Katenha von Skeru_Seven ================================================================================ Kapitel 5: Entführung --------------------- Noevy stand zögerlich auf, um die Ursache des Lärms herauszufinden, doch Raven hielt ihn am Zipfel seines Oberteils fest. „Du bleibst hier, wer weiß, wer oder was da draußen ist.“ Eine Rettungsaktion in zwei Tagen reichte ihm vollkommen. „Aber wenn jemand unsere Hilfe braucht“, jammerte Noevy vorwurfsvoll und wollte sich losmachen. „Junge, übertreib es nicht. Draußen ist nur irgendwas umgefallen oder sonst was und du willst irgendwelchen nicht vorhandenen Personen helfen? Geht es dir zu gut?“ Kopfschüttelnd nahm Raven die zwei Tassen vom Tisch und trug sie zurück in die Küche. Noevy regte ihn auf Dauer wirklich auf, so wie er sich gerade benahm; ein kleines Kind war nichts dagegen. Eigentlich müsste sich er nach dieser nur knapp entronnenen Entführung gestern deutlich vorsichtiger verhalten, wenn es um Angelegenheiten außerhalb von sicheren Häusern ging, aber entweder hatte er das verdrängt oder Naivität gehörten zu seinen hervorstechendsten Charakterzügen, genauso wie seine permanente Neugier. Leider kannte Raven ihn noch nicht so lange – und wollte das ehrlich gesagt auch nicht –, um sich für eine Möglichkeit davon zu entscheiden, allerdings erschien ihm keine von beiden besonders positiv. Das Geräusch, eine undefinierbaren Mischung aus einem Klopfen, undeutlichem Gemurmel und etwas anderem, setzte wieder ein und Noevy tippte nervös mit den Fingerspitzen auf der Tischplatte herum. Was auch immer es war, es klang seltsam und würde ihn bei längerem Zuhören sicher wahnsinnig machen, das ahnte er. Warum konnte Raven so gelassen bleiben? Hatte er keine Angst, dass etwas Schlimmes passieren würde? Je länger Noevy über seinen unfreiwilligen Gastgeber nachdachte, umso weniger verstand er ihn. Wenn ihm andere Menschen anscheinend so schnell auf die Nerven gingen, wieso hatte Raven ihm dann geholfen und hier hergebracht? Vielleicht sollte er einfach rausgehen und sich im schlimmsten Fall fangen lassen, dann kannte er den Grund des Geräuschs, Raven brauchte sich nicht alle zehn Minuten über ihn zu beschweren und konnte in Ruhe sein einsames Leben weiterführen, ohne von ihm belästigt zu werden. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Raven in der Küche noch mit dem Spülen der Tassen beschäftigt war, zog er seine Schuhe an, öffnete die Tür und lief auf die Straße. Wie erwartet schwebte der Nebel wie ein Vorhang in der Luft und behinderte die Sicht; trotzdem hörte er deutlich, aus welcher Richtung der Lärm kam, beziehungsweise kommen sollte, wenn seine Ohren ihm keinen Streich spielten. Ein unterdrückter Schrei ließ Noevy zusammenzucken und er wandte sich nach links zum Ursprungsort, doch bevor er sich mehr als drei Schritte in diese Richtung bewegen konnte, packten ihn von hinten zwei Arme und hielten ihn eisern fest. Obwohl er sich versuchte hatte, auf die Gefahr vorzubereiten, die ihn hier erwarten können, traute er sich vor Angst nicht einmal, sich zu wehren, nicht einmal den Kopf zu drehen, um den unbekannten Angreifer ins Gesicht zu sehen. Gestern hatte er sie wenigstens gesehen, die zwei Frauen, die sich wie Zwillinge geähnelt und wegen ihres gleichgültigen und regungslosen Gesichtsausdrucks zu unmenschlich auf ihn gewirkt hatten. Wenn es wieder so eine war, was würde sie mit ihm anstellen? Wohin würde sie ihn bringen? Und würde er jemals wieder zurückkehren? Auf keine der Fragen fand er eine Antwort, aber im schlechtesten Fall änderte sich das bald. „Raven, hilf mir“, wimmerte er leise, obwohl er wusste, dass der Angesprochene ihn nicht hörte und ihm möglicherweise nicht helfen wollte, immerhin hatte er sich gerade mehr als idiotisch benommen. Erst darauf zielen, sich fangen zu lassen und dann herum jammern, wenn es tatsächlich eintraf. „Es tut mir Leid.“ Das Wesen hinter ihm umklammerte ihn noch ein wenig stärker und langsam verschwamm die Umgebung vor Noevys Augen, bis er bewusstlos in den Armen des Unbekannten hing. Das konnte nicht wahr sein, hörte der Junge ihm nicht zu? Entsetzt beobachtete Raven vom Küchenfenster aus, wie Noevy nach draußen lief, von einer dieser unheimlichen Frauen festgehalten wurde und schließlich in sich zusammensackte, obwohl die Frau gar nichts weiter getan hatte, als ihn nicht mehr freizugeben. Ohne sich noch allzu lange Gedanken zu machen, ob er sich selbst in Gefahr begab, stürmte er seinem hoffnungslosen Gast hinterher und stoppte mitten auf der Straße. Nichts. Keine Frau, kein Noevy, nur wieder dieser Nebel und die leere Straße vor ihm. Als wären die beiden nie hier gewesen. „Verdammt noch mal.“ Fluchend suchte Raven die anliegenden Gassen ab, aber er fand nichts, was ihm einen Hinweis auf den Verbleib der beiden gab. Rein gar nichts, genau wie bei Jevo. Sie schienen wie vom Erdboden verschluckt. Was hatte sich Noevy dabei gedacht? Er kannte doch die Gefahr, die bei diesem Nebel überall lauern konnte, warum war er trotzdem hinausgelaufen? Dummheit? Neugier? Beides zusammen? Und er selbst hatte ihn nicht davon abhalten können. Auch wenn er Noevy die meiste Zeit nervend und ein wenig einfältig fand, soweit hätte es seiner Meinung nach wirklich nicht kommen müssen. Lernte der Junge aus solchen Fehlern wie gestern nie? „Suchst du jemanden?“ Hosted by Animexx e.V. 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