seine Augen wanderten zum Feuer und sahen den Flammen zu, wie sie sich ein Holzscheit einverleibten. „Erzähl mir… was hast du für Fehler gemacht?“ Viele. Das fiel ihm als erstes ein und er löste seine entspannte Haltung, setzte sich auf und zog sich die Decke weg um aufzustehen. Die Flasche wurde erneut geöffnet und er schenkte sich nach. „Der Größte war wohl, dass ich geboren wurde. Und danach ging es steil bergab. Ein Fehler nach dem anderen. Und aus jedem Fehler habe ich gelernt und das, was du jetzt siehst ist das Endprodukt daraus.“ Das Zuschrauben der Flasche war das Geräusch das seine Worte begleitete. Danach ging er zum Kamin und legte erneut einen Scheit nach. Es war noch nicht nötig dies zu tun, dennoch brauchte er einen Moment für sich. Gerade jetzt schien es, als ob Schu das Heilmittel gegen Traurigkeit seiner Mutter gut gebrauchen konnte… zumindest meinte Ran, Trauer und Verbitterung aus seinen Worten heraushören zu können. „Du scheinst mir gar nicht so schlimm“, sagte Ran und rutschte ein Stückchen näher an die nun verwaiste Decke heran. „Der Schein trügt oft. Lass dich von dem… attraktiven Äußeren nicht täuschen“, grinste Schuldig abgewandt von Ran, da er noch am Kamin beschäftigt war. „Menschen waren durch Schönheit und schöne Worte schon immer gut zu täuschen. Dahinter kann sich oft der schlimmste aller Teufel verstecken.“ „Ich wusste gar nicht, dass der Teufel Kissen mit roten Schleifen und Süßigkeiten daran schenkt“, kam es von der Couch und die violetten Augen maßen die Rückfront des anderen. Ran nahm sich Zeit, Schu ohne Scheu zu betrachten und diesen Anblick… ja, zu genießen. „Tja… Vielleicht… hat der Teufel etwas damit bezweckt und wollte dich einlullen, dich zufrieden stellen damit du nicht mehr so vorsichtig bist und damit er dich dann überrumpeln kann.“ Schuldig hoffte, dass Ran zwar den Ernst aber auch den Spaß hinter den Worten verstand. Den Ernst hatte Ran verstanden, doch ob des Spaßes war er unsicher. Das zeigte sich, weniger in seiner Mimik oder in seinen Augen, denn eher in seiner Haltung, die weniger entspannt als vorher war. „Und wieso willst du mich überrumpeln?“, war sein Ton leicht besorgt, aber immer noch nicht vorsichtig. Doch die blinde Panik, dass es nun doch anders kommen könnte, blieb aus. „Vielleicht… weil ich dich ins Bett kriegen will… oder weil ich dich zum Fressen gern habe. Sowas tun Teufel. Sie fressen diejenigen, die so attraktiv oder so niedlich sind. Und dabei ist ihnen egal, ob ihre Opfer spitze Zähnchen haben.“ Schuldig erhob sich und kam wieder zu seinem Lager zurück, stand vor der Couch und erkannte, dass Ran seine Decke halb beschlagnahmt hatte. Er setzte sich neben den Kater und beanspruchte die Hälfte seiner Decke. Rans Augen weiteten sich leicht ungläubig, leicht erschrocken, leicht… ertappt. „Ins Bett?“ War er zu auffällig gewesen? Hatte Schu mitbekommen, was er dachte? „Zum Fressen gern?“ Die vormals geweiteten Augen schmälerten sich etwas, bevor sie ganz schmal wurden. „Wenn du mich beißt, beiß ich zurück!“, behauptete er todesmutig. „So?“ Schuldigs Mundwinkel zuckten amüsiert, doch er näherte sich mit eindringlichem Blick den schmalen Orben. „Da bin ich ja mal gespannt“, wisperte Schuldig hintergründig und seine Hand, die noch auf der Lehne lag, stahl sich in Rans Nacken, jedoch strichen die Fingerkuppen nur sanft über die weiche Haut dort, bevor sich seine Lippen Rans näherten, um zu verhindern, dass dieser ausbüchste. Er wollte diese Lippen fühlen, auch wenn er wusste, dass dieser Wunsch sicher nur dem Spaß und dem Necken geschuldet war. Und… dem Alkohol. Schu tat es wirklich! Elektrisiert durch die plötzliche Nähe, durch die Lippen, durch den Geruch… einfach durch Schu selbst, konnte sich Ran in den ersten Momenten nicht rühren, nicht wirklich denken. Doch dann löste sich dieser Bann und er wurde sich der Wirkung dieser Nähe bewusst. All das, was sich über die letzten Stunden aufgebaut hatte, explodierte nun in ihm und er reckte sich vor, berührte die Lippen des anderen mit seinen. Weich…, schoss es ihm durch den Kopf. Warm, zart und… vielleicht auch ungeküsst, geisterte in Schuldigs Kopf herum, bevor er diese Lippen mit seinen einfing und sie sanft neckte, daran nippte und mit seiner neugierigen Zunge nach mehr schmeckte. Er ahnte, dass Ran seine Lippen nicht von allein öffnen würde, aber er hatte nicht vor dieses kleine Experiment auszuweiten. Er wollte Ran nicht überrumpeln oder ihm etwas aufzwingen. Denn Ran sollte sich an Frauen halten. Das war das Beste. Aber üben konnte er. Und im Küssen war Schuldig gar nicht so schlecht. Schu täuschte sich. Ran öffnete seine Lippen und begegnete dieser Zunge mit seiner eigenen. Ungelenk zwar und ein wenig ungestüm, aber doch gierig nach diesem Kontakt. Es fühlte sich gut an, obwohl es Nähe war. Es war… menschlich und vermittelte ihm in diesem Moment genau dieses Gefühl. Auch seine Hand schlich sich in Schus Nacken und erfühlte dort die weichen Haare. Sich über diese Berührung freuend und Ran ein wenig lenkend um ihn zu bremsen und ihn sanfter zu führen erkundete Schuldig die vorwitzigen kleinen Fänge, stupste die neugierige Zunge an und verwob den Kuss zu einem sinnlichen Kontakt. Seine Hände hatten längst Ran näher zu sich gezogen und halb auf sich. Als wäre der Hautkontakt während ihres Kusses das gewesen, was Ran fünf Jahre lang vermisst hatte, schmiegte er sich an den anderen, an die warme, menschliche Haut, an einen muskulösen, männlichen Körper, der ihn erregte, obwohl er nicht getriggert war. Es gab Dinge, die hatten sie nicht auslöschen können. Ran gurrte und verhielt vorsichtig, als seine Fangzähne erkundet wurden… er wollte Schu nicht wehtun. Dann stippte er vorsichtig mit seiner Zunge gegen die andere, lockte sie zu sich. Er war… erregt. Alleine dieser Kuss erregte ihn. Was Schuldig auch bemerkte und seine Meinung bezüglich der Frauen, der sich Ran zuwenden sollte etwas wanken ließ. Ran war sofort auf ihn angesprungen, sofort auf sein Näherziehen. Schuldig hatte keinen Moment ein Zögern gefühlt, als passten ihre Körper perfekt zueinander hatte sich Ran angeschmiegt, weich… wie eine… Katze. Bei diesem Gedanken löste sich Schuldig langsam, fast zögernd, atmete schwerer und leckte sich über die Lippen, den Geschmack von Ran nachsinnend, bevor er keinen Moment später die Lippen wieder einfing, neckend, leckend, schmeckend darüber fuhr. Seine Hände strichen nicht fordernd sondern beruhigend über die Flanken, bis eine seiner Hände sich weiter vorwagte und nach vorne zur Hüfte schlich, dort weiter vor zum Oberschenkel, jedoch züchtig an den Seiten oder oben blieb. Rans Herz schlug schneller, als Schus Berührungen über seinen Körper wanderten. Doch er beruhigte sich, als die Hand nicht dort verhielt, wo… Der Kuss war wichtiger als diese Erinnerungen, wichtiger als die Gedanken an die klinischen, kalten Berührungen. Ebenso wichtig war es für ihn, dass auch er nun, so als wenn er nur die Erlaubnis dazu gebraucht hätte, seine rechte Hand nach vorne zog und sie auf den Brustkorb Schus legte… dort das Herz pochen fühlte. Rans schwere Strähnen kitzelten über Schuldigs Hand als er wieder nach hinten glitt und dort hin und wieder über den festen Hintern strich, gleichsam fordernder wie ihr Kuss es nach und nach wurde. Schuldig stöhnte wohlig auf, als er sich mehr gehen ließ, dem Gefühl der Zärtlichkeit in diesen sanften Berührungen, die von Ran kamen, nachschwelgte. Ran räkelte sich noch etwas mehr auf dem anderen Mann, schmiegte sich enger an ihn, in die Hände, die seine Kehrseite umhüllten. Seine eigene Hand fuhr über den Brustkorb, zeichnete die Rippenbögen nach, als wolle er sich alles einprägen, als wolle er nachholen, was ihm genommen worden war… jemanden aus eigenen Stücken freiwillig im sexuellen Kontext zu berühren - und das tat er ausgiebig. Je tiefer der Kuss wurde, desto fordernder wurde auch das Verlangen in ihm… Verlangen nach Schu. Dieser bemerkte selbst das Gleiche in sich und löste sich von diesen Lippen. „Ran… warte… geht’s… dir gut? Willst du das?“, fragte er an die weichen Lippen wispernd, sie während der einzelnen Worte immer wieder sanft bestreichend. „Der Alkohol… er kann dich beeinflussen.“ Alkohol… Schu hatte ihm Alkohol gegeben… Das erklärte einiges, doch Ran wollte sich damit jetzt nicht abgeben. Nicht mit der Frage, ob er das aus freien Stücken tat oder ob er vom Alkohol beeinflusst wurde. Es fühlte sich gut an, besser als alles, was er in den letzten fünf Jahren erlebt hatte… der Grund dafür war egal. Ran sah auf Schu herab und warf einen lustgetränkten, prüfenden Blick in dessen Augen. „Ich will das…“, erwiderte er schließlich. „Mir geht es gut…“ Er runzelte die Stirn. „Ist etwas… falsch?“ „Nein. Alles ist richtig. Möchtest du denn weiter gehen? Deine Hände auf meine Haut legen?“ Schuldig war sich sicher es war besser die Dinge auszusprechen und nicht einfach kopflos voranzuschreiten, bevor er die Krallen zu spüren bekam, die ihm noch gut im Gedächtnis waren. Wieder strichen seine Hände über Rans Rückfront, seine Lippen streifen das Kinn, das Unterkiefer. „Ja… das will ich!“, schnurrte Ran und er schmiegte sich an die Lippen, bevor er seine eigenen wieder zum Einsatz brachte und sie in die Halsbeuge des anderen bettete… die Haut war so sanft, wie er es sich vorgestellt hatte. „Willst du… mich?“, fragte er schließlich, die Augen auf dem anderen ruhend. „Ist dir klar, was du da fragst, Ran? Sprichst du von Sex?“ Schuldigs Worte waren ruhig und sanft, während er über die geröteten Lippen des anderen leckte. Er hielt Ran nahe an sich, gab seine Streicheleinheiten nicht auf, intensivierte sie. „Ja…“, wisperte Ran, ohne nachzudenken. Doch als die Sekunden verstrichen und er über seinen Wunsch nachdachte, wusste er, dass das… nicht möglich war. „Ich…“, begann er, nicht sicher, wie er es sagen konnte. „Ich… würde… aber ich bin nicht menschlich.“ Schuldig spürte die Unsicherheit und wollte sie auslöschen. Nicht jetzt… jetzt wollte er keine Unsicherheit, nicht bei diesem Thema. „Ich glaube nicht, dass es ein Problem geben wird, Ran. Ich möchte nur nicht, dass wir etwas übereilen.“ Er würde Ran am liebsten sofort vernaschen, allerdings hätte das sicher Folgen für sie beide. Deshalb… „Lass es uns langsam angehen. Was hältst du davon, wenn du heute Nacht einfach bei mir schläfst? Wir kuscheln ein wenig und spüren uns selbst ein wenig nach. Ich mag es dich an mich zu halten, du fühlst dich gut an, Ran.“ Es war seltsam, dass es ihm so leicht viel diese einfachen ungeschönten Dinge auszusprechen. Vielleicht lag es daran, dass Ran ebenfalls so sprach. Hier brauchte er sich nicht zu verstellen und es war… befreiend. Befremdend ohne Zynismus, Sarkasmus oder Ironie auszukommen. Die Dinge so auszusprechen, wie sie tatsächlich gemeint waren, war ungewohnt für ihn. Lange Zeit sah Ran Schu einfach nur an, ohne Worte, ohne jedwede Regung in seinen Zügen. Diese Worte hörten sich wie der Himmel an. Kontakt, menschlicher… ein anderes Lebewesen, das ihm Wärme gab und spendete, das ihm Achtung entgegenbrachte und das ihn nicht nur wegen seiner Andersartigkeit wollte. „Das klingt gut… es klingt schön“, sagte er schließlich. „Aber… du verstehst nicht. Ich bin nicht menschlich… dort unten.“ Schuldig strich Ran die Haare an der Schläfe zur Seite und koste samtig darüber. „Und… warum sollte ich dich deshalb nicht halten wollen? Oder dich berühren wollen? Es geht doch darum, dir Gutes tun zu wollen, bei dieser Zärtlichkeitssache“, lächelte Schuldig lausbubenhaft. „Und darum, dass ich diese Berührungen von dir zurück haben möchte.“ Es war Angst, die Ran hatte, davor, dass Schuldig sich von ihm abgestoßen fühlen könnte. So schlimm würde es schon nicht sein… oder? Es war zu schön, um wahr zu sein, das zu hören… zu hören, dass er so akzeptiert und gewollte wurde. Doch Ran glaubte es Schu, glaubte ihm alles, was dieser sagte. Seine Hand hob sich und er fuhr vorsichtig über die sanfte Haut des Gesichts, spiegelte damit die Bewegung des anderen. „Dann tun wir uns gegenseitig etwas Gutes…“, erwiderte, das Gesagte halb Frage, halb Aussage… unsicher noch. „Hast du Angst… ich könnte das was ich berühre und sehe nicht mögen?“ Schuldig küsste Ran sanft auf die Lippen, leckte einmal darüber, bevor er sich wieder zurücklehnte um Ran in die Augen zu sehen. In dieses verführerische Violett, das so betörend für ihn war. Den Kuss noch auf seinen Lippen nachfühlend und sich über selbige leckend, nickte Ran langsam. „Du selbst bist menschlich… das weiß ich. Ich habe es doch gesehen. Aber ich bin anders. Wieso sollte dir das gefallen? So ist kein Mann…“ Lust, Verlangen und Zweifel kämpften in ihm und wurden umschwirrt von Zärtlichkeit und dem Drang nach Nähe. Genau das sah man auch in seinen Augen. „Du kannst nicht wissen, was mir gefällt“, beruhigte Schuldig und zog Ran näher an sich um ihn an sich zu betten. Seine Lippen huschten neckend über die sensible Haut des Ohres. „Hast du dich schon selbst berührt? Hat es dir gefallen?“, wisperte er mit samtig rauer Stimme nur begleitet vom Knacken der Scheite im Feuer. „Bevor ich in diesem Labor war… ja. Und da hat es mir auch gefallen. Dort…“…hatten es andere für ihn erledigt, weil sie ihn zu Forschungszwecken brauchten. Dort hatte es keinen Spaß mehr gemacht. Er hatte eine Abneigung dagegen entwickelt, eine regelrechte. Er bettete seinen Kopf vorsichtig in die Halsbeuge Schus und seine Zähne knabberten leicht an dem Fleisch dort. „Dort…?“, hakte Schuldig nach. Es war wichtig, dass sie über dies hier sprachen. Er wollte Ran nicht mit etwas verletzen oder ihm etwas aufdrängen. Gerade weil dieser so unerfahren schien. „Ich frage deshalb, weil ich nicht den gleichen Fehler wie sie dort machen möchte… verstehst du?“ „Gibt es darüber denn keine Datei, die du dir anschauen kannst?“, fragte Ran, im ersten Moment angetan von der Idee, nicht selbst darüber sprechen zu müssen. Dann jedoch wurde ihm bewusst, dass er nicht immer Labordaten für sich sprechen lassen konnte, wenn er sich davon lösen wollte. Ran seufzte leise. Raus mit der Wahrheit! Los… „Sie wollten Daten… Ergebnisse über meine Körperflüssigkeiten.“ Ran verstummte wieder, wusste nicht, wie er das ausführen sollte. „Über alle.“ „Ich verstehe.“ Schuldig platzierte einen kleinen Kuss auf Rans Schläfe. „Ich möchte so etwas gar nicht von einer Datei anschauen. Höchstens wenn du zustimmst, höchstens, wenn es uns beiden Lust bringt, dann kann es reizvoll sein, dabei zuzusehen, den anderen dabei zu riechen und ihn danach zu schmecken. Aber nicht so Ran…“ „Ich weiß… ich mag diese Latexhandschuhe nicht… diese klinischen Berührungen“, brachte Ran es schließlich heraus, schnell und gewürgt, aber er hatte es gesagt. „Ich würde eine solche Datei auch nicht sehen wollen…“ „Ich kann dich nicht bei allem beruhigen, aber bei zwei Dingen…“, lachte Schuldig leise und tröstend. „Weder werde ich dich mit Handschuhen noch mit klinischen Berührungen anfassen, ich fasse dich pur… und eindeutig begehrend an, mal fest, mal sanft, mal hart mal zart, aber eindeutig sexfreudig“, grinste Schuldig und seine Nase stupste auffordernd die Rans an. Große, violette Augen sahen diesem Versprechen entgegen und hielten unheimliche Erleichterung in ihnen. Das klang wirklich gut… Es klang erregend… ja, es erregte Ran, was Schu ihm hier versprach… wie es ihn beruhigte. Ran schnappte mit seinen Zähnen leicht nach Schus Nase und hielten sie zart zwischen den kleinen Eckzähnen fest. Es war eine freundschaftliche, eine liebevolle Geste. „Hast du Hunger?“ Schuldig entzog seine Nase den Zähnen und ersetzte sie durch seine Lippen. „Hier… hast du etwas Besseres…“, raunte er heiser und eroberte Rans Mundhöhle etwas forscher als zuvor. Seine Hände krochen unter Rans Oberteil und hatten nun die samtig warme Haut unter seinen Händen zu fühlen. Genießerisch seufzte er in den Kuss hinein. Ran erzitterte regelrecht unter diesem direkten Hautkontakt, wollte mehr, wollte mehr Verbundenheit. Mit Leidenschaft öffnete er sich und erwiderte den Kuss, kämpfte mit Schus Zunge. Ja, er hatte Hunger, Hunger auf Schu, auf das Leben, auf alles… Seine Hand fand ein weiteres Mal die seidigen Haare und vergrub sich darin. Als wenn es ihm angeboren war, bewegte er sich auf Schu, reizte den anderen mit seinen Bewegungen. Schuldig keuchte ob dieser Bewegungen. „Ran… langsam… willst du… sollen wir nach oben gehen?“ Er seufzte ergeben als der Griff in seine Haare sich mit Rans Bewegungen vermischten und ihn antrieben. Nach oben…? Sie konnten doch auch hier… Nein, konnten sie nicht. Ran spürte das dringende Verlangen in sich, wie ein normaler Mensch im Bett zu liegen, wenn er über die Klippe getrieben wurde und nicht auf einer Bahre. „Ja…“, hauchte er rau in der Stimme und er löste sich fließend von Schu, stand etwas unsicher auf. Etwas war gut… der ganze Raum war unsicher und schwankte. „Oh…“ Er blinzelte überrascht. „Hey… hey… langsam.“ Schuldig erhob sich gemächlicher, kam hinter Ran und zog ihn an sich. „Du bist den Alkohol nicht gewohnt. Wenn ich eine zeitlang nichts trinke, geht es mir bei kleinen Mengen ähnlich. Deine Reaktionsfähigkeit nimmt ab.“ Schuldigs Hände schlichen dieses Mal über die vordere Front, strichen synchron über die Brust, die Flanke hinunter in den Schritt, strichen von dort über die Oberschenkel nach außen und wieder nach oben. „Du könntest deine Beine um mich schlingen und ich bringe dich nach oben… was hältst du davon? Oder möchtest du selbst die Treppen erklimmen?“ Er hatte bemerkt wie scheu Ran mit den Treppen umging. Sie schienen ihm nicht sonderlich geheuer zu sein. Ran schüttelte den Kopf und stellte fest, dass der Raum danach nicht aufhörte, sich zu drehen. Gott… Er schauderte ob der Berührungen. „Ich mag die Treppen nicht. Sie sind… unheimlich.“ Er drehte sich in der Umarmung um. Er hatte mit seiner Mutter Ähnliches getan… also hatte er auch nun keine Mühe, seine Arme um den Hals des anderen zu schlingen und sich vom Boden abzustemmen. Die Beine um die Mitte Schus geschlungen, war er nun an den anderen Mann geklammert, sodass dieser genau spüren konnte, dass er erregt war. Ran schnurrte leise, tief vor allen Dingen. „Hmm… so gefällt mir das schon besser“, packte Schuldig fester zu und zog Ran soweit an sich, dass kein Blatt Papier mehr zwischen sie gepasst hätte. Seine Hände fest um Rans Hintern gelegt, strichen seine Finger über dessen deutlich fühlbare Vertiefung zwischen den Gesäßhälften. Durch den feinen Stoff der Hose war dies ohnehin keine Schwierigkeit. Er setzte sich in Bewegung und löschte unterwegs die Beleuchtung, bevor er die Treppen erklomm und ins Schlafzimmer ging. Er schaltete nur das Licht der Bodenfliesen und die Lichter in den Seitenvertäfelungen des Bettes ein, bevor er sich mit Ran niederließ. Zunächst auf die Knie auf dem Bett, dann über Ran und sich an ihn drängend. So konnte dieser spüren, dass Rans Erregung nicht einseitiger Natur war. Er fing Ran zu einem tiefen Kuss ein bevor er sich löste und sich sein langärmliges Oberteil über den Kopf zog um es zu entfernen. Die Gemütlichkeit dieses Raumes trug auch noch mit dazu, dass Ran sich nach und nach entspannte, sich auf das konzentrierte, was wirklich wichtig war. Seine Augen wie auch seine Hände fuhren bewundernd über den freien Oberkörper, über die Muskeln dort, wagten sich nun etwas tiefer. Ran war noch nie so weit gegangen und hoffte jetzt, dass er das Richtige tat, doch anscheinend hatte Schu bisher keinen Grund zur Beschwerde gehabt. Er hatte zumindest nichts gesagt. „Du bist schön…“ Das war doch wohl Ansichtssache. „Du hast keine Vergleiche, Ran“, neckte Schuldig und genoss die Hände, die über seinen Körper streichelten. Schuldig schob Rans Oberteil nach oben, küsste sich über die Mitte der Brust, nach rechts, dann nach links, reizte, leckte und küsste sich einen Weg hinab zum Bauch um dort die Vertiefung des Bauchnabels zu triezen. Fauchen antwortete ihm, als Ran sich aufbäumte und sich zur Ruhe zwang. Diese Berührungen waren der Wahnsinn… sie waren Himmel und Hölle gleichzeitig für ihn. Ein leises Miauen folgte dem Laut und Ran vergrub seine Hände wieder in den Haaren. Ja, er war unsicher… aber er war auch nur allzu bereit, sich Schu zu ergeben. „Was machst du mit mir?“, fragte er atemlos. Hatte er dieses… Miauen wirklich gehört? Schuldig durchfuhr es schaudernd. Es war so unnormal, so unwirklich. Aber… es war für ihn. Nur für ihn… durch ihn entstanden. Etwas so einmaliges… Er grinste wild und umarmte Ran um die Leibesmitte, hob dessen Unterleib somit noch mehr an um sich den Flanken zu widmen. „Dich um den Verstand bringen natürlich, was denn sonst?“, erwiderte Schuldig und leckte zwischen den Worten spielerisch über die Rippenbögen. „Ich will… alles von dir hören, Ran… gib mir mehr von dir.“ Überrascht und zum guten Teil auch verstört sah Ran auf Schu hinab und wusste zwischen Lust und Begehren nicht wohin mit diesen Worten, diesem Interesse an ihm. Dem absoluten Interesse, das bisher niemand an ihm gezeigt hatte. Nicht mehr fähig, auch nur einen Ton zu sagen, glitten seine Hände hilflos an Schus Seiten hinab. Doch der andere Mann war zu tief, als dass er ihn richtig erreichen konnte. Leicht frustriert grollte er und griff sich den Stoff der Hose, zog Schu daran zu sich. Schuldig kam tatsächlich hoch, gab dem Zug nach und schmirgelte seinen Körper an Rans entlang. „Ich will dich nackt spüren…“ Fortsetzung folgt... Vielen Dank für's Lesen. Bis zum nächsten Mal! Gadreel & Coco Kapitel 8: PURPUR ----------------- Nackt… Ran zögerte einen minimalen Augenblick, überkamen ihn für einen Moment ungute Erinnerungen. Doch das hier war anders. Schu war anders. Von Anfang an gewesen. Er zog den anderen zu einem verzweifelt-gierigen Kuss an sich. „Dann zieh mich aus“, hauchte Ran, nicht die Kraft für eine stärkere Stimme aufbringend. Was Schuldig auch tat. Zunächst das Oberteil, das wohl einfacher für Ran war als die Hose samt Unterwäsche. Rans Oberkörper war schmaler als seiner, was auch kein Wunder war, denn Ran war kleiner, die sehnigen, langen Muskeln luden zum Erkunden ein, was Schuldig auch genüsslich tat, während seine Hände sich daran machten, die Hose samt Unterwäsche hinab zu schieben. Gleichzeitig schob er sich selbst nach unten, küsste sich ablenkend Richtung Schritt. Neugierde aber auch Vorsicht trieben ihn. Noch widmete er sich nicht der bloß gelegten Scham. Er küsste die Hüfte, vorbei am Zentrum über die Oberschenkel hinab… die Socken … alles wurde von ihm langsam entfernt, bis er sich die Innenseite hinaufarbeitete, leise, beruhigende Worte wispernd. So unnormal war Rans… Geschlecht gar nicht, wie Schuldig bemerkte. Es war gerade, stattlich und hatte lediglich an der Unterseite eine Art Kante… bis hin zur Spitze… eine stärkere Haut… fast hornhautähnlich… Ein schmaler Streifen erstreckte sich von der Wurzel bis zur Spitze… ein Überbleibsel der bei Katern üblichen Widerhaken? Schuldig setzte einen Kuss auf die Spitze… überraschend, bevor er nach oben glitt und Ran fest umarmte. „Du machst dir zu viele Sorgen… Ran…“, küsste Schuldig Ran weich. Dieser zitterte, aber nicht nur von den ungewohnten Erfahrungen, die Schu ihm antat und die er wachsam, ja beinahe argwöhnisch über sich ergehen hatte lassen. Immer ängstlich vor Schus Reaktion, immer bedacht darauf, sofort zu fliehen, wenn etwas kam, das ihn unwohl werden ließ. Doch Schu wusste anscheinend auch hier, was er brauchte, was ihn beruhigte und Ran war dankbar. Er zog sich nah an Schu heran, ganz nah und küsste die Stellen, denen er habhaft werden konnte… die Lippen, die Mundwinkel, das Kinn… Er sagte nichts, konnte nichts darauf sagen, also reagierte er mit Nähe, während seine Hände an der Hose des anderen lagen, schließlich nach hinten wanderten und in einem Akt der Tapferkeit unter den Stoff krochen. „Alles… nur keine Risse in der Haut… und Schnitte wären auch nicht so gut“, sagte Schuldig in sanften Tonfall, an die so erwartungsvollen Lippen gewispert, leicht neckend. Ran, der die letzten Momente so still gewesen war, hatte nun scheinbar eine andere Möglichkeit gefunden um sich auszudrücken: die alte Neugierde schlug durch, wie Schuldig registrierte. Besser als die Furcht in den Augen, oder in der Körpersprache des anderen. Schuldig sah, wie sich die Erleichterung in dem Heranziehen und den vielen kleinen Küssen ausdrückte. Unablässig strichen seine Hände großflächig über die erhitzte Haut. Er drehte sich zur Seite, zog Ran mit sich und hielt dessen Körper mit seinen Händen an sich, schob den Unterleib an seinen heran, sodass er den Rücken erreichen konnte. Dort, wo selten Berührungen im Alltag vorkamen, da man selbst kaum hinkam. Er strich über die Schulter hinab über die Schulterblätter die Wirbelsäule entlang, langsam hinunter zum Kreuzbein… allerdings wich er zunächst auf die Hüfte aus und danach wieder zurück, bis er das nächste Mal den Hintern mit sanften, massierenden Strichen verwöhnte. Augenblicke lang ließ sich Ran von den ihn elektrisierenden Berührungen umhegen und umsorgen, so wie es lange niemand mit ihm getan hatte… es war der Himmel, es war wunderschön und er spürte, wie er in den Händen des anderen zu Butter wurde. Doch dann wurde er sich bewusst, dass er für Schu momentan nichts tat und das wollte er ändern. So sanft, wie Schu sie auf die Seite befördert hatte, drehte er sie nun so, dass er es war, der auf dem anderen Mann lag. Seine Augen betrachteten sich den Telepathen, bevor er nun seine Hände vorsichtig und langsam über dessen bleiche, ebenmäßige Haut gleiten ließ. Langsam ließ er sich an Schu hinuntergleiten und hauchte hier und da Küsse auf Hautstellen, die ihm besonders gefielen. „Siehst du… keine Risse… und keine Schnitte“, murmelte Ran leise, bevor er ganz vorsichtig in den Bauch zwickte. Schuldig bezweifelte, dass Sex ohne Blessuren und Schrammen zwischen ihnen vonstatten gehen würde. Aber was sollte es… wo gehobelt wurde, da fielen Späne… Er fand diesen Satz schon immer … bescheuert. Sich auf die Ellenbogen aufstützend stupste er mit den Lippen Rans Nase an, der gerade seine Reaktion auf das Zwicken beobachtete. „Ja…das sehe ich“, murmelte Schuldig leise. Das wurde ihm hier alles ein wenig zu ernst. Er wollte Ran kennen lernen, nicht gleich alles auf eine Karte setzen. Nicht… bei einer Mission wie dieser, witzelte er gedanklich. Er wusste immer noch nicht genau, was Ran war und hatte zunächst einmal vor dessen Reaktionen in bestimmten Situationen kennen zu wollen. Schließlich… war er ungeschützt in dieser Lage. Und Ran hatte schon bewiesen, dass er in Furcht und Unverständnis verletzen konnte. Er trug schließlich immer noch die Wunden von diesen Ereignissen. Es war, als würde Ran sich ebenso dessen bewusst werden, denn sein Blick blieb auf dem noch aggressiv roten Strich hängen, der mitten auf der Brust des anderen prangte. Von ihm getan. Ran beugte sich hinab und platzierte seine Lippen auf das verletzte Fleisch. „Ich bin vorsichtig“, sagte er leise. Er versuchte es zumindest. Rans Haar fiel auf Schuldigs Bauch und Brust, kitzelte ihn und schimmerte in dem schummrigen Licht wie blutrote Seide. Seinen Kopf leicht in den Nacken legend, genoss er dieses zarte und samtige Gefühl, nicht nur der Haare sondern auch der feuchtzarten Küsse. Genießend grinste er leicht, schloss die Augen und ließ Ran ein wenig seinen Willen. Schuldig war sich darüber im Unklaren, wie weit sie gehen würden. Angespornt von dieser Zustimmung, begab sich eine mutige Hand weiter nach unten, während Argusaugen genau beobachteten, was in Schu vorging… und ob er selbst nicht zu weit ging. Er strich vorsichtig die Hüfte des anderen entlang nach unten auf den Oberschenkel. „Du bist immer noch bekleidet…“, beschwerte Ran sich. „Scharf beobachtet“, lachte Schuldig samtig, da seine Kehle leicht überstreckt war und er hob seinen Kopf wieder an, fixierte Rans beeindruckende violette Augen. „Was… man gegen dieses Problem wohl tun könnte…?“, fragte er neckend. Ran zückte seinen Zeigefinger, vielmehr die Klaue, in die der Finger mündete. „Ich wüsste da was!“ Seine kleinen Eckzähne zeigten sich frech, während er leise fauchte. „Es ist ja auch keine Haut… sondern Stoff!“ Dieses Verhalten war… so anders. Gerade jetzt fiel es Schuldig wieder auf. Ran war… in seinem Verhalten bemüht menschlich zu sein, aber er… war es nicht mehr länger. Diese Lebendigkeit, die Bewegungen, das irritierende Zeigen der Eckzähne… der Klaue… Schuldig befeuchtete sich die Lippen… und hob die Augenbraue. „Gut“, wisperte er mit rauer Stimme. „Für die Hose musst du einen Tag länger arbeiten… eine… Nachtschicht einlegen“, bot er im Tausch mit einem herausfordernden Lächeln in seinen Augen an. Nachtschicht? Sowas, wie sie hier taten? Ran runzelte die Stirn, sich zunächst seinem akuten Problem stellend. Er zupfte spielerisch an der Hose, so als müsste er sich überlegen, ob er sich für die Variante des Bezahlens oder die vorsichtige entschied. Eigentlich… wollte er die sanfte Methode und so stahlen sich seine Finger unter den Hosenbund und zogen leicht an ihm. „Also arbeite ich gerade für mein erstes Geld?“, fragte er währenddessen. Was… zum Teufel…? Schuldig griff sich Rans Hand und zog diesen mit einem Ruck auf sich, sodass er dessen Stirn mit seinen Lippen bedenken konnte und diese wunderschönen Augen in seinen fand. „Ran… Das hört sich an, als würdest du für Geld hier liegen und ich dich dazu anstiften. Meinst du wirklich, dass ich das von dir wollen würde?“ Kein Vorwurf lag in den Worten, dennoch war Unverständnis daraus zu hören. Ran blinzelte und seine Augen trafen die des anderen. Er war sensibel genug um Schus Gefühle zu erraten, um zu wissen, dass es dem anderen nicht gefiel, was er sagte. Was er zum guten Teil wirklich ernst gemeint hatte. Doch schließlich hielt seine menschliche Seite in ihm Einzug, die Seite, die sich an derlei Dinge erinnerte, die er als 15-jähriger bei seinen Eltern gelernt hatte. Nein, es war nicht normal… es war… wäre Prostitution. Und genau das warf er Schu vor. Die Augen geweitet, schüttelte Ran vehement seinen roten Schopf. „Nein! Nein… das würdest du nicht wollen… es macht dir Spaß… und mir auch. Nicht wahr?“ Sie taten das beide freiwillig, weil sie es wollten. Innerlich seufzte Schuldig tief und schwer. Man, da hatte er aber noch viel… oder sie beide noch viel im Umgang mit dem anderen zu lernen. Wo er doch so ein folgsamer Schüler war… meckerte er innerlich. Er strich Ran eine Haarsträhne nach hinten und zog ihn ein wenig näher um diese verführerischen Lippen in einen Kuss einzubinden. Gleichzeitig spreizte er seine Beine, sodass Ran zwischen seinen Beinen zum Liegen kam. „Meine Worte waren scherzhaft gemeint… ich wollte dich necken. Ein wenig ärgern. Weil dich dachte, du würdest dagegen halten. Aber du hast es falsch verstanden. Mein Fehler, Ran.“ Er küsste Ran auf die Nasenspitze, schnell und zwinkerte dann, während er seine Beine etwas enger schloss um Ran gegen sich zu pressen. Harmlos und natürlich rein zufällig, sodass dieser sich kaum mehr rühren konnte. Ran grollte leise, beinahe unhörbar über diesen Kontakt, nahm sich jedoch gleichzeitig Schus Lippen an, die beinahe danach schrieen, dass man sie einnahm. „Ich hätte auf den Spaß darin hören sollen…“, entschuldigte sich Ran seinerseits. Er wusste, dass er das noch üben musste… er wusste es. Er knabberte an Schus Kinn, als wenn er dort eine leckere Delikatesse gefunden hätte. Schuldigs Lippen haschten weich nach den anderen. „Die Hose kostet Geld und wenn du sie zerschneidest… kostet das etwas…“, grinste er siegessicher und völlig überzeugt von seinem Argument. Violette Augen verengten sich kritisch und Ran warf einen Blick nach unten. Er legte den Kopf schief. „Gut…“ Seine Hände wurmten sich nach unten und versuchten, blind den Knopf aus dem Knopfloch zu drehen, was sich als gar nicht so einfach herausstellte. Vor allen Dingen, da er bei sich selbst schon Probleme hatte… und nun bei Schu war das Ganze noch etwas schlimmer. „Du meldest dich… wenn du Hilfe brauchst, ja?“, fragte Schuldig mit der Hilfsbereitschaft eines Pfadfinders und beäugte Rans Tun neugierig mit einem ironischen Lächeln. Ein leises Fauchen antwortete ihm. „Ich kann das schon!“, murrte es von unten und Ran rutschte in der Umklammerung des anderen an dessen Körper hinab. Und siehe da, er hatte es geschafft… nach weiteren Versuchen und der Knopf ging auf… ab… aber das war Nebensache, er konnte ihn ja wieder annähen. Nun war der Reißverschluss an der Reihe, den Ran Zahn für Zahn auseinanderzog und anschließend wieder hochsah. „Geschafft“, gurrte Schuldig und seine Augen glimmten in ihrer Tiefe vor Amüsement, aber auch vor Erwartung. Er war sehr gespannt was Ran nun tun würde. Es erregte ihn… dieses Spiel, welches ihn an seine Jugend erinnerte. Die letzten Bettspielchen, die er mit einigen Damen und manch einem Herr absolviert hatte… waren nicht derart unschuldig und so... Ihm fehlte das Wort, aber er hätte es als verführerisch, bezaubernd oder erotisierend bezeichnen können. Das lag an Ran. An dessen Art, an dessen Bewegungen, die Schuldig alleine vom Beobachten unruhig werden ließen, weil Hitze in seinen Unterleib kroch. Ran sah, dass Schu ihm hier keine Hilfe sein würde… dass er es ihm überlassen würde. Ran grumpfte leise und schob dann seine Finger in den Stoff, zog ihn langsam herunter. Schu wollte es, er hatte es schließlich gesagt, also lag es jetzt an ihm, dass er es umsetzte… dass er sich traute. So… die Hose hatte er jetzt schon mal. Musste Schu auch noch Unterwäsche tragen? Skeptisch beäugte er sich das schreiend grüne Stück und sah hoch. „Darf ich?“ Das würde eine… verdammt lange Nacht werden, seufzte Schuldig still amüsiert. Er kam sich schon vor wie ein zartes Pflänzchen… oder eine Jungfrau in ihrer ersten Nacht. Dabei war er das glatte Gegenteil. Die Hure von Babylon. Zumindest in schubweise kommenden Phasen seines Lebens. Seine Hand strich über Rans Kiefer und verfing sich in langen Haarsträhnen, die er sich zwischen die Finger wickelte. „Mach, was du möchtest, Ran“ Er ließ seine Stimme samtig weich werden, sein Blick war verlangend, lauernd. Eben jener nickte nun langsam und tat, was Schu schon längst vor ihm getan hatte. Vorsichtig, nicht zu schnell zog er nun auch das letzte Kleidungsstück von den Hüften des anderen Mannes und legte es zur Seite, besah sich nun die nackte Gestalt voller Interesse und Neugier. Er hatte Schu schon einmal nackt gesehen, doch nur flüchtig und nicht mit dem jetzigen Interesse. Der andere Mann war das, was er vor den Jahren im Labor als attraktiv bezeichnet hatte. Auch dessen Körpermitte…vielmehr der Schoß des Mannes hatten es ihm angetan. Seine Hände strichen in Bewunderung versunken über die Schenkel, den Bauch nach unten, taten es Schu gleich, was die Forschheit der Berührungen anging. Sacht fuhr er die Länge des Gliedes hinab. Schuldigs Atem wurde intensiver. Er genoss die Berührungen, schmiegte sich weiter ins Kissen hinein und ließ seine Augen auf Halbmast hinunter, Rans Bewegungen, das Senken der Schultern, die Kopfhaltung beobachtend, taxierend. Jeden einzelnen Laut belauschte Ran sehr intensiv, damit er hören konnte, wenn Schu etwas nicht passte, doch momentan konnte er nur den leidenschaftsschweren Atem des Telepathen vernehmen. So nahm er zu seinen Händen nun auch seine Lippen zur Hilfe und ließ sie über den ansprechenden Körper wandern, ebenso auf die mild angespannte Länge. Es war Neuland für ihn, komplettes Neuland, doch es war gut… und schön. Gerade jetzt war Schuldig sich nicht sicher, ob sie hier das Richtige taten. Nein, ob er das Richtige tat. Denn wie kam Ran dazu, diese körperlichen Dinge so freimütig herauszu… rücken, wenn er zuvor sich kaum von ihm auf normalem Wege anvertraute, sich anfassen ließ? „Komm hoch zu mir Ran“, war seine Stimme nur mehr ein von Sex getränktes Raunen. „Ich möchte dich an mir spüren.“ Auch Schu war Ran nun ein Rätsel. Es war doch nur klar, worauf das hier hinauslief… wieso lockte Schu ihn immer von dieser Erlösung weg? Aber wer war Ran, dass er nicht ausprobierte, was es noch gab und wer konnte ihm da besser helfen als Schu? So folgte er dem anderen und schmiegte sich an ihn, legte sich halb auf, halb neben ihm. „Ist es dir so wichtig, deinen Bettpartner anzufassen?“ Auch die Frage war aus, jedoch nicht mit Unverständnis gestellt, als Ran seinen Kopf auf die Brust Schus bettete. Da kam schon die erste Frage angerannt, dachte Schuldig. Sie zeigte ihm, dass er richtig gehandelt hatte, Ran erst einmal etwas auszubremsen, da dieser scheinbar von seiner eigenen Sexualität keine oder nur wenig Ahnung hatte. Oder von dem… was zwei Menschen miteinander teilten, wenn sie … Nun er wollte jetzt nicht das Wort „liebten“ ins gedankliche Spiel bringen, aber „poppten“ würde es auch tun, obwohl es das gleiche bedeutete, nur nicht so überladen war. Schuldig schloss Ran in seine Arme, seine Nase stippte durch Rans Haar, sog den Duft nach Shampoo und Ran auf. „Ja. Ist es. Sehr sogar“, murmelte er und ließ seine Hände wie zur Bestätigung über Rans Körper streichen. „Sag mir, was erwartest du von deinem… Bettpartner?“, benutzte er das gleiche Wort. Momente lang herrschte Stille zwischen ihnen beiden. Ran wusste nicht, was er darauf antworten sollte, er wusste noch nicht einmal, was er wirklich erwartete. Er erwartete, nicht gedemütigt zu werden, zumindest hoffte er das. Er hoffte akzeptiert zu werden. Alles andere kannte er nicht. Was er sich vor fünf Jahren gewünscht hatte, war nun passé. Eine glückliche Beziehung, eine große Liebe, viel Zärtlichkeit und die ganze Welt heil und aus Zucker… das GAB es schlicht nicht. Nicht mehr. Er runzelte die Stirn. Aus welchem Grund war er denn mit Schu hier? „Befriedigung“, erwiderte Ran schließlich. „Ehrliche Lust… für beide.“ Schuldig überlegte einen Augenblick lang. „Ja, das stimmt, so geht es mir auch. Aber…“, räumte er ein. „Es gibt auch Momente, wo es schöner ist sich zu spüren, der Andere ein Spiegel seiner eigenen Gefühle ist. Zu beobachten, was meine Berührungen auslösen, wie sie aufgenommen werden, wie ich durch sie angenommen werde. Jemanden so intim zu berühren, das gelingt einem nicht bei jedem Menschen, den man gerne für sich gewinnen würde.“ Eines seiner Beine schmuggelte sich zwischen Rans Schenkel, als er ihn mehr auf sich zog. „Es gab Momente, in denen ich gerne jemanden im Arm gehalten hätte. Um mich festzuhalten, um umarmt zu werden, um Wärme zu bekommen. Wärme, die dadurch kommt wenn ich jemanden beschütze. Aber auch schlicht körperliche Wärme. Es gibt viele Gründe warum Berührungen und das Spüren desjenigen, den man gern hat, so wichtig sind. Für mich wichtig sind. Es ist nicht so, dass ich ohne sie nicht leben könnte. Aber mein Leben wäre ärmer. Fühlst du nicht, dass es gut tut, wenn ich dich berühre Ran?“ „Es ist anregend… jetzt, in diesem Moment“, antwortete Ran nach einiger Zeit des erneuten Überlegens. Was er damit nicht sagte, war jedoch, wie es sich im Übrigen verhielt. Und das war schwierig. „Beim Sex ist es etwas anderes als im normalen Leben.“ Dort waren Berührungen für ihn etwas, an das er sich gewöhnen musste. Sehr gewöhnen, musste er doch noch begreifen, dass nicht jede Berührung unter Zwang geschah. Er konnte sie von sich aus frei initiieren, im Gegenzug musste er demjenigen, den er anfasste, das gleiche Recht zugestehen. Aber Schu konnte es auch… und bei Schu waren sie eine wichtige Bereicherung… und dazu trug er gerade bei. Ran umschlich ein warmes Gefühl. Er war sich sicher, dass er sich irgendwann zu normalen Berührungen überwinden konnte… gänzlich. „Es fühlt sich gut an, jetzt gerade, so wie wir hier liegen… ich kenne es nur nicht.“ „Wie kennst du es dann?“ Schuldig musste danach fragen, denn der sexuelle Akt bei Katzen… er hatte keinen blassen Schimmer wie das bei Ran ablief. Oder dachte er da viel zu sehr in phantastischen Bahnen? „Klinische Berührungen, Latexhandschuhe“, kam es schnell und heruntergespult von Ran und der rothaarige Japaner seufzte. „Vorher habe ich keine Erfahrungen gemacht. Bis auf die Berührungen meiner Eltern und die Raufereien mit meiner Schwester.“ Er schwieg einen Moment. „Mir fehlen eben fünf Jahre“, versuchte er sich zu rechtfertigen. „Was ist… mit der Katzensache?“ Schuldig küsste Ran auf die Stirn, streichelte ihn langsam, beruhigend. Er zog eine Decke heran und leicht über sie beide. „Glaubst du, dass dich das beeinflusst? Ich meine stark beeinflusst?“ Die Decke bedeutete, dass das Sexuelle, was sie gerade noch umgeben hatte, sich langsam auf dem Rückzug befand… das spürte Ran instinktiv und es ließ ihn leicht unsicher werden. Allerdings zeigte sich diese Unsicherheit noch nicht. Seine Gedanken kehrten zurück zu Schus Frage und er runzelte die Stirn. „Es macht mich instinktgetriebener… ich höre weniger auf meinen Verstand, der mir sagt, dass ich es lassen sollte.“ „Sag mir, warum du es lassen solltet, Ran.“ Schuldig war sich sicher, auf dem richtigen Pfad zu sein. Wo dieser hinführte wusste er nicht, aber er hatte keine Lust Ran heute wegzulassen. Es fühlte sich richtig an mit ihm hier zu liegen. Seine Lippen fuhren über die Stirn, kosten über die Schläfe, während seine Rechte unter der Decke auf Rans Kehrseite ruhte. Abwartend bis sie wieder in Aktion treten konnte. „Weil es gegen das Menschsein verstößt“, gab Ran nach wenigen Augenblicken zurück. „Das Töten oder das Angreifen… ich hätte es nie getan, wenn ich nicht diese Gene in mir hätte. Dich hätte ich auch nicht angegriffen dort… ich hätte vermutlich Angst vor dir, wie vor ihnen auch. Oder ich würde überlegter handeln.“ Ran schmiegte seine Wange an die Lippen. „Ich spreche über den Sex.“ Schuldigs Bein untermauerte diese Worte in dem es sanft aber bestimmt Rans Schritt massierte. „Was ist mit dem Sex. Glaubst du, dass diese Gene dich dabei beeinflussen? So sehr… dass du zu sehr wie ein Kater reagieren würdest? Katzen haben kein Vorspiel. Hier geht es gleich zur Sache.“ Ran gurrte leise und seine Lippen verirrten sich auf Schus Brustkorb. Er reckte sich leicht und ließ seinen Körper gegen den des anderen gleiten. Ob ihn seine Gene beeinflussten? „Vielleicht… der Drang ist da. Also der Drang, dich zu… mit dir zu schlafen, schnell und danach wieder zum Alltag zurück zu kehren. Zumindest glaube ich das.“ Oha. ‚So war das also’, dachte Schuldig. Wenn er nicht aufpasste brannte ihm also schneller der Hintern, als dass er ‚habe Migräne’ sagten konnte. „Meinst du… du kannst dich beherrschen und es ein wenig langsamer genießen? Sodass sich das Verlangen in Gier und Lust entlädt?“, heizte er Ran ein wenig neckend und doch mit seinem Oberschenkel weitermachend an. Es langsamer genießen. Sich eingestehen, dass er doch Nähe brauchte und diese Nähe nicht nur dazu gebrauchte, um seinen sexuellen Trieben freien Lauf zu lassen. „Hmm…. einen Versuch ist es wert“, stimmte Ran dem schließlich zu und küsste Schu auf eine der kleinen, aufgerichteten Brustwarzen. „Allerdings wird daraus nichts, wenn du so weitermachst da unten.“ Seine Zähne zeigten sich und er sah hinauf in die grünen Augen. „Was ist… wenn ich sage, dass ich nicht gerne der Teil beim Sex bin, der bepoppt wird, Ran? Und deine Triebe dir aber etwas anderes erzählen. Dann haben wir ein Problem, oder?“ Schuldigs Worte waren ruhig. Sie mussten das klären, schneller als dass sie voranschritten, denn sonst würden sie Probleme bekommen. „Dazu kann ich dir nichts sagen… ich weiß zwar, dass ich es gerne möchte, aber ich habe es noch nie ausprobiert. Auch anders herum nicht. Und sie haben es auch nicht ausprobiert.“ Ran fiel es schwer, diese Art von Ehrlichkeit beizubehalten, besonders, wenn er in die Augen des anderen blickte, doch er wusste, dass sie es aussprechen mussten… wenn sie sich noch näher kommen wollten. „Ein Vorschlag…Ran. Wir… probieren erst das aus… worin ich mich sicher fühle. Klingt ein wenig egoistisch, aber… wenn wir beide auf Neuland gehen könnten wir einbrechen. Also… gehen wir zunächst den scheinbar sicheren Weg. Der Rest… von dem lassen wir uns überraschen…“ Positiv hoffentlich. Wenn er nur daran dachte, dass diese Krallen ihn unten halten und seine Haut öffnen würden… Er stand nicht so auf Schmerz. Wirklich nicht. Ran nickte langsam. „Ich bin neugierig… auf dich“, meinte er ehrlich und strich die Muskeln nachfühlend über die Brust bis hinunter zum Bauch, stippte dort spielerisch in den Bauchnabel. Ja, vielleicht wäre es wirklich besser, wenn Schuldig ihm erst zeigte, was wichtig und richtig war. „Außerdem weiß ich nicht, ob ich dich verletzen werde, wenn ich in dir bin… ob es dir wehtut“, gab Ran seinen nächsten Gedanken zu bedenken und kam auch für sich nun zum endgültigen Schluss, dass es besser wäre, wenn Schu oben liegen würde. „Wenn wir nicht zu voreilig sind, dann kannst du mich nicht verletzen Ran. Es sei denn wir werden ungeduldig und einer von uns kann es kaum mehr erwarten…“, lachte Schuldig leise, aber eindeutig mit sexlastiger Stimme. Ebenso eindeutig war Rans skeptischer Blick, mit dem er die grünen Augen bedachte. „Ich habe das Gefühl, dass du auch ungeduldig bist!“, erwiderte Ran. Ungeduldiger als er vielleicht. Wobei… Seine Hand wanderte müßig zur Kehrseite des Gedankenlesers und stellte dort neugierigen Unfug an, während er die irritierenden Fasern der Decke auf seiner Haut spürte. Schuldig beobachtete Ran einen Moment lang, bevor er Ran sanft aber bestimmt zur Seite rollte, somit der Decke verlustig wurde. „Ich? Ungeduldig? Nie…“ Auf allen Vieren abstützend lächelte er herausfordernd auf Ran hinab, bevor er sich hinunterbeugte und diese so herrlich verführerisch feuchten Lippen in einen Kuss einlud. Gleichzeitig ließ er sich vollständig auf Ran hinab, ließ diesen seine halberregte Männlichkeit an dessen fühlen. Ein leises Zischen war sein Lohn, als Ran sich dieser Verführung bewusst wurde. Vor lauter Lippen konnte er zunächst nichts antworten, was er auch gar nicht wollte… das Einzige, was er wollte, war Schu spüren, Schu anfassen und ihn zu sich ziehen… das wiederum tat er ausgiebig. Dieses Mal jedoch zwickten seine Finger spitzbübisch in das ihm dargebotene Fleisch des Hinterteils und seine Beine schlossen sich um die Hüften des anderen. Die Hitze in Rans Körper puschte Schuldig umso mehr da Ran ihn näher zog, ihn umklammerte. Seine Hüften drängten sich an diesen, übten ein wenig Druck aus und er hörte wie von fern das Stöhnen, welches ihm selbst entfuhr. Er fühlte die Krallen an seinem Hintern doch sie drückten sich sanft in sein Fleisch. „Wir sollten etwas tun… bald“, schnurrte Ran dunkel raunend, innerlich wie äußerlich zitternd vor Erregung. Er sog mit Genuss den Duft des anderen Mannes in sich auf, der schwere Geruch, der sich aus einem Gemisch an dem eigenen Körpergeruch, dem Duschgel und noch etwas, das Ran noch nicht identifizieren konnte, darstellte. Er war empfindlich genug, dass auch das sich auf seine Sinne auswirkte und seine Erregung steigerte. Schuldigs Lippen kitzelten seidenweich über Rans Hals zu dessen Ohr und knabberten verspielt an der zarten Ohrmuschel. „So? Findest du?“ Er strich Rans Arme entlang, pflückte diese von sich und bettete sie - zunächst mit den Fingern in Rans verschränkt - neben dessen Kopf. Damit stützte er sich etwas ab, schmirgelte seinen feuchten Körper über die ebenso feuchte Haut Rans. Es war das erste Mal, dass Schu seine Hände in dieser… ja, fesselnden Art festhielt und es machte Ran unruhig. Etwas nur, kaum auffällig, doch es erinnerte ihn an sie… an seine Unbeweglichkeit im Labor, als sie… Nein, das hier war anders, das hier war freiwillig, er tat es freiwillig und es war nicht klinisch. Ran verharrte einen Moment, dann kam er mit seinen Lippen an den Kehlkopf des anderen, leckte sanft darüber. Schu würde ihm nicht wehtun… nicht wahr? Nein, das würde er nicht… Irgendetwas hatte hier einen eindeutigen Wechsel vom sexuellen hin zur Sicherheitssuche vollzogen und Schuldig wurde darauf aufmerksam. „Ran…? Alles okay?“ Eine seiner Hände löste sich aus den klauenbewährten Fingern und koste über die erhitzte Wange. Schuldig drehte den Kopf, sodass Ran zwangsläufig von seiner Kehle ablassen musste. „Ja, alles in Ordnung“, murmelte Ran, in seiner Stimme nichts mehr von dem gerade eben aufgekommenen Unbehagen zu hören. Nein, Schu würde ihm wirklich nichts tun. Er küsste die ihn kosende Hand und zwickte schließlich leicht hinein, die Augen voller spielerischem Schalk. „Bei dir auch?“ Er wollte nicht jetzt an diese Männer erinnert werden, er wollte Schu nichts darüber sagen. Er wollte hier bleiben, hier und jetzt… Ran war noch nicht so versiert darin, seine Emotionen vor anderen zu verbergen, schon gar nicht vor Schuldig. Der Schatten, der durch das emotionale Violett geglitten war… den hatte Schuldig gesehen, auch dass Ran zu einer Entscheidung gekommen war und nun zu sich selbst zurückgefunden hatte. Er beschloss nichts zu sagen und mit Ran auf die spielerische Ebene zurückzukehren. „Könnte nicht besser sein? Warum auch? Ich habe hier einen hübschen, intelligenten, heißblütigen jungen Mann in meinen Armen… dessen Körper vor Gier und Lust feucht und heiß ist. Was gibt’s Besseres?“, grinste Schuldig eindeutig nicht jugendfrei. Wäre Ran noch rot geworden, dann hätte er es gerade eben getan. Schus Worte machten ihn verlegen, sehr sogar, hatte er sich doch noch nie so gesehen. Vor allen Dingen seit langem nicht mehr als… Mensch. Als richtiger Mensch. Oder als Mann. Ran blinzelte, besah sich Schuldig kritisch und leckte sich schließlich über die Lippen, tat so, als müsse er überlegen. „Hmm… einen rothaarigen Nicht-Japaner, dessen Körper ebenso heiß ist, der aber nicht zu Potte kommt…“ Schalk spitzte Schu entgegen. Schuldig machte ein verletztes Gesicht und seufzte niedergeschlagen. „Und was ist mit dem… hübsch und dem intelligent? Du traust dich wohl nichts zu sagen, weil‘s nicht der Fall ist, hmm?“, meinte er gespielt traurig. Wobei ihm da ein ganz anderer Gedanke kam, der tatsächlich keine schöne Seite hatte… „Nein! Das meinte ich nicht!“, hielt Ran dagegen, als ihm die Tragweite bewusst geworden war, die durch die Unterlassung dieser Worte geschah. „Ich hatte vorausgesetzt, dass du das bist… deswegen habe ich es nicht gesagt“, fauchte es Schu freundlich entgegen. Dieser haschte nach den so aufbegehrenden Lippen und fing sie in einen tiefen Kuss ein, ebenso fing er die Finger ein, verschränkte sie mit seinen. Als er sich keuchend löste, fing er an sich gegen Ran zu drücken, sie näher zusammenzubringen, ihre Hitze aneinander zu reiben. „So… ich gefalle dir also?“, lächelte er hintergründig. „Mit kleinen Verbesserungswünschen hier und da… ja!“, antwortete Ran und er war stolz, in seiner Stimme zum ersten Mal so etwas wie leichte Ironie oder vielleicht auch Necken zu hören. Genau das hatte er versucht, hinein zu bringen. Denn Schu gefiel ihm wirklich. Dieser männliche Körper war schön, sehr schön. „Verbesserungswünsche?“, keuchte Schuldig und sog scharf stöhnend die Luft ein als seine Spitze Rans verhärtete Unterseite streifte. Es war so… intensiv dieses Gefühl, als hätte sich dieser Streifen Haut noch mehr gefestigt, fast schon geriffelt. „Was meinst… du mit verbessern? Soll… ich mir Schokolade auf den Leib schmieren?“ Ran schauderte vor Wollust, die sich in wohlbekannten und doch neuen Schlieren durch seinen Körper zog. Er hatte sie schon so oft erlebt, doch jetzt… jetzt war es etwas Besonderes. Sein Atem ging schwerer als zuvor, doch es war nicht das verzweifelte Gewicht des Hasses oder der Demütigung, sondern die Schwere echter Lust, Lust auf den Mann über ihm. Seine Augen verfingen sich in ihren grünen Gegenstücken und Rans Gedanken beschäftigten sich nur müßig mit der ihm gestellten Frage, aus der schließlich ein einziges Wort heraus stach. Schokolade. Auf Schu. Konnte es etwas Besseres geben? „Dann könnte ich die Schokolade ablecken… von deiner Haut“, erwiderte Ran überhaupt nicht unschuldig mit einem Blick auf den nackten Körper. „Das wäre eine gute Verbesserung…“ Wie unbewusst stahl sich seine Zunge vor und leckte sich über die Lippen, feuchtete sie etwas an. Einen Augenblick lang überlegte er. „Weißt du… ich könnte die Schokolade auch hier ablecken“, schlug er spitzbübisch teuflisch vor und fuhr mit seiner freien Hand über das aufgerichtete Glied Schus, umkoste es vorsichtig. Innehaltend um durch die Bewegungen nicht aus Versehen selbst an den Klauen vorbeizuschrammen legten sich Schuldigs Lippen auf Rans und er versenkte seine Zunge tief in Rans Mundhöhle, nahm ihn bewusst harsch ein. Es thrillte ihn, diese scharfen Nägel an dieser so… delikaten Stelle zu fühlen und es puschte etwas in ihm, dass auf diese Reizung stand. Ihre Bewegungen wurden unruhiger… fahriger. Ebenso weniger vorsichtig rang Rans Zunge mit der des anderen und zog sie zu sich, lockte Schu, wo er nur konnte. Seine Hand nahm ihr Spiel wieder auf, wurde fester, fordernder, eindringlicher, entschlossen, Schu an den Rand des Orgasmus zu treiben und darüber hinaus. Ja, es war eine perfide Neugier daran, die Lust zu sehen, anstelle sie nur zu erleben, zu sehen, dass er sie selbst hervorrief. Ran hatte nicht gewusst, dass ihn Schus Verlangen, seine Laute so sehr erregen konnte… doch nun labte er sich an dem anderen Mann und es tat ihm gut. Schuldig überließ sich dieser Hand, seine Konzentration schwand, kehrte nach innen und spürte nur noch eins… wie sich die Lust in seinem Unterleib konzentrierte, gelockt und getrieben von diesen Fingern… von diesen Krallen, die so geschickt seine Haut umgingen. „Ran…“, keuchte er rau an dessen Lippen. „Mach weiter…“ Ran folgte Schus Wunsch… der Forderung und erfüllte sie gerne. Es war wunderbar für ihn, etwas zu tun, das Schu sehr gut tat und das sah er. Er beobachtete jedes Mimikspiel des anderen, jede kleinste Regung im Gesicht des Mannes und war fasziniert von den positiven Gefühlen, die er dort sah. Ein warmer Ausdruck trat in seine Augen, durchtränkt von Lust und er trieb Schu über die Klippe, spürte die Wucht des freiwilligen Orgasmus. Die Augen schließend spannte sich Schuldigs Körper an und er verströmte sich in Rans Hand. Dem sanften Nachglühen erlegen sank er halb auf Ran, halb neben ihn ein Lächeln auf den Lippen, welche noch an Rans Wange lehnten und einen genießenden Laut entließen. Dieses Geräusch… es war das Schönste, was Ran je gehört hatte. Diese Berührungen… dieses Anlehnen war für ihn eine der schönsten Empfindungen, die er je gehabt hatte, sprach sie doch von Vertrauen und Nähe. Er selbst war noch hoch erregt, war innerlich unruhig, doch in diesem Moment fand er die Zeit, Schu zu genießen, dessen gesamte Erscheinung. „War es schön für dich?“, fragte er leise, als hätte er Angst, diesen Augenblick zu zerstören, doch er brauchte auch noch diese Versicherung. „Ja…war es“, wisperte Schuldig und seine Hand für über Rans Bauch, zupfte neckend an der dunklen Scham, ließ dabei aber die harte Männlichkeit, die ihm entgegenlechzte aus. Erst als er Rans Schenkel passiert hatte, langsam und müßig… erst da fanden seine Finger die Länge und umschlossen sie warm und ein wenig mit Druck. Er hatte es nicht eilig… auch wenn Ran sehr unruhig war und noch unbefriedigt. Da kam ihm eine Idee… „Du hast da noch ein mittelgroßes Problem da unten, Ran? Oder?“, fragte er mit belegter Stimme, noch im Nachhall seines eigenen Orgasmus. „Nein, habe ich nicht“, kam es ausdruckslos zurück, bevor sich die Zähne zeigten und ein schelmisches „…das Problem ist sehr groß, nicht mittel groß!“ die tapferen Worte doch widerlegte. Ran bedachte Schus Stirn mit seinen Lippen und küsste sie sanft, während er sich in der zärtlichen Gewalt des anderen räkelte, ihn unbewusst und ohne Worte anflehte, doch etwas zu tun, weiter zu machen. „Gibt es dafür eine Lösung?“ „Und ob es da eine gibt!“ Schuldig ließ von Ran ab, küsste ihn auf die Lippen und erhob sich, dessen Hand mit sich ziehend. „Komm mit“, murmelte er und wartete am Rand des Bettes, dass Ran ihm folgte. Ran erhob sich ebenso - versuchte es zumindest, denn Lust und Alkohol in seinem Blut machten ihm die Koordination beinahe unmöglich… zumindest sehr schwer. Er schloss die Augen und wischte sich mit der freien Hand darüber. „Zu schnell…“, murmelte er leise und versuchte es dann langsamer noch einmal, kam vor Schu zum Stehen, lehnte sich aber an ihn. „Das ist gemein… du hattest es nicht so schwer!“ Schuldig strich Ran über den Rücken, die langen Haare fielen wie ein seidiger Vorhang über die rechte Schulter und nur zart schimmerte die helle makellose Haut darunter hervor. Ran war einfach zu niedlich, wenn er ein wenig beschwippst sich beschwerte und ja… Schuldig genoss es wenn Ran sich an ihn lehnte, seine Nähe suchte. Wenn Schuldig ihm nützlich sein konnte. „So… nun du möchtest doch dieses große Problem beseitigen. Und dazu müssen wir ins Badezimmer.“ Er klappste auf Rans Hintern und platzierte einen Kuss auf dessen Schläfe bevor er sich eine der Hände erneut angelte und Ran sanft mit sich zog. „Nicht schnell, es dreht sich… und ist unsicher…“, begleitete Rans leises Meckern ihren Weg ins Bad, bis sie schließlich dort angekommen waren und er immer noch in Schus direkter Nähe stand, die Hand eng mit der des Mannes verwoben. Was wollte Schu hier? „Aber nicht baden!“, platzte es plötzlich aus Ran heraus und seine Augenbrauen zogen sich besorgt zusammen. Er hatte früher einmal heimlich einen Erotikfilm gesehen… und da hatten zwei Männer in der Badewanne Sex gehabt. Wollte Schu das? Baden? Richtig einordnen konnte Schuldig diese Besorgnis nicht, bis ihm ein Licht aufging, als er …tatsächlich die schonungslose Beleuchtung des Bades aktivierte. Ihre Füße tappten über die schwarzen Fliesen und Schuldig ging hinüber zur Dusche. Er geleitete Ran hinein und entfernte sich dann einige Schritte von ihm um das Wasser einzustellen. „Scheust du das Wasser?“, lächelte Schuldig und er sah zu Ran hinüber bevor er die Temperatur einstellte. Er ließ seinen Blick gemächlich über Ran gleiten, besah sich jeden Zentimeter Haut mit gierigem Ausdruck in seinen blaugrünen Augen. Er wusste um diese Wirkung, um die des angesehen werdens und er wusste auch, was passieren würde, wenn er gleich das Wasser anschaltete. Ein kurzer Moment der Kälte… dann angenehme Wärme. Aber dieser kurze Moment würde eine kleine Abkühlung für den Kater sein. Ran kannte das angestarrt werden, doch die Gier und offensichtliche Lust in Schus Blick war ihm neu und beruhigte ihn. Schu hatte kein wissenschaftliches Interesse an ihm. Er selbst enthielt sich einer Antwort auf die Frage und wollte auch schon im nächsten Moment, als das Wasser eiskalt und urplötzlich auf ihn niederprasselte, nach vorne in die trockene Sicherheit preschen, die jedoch durch Schu verhindert wurde, der ihm nachgekommen war und ihn in der Dusche hielt, in der das Wasser nach dem kalten Schock warm wurde… angenehm warm. Ran murrte erst, schloss dann aber die Augen und reckte sein Gesicht in Richtung Wasserstrahl. „Hou… Ausreißer… schön hier geblieben“, lachte Schuldig und pinnte Ran gegen die kühle gläserne Wand der Dusche. Seine Hände strichen über Rans Unterarme, und hoben sie über dessen Kopf, bis seine Finger die Edelstahlstange fühlten die quer über die Wand lief und sonst ein Handtuch trug, jetzt aber leer war. „Halt dich hier fest und nicht loslassen. Erst wenn ich es dir sage, ja?“ Ran betrachtete sich das Gebilde für einen Moment skeptisch, die Stange samt seiner Hände und beschloss dann, dass nicht wirklich eine Gefahr davon ausging, wenn er Schu den Gefallen tat. Also nickte er stumm und lehnte nun mit seinem Kopf gegen einen Oberarm, die Lider auf Halbmast und dunkel vor Lust. Auch wenn ihm die direkte Stimulation fehlte, so war seine Erregung doch nicht verschwunden. Das war… etwas Neues. Es war schön. Vielleicht lag es Schus Dominanz… die ihm einen Schauer über den Rücken getrieben hatte. Seine Finger wanden sich um die Metallstange und hielten sich fest. Schuldig lehnte sich an Ran, seine Hände strichen über Rans… über die Handgelenke hinab und folgten den Oberarmen auf die Schulterblätter. Eine Hand streichelte den Rücken, die andere legte sich in den Nacken, massierte den Hinterkopf sanft. Schuldigs Lippen küssten sich über Rans Gesicht, fühlten der Hitze unter der Nässe nach. Diesen Liebkosungen schier hilflos ausgesetzt, wandte sich Ran Schu ganz zu, die Augen vertrauensvoll geschlossen. So unvorsichtig war er noch nie gewesen, doch nun… schien ihm der richtige Augenblick dafür, damit er sich ganz auf diese Berührungen konzentrieren konnte. Seine Knie waren weich und er musste sich umso mehr mit seinen Händen festhalten. „Was tust du mit mir?“, wisperte er leise, atemschwer. „Da gibt es viele Antworten“, lächelte Schuldig und küsste Ran auf eines der geschlossenen Lider. „Aber wie wäre es mit dieser hier: Ich quäle dich mit sanften Berührungen… bis dein Schwanz schmerzt vor Härte und du mich vor Verlangen anflehst zum Ende zu kommen“, wisperte er dunkel mit einer kleinen amüsierten Note in der Stimme. „Bis auf dass ich dich nicht anflehen werde, klingt das gut“, kam es ebenso dunkel zurück und kurzzeitig öffnete Ran seine Augen… deren Blick für einen Moment an Schärfe gewann, dann jedoch zur ursprünglichen Wärme zurückkam, wobei die kleinen, spitzen Eckzähne nach Schu haschten. Und diesen auch an der Lippe erwischten. Erst im Kuss den Schuldig einleitete schmeckte er das Blut seiner Lippe, die ihren Tribut entrichtet hatte. „Wir werden sehen.“ Er löste sich und seine Hand strich über die Schulter, nach vorne zur Brust, über die ungeschützte Kehle, von dort hinab und zwickte in eine der Brustwarzen, bevor er weiter nach unten glitt. Seine Lippen zogen eine Spur durch die Feuchte der Haut über den Bauch und er ließ seine Zunge in den Bauchnabel stippen, bevor er gänzlich auf die Knie kam und an Rans Unterbauch knabberte. Seine Arme hatten Rans Hüfte umschlugen, hielten ihn fest. Das Bedauern über das hervorgebrachte Blut wurde schließlich hinfort gewaschen von Schus umtriebigen… was tat er da? Ran sah fragend hinab, nicht ganz verstehend, aber doch hoffend, dass es ihm die Erlösung brachte, die er nun noch dringender brauchte, wenn er Schu hier so sah, vor ihm, auf seinen Knien… Das Wasser prasselte auf sie hinab und Ran atmete schwer und tief. Mach etwas… irgendetwas, klang es stumm in ihm. Da er das Wasser, das von oben wie ein warmer Regenstrahl die ganze Dusche abdeckte nicht zu heftig sondern eher nieselnd eingestellt hatte, wurden sie nun nach und nach in dampfende Wolken gehüllt. Die Scheiben beschlugen. „Ich höre dich nicht Ran… sag nur dir gefällt es nicht“, wisperte Schuldig an die feuchte Haut der Leiste, pustete sanft über das erigierte Glied. Ran schauderte und schloss kurzzeitig die Augen. „Es gefällt mir… gut“, sagte er schließlich, ein leises Zischen in der Stimme. Er würde sich nicht mehr lange hier halten können, war er doch etwas diesig und desorientiert vom Alkohol. Das registrierte Schuldig nun schon allein in dem Zittern, das durch den Oberschenkel lief, welchen er mit seiner Wange sanft streichelte und wieder hinaufglitt. Seine Zunge setzte an der Unterseite des Gliedes an, leckte über die gesamte Länge hinauf bis zur Spitze und saugte geräuschvoll daran. Er hatte schon mitbekommen, dass Rans Gehör um ein Vielfaches besser war als seines. Diesen Vorgang wiederholte er, bis er Rans Unterleib wieder fest fixierte und mit der anderen Hand Rans Männlichkeit umfasste um sie in seine Mundhöhle zu betten und sie zu verwöhnen. Hätten sich Rans Ohren genauso geformt wie andere Teile seines Körpers auch, hätte er sich jetzt vermutlich gespitzt… doch im nächsten Moment war alles unwichtig, aber wirklich alles, denn da war Wärme, Hitze, Feuer, Feuer, wo sonst nur klinische Kälte war und Ran glaubte in diesem Moment sterben zu müssen. Er starrte hinab auf Schu und war einer doppelten Reizung ausgeliefert… dessen Geräuschen und dessen Anblick, der so betörend war. Wieso tat Schu das? Und dann noch für ihn? Fand er ihn wirklich so… normal? Leises Schnurren tönte aus seiner Kehle, schwang in dem schweren Atem mit. Es war nicht ganz einfach oder etwas gewöhnungsbedürftig, da der schmale Streifen fester, verhornter Haut an Rans Unterseite nicht ganz so üblich war, doch er schien weicher zu werden, wenn Rans Glied hart wurde. Was nun durchaus der Fall war. Schuldig wähnte sich auf der Zielgeraden, als er seine Bemühungen verstärkte, die Härte tiefer aufnahm, seine Finger enger schloss, fester saugte und seine Zunge behänder um Rans Spitze ihre Kreise zog. Wie schon so oft auch, zog sich Rans Unterleib schier zusammen unter der Wucht der Erregung und er war dieser Wucht hilflos ausgeliefert… doch im Gegensatz zu den vorherigen Malen genoss er es, wusste er, dass es keine Demütigung war und so ließ er sich völlig fallen, so ließ er freiwillig geschehen, was nun geschah und was ihn in orkanartiger Stärke überrollte. Die Lippen zu einem stummen Schrei geöffnet, wurde er endlich… endlich erlöst, hatte sich die Lust endlich ihren Weg nach draußen gebahnt. Er keuchte leise auf und seine Knie zitterten heftig. Nein… sein ganzer Körper zitterte. Schuldig hatte zunächst verzichtet Ran zu kosten, leckte aber nun doch zärtlich über die weicher werdende Männlichkeit, bevor er aufstand und Ran in die Arme nahm, ihm neckende Dinge ins Ohr wisperte, ihm sagte, er solle die Arme herab nehmen, denn er spürte, dass Ran sein Gewicht kaum halten konnte. „Du kannst loslassen, Ran“, raunte er an Rans Lippen, beobachtete das entspannte Gesicht, den weggetretenen Blick. Sobald der rothaarige Mann diesen Worten gefolgt war, sackte er praktisch in Schus Arme und bettete seine Stirn auf dessen Schulter. Nur langsam beruhigte sich sein schneller Herzschlag und sein gehetzter Atem, ließ ihn zur Ruhe kommen. „Schön…“, murmelte er und schloss die Augen. Das dumme an Duschen war, dass man sich abtrocknen musste. Und vorher noch waschen. Ansonsten fand er es sehr geeignet für derartige Entspannungsmethoden. Schuldig grinste halbseidig in Rans Haare und strich beruhigend über den Leib. „Wir sollten uns noch waschen, hmmm?“, meinte er nach einer kleinen Weile, in der sie so dagestanden hatten. „Ich möchte ins Bett…“ Doch gleichzeitig hob Ran seinen Kopf und löste sich leicht von Schu, gleichzeitig zum Duschgel greifend. „Wer zuerst?“, fragte er und verteilte im selben Augenblick schon Duschgel auf seine Handinnenfläche, die er auf Schus Brust patschte. Schuldig lachte und hielt die Handfläche auf um Duschgel einzufordern. „Ich zuerst, dann du“, beschloss er. „Oder beide gleichzeitig. Dann wäre es wohl sicherer, dass wir schnell hier raus sind und uns ins Bett legen können.“ „Ich war zuerst da! Also wir beide gleichzeitig!“, murrte Ran und verteilte Duschgel auf die fordernde Hand. Dann würden sie sich eben gegenseitig einreiben. Er für seinen Teil begann schon einmal konzentriert mit dieser Aufgabe. „Ah… da ist ja jemand sehr fit dafür, dass derjenige gerade eben noch wie ein Ertrinkender an mir gehangen hat“, grinste Schuldig und ließ seine Hände über Rans Körper gleiten um das Gel zu verteilen. Dieses gegenseitige Einreiben funktionierte nur hintereinander und mit Sicherheit nicht gleichzeitig. Die überlangen Nägel schabten massierend über seine Haut und Schuldig gestand sich ein, dass er es mochte, aber er sah auch, wie konzentriert Ran zu Werke ging. Fertig mit dieser Prozedur duschten sie zu Ende und traten nacheinander aus der dampfigen Dusche hinaus ins relativ frische Badezimmer. Schuldig griff sich – noch so nass wie er war – ein großes Badetuch und warf es Ran zu. „Hier, bevor dir deine Haare zu Berge stehen.“ Wieso sollten ihm seine Haare zu Berge stehen, wenn sie nass waren? Ran runzelte die Stirn und betrachtete sich den anderen, wie er vor ihm stand. Anscheinend hatte Schu das Ganze nicht so mitgenommen wie ihn. Das war normal… verspürte doch auch er den Drang, nun zur normalen Tagesordnung zurück zu kommen, auch wenn sich sein Körper ungewohnt anfühlte. Die ganze Situation fühlte sich ungewohnt an. So machte Ran erst einmal von dem Tuch Gebrauch und trocknete erst einmal seine Haare, dann den restlichen Körper ab und sah sich nach seiner Kleidung um, bevor ihm einfiel, dass er seinen Schlafanzug benötigte. Und schon wieder stand er unschlüssig da, wusste nicht, was man jetzt machte. Schuldig hatte unterdessen Rans gerötete Wangen ins Auge gefasst und lächelte befriedigt in sich hinein. Der Kater wirkte unsicher im Umgang mit der Situation. Schuldig nahm einen seiner Kimonos vom Regal und breitete ihn aus. Er kam zu Ran und legte ihm den weichen Stoff um die Schultern. Währenddessen beugte er sich leicht zu Rans Lippen hinunter, blickte in die katzenhaften Iriden, berührte leicht die geröteten Lippen. „Müde?“ „Ein wenig, aber nicht so sehr wie du“, erwiderte Ran wahrheitsgemäß und lächelte sein katzenhaftes Lächeln, mit dem er seine spitzen Eckzähne zeigte. Er sah Schuldigs Augenringe und spürte, wie es diesen ins Bett drängte, doch er wusste von sich selbst, dass er nicht die ganze Nacht durchschlafen würde. Ran zog sich den Kimono um die Schultern und besah sich das Stück im Spiegel… er hatte bisher keinen getragen, das war das erste Mal seit nun wie viel Jahren? Fünf, ja, fünf Jahre. Es fühlte sich zwar wie alles ungewohnt an, aber es brachte ihn dazu, über früher nachzudenken. „Geht man danach… zusammen schlafen?“ Fortsetzung folgt... Vielen Dank für‘s Lesen. Bis zum nächsten Mal! Gadreel & Coco Kapitel 9: ROSÉ --------------- „Danach?“ Schuldig platzierte einen weichen Kuss auf die Lippen, bevor er sich zurückzog und ein schmunzelndes Lächeln seinem Gegenüber präsentierte. „Ja… nach dem… Sex…“, kam es zögerlich und dennoch so schnell wie möglich von Ran, während er dem Kuss nachschmeckte. Sie hatten doch Sex gehabt, nicht wahr? Ein Orgasmus gehörte zum Sex und dennoch. Es war ihm nicht wohl dabei, diese Fragen zu stellen, zeigten sie doch nur allzu deutlich, wie unerfahren er trotz des Labors doch war. Schuldigs gut verborgenes Gewissen stimmte eine Schimpftirade an, da er die Verlegenheit des anderen herausgefordert hatte um sich an der Unbedarftheit zu erfreuen. „Hmm, nach dem Sex also…“, tat er als wäre dies eine wirklich interessante Frage, doch sein Blick, der auf dem anderen lag, zeugte von verspielter Zärtlichkeit. „Möchtest du denn nahe bei mir sein? Fühlt es sich gut an?“ Ran hatte KEINE Ahnung. Wenn er etwas nicht wusste, dann das. Die Stirn konzentriert runzelnd, sah er zu Schu, die Augen groß vor Verwirrung. Innerlich versuchte er Schus Frage zu sortieren, suchte nach einem Vergleich und fand ihn. Wie hatte er die Nähe des Rothaarigen auf der Hängematte empfunden? Schön, ungewohnt, aber schön. Und waren sie sich gerade nicht nahe gewesen? Nackt und nahe? Allerdings waren ihm zu wenig Kissen auf Schus Bett. Genau das teilte er dem anderen nun mit. Schuldig ging samt dem Handtuch, welches er noch über seine Haare rubbelte ins Schlafzimmer. „Du kannst gerne ein paar hier rüber holen. Aber wozu brauchst du überhaupt so viele Kissen?“ Also würden sie zusammen in einem Bett schlafen - so, wie es seine Eltern immer getan hatten. „Das ist bequemer…“ Und er brauchte es, aus welchen Gründen auch immer. Nachdem er sich Schus Schlafzimmer betrachtet hatte, flitzte er in sein eigenes und holte fünf der bunten Kissen, überlegte ob des sechsten, verwarf diese Idee für den jetzigen Zeitpunkt aber. Das Bett kurz überblickend, fing er an, sie um den Kopfbereich herum zu drapieren. Schuldig betrachtete sich kurz dieses Gebaren und schüttelte dann eher nachsichtig als unverständig den Kopf. So eifrig, wie Ran die Kissen an bestimmten Stellen ablegte, sie zurechtrückte, sie wieder versetzte – es rührte etwas in Schuldig an. Was genau, das konnte er sich schon denken, nur war er sich nicht sicher, ob er Ran in diesen Bereich schon hineinlassen wollte. Die Frage war auch, ob er dies verhindern konnte oder überhaupt verhindern wollte. Endlich zufrieden mit seinem Werk, legte sich Ran vorsichtig, als würde ihn Schus Bett jederzeit auffressen, auf die weiche Matratze und sah nun zu Schu hoch, der noch stand. Den Kimono eng um sich geschlungen fragte er sich, wie man nach dem Sex nur schlafen konnte, denn sein Herz klopfte wie wild. Die Tätigkeit des Haartrocknens mittels eines Handtuches stellte Schuldig nun ein und brachte es ins Badezimmer zurück. Er zog seinen Bademantel aus und eine bequeme weite Hose an. Die noch feuchten Haare band er am Hinterkopf zusammen, dann löschte er das Licht und ging ins Schlafzimmer zurück. Er tauchte auch hier den Raum in Dunkelheit und ging im Dunkel zum Bett um übers Fußende neben Ran zum Sitzen zu kommen. Schuldig hatte gesehen, wie angespannt, wie aufgeregt Ran war, daher zog er die Decke über sie beide und legte sich hin. „Bekomme ich einen Kuss?“, fragte er in die angespannte Stille hinein, denn Ran lag mucksmäuschenstill neben ihm. Er spürte dessen Anspannung fast körperlich und wollte diese ein wenig mildern. Beim Sex war Ran wesentlich sicherer, als hier, wo es um bloße Nähe ging. So angespannt war Ran, dass er alleine aufgrund von Schus Worten zusammenzuckte, weil sie ihn überrascht hatten. Aber anscheinend machte man das so. Wieso musste das alles so kompliziert sein? Gerade… schien es doch so einfach zu sein. Sie befriedigten sich beide und trennten sich wieder voneinander. Nun gut. Langsam drehte sich Ran um und schraubte sich hoch, kam wie eine Katze über Schu. Er sah in der Dunkelheit beinahe genauso gut wie im Hellen, so konnte er auch problemlos Schus Umrisse wahrnehmen. Langsam beugte er sich hinab und platzierte seine Lippen auf die des anderen. Weich waren sie und nach wie vor vollkommen ungewohnt. Schuldigs Hände fanden ihren Platz an Rans Flanken und verweilten dort ruhig, während er lockend an den so vorsichtigen Lippen zupfte und sie umgarnte. Vorsichtig waren sie in der Tat, die Lippen des Halbkaters, während sie sich auf Schus Spiel einließen. Er fühlte, schmeckte, immer bereit, sofort den Rückzug anzutreten, falls es ihm zu ungeheuer wurde. Diese lauernde Vorsicht kam bei Schuldig durchaus an und er löste sich von Ran. „Möchtest du nicht?“ Das war verdammt kompliziert. Er hatte es sich irgendwie einfacher vorgestellt, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Ein Haustier zum Schmusen, zum Herumscheuchen und zum Poppen. Alles in einem Komplettpaket. Allerdings hatte ihm niemand gesagt, dass bei dieser Vorstellung ein kompliziert gedrehter Haken dran war. Für einen Moment in stiller Betrachtung versunken, legte Ran schließlich den Kopf schief. „Doch… ich… es ist ungewohnt für mich… das Danach…“ Er runzelte die Stirn und legte seinen Kopf, seinen gesamten Oberkörper auf Schus. Das Kinn ruhte auf der nackten, männlichen Brust und er fauchte frustriert. „Es ist alles ungewohnt für mich!“ Diese Geste brachte Schuldigs Haustiergedanken zum Schmelzen und hinterließ ein amüsiertes Lächeln auf seinem Gesicht. Seine Rechte stahl sich hinauf in Rans Nacken um ihn dort sanft zu massieren, während sein linker Arm Ran an sich zog. „Das macht nichts. Nur eine Regel solltest du befolgen: Du musst nichts tun, was dir nicht gefällt – es ist nicht wie im Labor. Wenn ich dich frage, ob du etwas machen möchtest, dann heißt das nicht automatisch, dass du es machen musst.“ „Ich weiß…“ Ja, er wusste wirklich, dass es bei Schu anders war als dort unten. Schu zwang ihn zu nichts, hatte es bisher zumindest nicht getan. Er schnurrte ob des wohligen Druckes in seinem Nacken und schloss die Augen. Vielleicht war Nähe doch nicht so schlimm. Seine Hände schlichen sich nun zu Schu auf die Brust und vorsichtig legten sie sich ab, nicht, dass er den anderen noch verletzte. Offensichtlich wusste Ran dies, aber er brauchte Zeit um es zu verinnerlichen. Schuldig genoss dieses Schnurren, welches angenehm durch seinen Brustkorb kroch. Seine Augen drifteten zu und irgendwann wurden auch die Bewegungen seiner Hand in Rans Nacken weniger bis sie nurmehr ihre Wärme dort verteilten und Schuldig eingeschlafen war. Ran genoss diese Minuten der Stille, des Nachdenkens, bis er schließlich wusste, dass Schu nun gänzlich eingeschlafen war… Zeit also, den Rest der geplanten Kissen ins Bett zu holen, den es waren bei weitem viel zu wenig hier! Ran erhob sich langsam, vorsichtig und schlich sich in sein Zimmer, kam mit sieben weiteren Kissen wieder, die er sorgsam um Schu und sich drapierte, sodass sie in einem Nest aus Kissen und Decken gehüllt waren. Es war warm und bequem… die Art von Nestwärme, die Ran dazu brauchte, dass er in einen leichten Schlummer sank, den sich hebenden und senkenden Brustkorb des anderen immer unter seinem wachsamen Arm. Irgendwann des Nächtens war es Schuldig sehr warm und er riskierte im Halbschlaf kurz einen Blick, erinnerte sich daran, dass er sein Haustierchen bei sich hatte und über diesen Gedanken schlief er wieder ein. Das nächste Mal, als Schuldig aufwachte, sah er zunächst Rot. Dunkles Rot vor seinen Augen und seine Nase kitzelten fremde Haare. Er schälte sich… aus der Decke und stützte sich auf die Ellbogen, wischte sich einmal übers Gesicht und blickte auf Ran hinab, der eng an ihm lag und augenscheinlich schlief. Erst dann fielen Schuldig die Kissen auf, die um ihn… nein um SIE herum lagen. Sein Blick glitt von den Kissen zu Ran. Es war sehr merkwürdig das Ganze. Ran würde wohl bestimmte Dinge einfach anders machen als… normale Menschen. Solange es bei Dingen wie den Kissen, der Angst vor einer Treppe, oder einer Badewanne voller Wasser blieb, konnte Schuldig sich damit arrangieren. Hoffte er. Durch die Bewegung seines menschlichen Kissens aus seinem Schlaf aufgeweckt, der ihn diese Nacht anscheinend länger als sonst in den Fängen gehalten hatte, war Ran im Nu wach und sah sich nachdenklichen, grünen Augen gegenüber, die ihn betrachteten. Stimmt, sie waren zusammen in Schus Bett eingeschlafen und nun war der nächste Tag angebrochen. Auch hier stellte sich Ran erneut die Frage, wie sie nun weiter verfahren würden. Deswegen sagte er auch nichts, sondern erwiderte Schus Blick. Aufgrund dieses abwartenden Blickes fühlte sich Schuldig an die vergangene Nacht erinnert. Daran, wie Ran abgewartet hatte, wie er auf ihn wartete, dass er etwas tat oder etwas sagte. „Guten Morgen.“ Ein guter Anfang. Schuldig legte sich wieder in das… Rund aus Kissen zurück und gähnte herzhaft, streckte sich und beließ die Hände über seinem Haupt auf einem Kissen liegen. Draußen ging langsam die Sonne auf. „Gut geschlafen?“ „Ja“, kam es verschlafen und rau von eben jenem Nestbauer zurück, der sich Schu genauestens betrachtete. Keine Regung entging Ran, als er sich nun auf die Seite drehte und die Stirn runzelte. „Du hast im Schlaf… gelacht“, sagte er schließlich, mit sich übereingekommen, dass er dieses Wissen wohl mit dem anderen teilen sollte. „Und du hast gegrunzt.“ Schuldig lachte auf. „Tja, da hatte ich wohl einen spannenden Traum. Aber sag mal… weshalb die Kissen hier überall?“ Das brachte ihm ein ehrliches Grinsen ein. „Es ist bequemer und wärmer!“ Weil er jahrelang nicht den Luxus von Kissen besessen hatte, deswegen wahrscheinlich. „Gefällt es dir nicht?“ „Ähm…“ Von soviel Ehrlichkeit und liebenswertem freudigen Gesichtsaudruck des anderen überrascht fiel Schuldig nicht wirklich etwas Vernünftiges zur Antwort ein. „Vielleicht ist es… ein wenig zu warm, frierst du denn sonst… ohne die Kissen?“ „Ich friere immer, Schu. Ohne diesen Anzug ist es so.“ Kurzes Bedauern huschte über Rans Gesicht, doch dann kehrte er wieder zu dem freudigen, ruhigen Gesichtsausdruck zurück, den er gerade noch innegehabt hatte. „Die Kissen mildern das etwas, außerdem sind sie weich und bequem. Ich kann sie aber auch wegnehmen, wenn es dir zu warm ist.“ Besorgnis stand in Rans Augen. Er fror immer? Schuldig runzelte die Stirn und besah sich Ran nachdenklich. „Warum ziehst du ihn dann nicht wieder an?“ Er vermutete eine gewisse Abneigung gegen das Hightech-Kleidungsstück beim anderen. „Ich kann mir vorstellen, dass du das Teil nicht sonderlich magst, aber es steht dir und so gesehen ist es nur Mittel zum Zweck. Es fühlt sich mit Sicherheit angenehmer an, als die Kleidung, die ich dir gegeben habe. Ich sehe doch, dass du dich darin nicht wohl fühlst. Du könntest doch untertags den Anzug tragen und zur Nacht wärmen dich die Kissen?“, schlug er vor. „Nein!“, kam es heftig von Ran, für einen Moment lang erschrocken und leidenschaftlich. Doch dann wurde er ruhiger, Schu wusste schließlich nichts davon, was in dem Labor passiert war, er wusste nicht, warum er diesen Anzug nicht mochte. „Lieber friere ich, als dass ich ihn anziehe. Es wäre… sie hätten gesiegt, wenn ich ihn jetzt noch trage. Ich wollte ihn nie, wollte immer ein Mensch sein, zumindest einem Menschen ähnlich. Doch das ist nicht menschlich.“ Seine Stimme mochte zwar ruhig sein, aber in Rans Augen stand Schmerz. „Es geht auch so, vielleicht wird es irgendwann einmal anders werden.“ Schuldig dachte einige Momente darüber nach, schließlich konnte er Rans Unbehagen nachvollziehen. „Komm her, dann wärme ich dich eben“, zwinkerte Schuldig mit einem Lausbubengrinsen. „Die ollen Kissen können das sicher nicht ganz so gut.“ Er zog Ran ein wenig mehr an sich. Und Ran kroch in ihn hinein, bis er sich dessen bewusst wurde und er leicht grollte über die Überrumpelungstaktik. Doch er schmiegte sich zufrieden an Schu, zufrieden über die Körperwärme, die sich auf ihn übertrug. „Nein, nur das größte, olle Kissen von allen ollen Kissen kann das“, neckte er den anderen. Nähe war vielleicht doch nicht so schlecht. „Oh… und das größte olle Kissen kann dich sogar sehr ‚heiß’ machen, nicht wahr?“, grinste Schuldig nun schon fast unverschämt breit. Er mochte dieses Geplänkel am frühen Morgen und auch für ihn war es nicht alltäglich, dies zu haben und vor allem zu genießen. Ran löste ihn aus seiner Einsamkeit heraus und er war ihm ähnlich. Auch ein Exot, auch etwas, dass man benutzt hatte. „Heiß machen? Wieso?“, fragte Ran unbedarft, bevor ihm bewusst wurde, was Schu eigentlich meinte. „Ja, kannst du, sehr sogar.“ Er lächelte. Es hatte ihm gefallen gestern. „Hat es dir denn auch gefallen?“ „Ja… das hat es.“ Schuldig senkte sein Kinn etwas auf Rans Haarschopf, dessen Gesicht nämlich schier in seine Brust hineinzukriechen beabsichtigte, so wie er sich mit seiner Wange anschmiegte. Rans Bein lag über seinen und Schuldig erkannte, wie sehr Ran diese neue Nähe zu anderen zu genießen und auch zu brauchen schien. „Es hat vor allem Spaß gemacht, denn du bist anders als die übrigen Menschen. Und genau wie ich… nun ja, anders eben. Das ist neu für mich, wie für dich auch. Und es ist seltsam, denn wir sind uns in vielen Dingen ähnlich. Du solltest töten - wie ich auch. Nur habe ich es getan. Beide sind wir keine Normalos und werden es auch nie sein. Beide wurden wir zu etwas gezwungen was wir nicht immer wollten. Mit so jemandem Nähe zu teilen oder auch Sex zu haben hat eine ganz eigene Qualität“, grübelte er. Er wusste zwar nicht, ob Ran seine Worte und deren Hintergrund verstand, aber es war eher so, dass er auch zu sich selbst sprach. Ein Mensch, aber anders… ja, das verstand Ran nur zu gut und es wärmte ihn, denn Schu sah ihn als Menschen, als einen anderen Menschen. Auch dass sie beide nicht ungefährlich waren, das konnte er auch nachvollziehen. Sie waren Waffen… Auch wenn Ran verstand, so hatte er keine Vergleichsmöglichkeit, um Schu in dieser Hinsicht zu vergleichen und ihn mit den klinischen, kalten Berührungen der Monster zu vergleichen, wäre ihm nicht gerecht geworden. Für ihn war Schu seine Normalität und Realität. „Ich kann die Qualität nicht beurteilen“, sagte er schließlich. „Aber es hat wirklich Spaß gemacht.“ Es war, als müsste er das alles noch einmal bestätigen, vor Schu und sich selbst. „Und genau das ist der springende Punkt. Jeder sollte nur das machen was er möchte und wozu er Lust hat. Und der Spaß sollte da sein. Die Befriedigung. Es sollte gut tun und zwar beiden Partnern.“ Schuldig spielte mit Rans Haaren. Er ließ es durch seine Finger laufen und kringelte die einzelnen Strähnen ein. Eben dieses Gefühl ließ Ran erschaudern ob seiner Ungewohntheit. Ihm hatte jahrelang niemand durch die Haare gestrichen, und wenn dann nur, um sie notdürftig zu bürsten oder ihn zu bestrafen. Sonst nicht. Diese Geste versprach aber Zärtlichkeit, Zärtlichkeit, die Ran verschreckte im ersten Moment. „Es tat uns beiden gut.“ Das war eine Feststellung, keine Frage, auch wenn es leise aus ihm herausgekommen war. Auch Rans Hand stahl sich jetzt zu den langen Feuersträhnen und strich vorsichtig darüber, immer darauf bedacht, dass er nicht noch einmal aus Versehen eine Strähne abtrennte… zumindest nur dann, wenn Schu schlief! Auch wenn seine Augen einen Moment lang einen doch recht gierigen Blick in Richtung Haare innehatten. Er hatte in den letzten Tagen die Chance genutzt, um sich noch einmal in Schus Schlafzimmer zu schleichen in geheimer Mission und hatte dort noch einmal eine weitere Strähne abgetrennt – aus Zufall! Er hatte nur über die Haare streichen wollen! Sie nur berühren wollen und dabei hatte er...seine Krallen hatten... Glücklicherweise war es Haar vom Hinterkopf gewesen, sodass es Schu anscheinend nicht aufgefallen war. Ran hatte die Strähnen sorgsam verwahrt und nun hielt eine rote Schleife die Feuersträhnen zusammen. Ein Nachahmungstäter, wie Schuldig gerade auffiel. Es war zum Teil so, als wäre Ran ein Kind oder etwas Ähnliches in seinem Lernverhalten. Oder Nein. Kein Kind. Er war zwar neugierig, lotete aber seine Grenzen nicht aus. Er ahmte nach und lernte darauf – so hoffte Schuldig – gewisse Handlungen aus eigenem Antrieb heraus zu beginnen oder weiter zu entwickeln und zwar auf seine Art und Weise. „Magst du es, durch meine Haare zu streichen oder tust du es, weil ich es bei dir tue, Ran?“ Das war eine gute Frage. Eine sehr gute, wie Ran befand. „Deine Haare faszinieren mich. Warum das so ist, weiß ich nicht“, erwiderte er schließlich nachdenklich. „Sie leuchten, wenn die Sonne darauf fällt und fühlen sich immer weich an. Außerdem riechen sie interessant.“ Sein Blick hob sich direkt in diese grünen Augen. Reichte das Schu als Begründung? „Sie leuchten also…“, sinnierte Schuldig, darüber. Das streichelte natürlich sein Ego, wie er feststellen musste. So ein Haustier tat einem wirklich gut. Das war es also was die übrige Menschheit an Haustieren so angenehm empfand. „Wenn sie sich immer weich anfühlen, dann gabs da wohl schon Momente, in denen du sie gestreichelt hast, hmm?“, wollte er mit einem listigen Lächeln wissen, dass da etwas in Rans Satz so gar nicht zu seinen Gunsten stand. „Ich…?!“, kam es ertappt von Ran, der mit großen, violetten Augen in die grünen Iriden stierte und dessen Wangen nach und nach eine gesunde Röte entwickelten. „Also…“ Wieso war denn sein Gesicht jetzt so warm? „Ich…“ Ja, nein, also gestreichelt hatte er sie nicht… vielmehr abgetrennt… und dabei doch gestreichelt… ein verwirrter Laut entkam Rans Lippen und ähnelte doch sehr dem leisen Miauen eines Katers. Herrlich! Dieses verlegen verdutzte Gesicht und die ertappte Nuance dabei war wirklich eine Augenweide. Schuldig fing an zu lachen und wirbelte Ran mit sich herum bis dieser unter ihm lag. „Ja… ‚also du…’ und weiter?“ Jetzt wollte er die Geschichte schon von Anfang an hören. Noch mehr Verwirrung! Noch mehr Wärme auf seinem Gesicht! Gänzlich unter Schu liegend, konnte Ran sich noch nicht einmal richtig befreien, eigentlich gar nicht, da dieser ihn wirkungsvoll auf der Matratze festhielt. Das Lachen hatte ihn im ersten Moment unsicher gemacht, doch nun wärmte es ihn irgendwie, tat ihm gut. „Es war nur Zufall! Und auch keine Absicht! Ich wollte das nicht!“, platzte es aus Ran heraus, reuig und schnell. „Ich war ungeschickt!“ Wollte das nicht. Schuldig witterte mehr als nur das Berühren seiner Haare. Und wenn er sich erst einmal festgebissen hatte gab es auch kein Entrinnen mehr für sein Opfer. Er kam ganz nahe an das vor Verlegenheit gerötete Gesicht heran, küsste die Lippen sanft und ließ sich von den außergewöhnlichen Iriden mit den noch außergewöhnlicheren Pupillen einnehmen. „Du wolltest was nicht?“ „Also… meine Hände… Nägel… ich…“ Hilflos blickte Ran zu Schu auf, konnte sich nicht wirklich auf den Kuss konzentrieren, während er sich unter Schu zurechtruckelte, irgendwie versuchte, eine Position, nein, eine Beschäftigung, zu finden. „DU hast geschlafen!“, platzte es schließlich wie ein Vorwurf in Richtung Schu heraus, dass dieser die Frechheit besessen hatte zu schlafen… oder so… „Soo, ich böser Schu habe geschlafen… und dann kamst du an und plötzlich… waren deine Nägel an meinen Haaren und es machte ratsch… und schon war ein Bündel Haare abgeschnitten gewesen. Stimmt das in etwa?“, versuchte Schuldig den ‚Unfallhergang’ zusammenzufassen. Rans Unruhe unter ihm bemerkte er durchaus, er fischte dessen Hände über dessen Kopf und hielt sie fest. Verschränkte seine Finger mit den üblen, unfallverursachenden, krallenbewährten Händen. Was Ran im ersten Moment nun doch verschreckte, war die völlige Bewegungslosigkeit, in die ihn Schu gebracht hatte. Er verspannte sich, nur um sich einen Augenblick später wieder zu entspannen. Der andere wollte, dass Ran ihm vertraute und das tat er. Er versuchte es und war auch erfolgreich damit. Schu würde ihm nicht wehtun, das wusste Ran. Das hier war Spiel, nicht Ernst, keine Gewalt. Trotzdem… „Das… das hast du in meinen Gedanken gelesen!“, empörte sich Ran schlussendlich über Schus Gesagtes. Wie konnte der andere das nur wissen? Schuldig löste sich grinsend von Rans weicher Haut, ließ dessen Hände wieder einsam und verlassen zurück und bettete seine stattdessen unter Rans Hinterkopf um diesen sanft zu halten. „Kunststück! Das stand dir im Gesicht geschrieben, Katerchen“, grinste Schuldig fast schon unverschämt fröhlich. „Und was hast du mit der Strähne angestellt?“ „Miaaaau“, kam es nun völlig absichtlich von Ran, einfach um den anderen abzulenken. Seine Lippen teilten sich und entblößten die Spitzen der Eckzähne, während er mit seinen Händen vorsichtig nach Schus Gesicht griff und über die Konturen strich. Man musste sich das jetzt einmal vorstellen… Schuldig blickte in ein attraktives, exotisches Gesicht, dessen Wangenknochen zartrot erblüht waren, die spitzen Eckzähne blitzten hinter leicht lächelnden, roten Lippen hervor, während ein völlig unwirklicher Laut seine Ohren umschmeichelte. Schuldig war fasziniert, es war alles so surreal, unwirklich eben. Er wusste, dass Ran nicht mit dem Versteck seiner Beute herausrücken würde, soviel war auch seinen Gehirnwindungen klar und ihm war auch irgendwo klar, dass Ran diese Streicheleinheiten nur aus reiner Berechnung verteilte, dennoch… er ließ sich tatsächlich davon einlullen. Von dieser Andersartigkeit, diesem schamlosen, frechen, anbiedernden Kater. Am liebsten hätte er ihn gleich vernascht. Ran reckte seinen Kopf in die Höhe und stahl Schu einen schüchternen Kuss, der im Laufe der Dauer immer sicherer und intensiver wurde. Es machte ihm Spaß, das stand fest. „Jetzt ist mir warm…“ „Na, das glaube ich gern“, sagte Schuldig in laszivem Tonfall, nachdem sie ein kleines aber feines Zungenduell ausgefochten hatten. Während er sich immer noch von den Augen faszinieren ließ, durchdrang ein gequält klingendes Geräusch von unter ihm hervor. „Da hat aber jemand ganz schön fiesen Hunger, hmm?“ „Ein wenig…“, war Ran selbst erstaunt über seinen doch recht regen Magen. Aber er hatte auch längere Zeit nichts gegessen. Was ihm nicht unbedingt auffiel, erst immer, wenn es knurrte. „Machst du… mir Frühstück?“ Fast wäre ihm das uns herausgerutscht, doch das war zu… vertraut, oder? Es bedeutete ja nichts, dass sie sich näher gekommen waren. Es hatte ja nie etwas bedeutet außer Körperlichkeiten. Irgendwie fand Schuldig Rans Verhalten… tja, wie sollte er sagen, anders träfe es wohl. „Nur, wenn du mir auch eins machst. Oder soll ich hungern und dir beim Essen zusehen?“ „Also machen wir… uns ein Frühstück?“, fragte Ran zur Sicherheit nach und fand diesen Gedanken schön. Schöner als das Alleinsein. „Wenn du nichts zu essen bekommst, wirst du schwach und dann muss ich dich wieder aufpäppeln.“ Total logisch, fand Schuldig auch. Zumindest tat er so, innerlich war es, als würden sich diese Worte genau dort einnisten, wo er zuvor gedacht hatte, dort gäbe es für derlei keinen Platz mehr. „Na dann lass uns aufstehen!“ Schuldig rollte sich von Ran herunter und schwang die Beine aus dem Bett. Er war gespannt, was Ran ihm kredenzen oder vielmehr zusammenmixen würde. o~ Sie waren wirklich aufgestanden und hatten sich Frühstück gemacht, jeder das, was er konnte. Schu mehr als Ran, doch der rothaarige Japaner hatte sich redlich bemüht. Einiges hatte er nun ja schon gelernt, hatte er sich von Schu abgeschaut, auch wenn er immer noch ungeschickt war im Umgang mit den Küchenwerkzeugen. Doch das würde sich legen, das hatte sich Ran fest vorgenommen. Sein Bauch grummelte noch etwas von dem reichhaltigen Frühstück, vertrug er augenscheinlich weniger als er essen wollte. Wieder etwas, das früher nicht so gewesen war. Doch wenigstens konnte er Milch trinken und das hatte er heute auch sehr ausgiebig getan. Milch mit Kakao. Früchte hatte er auch gegessen und eine Schale Misosuppe, an der er sich versucht hatte. Zumindest Schu hatte es geschmeckt. Die frisch aufgebackenen Brötchen waren auch lecker gewesen, sehr warm auch. Warm mit Nougatcreme. Ran bekam alleine vom Gedanken daran schon wieder Hunger und leckte sich unbewusst über die Lippen, als ginge es darum, den letzten Rest der Süßspeise zu vernaschen. Weit hätte er es ja nicht, schließlich saß er ja auf der breiten Küchenanrichte, von wo aus er gut den Wohnraum betrachten konnte. Ein Bein angezogen und sein Kinn darauf gestützt, das andere frei baumelnd beobachtete er nun seit geraumer Zeit das Wohnzimmer, oder vielmehr das, was sich darin abspielte. Wer dort saß. Der komische Mann. Der, der schon einmal hier gewesen war. Wie nannte ihn Schu? Brad. Blöder Name, schoss es Ran durch den Kopf, als er weiterstierte und jede einzelne Bewegung des anderen taxierte. Sein gesamter Körper war angespannt, als würde er gleich losschlagen. Doch er hielt sich dezent im Hintergrund und beobachtete nur. Wie lange wollte der Schwarzhaarige denn noch bleiben mit diesem arroganten Blick? Er war schon lange genug hier und nahm Schu in Beschlag! Ran hielt sich tatsächlich artig im Hintergrund, befand Schuldig mit einem wiederholten Blick auf seinen Wachhund oder sollte er sagen Wachkater? Denn Ran tat zwar keinen Laut, aber er saß dort in der Küche mit Blick ins Wohnzimmer als wäre er eine Eisskulptur und würde sich – was Eisskulpturen gemeinhin nicht taten – nicht bewegen. Er starrte zu ihnen hinüber und ließ Brad keinen Moment aus dem Blick. „…solltest du den ersten Teil übernehmen. Naoe übernimmt nach Zeitplan“, sagte Brad und reichte Schuldig die Bilder einer Überwachungskamera. Sie hatten sich heute hier getroffen um einen neuen Auftrag zu besprechen, der nun doch früher als Schuldig gedacht hatte über die Bühne gehen sollte. Brad war nur ungern hier her gekommen, doch Schuldig hatte gesagt, dass er sein Haustier momentan noch nicht gänzlich für sehr lange Zeit alleine lassen wollte. Eine glatte Lüge, da Schuldig einfach nur zu faul gewesen war sich großartig in Schale zu werfen und zu Brad zu fahren. „Klingt ja alles ganz nett aber was ist mit dem Wachpersonal? Ab der Mittagsstunde verstärkt sich ihre Anzahl auf…“ Sie saßen hier nun schon seit zwei Stunden und erstellten einen groben Zeitplan, der von Naoe verfeinert und in ein, zwei Besprechungen wiederholt durchgesprochen werden sollte. Schuldigs Gesicht hob sich nach einer kleinen Weile erneut von den Plänen des Gebäudekomplexes und richtete sich automatisch zu Ran hin – der immer noch in gleicher Haltung und in gleicher Anspannung dort auf der Anrichte saß. „Offenbar ist da jemand eifersüchtig auf deine Aufmerksamkeit, Mastermind. Du scheinst ihm sehr viel deiner Zeit zu widmen“, kam es da von rechts mit spöttisch amüsierter Stimmlage und Schuldig zuckte nur mit den Schultern. ‚Tja, er ist noch nicht stubenrein, das braucht eben Zeit. Du weißt ja, wie Haustiere so sind, die nehmen einen ständig in Beschlag’, meinte Schuldig lapidar in Brads Gedanken, nicht wirklich an dem Thema interessiert. „Willst du noch einen Kaffee?“ Brad nickte und schüttelte verständnislos den Kopf, widmete sich aber wieder der Arbeit. Offensichtlich hatte er geahnt, dass Schuldig gleich aufstehen und Richtung Ran gehen würde. Bei diesem angekommen, blieb er in dessen Gesichtsfeld stehen, sodass Ran ihn und nicht mehr Brad ansehen musste. „Er tut dir nichts, Ran.“ Brennendes Violett richtete sich auf Schu und maß den stehenden Mann intensiv. Für einen Moment lang schwieg Ran. „Ich weiß“, erwiderte er dann schlicht und sein Blick testete, ob er an Schu vorbeisehen konnte. Konnte er nicht, dazu hatte sich der andere zu geschickt positioniert. Ran grimmte gefrustet und sah wieder zu Schu. Angst… wieso sollte er vor diesem Mann Angst haben? Wenn er ihm zu nahe kam, würde er seine Krallen spüren, ganz einfach. „Warum lässt du ihn dann nicht aus deinem Blick? Du hast dich die letzten zwei Stunden hier nicht wegbewegt“, sagte Schuldig ruhig und vor allem interessiert. Er war gespannt auf die Antwort, denn er glaubte keineswegs an Brads Eifersuchtstheorie. Ran konnte offenbar Sex nicht mit Nähe in Einklang bringen und wie passte da Eifersucht dazu? Wenn er sexuelle Nähe oder Geborgenheit im Allgemeinen als tiefere Gefühlsauslöser betrachtete, warum sollte er dann Besitzansprüche an Schuldig stellen? „Er ist komisch“, erwiderte Ran kryptisch, den Blick immer noch auf Schu gerichtet. Dann jedoch dämmerte ihm, warum Schu all die Fragen stellte… „Willst du nicht, dass ich hier sitze? Soll ich weggehen?“ Wenn ja, würde er genau so weit weggehen, dass er zwar Schus Wunsch folgte, aber nicht außer Hörweite war. Schuldig war sich – auch ohne Hellseher zu sein – sicher, dass Ran Brad nicht wirklich aus seinem Blick lassen würde, selbst wenn er von Ran verlangen würde, dass er sich hier weg trollen sollte. „Nein, bleib, wenn du möchtest. Du störst nicht, es war nur eine Frage der Neugier, das verstehst du sicher, hmm?“ Schuldig neigte den Kopf leicht. „Wenn du sagst, dass er komisch ist, dann heißt das, dass du ihn überwachen möchtest, weil er komisch ist und komische Dinge tun könnte, richtig?“ „Ja, das ist richtig“, erwiderte Ran gedehnt und fragte sich, worauf Schu hinauswollte. Natürlich war dieser Mann komisch, sehr sogar. Alleine schon die Sonnenbrille und sein Auftreten… wer wusste schon, was er Schu alles antat? Wer wusste schon, was er mit Schu alles machte? Rans legte seinen Kopf schief. Da war es doch besser, wenn er hier wachte und genauestens beobachtete, ob der komische Mann Schu nicht zu beeinflussen versuchte. Soweit so gut, Schuldig seufzte innerlich tief auf. Das war ja wirklich zum Mäuse melken, wie gut dass er eine geduldige Person war. An guten Tagen zumindest. Oder er wollte es so sagen: Wenn er sich festgebissen hatte. „Und was wären das dann für komische Dinge, die er tun könnte?“ „Er könnte dich anfassen“, bestätigte Ran mit verengten Augen eher unwissentlich auf den Punkt genau Brads Theorie. Seine Lippen waren vor Missbilligung verzogen. „Oder dich küssen.“ Jetzt kam gleich noch mehr Ablehnung mit ins Spiel. „Er könnte gemein zu dir sein.“ Schuldig musste hier wohl zugeben, dass Brad Recht hatte. Aber was fing er nun mit dieser Eifersucht an? Machte sie ihm etwas aus? Bisher war noch nie jemand eifersüchtig… Das war wirklich schwierig. „Das wird er nicht. Weil ich ihm sonst eine reinwürge. Das ist rein geschäftlich, Ran.“ Da kam der Kater aber sehr zum Vorschein, momentan, resümierte Schuldig. Ein bisschen zuviel. „Du weißt schon, dass du eifersüchtig bist? Denk mal drüber nach, woher das kommen könnte?!“, lächelte er und wandte sich um damit sie die Besprechung schnell hinter sich bringen konnten. Da hatte Schu etwas angerichtet. Die Stirn stürmisch verzogen, grübelte der rothaarige Japaner für die nächsten anderthalb Stunden über das, was Schu ihm gesagt hatte. Rein geschäftlich? Das war gut, das war beruhigend… weil er… Ja, was weil? Er wollte Schu für sich haben, Schus Aufmerksamkeit… dessen Nähe. Also war er eifersüchtig. Aber warum? Weil er Schu neben sich wollte. Aber war das der einzige Grund? Woher konnte es denn kommen? Ran wechselte das angewinkelte Bein und platzierte sein Kinn auf das rechte Knie. Es schien, als würden sie bald fertig werden… er griff zu seiner Tasse kalten Kakaos und schlürfte dezent. Und tatsächlich, zwanzig Minuten später erhob sich Brad, warf einen spöttischen Blick auf den Überwachungskater und verabschiedete sich. Schuldig begleitete ihn zur Tür. „Ich melde mich, sobald wir die zweite Disc erhalten.“ Schuldig winkte ab. „Ja, klar.“ Brad war schon halb zur Tür hinaus, als er sich noch einmal umdrehte. „Und… pass auf dein Haustier auf. Er gehört zu der Sorte, die manchmal die Hand beißt, die sie füttert.“ Brad ging und Schuldig sah ihm nach. Ran war tatsächlich manchmal seltsam, vorhin zum Beispiel als er über zwei Stunden wie erstarrt auf der Anrichte gesessen hatte. Was würde geschehen, wenn er sich auf den Kater einließ und schlussendlich kam der Killer zum Vorschein und tötete ihn, beispielsweise nach dem Sex, oder währenddessen, oder wenn er schlief… egal wann. Von den Gedanken des anderen nichts ahnend horchte Ran, wann nun endlich die Tür geschlossen wurde. Denn er war zu einer Antwort gekommen, wenn auch nicht zu einer wirklich positiven. Aber sie war logisch. Das einzig Logische, was ihm einfiel. Langsam löste er sich aus seiner Position und kam in den Wohnbereich, suchte von dort aus Schu. „Ich habe eine Antwort“, begann er, als er den anderen in Gedanken versunken sah. Schuldig sah auf als Ran sich näherte. „Und die wäre?“, fragte er interessiert nach. Ran wirklich wieder etwas lockerer als vorhin. Schuldig lehnte an der Haustür und sah ihn ruhig an. Diese Ruhe verleitete Ran, spielerisch zu grinsen. Er hatte da eine Idee… „Die bekommst du nur, wenn du den Kamin anmachst!“ Er verschränkte die Arme und besah sich Schu taxierend. „Sag nur, dir ist… kalt?“, hakte Schuldig mit einem lächelnden Zug um die Mundwinkel nach. Er musste Ran einfach klar machen, dass er vorsichtig sein musste, dennoch war ihr Zusammenleben ein wirklich seltsames. Sie schliefen miteinander und das einfach aus dem Umstand heraus, dass sie nichts Besseres zu tun hatten und momentan keine anderen Partner erwählbar schienen. Missbrauchte er Ran dafür? Die Gedanken, die er sich hier machte drifteten immer weiter in diese Richtung. „Jetzt nicht… aber vielleicht heute Abend…?“ Rans Stimme war lockend, zunächst… dann bemerkte er jedoch, dass an Schu etwas anders war als sonst. Der spielerische Geist fehlte. Die Stirn runzelnd hielt er inne. „Du bist nachdenklich… warum?“ Nun war es an Schuldig Ran abzulenken. Sein Gesicht erhellte sich, als wäre die Sonne aufgegangen und hätte die dunklen Wolken vertrieben. „Mir fiel etwas über den bevorstehenden Auftrag ein, das mir nicht gefällt.“ Er ging auf Ran zu, kam dicht zu ihm heran und küsste die weichen einladenden Lippen. „Heute Abend wird dir also… kalt werden? Das kannst du jetzt schon sagen?“, lächelte er frech. Ran war zwar in gewissen Punkten naiv, aber sein Misstrauen stand dieses Mal weitaus höher und deutlicher im Vordergrund. „Du hast abgelenkt! Das hatte nichts mit dem Auftrag zu tun!“, grollte er und seine Zähne gruben sich leicht in das Kinn des Telepathen. Schuldig lachte leise auf und kniff Ran in die Nase, bevor er sich freimachte und von Dannen ging. „Tja, dann sind wir wohl quitt. Oder hast du etwa nicht abgelenkt bei dem Thema Haarsträhne?“ „Das ist gemein!“, wetterte Ran empört und war versucht, Schu zu folgen, doch nein… er hatte da wieder eine Idee, eine viel bessere. Er würde bis heute Abend warten, und dann… vor dem Kamin… o~ In der Tat wurde es vor dem Kamin langsam warm. Das Feuer war noch in der Entstehung begriffen und Schuldig überwachte das Fortschreiten seiner Bemühungen mit Argusaugen. Er kniete vor dem Kamin, dachte wie den ganzen restlichen Nachmittag über schon über Brads Worte nach und starrte in die Flämmchen. Jemand anderes beobachtete auch mit Argusaugen… aber Schu, nicht den Kamin. Violette Augen glimmten in der Dunkelheit, im Schein des Kamins, als Ran lautlos näher kam, sich an Schu anschlich. Wie attraktiv der andere aussah… kniend vor dem Kamin! Lust wellte in Ran hoch, Lust, die ihn stehen bleiben ließ. Wie drohendes Unheil ragte er hinter Schu auf, die Augen dunkel, die Mimik ausdruckslos. Ebenso lautlos beugte er sich herab und biss leicht in die Halsbeuge, die sich ihm hier entgegenstreckte. Nicht, dass Schu damit gerechnet hätte. Brachial zuckte er zusammen, so gewaltig, dass Ran ihn in einem Reflex umarmte. „Shhhht“, gurrte er beruhigend. Schuldig, der sich halb umgedreht hatte, aber eindeutig zu langsam war, spürte wie sein Herz aus seiner Brust herauszuspringen drohte. Angst war es, die ihn überfiel. Er musste sich zügeln, denn alles in ihm schrie danach sich zu wehren. Nur allein Rans Laute brachten ihn dazu, sich im ersten Moment körperlich nicht zu wehren. Er spürte, wie die spitzen Eckzähne durch seine Haut drücken wollten. Ein Schaudern durchzog ihn. Das gab zumindest einen fetten Bluterguss. „Was machst du da?“, keuchte er und seine Arme waren im Begriff sich befreien zu wollen. Nur kurz hatte er einen Blick in diesen unleserlichen Blick werfen können, bevor er mit dieser Attacke überrumpelt worden war. „Ran…!“ Doch Ran wollte so ganz und gar nicht hören. Ein spielerisches Lachen entkam seinen Lippen und er warf Schu zu Boden, ganz der umtriebige Kater, der er war. Doch er war vorsichtig, achtete darauf, Schu mit seinen Krallen nicht zu verletzen, wenn er ihn schon mit seinem Körpergewicht platt drückte. „Ja?“, fragte er spitzbübisch. Der Gefragte hatte immer noch damit zu kämpfen seine Herzfrequenz und den Drang, Ran eine reinzuhauen in den Griff zu bekommen. Keuchend blickte Schuldig in das Gesicht über ihm und erkannte nur gute Laune und Unternehmungslust. Keine Gefahr also. Vielleicht hatte Brad es geschafft, ihn den ganzen Tag mit seinen Worten verrückt zu machen, dass er jetzt gedacht hatte Ran wollte ihm jetzt tatsächlich an den Kragen. Im wahrsten Sinne des Wortes. „Willst du mich zu Tode erschrecken? Was sollte das?“ Schuldig war tatsächlich aufgebracht, er blickte mit umwölkter Stirn nach oben. Gerade noch spielerisch aufgelegt, wurde sich Ran nun bewusst, dass Schu es wahrscheinlich nicht als Spaß ansah, was er getan hatte… dabei wollte er doch nur Nähe. Er wollte… spielen. Die Wut in Schus Gesicht ließ ihn innehalten. Er hatte es übertrieben, Schu wollte das nicht. Er wollte die Nähe nicht. „Entschuldige…“, sagte er reuig und löste sich langsam von dem Telepathen, glitt von ihm herunter und ließ sich neben ihm auf seine Knie nieder, unsicher, was er jetzt tun sollte. Anscheinend hatte er völlig falsch gehandelt. Schuldig setzte sich auf und betrachtete sich das plötzliche Häufchen Elend neben sich. Lange tat er das. „Du wolltest mir nicht weh tun?“, fragte er schließlich besänftigt durch Rans Worte und auch durch dessen Handlung. „Nein! Nein, wieso sollte ich? Ich… wieso sollte ich dir wehtun wollen?“, fragte Ran völlig verständnislos und verwirrt. Am Anfang, ja… als er Schu nicht kannte und ihn für ein Monster gehalten hatte, da ja. Aber er hatte doch… Vertrauen, wieso sollte er ihm dann Schmerz zufügen? Unwillkürlich zog Ran den Kopf ein. Jetzt, ohne Wut, war er so hilflos, was das Alltagsleben anging, was seine Gefühlsbezeugungen anging. Da war die Wut doch fast besser gewesen, hatte sie ihn doch vor vielen Dingen geschützt...so auch vor so etwas. Vor Zwischenmenschlichkeit. Oh man. Oh man. Schuldig brauchte DRINGEND ein Buch über das Verhalten von Katzen. Sehr dringend. Am besten jetzt noch… Diese Situation war schwierig und Schuldig überlegte was zu tun war – ohne Katzenbuch. „Leck die Wunde sauber“, verlangte Schuldig von Ran mit ruhiger Stimme und war gespannt wie dieser sich verhalten würde. Er hatte nicht vor diesen gänzlich an die Stelle zu lassen, aber er wollte, dass Ran näher kam. Ganz nah. War Ran gerade noch verwirrt, so traf Schu nun das volle Unverständnis. Er sollte die Wunde sauberlecken? Er traute sich nicht an den anderen heran, schon gar nicht so nahe, aus Angst, ihn noch einmal zu erschrecken oder ihm etwas Böses zu tun. Es war schon seltsam… dort unten hatte er niemanden verletzen können, auch wenn er es gewollt hatte und nun verletzte er denjenigen, bei dem er es nicht wollte. Vielleicht sollte er dem, was Schu gesagt hatte, folgen, als Wiedergutmachung? Langsam beugte er sich zu Schu, immer darauf bedacht, den größtmöglichen Abstand zum anderen Mann zu haben. Seine Lippen berührten vorsichtig ein zweites Mal die verletzte Stelle und kosten sie vorsichtig, er jedoch immer bereit, einen Satz nach hinten zu machen. Was ihm nicht gelingen sollte, denn Schuldig legte seine Arme um Rans Flanken und zog ihn näher zu sich heran. Sich nach hinten fallen lassen und Ran mit sich ziehen, spürte er Anspannung im anderen, ließ ihn jedoch nicht los. Er legte sich seitlich mit Ran hin verwickelte ihre Beine miteinander sodass der andere ihm nicht abhauen konnte. „Du bist ein Killer, Ran. Ich auch. Glaubst du nicht, dass ich Angst habe und mich sofort verteidigen will, wenn du so auf mich losgehst. Aus welchen Gründen auch immer. So gut kenne ich dich noch nicht“, sagte er milde. „Oh.“ Mehr fiel Ran dazu nicht ein, nicht wirklich zumindest. Er war erschrocken, als Schu ihn mit sich gezogen hatte und hatte sich, wie dieser zuvor auch schon, wehren wollen. Doch letzten Endes blieb er ruhig in der Nähe Schus liegen, versuchte sich auf dessen Worte zu konzentrieren. „Ich werde das nicht mehr machen.“ Ein Versprechen, ein ernst gemeintes in der Gefangenschaft von Schus Körper, dessen Armen und Beinen, die ihn fesselten, an den Telepathen fesselten. „Warte einfach damit, bis wir uns besser kennen. Das was für dich normal ist, ist für mich fremd. Ich muss mich an zweierlei Dinge gewöhnen, an einen Menschen in meiner Nähe und auch an Verhaltensweisen eines Tieres, das ich nicht kenne.“ Er schmunzelte. „Das heißt nicht, dass du mich nicht anfassen darfst. Das heißt nur, dass wir uns noch ein wenig besser kennen müssen für solcher Art Überraschungen.“ Er stahl sich einen raschen Kuss von den so zerknirscht wirkenden Lippen. „Aber ich denke, dass was du gerade gemacht hast war so ein typisches Katzendings, oder?“ „Katzendings? Was meinst du?“ Rans Augen waren verwirrt. Ja, er war ein Tier… irgendwie, doch dieses Verhalten war doch bewusst gewesen, nicht instinktiv. „Ich habe das getan um dich zu necken, so wie du es immer bei mir machst… nur anders eben…“ Also ein Katzendings. „Ach so.“ Schuldig drehte sie beide so, dass Ran auf ihm lag und er seine Hände nur sanft an dessen Seiten hielt. „Dein Blick sagte aber eher, dass du mich vernaschen willst, mit Haut und Haaren…“, Schuldigs Lächeln war eine Mischung aus einem Lausbubenlächeln und dem unwiderstehlichen Charme eines Gigolos. „Das wollte ich auch… aber fressen wollte ich dich nicht“, gab Ran ehrlich zu. „Ich dachte eher daran, dich zu wärmen.“ Ran war noch zu zurückhaltend, noch zu geschockt von gerade, dass er es mit spielerischer Leichtigkeit hätte vortragen können, doch seine Stimme enthielt Ehrlichkeit und Begehren. Seine Stirn an Schus Brust bettend, schnaufte er halb frustriert, halb erleichtert. Ihn zu wärmen… wenn er das genauer betrachtete und mit den Worten heute morgen verglich, hieße das dann, dass Ran ihn bespaßen wollte. Eindeutig. Und Schuldig wollte mit Sicherheit nicht von Ran bespaßt werden. Wer weiß, was da alles passieren konnte. „Das Feuer wärmt uns beide, Ran.“ Welch großartige Worte, spöttelte Schuldig über sich selbst. Ran nickte abwesend, noch nicht einmal den eigentlichen Sinn hinter Schus Worten erkennend. Er war sich nur bewusst, dass die Wärme, die das Feuer abstrahlte, über seinen Körper zischelte und seine kleinen Härchen emporstehen ließ. Wie auch beim ersten Mal war dies ein sehr seltsames Gefühl, doch auch schön; in Verbindung mit Schu schön. „Du bist der Erste seit Jahren, der nett zu mir ist… es fühlt sich fast so an wie… damals… mit… meiner Familie…“, sagte er völlig aus dem Kontext gegriffen und doch der Thematik so nahe. Das war der Grund, warum er augenscheinlich eifersüchtig auf diesen komischen Mann war. Schuldig hatte damit begonnen Rans unteren Rücken unter dem Shirt zu streicheln. „So schnell schon?“ Wie vertrauensselig war Ran eigentlich? Schuldig schüttelte innerlich den Kopf über die Verantwortung, die ihm hier auflastete. Er stellte sich gerade vor, wie Ran blauäugig von jemandem ausgenutzt wurde und schlussendlich alles von ihm verlangt werden konnte, von Sex bis hin zur Tötung. Solange man ihn nett behandelte … Violette Augen, ohne ihren Spieltrieb und ohne die sonst latente Hilflosigkeit sahen zu Schu, als Ran sich dessen Worte verinnerlichte. Sie waren nicht sanft ausgesprochen worden und doch enthielten sie mehr Wahrheit als ihm selbst lieb war. „Wundert es dich, du hast die Akten doch auch gesehen?“, ging er hart mit sich ins Gericht, sehr hart. Er wusste, warum er so auf Schu reagierte, auch wenn er noch nicht wirklich einen Weg gefunden hatte, sich gegen sein eigenes Übervertrauen zu wehren… oder sich dagegen wehren zu wollen. „Ich war fünf Jahre dort… und dann kommst du, gibst mir Farben, Essen, Trinken, Kissen, Schokolade, ein Leben…“ Schuldig grübelte ein Weilchen, während seine Rechte Rans Wange und dessen Kinn bestrichen. Ran fühlte sich einfach gut an. „Versteh mich nicht falsch, Ran. Ich mag es wenn du mir diesen Vertrauensvorschuss gibst, oder … hmm... ich sage es anders. Ich bin froh, dass du mir vertraust, ich frage mir nur… Stell dir vor ich wollte dass du dich hier gut fühlst und ich würde dir geben was du möchtest und langsam findest du mich nett und du denkst, das bisschen Sex ist normal und das tut man einfach so um sich gut zu fühlen. Und mir gefällt das natürlich. Wir schlafen jeden Tag miteinander mehrfach und du gehst nie raus und später will ich dann von dir Dinge, die dir seltsam vorkommen und du tust sie, weil du denkst, das gehört alles dazu. Du weißt nicht, wie andere Menschen zu dir sind. Vielleicht findest du jemanden, der netter ist als ich, was weiß ich… du hast bei mir keine Auswahl Ran, als dich auf mich einzustellen. Du richtest dein komplettes Dasein hier auf mich aus. Ist das nicht ein wenig unfair dir gegenüber?“ Unfair? Ran empfand es als beruhigend, dass er jemanden hatte, von dem er lernen konnte. Er war zu lange alleine gewesen, in auferzwungener Gesellschaft und doch alleine. Niemand hatte MIT ihm gesprochen, nur über ihn und da war Schu anders. Aber der Telepath hatte Recht und es schmerzte Ran. Doch anscheinend gehörte das zum Leben dazu. Dennoch… eines wollte er nicht: sich auf viele Personen einzustellen. „Ich will mich nur auf dich einstellen, das reicht mir momentan. Mehr wäre… nicht gut. Selbst bei dir weiß ich ja manchmal nicht, wie ich mich verhalten muss.“ „Ich will nur nicht, dass du etwas verpasst oder dass ich dir etwas vorenthalte. Ich frage mich heute schon den ganzen Tag, was wohl wäre, wenn du bei jemand anderen wärst und der dich auch nett behandeln würde und der aber von außen betrachtet Dinge mit dir machen würde, die ich selbst nicht gutheißen würde. Du aber, diese Dinge gern machen würdest, weil er nett zu dir ist. Verstehst du was ich meine?“ Ja, Ran verstand, doch im gleichen Moment wusste er auch, dass er zu diesem Zeitpunkt bereit war, für den temporären Frieden einiges zu tun. Einiges… nicht alles. „Ich bin dir nahe gekommen, weil ich es gewollt habe, nicht weil ich wollte, dass du weiterhin nett zu mir bist“, erkannte Ran für sich selbst und für Schu. Also war es hier anders gewesen, doch was, wenn Schu ihm sagen würde, dass er töten sollte… Unschuldige töten sollte wie diese Frau damals? Würde er es dann machen? Etwas in Ran schrie auf bei diesem Gedanken, schrie ganz laut nein. Er verspürte Ekel davor, auch nur an den Gedanken zu denken. Nein… er würde nicht alles tun um Nähe zu bekommen. „Ich werde irgendwann rauskommen und vielleicht mehr erleben, aber jetzt will ich es nicht.“ „Das hört sich gut an.“ Schuldig berührte Rans Stirn weich mit seinen Lippen. Ran war also keine Freigängerkatze, eher eine Wohnungskatze. Soviel war also klar. Er brauchte dringend so einen Katzenratgeber… Ran schmiegte seine Stirn kurz gegen diese allzu weichen Lippen, bevor er sich grübelnd etwas von Schu löste. „Wie ist es denn für dich? Du… hast mich hier, dort, wo du eigentlich alleine sein willst. Ich belaste dich.“ „Es ist eine Umstellung, das stimmt schon. Manchmal war es mir hier aber auch zu einsam, ehrlich gesagt… ab und zu zumindest“, räumte er zögernd ein. „Aber… ich habe festgestellt, dass du spürst wenn ich Ruhe haben will… oder stimmt das nicht?“ „Das sind die Katzengene!“, behauptete Ran und musst selbst darüber lächeln. Vielleicht waren sie manchmal ja doch zu etwas nutze. Vielleicht, ja, vielleicht konnte er sich doch mit ihnen anfreunden, mit der Tatsache, dass er nicht ganz Mensch war, aber auch nicht ganz Kater. Dass er gute wie auch schlechte Eigenschaften von beiden hatte… So etwas wie temporäre Ruhe stellte sich bei ihm ein, Ruhe, die er wirklich genoss. Es war der Frieden mit sich selbst, den er fünf Jahre lang nicht geschlossen hatte, denn neben den Monstern im Labor hatte er auch immer sich selbst bekämpft. „Miau“, sagte er wie zu sich und doch zu Schuldig, als würde das alles erklären und stützte sein Kinn auf die Handoberflächen, die auf Schus Brust lagen. „Einschmeichler“, tadelte Schuldig lächelnd diesen Laut, berührte mit einem Finger Rans Lippen und stippte kurz darauf. „Ich denke wir kriegen das alles irgendwie hin…“ Sein Blick versank in den vom Feuer golden schimmernden, tief violetten Iriden, die ihm unter halb geschlossenen Lidern sichtlich entspannt entgegensahen. Er war gespannt auf die nächsten Wochen und Monate ihres Zusammenlebens, das mit Sicherheit die eine oder andere Überraschung bereithalten würde. In der Tat würde die Zukunft einige ungeahnte Wendungen für Schu bereithalten, doch warum sollte Ran ihm den Spaß verderben… und etwas verraten? The End! Vielen Dank für‘s Lesen. Bis zur nächsten Geschichte! 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