Entitäten 2 von Lanefenu (Stiller Wahnsinn) ================================================================================ Kapitel 5: Fünf. Es lebe die Ehe -------------------------------- Fünf. Es lebe die Ehe „Hast du die Mülleimer rausgestellt?“ fragte sie halb abwesend, während sie ein Handy unters Kinn klemmte, mit der linken Hand die Milchpackung aufschraubte und mit der rechten eine eMail-Adresse auf ein zweckentfremdetes Zewatuch schrieb. „Wolltest du das nicht machen?“ gab er kurz angebunden zurück und verschanzte sich weiterhin hinter der ausgebreiteten Zeitung- ein Bollwerk aus Papier. Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu und unkte in höchstem Falsett, ihn nachäffend: „Mach‘ ich morgen früh, jetzt ist Fußball. Ich steh‘ um sieben auf.“ Er ließ einen knurrigen Seufzer vom Typ ‚Verdammtes, nervendes Weibsvolk, sieht nie, wann Mann beschäftigt ist, geh mir nicht mit diesem trivialen Scheiß auf die Eier, bitte!‘ hören. Etwaige hitzige Worte ihrerseits wurden um zwei hektische Minuten verschoben, als sich ihr Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung meldete. Es folgte ein scheinbarer Monolog, gefüllt mit viel „Ja“, „Mhm-mhm“ und „Ja, sicher“. Dann legte sie das Handy weg und starrte ihn an: „Die Müllabfuhr kommt in fünfzehn Minuten. Es ist viertel vor acht.“ Er seufzte abermals, diesmal grimmiger. „Herr des Himmels…!“ „Ich finde das wirklich scheiße!“ zischte sie mit blitzenden Augen. „Mach ich morgen, mach ich nachher. Nichts machst du. Hast du wenigstens das Hemd raus gelegt, das ich bügeln sollte?“ „Ich zieh das Rote an.“ Kurzes Schweigen. Sie goss sich Milch in die Tasse, so herrisch, dass die Flüssigkeit ein wenig überschwappte. Er schwieg nachdrücklich, die einzigen Geräusche waren das Ticken der Küchenuhr und das leise Rascheln, wenn eine Zeitungsseite umgeblättert wurde. Sie stellte die Tasse beiseite und verschwand im Badezimmer. Kurz darauf ertönte das leise Fauchen eines Föhns. Er ließ sein Frühstücksbrett, das benutzte Messer und die noch zu einem Drittel gefüllte Kaffeetasse achtlos auf dem Tisch stehen (wer das Geschirr wegräumte, vielleicht die Frühstücksbrettfee oder aber seine Frau, war ihm nicht bewusst, er dachte nicht einmal an solch profane Dinge) und ging ebenfalls ins Bad. Sie stand gebückt da und föhnte sich die kurzen, blonden Haare, ohne beim leisen Quietschen der Tür auch nur einmal aufzuschauen. Er schob sich mit einem ostentativen Knurren/Seufzen an ihr vorbei, obwohl das Zimmer breit genug für Beide war. Dann griff er nach den bereits gestern getragenen Hosen und seinen Socken, die zusammen mit der Unterhose ein unordentliches Bündel vor der Badewanne bildeten. Die Wanne selbst war ebenfalls mit Kleidungsstücken gefüllt. Sie warf ihr Haar zurück und stellte den Föhn ab. Legte ihn weg. Griff nach dem Schaumfestiger. „Der Spiegel sieht aus…“, bemerkte sie mit kalter Missbilligung, ohne ihn anzusehen. Sie hatte Recht: Wasserflecken und zig Zahnpastaspritzer, die an Sommersprossen erinnerten, verunzierten das Glas. Er zog die schwarze Hose mit den Bügelfalten über die Hüften. Bürooutfit. „Ist das so schwer, einmal eben einen Lappen zu nehmen und drüber zu wischen?“ sagte sie unfreundlich. „Herr des Himmels!“ giftete er wieder. „Hast du deine Tage, oder was?!“ „Immer muss ich deinen Scheiß wegräumen! Mit dir kann man überhaupt nicht reden, ohne dass du gleich an die Decke gehst!“ „Ja, wenn du das so siehst“, sagte er in seinem typisch-abfälligen ‚Ich bin über jeden Zweifel erhaben‘-Tonfall, jenem, der sie systematisch zur Raserei trieb, wie seit nunmehr fast 25 Jahren. „Du brauchst gar nicht mit mir zu reden, als könnt‘ ich nicht bis drei zählen!“ „Schrei‘ mich gefälligst nicht an, ja!“ „Ich schreie nicht“, schrie sie zurück. Er verdrehte vielsagend die Augen, verzog vor Verachtung das Gesicht und schlüpfte in seine Socken. „Altersstarrsinn“, sagte er höhnisch in Richtung Wand. (sie war fünf Jahre jünger als er) Sie verließ das Badezimmer und ging in die Küche zurück, der Schaumfestiger stand geöffnet, aber offensichtlich vergessen auf dem Rand des Waschbeckens. Er folgte ihr und sah gerade, wie sie mit einem unnötig heftigen Ruck die Spülmaschine schloss. Der Küchentisch war, bis auf ein paar Brotkrümel, leer. „Christian und Mareike kommen am Sonntag zum Fußballgucken. Die schlafen hier“, verkündete er knapp. „Ist ja schön, dass ich das auch mal erfahre.“ Sie drehte sich ruckartig zu ihm um. „Geht ihr zum Chinesen?“ „Christian fragte, ob du wieder diese Maissuppe machen könntest.“ Dafür hatte sie nur ein abfälliges Schürzen der Lippen übrig. „Ich bin am Sonntag mit Kathrin verabredet. Maissuppe ist aber nicht schwierig, wir haben alles im Haus.“ Er wurde sofort wütend. „Vergiss es“, fauchte er, obwohl er niemals eine direkte Frage gestellt hatte, „wir fahren zum Griechen oder so!“ „Für dich ist immer alles selbstverständlich!“ fauchte sie zurück. „Du kümmerst dich einen Scheiß, aber wenn du irgendwas brauchst, müssen immer alle springen. Rasen gemäht hast du auch nicht, das wolltest du seit zwei Wochen machen!“ Diesmal konnte man das Geräusch, das er voller Inbrunst ausstieß, nicht mehr als gereizt beschreiben, es war schier gequält vor Verachtung und Ungeduld. „Ich werd zehn Stunden am Tag mit Scheiße vollgelabert, dann komm ich nach Hause und will einmal meine Ruhe…“ „…du BIST noch zu Hause!“ „Lässt du mich mal bitte ausreden?! Ich hasse das, immer dieses ins Wort quatschen!“ Sie starrten sich an, 25 Jahre verheiratet, sie mit blond gefärbtem Haar, er mit ergrauten Schläfen. Sie hatte überall kräftig zugelegt, mindestens Konfektionsgröße 48, er schob nur einen riesigen Bauch vor sich her. Alkohol. Viel Alkohol. Wütend um Fassung ringend, wandte sie sich zur Obstschale, nahm einen Apfel heraus. Öffnete den Besteckkasten. Öffnete den Küchenschrank und suchte nach einem kleinen Teller. Er riss den Kühlschrank auf und holte zwei Becher Joghurt mit Kirschgeschmack heraus. Die Flaschen im Kühlschrank klirrten protestierend. „Du musst noch deinen Scheiß für diese Buchzeitschrift überweisen“, bemerkte sie unzusammenhängend und mit vor Wut knirschender Stimme, wobei sie den Apfel in Spalten schnitt. „Du bist genau wie deine Mutter!“ knurrte er entnervt. Ein heikles Thema, hatte sich die besagte Mutter (pflegebedürftig und undankbar dafür) doch in den letzten Jahren zu einer krächzenden Ausgeburt an Herrschsucht und Besserwisserei entwickelt. (obwohl sie beide arbeiten gingen, lag es an ihr, das ewig nörgelnde, mit sich selbst und der Welt hadernde Geschöpf ein Stockwerk höher am Leben- und bei Laune zu halten. Er war dafür recht gut im Computerspiel ‚World of Warcraft‘) Sie säbelte verbissen an ihrem Apfel herum und sagte nichts. Er grunzte entnervt. „Ich muss los. Vergiss die Mülltonnen nicht.“ Sprach’s und verließ mit den Joghurtbechern die Küche, um sich im Flur seine glänzenden, schwarzen Lederschuhe anzuziehen. Bürooutfit. Sie starrte auf ihren zerschnittenen Apfel herab, ohne ihn zu sehen. Stattdessen sah sie das scharfe Küchenmesser in ihrer Faust. In einer Faust, die den Messergriff so fest umklammerte, dass die Knöchel ihrer Hand trotz der dicken Wurstfinger weiß hervortraten. In einer Faust, die sich seit nunmehr gut 25 Jahren ballte, aber nicht mehr als das. Sie kniff die Lippen zusammen und nahm das Messer. Dann folgte sie ihm in den Flur. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)