The short stories of Eternity Sword von Flordelis (Kurzgeschichtensammlung) ================================================================================ Der Gott der Zerstörung ----------------------- Man nannte mich einst Jiruol, den Gott der Zerstörung und des Schlachtens. Mein Name wurde weithin im gesamten Zeitbaum gefürchtet. Man flüsterte, wisperte ihn leise und heimlich in geschlossener Runde, aus Furcht, meinen Zorn auf sich zu ziehen. Ich kannte keine Gnade, wer mir im Weg stand wurde ausgelöscht, ohne Rücksicht auf die Motivation meines Gegenübers. Ich hatte Macht und dafür lagen die Frauen mir zu Füßen, verehrten mich und verzeihten mir jede noch so brutale Auslöschung eines anderen Lebewesens. Es gab nichts, was mir nicht gelang und ich wusste, ich würde mein Ziel bald erreichen. Ich würde bald wieder zu meiner alten Macht zurückfinden. Sie hatten geglaubt, sie könnten mich wegsperren und mich langsam sterben lassen. Sie hatten geglaubt, sie könnten aus Bruchstücken meiner Macht neue Götter schaffen. Doch ich würde ihnen zeigen, was es bedeutete, sich mit Jiruol anzulegen. Ich würde sie bereuen lassen, je meinen Namen gehört zu haben. Sie alle sollten mich in meiner vollen Blüte erleben – kurz bevor ich sie auslöschte. Es fehlte nicht mehr viel, nicht mehr viele Götter und ich würde vollständig sein. Doch dann kam er dazwischen. Rutsurujis Selbstmord an der Schwelle zum Tod nahm mir nicht nur die Möglichkeit, seine Macht in sich aufzunehmen, sondern sorgte auch für eine für mich gefährliche Situation, indem das Mana unkontrollierbar wurde. Narukana, meine letzte Gefährtin, opferte sich, um das Mana wieder zu beruhigen. Zurückgelassen, allein stand ich im Inneren des Zeitbaums, nicht wissend, wohin ich als nächstes gehen sollte. Doch die Entscheidung wurde mir bereits abgenommen, denn Faim, die Frau, die ebenfalls bei uns gewesen war, wendete sich plötzlich gegen mich. Ich tat, was ich konnte, doch am Ende siegte sie, als mein natürlicher Feind. Ich, Jiruol, besiegt von einer Frau! Einer Frau, die als mein Feind erschaffen wurde! Doch diesmal wurde ich nicht nur eingesperrt, diesmal wurde ich getötet, endgültig. Die Welt um mich herum wurde schwarz – und dann war da nur noch Stille. Ich weiß nicht, wie viele Jahre vergangen waren, als mein Bewusstsein zu mir zurückkehrte. Mich wieder aus der tiefen Dunkelheit holte, die mich samtig umhüllt hatte. Die Erinnerungen kehrten langsam zurück, suchten mich heim und führten mir meine Vergangenheit immer und immer wieder vor Augen. Wenn sie mich verließen, um auf eine neue Gelegenheit zum Zuschlagen zu warten, ließen sie mich nicht gebrochen zurück, sondern stärker als zuvor, entschlossen, mich an all jenen zu rächen, die mich hierhin verbannt hatten. Doch wohin? Die Erkenntnis ließ nicht lange auf sich warten, traf mich dafür aber umso unerwarteter. Ich, Jiruol, der Gott der Zerstörung, der mit einem einzigen Wort für Chaos und Angst im Zeitbaum gesorgt hatte, der nie vor einem Kampf weggelaufen war – war in einem menschlichen Körper wiedergeboren worden! In einem schwachen, zerbrechlichen Menschenkörper. Womit hatte ich ein solches Schicksal, das mir fast grausamer als der Tod schien, verdient? Nicht ich hatte den Krieg angefangen, im Gegenteil, ich hatte ihn sogar beenden wollen – meine Methoden mögen fragwürdig gewesen sein, doch waren meine Ziele zumindest anfangs edel gewesen. Was geschehen wäre, wenn ich den Krieg beendet hätte, vermag ich nicht zu sagen. Womöglich hätte ich den Zeitbaum verlassen, also warum musste so etwas geschehen? Und der Krieg... war er vorbei? Tobte er immer noch? Andererseits: Mit wem sollte er toben? Ich hatte die Mächte aller Götter bis auf Rutsurujis in mir aufgenommen, konnte es sie überhaupt noch geben? Aber bevor ich mir Gedanken über die anderen Götter machte, musste ich mir Gedanken machen, wie ich aus diesem Körper ausbrechen – oder ihn mir zu eigen machen – könnte. Auch wenn meine Erinnerungen wieder da waren, meine Macht war ohne einen Körper, mit dem ich sie benutzen konnte, nichts wert. Und mit jedem Jahr wuchs das Bewusstsein des Junge, in dem ich lebte, noch mehr und verdrängte mich. Egal wie sehr ich versuchte dagegen anzukämpfen, er ließ nicht locker und ging weder auf meine Schmeicheleien noch auf meine Drohungen ein. Ich musste mich wohl damit abfinden, dass ich nie wieder zu meiner alten Form zurückkehren würde, auch wenn ich diesen Gedanken hasste und ihn verabscheute. Doch meine Chance kam. Der Junge brauchte Hilfe, um seine kleine Freundin zu beschützen – vor einem Hund. Ich war der Gott der Zerstörung, ich sollte mich mit einem Hund abgeben? Doch trotz meines Sträubens half ich ihm schließlich, gab ihm die Macht, die er brauchte, um den Hund auszulöschen. Ich genoss dieses Gefühl, ein Leben auszulöschen, auch wenn es kein Menschenleben war, ich hatte es so lange nicht mehr getan, es war ein wundervolles Gefühl! Dem Jungen gefiel es allerdings gar nicht. Er fürchtete sich mehr als zuvor vor dem, was in ihm lauerte, vor mir. Und ich unterstützte diese Furcht mit Einflüsterungen und Albträumen, die ich ihm bescherte. Wenn der Junge seinen Körper freiwillig aufgab, würde er mir gehören und ich könnte endlich wieder meine volle Kraft nutzen. Und dann eines Tages... kehrten die Eltern des Jungen nicht nach Hause zurück. Einsam und verloren wand sich seine Seele vor mir, flehte um Mitleid und Hilfe. Erbärmlich, was einen Menschen zerbrechen konnte, statt ihn stärker zu machen, was für mich nur normal gewesen wäre. Ich sah meine Chance gekommen, sein Bewusstsein endgültig auszulöschen und seinen Körper zu übernehmen, um den Zeitbaum in ein neues Zeitalter der Furcht und der Schmerzen zu führen. Doch da fiel mir etwas an ihm auf. Dieser Junge hatte etwas, eine ganz besondere Fähigkeit, die ich nie gehabt hatte, die ich nie haben würde, die aber wichtig war, wenn ich die ultimative Waffe verwenden wollte. Der Junge hatte die Fähigkeit, sein Herz mit dem anderer Menschen zu verknüpfen, Freundschaften herzustellen und sie zu pflegen, auf dass sie wachsen. Etwas, was ich nie gelernt hatte, nie hatte einsetzen können, egal wieviel Macht ich auch besaß, egal wie sehr ich es mir gewünscht hatte. In diesem Moment, als ich ihn so vor mir liegen sah, reifte ein Plan in mir heran. Ich würde diesem Jungen meine Aufmerksamkeit schenken, ihn erziehen, zu einem Kämpfer machen, damit er eines Tages die Waffe für mich führen könnte. Der Tag, an dem ich hoffentlich endlich meine Rache vervollständigen könnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)