Katenha von Skeru_Seven ================================================================================ Kapitel 2: Noevy ---------------- Nach über einer Stunde standen sie endlich vor Ravens Apartment, wobei eher Raven stand und den anderen Jungen stützen musste. Durch die Panik und die darauffolgende Flucht hatten ihn alle Kräfte verlassen und ohne Raven läge er wahrscheinlich irgendwo auf dem Boden. „Leg dich hin, ich mach dir was zu essen“, erklärte Raven, nachdem sie die Wohnung betreten hatten. Sonst sorgte er sich nicht so um fremde Menschen, aber man wurde auch nicht jeden Tag fast von merkwürdigen Menschen entführt. Der Junge nickte stumm, ließ sich auf das Sofa fallen und schlief dort sofort ein. Raven schlurfte in die Küche, registrierte, dass es schon nach sechs war, und begann das Abendessen vorzubereiten. Zwar hatte er keine Ahnung, was der andere Junge, dessen Namen er noch nicht wusste, gerne aß, aber da hatte dieser Pech gehabt. Er konnte nicht auf alles im Leben Rücksicht nehmen, daran war er nicht gewöhnt und ehrlich gesagt hatte auch gar kein Interesse, das spontan zu ändern. Schließlich versuchte er, seinen Gast zu wecken, doch dieser schlief munter weiter und ignorierte Raven einfach. „Sein Pech, dann esse ich eben ohne ihn.“ Er schnappte sich eine schüsselvoll grünen Salat und ein Glas Orangensaft und überlegte während des Essens, was er nun mit Mr. XY auf seinem Sofa anstellen sollte. Erst mal ein wenig ausfragen und morgen konnte er ihn dann ohne schlechten Gewissens aus der Wohnung werfen. Raven war nun mal nicht der Typ, der es länger ohne großartige Streiterei mit Leuten auf engen Raum aushielt. Besonders nicht mit solchen, die nicht mit seinen Eigenarten vertraut waren. „He, du“, murmelte eine leise Stimme schüchtern, „kannst du mir was zu trinken geben?“ „Auch schon wach?“, fragte Raven leicht unfreundlich. Er war doch kein Dienstmädchen, das man wahllos durch die Gegend schickte, wie es einem gerade passte. „Wenn du mir erst mal sagst, wer bist, mach ich das vielleicht auch.“ „Tut mir leid.“ Der andere senkte beschämt den Kopf. „Ich heiße Noevy. Und du?“ „Raven. Aber komm bloß nicht auf die Idee, mich Ravy oder so zu nennen. Das kann ich überhaupt nicht leiden.“ Um das schon mal von Anfang an auszuschließen. „Werd ich schon nicht machen, Ravy.“ „Halt die Klappe!“, fuhr Raven ihn wütend an. Pseudolustige Kinder konnte er auf den Tod nicht ausstehen, besonders wenn sich ihre Aussagen auf ihn bezogen. „Ist ja gut, tut mir Leid“, entschuldigte sich Noevy schnell, er merkte wohl, dass er sich in Acht nehmen musste. „Bringst du mir trotzdem was zum Trinken?“ „Wenn du dann endlich still bist, schon.“ Genervt holte der Wohnungsbesitzer ein Glas Wasser aus der Küche und hielt es Noevy vor die Nase. „Hier.“ „Danke.“ Er lächelte und trank das Glas aus. „Wo sind eigentlich deine Eltern?“ Raven, der gerade das Abendessen vom Tisch räumte, erstarrte mitten in der Bewegung. „Warum willst du das wissen?“ „Man wird ja noch fragen dürfen“, verteidigte sich Noevy, der nicht mit einer solchen Reaktion gerechnet hatte. „Wenn du es genau wissen willst, ich wohne hier eigentlich alleine.“ „Wieso das denn? Sind deine Eltern etwa...“ „Nein, sie leben noch“, unterbrach Raven ihn. „Am Stadtrand, ganz alleine ohne ihren dummen, ignoranten und unharmonischen Sohn. Sie haben mich abgeschoben, verstanden?“ Mehr gab es dazu nicht zu sagen. „Oh.“ Unruhig rutschte Noevy auf dem Sofa herum. „Und hast du noch Geschwister?“ Wieder schien er eine falsche Frage gestellt zu haben, denn Raven fiel die Hälfte des Geschirrs, das er in die Spüle stellen wollte, auf den Boden. „Hör einfach auf zu fragen, okay? Es braucht dich nicht zu interessieren. Du bleibst heute Nacht hier, morgen gehst du wieder schön nach Hause und in spätestens drei Tagen hast du es sowieso wieder vergessen.“ „Du willst mich also loswerden“, stellte Noevy traurig fest. „Dann geh ich lieber jetzt schon, wenn ich dich störe.“ „Vom Sofortgehen hab ich aber nichts gesagt.“ Langsam erstaunte Raven sich selbst. Heute hatte er eindeutig einen zu guten Tag, wenn er glaubte, es nicht verantworten zu können, einen neugierigen, unbekannten Jungen auf die Straße zu setzen. Das tat er immerhin oft genug auch mit seinen „Freunden“, in Wirklichkeit nur dauergelangweilte Klassenkameraden, die ihm gern auf die Nerven gingen und ihn in seiner Wohnung belagerten, um sich zu beschäftigen. „Aber du willst es doch, dann sag es auch. Ich versteh das ja.“ Ohne Vorwarnung packte Raven Noevy am T-Shirt und schüttelte ihn kräftig durch. „Wenn du nicht sofort still bist, schlag ich dir eine rein! Es ist dunkel, diese Irren rennen noch draußen rum und du schläfst noch halb. Ich will nicht schuld sein, wenn dir etwas passiert, also hör auf zu nerven und bleib da.“ Er ließ von Noevy ab und fing an, den Tisch weiter abzuräumen, bis ihm etwas auffiel. „Hast du noch Hunger?“ Noevy schüttelte aber nur den Kopf und stand etwas verloren vor dem Sofa herum. Die unerwarteten Stimmungsschwankungen von Raven verwirrten ihn, dazu kam die zunehmende Müdigkeit, die ihn wieder ergriff. „Ich geh schlafen, gute Nacht.“ Er legte sich wieder auf das Sofa, rollte sich zusammen und schlief ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)