Nebel über Hogwarts von Glasschmetterling ================================================================================ Kapitel 21: Schwimmunterricht ----------------------------- Nebel über Hogwarts – Kapitel 21: Schwimmunterricht Die Sonne und das gute Wetter waren gemeinsam mit dem September verschwunden, und pünktlich zum ersten Oktober fegte der erste, heftige Herbststurm über die zum Schloss gehörigen Ländereien. Lily bedauerte zwar, dass sie nicht mehr mit Severus am See spazieren gehen konnte, doch die Hausaufgaben hatten während ihres ersten Monats in Hogwarts stetig zugenommen, bis so gut wie alle Siebtklässler unter der Arbeitsbelastung stöhnten, also hätte sie ohnehin nicht viel Zeit gehabt. Auch ihr gemeinsames Brauprojekt war noch nicht sehr weit fortgeschritten, sie hatten noch nicht einmal entschieden, in welchem Klassenzimmer sie ihre Kessel aufschlagen wollten, als eine Ankündigung am Schwarzen Brett im Gryffindor-Gemeinschaftsraum sie davon ablenkte. „Freies Schwimmen und Schimmunterricht“ hieß es dort, was Lily augenblicklich erklärte, wieso auf der Liste, die sie am Beginn des Schuljahres erhalten hatte, Badekleidung gestanden war. „Das klingt doch toll“, bemerkte Emily augenblicklich, als sie endlich den Anschlag über die Köpfe einiger Zweitklässler hinweg lesen konnte, Lily konnte ihr allerdings nicht zustimmen. „Willst du da wirklich hin?“ „Na klar. Seit sechs Jahren frage ich mich, wozu wir diesen wunderbaren See direkt vor unserer Tür haben, wenn wir darin eigentlich nicht schwimmen dürfen. Denkst du wirklich, ich lasse mir diese Gelegenheit entgehen?“ Lily seufzte auf – die Erinnerung an den Vorfall in ihrem fünften Jahr, auf den Emily anspielte, als sie sich in einer lauen Juninacht nach unten geschlichen hatten und von Professor Flitwick erwischt worden waren, trug nicht unbedingt dazu bei, ihr die Idee schmackhaft zu machen. „Und was, wenn James Potter da ist und Kommentare über meine Bikinifigur von sich gibt?“ Emily lachte auf. „Du verhext ihn ohnehin, wenn er irgendetwas zu dir oder über dich sagt, also warum solltest du das ändern?“ „Ich weiß nicht...“, entgegnete sie erst, doch eine Woche stürmischen, regnerischen Wetters änderte ihre Meinung schnell und als schließlich der Samstag herankam, machte sie sich fast ebenso fröhlich wie Emily mit ihr auf den Weg in die Eingangshalle, um dort auf Professor McGonagall zu warten. Der größte Teil der anderen Gryffindors hatte sich mit ihren Taschen, Handtüchern und Bademänteln ebenfalls dort versammelt und zu ihrem Leidwesen konnte sie auch James Potter und seine Freunde unter ihren Hauskollegen entdecken. „Mach dir nichts draus“, flüsterte Emily ihr zu und kicherte dann. „Und halt deinen Zauberstab bereit!“ Lily war sich nicht ganz sicher, ob ihre Freundin diesen Rat wirklich ernst meinte, beschloss aber, sich für den Fall des Falles einfach daran zu halten und ihren Zauberstab nicht aus den Augen zu lassen. Die Blicke, die James regelmäßig in ihre Richtung warf, bestärkten sie in diesem Beschluss nur, bis Professor McGonagall mit den Professoren Sprout und Flitwick – ausgerechnet Flitwick! – im Schlepptau auftauchte und die Schülerinnen und Schüler mit einer Geste um Ruhe bat, während sie über ihre Köpfe hinwegblickte. „Folgt mir, Gryffindors.“ Zu Emilys – und auch Lilys – großer Überraschung machten sie sich allerdings nicht auf den Weg hinaus auf die Ländereien, sondern folgten jenem Korridor, der sie auch zu ihrem Klassenzimmer für Zaubertränke und dem Büro von Professor Slughorn führte. Die beiden tauschten einen ratlosen Blick, während sie immer weiter in die Kerker vordrangen, bis sie schließlich vor einer großen, schweren Holztür anhielten, die zu einem der tiefsten Räume des gesamten Schlosses führen musste. Aus der Ferne, über die Köpfe ihrer Mitschüler hinweg, konnte Lily sehen, wie McGonagall ihren Zauberstab zog und ein Passwort murmelte, bevor sich die uralten Bolzen des Schlosses mit hörbarem Knirschen entriegelten und die beiden Flügel aufschwangen. Vor ihnen erstreckte sich eine große, hohe Kaverne, ähnlich derer, in der die Erstklässler normalerweise ihre Fahrt über den See beendeten, nur dass ihnen hier durch das große Tor feuchte Wärme entgegenschlug. „Wow“, machte Emily leise und legte den Kopf in den Nacken, um die raue Steindecke zu betrachten, während sie gemeinsam mit den vielen anderen Schülern die große Kammer betraten und von ihren Professorinnen resolut auf zwei kleine Siedlungen aus Spinden und Umkleidekabinen aufgeteilt wurden, eine für die Jungen, eine für die Mädchen. Emily beeilte sich damit, in ihren Bikini zu schlüpfen und trieb auch Lily dazu an, sich möglichst schnell umzuziehen – Quidditch war nicht ihre einzige Leidenschaft, was Sport anging, im Gegenteil: Sie konnte sich für so ziemlich alles begeistern, das nur anstrengend genug war, und ganz offensichtlich fiel auch Schwimmen unter diese Kategorie. Lily war froh, einen Badeanzug mitgebracht zu haben, denn so konnte sie ihren Zauberstab an ihrer Seite verstecken – sicher war sicher, wenn es um James Potter ging – und sich wenige Minuten später gemeinsam mit ihrer Freundin dem Wasser nähern. Auf der anderen Seite des großen Beckens, das der See in den Fels, auf dem Hogwarts erbaut war, gewaschen hatte, war McGonagall gemeinsam mit Sprout damit beschäftigt, die Schüler um sich zu scharen, die sich für den Schwimmkurs angemeldet hatten. Viele der Erst- und Zweitklässler drängelten sich bei ihnen, allerdings konnte sie auch einige Gryffindors aus den höheren Klassen entdecken. Professor Flitwick hingegen stand neben der unregelmäßigen, steinernen Treppe, die hinunter in das Wasser führte und die einige Jungen und Mädchen gerade misstrauisch beäugten. „Ist das Wasser kalt?“, fragte eine schüchterne, dünne Fünftklässlerin, und die Astronomielehrerin schüttelte den Kopf. „Nein, meine Liebe, es ist ganz warm, trau dich nur!“ Die Worte schienen weder das Mädchen noch seine Hauskollegen zu überzeugen, denn die meisten von ihnen blieben in gehörigem Abstand zum Einstieg stehen, während sie sich angeregt unterhielten und ihre Stimmen hohl von den steinernen Wänden widerhallten. Nachdenklich blickte Lily über das Wasser hinweg, wo die Oberfläche hier, in der Kaverne, ganz ruhig war, peitschten draußen auf dem See die Wellen gegen eine magische Barriere, die die Lehrer offensichtlich errichtet hatten, um zu verhindern, dass Schüler nach draußen schwammen. „Hey, lass das, Sirius!“ Die laute Stimme von den Umkleidekabinen der Jungen entlockte ihr nur ein Augenrollen – für einen kurzen Moment. Eine Sekunde später schlug ihr Gesichtsausdruck von genervt auf wütend um, denn James Potter landete mit einem lauten Platschen und sehr vielen Wasserspritzern neben ihr im See, gefolgt von Sirius Black, der durch seine gewagte Aktion das Gleichgewicht verloren hatte. Allerdings hatte sie keine Zeit, um zu reagieren, denn noch bevor sie auch nur das erste genervte Wort an Potter richten konnte, war Professor McGonagall zu ihnen geeilt und scheuchte die beiden Jungen mit einer nichts Gutes verheißenden Miene aus dem Wasser. Obwohl Lily sich bemühte, ihre Befriedigung zu verbergen, gelang es ihr wohl nicht besonders gut, denn Emily trat einen Moment später neben sie und schüttelte den Kopf. „Du magst ihn noch immer nicht, oder?“ Lily schnaubte. „Wieso sollte ich? Er hat sich doch nicht geändert!“ Trotz ihrer Versicherung schien Emily nicht überzeugt, aber ein Blick über ihre Schulter zeigte ihr, dass Remus Lupin und Peter Pettigrew in ihrer Nähe standen und es deswegen nicht besonders intelligent wäre, das Thema jetzt zu diskutieren. Stattdessen wagten sie sich gemeinsam mit ihren Hauskollegen nun endlich ins Wasser, und wenn es Lilys Laune verbesserte, dass sich Potter und Black gerade eine der berühmten McGonagall'schen Gardinenpredigten abhielten, so erwähnte sie nichts davon. Der Nachmittag verging schnell mit Schwimmen und Plantschen im magisch erwärmten Wasser des Sees, das sie nur noch mehr zu schätzen wussten, wenn sie durch die magische Barriere nach draußen blickten und die grauen Wolken sahen, die der Sturm über die Ländereien von Hogwarts trieb. Auch Emilys scheinbar unendliche Energiereserven gingen schließlich zu Ende, und nach einigen Wasserschlachten und Versuchen, sich gegenseitig unterzutauchen, paddelten die beiden Freundinnen nur noch entspannt in einer Ecke und beobachteten die anderen Gryffindors. Einige der Erstklässler schienen heute wirklich ihre allerersten Schwimmversuche zu unternehmen, so erschreckend das auch war, doch die allermeisten von ihnen stellten sich mittlerweile ganz gut an. Nur ein kleiner Junge wagte es noch immer kaum, ins Wasser zu gehen, so sehr er auch von der warmherzigen Professor Sprout ermutigt wurde und... „Was ist eigentlich mit Snape?“ Lily erschrak bei der Frage so, dass sie den Halt an dem Stück Felsen verlor, an dem sie lehnte und sich nur mit den Füßen paddelnd über der Oberfläche hielt. In ihrer Überraschung hatte sie den Mund geöffnet, als Emily empört ansah, und das muffige Seewasser drang in ihren Mund, ihren Hals, ihre Nase, und für einen Moment erfasste sie die Panik. Sie schlug mit den Armen um sich, und erst als sie die kühle Luft an ihrer Hand spürte, gewann sie ihre Orientierung zurück und tauchte hinauf an die Oberfläche, wo ein Hustenanfall sie schüttelte. „Was... was hast du gesagt?“ Für einige Sekunden konnte Emily nicht anders, als zu kichern und Lily glaubte schon fast, von der unangenehmen Frage befreit zu sein, so nervig sie die Methode auch fand, doch dann wurde ihre Freundin ernst und betrachtete sie aus ruhigen Augen. „Du hast mich schon gehört, Lily. Was ist jetzt eigentlich mit Snape?“ Die Versuchung, Emily anzulügen, war groß, sie kannte die Einstellung ihrer Freundin, was Slytherins anging, doch der Moment ging vorbei, ohne dass sie sich entscheiden konnte, und schließlich seufzte sie auf. „Wir haben uns in der letzten Woche ein paar Mal getroffen und er kam mir stiller vor als sonst.“ Emilys Augen weiteten sich, doch abgesehen davon verriet nichts ihre Überraschung. „Das dachte ich mir schon, auch wenn du mir nichts gesagt hast.“ Nachdenklich kaute sie auf ihrer Unterlippe und blickte auf den See hinaus, betrachtete die Wellen, die mit dumpfem Rauschen gegen den Fels schlugen, dann wandte sie sich schließlich Lily zu und holte tief Luft. „Da ist aber nichts... zwischen dir... und ihm... oder?“ „Ähm... wir sind Freunde, falls du das meinst...“ Die Stille, die auf diese Antwort hin zwischen ihnen herrschte, war an Peinlichkeit kaum mehr zu überbieten, bis Emily schließlich aufseufzte. „Ich hoffe du weißt, was du tust.“ „Ich bin alt genug, um meine Entscheidungen selbst zu treffen!“ Emily verdrehte die Augen. „Das bestreitet auch niemand, Lily. Aber du weißt, wer seine Freunde sind und dass er sich für die Dunklen Künste interessiert. Und was liegt bei der aktuellen Situation dort draußen“, sie deutete auf die große Öffnung im Fels, die den Himmel und den verbotenen Wald freigab, doch Lily wusste genau, dass sie etwas anderes meinte, „näher, als dass er sich Du-weißt-schon-wem anschließen möchte?“ „Das würde er nie tun!“ Die Worte waren über ihre Lippen gekommen, bevor sie wirklich darüber nachgedacht hatte, ein purer Reflex, um ihren Freund zu verteidigen. Emily schien das zu wissen, denn sie betrachtete sie nur traurig und Lily spürte, wie auch ihre eigenen Gedanken rasten. Würde Severus wirklich ein Todesser werden? Ihr Herz schrie nein, aber ihr Verstand konnte den kleinen Rest an Furcht nicht leugnen, der sich direkt unter ihrem Brustbein festgesetzt hatte. Die dunklen Künste faszinierten ihn, und nach dem, was sie von seinen reinblütigen Freunden wusste, sympathisierten sie zumindest mit den Ansichten von Du-weißt-schon-wem. Würde er sich ihrem Einfluss wirklich auf Dauer entziehen können? Jetzt, wo sie alle nicht mehr in Hogwarts waren und er als einziges Mitglied seiner Clique hier zurückgeblieben war, war er ein anderer Mensch, das hatte sie in den letzten Wochen seit Schulbeginn bemerkt. Aber sobald sie beide die Schule verließen, würde er wahrscheinlich nichts mehr mit ihr zu tun haben, nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen, und was wäre dann? Lily seufzte auf und starrte nun ebenfalls auf den See hinaus, während die Minuten verrannen, bevor Emily sich ihr schließlich wieder zuwandte. „Hör zu, Lily, es ist deine Sache, wen du magst und wen nicht.“ Sie zögerte, kaute wieder auf ihrer Unterlippe herum, bevor sie tief Luft holte und die Worte nur so aus ihr heraussprudelten. „Aber ich glaube, Snape mag dich gerne, viel lieber, als er jemals zugeben würde, und wenn du seine Gefühle nicht erwiderst, dann könntest du bald in einer ziemlich dämlichen Situation stecken.“ Lily kniff die Augen zusammen. „Du redest doch nicht etwa von diesem angeblichen Liebesbrief, oder?“ „Angeblicher Liebesbrief?“ Emily musterte sie skeptisch. „Du hast mir doch gesagt...“ „Ich habe dir gar nichts gesagt – du hast interpretiert, was du gesehen hast, Emily. Er hat mir nicht geschrieben und wir haben uns nicht gestritten, weil er in mich verliebt ist, sondern weil...“ Sie schüttelte den Kopf, unwillig, die Angelegenheit mit Devers zuzugeben. „Hör zu, ich kann es dir nicht sagen, aber es war auf jeden Fall nicht deswegen.“ Emily lachte auf. „Dann hab ich mir ja ganz umsonst Sorgen gemacht.“ „Ja, das hast du.“ Trotz ihrer Worte teilte Lily die Zuversicht ihrer Freundin nicht, im Gegenteil – je länger sie darüber nachdachte, desto mehr schien Emily Recht zu haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)