Schattentänzer von LimonenBaum (zwischen Dunkelheit und Licht wandeln sie im Schatten) ================================================================================ Prolog: Gestalten ----------------- Vom Mondlicht geküsst ward sie geboren, mit goldblondem Haar. Honiglocken gleich umspielten Strähnen das süße Gesicht, Züge so zart, aus Nebel gezeichnet. Marmoren die blasse Haut, leblos, milchig schön. Welch Wunder durfte die Erde hier tragen? Nackte Füße tanzten über das kalte Gras, als spürten die zierlichen Glieder nie etwas kostbareres unter ihrem Schritt. Sanft und besonnen jede Bewegung, als breite ein Schmetterling seine bunten Flügel aus. Flüsternd erklang ihre Stimme in einem Gesang, vermochte die Nacht nur zärtlich zu umspinnen, ohne die verträumte Stille zu stören. Der Sommer klang in ihrer Stimme, des Vögels Nachtigall. Während feingliedrige Finger sachte nach Blättern griffen, um schwesterlich über sie zu fahren, brachte ihr fremd klingendes Lied, voller Wehmut und Hoffnung, dem winterlichen Wald die Sonne zurück. Nur neidvoll konnte der blasse Mond auf dieses Feuerwerk blicken, und doch war es auch ihr Kind. So klebrig umwobten die Schatten sie, um lange feine Wimpern und volle, liebliche Lippen. Die Wangen ein wenig zu fahl, um sie wohlgenährt zu nennen, gaben die tiefen Seelenspiegel dem Mädchen wieder, was ihr die Nacht genommen hatte: Leben. Blitzend schauten sich die tiefen Irise um, blau und saphiren in ihrer Farbe. Ein Meer aus Facetten in ihnen, als wäre ihr fröhlicher, unbefangener Blick eine Flut von kindlicher Schönheit. Und doch lag auch ihn ihnen jener Schatten, der sie so entrückt wirken ließ. Denn war sie nicht, trotz diesem Zeichen von Leben und Regung nur eine für kurze Zeit angehauchte Statue? Das Abbild einer Göttin, die schon bald zurück in das Paradies gerufen wird? Ab und an tröpfelte der Mond Nachdenklichkeit in ihre Augen, als sinnierte sie über weite Dinge, die für Menschen kaum fassbar, kaum tragbar waren. Als läge soviel auf den zarten Schultern, dass es den Augen nicht erlaubt sein dürfte, ihr Antlitz so anmutig und leichtlebig zu machen. Und doch war sie der Funken Wärme in jenem dunklen Wald. Bitterkalt spielte der Wind in ihren Locken, in ihrem schlichten Tuch, das sie einzig bedeckte. Und obschon jeder Betrachter die zierliche Gestalt erahnen konnte, sie frieren sehen musste, war doch der Wind ihr Bruder und sie zu keiner Kälte fähig. Liebevoll griffen die Finger der Natur nach diesem, jenen Mädchen und ließen sie ein Teil von ihnen bleiben, ergötzten sich an dem furchtlosen, Sanftmütigem Lächeln dieses belebten Bildes. Vom Mondlicht gänzlich verachtet wart nun er geboren, mit raabenschwarzem Haar. Ein Gegensück zu dem flüchtigen Sonnenstrahl und doch ebenso ein Kind der Schatten wie auch sie. Raubtierhaft schlichen die mit schwarzem Samt und Seide fein besponnenen Glieder über den Boden, unachtsam, auf welchem Untergrund sie schlichen. Keinesfalls grob wirkten die feinen Hände, mit denen sich dieser fassbare Schemen einen Weg durch den Wald erkämpfte, und doch war nichts von jenen Zärtlichkeit in ihnen, mit der das Mädchen zu berühren pflegte. Unruhig blickten sich die tiefschwarzen Augen um, als suchten sie nach Licht, dass ihre inne wohnende Finsternis doch nicht erhellen konnte. Nein, die schwarzen Seelenspiegel waren ein Teich seiner selbst, kalt und dunkel. Und doch waren sie reizvoll, ja schön zu nennen in den markanten, strengen Zügen die so makellos vom Mondlicht erhellt und doch kaum belebt wurden. Unaufhaltsam drängte es diesen Mann zu dem süßen Gesang, der ihn anlockte, wie Motten ins Helle drängen. So vertraut schmeichelte diese Stimme sich in sein Ohr, so zärtlich konnte nur Eine singen. Wie lange hatten sie sich nicht mehr gesehen? Zulange, wie er doch fand. Ewigkeiten waren vergangen, in denen sein hartes, ungnädiges Herz niemals von irgend etwas so berührt werden konnten, wie von dieser Stimme. Nur wenn sie in ihrer Nähe war, kam er zur Ruhe. Kapitel 1: Begegnung -------------------- Mit einem letzten Sprung trat er auf die Lichtung, baute sich zu seiner vollen Größe auf, die nicht furchteinflößend oder bedrohlich wirkte, sondern vielmehr ein Zeichen der Ehrerbietung und der inneren Kraft war, die er ausstrahlte wie eine sichtbare Aura. Ja, die Schatten tanzen um ihn, hielten ihn gefangen, beteten ihn an, wie ihren Meister. Und doch wirkte diese Nachtgestallt einsam, so eingefügt in den dunklen Wald wie ein verlorenes Blatt. Anders als sie war er ein Teil dieser Welt, anders und doch auf merkwürdige Weise vergleichbar. Und war dies nicht Teil ihrer Verbundenheit? War sie nicht, wie eine kleine Schwester, mit der er das gleiche Schicksal teilte? Nein, vielmehr war sie ein Gegensatz zu ihm. Aber wer konnte wirklich erklären, weshalb diese beiden Wesen sich immer wieder fanden, im Strudel der Jahunderte ein ums andere mal auf einander trafen und Vertrautheit spürten wie zu einer genau gekannten Person? Nicht einmal er konnte es und sie vermutlich auch nicht. Zu feingliedrig und schmeichelhaft war seine Statur, als dass dieser galante Mann eine wahre, tierische Bedrohung darstellen konnte und doch hatte das Blitzen seiner Augen etwas wildes, ungestümes. Unruhig waren diese Seelenspiegel, als wäre das Wesen schon lange auf einer Suche ohne Ziel. Beiläufig streifte der Blick des Mädchens diesen Suchenden und blieb fast unabsichtlich ein wenig länger an ihm hängen. Sogleich legte sich der Ausdruck ehrlichster Freude in die makellos sanften Züge. Furchtlos trotz seines erhabenen Auftretens streckte sie die Hände unaufdringlich nach ihm aus und machte ein paar Schritte auf ihn zu, die so tänzerisch wirkten, als hätte sie eh in diese Richtung gewollt, als wolle sie garnicht zu ihm. Und dann verharrte sie in dieser Bewegung, ließ die Arme wieder sinken und neigte den Kopf ein wenig zur Seite um diesen alten Vertrauten zu mustern. Es drängte sie zu ihm, seine Züge zu streicheln und ihnen den Kummer zu nehmen, der so tief unter dem kalten Stein seiner blassen Haut verborgen war. Es drängte das Licht zum Dunkeln, es zu erhalten und erlösen. Und doch durften sie einander nie gehören. "Lange ist es her..." hauchte sie, ihren Gesang beendet und etwas überaus zärtliches hatte sich ihres Blickes bemächtigt, während ihre ruhig gewordenen Seelenspiegel an ihm hingen. Nichts weltfremdes mehr lag in ihnen, zuviel Sehnsucht hatte sich in die Safire genistet, als könnten sie noch länger entrückt wirkten. Doch gerade diese Sehnsucht erschien, als wäre sie ein Stern, den man bewundern und lieben, aber nie erreichen durfte. Welch menschliches Wesen konnte denn auch zu so tiefer Liebe fähig sein, dass jedes Gefühl sich in den klaren Zügen Ausdruck zu verschaffen schien? Sie war ein offenes Buch, wann immer sie ihm gegenüber stand. All die Geheimnisse, in Jahren und Jahrhunderten angesammelt, all die Schatten und Schemen, die ihre Lieblichkeit nur noch reizvoller gemacht hätten, alles war nichtig und vergessen, solange er nur an ihrer Seite war. "und die Abstände werden immer länger..." erwiederte der Schatten leise. Weich war seine Stimme und dunkel wie das raabenschwarze Haar, dass sich in seinem Nacken kräuselte. Verführung und stumme Angebote lagen in dieser Stimme, wie es ein Schatten stets zu benützen pflegte. Doch hatte er nicht vor seine alte Freundin zu verraten oder zu betören. Nein, dafür war der zaghafte Schritt in ihre Richtung zu unbeholfen und ungewohnt hilflos. Sie war für ihn wie ein Reh, dass bei dem kleinsten Geräusch davon rennen würde. Und er wollte sie doch halten, wollte sich an ihrem Zauber ergötzen und das Lichtbild in sich einbrennen um nie wieder dannach dürsten zu müssen. So stand er da, seinen Blick tief in das Farbspiel ihrer Seelenspiegel getaucht. Es war, als wäre der Wind ein Bote für sie. Zärtlich strich er durch ihr Haar und streifte im selben Atemzug seine Wange, trug die stumme Botschaft zwischen diesen beiden Wesen umher, als bräuchten sie keine Worte, als genüge allein ihre Anwesenheit, der Blick in ihre Augen, um für immer beieinander zu sein. "aber das schürrt nur die Freude auf ein nächstes Wiedersehen..." flüsterte sie leise, fast zaghaft und das herzerweichend offene Lächeln, dass so unbgefangen und frei wirkte, wurde ein wenig zaghafter, kurz schlugen sich die tiefen Wimpern schüchtern über ihren Blick und dann verminderte sie mit einer einzigen Bewegung ihrer zierlichen Beine die Distanz zwischen ihnen, legte die Arme um seinen Hals und schmiegte sich in einer Umarmung an ihn. Nun, diesen Schritt getan, war die Befangenheit so schnell verflogen wie sie gekommen war. Betört von ihrem Duft nach wilden Rosen und Wald, betört von der Wärme ihrer Haut, schloß er die Augen, legte seine Hände ebenso sorglos und freundschaftlich auf ihren Rücken und schmiegte die Glaspuppe an sich. Auch sie hatte ihre Augen geschloßen und lächelte sachte, der Betrachter dieses Bildes müsste atemlos bangen, wann der Schmerz zurück kehren würde, in die Augen dieser Liebenden. Er war ein Teil von ihnen, wie die Nacht und der Tag ein Teil von ihnen war. Nach einigen Momenten der erneuten Stille, die gefüllt war mit stummen Worten, sachten berührungen, dem erstasten des gegenseitigen Empfindens, löste er sich aus ihrer Berührung, hielt jedoch ihren weichen Körper ein wenig an sich geschmiegt. Nekisch legte sie das Haupt zur Seite und die goldenen Locken kräuselten sich um ihre nackte Schulter. Der Funke des kindlichen Feuers kehrte zurück in ihre Augen, nur die Züge, nur das Lächeln blieb ernst und zärtlich. Ein Hauch von Wehmut umwehte sie so fassbar, wie das Schlichte Tuch ihrer Kleidung. "wie ist es dir ergangen?" fragte sie leise und ihre behutsame Stimme, die unergründliche Sorge in der weichen Melodie, schmeichelte sich in sein Ohr und legte sich auf seine Haut, als wäre sie das Schattenwesen, das zu betören verstand. Nur waren ihre Gesten ehrlich und es schien ihm unmöglich, jemals erneut einer solch selbstverständlichen Ehrlichkeit zu begegnen. Sachte ließ er einen Finger über ihre makellosen Züge streifen, fuhr die jugendliche Haut nach, als müsse er sich alles genau einprägen. Dann seufzte er leicht und bei dieser Geste schmiegte sie sich ein wenig fester an ihn. Ja, sie war sein Halt. So sehr verboten wie geliebt. "die Zeit hinterlässt auch in mir Spuren. Die selben, wie ich sie bei dir finden kann..." erwiederte er ebenso sachte und leise, neigte das Haupt zur anderen Seite und ein kurzer Funke der selben nekischen Freude erhellte seine Augen, flüchtig und schon erloschen, bevor das schwarz sich wirklich aufhellen konnte. Das Mädchen nahm seine Hand in die ihre, barg seine suchenden Finger in ihrer Wärme und lächelte noch immer sachte, als wäre diese Geste das einzig beständige an ihrer wechselhaftigkeit, an ihrem Wandel von Freude zu Trauer. "und dabei sollte man meinen seien wir die einzigen Wesen, denen die Zeit nichts anhaben kann..." ein leises Lachen begleitete ihre Worte und im Walde stimmten ein paar Vögel, erfreut und begeistert durch diesen wundervollen Ton, mit in ihr Lied ein. Die Stille der Nacht sollte anfällig sein für solche Geräusche, aber ihr Lachen passte so perfekt in die Ruhe, in die vom Mondlicht geküsste Trance des Waldes, dass er für einen Moment die Augen schloß, um ihr nicht zu zeigen, wie sehr ihn dies schmerzte. Er war ein Meister darin, seine Gefühle zu verbergen, aber dieses Wesen schaute direkt durch die Spiegel seiner schwarzen Irise hindurch in seine Seele und was ihr Lachen in ihm auslöste, wollte er vor ihr verbergen. Als hätte sie auch dies erahnt legte sie nun ihrerseits eine Hand an seine Wange, zog die Züge seines Mundes nach, als wolle sie ein Lächeln auf dieses herbe, schöne Gesicht zaubern. Für einen kurzen Moment vergass sie ihr Lächeln, ließ auch ihr Lachen verebben. Denn sie wusste genau,was er vor ihr verbergen wollte. Wie konnte sie dies auch nicht wissen? Kapitel 2: Spuren ----------------- Es dauerte nicht lange, kaum einen Augenaufschlag ihrerseits, bis Ne´neas sich wieder gefasst hatte und die Augen erneut kalt und nur einem Spiegel gleichend, öffnete. Ein wenig bedauernd, dass er sich abermals so verschloßen hatte, ließ Scha´na ihre Hand sinken und barg ihre feingliedrigen Finger auf seiner warmen Brust, während sie ihn forschend und fast musternd betrachtete. Nun, da das Lächeln aus ihren Mundwinkeln verschwunden und nur noch in den stummen Zügen präsent war, wie der Sommer in einem Gewitter, wirkte sie keineswegs mehr kindlich. Er liebte diese Seite an ihr, wie er alles an ihr liebte und bewunderte. Sie war eine Muße und eine lebendig gewordene Göttin, ihre Züge waren in diesem entfalteten Reiz so schön, dass es kaum erträglich war. Aber wie sollte er seinen Blick abwenden? Die türkisen Farbseen ihrer Augen drangen so zärtlich und besorgt in ihn, dass er für einen Moment sogar das atmen vergaß. "Gibt es Neues bei dir?" leise und vorsichtig war ihre Stimme, aber mit einer so tiefen Sehnsucht, dass es fast an Verzweiflung grenzte. Ne´neas löste sich von ihr, ließ ihre Wärme vom Winde verwehen, der nun zwischen sie drang und ging einen Schritt von ihr, kehrte ihr den Rücken, wie er es immer tat und hob seinen Blick in den Nachthimmel, der seine Züge küsste wie die eines Kindes. "nein. Und bei dir auch nicht. Ich frage mich, ob es jemals etwas neues geben wird." als hätte ihre Frage seine Mauer zerstochen, triefte nun die Verbitterung von seinen Worte. Es drängte Scha´na erneut zu ihm, aber seine Gestalt so beobachten zu können hatte auch ihre Reize und sie fürchtete sterben zu müssen ihn jetzt zu berühren. Jetzt, da er recht hatte und aussprach, was sich keiner gedacht zu haben wagte. Die einzige Antwort ihrerseits war ein leiser Seufzer, als sie sich niederließ und ihren zierlichen, kaum bekleideten Körper ins kalte Gras sinken ließ. Er hörte ihre Bewegungen, wusste, was sie tat, wie sie schaute, was sie dachte. Selbst wenn sie nicht unmittelbar in seiner Nähe war, konnte er dies ahnen. Und nun, da ihre Präsenz ihn einhüllte wie eine Zuckerwolke, musste er sie nciht einmal mehr ansehen. Dennoch drehte er sich um, lächelte, als hätte er nie solch Verbitterte Worte gesprochen und sank zu ihr nieder auf dem Boden. Eine Hand legte er auf ihr Knie und sogleich legte sie auch ihre dazu, um seine Geste dankend und sehnend entgegen zu nehmen. "du erkältest dich noch, wenn du immer so wenig anhast..." sagte er scherzend, aber die Sorge machte die Melodie seiner Stimme zärtlich und liebevoll, wie sie niemand jemals so hören sollte wie Scha´na. Ein leises lachen begleitete diesen nekischen Scherz und der Schalk blitzte in ihren undergründlichen Augen auf, während sie den Kopf ein wenig zur Seite neigte, seine Bekleidung liebevoll spöttisch musterte und den feinen Stoff seines schwarzen Mantels mit den Fingerspitzen berührte. "Es kann sich ja nunmal nicht jeder solch teures Geschmeide leisten wie du, Ne´neas. Und ausserdem was sollte ich auch damit, bei mir würde es nur schmutzig..." "ja, ich vergas. Du bist ja ein Waldkind und kennst als solches keine Kälte..." murmelte er leise und wie in Gedanken. Der Schatten sprach mehr zu sich selbst, während seine suchenden Finger eine ihrer Haarsträhnen zwischen die Fingerspitzen nahm und das honigblonde Gewebe liebkosten. Sein Ausdruck hatte alles scherzhafte verloren, wie jede Leichtigkeit früher oder später von diesem Schatten zu weichen hatte. "die Zeit hat Spuren bei dir hinterlassen..." fügte er leise flüsternd hinzu. Der Wind hatte sich gesenkt und trug diese behutsame Botschaft sachte zu ihren Ohren. Kurz schloß sie die Augen, während schwarze dichte Wimpern spitze Schatten auf ihre lieblichen Wangen warfen. "es ist auch viel passiert..." erwiederte sie ebenso leise. Ihre Stimmen waren nun mehr nur ein Hauch und unmerklich neigte sie ihren Körper ein wenig dichter zu ihm, legte ihre Hand ein wenig fester auf die seine. So groß war ihre Angst, dass er fort sein könnte, wenn sie die Augen wieder öffnete. "aber auch du bist nicht ungeschoren davon gekommen. So wie es scheint ist die Zeit kein besonders gutes Freund von uns..." ein lächeln zierte ihre rosigen Lippen erneut und langsam schlug sie die Augen auf, begegnete dem festen Blick seiner dunklen Augen und zu ihrer erstaunten Freude war auch um seine Lippen ein sachtes Lächeln. Es war ihr vergönt ein solches Wunder auf diesem Marmorgesicht zu erblicken und sogleich wich jede Betrübtheit aus ihren dunklen Seelenspiegeln. "die Zeit ist meine beste Freundin, wenn sie mich nur immer wieder zu dir führt..." antwortete er sachte und zog sie an sich. Die Berührung ihrer Körper war nur flüchtig, ihre nackten Schultern streiften seinen schweren Mantel und sein Kinn legte sich zärtlich an ihre Stirn, aber beide wollten nicht atmen um den Zauber dieser Empfindung auszukosten und doch sogen sie beide fest und tief den Geruch des anderen ein. Sie, nach wilden Rosen und Wald. Nach Sonne und Licht, selbst in der Nacht. Er, nach einer Spur Holz und einer Nuanze Nelken aber im Grunde nach Schatten,Verführung und Dunkelheit. Diese beiden Gerüche zusammen zu tragen musste wundervoll duften. Ebenso wie dieses Bild zu schön war, um lange zu dauern. "Erzähl mir, was dir passiert ist..." Nach einer Weile konnte Ne´neas diese Frage nicht mehr unterdrücken. Es war keine Neugier, die ihn dazu trieb erneut Worte durch die angenehme Stille zu schicken. Lediglich wollte, musste er sich erklären können, was seine Seelengefährtin so gezeichnet hatte. Äusserlich hatte sie sich nicht verändert, dafür war ihre Makellosigkeit zu sehr Vorherbestimmung. Vielmehr erkannte er an der Art ihrer Bewegungen, an den kurzen, flüchtigen Atemzügen während sie den Blick zur Seite wand, dass etwas geschehen war. Sie hatte diese kindliche Unschuld verloren, die sie immer so sehr von den Menschen abgezeichnet hatte. Ne´neas konnte den Gedanken kaum ertragen, dass Scha´na hatte Schmerzen und Leid ertragen müssen. Als wollte er sie davor beschützen, als täte es ihm leid, dass er nicht hatte an ihrer Seite sein können um dies abzuwenden, ließ er beständig ihren Körper an den seinen geschmiegt. Die junge Frau zögerte zu antworten. Doch nach einer Weile begann sie leise zu sprechen, als erzähle sie eine Geschichte, die sie nichts anging. "Ich bin einem Vampir begegnet. Er ist der Sohn von Zerwas, meinem Schützling. Es war als hätte ich all meine Wirkung verloren, das einzige was ich bewirken konnte war, dass er sich dazu herabgelassen hat mich zu beißen..." Ne´neas Blick wurde hart und er war froh, dass sie ihn so nicht sehen konnte. Er hasste ihre Aufgabe, die so gefährlich und schmerzhaft für sie war. Er hasste diesen Unterton Verzweiflung in ihrer Stimme, als wäre sie selbst schuld daran, dass Scha´na nicht jede verlorene Seele retten konnte. Beruhigend streichelte er ihr übers Haar, ganz flüchtig und sachte nur,während auch er die Augen schloß und ihrer Geschichte lauschte. "er musste sterben. Zerwas hat es nicht verkraftet und ist innerlich zerbrochen. Du weißt, wieviel er mir bedeutet hat. Er war mir wie ein zweiter Vater gewesen. Und nun musste sein Sohn wegen mir sterben..." ihre Stimme brach und sie konnte ein leises Schluchzen nicht unterdrücken, während sie ihre Wange fester an seiner Brust barg um die Tränen zu verbergen. Er hielt sie fest im Arm und wiegte sie zärtlich. "Dessen nicht genug Ne´neas. Zerwas hat sich mit meinem Vater gestritten und ihm vorgeworfen, dass er das Alles nicht verhindert hat. Sie sind...sie haben gekämpft und dann..." erneut schluchzte sie auf und konnte nicht weiter reden. Aber das musste sie auch garnicht, Ne´neas fühlte ihren Schmerz und konnte den Grund dafür erahnen. "Liebste..." hauchte er leise und hob zärtlich ihr Gesicht mit einer Hand an, um mit der anderen über ihre weichen Wangen zu streicheln und die Tränen davon zu wischen. Aber all der Schmerz war nun zu greifbar für Scha´na. Hier, in seinen Armen, war die einzige Möglichkeit für sie, nicht in einer Lüge und hinter einem Vorhang zu leben. "ich hasse meine Aufgabe, Ne´neas. Warum musste das alles so passieren? Es kann doch nicht sein, dass ich Alle verlieren muss, die ich liebe. Es kann doch nicht sein, dass alle Schuld auf meinen Schultern lastet..." die tiefe Verzweiflung in ihren sonst so fröhlichen und unbeschwerten Augen wollte Ne´neas fast zerreissen. Was sollte er ihr sagen? Ihm ging es doch genauso. "das ist nunmal unser Schicksal, Liebste..." flüsterte er sachte. Mit einem leisen Schnauben wand sie sich von ihm ab und erhob sich. Zum ersten Mal sah er sie des kalten Windes wegen frösteln. "was ist das für ein grausames Schicksal, wenn es uns zusammenführt aber nicht zulässt, dass wir beieinander sind?" Kapitel 3: Hoffnung ------------------- "Wir sind beieinander, Scha´na. Wir sind so sehr beieinander wie niemand sonst..." seine Stimme verfing sich in ihren Locken, so zärtlich und voller Hoffnung hatte sie ihn noch nie gehört und fragend brachte diese Melodie die junge Gestalt dazu, sich dennoch umzudrehen. Trotz der Furcht und der Verzweiflung in den nicht dafür gezeichneten Zügen. Nur kurz durfte sie diese Ehrlichkeit tragen, dann legte sich die gewohnte Ruhe in ihre Lieblichkeit und ein Lächeln, als würde sie in dieser ungewohnten Stimmfarbe von ihm einen Scherz erwarten, nistete sich in die schönen Züge. Nur die Augen waren unruhig und aufgewühlt. Selten sah er sie so und rasch trat er einen Schritt auf sie zu, zog sie erneut in seine Arme. Nun war er es, der so kindlich und voller Tatendrang wirkte und ihren unsicher umherschweifenden Blick suchte. "ich war auf Reisen, Scha´na. Und ich habe viel erfahren, ich habe viel herausgefunden über uns..." er sprach hastig und seine Stimme klang fremd in seinen Ohren, denn dieser Schatten war es gewohnt mit bedächtiger Liebkosung und verführerischer Anmut zu reden. Aber sie hatte ihre Maske abgelegt und so konnte auch er einen solchen Schritt wagen. Scha´na hob ihren Blick zu ihm und suchte in den schwarzen Augen den Klang seiner Stimme wiederzuentdecken. Ihr stockte der Atem und zärtlich hob sie ihre weichen Hände an seine Wange, um ihn so, genau so zu bergen. Noch nie hatte sie ihn so menschlich gesehen. Es machte ihr Angst, wie groß ihre Freude darüber war und wie hinterlistig sich die Hoffnung in ihre Seele schlich. Ihn so zu sehen konnte nur etwas Gutes bedeuten, etwas Gutes, das sich als Segen oder Fluch herausstellen konnte. "was hast du herausgefunden?" sprach sie atemlos, denn eine schreckliche Vorahnung hatte sich ihrer beschlichen. Der Wind war bissig geworden, als wolte er die beiden von einander trennen, sie fernhalten. Auch der Mond schien nun klarer, die Wolken waren vor ihm geflüchtet und nun leckten bizarre Schatten an ihren Körpern, die Empfindungen dieser beiden Kinder des Zwielichts so nachahmend, als spotteten sie darüber. "Es ist nichts handfestes und hauptsächlich nur Gerüchte, die die Menschen einander singen und erzählen. Aber ich habe sie belauscht und an vielen Orten gehört. Sie singen über uns, Liebste..." Ein leises Lachen entwich seinem Mund und der Schatten brauchte einen Atemzug, um eine alte Ruhe zu finden. Die Hoffnung in den schönen Augen dieses Lichtes war zerbrechlich und er wollte nicht schüren, um dann Verrat zu begehen. Die Worte drangen aus seinem Mund, aber er musste es doch besser wissen. Kannte doch die Dummheit der Menschen und die Grausamkeit des Schicksals. Er selbst hat sich von diesen Illusionen einfangen lassen, war ihnen eifrig nachgejagt mit einem Ehrgeiz, der den Schattenwesen verpöhnt war. Aber nun musste er Scha´na davon erzählen. Es war nicht recht sich allein an diesen neuen Mut zu Klammern. Unruhig bewegte er die suchenden Finger über ihren feinen, zarten Rücken. Die wärme ihrer Haut drang durch den fürchterlich schlichten Stoff des weißen Tuches, das sie stets zu tragen pflegte und wäre Ne´neas nicht so fremd fühlend unsicher gewesen, hätte er Scha´na wie stets dafür geneckt. Doch ihm wollte kein Scherz über die kühlen Lippen kommen, stattdessen entrang ihr erwartender, scheuer Blick ihm einen leisen Seufzer. "komm, wir setzen uns..." flüsterte er, schon auf der Suche nach anderen, richtigeren Worten. Bevor er seine Aufforderung erfüllen konnte, hatte sich der zierliche, anmutige Körper des Mädchens bereits vor ihm ins Gras niedergelassen und nun kam doch ein kleines, flüchtiges Lächeln über seine steinernen Züge. Selbst in diesem Moment, der so aufwühlend für den Schattentänzer war, konnte seine Liebe ihm einen Teil der Ruhe wiedergeben, durch eine so kleine unbedachte Geste. Gelassen und nachdenklich ließ er sich zu ihr nieder und legte eine Hand auf ihr Knie. Der Schatten konnte seinen Blick nicht heben und dem Blick der klaren Safire begegnen, unbeständig beobachtet er eine Weile den Wald, doch Scha´na verlor nicht die Geduld und wartete voller unaufdringlicher Hoffnung auf den Moment, an dem er selbst entschied zu sprechen. "weißt du wie sie uns nennen, Menschenkind? Sie haben so absonderliche Namen, dass ich sie dir stets mitteilen wollte um dein Lachen zu hören..." begann er leise und rang sich dann doch dazu durch, ihrem Blick zu begegnen. Das stille, sanftmütige Lächeln ihrer rosigen Lippen war so herzerweichend schön, dass durch seine schwarzen, tiefen Seelenspiegel ein Blitz zu schlagen schien. Vorsichtig strich er ihr über die Mundwinkel, wie oft hatte er versucht dieses Lächeln zu malen oder zu besingen. Aber so talentiert seine Werke auch waren, nichts konnte mit diese Göttin auch nur annähernd beschreiben. "Du bist bei ihnen die Wächterin und ich der Schattentänzer. Als wäre es anders herum nicht viel passender. In ihren Lieder trägst du das Licht in deinen Augen und Hoffnung in deinem Lächeln..." erneut lachte Ne´neas leise und musterte Scha´na kurz. Diese Bezeichnung schien ihm durchaus passend. So selten wie Menschen in der Lage waren wahre Dinge zu bezeichnen, so treffend hatten sie doch ein Bild von dem Menschenkind. "in ihren Liedern sind wir ein Paar, dass sich nie sehen kann. Sie erzählen von einer unglücklichen Liebe..." Auch aus dem Mund des Mädchens kam ein kurzes Lachen, dass an ein Schluchzen erinnerte, wenn die tiefen Seelenspiegel so verzweifelt hoffnungsvoll schauten. "es ist so wahr, was die Menschen sich erzählen..." flüsterte sie leise, aber ihre Worte waren schneidend in den Ohren des Schattens. Ja, das waren sie. Konnte es sein, dass auch die Lösung wahr sein durfte? Kapitel 4: Geschichten ---------------------- "Aber...es ist etwas anders in den Geschichten der Menschen. Etwas, dass sich sehr von dem unterscheidet, dass wir beide kennen. Es...Sie.." Kurz zeichnete sich Ne´neas Kiefer unter seinen feinen Pergamentwangen ab, als er angestrengt die Zähne zussamenbiss. Die Worte wollten so dringend aus seinem Mund, dass er sich fast daran verschluckt hätte. Und doch hätte er sich am liebsten dafür Geohrfeigt, einem so unschuldigen Glühwürmchen solche Schatten in die Gedanken zu setzen. "verzeih mir bitte Scha´na. Wenn es falsch ist, was sie sagen. Verzeih mir, wenn ich unwahres Spreche, bitte, verzeih mir..." Die Worte waren mehr gehaucht als gesprochen aber sanft reagierten die warmen Finger des Mädchens darauf und legten tröstend ihre Wärme, die sich durch seinen edlen schwarzen Mantel zu brennen schien, auf die Schulter des plötzlich so zerbrechlichen Wesens vor ihr. "Ne´neas. Du hast nicht um Verzeihung zu bitten. Wenn es falsch ist, was sie sagen, dann ist es so. Es liegt nicht an dir dass zu beurteilen. Bitte, sag es mir einfach und wir entscheiden zusammen, ob es wahr sein kann..." Scha´nas Stimme war so ruhig und tröstend, legte sich wie ein Schleier über seine nagenden, pochenden Zweifel. Wenn sie sprach, ihn berührte, in seiner Nähe war, dann konnte er endlich frei atmen. Beruhigt nickend sprach er weiter, nun mit ruhigeren Worten, leiserer Stimme, die flüchtig, nur flüchtig an den alten, liebkosenden, zärtlichen Schatten erinnerte, der er sonst, ohne sie, immer war. "In den Geschichten dieser dummen Menschen lieben sie sich eines Tages so sehr, dass die Wächterin beschließt, nicht mehr ihre Pflichten zu erfüllen. Der Schattentänzer hört auf, in den Welten zu Wandeln und das vergöttlichte Menschenkind entschließt sich für die Welt der Schatten. Darin lassen sie sich zusammen nieder. Sie werden verfolgt, sie werden gejagt und hinter ihnen zerbricht die Welt. Aber sie haben sich, Scha´na. Verstehst du? Sie haben sich..." mit den letzten Worten wurden die Augen des Kindes besonnen, die wilde Erwartung hatte sich gelegt und die dunkle Ahnung in ihren ernsten Zügen schlich sich in die tiefen Bergseen ihrer Seele. Das Lächeln in ihren Mundwinkeln erreichte kaum noch die Züge ihres marmorklaren Gesichtes. "das ist nicht möglich, Ne´neas. Selbst wenn es wahr wäre." Nicht ihre Worte, sondern die klare Stimme, mit der sie sprach, zerschnitt die letzte Hoffnung in der Brust des Schattens und stach durch ihn hindurch wie ein Dolch. "warum nicht, Scha´na, warum nicht?" Die Stimme aus dem Mund von Ne´neas war matt und fremd. Er wusste doch schon die Antwort. All die ehrlichen Regungen, die er stets so geschickt und ungeahnt verbarg und selbst ihr nur selten, sons keinem niemals zeigte, hatten sich wieder in die Nacht verflüchtigt als hätte der Mond, ihr einziger Zeuge, dies nur mit gemeinen Pinseln in ihre Sinne gemalt. Sein herbes Gesicht war kühl und stolz und ruhig, so unendlich ruhig wie eben das ihre. Sie waren sich so verdammt ähnlich. Wenn nur dieser kleine, unüberwindbare Unterschied sich nicht zwischen sie gestellt hätte, sich immer zwischen sie stellen würde. Scha´na liebte diese Welt. Wenn er an ihrer Zuneigung gezweifelt hätte, wenn die Verbundenheit zwischen ihnen nicht so zärtlich und stark war wie eine leise Stimme, die sie stets zueinander zog, dann hätte Ne´neas sich vielleicht mit der tiefen Einsamkeit seiner und ihrer Seele abfinden können. Aber er zweifelte nicht an ihrer Liebe. Dieses Mädchen war so ehrlich und unverfälscht wie ein Sommerregen. Ne´neas zweifelte nicht an ihrer Liebe zu ihm, nur an dem Willen, diese Welt sich selbst zu überlassen. "Verstehst du das?" Das Flüstern war lauter als ein Schrei, ihre beherrschten Züge waren angespannt und von einer unscheinbaren, kaum erkennbaren Verzweiflung. Flüchting griffen ihre Finger fester in seine Schulter und doch war ihre Berührung noch immer nicht mehr als ein frischer Windhauch. Warum mussten sie sich immer wieder so etwas an tun? Seine Antwort war nicht mit der samtenen Stimme gesprochen, vielmehr stand sie in den starren Zügen und dem bitter kalten Blick der schwarzen Augen gezeichnet. Die Anmut seiner einnehmenden, imposanten Aura nahm eine Form an, die jedem Wesen Furcht und Eiskristalle durch der Herz jagen musste. Aber nicht ihr, nein. Ihr niemals. Und doch hatte heiße Furcht ihr Herz ergriffen. Hinter dem kristallenem Blick des Schattens konnte Scha´na nur zu deutlich sehen, wie ihre Reaktion durch seine Zuversicht geschnitten war. "Ne´neas...ich kann nicht. Das weißt du. Selbst wenn ich könnte, woher wissen wir, dass es wahr ist?" "das wissen wir nicht. Aber wenn wir es nicht versuchen, werden wir es nie erfahren." antwortete er schneller und lauter als gewollt. Der barsche Ton bellte durch die nächtliche Stille und ließ das Sonnenkind zusammenzucken. Die Wolken waren vom Mond verschwunden, der Wind hatte sie vertrieben und über den endlosen Himmel gejagt, damit das blasse Licht auf sie hinunter lachen konnte und den stummen Schmerz in sonst regungslosen Zügen nächtlicher Schatten höhnisch offen legen durfte. Ne´neas holte tief Luft und schloß die Augen. Es war nicht recht, sie den Blick seiner Pein sehen zu lassen. Sie konnte in ihm lesen wie in einem Buch und er kannte sie ebenfalls in einem solchen Maße, dass er sie nicht unter seinen Schmerzen leiden lassen wollte. "ich muss gehen." Bevor sich die letzte Silbe in den Blättern des Nachtwaldes verfagen hatte, drehte sich das Schattenkind aus ihrem Halt und verschwand in den bizarren Untiefen der einsamen Wege. Ein leiser Seufzer folgte ihm, klebte an ihm wie süßer Honig und ließ ihn mit pochendem, schmerzendem, sich windendem Herzen sicher sein, dass sie auf ihn warten würde. Es dauerte zum ersten Strahl der Sonne, bis Scha´na sich wieder bewegte. Der kalte Tau des Morgens hatte sich auf ihre blasse Haut und in ihre wilden, goldenen Locken gelegt. Die schweren Wimpern ließen ihren leeren Blick weltfremd und entrückt erscheinen, die Scherben ihres Herzens zeichneten sich in der regungslosen Stille dieses Momentes so deutlich und klar auf den kindlichen Zügen ab, wie es nie jemand sehen durfte. Nur der aufkommende Wind strich sanft darüber und tröstete seine Schwester, aber nicht einmal der Duft des nassen Grases, die Stimmen der Vögel die sich selbst in ihren fröhlichen Rufen nach ihr übertrafen, konnten die Leere in ihr ausfüllen. Was war sie für ein Monster, was war sie nur für ein schreckliches Wesen, wenn sie ihm, den sie am meisten auf dieser Welt liebte, so etwas antat? Scha´na konnte keinen Hass empfinden aber dass Wissen, dass sie sich selbst hassen würde, wenn sie es konnte, wog genauso schwer wie brennende Glut in ihrer schmalen Brust. Kapitel 5: Aufgaben ------------------- Die herbstliche Sonne stand blass und kränklich am Himmel, konnte kaum mit dem bunten, blühendem Laub wetteifern und sich schon garnicht gegen die weichen, mächtigen, von Regen getränkten Wolken behaupten. Ab und an fielen vereinzelte Tropfen von den nackten Fingern der einsamen Bäumen, die frierend und jammernd im wütenden Wind ihre Standhaftigkeit bewiesen. Der Boden dieses Waldes war rutschig und trug die Kälte des baldigen, nahenden Frostes unter seiner Flickendecke, doch all dies konnte das Mädchen nicht daran hindern mit nackten Füßen darüber zu tanzen, als würde das Sonnenkind auf Wolken wandeln. Es war nicht schwer in diesem zwielichtigen Tage ein Lichtblick zu sein. Die sanften Züge und blitzenden Seelenspiegel mussten sich nicht gegen einen hellen, strahlenden Tag behaupten, auch wenn dies ebenfalls eine niedere Aufgabe für Scha´na gewesen wäre. Sie hatte anderes im Sinn, als ihre mächtige Aura unter Beweis zu stellen, es lag ihr nichts daran, für andere etwas besonderes zu sein. Das einzige, was dieses Kind im Sinne hatte, war ihre Aufgabe. Und neben dieser lagen ihr die Menschen am Herzen. Diese dummen und traurigen Menschen. Viel zu oft sahen sie Dinge, die direkt vor ihren Augen waren, nicht einmal an, nahmen diese kleinen Wunder der schönen Welt garnicht wahr und flüchteten sich in dunkle Gedanken und einsame Traurigkeit. Davor wollte Scha´na sie befreien. Die Lichtgestalt wollte ihnen Hoffnung geben. Und so hielt sie unbeirrbar eine Hand in der ihren, als sie durch den Wald tanzte. Das Lachen des Mädchens war herzerwärmend ehrlich und gelöst, es war der Klang eines Wesens, das frei und voller Glück war. Aber auch dieser Klang wollte nicht durch die dunkle Watte dringen, die Maria in einer schwermütigen und stillen Welt gefangen hielt. Die Rehbraunen Augen waren völlig unbeirrt in ihrer schwermütigen Traurigkeit und die strengen, empfindsamen Züge wirkten unfähig zu Lächeln. Versteinert war ihr schönes Gesicht, versteiner zu einer schmerzhaft regungslosen Maske. "Wo willst du hin?" fragte ihre leise, matte Stimme, die sich kaum gegen das kindliche Lachen zur Wehr setzen konnte. Nur wiederwillig wollte sich die junge Frau von dem Mädchen durch die ungemütlich feuchte und kühle Umgebung ziehen lassen, die Umarmung des vertrauten Waldes wollte nicht bis zu ihrer zerbrochenen Seele durchdringen, alles an der stolzen Frau, ihre edle Haltung, das aufrechte Haupt, die sorgsam zurechtgemachten, ebenholz Farbenen Haare wirkten hier so unpassend und fremd wie Scha´na nicht daraus wegzudenken war. "Warte doch ab!" war die schlichte Antwort der kleinen Sonne und langsam verklang ihr Lachen im abendlichen Dämmerlicht. Es war ein schneller übergang, der Tag war ebenso dunkel gewesen, wie der Abend bald werden würde. Nur in der Luft lagen bereits die Schatten, die darauf warteten, Nacht über die Welt zu ziehen. Noch einige Momente zog Scha´na die Frau an ihrer Hand weiter, unbeirrbar, sanft aber voller Energie. Das Mädchen wollte und konnte sich nicht mit der traurigen Frau abfinden. Tagsüber war sie der Schönheit im Wald begegnet, ihre Tränen hatten den Boden um sie herum benetzt, die Klagelaute wollten ihr Herz zerreissen. Das Lichtkind war der festen Überzeugung, dass die Scherben in den braunen Seelenspiegeln nur sorgsam und säuberlich zusammengesetzt werden mussten- jeder Mensch trug einen Funken Glück und Zufriedenheit in sich. Wenn auch gerade soviel, dass es sich leben ließ. Dieser Funke musste nur entdeckt werden. Mit einem Lächeln, dass ihr ganzes Gesicht erhellte und sich selbst genügte wand Scha´na sich wieder an die Frau. "Schau, da sind wir. Das wollte ich dir zeigen, Maria. Hier können wir uns unterhalten..." Noch bevor die Frau antworten konnte, ließ Scha´na sich mit einem zufriedenem Seufzer in das Gras sinken und schaute immer wieder schmunzelnd zu der Frau hoch. Aber das Gesicht das Mädchens hatte sich verändert, jetzt, wo sie am Ziel waren. Es war ihr Lieblingsort, hier fand sie selbst Muße und Trost. Hier hatten ihre kindlich jungen Züge einen ruhigen und geduldigen Ausdruck angenommnen. Maria war wie betäubt, als sie den Blick von ihr endlich abwand. Es war schwer, Scha´na nicht einfach zu betrachten und sich an ihr zu erfreuen. Das Kind strahlte eine Wärme aus, die schwer zu ignorieren war. Vor allem diese Schwermut in den dunklen Augen, die trotz all dieser ungezwungenen, ehrlichen Fröhlichkeit in den tiefen Seelenspiegel war, verlieh ihr eine Besonderheit, die Maria noch nie gesehen hatte. Aber der Anblick der sich ihr bot, war ebenso faszinierend. Vor ihr lag ein kleiner See ganz unbekümmert in einem Meer aus gelben und roten Blüten. Es war ungewöhnlich, dass überhaupt noch Pflanzen ihren Schmuck zur Schau trugen, aber hier schienen die Jahreszeiten nicht zu herrschen. Der Wind riss an der Oberfläche des glasklaren Wassers, das einzige Zeichen das Maria bewies nicht zu träumen. Verwirrt zog sie die Augenbrauen hoch und schaute zu Scha´na hinab, doch das Mädchen war zwar berührt, aber völlig unbeeindruckt von diesem Anblick. Noch einmal wand Maria sich diesem Bild zu. Es wirkte wie ein Gemälde, das Gewässer schien nicht tief zu sein. Am Boden blitzten bunte Steine und schienen in der Dämmerung zu leuchten. "Scha´na...das ist...das ist wunderschön..." flüsterte Maria berührt und sank auf die Knie. Vor Erschöpfung ebenso zu Boden gezwungen wie von diesem Anblick. Die sanfte Hand des Lichtkindes legte sich auf ihre Schulter und streichelte ihr mit den Fingern durch das lange, glatte Haar. Was für eine sachte Berührung von einem Kind, dass Maria erst ein paar Stunden lang kannte. "Ja, nicht wahr? Dieser Ort hier ist schon so alt wie ich und noch nie habe ich hier jemanden gesehen außer...ein paar Ausnahmen." Mit einem Seitenblick musterte die Frau Scha´na und fragte sich im stillen, wie das Leben dieses wundersamen Mädchens wohl aussehen mochte. Doch bevor sie sich weiter darüber Gedanken machen konnte, flog ihr Glockenhelles Lachen wie die passende Musik zu diesem Gemälde über den schönen See. "Es ist doch merkwürdig. Soviele Menschen leben garnicht so weit weg von hier und scheinbar hat keiner die Ruhe und Muße sich einmal zu erkundigen, was eigentlich für Schönheiten hier versteckt sind." "Ja, das stimmt wohl..." sagte Maria matt und nickte leicht. Das Mädchen hatte recht. Jahrelang lebte sie garnicht weit von hier entfernt. Was für Schönheiten waren ihr sonst noch verborgen geblieben, weil sie nie danach gesucht hatte? "Und so ist es mit dem Leben, Maria. Es gibt soviele schöne Dinge, die ihr einfach nicht sehen wollt. Warum? Haltet doch die Augen offen und erfreut euch an kleinen Dingen." die Stimme von Scha´na klang nicht so jung und zerbrechlich, wie sie hätte sein sollen. Ihr Anlitz schien mehr zu verbergen, noch mehr zu verstecken als Maria erahnen konnte. Nachdenklich schaute sie zu Boden und berührte vorsichtig mit den Fingerspitzen eine besonders rote Blume vor ihnen. "So einfach ist das nicht." "Warum nicht?" Verwirrt schaute Maria zu dem Mädchen hoch und runzelte die Stirn. Warum nicht? Noch nie hatte sie eine so leichtfertige Frage gehört, noch nie hatte jemand sie so ehrlich fragend und bekümmert über fremdes Leid angesehen, mit leicht zur Seite geneigtem Haupt, dass von diesen bildschönen Locken umkrönt war. Scha´na war so herzzerreissend unbekümmert. "Weißt du, es gibt einfach Dinge, die einem so weh tun, dass man kaum noch atmen kann..." flüsterte sie leise und nahm eine dieser weichen Locken zwischen ihre Finger, um zärtlich über das Haar des fremden Mädchens zu streicheln. Das ernste Nicken war erstaunlich verstehend und kurz flackerte ein Zug durch ihre lebhaften Augen, der Maria sehr bekannt war. Es war unvorstellbar, aber vielleicht kannte Sch´ana dieses Gefühl. "Natürlich gibt es die..." antwortete das Sonnenkind schlicht, als hätte sie nichts anderes erwartet. "Aber es wird nicht besser, wenn du dich versteckst und für die schönen Dinge nichts mehr übrig hast. Wie kannst du dann wieder glücklich werden?" fügte sie hinzu und verlagerte ihr Gewicht auf die zierlichen Knie, um Maria sanft an der Wange zu berühren. Eine angenehme Gänsehaut durchlief den Körper der Frau bei dieser Zärtlichkeit. "Und was ist ein Leben, wenn es nicht glücklich ist? Wenn man sich dem Schmerz so völlig hingibt Maria, dann kann man nicht mehr glücklich werden. Du musst dem Gefühl eine Chance geben..." nachdenklich betrachtete die junge Frau die Eifrigkeit des Kindes. Natürlich hatte sie recht, aber so etwas zu wissen hieß nicht, dass es leicht umzusetzen war. Seufzend wand sie sich dem schönen See vor sich zu und ließ die Farbe der herrlichen Blüten auf sich wirken. Nach einer Weile schaute sie die Lichtgestalt neben sich, deren Blick noch immer aufmerksam und munter auf ihr lag, wehmütig lächelnd an. "Ach Sch´ana...vielleicht hab ich einfach nicht die gleiche Kraft wie du." Für einen Moment blinzelte das Mädchen etwas verwirrt, als schien sie die Worte nicht recht einordnen zu können. "Das hat doch nichts mit Kraft zu tun...", sagte sie vorsichtig, noch immer in Sorge, Maria nicht richtig verstanden zu haben. Aber dann neigte das bildschöne Mädchen ihr anmutiges Haupt zur Seite, strich sich verspielt eine goldene Locke hinters Ohr und der so überzeugte Blick der safirenen Seelenspiegel schien in seiner Ehrlichkeit direkt in Marias Herz zu schauen. "Das hat nichts mit Kraft zu tun." wiederholte sie noch einmal, während ihre Stimme nun so sanft wie der Frühlingswind klang und das Lächeln in ihren Mundwinkeln so sehr nach Sommer aussah. "Alles was du brauchst, hast du hier..." fügte sie hinzu und lachte dann dieses herrliche, weltfremde und unmenschlich reine Lachen, während ihr zierlicher Finger auf ihre Brust tippte, genau dort, wo ihr Herz leise und ruhig schlug. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)