The short stories of Eternity Sword von Flordelis (Kurzgeschichtensammlung) ================================================================================ Contenance ---------- Ein wenig unwohl fühlte sie sich schon, als sie die Stadttore hinter sich ließ und langsam auf den Palast zulief. Allerdings lag es keineswegs an ihrem Begleiter, der sich äußerst neugierig umsah, sondern einzig und allein an der Furcht vor dem, was eine bestimmte Person über ihn zu sagen hätte. Natürlich liebte sie ihn, besonders dafür, dass er alles in seinem Leben für sie geopfert hatte, seine Familie, seine Heimat... für ihn gab es nur noch sie. Aber was, wenn ihre rechte Hand in ihm nicht dasselbe sehen würde wie sie? Was, wenn das Volk ihn nicht mögen würde? Ein wenig verunsichert blickte sie zu Cynard hinüber, der neben ihr lief. Selbst in einer vollkommen fremden Umgebung wirkte er so als ob er über alles die Übersicht besitzen würde. Keine einzige nervöse Falte, kein bisschen Unsicherheit, es war als ob er schon immer hier gelebt hätte und nun nach einer langen Reise heimkehrte – also in etwa so wie sie sich fühlen müsste. Sein selbstsicherer Blick, obgleich er nicht ihr galt, entlockte ihr ein Lächeln und ließ auch sie wieder ein wenig positiver sehen. Bestimmt wäre ihr erster Ritter genauso begeistert von diesem Mann wie sie. Sie hatten gerade die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht, als plötzlich einige der Stadtbewohner auf sie aufmerksam wurden. Kaum war das geschehen, wurden sie plötzlich von Leuten umlagert, die alle gleichzeitig auf sie einsprachen. Kurz zuvor war ihr gar nicht aufgefallen, wie viele Personen sich außer ihnen auf den Straßen befunden hatten. Hilflos lächelnd sah sie von einem zum anderen, aber keiner schien einem anderen den Vortritt lassen zu wollen, so dass die Stimmen immer noch durcheinander sprachen und ihr nicht einmal die Möglichkeit gaben, darauf zu reagieren, da sie keine der Fragen verstehen konnte. Erst als die Blicke auf Cynard fielen, verstummten alle nach kurzer Zeit wie bei einem Kollektiv. Katima sah ebenfalls zu ihm hinüber, um seine Reaktion zu betrachten. Erstaunt nahm sie zur Kenntnis, dass keinerlei Unbehagen in seinem Gesicht zu lesen war. Nein, er wirkte so normal wie eh und je. Ein leises, verträumtes Seufzen entfuhr ihr, was sofort von allen zur Kenntnis genommen wurde und sie dieses sofort bereuen ließ. „Eure Majestät, wer ist dieser Mann?“, fragte ein Soldat, der ebenfalls in der Menschenmenge stand und als einziger seine Sprache wiedergefunden zu haben schien. Sie zögerte einen Moment. Sollte sie wirklich hier, direkt nach ihrer Rückkehr, bereits sagen, wie sie zu Cynard stand, noch bevor Kuromei ihn überhaupt gesehen hatte? Sollte sie dem Volk ihren Plan mitteilen? Wieder warf sie einen prüfenden Blick zu Cynard, der immer noch schwieg und ihr offenbar die Wahl lassen wollte – oder er wusste einfach nicht, was er all diesen fremden Menschen sagen sollte. Also blieb es wohl ihre Entscheidung, ob sie die Verkündung ihres Plans vorziehen sollte. Aber warum eigentlich nicht? Immerhin war sie sich doch sicher, dass Kuromei mit ihrer Wahl einverstanden sein würde, also gab es nichts zu bedenken. Demonstrativ griff sie nach Cynards Hand, was dieser mit einem Lächeln zur Kenntnis nahm. „Sein Name ist Cynard Asturions, er ist mein zukünftiger Ehemann.“ Zu Katimas Überraschung nahm das Volk die Nachricht ihrer geplanten Hochzeit mit einem Fremden äußerst gelassen – nein, eher erfreut – zur Kenntnis, Kuromei dagegen war zu ihrer Verwunderung nicht sonderlich erbaut. Streng saß er Cynard gegenüber an dem Tisch, den die Königsfamilie sonst nur zu taktischen oder diplomatischen Gesprächen nutzte. Sein Blick wirkte wie der eines Vaters, der im Begriff war, seine einzige Tochter herzugeben, dabei war er nur einige Jahre älter als Katima. Doch selbst das schien Cynard nicht aus der Ruhe zu bringen. Sein eigener Blick blieb stets friedlich, sein Lächeln veränderte sich um keine einzige Nuance. Das war wahrer Adel, der da durch seine Adern floss und ihn selbst in solch einem Fall die Contenance wahren ließ. Nur Katima wusste – oder besser: ahnte – was in diesem Moment wirklich in ihm vorging. Sie war sich sicher, dass ein buntes Spektrum an Nervosität und Furcht durch sein Inneres tobte und er das nur nicht zeigen wollte oder vielleicht sogar nicht einmal konnte. „Woher stammt Ihr, Sir Cynard?“, fragte Kuromei schließlich, um das eingetretene Schweigen zu durchbrechen. „Aus der Mana-Welt“, antwortete der Gefragte. „Meine Familie herrscht über das Land Asturion. Ich gehöre einem Nebenzweig an, das bedeutet, dass mein Cousin herrscht, ich war einer seiner Ritter.“ Mit einem Lächeln erinnerte Katima sich an ihre erste Begegnung mit ihm zurück. Damals war sie in die Stadt gegangen, um ein wenig allein zu sein – nur um dann auf König Aretas zu treffen. Kurz darauf war Cynard erschienen, mit einer Nachricht von den Minion-Corps-Leadern. Damals waren sie sich das erste Mal begegnet und sie war sofort von ihm angetan gewesen, weswegen sie eine weitere Begegnung mit ihm gesucht hatte, um ihn näher kennenzulernen. Damals hätte sie nicht gedacht, dass sie eines Tages gemeinsam mit ihm und Kuromei an einem Tisch sitzen würde, um herauszufinden, ob er ein geeigneter Heiratskandidat war. Etwas, wovon sie ohnehin schon lange überzeugt war. Kuromei nickte, seine Miene war immer noch unbarmherzig und zeigte keinerlei Regung. „Dann habt Ihr bereits Erfahrung, was das Ritterleben angeht.“ Cynard nickte. „Mein ganzes bisheriges Leben. Ich bin zuversichtlich, dass ich auch für den Schutz von Katima Aigears sorgen kann.“ Selbstsicherheit schwang in jedem seiner Worte mit, aber kein bisschen Arroganz. Katima konnte sehr gut für ihren eigenen Schutz sorgen, aber zu hören, dass Cynard dasselbe tun wollte, gefiel ihr. Die Vorstellung, dass er sie beschützen würde, ließ ein angenehmes Gefühl in ihrem Inneren entstehen, das sie wieder zu einem Seufzen verführte. Die beiden Ritter sahen sie fragend an, weswegen sie hastig abwinkte. „Oh, nichts, nichts. Sprecht nur weiter.“ Kuromei sah wieder Cynard an, dieser erwiderte seinen Blick so geduldig wie zuvor. „In Ordnung, ich habe ohnehin nur noch eine Frage.“ Er schwieg für einen Moment, Katima schluckte schwer. Sie hatte so das Gefühl, dass ihr die kommende Frage ganz und gar nicht gefallen würde und hoffte, dass Cynard das richtige antworten würde. Mit Sicherheit war das die für Kuromei wichtigste Frage, die er sich bis zum Schluss aufgehoben hatte. „Ist die Königin noch unberührt?“ Katima japste nach Luft, ihr Gesichtsausdruck spiegelte Panik wider. Doch Kuromei beachtete sie nicht und selbst wenn, hätte er ihr Verhalten nur darauf zurückgeführt, dass ihr die Frage unangenehm war und nicht, dass die Antwort ein einfaches „Nein“ war. Noch dazu war es Cynards Initiative gewesen, die dazu geführt hatte. Würde Kuromei das erfahren... Panisch sah sie zu Cynard hinüber und war abermals überrascht, als sein Gesicht immer noch keinerlei Anzeichen von Nervosität zeigte. Er lächelte nach wie vor während er Kuromei ansah und ohne mit der Wimper zu zucken antwortete: „Aber natürlich. Es liegt mir fern, die Königin zu entehren.“ Sie blinzelte überrascht. Wie konnte er nur lügen, ohne dabei rot zu werden, besonders bei dieser Frage? Andererseits schien es genau diese Antwort zu sein, die Kuromei schließlich darin bestätigte, dass die Königin die richtige Wahl getroffen hatte. Er lächelte plötzlich ebenfalls und sah dabei genau so aus, wie Katima ihn in Erinnerung hatte. Erleichterung durchströmte sie, als sie dieses Lächeln bemerkte. Damit stand ihrer Hochzeit endgültig nichts mehr im Weg. Als sie wenig später mit Cynard den Beratungsraum wieder verließ, blickte sie ihn bewundernd an. „Du hast dich wirklich gut geschlagen.“ „Hast du denn etwas anderes erwartet?“, fragte er deutlich amüsiert. „Das war immerhin nicht das erste Mal, dass ich mich mit einem Ritter oder Adeligen unterhalte.“ Für einen kurzen Moment in diesem Raum hatte sie das tatsächlich vergessen, befürchtet, dass er sie tatsächlich verraten würde, was mit Sicherheit dazu geführt hätte, dass Kuromei ihn kurzerhand des Schlosses verwiesen hätte. Doch Cynards tatsächliche Reaktion war die einzig Vernünftige in dieser Situation gewesen. „Wie schaffst du es, zu lügen, ohne rot zu werden?“, fragte sie. „Contenance, meine liebe Katima“, antwortete er lächelnd. „Sie stets zu bewahren ist äußerst wichtig für einen Ritter. Zumindest brachte mein Vater mir das bei.“ Katima wusste nicht viel über die Ausbildung eines Ritters, weswegen sie sich auf seine Worte verließ und nur verstehend nicken konnte. „Aber findest du es gut, Kuromei gleich am Anfang anzulügen?“ Ein wenig nagte das schlechte Gewissen an ihr, auch wenn das der einzig mögliche Weg gewesen war, Kuromei zu besänftigen. Doch ab sofort mussten sie ihn immer anlügen und das gefiel ihr nicht wirklich. Nach der Hochzeit würde sie Kuromei die Wahrheit erzählen, zumindest nahm sie sich das vor. Cynard lachte leise. „Soll ich zurückgehen und ihm sagen, dass wir schon miteinander intim waren?“ Panisch warf sie wieder einen Blick umher und atmete erleichtert auf, als sie bemerkte, dass keiner anwesend war, der das gehört haben könnte. Der gesamte Gang war leer, lediglich weit entfernt liefen Angestellte geschäftig umher. Auch wenn es sich ein wenig einsam anfühlte, war es ein Stück Heimat und gemeinsam mit Cynard würde sie auch nicht mehr allein fühlen. Schließlich sah sie wieder ihn an. „Nein, sollst du natürlich nicht.“ „Dann ist alles in Ordnung. Willst du mir jetzt dein Schloss zeigen?“ „Willst du dich nicht vorher ausruhen?“, fragte sie besorgt. Er schüttelte lächelnd mit dem Kopf. „Nein, ich möchte gern, dass du mir deine Heimat zeigst.“ Sie nickte, doch plötzlich hielt sie nachdenklich inne. Etwas an diesem Satz störte sie, doch es dauerte einen Moment, ehe sie darauf kam, was genau es war. „Nicht meine Heimat“, wies sie ihn lächelnd zurecht. „Unsere.“ Seine Gesichtszüge wurden weich, sein Lächeln schien von noch mehr Wärme erfüllt zu sein. Ohne etwas zu sagen legte er seinen Arm um ihre Schulter, um sie näher zu sich zu ziehen und lief gemeinsam mit ihr los. Glücklich schmiegte sie sich an ihn, vergessen waren all die negativen Gedanken des heutigen Tages und ihres bisherigen Lebens. Ja, sie war sich sicher, dass von nun an alles in ihrem Leben gut werden würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)