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Zu weit weg... um zu vertrauen

Manche Einsicht kommt zu spät...
von

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Disclaimer:Die Welt von Harry Potter und alles, was in ihr rumwuselt, gehört J.K. Rowling. Ich leihe mir Ihre Charas nur für eine Weile aus und gebe sie alle unbeschädigt wieder zurück (Jedenfalls nicht mehr beschädigt, als sie es schon getan hat)
 

Zu weit weg... um zu vertrauen
 

Teil 1
 

Über Nacht hatte es geschneit. Eine dichte weiße Decke hatte sich über die Ländereien und den gefrorenen See gelegt. Die Baumwipfel des verbotenen Waldes trugen Schneehäubchen.

James hinterließ tiefe Spuren im noch unberührten Weiß, als er an der Spitze der Rumtreiber auf Hagrids Hütte zuging.
 

Der Kerl war ihm nicht ganz geheuer, wie den wenigsten in der Schule. Einzig Dumbledore schien ihn gern zu haben. James konnte nicht verstehen, wieso, doch um ehrlich zu sein, es interessierte ihn auch nicht im Geringsten.

Solange er nicht wusste, was Hagrid liebenswert machte, konnte er ihm auch weiterhin Streiche spielen, ohne sich schlecht zu fühlen.
 

Manch einer hätte sich sicherlich gewundert, hätte jemand ihm gesagt, James Potter könnte etwas wie ein schlechtes Gewissen haben, und es sicher mit einer Handbewegung abgetan. Doch genau so war es.
 

Über fünf Jahre lang hatte er mit Sirius, Remus und Peter die ganze Schule unsicher gemacht. Niemand war sicher vor ihren Streichen gewesen, und wenn sie jemanden nicht mochten, wurde der ein oder andere Streich durchaus bösartig.

Am schlimmsten erging es immer den Slytherins, einigen Auserwählten lauerten sie fast täglich auf.
 

James wusste es zwar nicht, doch ganz Slytherin hasste ihn mittlerweile: Für seine Streiche, die nicht selten zu harten Duellen ausarteten, dafür, dass er immer mit allem davonkam, ein genialer und überall beliebter Sucher war und obendrein jede Prüfung im Schlaf zu meistern schien.
 

Doch etwas hatte er mittlerweile erkannt: Seine Opfer hatten ihm in den allermeisten Fällen nichts getan, und selbst in dem seltenen Fall, dass er eine Rechnung zu begleichen hatte, rechtfertigte das nicht den Terror, zu dem die Streiche meist ausarteten.

James fand diese Einsicht zunächst sehr beunruhigend. War er etwa schon einer von diesen erwachsenen Langweilern geworden? So redeten die ja.
 

Nein, stellte er schließlich fest. Er hatte sich lediglich verändert. Und - auch das musste er mit Schrecken feststellen - zum Besseren. Nur nutzte seine Erkenntnis seinen Opfern überhaupt nichts.
 

Er hatte seine Freunde beobachtet. Sie dachten nicht einen Moment lang darüber nach, wie sich ihr Gegenüber fühlen mochte, wenn sie es triezten, oder ob es überhaupt gerechtfertigt war, was sie taten. Sie hatten weiterhin Spaß daran, aus Langeweile - oder was auch immer - Streiche zu spielen. Falls das Wort Streiche noch angebracht war. In einigen speziellen Fällen artete es in letzter Zeit ziemlich aus.

James wollte gar nicht daran denken.
 

Er wollte nicht weitermachen mit dem Terror - doch aufhören konnte er auch nicht. Wenn er das tun würde, würden seine Freunde, vor allem Sirius, ihn für verrückt erklären, links liegen lassen und ohne ihn weitermachen. Und wem wäre damit geholfen? Keinem, er würde nur seine Freunde verlieren. Und die waren ihm wichtiger als alles andere auf der Welt. Sogar wichtiger als Lily.
 

James musste schmunzeln, als er durch Hagrids zugeschneites Kürbisbeet stapfte und schließlich stehen blieb. Ihr Lachen hallte durch seine Gedanken, doch er schob es beiseite. Jetzt war nicht der Zeitpunkt zum Träumen.

"Alle soweit? Gut, ihr wisst, was ihr zu tun habt. Hoffentlich habt ihr gute Ideen", murmelte er und warf den Tarnumhang ab, unter dem sie gesteckt hatten. Er wurde mittlerweile recht eng.
 

Peter war verwandelt auf Remus' Schulter mitgekommen und verwandelte sich nun zurück in einen Menschen. Einen Moment blinzelte er verdattert, dann richtete er sich auf und zückte wie die anderen seinen Zauberstab. Seine Stimme war die einzige, die in der eisigen Morgenlandschaft zu hören war, die anderen drei zauberten lautlos.

James regte sich einen Moment lang über Peter auf - hatte der Kerl etwa immer noch nicht begriffen, worauf es bei ungesagten Zaubern ankam? - und ließ abwesend den Blick schweifen, während er die vor ihm liegenden Riesenkürbisse verwandelte.
 

Unter den Bäumen des verbotenen Waldes lag kein Schnee, dort war noch das heruntergefallene Laub zu sehen, das im Laufe der letzten Wochen zu Boden gefallen war. Alles war ruhig. Nein, Moment, dort hinten bewegte sich etwas im Unterholz. Eine Gestalt!
 

Sie trug einen schwarzen Umhang und hatte schwarze Haare. Außerdem ging sie gebückt, den Blick auf den Boden gerichtet. Jetzt bückte sie sich und zupfte eine Pflanze ab, die sie in ihrem Umhang verschwinden ließ. James atmete auf.

Wahrscheinlich einer aus dem UTZ-Kurs bei Slughorn, der Kräuter sammelte, solange es noch dämmerte. Die Gestalt bemerkte sie nicht.
 

Alles war still.

James brauchte einen Moment, um zu begreifen, was das bedeutete. Peter zauberte nicht mehr. Das musste heißen, die anderen waren auch fertig. James holte tief Luft.

"Wir sollten schnell verschwinden", zischte er Sirius und Peter zu und zog bereits den Tarnumhang aus der Tasche, da musste Remus laut niesen.
 

So laut, dass es einerseits sicher bis in Hagrids Hütte zu hören gewesen war, es andererseits aber auch die Gestalt am Waldrand aufschreckte. Sie zuckte hoch und wirbelte herum. Es war Severus Snape.

Sein blasses Gesicht blickte sie einen Moment lang abschätzend an, dann machte er sich betont ruhig auf den Weg zurück ins Schloss. James musste schlucken. Snape war eins ihrer Lieblingsopfer...
 

Er selbst hatte die fiesesten Sachen an Snape ausprobiert, einfach, weil dieser mit Lily befreundet gewesen war, aus Eifersucht. Er hatte auch dann noch weitergemacht, ihn zu quälen, als die Freundschaft zwischen den beiden in die Brüche gegangen war, diesmal, um Lily zu rächen.

Snape hatte sie als Schlammblut bezeichnet. Lilys Proteste hatte er nie verstanden - bis jetzt.

Er verspürte nicht mehr den geringsten Wunsch, Snape etwas anzutun. Snape verhielt sich ihnen gegenüber zwar auch nicht nett, wohl wahr, doch sie waren selbst Schuld daran. Hätten sie ihn eben nicht getriezt...
 

James biss sich auf die Lippe und hoffte das unmögliche - dass seine Freunde Snape alle wie durch ein Wunder übersehen und ihn ungeschoren davonkommen lassen würden - doch vergeblich.

"Schniefelus!! Wo willst du denn hin? Willst du uns nicht begrüßen, wie es sich gehört?", rief Sirius.

James schloss einen Moment lang die Augen und atmete tief durch. Es ging also wieder einmal los. Er begann, es zu hassen.
 

Stumm setzte er sich in Bewegung, Snape hinterher, jedoch nicht schneller als im Schritttempo. Vielleicht konnte er ihn doch noch davon kommen lassen? Seine Freunde sahen in ihm schließlich eine Art Anführer... Doch wieder hoffte er vergebens.

"James, beeil dich gefälligst mal ein bisschen!", rief Sirius und lief an ihm vorbei, die anderen im Schlepptau. "Du willst dir doch wohl nicht den Spaß entgehen lassen!"

"Doch, ich glaube, das will ich", murmelte James.
 

Trotzdem lief er schneller, um zu Sirius aufzuschließen. Er konnte nicht einfach aufhören. Er konnte es einfach nicht. Zum ersten Mal in seinem Leben war James Potter feige.

Und er hasste sich dafür.
 

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Severus taumelte durch die dunklen Kerker. Er konnte nicht einmal mehr um die Ecke gehen, ohne irgendwo anzustoßen.

Mit jedem Schritt, den er tat, verfluchte er die Rumtreiber. Jetzt hatte er nicht einmal mehr beim Kräutersammeln seine Ruhe!

Am liebsten hätte er diese neunmalverfluchten Gryffindors in Stücke gehext, bei lebendigem Leib verbrannt oder ihnen Stück für Stück die Haut abgezogen.
 

Wie konnten sie ihm nur seinen Zauberstab abnehmen und ihn direkt unter die Peitschende Weide werfen? Wie konnten sie ihm, als er verzweifelt versuchte, sich unter den Ästen hindurchzustehlen, um ihn wieder zu bekommen, einen Verwechslungszauber auf den Hals jagen?
 

Auch jetzt noch lief er, wenn er links abbiegen wollte, nach rechts und krachte im dümmsten Fall gegen eine massive Steinwand.

Wie er sie hasste!
 

Die Weide hatte seinen Spaß mit ihm gehabt, hatte ihn kreuz und quer durch die Gegend geschleudert und ihm so ganz nebenbei mindestens einen Arm gebrochen.

Sie würden bezahlen.

Jeder einzelne von ihnen.
 

Dafür, dass sie daneben gestanden und gelacht hatten.

Dafür, dass sie ihm den Weg zum Krankenflügel abgeschnitten hatten und ihm verkündet hatten, sie hätten den Krankenflügel mit einem Erkennungszauber belegt, der ihnen melden würde, wenn er dort hinkäme und sie verpetzte, und sie daraufhin kämen, um ihm die Petzerei auszutreiben.
 

Er konnte nicht in den Krankenflügel. Die Krankenschwester würde ihn niemals, ohne zu wissen, was ihm zugestoßen war, verarzten. Und er hatte keinen Zauberstab, um sich selbst zu heilen.

Wie er sie hasste!

Alle!
 

Während er weiter durch die dunklen Korridore in den Kerkern schlurfte, schob sich ihm ein Bild vor Augen, eine Erinnerung, die so gar nicht zu seinem momentane Zorn passen wollte.
 

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Jemand packte ihn von hinten, während er durch einen niedrigen Tunnel ging.

Am Ende, dorthin, wo er wollte, konnte er eine Gestalt sehen, die sich unter schauerlichen Schreien krümmte und auf dem Boden wälzte und verwandelte...

Die Schreie gingen in Jaulen über, wie von einem Hund, während dieser Jemand ihn unbarmherzig zurückschleifte, bis die Gestalt aus seinem Sichtfeld verschwunden war.
 

Irgendwann ging es nach oben, er wurde aus einem Loch ins Freie gezogen.

Severus fand sich neben einem besorgt dreinblickenden James Potter unter einer wie erstarrt dastehenden Peitschenden Weide wieder.
 

Dieser fragte ihn schon fast sanft: "Ist alles in Ordnung mit dir?"

Severus konnte nicht anders, als ihn anzufauchen: "Alles in Ordnung? Was zur Hölle ist mit Lupin los?! Der Kerl benimmt sich ja wie ein Werwolf!"
 

Potter schwieg und wurde bei diesen Worten kreidebleich.

Severus riss die Augen auf.

"Sag nicht, er ist tatsächlich einer?!"

Potter blickte ihn nur traurig und seltsam resigniert an.
 

Severus knirschte mit den Zähnen. "Black wollte mich umbringen", zischte er mühsam beherrscht hervor.

Potter zuckte mit den Schultern.

"Ich glaube nicht, dass er sich Gedanken darüber gemacht hat, was Remus mit dir anstellt, wenn er dich sieht."

Er schüttelte resigniert den Kopf.

"Er sollte sein Hirn wirklich mal etwas mehr benutzen. Das hier war kein Streich mehr, das war lebensgefährlich."
 

Severus blickte ihn fassungslos an. DAS hätte er am wenigsten erwartet, von allen Dingen, die Potter sagen konnte.

"Hab ich gerade richtig gehört, Potter? Das klang ja fast - vernünftig!"

Potter musste schmunzeln, doch er sah immer noch ziemlich mitgenommen aus. Für einen Moment verspürte Severus das Bedürfnis, ihn wieder aufzubauen, doch er verbot sich diesen Gedanken sofort wieder. Das war schließlich James Potter!
 

"Tja, Snape, auch ich besitze irgendwo einen Funken Verstand", meinte Potter. "Halt dich von der Weide fern, solange Vollmond ist. Er hat es schon ein paarmal durch den Tunnel geschafft und ist nachts rausgekommen."
 

Severus musste schlucken. Ihm wurde mulmig bei diesen Worten, doch er zwang sich, still stehen zu bleiben. Er wollte sich vor Potter keine Blöße geben, keine Gelegenheit, ihn zu verspotten. Fast genoss er dieses ungewöhnlich friedliche Gespräch im Mondschein.

Kaum hatte er das gedacht, schlug er sich mental gegen die Stirn. Was war nur los mit ihm?

Das war James Potter!!

Der Potter, der ihm seit fünf Jahren das Leben zur Hölle machte!!
 

Der andere wandte sich jetzt grußlos zum Gehen. Nach ein paar Schritten drehte er sich jedoch noch einmal um.

"Du weißt von nichts, ist das klar? Ich - "

Er fuhr sich mit der Hand durch die zerzausten Haare.

"Ich bitte dich, sag niemandem etwas."

Als er die Worte endlich über die Lippen gebracht hatte, blickte er zu Boden.
 

Severus' Herz vollführte einen Trommelwirbel in seiner Brust. James Potter bat ihn, Severus Snape, um etwas? Das war ungefähr genauso wahrscheinlich, wie Dumbledore, der sich seinen Bart abrasierte. Er schnaubte ungläubig.

"Wie bitte?"
 

Potter blickte ihn wieder seltsam traurig an, Severus konnte aus seinem Blick Bedauern lesen.

"Wenn du mir den Gefallen tust und den Mund hältst, müssen wir dich nicht fertig machen, damit du es tust. Das ist mir lieber und dir hoffentlich auch. Gute Nacht."

Damit drehte er sich um und lief rasch zurück zur Schule.
 

Severus blickte ihm fassungslos hinterher. Er konnte nicht glauben, was er da gehört hatte. Mit dem Entschluss, niemals ein Sterbenswörtchen über diese Nacht zu verlieren, machte er sich ebenfalls wieder auf den Weg in sein Bett.

Kurz darauf schallte Wolfsgeheul über die Schlossgründe...
 

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Severus spuckte der kalten Wand das Passwort fast entgegen, schleppte sich in den Gemeindschaftsraum und ließ sich auf ein dunkelgrünes Sofa fallen. Doch das war keine gute Idee, er hatte sich anscheinend am Hintern ein paar saftige Prellungen geholt. Fluchend setzte er sich bequemer hin und vergrub schließlich das Gesicht in den Händen.
 

Jetzt, wo er sich wieder an jene Nacht erinnerte, wurde ihm auch bewusst, dass Potter nicht gelacht hatte, als er mit der Peitschenden Weide um seinen Zauberstab kämpfte.

Sofort begann sein Herz schneller zu schlagen, und ohne dass er es wollte, stand ihm Potters Gesicht vor Augen. Potter, der ihn anlächelte. Und zwar freundlich, nicht hinterhältig oder fies grinsend, wie er es schon so oft getan hatte.
 

Severus schlug sich gegen den Kopf. Verflucht nochmal, warum konnte er Potter nicht einfach hassen?? Warum ging er ihm nicht mehr aus dem Kopf seit jener Nacht? Er hatte doch danach nicht mit dem Terror aufgehört! Er hatte weitergemacht! Nun gut, er hatte ihn nicht mehr so oft verspottet, doch er hatte eindeutig weitergemacht! Wie konnte Severus dann so von ihm denken? Das war ja fast schon Gefühlsduselei!
 

"Ich hasse Potter", sagte er laut in den leeren Gemeindschaftsraum hinein, doch seine Stimme war ungewöhnlich zittrig und nicht annähernd hasserfüllt.
 

Er starrte ins Leere. Wieso konnte er diesen Kerl, dieses ausgekochte A****loch nicht mehr hassen?? Es fühlte sich fast schon so an, als... als würde er ihn MÖGEN. James Potter. War er jetzt komplett wahnsinnig geworden? Diese miese Ratte machte ihm hier das Leben zur Hölle, und er MOCHTE ihn?
 

Severus ließ sich nach hinten in die weichen Kissen sinken und schloss die Augen.

"Du bist übermüdet, das ist alles", sagte er sich laut. Und glaubte sogar daran.
 

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Teil 2
 

James schleppte sich am nächsten Tag regelrecht in den Unterricht. Er wollte nicht eine Minute mit Snape in einem Zimmer sein. Sein schlechtes Gewissen raubte ihm den letzten Nerv.
 

Schon beim Frühstück war sein Blick ungewöhnlich oft zum Slytherin-Tisch hinüber gewandert. Er hatte Snape, der dort wie ein Häufchen Elend vor seiner Kaffeetasse saß, beobachtet.

Doch kaum hatte sein Blick länger als eine Sekunde auf ihm gelegen, hob Snape den Kopf, als könnte er den Blick spüren, und funkelte James dann mit einem so intensiven, hasserfüllten Blick an, dass dieser sich rasch wieder abwandte.
 

Das hatte sich während dem Essen mehrmals wiederholt. James hatte versucht, sich mit Blicken zu entschuldigen, doch Snapes Miene war nur, falls das möglich war, noch finsterer geworden.
 

Jetzt saß er im Zauberkunst-Klassenzimmer und versuchte erst gar nicht, Professor Flitwick zuzuhören. Er war mit den Gedanken immer noch bei Snape, der ein paar Reihen vor ihm saß und verbissen mitschrieb.
 

Sein Magen rebellierte, als sein Blick auf dem dunklen, ein wenig fettigen Haarschopf lag. Er musste sich entschuldigen für gestern, sonst würde er verrückt werden. Doch wie?
 

Sie beide mussten alleine sein, das war klar. Sobald irgendjemand dabei wäre, würde er kein Wort herausbringen. Doch wie sollte er Snape bitten, mit ihm irgendwo hinzugehen, wo niemand sie hören konnte, solange Snape so stinksauer war und zudem noch keinen Zauberstab hatte?
 

Nach einer halben Stunde Grübeln seufzte James frustriert und beschloss, Snape als Zeichen guten Willens seinen Zauberstab zurückzugeben, mit der Bitte, er möge sich doch mit ihm, James, treffen. Vielleicht würde der andere ja darauf eingehen.

Wenn nicht - nun, dann hatte er es zumindest versucht.
 

Mit diesem Vorsatz stand er beim Klingeln auf und bedeutete Sirius, schon vorzugehen. Sein Freund fragte zum Glück nicht weiter und tat ihm diesen Gefallen.
 

James wartete nervös darauf, dass Snape alle seine Sachen eingepackt hatte. Sie beide waren die letzten im Klassenzimmer.

Flitwick sah auf, meinte vergnügt: "Nun macht aber, dass ihr in die Pause kommt, Jungs!", und tappelte nach draußen.
 

Snape, der sich offensichtlich alleine geglaubt hatte, wirbelte herum. Als er James erblickte, verdüsterte sich sein Blick. Er warf sich die Tasche über die Schulter und wollte schon nach draußen laufen, da rief James: "Snape, warte! Ich - ich hab etwas für dich!"
 

Snape hielt inne, drehte sich jedoch nicht um.

"Wenn es von dir kommt, kann es nichts Gutes sein. Lass mich in Frieden", sagte er leise und kalt.

Dann ging er weiter auf die Klassenzimmertür zu. James beeilte sich, hinter ihm her zu laufen.

"Willst du deinen Zauberstab etwa nicht zurück?", rief er.
 

Snape wirbelte herum. "Was ist das für ein Spiel?", zischte er misstrauisch, blieb jedoch wieder stehen. "Wieso willst du ihn mir wieder geben?"

James schluckte.

"Ich... ich würde gerne mit dir reden. Ungestört. Nur Reden. Und - und weil du mir vielleicht nicht glaubst... wollte ich dir ... den Stab... zurückgeben."
 

Er konnte es selbst nicht fassen, dass diese Wörter tatsächlich seinen Mund verlassen hatten, doch er fühlte sich sehr erleichtert.

Snape kniff misstrauisch die Augen zusammen.

"Wann? Wo? Sag es mir und gib mir den Stab, ich werde darüber nachdenken."
 

James atmete erleichtert aus. Snape hatte nicht sofort abgelehnt. Ein gutes Zeichen.

"Kennst du den Raum der Wünsche?"

Snape nickte vorsichtig.

"Heute Abend, um acht Uhr."
 

Snapes Gesicht verdüsterte sich. "Gut, und jetzt gib mir den Stab!"

James fischte den Zauberstab aus seiner Umhangtasche und warf ihn Snape zu. Der fing ihn auf, verstaute ihn in seinem eigenen Umhang und rauschte hinaus.
 

James atmete erleichtert auf. Die erste Hürde war geschafft. Jetzt musste er es nur noch schaffen, sich heute Abend von seinen Freunden loszueisen. Und dann musste Snape ihn nur noch verstehen. Er seufzte auf. Der schwierigste Teil wartete noch auf ihn.
 

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Severus rauschte durch die Gänge, die Treppen hinunter und in die Große Halle, ohne jemanden anzusehen. Sein Herz pochte schon wieder viel zu schnell. Was dachte Potter sich überhaupt? Was zur Hölle wollte er von ihm?

Reden. Pah. Das glaubt ihm doch keiner, der uns beide in den letzten fünf Jahren gesehen hat, dachte Severus verbittert.
 

Er sollte nicht hingehen. Er war Potter nichts schuldig. Mit grimmiger Miene ließ es sich auf die Bank am Slytherin-Tisch fallen und begann zu essen. Doch das Essen ging mechanisch, er schmeckte nicht einmal etwas. Seine Gedanken kreisten immer noch um Potter.
 

Ein klitzekleiner Teil von ihm wollte ihm glauben, wollte dort hingehen. Der klitzekleine Teil, der Potter gern hatte. Mehr als gern. Während er das nur dachte, stieg ihm das Blut in die Wangen. Er biss sich auf die Zunge. Aus! Schluss! Er hasste Potter! Aus und Basta.
 

Wieso sollte er sich also mit ihm treffen?

Vielleicht will er ja wirklich nur reden, meinte eine leise Stimme in seinem Kopf, die er am liebsten ignoriert hätte. Vielleicht meint er es ja dieses Mal gar nicht böse? Das letzte Mal, als du mit ihm ganz alleine warst, hat er dein Leben gerettet!
 

Severus schnaubte ungläubig auf. Ein paar seiner Hausgenossen blickten ihn verwirrt an, wandten sich jedoch, als keine Erklärung von ihm kam, wieder ihrem Essen zu.

Ach was, Potter wollte nur verhindern, dass Black von der Schule fliegt, wies er sich selbst streng zurecht. Was denkst du da überhaupt für einen Unsinn?

Doch die Stimme ließ sich nicht zum Schweigen bringen.
 

Als er mit Essen fertig war, fasste er einen Entschluss. Er würde hingehen. Wenn Potter wirklich nur mit ihm reden wollte - gut, sollte er doch. Er würde sich sein Gerede anhören und danach wieder verschwinden. Doch sollte er nur eine falsche Bewegung machen, würde es Rache geben.
 

Ein böses Lächeln schlich sich auf Severus' Züge, als er sich auf den Weg in die Bibliothek machte. Ja, Rache war längst wieder überfällig. Er hatte schon ein paar fiese Ideen...

Jetzt musste er nur noch ein Buch finden, in dem stand, wo dieser Raum der Wünsche war und wie man hineinkam.
 

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Um viertel vor acht an diesem Abend tigerte James vor dem Raum der Wünsche auf und ab und dachte: 'Ich brauche einen Raum, in dem ich nicht abgehört werden kann und der Snape gefällt', bis eine schlichte, schwarze Holztür in der Wand erschien.
 

Nervös griff James nach der Türklinke und schlüpfte hinein. Sorgsam zog er die Tür hinter sich wieder zu, dann sah er sich um.

Er stand in einem halbdunklen Raum, in dem es trotz einem offenen Kamin mit einem prasselnden Feuer darin angenehm kühl war. Die Wände bestanden aus rauen, unverputzten grauen Steinen. Lampen gab es keine, dafür hingen grüne Lichtkugeln in der Luft und gaben dem Raum eine düstere Atmosphäre. Vor dem Kamin standen zwei grüne Sofas, ansonsten war der Raum komplett kahl.
 

James schluckte und ließ sich auf eines der Sofas sinken. Es war erstaunlich weich und bequem. Er fragte sich, ob so wohl der Gemeindschaftsraum der Slytherins aussah.
 

Es war zehn vor acht. Er hoffte inständig, dass Snape kommen würde.
 

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Severus schlug kurz vor acht das letzte Buch zu, das er durchgewälzt hatte. In keinem davon hatte auch nur ansatzweise etwas über den Raum der Wünsche gestanden. Frustriert stellte er das Buch zurück ins Regal und machte sich auf den Weg nach draußen.
 

Er hatte keine Ahnung, wo er hinmusste. Er konnte Potter nicht treffen. Warum zur Hölle war er so blöd gewesen, vorzugeben, er würde den Raum kennen?

Er wollte Potter keine Gelegenheit geben, sich über ihn lustig zu machen. Aber damit hatte er sich selbst die Gelegenheit geraubt, herauszufinden, was Potter vorhatte.
 

Sein Magen verkrampfte sich. War er etwa enttäuscht? Das konnte doch nicht sein... Einem plötzlichen Entschluss nach machte Severus sich auf den Weg zum Astronomieturm. Er musste noch einmal frische Luft schnappen und die Sterne sehen. Ansonsten konnte er nicht ruhig schlafen, das wusste er jetzt schon.
 

Während er die Treppen in den siebten Stock hinauf lief, schüttelte er den Kopf über sich selbst. Warum zur Hölle fühlte er sich so schlecht, bloß weil Potter ihn gebeten hatte, sich mit ihm zu treffen, und er nicht kam? Er hatte schließlich nicht fest zugesagt. Potter konnte nichts anderes erwartet haben. Aber warum hatte er dann doch das Gefühl, als hätte er etwas verpasst? Etwas wichtiges?
 

Tief in seine Gedanken versunken lief er einen hell erleuchteten Korridor entlang und bemerkte zuerst gar nicht, dass neben ihm in der Wand eine Tür aufgetaucht war. Erst nach ein paar Schritten stutzte er und blickte zurück. Die schwarze Tür sah so normal aus, als wäre sie schon immer da gewesen. Doch dem war nicht so. Severus wusste genau, dass es in diesem Korridor eigentlich keine Tür geben dürfte.
 

Argwöhnisch trat er näher. Konnte das womöglich...

Sein Herz hämmerte in seiner Brust, und er begann zu schwitzen, als er die Hand nach der Klinke ausstreckte. Hatte er etwa ein einziges Mal in seinem Leben Glück? War dies der sagenumwobene Raum der Wünsche?
 

Die eine Hand in seinen Umhang gekrallt, immer bereit, den Zauberstab herauszureißen, drückte er sachte die Klinke herunter und öffnete die Tür lautlos einen Spalt weit.
 

Was er sah, jagte seinen Puls noch weiter in die Höhe.

Ein Zimmer, den Kerkern nicht unähnlich, mit ein paar Sofas vor einem Kamin. Und auf einem dieser Sofas saß, den Kopf in die Hände gestützt und ins Feuer starrend, James Potter!
 

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James schreckte hoch, als die Tür mit einem leisen Krachen ins Schloss fiel. Er wirbelte herum - und sah sich Severus Snape gegenüber, der ihn misstrauisch ansah, die Augen zu Schlitzen verengt.

James schluckte, holte tief Luft und meinte leise: "Danke, dass du gekommen bist. Willst du dich setzen?"
 

Langsam, sehr langsam setzte Snape sich in Bewegung. Schließlich ließ er sich vorsichtig auf dem zweiten Sofa nieder und murmelte: "Nichts zu danken."

Dann hob er den Blick und musterte James forschend. "Was willst du?"
 

James senkte den Blick als erster. Snape hatte einen Blick drauf, unter dem man unweigerlich zusammenschrumpfte. James zumindest. Plötzlich war er furchtbar nervös. Er verschränkte seine Hände, um Zeit zu gewinnen. Nach einigen Momenten quälender Stille holte er tief Luft und begann zu sprechen.

"Snape, ich - es tut mir Leid."

"Was tut dir Leid?", fragte Snape barsch.
 

James schluckte.

"Ich - alles. Schon seit einer ganzen Weile... sehe ich, wie du leidest unter unseren - unseren..."

"Euren Quälereien. Wurde ja auch mal Zeit", entgegnete Snape bitter.

"Ich weiß", murmelte James. "Ich will dich nicht mehr... quälen. Aber -"

"Aber du tust es", zischte Snape. "Wieso?"

Plötzlich war wieder ein wütendes Funkeln in seine schwarzen Augen getreten.
 

James wandte den Blick ab und starrte stattdessen ins Feuer. Das war leichter.

"Meine Freunde haben es noch nicht begriffen. Und ich bezweifle, dass sie es begreifen würden, wenn ich es ihnen sagen würde. Sie würden mich sitzen lassen und dich zu dritt weiter quälen. Damit wäre keinem geholfen."
 

Snape schnaubte auf. "Doch, du könntest mir helfen und sie so richtig in Stücke fluchen", meinte er, seine Stimme triefend vor Sarkasmus.

James war klar, dass er selbst nicht daran glaubte.

"Das kann ich nicht", meinte er leise. "Das würde ich nicht ertragen..."
 

Lange Zeit sagte niemand etwas. Irgendwann hielt James es nicht mehr aus und stellte die Frage, die ihm schon seit Beginn des Treffens auf der Zunge brannte.

"Verzeihst du mir?"

"Wirst du dich ändern?", kam prompt die Gegenfrage.
 

James seufzte schwer. "Ich weiß es nicht."

Snape erhob sich und wandte sich zum Gehen.

"Heute kann ich dir auf keinen Fall verzeihen. Irgendwann... wenn ich meine Ruhe vor euch habe, vielleicht..."

Er ging zur Tür.

James sprang auf. "Warte!"
 

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Severus hielt verblüfft inne. Was wollte Potter denn noch von ihm? Er war doch losgeworden, was er hatte sagen wollen... Im nächsten Moment löste die Tür sich von Zauberhand auf und hinterließ nichts als kahle Wand. Severus prallte zurück und wirbelte herum. Er saß in der Falle.
 

"Was zur Hölle soll das?", fauchte er Potter an.

Mit einem Schlag war all die Hoffnung, die Potters Worte in ihm geweckt hatten, all die Freude darüber, dass Potter endlich vernünftig geworden war und all die Schmetterlinge in seinem Bauch bei Potters Anblick - verdammt, er würde wirklich ein sentimentaler Dummkopf werden, wenn er so weiter machte - verschwunden.
 

Alles, was in den letzten Minuten an widersprüchlichen Gefühlen auf ihn eingeströmt war, schien auf einmal so weit weg zu sein... als wäre es nie da gewesen.

Alles, war übrig blieb, war eine unendliche Wut und Enttäuschung. Und das Bedürfnis, sich zu rächen.
 

Potter blickte betreten zu Boden.

"Ich - du kannst jetzt doch nicht einfach gehen!"

Severus schnaubte. Die Wut brodelte in ihm und wartete nur darauf, auszubrechen.

"Wieso, um Himmels Willen?! Hast du noch etwas zu sagen?"
 

Immer noch blickte Potter zu Boden. Was sollte das, verdammt? Er hatte ihm klipp und klar gesagt, dass er ihm heute nicht verzeihen würde - was also wollte der Kerl noch von ihm? Und warum zur Hölle musste er ihn dafür hier einsperren?

Langsam tröpfelte eine Erkenntnis in Severus' Bewusstsein. Sie wollte ihm so gar nicht schmecken, aber es war die einzige logische Erklärung...
 

"Das war alles nur Show, nicht wahr", zischte Severus bitter. "Es war zu schön, um wahr zu sein. Was willst du wirklich von mir?"

Potter hob den Kopf. In seinen Augen spiegelte sich Unglauben und Verzweiflung wider, doch Severus sah es nicht.

"Snape, das - Ich schwöre dir, das war alles ernst gemeint!"
 

Doch Severus konnte ihm nicht mehr glauben.

"Lass mich hier raus!", fauchte er unwirsch, zog seinen Zauberstab und richtete ihn auf Potter.
 

Mit Genugtuung sah er einen Moment lang die Angst in Potters Augen aufblitzen, als er einen Schritt zurücktrat.

Doch einem kleinen Teil von ihm tat es weh, Potter zu bedrohen. Dieser Teil hatte Potters große, braune Augen lieber, wenn sie lachten.

Snape verpasste sich eine mentale Ohrfeige und stellte sich vor, Potter hätte ihm die soeben verpasst. Das half.
 

"Also, was ist? Lass mich hier raus!"

Potter hob verwirrt die Augenbrauen. "Aber, Snape... Du weißt doch, wie der Raum funktioniert, hast du gesagt! Warum wünschst du dir die Tür nicht einfach zurück?"
 

Severus' Augen weiteten sich für einen Moment. War das das Geheimnis des Raums? Wie konnte er nur so blöd sein! Er war gerade dabei, seine Gedanken auf seinen Wunsch, hier herauszukommen, zu fokussieren, da schwebte eine Frage in sein Bewusstsein.

Wieso wollte Potter nicht, dass er ging?
 

Severus hielt inne und verbannte die Gedanken an den Ausgang aus seinem Bewusstsein. Stattdessen beobachtete er Potter aufmerksam, immer noch den Zauberstab im Anschlag, jedoch nicht fähig, ihn auch nur zum Reden aufzufordern. Die Schmetterlinge waren mit einem Mal wieder da, und es fühlte sich so an, als würden sie seine Eingeweide verknoten.
 

Severus hasste dieses Gefühl. Denn es galt ganz eindeutig Potter. Bei jeder - oder auch jedem - anderen hätte es ihn gefreut, aber Potter...

Um sich abzulenken, stellte er sich vor, wie sich seine verknoteten Adern in einem Trank gegen Depressionen machen würden.

Dennoch schaffte er es nicht, den Mund aufzumachen. So wartete er darauf, dass Potter von selbst mit der Sprache herausrückte.
 

Schließlich sah dieser auf und funkelte Severus an. "Warum gehst du nicht, wenn du so scharf darauf bist?"

Seine Stimme klang mit einem Mal so, wie sie immer klang. Kalt, mit einem gefährlichen, spöttischen Unterton.
 

Severus schien das Herz vor Schreck in die Hose zu rutschen. Gerade hatte er sich wieder Hoffnungen gemacht, und dann kam sowas!

Eine eisige Kälte breitete sich mit einem Mal in seinem Körper aus.
 

Sein Gehirn analysierte unbarmherzig, was in der letzten halben Stunde geschehen war.

Potter hatte gesagt, er könne ihm nicht gegen die anderen Rumtreiber helfen. Und er wusste nicht, ob er sich ändern würde. Damit war die Sache klar. Es würde sich nichts ändern für Severus. Es konnte ihm doch herzlich egal sein, ob Potter sich entschuldigte, wenn er sich nicht änderte, oder?
 

Diese Erkenntnis tat weh. Verdammt weh. Er hatte so gehofft... Aber, wie sagte man so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Severus wandte sich rasch von Potter ab, damit dieser seine Enttäuschung und seinen Schmerz nicht auf seinen Zügen erkennen konnte, wünschte sich die Tür herbei und verließ den Raum fluchtartig.

Er wollte nur noch in sein Bett, einschlafen und nie wieder aufwachen.
 

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Severus Snape ließ forschend den Blick über das Zaubertrank-Klassenzimmer schweifen.

Vor ihm standen zwanzig Schüler aus der fünften Klasse, Gryffindor und Slytherin, an ihren Arbeitstischen, hackten und zermahlten Zutaten, rührten Tränke um oder sprachen Zauber über die halbfertigen Gebräue.

Er schnupperte.

Das sollte ein Trank gegen eine gewöhnliche Erkältung werden, nichts weiter schwieriges, doch die Schüler hatten kein Rezept. Sie improvisierten. Auf sein Geheiß.
 

Jetzt war es sich nicht mehr sicher, ob das eine gute Idee war. Zumindest aus der Ecke, in der Longbottom seinen Versuch zusammen mischte, wehte ihm ein merkwürdiger Geruch entgegen.

Er sollte vielleicht einmal nachsehen gehen...
 

Aufrecht schritt er zwischen den Reihen hindurch und beugte sich hier und da über einen Trank. Die meisten sahen für einen ersten Versuch im improvisieren nicht schlecht aus.

Er bemerkte kaum, dass die Schüler, an denen er stumm vorbei gegangen war, erleichtert aufatmeten.

Zu stark war jetzt der Gestank aus Longbottoms Ecke.
 

Er schnupperte, erfasste die Situation in einem Augenblick und baute sich drohend vor Longbottom auf.

"Was haben Sie in ihren Trank gekippt? Belladonna-Essenz?"

Seine Stimme klang kalt und scharf. Longbottom zuckte wie vom Blitz getroffen zusammen und schrumpfte unter Severus' Blick ein Stückchen. Nach einer Sekunde quälender Stille nickte er.
 

Severus schnaubte. "Ich hätte es mir denken können. Sie sollten, wenn Sie die krampflösende Wirkung der Tollkirsche einsetzen wollen, frische Blätter nehmen und nicht die fertige Essenz! In der Essenz ist nämlich das Gift aus den Früchten mit enthalten, und das macht den ganzen Trank unbrauchbar."
 

Er schnippte mit dem Zauberstab und ließ die giftige Brühe verschwinden. Longbottom wimmerte.

"Null Punkte für heute, Mr. Longbottom. Machen Sie, dass Sie verschwinden!"

Longbottom sah ihn an wie ein verschrecktes Kaninchen, als er seine Tasche packte. Severus zog bloß eine Augenbraue hoch.
 

Was hatte der Bengel bloß? Heute war er doch richtig freundlich gewesen. Jedenfalls für seine Verhältnisse. Er hatte Longbottom, diesem ewigen Versager, sogar noch einen Tipp gegeben, wie er es das nächste Mal besser machen konnte. So etwas tat er normalerweise nicht.
 

Rasch schritt er nach vorne zu seinem Pult zurück, wirbelte herum und blickte streng in die Runde.

"Sie haben noch zehn Minuten. Ich erwarte am Ende der Stunde von jedem, egal wie weit er gekommen ist, eine verkorkte und beschriftete Probe. Wer keine abgibt, bekommt ebenfalls Null Punkte."

Mit Genugtuung beobachtete er, wie die Schüler langsam, aber sicher, in Torschlusspanik gerieten. Es war doch immer wieder lustig, ihnen Angst einzujagen.
 

Sein Blick fiel auf Harry Potter. Sofort verdüsterte sich seine Miene. Der Kerl mühte sich anscheinend gerade damit ab, eine Art dicken, dunkelgrünen Schleim in seine Phiole zu füllen. Severus schnaubte.

Der Bengel hatte nicht einen Deut von seiner Mutter geerbt, was Zaubertränke anging. Da kam er mehr nach seinem Vater.
 

Bei der Erinnerung an James zog sich sein Herz schmerzhaft zusammen. Es tat immer noch weh. Rasch wandte er den Schülern, die langsam hinaus auf den Flur tröpfelten, den Rücken zu, damit sie nicht bemerkten, wie traurig er plötzlich aussah.
 

James hatte sich für sein Verhalten entschuldigt. Doch Severus hatte das nicht zu schätzen gewusst. Nachdem er ermordet worden war, hatte Severus die Entschuldigung erstmals als das genommen, was sie war: Nicht nur die Entschuldigung für vergangene Taten, sondern auch für alle, die auf diesen Tag gefolgt waren.
 

James hatte nämlich nicht damit aufgehört, Severus zu triezen. Er hatte zwar dafür gesorgt, dass nichts mehr wirklich gefährliches geschah, doch demütigend waren seine Streiche danach immer noch gewesen.

Mit Schaudern dachte Severus an den Tag, wo James ihn auf dem Schulgelände kopfüber in der Luft hatte hängen lassen und ihm die Unterhose herunter gezogen hatte...
 

Ohne es zu bemerken, ballte er die Fäuste zusammen und knirschte mit den Zähnen. Der Schmerz saß so tief... er würde James wohl nie verzeihen können.

Dabei hatte er es sich so gewünscht...
 

Nach dessen Tod hatte er es sich endlich eingestanden: Er hatte ihn geliebt. Geliebt und gehasst in einem.

Doch der Hass war immer noch vorhanden gewesen, als er starb. Er hatte nicht um ihn trauern können wie um eine geliebte Person. Ein kleiner Teil von ihm war froh gewesen, als er gestorben war. Und er hatte sich dafür gehasst.
 

Er hatte sich danach an ein Leben ohne James in Hogwarts als Lehrer gewöhnt. Er war hier zwar nicht glücklich, aber zumindest halbwegs zufrieden. Der Dunkle Lord war nicht hier, er hatte Dumbledore, der ihm vertraute, was wollte er mehr?
 

Doch dann war Harry Potter auf die Schule gekommen. Er hatte zwar gewusst, dass er ihn eines Tages würde unterrichten müssen, doch nichts hatte ihn darauf vorbereiten können, dass er genau wie James aussah.
 

Severus fühlte sich in der Zeit zurückversetzt, wann immer er neben Harry im Kerker stand und dieser verzweifelt versuchte, seinen Kessel nicht in die Luft zu jagen. Er hatte den gleichen gequälten Gesichtsausdruck wie James damals.
 

Und was das schlimmste war: Severus hatte Angst vor ihm. Vor einem seiner Schüler! Als Lehrer!

Er hatte wieder deutlich James und seine Streiche vor Augen. Er hatte all die hämischen Kommentare wieder im Ohr. Er fühlte sich wieder als Opfer, als wäre es erst gestern gewesen.
 

Und dafür wiederum hasste er sich. Er hasste sich für seine Schwäche. Er hasste sich dafür, wie er in einer ruhigen Minute immer wieder Potters Gesicht betrachtete. Er hasste sich dafür, dass er in ihm James sah.
 

Um diese Schwäche nicht sichtbar werden zu lassen, hatte er den Potter-Bengel fertig gemacht, wo immer es nur ging. Er hatte es genossen, einmal ihn fertig zu machen, anstatt fertig gemacht zu werden.

Es war eine indirekte Rache an James, eine Rache für viele Jahre. Er wusste, dass er ungerecht war und Potter eigentlich nichts dafür konnte, doch er ignorierte es.

Es fühlte sich einfach gut an, wie ein Ventil, mit dem er endlich seinen angestauten Hass auf James, sich und den Rest der Welt loswerden konnte.
 

An die Gefühle von Potter hatte er jahrelang nicht gedacht. Doch nun hatte Albus angeordnet, dass Potter bei ihm Okklumentik lernen sollte. Mittlerweile hasste ihn der Bengel für all die Gemeinheiten, also war dieses Unterfangen eigentlich sinnlos. Dennoch hatte Albus darauf bestanden.

Manchmal begriff Severus nicht, was in dessen Kopf vor sich ging. Doch er fragte nicht nach. Er war froh, dass wenigstens Albus ihm zu vertrauen schien. Er war der einzige.
 

Nach den ersten Okklumentik-Stunden kam die Ernüchterung. Er hatte in Potters Geist geblickt und all das gesehen, was er nicht wahrhaben wollte.

Potter war keineswegs James, und er war auch nicht wie James, sein Flugtalent mal ausgenommen. Er fand Severus' Verhalten ungerecht und verstand ihn nicht, und mittlerweile hasste er ihn aus ganzem Herzen. Von Rachegedanken jedoch keine Spur. Potter schien einfach zu selbstlos dafür zu sein.
 

Das hatte Severus in tiefes Grübeln gestürzt. Wochenlang hatte er darüber gebrütet. Er wusste, was das richtige wäre: Potter die ganze Sache zu erklären, sich zu öffnen, und ihn um Verzeihung bitten. Doch er hatte noch nie jemandem seine Gefühle offenbart. Er konnte es nicht. Er hatte nicht den Mut dazu.
 

Eine neue Welle von Hass auf sich selbst wogte in ihm hoch.

War das das einzige, was er noch zustande brachte? Sich selbst hassen für all die Dinge, die er nicht fertig brachte, anstatt ins kalte Wasser zu springen und einfach mal probieren, ob er nicht etwas doch hin bekam?
 

Severus seufzte schwer und verließ seinen Klassenraum, um zum Abendessen zu gehen. Noch bevor er in der großen Halle angekommen war, fasste er einen Entschluss.

Er hatte die Nase voll.
 

Er musste mit der Vergangenheit abschließen und aufhören, sich selbst für seine Schwächen zu hassen, statt zu versuchen, sie zu überwinden.

Heute Abend war wieder eine Stunde Okklumentikunterricht. Er würde es Potter sagen. Er würde es ihm erklären und sich entschuldigen.
 

Aber er wusste, dass es keine Entschuldigung wie die von James damals werden würde, die zukünftige Taten mit einschloss. Er würde sich ändern. Nur so konnte er James vergessen und wieder für das Hier und Jetzt leben.



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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von:  sira321
2008-10-02T11:50:55+00:00 02.10.2008 13:50
mein lieblingspairing <33 ich finds schön geschrieben und ich mag deinen sevy der ist süß wie er versucht es zu verdrängen und ich find auch deinen reuigen james gut ;)) du hasts auch gut gemacht mit den verschiedenen perspektiven das passt irgendwie dazu also find ichs bisher doch sehr gelungen sag mal bescheid wenns weitergeht

o3o
sira
Von: abgemeldet
2008-10-02T07:36:34+00:00 02.10.2008 09:36
hello ^ ^
wann schreibst du weiter ?
(ach..ich liebe dieses pairing auch XD)

lg mariechen
Von:  LooneyLovegood
2008-10-02T07:15:49+00:00 02.10.2008 09:15
waaah, ich liebe dieses Pairing^///^
die Story gefällt mir bis jetzt total gut und sie ist durch die Absätze auch einfach zu lesen. Ich bin gespannt wie es weitergeht...
Lg toki_chan
Von:  Beere
2008-09-27T22:48:19+00:00 28.09.2008 00:48
Ui eine neue FF (zumindest hab ich sie jetzt erst entdeckt^^)
Ich mag sie, iwie so ganz neu, zumindest hab ich noch keine mit dem Pairing gesehen, aber das heißt nicht, dass es mir nicht gefällt xD
*snape patt*^^
lG beere


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