What happened 30 years ago von Peacer (The story of a young Turk) ================================================================================ Kapitel 6: Training ------------------- So, wieder einmal ein neues Kapi. Wahrscheinlich werde ich die ganze Story noch einmal umschreiben, sobald ich sie fertig gestellt habe. Mir sind nämlich in er Zwischenzeit soviele Sachen eingefallen, die man besser machen könnte xD Aber wie gesagt, zuerst versuch ich sie mehr oder weniger gut fertig zu stellen... Vielen Dank an alle, die das hier lesen xD ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Hojo packte die in sich zusammensackend Aireen reflexartig beim Arm und hielt sie aufrecht gegen die Wand gedrückt, damit er die Blutabnahme in Ruhe beenden konnte. Als er damit fertig war, ließ er sie achtlos fallen, wodurch sie an der Wand hinunterrutschte und schlussendlich auf dem Boden saß. Kopfschüttelnd kehrte er zu seinem Schreibtisch zurück. „Medizin studieren und selbst keine Spritzen vertragen... lächerlich“, murmelte er während er das Blut umfüllte um es anschließend untersuchen zu können. Er war schon auf dem Weg ins Labor, als ihm etwas entscheidendes einfiel. °Habe ich die Einstichstelle abgebunden? Mein kostbares Subjekt wird wohl gerade am Verbluten sein...° Fluchend eilte er zurück. Seine Befürchtungen blieben allerdings unbegründet, denn nur ein dünnes Rinnsal Blut benetzte Aireens Arm. Skeptisch untersuchte der Wissenschaftler die Einstichstelle und stellte überrascht fest, dass diese schon verheilt war und nicht einmal eine Narbe zurückblieb. °Interessant... das bestätigt, dass Mako die normale Heilungsrate um ein vielfaches beschleunigt.° Dann schlich sich ein böses Grinsen auf sein Gesicht. °Da sie sowieso noch schläft, kann ich ja gleich testen, wie sehr sich die Heilunsrate verändert hat.° Er zückte ein kleines Messer. Bevor er allerdings seine teuflische Idee in die Tat umsetzten konnte, bewegte sich Aireen und ihre Augenlider zuckten. Enttäuscht packte er sein Messer wieder weg; schließlich wollte er nicht riskieren, dass sie mit ihrem Geschrei das ganze Haus auf den Plan rief. Stattdessen entschied er, vorerst nur die Blutanalyse durchzuführen. Später hatte er noch genug Gelegenheit, sich näher mit seinem Subjekt zu befassen. Er verschwand also in seinem Labor und ließ die Studentin auf dem Boden zurück. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ In der Zwischenzeit wachte Aireen vollends auf und blinzelte ein paar Mal. „Was zum...“, murmelte sie, bevor sie sich an die Geschehnisse erinnerte. „Arschloch“, fluchte sie leise, nachdem sie sichergestellt hatte, dass der Wissenschaftler sich nicht in unmittelbarer Nähe befand. Seufzend rappelte sie sich auf und rieb sich ihren Arm. Zu ihrem Erstaunen stellte sie fest, dass dieser überhaupt nicht schmerzte und, bei genauerer Untersuchung, auch keine Einstichstelle zu sehen war. Dann wurde ihr klar, dass das wohl am Mako lag. °Teuflisches Zeug... wenn auch, wie ich zugeben muss, praktisch°, dachte die Medizinstudentin und wischte das inzwischen getrocknete Blut von ihrem Arm. Dann beschloss sie, in ihr Zimmer zurückzukehren. Für heute hatte sie die Nase gestrichen voll und wollte Hojo wenn möglich nicht mehr über den Weg laufen. Beim Ausgang hielt sie allerdings inne. °Meine Augen leuchten noch immer so unnatürlich... Vielleicht weiß Hojo ja eine Lösung, auch wenn es mir ganz und gar nicht behagt, ihn um Hilfe zu bitten.° Langsam ging sie Richtung Laboratorien und klopfte zögerlich an der geschlossenen Tür. °Ist immerhin seine Schuld.° Ein gedämpftes „Moment“ war zu hören, bevor die Tür Sekunden später auch schon geöffnet wurde und Aireen sich einem ärgerlichen Hojo gegenüber befand. „Was denn? Ich bin beschäftigt!“, fauchte er. Sie verkniff sich einen bissigen Kommentar und fragte höflich: „Haben Sie vielleicht etwas, mit dem man meine Augen nicht mehr sehen kann? Ich kann Dr. Crescent und Mr Valentine schließlich nicht ewig ausweichen.“ Der Wissenschaftler überlegte einen Moment bevor er nickte. „Ich werde Ihnen Kontaktlinsen besorgen. Morgen um halb sechs, hier.“ Damit schlug er ihr die Nase vor der Tür zu. Mit einer Sorge weniger kehrte die Studentin in ihr Zimmer zurück und ließ sich auf ihr Bett fallen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es schon nach zwei Uhr war. °Toll, in weniger als 4 Stunden schon wieder aufstehen.° Seufzend stellte sie noch ihren Wecker. Kurz darauf schlief sie auch schon ein. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Hojo arbeitete indessen an der Blutanalyse, nachdem er einen Optiker in Rocket Town aus dem Schlaf geklingelt und Aireens Kontaktlinsen bestellt hatte. Er stellte seine Tests fertig und machte sich anschließend eine Tasse Kaffee, während er auf die Auswertung der Analyse wartete. °Mmh, was könnte ich als nächstes ausprobieren?° Er dachte eine Weile nach, bevor ihm eine Idee kam. °Ich werde ihre Leistungssteigerung testen und schauen, ob sich eine Makobehandlung lohnen könnte, um Supersoldaten zu erschaffen.° Er kehrte in sein Labor zurück und untersuchte die Testergebnisse. Entzückt stellte er fest, dass die Makobehandlung die Heilungsrate eines normalen Menschen um ein zehnfaches steigerte und sein Immunsystem gleichzeitig stärkte, indem es die Produktion der weißen Blutkörperchen ankurbelte. °Wunderbar! Heute Abend werde ich weitere Test durchführen. Und ich muss nochmal mit dem Turk reden, damit dieser auch ein hartes Training ausarbeitet... mit einer schwachen Haushälterin kann ich nichts anfangen.° Damit wandte er sich der Weiterentwicklung seines Hauptprojektes zu: JENOVA. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Um halb fünf Uhr morgens riss ein eindringliches Klopfen Vincent aus seinem unruhigen Schlaf. Müde rieb er sich die Augen, stand auf und taumelte, noch nicht ganz wach wie er war, zur Tür um den viel zu frühen Besucher zu öffnen. °Wer zum Teufel ist das?°, dachte er leicht ärgerlich, als er zur Tür trat und diese aufmachte – um in die kalten Augen Hojos zu blicken. Schnell verschwand die Überraschung des Turks hinter einer emotionslosen Maske und er nickte dem Wissenschaftler respektvoll zu. Selbst wenn ihre Abneigung auf Gegenseitigkeit beruhte, konnte er nicht vergessen, dass Hojo sein Vorgesetzter war. Zudem war für Vincent das Wort Unhöflichkeit ein Fremdwort. Er bat den Wissenschaftler also herein und bot ihm seinen einzigen Stuhl an, den dieser allerdings unwirsch ablehnte. Beide Männer standen sich einen Augenblick schweigend gegenüber, bevor Hojo das Wort ergriff: „Wegen Ms Ceylan – sie sollten das Training nicht nur auf Selbstverteidigung beschränken, sondern sie im Großen und Ganzen fitter machen. Dadurch werden sowohl ihr Immunsystem als auch ihre Moral gestärkt. Das Training wird sie von dem monotonen Alltag ablenken, so dass sie nachher ihrer Arbeit motivierter nachgehen kann, was wiederum ihre Leistung steigern sollte. Ihr Fleiß lässt des öfteren zu wünschen übrig.“ Hojo musterte den Turk ernst, der ihn nur perplex ansah. °Seit wann interessiert er sich für das Wohlergehen seiner Haushälterin?°, dachte er misstrauisch. Der Wissenschaftler riss ihn mit seinen nächsten Worten wieder aus den Gedanken. „Das kriegen Sie doch hin, nicht wahr, Mr. Valentine? Als Turk dürfte das doch kein Problem für sie darstellen“, meinte er abfällig und verließ das Zimmer. °Ich habe mehr als genug Zeit mit dem Turk verschwendet. Ich hoffe nur dass seine Kompetenzen für diese Aufgabe reichen°, dachte Hojo mürrisch als er Richtung Laboratorien verschwand. Vincent blieb einige Minuten reglos stehen, zu verdutzt, um auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. °Hojo... Aireen... Training? Seit wann handelt er aus Sorge um das Wohlbefinden eines Menschen? Da stimmt doch etwas nicht...° Nachdenklich verschwand er im Bad, um sich anzuziehen. Er konnte ohnehin nicht mehr schlafen und beschloss, dass ein Spaziergang genau das richtige war, um einen klaren Kopf zu bekommen. Die Dunkelheit störte ihn dabei nicht im Geringsten; er war mit ihr aufgewachsen und sah sie als Verbündeten, der sie vor unerwünschten Augen verbarg, und nicht als Feind, der auf ihn lauerte. Er schnallte sich seine Cerberus um, kontrollierte, ob alle Materias an ihrem Platz waren und verließ die Villa, auf eine Begegnung mit ein paar Monstern hoffend. Ein bisschen Adrenalin würde ihm sicher gut tun. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Ein lautes Klingeln riss Aireen aus ihrem ohnehin wenig erholsamen Schlaf. Müde tastete sie nach ihrem Wecker, wobei sie aus Versehen ihre Lampe vom Nachttisch fegte. °Na toll, ein Déjà-Vu°, dachte sie mürrisch und kroch aus dem Bett. Sie schaltete den Wecker aus und das Licht ein und besah sich den Schaden. °Komplett in ihre Bestandteile zerfallen... Na, vielleicht kann Vincent sie wieder zusammensetzen.° Rasch zog sie sich an und spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht. Dann verließ sie auch schon ihr Zimmer und eilte runter zu Hojo in die Laboratorien. Um Punkt halb sechs klopfte sie an. „Herein.“ Leise öffnete sie die Tür und wurde auch schon von Hojo empfangen, der ihr die Kontaktlinsen in die Hand drückte. „Hier. Kommen Sie heute Abend um halb zehn zurück.“ Damit schlug er die Tür zu und ließ die verdatterte Studentin einfach stehen. „Danke?“, murmelte sie, bevor sie nach oben zurückkehrte, ihre neuen Kontaktlinsen anlegte und zufrieden feststellte, dass ihre Augen nun wieder mehr oder weniger normal aussahen. Dann ging sie in die Küche und bereitete fröhlich pfeifend das Frühstück vor, ihre Sorgen vorerst vergessen. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Zehn vor sechs kehrte Vincent von seinem Ausflug zurück und wollte sich in sein Zimmer schleichen, um zu duschen und sich umzuziehen. Er hatte allerdings nicht mit Aireens Hellhörigkeit gerechnet, denn obwohl er die Eingangstür so leise wie nur menschenmöglich geschlossen hatte, musste sie es doch gehört haben und kam aus der Küche, um ihn zu begrüßen. „Gute Morgen, Vincent!“, trällerte sie fröhlich. Dann stockte sie, als sie seinen Zustand erkannte. „Heiliger Chocobo! Was ist passiert?“ Der Turk sah sie fragend an und als er ihren Blick bemerkte, sah er an sich herunter und hob eine Augenbraue. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er voller Blut der Monster, die er erledigt hatte, war und etliche Kratzer ihn überdeckten, die er sich wohl bei seinem Lauf durch den dunklen Wald eingefangen hatte. „Es ist nichts weiter“, meinte er dann und versuchte die aufgeregte Haushälterin zu beruhigen, die die ganze Zeit von „zum Arzt gehen“, „Krankenwagen rufen“ und dergleichen sprach. Da seine Worte nicht die erhoffte Wirkung zeigten, beschloss er, die Studentin einfach zu ignorieren und machte sich seufzend auf den Weg in sein Zimmer. „Hey, Vincent, wo willst du hin?!“, rief diese und lief ihm hinterher. „Duschen“, antwortete er ruhig wie immer. Als Aireen ihm daraufhin noch immer folgte, blieb er stehen, drehte sich zu hier um und hob eine Augenbraue. „Willst du etwa mitkommen?“, fragte er amüsiert und musste schmunzeln, als er ihren geschockten Gesichtsausdruck wahrnahm, der sich schnell in einen verlegenen verwandelte und sie knallrot anlief. „N-Nein, schon in Ordnung“, stotterte sie und drehte sich von ihm weg. „Ich warte in der Küche“, meinte sie noch bevor sie sich auf den Weg machte. Kopfschüttelnd setzte Vincent den Weg in sein Zimmer fort. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Zehn nach sechs saß Vincent frisch geduscht am Frühstückstisch und amüsierte sich köstlich über Aireens Verlegenheit, die ihm gegenüber saß und peinlichst darauf bedacht war, ihn nicht anzusehen. Lucrecia warf den beiden fragende Blicke zu und wunderte sich über die kleinen Lächeln, die sich ab und zu auf das Gesicht des Turks schlichen, wenn dieser glaubte, dass niemand es bemerkte. °Was ist bloß los mit den beiden?°, grübelte sie eine Zeit lang erfolglos, bevor sie sich dazu entschied, die Frage laut zu stellen. Woraufhin Aireen schlagartig knallrot anlief und weg sah und Vincent ein Schmunzeln nicht ganz unterdrücken konnte. Dann räusperte er sich kurz. „Wir hatten eine kleine... Meinungsverschiedenheit aufgrund meiner Duschgewohnheiten“, meinte er mit einem amüsierten Funkeln in seinen Augen. Lucrecia hob eine Augenbraue. „So ist das also?“ Der Turk nickte und die Studentin vergrub ihr heißes Gesicht in den Händen, um dessen Röte zumindest teilweise zu verbergen. „Um was ging es denn?“, fragte die Wissenschaftlerin neugierig und Vincent öffnete gerade den Mund, um zu antworten, als Aireen ihn mit einem äußerst bedrohlichen „Vincent!“ ermahnte und ihm einen „Sprich und du bist tot“ Blick zuwarf. Obwohl das den Turk nicht sonderlich beeindruckte, entschied er, sie nicht weiter in Verlegenheit zu bringen und schwieg. Die Wissenschaftlerin seufzte enttäuscht. „Dann halt nicht“, meinte sie schmollend, bevor sie sich, nun wieder ernst, an Aireen wandte. „Wie geht es dir? Du hast dich gestern ziemlich sonderbar benommen und wir hatten uns schon Sorgen gemacht.“ Die Studentin wich ihrem Blick aus und konzentrierte sich stattdessen darauf, Butter auf ihr Brötchen zu schmieren, während sie ausweichend antwortete: „Mir geht es gut. Und ich hatte gestern einfach viel zu tun, weshalb ich nicht mit euch zusammen gegessen habe.“ Vincent und Lucrecia warfen sich einen Blick zu, der soviel bedeutete wie „Ich glaube ihr kein Wort“. Sie beschlossen allerdings, die junge Frau nicht weiter zu bedrängen. Wenn sie nicht darüber reden wollte, war das ihre Sache. Als sich die unangenehme Stille weiter in die Länge zog, beschloss Vincent, sie zu durchbrechen. „Ich habe übrigens über deine Bitte nachgedacht, Aireen.“ Diese warf ihm einen fragenden Blick zu. °Welche Bitte?° „Und ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass es nicht schaden kann, dir ein paar Sachen beizubringen, damit du dich verteidigen kannst.“ Als Aireen endlich verstand, was der Turk meinte, erhellte ein strahlendes Lächeln ihr Gesicht. „Vielen, vielen Dank, Vincent, ich-“ „Ich war noch nicht fertig“, unterbrach er sie und warf ihr einen strengen Blick zu. Die Studentin schluckte schwer und zog den Kopf etwas ein. „Ich erwarte äußerste Disziplin. Wenn du das Training auf die leichte Schulter nimmst, hat es keinen Sinn. Bist du bereit dafür?“ Aireen nickte daraufhin ernst und meinte mit fester Stimme. „Ja.“ Vincent musterte sie noch einen Augenblick, dann nickte auch er. „Gut. Ich erwarte dich um Punkt sieben Uhr in der Eingangshalle. Und zieh dich warm an.“ Damit erhob er sich, stellte seinen Teller in das Spülbecken und verließ, zusammen mit Lucrecia, die ihm hastig folgte, die Küche. Aireen blieb noch einen Moment verdutzt sitzen, bevor die Erkenntnis, dass Vincent Valentine sich gerade dazu bereit erklärt hatte, sie auszubilden, zu ihr durchdrang. Mit einem großes Grinsen auf ihrem Gesicht machte sie sich viel munterer als sonst an den Abwasch. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ „Was hat das zu bedeuten?“, fragte Lucrecia sobald sie die Küche verlassen hatten und musterte den Turk mit ernstem Blick. Dieser schaute weiter nach vorne. „Nach dem Angriff von Raijin und Fujin hatte sie mich darum gebeten und ich fand, dass es keine schlechte Idee ist.“ „Aber das ist doch nicht alles, oder?“, hakte die Wissenschaftlerin nach, woraufhin Vincent nur seufzte. Er wollte ihr nichts von Hojo erzählen. Sie machte sich ohnehin schon genug Sorgen. Stattdessen meinte er nur: „Ich dachte, es würde ihr vielleicht gut tun, etwas anderes als nur die ganze Hausarbeit zu haben. Und sie schien richtig begeistert von der Idee, als sie mich gefragt hat.“ Widerwillig gab sich Lucrecia mit der Antwort zufrieden, obwohl sie wusste, dass es nicht die ganze Wahrheit war. Dafür kannte sie den Turk zu gut. °Irgendetwas stimmt hier nicht°, dachte sie düster, während sie Vincent die Wendeltreppe in den Keller hinunterfolgte. °Irgendetwas stimmt ganz und gar nicht...° ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Fünf Minuten vor sieben stand Aireen schon bereit in der Eingangshalle. Sie hatte ihren wärmsten Pullover angezogen und sich zudem einen langen, kuscheligen Schal um den Hals gewickelt. Sie trug eine Mütze mit zwei niedlichen Zöpfen und dicke, wollene Handschuhe. Aufgeregt wartete sie darauf, dass Vincent endlich kam. °Ich wollte schon immer Kämpfen lernen! Schon blöd, dass ich durch das Studium aus dem Judo-Klub austreten musste... Am liebsten würde ich mit Schwertkampf anfangen!° So grübelte sie voller Vorfreude, was der Turk ihr wohl als erstes beibringen würde. Dieser kam, als es genau sieben Uhr läutete und er nickte ihr zu. „Zuerst einmal müssen wir herausfinden, wie es um deine Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit etc. bestimmt ist, bevor wir anfangen können“, meinte er ernst und die Studentin nickte eifrig. „Gut. Als erstes gehen wir laufen.“ Das Lächeln gefror ihr auf dem Gesicht. °Laufen? Verdammter Mist, darin war ich schon immer eine absolute Niete.° Vincent fiel ihr Mangel an Begeisterung natürlich sofort auf. „Keine Sorge, mehr als zehn Kilometer werden wir für den Anfang nicht machen“, meinte er spöttisch. Ihr entsetzter Gesichtsausdruck ließ ihn schmunzeln, was er allerdings unter seinem Schal verbarg. °Zehn Kilometer?! Will er mich umbringen?°, dachte Aireen fassungslos. „Los gehts“, meinte der Turk, öffnete die Tür und lief los. Ihr blieb nichts anderes übrig, als ihm in die noch immer vorherrschende Dunkelheit zu folgen. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Eine gute halbe Stunde später klappte Aireen zusammen und blieb keuchend auf dem Boden liegen. Vincent war noch ein paar Meter weitergelaufen, bevor er merkte, dass sie ihm nicht mehr folgte. Daraufhin kehrte er zu ihr zurück und beugte sich über sie. „Ich... kann... nicht... mehr!“, brachte die Studentin nur mühsam heraus und schnappte weiterhin verzweifelt nach Luft. Der Turk nickte. „Ich hätte nicht gedacht, dass du überhaupt so lange aushältst. Für den Anfang war das gar nicht mal so schlecht“, meinte er anerkennend und entlockte Aireen ein müdes Lächeln. „Dennoch solltest du nicht im Schnee liegen bleiben, außer du willst riskieren, dich zu erkälten.“ Er half ihr hoch und suchte eine mehr oder weniger trockene Stelle, auf die sich die Studentin auch sofort fallen ließ. Dann kramte Vincent in seinem Rucksack, den er mitgebracht hatte, und zog eine Flasche Wasser hervor, die er ihr reichte. „Hier.“ Dankend nahm sie die Flasche an und trank einen großen Schluck, bevor sie sich wieder an den Turk wandte. „Wo sind wir hier?“, fragte sie, während sie sich aufmerksam umsah. Rings um sie herum erstreckte sich eine große, schneebedeckte Wiese. Zu ihrer linken befanden sich in einiger Entfernung die Nibelberge und hinter ihr war der Wald, durch den sie bisher gelaufen waren. „Das hier ist die Nibelwiese. Sie erstreckt sich bis weit in den Süden, wo sie von einem Fluss abgegrenzt wird. Wenn man den Weg weiter folgt, landet man irgendwann in Cosmo Canyon“, erklärte Vincent. „Wenn wir zurück sind, kann ich dir eine Karte zeigen. Es ist sicher von Vorteil, sich mit der Geographie Gaias bekannt zu machen.“ Aireen nickte zustimmend und sah sich weiterhin um. Langsam wurde es hell, als die Sonne sich mit ersten Strahlen ankündigte, aber noch größtenteils von den Bergen im Osten verdeckt wurde. Sie seufzte erleichtert. Es war schon gruselig genug gewesen, im Dunkeln durch den Wald zu laufen, wo sie doch vor nicht allzu langer Zeit genau das gleiche getan hatte, auf der Flucht vor den Kalmwölfen. Ihn noch einmal bei Dunkelheit zu durchqueren hätte sie den letzten Nerv gekostet. „Nun widmen wir uns dem waffenlosen Nahkampf“, meinte Vincent und riss sie erfolgreich aus ihrer Tagträumerei. „Waffenlos?“, fragte Aireen und konnte ihr Enttäuschung nicht ganz verbergen. Der Turk hob eine Augenbraue. „Das ist Basiswissen. Sobald du das beherrschst, können wir zum Kampf mit Waffen übergehen.“ Die Studentin nickte und stand auf. Wenn dem so war, würde sie alles geben! Schließlich wollte sie irgendwann zum Schwertkampf kommen. „Bereit?“ Sie nickte abermals. „Dann verteidige dich!“ Damit griff der Turk an. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Eine Stunde später lag Aireen abermals nach Luft schnappend auf dem Boden. Dieses Mal lag es allerdings nicht nur an der Anstrengung, eine Stunde lang mit nur drei kleinen Pausen sich den Angriffen des Turks zu erwehren, sondern auch an dem harten Schlag, mit dem Vincent ihren Bauch getroffen hatte. Ihre ohnehin erst kürzlich geheilten Rippen hatten dabei gefährlich geknackst. „Das reicht für heute“, sagte der Turk und half ihr wieder hoch. Sie stützte sich einen Moment bei ihm ab, bis sie ihren Beinen wieder einigermaßen zutraute, ihr Gewicht zu tragen. Morgen würde sie überall blaue Flecken haben; Vincent war nicht gerade zimperlich mit ihr umgegangen. Als sie ihn darauf angesprochen hatte, hatte er nur gemeint „Dass das ihre Gegner auch nicht seien“ und weiter attackiert. Den größten Teil des Weges zurück schwiegen sie. Als sie schließlich die Villa erreicht hatten, meinte Vincent: „Du hast dich gut geschlagen. Ich nehme mal an, dass dir der Nahkampf nicht gänzlich unbekannt ist?“ Aireen nickte. „Ich habe vier Jahre Judo gemacht, aber das ist schon eine Weile her,“ erklärte sie. „Die Reflexe bleiben. Du musst also nur dein Gedächtnis etwas auffrischen, um dich an den Rest zu erinnern“, meinte der Turk und hielt ihr die Tür auf. Die Studentin lächelte dankbar. „Ich werde jetzt nach Lucrecia sehen.“ Damit wollte er schon verschwinden, als Aireen noch etwas einfiel. „Warte, Vincent!“ Dieser blieb stehen und warf ihr einen fragenden Blick zu. Verlegen kratzte sie sich am Kopf. „Naja, also, heute Morgen beim Aufwachen ist mir ein kleines Missgeschick unterlaufen und-“ „Ja?“, unterbrach sie der Turk und unterdrückte ein Seufzen. Dass sie auch nie zum Punkt kommen wollte! „Ich hab die Lampe zerschmettert. Kannst du vielleicht...?“, fragte sie hoffnungsvoll, woraufhin Vincent nickte. „Ich kümmere mich später darum.“ „Danke, du bist ein wahrer Schatz!“ Der Turk schüttelte daraufhin nur den Kopf und meinte noch: „Morgen, gleiche Zeit, hier.“ Damit verschwand er Richtung Laboratorien. „Ich freu mich drauf“, murmelte sie lustlos und humpelte in ihr Zimmer, um zu duschen, frische Kleider anzulegen und sich ihre blauen Flecken anzusehen. °Vincent hat nicht mal geschwitzt. Wie macht er das bloß?° ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vincent betrat Lucrecias Arbeitszimmer, woraufhin die Wissenschaftlerin von ihren Papieren aufschaute und ihn neugierig ansah. „Und? Wie wars?“ Seufzend ließ der Turk sich in seinen Sessel fallen und beäugte den großen Stapel Papiere, den er durcharbeiten sollte. Dann wandte er sich an Lucrecia: „Gar nicht mal so schlecht. Die mangelnde Kondition ist schnell aufgebaut und ein gewisses Basiswissen, was den Nahkampf anbelangt, hat sie auch schon. Zudem scheint sie ehrgeizig zu sein und Spaß daran zu haben, was das Training ungemein erleichtert.“ Die Wissenschaftlerin lächelte. „Hört sich gut an. Zumindest hat sie nun etwas mehr Abwechslung in ihrem Alltag...“ Der Turk nickte nur und wandte sich seiner Arbeit zu, mit den Gedanken allerdings noch immer bei dem von Hojo angeordneten Training. Was hatte der Wissenschaftler bloß vor? Dass er sich um das Wohlergehen seiner Haushälterin sorgte, hatte Vincent ihm von Anfang an nicht abgekauft. Dafür kannte er dessen boshafte Natur zu gut. Nachdenklich rieb er seine in Falten gelegte Stirn. Irgendetwas ging hier nicht mit rechten Dingen zu. Aber was? ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Interessierte Augen betrachteten die verschiedenen Karten Gaias und Aireen prägte sich die Geographie schnell ein. Vincent hatte ihr nach dem Abendessen ein paar Bücher geliehen, ihre Lampe wieder zusammen gesetzt und gemeint, dass das Aneignen von Allgemeinwissen auch zu ihrem Training gehörte. Das war allerdings nicht der ausschlaggebende Grunde, weshalb sie deren Inhalt so fleißig in sich hinein sog. Vielmehr war ihr Interesse dem Umstand zu verdanken, dass sie soviel wie möglich über die Welt, in der sie gelandet war, erfahren wollte. Klar wusste sie auch schon vorher, wie die Weltkarte aussah und hatte Gaia auf ihrer Playstation auch schon mehrfach durchreist. Dennoch war die Realität ganz anders. Die Distanzen waren länger und die Natur etwas anders als im Spiel: es gab mehr Wälder, Flüsse, Berge... Zudem durfte man nicht außer Acht lassen, dass Gaia erst dreißig Jahre später so aussehen würde, wie Aireen es in Erinnerung hatte. Mako wurde noch nicht allzu lange als Energiequelle benutzt und war noch nicht sehr verbreitet. Daher gab es auch noch keine Anzeichen von größerer Umweltverschmutzung. Aireen seufzte. Noch war alles friedlich. Aber wie lange noch? Heftig schüttelte die Studentin den Kopf, um auf diese Art und Weise die unangenehmen Gedanken, die sich in ihrem Kopf auszubreiten versuchten, abzuschütteln. Sie wollte jetzt nicht daran denken. Sie hatte noch genug Zeit, sich eine Lösung für die bevorstehenden Probleme zu überlegen. Apropos Probleme: Es war gleich zehn Uhr. Entsetzt starrte Aireen einen Augenblick auf ihren Wecker, sehnlichst darauf hoffend, sich verlesen zu haben. Als die Uhrzeit daraufhin aber die gleiche blieb, sprang sie hastig auf und sprintete aus ihrem Zimmer. °Mist, Mist, Mist! Wie konnte ich nur vergessen, dass Hojo mich sehen wollte? Er wird mich umbringen!°, dachte sie und hastete die Wendeltreppe hinunter, wobei sie sich beinahe das Genick brach, als sie kurz stolperte und ihr Gleichgewicht erst im letzten Moment wiederfand. °Puuh, das war knapp... Dann lass ich Hojo doch lieber etwas länger warten und komme heil an°, dachte sie, als sie ihr Tempo wesentlich verlangsamte und vorsichtig die Treppe hinunterstieg. Als sie dann vor Hojos Arbeitszimmer stand, hob sie zögernd die Hand und klopfte leise an. „Herein.“ Aireen betrat das Zimmer und näherte sich etwas unsicher dem Professor, der über Papiere gebeugt an seinem Schreibtisch saß. Er ignorierte sie geschlagene fünf Minuten lang, ehe er aufblickte und sie mit einem eiskalten Blick ansah. Sie schrumpfte in sich zusammen und stammelte sogleich eine Entschuldigung: „Tut mir Leid, es ist, also ich war, Vincent hat mir ein Buch gelesen, ähm, geliehen und-“ „Es reicht!“, unterbrach Hojo sie scharf, erhob sich und schlug mit der flachen Hand auf seinen Schreibtisch. „Sie sind eine halbe Stunde zu spät! Keine noch so gute Erklärung kann das entschuldigen!“ Daraufhin schwieg Aireen lieber. Sie hatte eh nicht mit seinem Verständnis gerechnet. „Kommen Sie her! Sie haben meine Zeit schon mehr als genug vergeudet!“ Ergeben ließ sich die Studentin auf der Liege nieder, die Hojo ihr gezeigt hatte. Als dieser sich wieder mit einer Spritze näherte, erbleichte sie und fragte unsicher: „Was machen Sie, Professor?“ „Nur eine weitere Blutanalyse. Ich will verfolgen, wie sich das Training auf das Mako auswirkt.“ Damit setzte er auch schon die Spritze an und ließ Aireen keine Zeit, zu protestieren. Als sie langsam in die Bewusstlosigkeit abdriftete, dachte sie noch schwach: °Ich sollte mich wohl lieber daran gewöhnen...° Dann umhüllte sie Dunkelheit. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Kopfschüttelnd beendete Hojo die Blutabnahme und band ihren Arm ab. Das hatte allerdings eher wenig mit seiner Gutmütigkeit zu tun, sondern lag daran, dass er keine Blutflecken auf seiner Liege haben wollte. Daraufhin verschwand er in seinem Labor und ließ sein Subjekt sich selbst überlassen. Immerhin war er mit dem Schmieden düsterer Pläne beschäftigt... ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Als die Studentin wieder zu sich kam, stand sie zitternd auf und stolperte zurück in ihr Zimmer. Obwohl Hojo ihr nur etwas Blut abgenommen hatte, fühlte sie sich danach immer schwach, was vor allen an ihrer Phobie gegenüber Spritzen lag. Und dabei war sie sich jetzt schon sicher, dass das schlimmste noch vor ihr lag und Hojo sich mit seinen Experimenten gerade erst warm lief... Seufzend ließ sie sich auf ihr Bett fallen und starrte an die Decke. °Warum tue ich mir das eigentlich an? Es ist vielleicht schwer, aber dennoch schaffbar, allein in Gaia zurecht zu kommen. Vor allem, da ich mich nun näher mit der Geschichte des Planeten und dessen Einwohner befasse. Vielleicht könnte ich sogar den Turks beitreten... Den perfekten Ausbilder habe ich schließlich schon.° Bei dem Gedanken schlich sich ein kleines Lächeln auf ihr Gesicht, das aber genau so schnell wieder verschwand und von einem resignierten ersetzt wurde. °Ich kann meine Freunde hier nicht einfach im Stich lassen. Nicht, wenn ich die Möglichkeit habe, die bevorstehenden Ereignisse zu verhindern. Dafür nehme ich auch Hojo in Kauf°, beschloss sie und schlief kurz darauf auch schon ein. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Eben jenen Wissenschaftler traf ein Geistesblitz und, selbst erstaunt über die Möglichkeit, sie sich gerade vor ihm auftat, ließ er sich in einen nahe liegenden Stuhl fallen. Nachdenklich rieb er seine in Falten gelegte Stirn. °Wieso ist mir das nicht schon früher eingefallen?° Langsam erhob er sich wieder und nahm eine Blutprobe in die Hand, welche er gedankenverloren anstarrte, als ob er darauf hoffte, so die Antwort auf seine Frage zu finden. Dann fasste er einen Entschluss und ging zu einer seiner unzähligen Geräte, in dem er die Probe verstaute. °Es kann nicht sein, oder...?° Damit startete er den Test. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)