An untraveled Road von Gayagrod ================================================================================ Kapitel 1: Erwachen ------------------- A/N: Ich trage die Idee zu dieser Story schon ziemlich lange mit mir herum, doch bisher fehlte mir immer die Muse und die Zeit, um sie umzusetzen. Hauptcharakter ist Gabriel Gray alias Sylar, aber auch andere Heroes werden wichtige Rollen spielen. Diese Fanfiction spielt direkt nach der ersten Staffel und nach Peters Explosion, Ereignisse aus der zweiten Staffel bleiben vorerst weitgehend unberücksichtigt. An untraveled Road Kapitel 1: Erwachen Gabriel Gray. 24 Stunden nach der Explosion. Ort: unbekannt. Schmerzen. Gewaltige Schmerzen. Die Worte von Fremden dröhnen in seinem Kopf. So viele Menschen, so viele Fähigkeiten. Kräfte. Talente. Die jetzt die seinen sind. Seine? Es ist alles verschwommen, wie ein undeutlicher Traum. Aus dem er jetzt erwacht. Der Schmerz ist überwältigend. Erinnerungen. Träume. Ein explodierender Mann. Ein Japaner, der ihn mit einem Schwert durchbohrt ... Diese Träume sind Irrsinn. Wird er denn nie aus ihnen erwachen? Die Geräusche in seinem Traum werden unwirklicher, während ein Röcheln aus einer menschlichen Kehle in seiner Nähe lauter wird. Seine Augenlider flattern. Er blinzelt. Obwohl der Ort, an dem er liegt, nicht besonders gut beleuchtet ist, schmerzen seine Augen. So als ob er sie schon lange nicht mehr geöffnet hat. Seine Brust schmerzt. Er hustet, sein Mund füllt sich mit Blut. Er ist zu schwach, um sich aufzurichten, sein Körper ist so unendlich schwach ... Nach einer Ewigkeit, wie es ihm scheint, gelingt es ihm, seinen Kopf zu drehen. Eine Frau liegt am Boden des Raumes, vor seiner Liegestätte - einem Sofa? Einem Bett? Er kann es nicht sagen, sein Körper ist taub. Das Röcheln kommt aus der Kehle der Frau, sie spuckt Blut. Auch auf dem Boden klebt Blut, das bereits trocknet. Die Frau stützt sich mit den Händen vom Boden ab, sie kämpft. Auf ihrem Rücken klafft eine Wunde, doch auch aus ihrer Brust strömt roter Lebenssaft ... 'Die Wunde!' Die selbe, die er selbst hat ...? Eine weitere Ewigkeit, die doch nur wenige Sekunden dauert, und es gelingt ihm, seine Hand zu heben, um seine Brust zu untersuchen. Doch die Wunde, die seine Schmerzen verursacht, ist nicht dort, wo sie sein sollte. 'Von einem Schwert durchbohrt ...' In seinem Kopf arbeitet es, doch er kann keinen Zusammenhang darin sehen. Warum sollte diese Frau die Wunde haben, die ihm zugefügt wurde? Es macht keinen Sinn. Die Schmerzen klingen ab, der Blutgeschmack in seinem Mund verschwindet. Er starrt die Frau an, während sie ihren Todeskampf zu Ende bringt. Sie stirbt in einer Lache aus Blut, die sich weiter und weiter ausbreitet. Dann hört er, wie sich hinter ihm eine Tür öffnet. Schritte hallen im Raum wider, bis jemand vor seinem Lager steht. Ein Mann, dessen Gesicht er nicht erkennen kann. "Willkommen zurück, Gabriel", sagt der Fremde mit leiser Stimme, die dennoch laut in seinem übermenschlichen Gehör klingt. Gabriel. So hat ihn schon lange niemand mehr genannt ... In seinen Träumen nannte man ihn anders ... "Oder ziehen Sie es vor, Sylar genannt zu werden?'" Der Fremde kniet sich neben sein Lager. Kurze braune Haare, ein junges Gesicht. Der Fremde nur wenig älter als er selbst. "Sie sind wohl noch zu schwach, um sprechen zu können ... Anscheinend kommen wir grade rechtzeitig." Der Fremde wirft der toten Frau hinter sich einen vielsagenden Blick zu. Dann steht er auf. "Ruhen Sie sich aus, Gabriel. Sie werden Ihre Kräfte sicher schon bald brauchen." Er lächelt, doch seine Augen bleiben kalt und unberührt vom Lächeln. [To be continued ...] Kapitel 2: Das Licht eines neuen Anfangs ---------------------------------------- Kapitel 2: Das Licht eines neuen Anfangs "Es liegt in der menschlichen Natur, in die Vergangenheit zu schauen. Auf die Straße, die wir gegangen sind. Auf das, was uns bis jetzt geformt hat. Aber nur, wenn wir unsere Vergangenheit zurück lassen, können wir vorwärts gehen. In ein unbekanntes Morgen. In die Dämmerung einer neuen Zukunft. In das Licht eines neuen Anfangs ..." – Mohinder Suresh (Teaser Trailer der zweiten Staffel) Gabriel Gray. 72 Stunden nach der Explosion. Ort: unbekannt. Das Erste, was Gabriel wahrnahm als er dieses Mal aufwachte, war, dass er sich wesentlich besser als beim letzten Mal fühlte. Zwar war er immer noch schwach, aber das Taubheitsgefühl war aus seinen Gliedern gewichen. Er setzte sich auf, um sich im Raum umzuschauen, in dem er sich befand. Es war ein anderes Zimmer als bei seinem letzten Erwachen. Dieser Raum erinnerte ihn an die Zelle der Firma, in der er eingesperrt gewesen war: Eine quadratische Form, hellgrau getünchte Wände, keine Fenster. Dafür befanden sich aber ein Schrank, ein Schreibtisch mit einem Stuhl und ein niedriger Tisch mit einem Sofa davor im Raum. Außerdem saß Gabriel auf einem richtigen Bett und nicht auf einer unbequemen Laborliege. Die Ausstattung seines letzten Gefängnisses war spärlicher gewesen. Seinem Bett gegenüber befand sich eine schwere Eisentür, die wahrscheinlich mit einem komplizierten Sicherheitssystem verschlossen war. Anscheinend hielten ihn auch diese Leute für gefährlich oder fluchtgefährdet. In der rechten Ecke über der Tür war eine kleine Überwachungskamera angebracht, die auf den Raum ausgerichtet war. Neben dem Bett führte eine weitere, offen stehende Tür in einen weiß gefliesten Raum. Gabriel vermutete, dass sich dort ein Badezimmer befand. Wer auch immer ihn hierher gebracht hatte, schien ein humaneres Verständnis von einem Gefängnis zu haben als die Leute der Firma. Gabriel lies sich wieder auf dem sein Bett sinken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Seine Glieder schmerzten. Merkwürdig. Hatte er etwa einen Muskelkater? Er konnte sich nicht daran erinnern, seine Muskeln in den letzten Tagen besonders belastet oder überstrapaziert zu haben. Aber seine Erinnerungen waren sowieso ziemlich verschwommen ... Vielleicht war das eine Nachwirkung seiner Schwertwunde, die auf so mysteriöse Weise geheilt worden war. Oder er war einfach noch müde. Hatte der Fremde nicht gesagt, er solle sich ausruhen? Dann würde er das auch noch ein Weilchen tun, solange sich in seinem Zimmer nichts ereignete. Er schloss die Augen und war wenig später wieder in Schlaf versunken. Peter und Nathan Petrelli. New York City. "Peter, hör auf damit." Diesen Satz hatte Nathan Petrelli nun schon zum dritten Mal innerhalb einer halbe Stunde ausgesprochen, während der er in der Wohnung seines jüngeren Bruders gestanden und diesem dabei zugesehen hatte, wie er wahllos durch die Räume lief und Dinge in einer Reisetasche verstaute. Doch Peter hörte ihm nicht zu. "Ich kann hier nicht bleiben. Zu gefährlich", murmelte er nur. "Im Moment bist du nur für dich selbst gefährlich", erwiderte Nathan. Peter rauschte an ihm vorbei und stellte einige Dinge auf den Tisch im Wohnzimmer, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, und Nathan fuhr fort: "New York steht noch. Die große Katastrophe ist abgewendet. Es ist alles so gekommen, wie du es dir gewünscht hast, oder etwa nicht? Meinst du nicht, dass es jetzt angebracht wäre, wieder zu einem halbwegs normalen Leben zurückzukehren?" "Ja – ja, New York steht noch, aber ich habe es immer noch in mir – diese Kraft, die Radioaktivität ... Ich kann nicht hier bleiben und Menschen gefährden." Peter schüttelte den Kopf und wandte sich Nathan zu. "Du musst auch gehen. Die Leute von dieser Firma, sie werden auch hinter dir her sein." Er ging auf seinen Bruder zu und legte ihm beschwörend die Hände auf die Schultern. "Bitte, Nathan. Wir haben ihre Pläne zerstört und ich denke nicht, dass sie aufgeben werden." Nathan seufzte schwer. "Du vergisst, dass unsere Mutter eine von denen war, die die Ereignisse um die Explosion geplant haben. Willst du vor deiner eigenen Mutter davonlaufen? Außerdem ist es für mich nicht so einfach, wie du dir das vorstellst. Ich bin in den Kongress gewählt worden und habe Pflichten. Nicht nur politische, sondern auch die meiner Familie gegenüber. Heidi kann wieder gehen und hält ihre Heilung für ein Wunder, soll ich es ihr da wirklich zumuten, in diesen ganzen Irrsinn hineingezogen zu werden?" Nathan schüttelte abwehrend den Kopf. "Nein, Peter, tut mir leid, aber das kann ich nicht." "Nathan-", setzte Peter erneut an, doch sein Bruder unterbrach ihn. "Nein, Peter, jetzt hörst du mir mal zu. Du hast von mir erwartet, dass ich dir glaube und dir vertraue. Am Anfang habe ich diese ganze "Rette-die-Welt"-Sache für verrückt gehalten, aber jetzt glaube ich dir. Und jetzt höre bitte auch mir einmal zu. Nur ein einziges Mal, okay?" Sanft streifte Nathan Peters Hände von seinen Schultern ab und legte ihm selbst die linke Hand auf die Schulter. "Es ist ein Wunder, dass du noch lebst, ein Wunder, dass wir alle noch leben. Nach allem was passiert ist, denkst du da wirklich, dass ich dich ohne Widerspruch gehen lassen würde? Du musst verstehen, dass es im Moment wichtig ist, den Schein zu wahren. Linderman hat meine Wahl nicht dem Zufall überlassen. Es passte in die Pläne der Firma, dass ich jetzt im Kongress sitze, und wer weiß, ob sie ihre Pläne nicht weiterverfolgen werden. Daraus muss ich – müssen wir – jetzt das Beste machen. Vielleicht können wir ihre Pläne ein weiteres Mal verhindern, das würde dir doch gefallen, nicht wahr?" Peter sah zu Boden. Sein Bruder hatte Recht. "Und wenn es wieder passiert? Wenn ich meine Kräfte wieder ... nicht kontrollieren kann?" "Dann werde ich dir wieder helfen – ein Grund mehr für dich, in meiner Nähe zu bleiben." "Du musst nicht auf mich aufpassen", betonte Peter. "Du bist mein kleiner Bruder. Das gehört auch zu meinen Pflichten." Über Nathans Züge huschte ein warmes Lächeln, das Peter aber nur halbherzig erwiderte. "Wir werden schon einen Weg finden, damit so etwas nicht wieder passiert. Dieser Doktor Suresh wird dir bestimmt helfen können. Er meinte, dass deine DNA der Schlüssel zur Heilung von uns allen sein könnte." "Meine DNA? Und wenn ich gar nicht geheilt werden möchte?", fragte Peter skeptisch. Er wischte sich eine Strähne seines braunen Haares aus dem Gesicht. "Jedenfalls nicht vollständig. Ich kann mit meinen Kräften Menschen helfen." "Du hast schon genug Menschen geholfen", erwiderte Nathan. "Jetzt solltest du dich mal wieder um dich selbst kümmern. Im Moment hast du die Kontrolle über deine Kräfte, das genügt mir im Moment. Genauso, wie es dir genügen sollte." Peters Antwort war ein trauriger Seufzer, als ob alle Last der Welt auf seinen Schultern ruhen würde. "Wir stehen das gemeinsam durch", betonte Nathan noch einmal. "Und der erste Schritt dazu sollte wohl ein Gespräch mit Mom sein." "Du willst Mom Rede und Antwort stehen lassen?" Peter war überrascht. "Ich kann es immer noch nicht glauben, dass sie etwas mit der ganzen Sachen zu tun gehabt haben soll." Er schüttelte ungläubig den Kopf. "Aber du hast Recht. Vielleicht kann sie uns weiterhelfen." "Na bitte." Nathans Miene hellte sich auf. "Ich bin gespannt, was bei der ganzen Angelegenheit herauskommen wird." "Da bist du nicht der Einzige", erwiderte Peter so leise, dass sein Bruder es kaum hören konnte. Gabriel Gray. 74 Stunden nach der Explosion. Ort: unbekannt. Als die Tür des Zimmers geöffnet wurde, saß Gabriel bereits lässig auf dem Bett und erwartete seinen Besucher. Er trug ein schwarzes T-Shirt und eine graue Hose, die er in dem Schrank neben der Tür gefunden und gegen die weiße Krankenhauskleidung getauscht hatte, in die er vorher gekleidet gewesen war. Sein Besucher war derselbe Mann, der ihn schon bei seinem ersten Erwachen begrüßt hatte. Er war groß, trug einen teuren Anzug und hatte einen schwarzen Aktenkoffer in der Hand. Seine kurzen braunen Haare unterstrichen sein junges Aussehen. Der Mann seinerseits sah Gabriel mit aufmerksamem Interesse an. "Hallo, Mr. Sylar." Er setzte sich Gabriel gegenüber auf das Sofa und legte seinen Aktenkoffer auf den Tisch. "Sie bevorzugen es doch, Sylar genannt zu werden? Allerdings würde ich es vorziehen, Sie bei Ihrem richtigen Namen zu nennen", fügte er hinzu. Gabriel verschränkte die Arme vor seiner Brust. "Es ist mir egal, wie Sie mich nennen. Tun Sie, was ihnen gefällt." Der Fremde lächelte und nickte, als ob er sich selbst etwas bestätigte. "Und wie ist Ihr Name?" Nicht, dass es Gabriel wirklich interessierte, aber es war einfacher, die Dinge bei ihren Namen zu nennen. Er hatte es immer schon vorgezogen zu wissen, mit wem er es zu tun hatte. "Benjamin Foster", antwortete der Andere. "Aber ich denke nicht, dass mein Name Ihnen etwas sagt." Er sah sein Gegenüber fragend. Als Gabriel keine Reaktion zeigte, fuhr Benjamin in geschäftsmäßigem Ton fort: "Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich Ihnen gerne ein paar Fragen stellen." "Oh, ist das etwa eine neue Methode?" Gabriel beugte sich vor und fixierte Benjamin mit seinem Blick. "Ihr versucht es jetzt erst mit einfachen Fragen-Antwort-Spielchen, bevor ihr eure Gefangenen foltert und seziert?" "Wenn Sie auf Ihre Gefangenschaft in der Firma anspielen, dann sollte ich Ihnen wohl besser mitteilen, dass ich nicht für diese Leute arbeite. Wir haben nicht das geringste mit der Firma zu tun, sondern sind eine vollkommen unabhängige Organisation. ... Außerdem haben wir nicht vor, Sie zu untersuchen", fuhr er nach einem kurzen Zögern fort. "Wir wissen im Moment genug über Sie und Ihre Fähigkeiten." "Ach, wirklich? Und was wollen Sie dann von mir? Mich einfach nur einsperren und ausfragen?", fragte er misstrauisch. "Oh, Sie sind kein Gefangener, wenn Sie das meinen, Gabriel. Sie können gehen, wann immer Sie möchten." Benjamin lächelte. "Die Sicherheitsvorkehrungen dieses Zimmers würden für Sie wahrscheinlich kaum ein Hindernis darstellen." "Dann verraten Sie mir doch bitte, was mich hier halten soll?" Gabriel beugte sich vor, in seiner Stimme schwang die Spur einer Drohung mit. "Wir wollen Ihnen helfen, das ist alles. Wie ich schon sagte, wir haben nichts mit der Firma zu tun, sondern verfolgen unsere eigenen Ziele. Auf unsere Art. Um genau zu sein sind sie ein Überbleibsel eines Problems, dem wir nachgegangen sind." "Wie bitte?" Gabriel hätte fast gelacht, so absurd hatte sich Benjamins letzter Satz angehört. "Im Moment kann ich Ihnen leider nicht mehr darüber sagen. Es gibt weitaus wichtigere Dinge zu besprechen", sagte Benjamin ernst und öffnete den Verschluss seines Aktenkoffers. "Ach, wirklich? Ich glaube nicht, dass es etwas gibt, dass ich mit Ihnen besprechen möchte." Gabriel entschied im Bruchteil einer Sekunde, dass es an der Zeit war, zu gehen. Dieser Benjamin musste lebensmüde sein, sich ohne Schutz in einen Raum mit ihm zu wagen. Danach geschah alles sehr schnell. Gabriel stand in einer schnellen, fließenden Bewegung vom Bett auf und hob die Hand, um Benjamin mit seiner Telekinese an die Wand zu schleudern. Benjamin bemerkte Gabriels Bewegung und seine Augen verengten sich, als er Gabriels Hand gegen sich gerichtet sah. Und dann – geschah nichts. Gabriel versuchte es erneut und konzentrierte sich auf seine Telekinese, doch seine Kräfte reagierten nicht. Er versuchte es noch ein weites Mal. Fehlanzeige. Auch auf seine anderen erworbenen Fähigkeiten konnte er nicht zugreifen. Er war vollkommen machtlos. "Was haben Sie mit mir gemacht?", knurrte er und sah Benjamin wütend an. Benjamins Antwort war nur ein selbstgefälliges Lächeln, als er Gabriel beobachtete. ~ To be continued. Kapitel 3: Fragen ----------------- A/N: Hallo, hier ist das nächste Kapitel. Ich war diese Woche ziemlich erkältet und hoffe deshalb, dass sich in keine großen Fehler in die Story geschlichen haben. @ Kabuto: Vielen Dank für deinen Kommentar! =) An untraveled Road Kapitel 3: Fragen "Du kannst weit weglaufen, du kannst dich in Sicherheit wiegen. Doch bist du wirklich entkommen? [...] Die Welt ist nicht klein – du bist es. Und das Schicksal kann dich überall finden." - Mohinder Suresh (1x08: Sieben Minuten bis Mitternacht) Gabriel Gray & Benjamin Foster. 74 Stunden nach der Explosion. Ort: unbekannt. Gabriel starrte Benjamin an, der ein selbstzufriedenes Lächeln aufgesetzt hatte. "Sie sollten Ihre Aggressivität besser in den Griff kriegen", meinte Benjamin in plauderhaftem Gesprächston. Dass Gabriel kurz davor gestanden hatte, ihn zu töten, war ihm entweder nicht bewusst oder es kümmerte ihn nicht. Gabriel vermutete, dass Letzteres zutraf. "Aber um ihre Frage zu beantworten: Im Moment blockiere ich Ihre Kräfte." "Sie haben dieselben Kräfte wie der Haitianer?" Gabriel konnte sich noch gut an seine letzte Begegnung mit diesem erinnern. "Nein. Der Haitianer beeinflusst den Geist eines Menschen. Ich hingegen kann den Körper eines Menschen lähmen – auch die Teile Ihres Gehirns, die Sie zur Kontrolle ihrer Fähigkeiten brauchen. Selbst, wenn Sie versuchen sollten, mich jetzt mit bloßen Händen anzugreifen, würde ich Ihren Körper gelähmt haben, bevor Sie mehr als ein paar Schritte machen könnten." Benjamin lächelte überaus freundlich und bedeutete Gabriel, wieder auf dem Bett Platz zu nehmen. Gabriel blieb stehen. "Also bin ich doch ein Gefangener", stellte er nüchtern fest. Benjamin schüttelte leicht den Kopf. "Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass es nicht so ist. Aber im Moment ist es besser, Ihre Kräfte ein wenig, sagen wir, zu begrenzen. Sonst würden Sie sicher etwas tun, was sie später bereuen." "So etwas, wie Sie zu töten?", erwiderte Gabriel mit eiskalter Stimme. Benjamin seufzte wie jemand, der einem ungezogenen, kleinen Jungen etwas beibrachte. "Genau so etwas." "Wieso?", war das Einzige, was Gabriel darauf erwidern konnte. Warum sollte es andere Leute kümmern, ob er seine Tat später bereute? Er verstand rein gar nichts mehr. "Nun ... Wie ich bereits sagte, Sie sind das Überbleibsel eines Problems, das wir gelöst haben. Und wenn wir einen Job erledigen, dann ganz, ohne Ausnahmen. Ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft gehört zu diesem Job." Gabriel konnte nur mit Mühe ein lautes Lachen unterdrücken. "Sie wollen mich wieder in die Gesellschaft eingliedern? Ich habe Menschen getötet, falls Sie das vergessen haben. Wenn Sie meine Kräfte nicht blockieren würden, wären Sie jetzt tot!" Benjamin sah Gabriel herausfordernd an. "Sind Sie sich da wirklich so sicher?" Die Frage überraschte Gabriel und er zögerte kaum merklich, als er antwortete: "Ja ... Ziemlich sicher." "Dann frage ich Sie Eines: Haben Sie sich in den letzten Monaten einmal Gedanken über Ihre Opfer gemacht? Wahrscheinlich nicht, oder?" Er hob eine Augenbraue und sah Gabriel fragend an. "Nein ... Wieso hätte ich das tun sollen? Sie waren Gefäße für Kräfte, die sie nicht verdient hatten." "Erinnern Sie sich an alle Ihre Opfer?", hakte Benjamin nach. "An Ihre Gesichter, auch wenn Sie Ihre Namen nicht kennen?" "Ich denke schon." Langsam beunruhigte Gabriel diese Fragerei. "Gut." Benjamin öffnete seinen Aktenkoffer und holte eine Dokumentenmappe heraus, aus der er ein paar Fotos nahm. Er schob sie Gabriel hin. "Bitte, schauen Sie sich diese Fotos an." Auf den Bildern war ein Mädchen zu sehen, dessen Schädeldecke abgetrennt worden war. Sie lag in einer Pfütze ihre eigenen Blutes, ihre Augen standen vor Entsetzen weit offen. Unwillkürlich schauderte Gabriel. "Was soll ich damit anfangen?", fragte er tonlos. "Charlie Andrews", meinte Benjamin, während er Gabriels Reaktion beobachtete. "Eines Ihrer Opfer. Erinnern Sie sich an diesen Mord?" Gabriel starrte die Fotos an und versuchte sich zu erinnern. Seine Erinnerungen waren verzerrt und verschwommen und es dauerte einige Zeit, bis er ihr Gesicht in seiner Erinnerung wiedergefunden hatte. "Die Kellnerin ...?", murmelte er nachdenklich und fuhr auf dem Foto mit dem Zeigefinger die Schnittwunde an ihrer Stirn nach. "Ja, sie war Kellnerin im Burnt Toast Diner in Midland", bestätigte Benjamin. "Tut es Ihnen Leid, dass sie sterben musste?" Wieder eine Frage, die Gabriel überraschte. Ob es ihm Leid tat? Während Gabriel versuchte, sich seine Erinnerungen wieder klarer ins Gedächtnis zu rufen, drehten sich seine Gedanken um diese Frage. Es hatte ihm damals nicht Leid getan. Warum sollte es das jetzt tun? Und doch ... Eine leise Stimme in seinem Inneren sagte ihm, dass er Reue fühlte. Dass es falsch war, dass dieses arme Mädchen hatte sterben müssen. Er schloss einen Moment lang die Augen, um sich zu sammeln. Als er sie wieder öffnete, lag kein Zweifel mehr in seinen Augen und seiner Stimme. "Sie ist tot", sagte Gabriel bestimmt. "Es macht keinen Unterschied, ob es mir Leid tut oder nicht." Benjamin nickte. "Da haben Sie Recht. Aber ... Es scheint mir, dass Sie selbst sich nicht so ganz darüber klar zu sein scheinen, was Sie denken sollen." Seine Augen erwiderten Gabriels Blick fest. Anscheinend war Gabriels kurzer, innerer Kampf besser nach außen hin sichtbar gewesen, als er gedacht hätte. "Wissen Sie noch, welche Fähigkeit Sie sich von Ihr angeeignet haben?", fuhr Benjamin fort. "Ihr verbessertes Gedächtnis", antwortete Gabriel ohne Zögern. "Dann ist es doch wirklich merkwürdig", meinte Benjamin und stand langsam vom Sofa auf, "dass es Ihnen so schwer fällt, sich an etwas zu erinnern – obwohl Ihr Gedächtnis doch ausgezeichnet funktionieren müsste." Sein Lächeln, als er sich mit einem kurzen Nicken von Gabriel verabschiedete und den Raum verließ, war ein wenig zu verständnisvoll. Angela Petrelli. Außerhalb von New York City. Angela Petrelli stand vor einem der großen Fenster im Wohnraum der Petrelli Mansion. Wenn jemand sie beobachtet hätte, dann wäre demjenigen schnell klar geworden, dass sie nicht auf den gut gepflegten Garten des Hauses blickte, sondern tief in Gedanken versunken war. Ihre Miene zeigte keine Regung und sie starrte die Glasfläche vor sich an, ohne bewusst hindurch zu schauen. Es klopfte an der Tür und einen kurzen Augenblick später trat eines der Dienstmädchen ein. "Mrs. Petrelli, die Gäste, auf die sie gewartet haben, sind eingetroffen." Die junge Frau sah ihre Arbeitgeberin fragend an, während sie auf weitere Anweisungen wartete. Angela drehte sich langsam um, während sie sich von den Gedanken löste, denen sich nachgehangen hatte. "Führen Sie sie bitte herein." Das Dienstmädchen nickte kurz und drehte sich dann um, um den Auftrag auszuführen. Angela sah ihr einen Moment lang hinterher, dann trat sie einige Schritte in die Mitte des Zimmers, um ihren Besuch besser empfangen zu können. "Bitte hier entlang", hörte sie die Stimme des Dienstmädchens, dann erschienen zwei Personen in der Tür. Die erste Person war ein junger Mann mit dunkler Haut und schwarzem, lockigen Haar, dem Angela vor gar nicht so langer Zeit schon einmal begegnet war. Die zweite Person war ein kleines Mädchen, das sich an der Hand des Mannes festhielt und Angelas musterndem Blick trotzig standhielt. Ein dünnes Lächeln tauchte angesichts der Sturheit des Mädchens unwillkürlich auf Angelas Lippen auf – ein Aufwallen von Muttergefühlen, das sie schon seit Jahren nicht mehr gespürt hatte. Merkwürdig, dass diese verschütteten Gefühle gerade jetzt wieder zum Vorschein kamen. Doch dies war wohl kaum der richtige Zeitpunkt, um ihnen nachzugeben. Schon gar nicht in Gesellschaft zweier Menschen, die sie für ihre Zwecke benutzen wollte. "Dr. Suresh", begrüßte sie den Begleiter des Mädchens. "Ich hatte schon angenommen, dass Sie Molly begleiten würden." Der Angesprochene zog das Mädchen dichter zu sich heran. "Molly wird bei mir bleiben. Ich weiß nicht, was Sie von ihr wollen, aber ich werde sie der Firma ganz sicher nicht zurückgeben." Angela lächelte nun ihr übliches kaltes Lachen. "Von was für einer Firma sprechen wir hier?", fragte sie in beiläufigem Ton, der nicht erkennen ließ, ob sie wirklich nicht wusste, wovon Mohinder sprach. "Verkaufen Sie mich nicht für dumm", erwiderte Mohinder kalt. "Wenn die Mutter eines örtlichen Politikers eine Limousine inklusive Aufpasser schickt, um ein kleines Mädchen abzuholen, dann ist das mehr als verdächtig. Ich denke, Sie wissen genau, wovon ich spreche." Mohinders Blick bohrte sich herausfordernd in Angelas Augen. "Ihr Scharfsinn ist wirklich bemerkenswert, Doktor. Gut. Dann lassen wir die Spielchen." Angela macht eine wegwerfende Geste mit der Hand. "Es hat einen Grund, warum ich Sie sprechen möchte. Ich habe einen Job, für den ich Sie und Molly brauche." "Ich habe nicht vor, der Firma irgendwelche Dienste zu erweisen", sagte Mohinder und warf Molly einen kurzen Blick zu. "Ich würde es begrüßen, wenn Sie sowohl mich als auch Molly in Zukunft in Ruhe lassen würden." "Das würde ich gerne tun, Dr. Suresh", meinte Angela mit gespieltem Bedauern. "Aber leider hat die Firma noch die Vormundschaft für ihren Schützling. Es wird kaum ausbleiben, dass Sie unbehelligt bleiben – und Kindesentführung dürfte sich auf Ihren Ruf nicht gerade positiv auswirken." "Ich lasse mich von Ihnen nicht erpressen", erwiderte Mohinder aufgebracht. "Oh, ich habe nicht vor, Sie zu erpressen. Im Gegenteil, ich werde veranlassen, dass Ihnen die Vormundschaft für Molly übertragen wird. Immerhin scheint sie bei Ihnen in guten Händen zu sein." "Damit ich Ihnen einen Gefallen schuldig bin?", stellte Mohinder mit unverhohlenem Abscheu fest. "Ich möchte nur, dass Sie jemanden für mich finden. Das wird Ihnen mit Hilfe der Liste Ihres Vaters wohl nicht schwer fallen. Und umso weniger, da Molly sich in Ihrer Obhut befindet." Angela warf dem Mädchen einen viel sagenden Blick zu. "Der Computer, auf dem sich diese Liste befand, wurde während eines Kampfes zwischen ihrem Sohn und Sylar zerstört." Mohinder schüttelte missbilligend den Kopf. "Ich kann Ihnen nicht helfen." "Es gibt doch sicher eine Kopie", beharrte Angela, doch Mohinder brachte sie mit einem weiteren Kopfschütteln zum Schweigen. "Bedauere, aber es war die einzige", antwortete er. Angela stieß ein leises Seufzen aus. Das bedeutete einen Wechsel in ihrer Strategie und eine Verzögerung ihrer Pläne, die ihr nicht gefiel. "Na gut. Dann müssen Sie diese Person eben ohne die Liste Ihres Vater ausfindig machen." Sie ging zu dem niedrigen Couchtisch, der vor dem eleganten Ledersofa an der Ostseite des Zimmers stand, und nahm einen Umschlag in die Hand, der Mohinder vorher nicht aufgefallen war. "Hier finden Sie die gesamten Informationen, die wir über jene Person finden konnten ... Ich werde Sie nicht zwingen, der Sache nachzugehen, aber es wäre für die Zukunft der Menschen besser, wenn jemand diese Person findet. Diese Person hat schon genug ... Unannehmlichkeiten verursacht." Mit diesen Worten übergab Angela dem Genetiker den Umschlag. "Ich wünsche Ihnen alles Gute, Dr. Suresh. Passen Sie gut auf Molly auf", sagte sie und ihrer Stimme und ihrem Blick lag eine unterschwellige Warnung. "Auf Wiedersehen." Damit waren Mohinder und Molly entlassen und Angela musste sich der Tatsache bewusst werden, dass sie in ihren Plänen kein Stück weiter gekommen war. ~ To be continued. Kapitel 4: Entscheidungen ------------------------- A/N: Hallo, hier ist das neue Kapitel, welches ziemlich lang geworden ist. Langsam entspinnen sich die Haupthandlungsstränge und ich weiß mittlerweile auch ziemlich genau, wohin diese Stränge führen werden ... Gabriel kommt in diesem Kapitel nur indirekt vor, aber dafür wird es im nächsten Kapitel dann eine Extraportion von ihm geben ;) Viel Spaß beim Lesen, Eure Gaya @ Kabuto: Danke, hoffe die Story gefällt dir auch weiterhin ^^ @ Kashika_Hatake: Danke für deinen tollen Kommentar, so etwas spornt wirklich zum Weiterschreiben =) Als ich mit dieser Story anfing war für mich von Anfang an klar, dass sie sich genauso wie die Originalserie in kleinen Stücken zu einem großen Puzzle hin aufbauen würde. Und anscheinend habe ich geschafft, was ich angestrebt habe, nämlich den Flair der Serie zu erhalten ^^ Und das finde ich ist das schönste Kompliment für einen ff-Autor =) An untraveled Road Kapitel 4: Entscheidungen "Trotz allen Aufbegehrens ist es dem Menschen nicht vergönnt, seine Bestimmung selbst zu wählen. Er kann nur entscheiden, wie er sich dem Ruf des Schicksals stellt, und hoffen, dass er den Mut findet, ihm zu folgen." - Mohinder Suresh (1x02: Kein Blick zurück) Peter Petrelli. Außerhalb von New York. Unruhig rutschte Peter auf dem Sitzplatz im hinteren Teil des Taxis herum, das er genommen hatte, um zur Petrelli-Villa zu gelangen. In Gedanken ging er immer und immer wieder durch, was er seine Mutter fragen wollte. Oder vielmehr womit er sie konfrontieren wollte. Nervös strich er sich eine Strähne seines schwarzen Haares aus der Stirn. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen auf Nathan zu warten, aber er hatte es einfach nicht mehr ausgehalten still dazusitzen und die Minuten bis zu seiner Rückkehr zu zählen. Sein Bruder war in das Wahlkampfbüro gerufen worden, um Gratulationen und Glückwünsche von anderen Kongressabgeordneten in Empfang zu nehmen. Das war jetzt drei Stunden her, gerade als die beiden sich dazu entschieden hatten, ihre Mutter Rede und Antwort stehen zu lassen. Peter hatte Nathan versprechen müssen, nichts Unüberlegtes zu tun und der Jüngere hoffte, dass Nathan später keinen Grund dazu haben würde, ihn zurechtzuweisen. Ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte, würde sich bald zeigen. Der Schwarzhaarige ließ seinen Kopf gegen die Kopfstütze seines Sitzes sinken und betrachtete in Gedanken versunken die Welt, die vor den Scheiben an ihm vorbei rauschte. Wahrscheinlich war es wirklich an der Zeit, dass er unabhängiger von seinem Bruder wurde. Er musste wirklich lernen, hinter seinen Entscheidungen zu stehen, auch wenn sie nicht Nathans Vorstellungen entsprachen. Wenige Minuten später hatte das Taxi sein Ziel erreicht und nachdem Peter den Fahrer bezahlt hatte, fand sich der junge Krankenpfleger auf der Straße vor dem Haus seiner Kindheit wieder. Sein Herz pochte, als er unschlüssig auf dem Gehweg stehen blieb und die Villa betrachtete. Es war ein altes Haus, geräumig und mit einem wunderschönen Garten ausgestattet, den man von der Straße aus aber nicht einsehen konnte. An den Wänden um die Eingangstür rankte Efeu empor, der dem Anwesen ein erhabenes Aussehen verlieh. Peter holte tief Luft und ging langsam auf die Tür zu. Er klingelte und eine halbe Minute später öffnete ihm eines der Hausmädchen die Tür, das ihn überrascht hineinließ. Er fragte die Angestellte, wo seine Mutter sich aufhalte und sie antwortete, dass Angela sich im Wohnzimmer befinde. Peter bedankte sich bei der jungen Frau für die Auskunft und begab sich zum besagten Raum. Zögernd öffnete er die Tür und trat dann langsam in den Raum. Seine Mutter saß auf dem Ledersofa vor der rechten Wand des Zimmers und trank Tee. Als ihr Sohn hereintrat, schaute sie auf und zog überrascht eine Augenbraue hoch. "Hallo Mutter", sagte Peter. Er blieb vor der Tür stehen. "Peter. Hallo." Angela stellte ihre Teetasse auf den Untersetzer auf dem niedrigen Tisch vor ihr. Dann stand sie auf, strich mit geschmeidigen Bewegungen ihren Rock glatt und kam auf ihn zu. "Es tut gut, dich lebendig zu sehen." Sie umarmte ihn, aber Peter erwiderte die Umarmung nur sehr zögernd. "Mom", begann der Jüngere, als seine Mutter ihn aus ihren Armen entließ. "Mom, ich bin hier um mit dir über das zu sprechen, was passiert ist. Über das, was du ... was du tun wolltest." Seine Augen suchten die ihren, doch Angela wandte abrupt den Blick ab und drehte sich um. "Es tut mir leid, Peter", sagte sie und entfernte sich einige Schritte von ihm. "Ich schulde dir und deinem Bruder wohl ein paar Antworten." Sie wandte sich wieder zu ihrem Sohn um und schenkte ihm ein schwaches Lächeln. Peter runzelte die Stirn. "Stört es dich gar nicht, dass ich ohne Nathan gekommen bin?" "Oh, ich habe mir schon gedacht, dass du allein kommen würdest. Ich war mir nur nicht sicher, wann." Sie lächelte erneut. "Dein Bruder hat sicher etwas wichtiges zu tun, aber ich habe keinen Zweifel daran, dass du ihn später über diese Unterhaltung in Kenntnis setzen wirst." Als Peter nichts erwiderte, fuhr sie fort: "Ich will mich nicht für dafür entschuldigen, dass ich die Zerstörung von New York mitgeplant habe. Ich bin immer noch davon überzeugt, dass es das Richtige für die Menschheit gewesen wäre. Aber ich bedauere, dass du der explodierende Mann sein solltest. Peter, wenn du Claire nicht begegnet wärst ..." Sie schluckte und blickte ihren Sohn besorgt an. Ihre schmale Gestalt schien in sich zusammenzusinken. "Ich wollte dich nicht verlieren. Ohne Claires Selbstheilungskräfte wärst du jetzt tot." Peter war sprachlos. Diese Reaktion hatte er von seiner Mutter ganz bestimmt nicht erwartet. "Aber ich lebe noch", sagte er sanft. "Ja, und ich möchte, dass das so bleibt." Angelas Haltung straffte sich wieder, als sie zu ihrer gewohnten Strenge zurückkehrte. "Ich hatte heute eine Unterredung mit Dr. Suresh, du erinnerst dich doch sicher an ihn?" "Ja, ich weiß wen du meinst. Ich wollte ihn in den nächsten Tagen selbst besuchen, weil ... Ich will diese Kräfte nicht mehr. Wenn meine Kräfte so instabil bleiben wie jetzt, werde ich irgendwann noch Menschen verletzten." Angela unterbrach Peter, bevor er mehr sagen konnte. "Es gibt eine Theorie, die erklären würde, warum du deine Kräfte kurz vor der Explosion nicht mehr kontrollieren konntest. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es nicht deine Schuld war." Peter runzelte verständnislos die Stirn. "Wessen Schuld soll es denn dann gewesen sein?" "Weißt du", begann Angela ausweichend, "Das solltest du Dr. Suresh vielleicht besser selbst fragen. Ich habe ihm alle relevanten Unterlagen mitgegeben und zu zweit werdet ihr sicher schnell eine Lösung für dein Problem finden." "Mom, warum sagst du mir nicht einfach, was los ist?", fragte Peter "Die Dinge sind im Moment ein wenig kompliziert. Ich gehöre einer Organisation an, der Linderman vorstand. Jetzt, wo er tot ist, wird jemand sein Amt übernehmen müssen und ich gehöre ebenfalls zu den Kandidaten für seine Nachfolge. Ich bitte dich, keine weiteren Fragen darüber zu stellen, mehr kann ich dir im Moment nicht sagen", fügte sie hinzu, als Peter dazu ansetzte, etwas zu sagen. "Bitte geh jetzt, ich habe gleich noch einen Termin." "Aber ..." Peter wollte nicht einfach so abgeschoben werden. Er hatte noch nicht die Antworten, wegen denen er gekommen war. "Wie gesagt, im Moment ist es ungünstig, Fragen zu stellen." Angela maß Peter von Kopf bis Fuß mit einem abschätzenden Blick. "Du hast dich verändert. Vielleicht steckt ja doch ein Kämpfer in dir." Sie umarmte ihn noch einmal zum Abschied. Dann schob sie Peter zur Tür. "Geh jetzt. Richte Nathan aus, dass ich eure Fragen noch nicht beantworten kann." Sie zögerte und fügte dann hinzu: "Es wird sich alles zu gegebener Zeit aufklären. Ganz bestimmt." "Mom –" Peter verstand die Reaktion seiner Mutter nicht. "Auf Wiedersehen, Peter. Grüß deinen Bruder von mir." Angela lächelte und schob ihn in den Flur, bevor sie die Tür hinter ihm schloss. Ungläubig starrte der Jüngere einige Sekunden lang die Tür an, bevor er sich umdrehte und in Gedanken versunken das Haus verließ. Er achtete nicht besonders auf seine Umgebung und rempelte schließlich jemanden auf dem Gehweg an. "Entschuldigung", murmelte er und ging weiter. Während er am Straßenrand auf ein Taxi wartete, dass er heranwinken konnte, bemerkte er nicht, dass der Mann, den er angerempelt hatte, in einiger Entfernung stehen geblieben war. Er bemerkte bemerkte auch nicht, dass der fremde Mann zufrieden lächelte, als er Peter beobachtete. Emilio Estevarez. Außerhalb von New York. Zufrieden lächelte Emilio, als er Peter Petrelli in ein Taxi einsteigen sah. Jetzt, wo er jemanden gefunden hatte, der jede Fähigkeit, die ihm begegnete, in sich aufnehmen konnte, fehlte ihm nur noch eines, damit sein Plan gelingen konnte: Das Blut von jemandem, der unverwundbar war. Ein stummer Triumph breitete sich auf Emilios Gesicht aus. Denn er wusste genau, wie er an solches Blut gelangen konnte. Mohinder Suresh. Brooklyn, New York. Nach dem Treffen mit Angela Petrelli war Mohinder froh, heil davon gekommen zu sein. Es war wirklich beängstigend, wie viele Leute in die Machenschaften der Firma involviert waren. Normale Menschen; Bürger, die man für rechtschaffend hielt. Er hoffte nur, dass Mrs. Petrelli wirklich ihr Wort halten und Molly bei ihm lassen würde. Das Mädchen hatte schon genug durchgemacht. Der Umschlag, den sie ihm mitgegeben hatte, lag jetzt auf dem Schreibtisch seines verstorbenen Vaters. Der junge Genetiker hatte Molly vor einer halben Stunde ins Bett gebracht und sie war sofort in einen ruhigen Schlaf gefallen. Er selbst war noch viel zu aufgewühlt, um schlafen zu können. Unruhig ging er in der Wohnung umher und versuchte, seine aufgewühlten Gedanken zu ordnen. Ob er Matt anrufen sollte? Der Ex-Cop lag nach den Verletzungen, die Sylar ihm vor der Explosion zugefügt hatte, im Krankenhaus. Mohinder hatte ihn zusammen mit Molly des Öfteren in den vergangen Tagen besucht und es schien sich langsam herauszukristallisieren, dass sie sich gemeinsam um das Mädchen kümmern würden, sobald Matt wieder genesen war. Der junge Genetiker schüttelte den Kopf. Vielleicht schlief Matt schon und Schlaf war etwas, dass er dringend nötig hatte, um wieder auf die Beine zu kommen. Er würde ihn am nächsten Morgen anrufen, sobald er Molly in die Schule gebracht hatte. Nach einem weiteren Gang durch die Wohnung ließ Mohinder sich unruhig auf dem Drehstuhl vor dem Schreibtisch nieder und ließ seinen Blick über die Unordnung vor ihm wandern. Der Tisch war mit Büchern, Fachzeitschriften und Computerausdrucken beladen, obenauf lag der mysteriöse Umschlag von Angela Petrelli. Der Inder starrte das braune Papier einen Moment lang an. 'Was soll's', dachte er dann, 'Ich kann sowieso nicht schlafen. Wollen wir doch mal sehen, was die Firma von mir will.' Er griff nach dem Umschlag, öffnete ihn und holte mehrere Seiten Papier hervor. Es war ein Laborbericht, welchen Mohinder rasch überflog. Auf den letzten beiden Seiten waren mehrere Stellen mit Textmarker markiert worden. Er las sie, stockte und las sie erneut. "Oh mein Gott", entfuhr es ihm. Er griff zum Telefon und wählte die Nummer von Matts Krankenhauszimmer. Nach dem dritten Klingeln meldete sich die verschlafene Stimme des ehemaligen Polizisten. "Ja? Wer ist da?" "Matt, hier ist Mohinder." "Ist etwas mit Molly?", hakte der Andere besorgt nach. "Nein, nein, Molly geht es bestens." Mohinder machte eine kurze Pause, um sich zu sammeln. "Ich hatte heute eine Unterredung mit Angela Petrelli –" "Mit der Mutter des Politikers?", fragte Matt verwundert. "Ja, genau die. Sie hat mich und Molly abholen lassen und wollte, dass ich etwas für sie und die Firma erledige." "Du hast doch hoffentlich abgelehnt?" "Natürlich, aber sie hat mir etwas mitgegeben ..." Der Genetiker nahm eine der beiden letzten Seiten in die Hand und überflog noch einmal kurz die markierten Stellen. "Es ist ein Forschungsbericht der Firma. In ihm geht es darum, dass vor gut sechs Monaten viel mehr weiterentwickelte Menschen als gewöhnlich ihre Kräfte manifestierten. Und es soll kein Zufall gewesen sein, dass gerade in New York eine solche Häufung aufgetreten ist." "Was soll das heißen? Dass die Firma daran Schuld ist? Ted Sprague und ich hatten ebenfalls die Theorie, dass die Firma uns unsere Kräfte gegeben habe." Matts Stimme klang skeptisch. "Nein, nicht die Firma", brachte Mohinder ihn von seinen Vermutungen ab. "Im Bericht wird eine andere Theorie aufgestellt." "Und die wäre?" "Ein weiterentwickelter Mensch soll sich in der Zeit vor sechs Monaten hier in New York aufgehalten haben. Jemand, der die Fähigkeit besitzt, die Kräfte anderer Menschen zu verstärken." Am anderen Ende der Leitung herrschte einen Moment lang Stille. Dann meinte Matt: "Du meinst, dass der, der diese Fähigkeit hat, unsere Kräfte ... irgendwie ... ausgelöst hat?" "Das denke ich. Diese Person hat die Kräfte von vielen weiterentwickelten Menschen geweckt, die sich sonst vielleicht nie manifestiert hätten – die Firma nimmt das jedenfalls an." "Aber wenn die Firma von dieser Person weiß, wozu braucht sie dann dich?" Mohinder konnte Matts Stirnrunzeln praktisch vor sich sehen. "Mrs. Petrelli meinte, sie bräuchte mich, um diese Person zu finden und dass mir diese Aufgabe mithilfe von Molly und der Liste meines Vaters nicht schwer fallen würde. Anscheinend ist sie davon überzeugt, dass diese Person auf der Liste stand." "Die mittlerweile nicht mehr existiert", vervollständigte Matt Mohinders Gedankengänge. "Also möchte die Firma die Kraft dieser Person für sich nutzen, weiß aber nicht, wer diese Person ist und wie sie sie finden können." "Genau das habe ich mir auch gedacht. Ich hatte nicht vor, die Person zu finden, aber jetzt ... Es wäre wirklich besser, wenn sie gefunden wird. Aus dem Bericht hervorgeht, dass die Person sich ihrer Kräfte wahrscheinlich nicht bewusst ist. Außerdem wurde der Bericht kurz nach der Explosion erweitert. Anscheinend war diese Person zur Zeit der Explosion in New York und ... Es ist gut möglich, dass die Kräfte dieser Person Peters angenommene Fähigkeiten unbewusst verstärkt haben, so dass er die Kontrolle über sie verlor." "Aber das würde ja bedeuten, dass diese Person für die Explosion verantwortlich ist?" Mohinder schwieg und auch am anderen Ende der Leitung herrschte Stille. "Was sollen wir jetzt tun?", fragte Matt schließlich nach einiger Zeit, die Mohinder wie eine Ewigkeit vorgekommen war. "Zuerst einmal sollte Peter davon wissen", überlegte Mohinder, "Damit er sich darauf einstellen kann, dass es jemanden gibt, der seine Kräfte durcheinander bringen kann. Ich werde ihn morgen früh anrufen." "Moment mal – Angela Petrelli ist doch auch die Mutter von Peter Petrelli?", fragte Matt misstrauisch. "Hätte sie ihren Sohn nicht warnen können, wenn sie von dieser Person wusste?" Mohinder hatte sich diese Frage auch schon gestellt. "Darauf weiß ich auch keine Antwort. Angela scheint ihr eigenes Spiel zu treiben. Und ich bin mir noch nicht sicher, auf welcher Seite sie steht." Sarah Hallington. Ein stillgelegter Atombunker, ca. 15 km von New York City entfernt. Aufgebracht lief Sarah durch die Gänge des alten Atombunkers. Ihr Ziel war der Observationsraum im dritten Untergeschoss des stillgelegten und mittlerweile umfunktionierten Schutzgebäudes. Sie war nicht darum gebeten worden zu kommen, aber nachdem sie erfahren hatte, was Benjamin im Moment tat, hatte sie keine Wahl gehabt. Ihr wäre es lieber gewesen, wenn nichts von den Ereignissen der letzten Monate etwas mit ihr zu tun gehabt hätte, aber manchmal konnte man dem Erbe seines Blutes nur schwer entkommen. Sie seufzte innerlich, als sie den letzten Gang entlang eilte und die Tür des Observationsraumes vor sich sah. Eigentlich wollte sie Benjamin nicht zusammenstauchen, aber er verdiente es dieses Mal nicht anders. Rasch zog sie die Tür auf und rief in den Raum: "Ich will ihn sehen!" Benjamin wäre vor Schreck fast von seinem Stuhl gefallen, als sie plötzlich im Raum stand und drohend auf ihn zu kam. "Was machst du denn hier?", fragte er misstrauisch, als er sich wieder gefangen hatte. "Drei Mal darfst du raten." Sarah baute sich mit verschränkten Armen vor ihm auf. "Du kannst ihn nicht einfach gefangen halten. Das entspricht einfach nicht den Regeln dieser Einrichtung –" "Jetzt beruhige dich erst einmal!" Abwehrend hob der Braunhaarige die Hände. "Ich habe dich nicht von unseren Plänen in Kenntnis gesetzt, damit du dich unberechtigterweise aufregst." "Unberechtigt?" Empört deutete die Blondhaarige auf die Monitore, die zwei Wände des Raumes bedeckten. Unter ihnen waren Steuerkonsolen auf Schreibtische montiert worden, vor einem davon saß Benjamin und hatte anscheinend bis vor kurzem einen der Monitore beobachtet. Gut drei Viertel der Bildschirme im Raum waren angeschaltet und zeigten verschiedene Gänge und Zimmer des Bunkers; in der Mitte des Raumes waren mehrere Tische und Stühle zu einem behelfsmäßigen Konferenztisch zusammengeschoben worden. "Das hier ist nicht die Firma! Du kannst ihn nicht gefangen halten und bespitzeln. Er war ein halbes Jahr verschwunden und du hast ihm bisher noch nicht einmal erzählt, was mit ihm passiert ist." Benjamin seufzte langsam. "Ich hielt es für besser, ihn eine Weile unter Beobachtung zu stellen. Zu seiner eigenen Sicherheit. Mr. Gray empfindet Reue, das ist schon ein großer Schritt in die richtige Richtung." "Und ich würde Gabriel gerne sehen. Wenn ich an seiner Stelle wäre und denken würde, dass ich diese ganzen Menschen umgebracht hätte ..." Sarah schluckte und blickte auf den Monitor, den Benjamin beobachtet hatte. Auf ihm war Gabriels Zimmer zu sehen, selbiger saß zusammengesunken auf dem Bett und hatte den Kopf in seinen Händen vergraben. "... Ich würde wahnsinnig werden", beendete Sarah ihren Gedanken. "Meinst du nicht, dass es ihn ein wenig überfordern würde, wenn du ihn jetzt schon triffst? Er sollte sich lieber an die neuen Umstände gewöhnen, bevor du ... tust was du tun willst." Die junge Frau wandte sich von dem Bildschirm ab und ging auf die Tür zu. "Na gut. Aber quäl' ihn nicht, verstanden? Er hat es wirklich verdient, die Wahrheit zu erfahren. Ich werde jetzt Rachel besuchen und dann ein paar Tage hier bleiben." "Das kannst du gerne tun." Gleichgültig zuckte Benjamin mit den Schultern. Nachdem Sarah den Raum verlassen hatte, kehrten seine Augen zum Monitor zurück. Er war wirklich gespannt, wie das neueste Projekt der Organisation sich entwickeln würde. [Fortsetzung folgt ...] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)