Die Geschichte des Blutwolfes - Painwolf von Seica (Wenn eine Welt am Abgrund steht...) ================================================================================ Kapitel 5: Der Weg in die Freiheit ---------------------------------- - Die darauf folgende Nacht Trostlos glitten die leuchtenden Augen durch die Dunkelheit, rührten sich nicht. Ein Fremder mochte sie wohl für den Blick einer Katze halten, doch war es der des Jungwolfs. Lange Stunden hatte er ihm Raum des „nicht Lebens“ verbringen müssen, hatte Hitze und Kälte durch seine Adern pulsieren gespürt. Es hatte sich angefühlt als würde man ihm die Knochen herausnehmen, doch war sein Blick ins Leere gegangen, hatte er nur das Licht gesehen sonst nichts, als es schließlich verebbt war, hatte alles in blauem Feuer gestanden, doch vergangen war es nur langsam. Man hatte wieder die grellen Blitze durch ihn gejagt und seine Schädeldecke geöffnet, um in ihn hineinzuschauen, man hatte ihn an die Schläuche gehängt und ihm die nadeldünnen Krallen in den Leib gerammt. Er hatte den Laut eines Sägeblattes vernommen und das Rattern einer Maschine, ein Sirren, welches er nicht beschreiben konnte und dann ein anhaltendes gleichmäßiges Fiepen. Nun aber lag er in einem Käfig und versuchte zur Ruhe zu kommen, er fühlte sich entkräftet, als wäre er lange gelaufen, so wie es ihm die Ratte gesagt hatte, er solle laufen, solle fliehen. Er hatte kaum noch den Willen dazu, dies in die Tat umzusetzen, vielleicht Morgen, dachte er. Seine Pfoten lagen auf etwas kaltem, auf Eisen worauf sonst? Doch der Boden war hart und durchgängig, das waren keine Eisenstäbe mehr, das war etwas anders. Für den Moment dachte der Wolf er läge noch auf dem Operationstisch, man hätte ihn einfach vergessen. Sachte schob er die Pfote vor, so wie es seine Kraft gewährte, da waren Stäbe, er war in einem Käfig. Mehr konnte er nicht mehr herausfinden, denn es war zu dunkel, viel zu dunkel, nur ein winziger Lichtschein lag in der Ferne und ließ seine Augen glühen. So schlief der Wolf schließlich ein, der Strapazen überdrüssig und sog tief die Luft ein, die ausnahmsweise nicht nach Tod stank. - Die Stimme „Ich hatte dich gewarnt“, flüsterte die zarte, knurrende Stimme. „Ich hatte dich gewarnt, du solltest dich fallen lassen, aber du konntest ja nicht auf mich hören.“ Die Ohren des Wolfes zuckten, seine Nase machte es denen gleich, noch hielt er die Stimme für einen Traum, noch wollte er die Augen nicht wieder öffnen. Seine Lider waren schwer, schwer und angenehm, er wollte schlafen, warum ließ man ihn nicht? Warum träumte er von so dummen Dingen, die ihn nicht ruhen ließen? „Ich bin gekommen, um zu handeln und das werde ich nun, wach auf Grünauge, wach auf, es kämpft sich nicht gut, wenn der eine von zwei Kämpfenden schläft“, flüsterte die grollende wie zarte Stimme weiter und mehr denn je klang sie wie die eines Hundes. „Bist du es Ratte?“, fragte der Wolf schlaftrunken wie er war, doch kam keine Antwort, kein Auflachen. Als der Wolf seine Augen öffnete, war ihm als sähe er in den Spiegel seines Trinknapfes. Augen blickten ihm entgegen, Augen gleich den seinen, nur das sie blau waren, blau wie die von einem der weißen Riesen, die er kannte. „Wer bist du flüsterte er? Warum störst du meinen Schlaf, wenn es endlich einmal Nacht ist, was sprichst du von einem Kampf?“ Der Wolf hatte sich aufgerichtet und blickte unschlüssig in die Augen. Er hatte einige Sekunden gezögert, bevor er seine Worte gewagt hatte, glaubte er doch immer noch einen der Riesen vor sich zu haben, einen ganz bestimmten, denn es roch nach Wolf und nach Schnee und nach Bäumen. „Wer ich bin? Erinnerst du dich nicht? Ich habe dich schon einmal besucht, vor gut einem Jahr“, sprach die weiße Riesin weiter, doch der Wolf blickte sie trotzig an, ohne zu antworten, sie wusste, dass er sie erkannte. „Was weißt du denn schon von der Nacht? Das Licht fehlt seit Stunden, draußen ist es eben erst Nacht geworden, dies hier ist nur ein dunkler Raum unter der Erde und ein Kampf, ist was du heraufbeschworen hast.“ Der Wolf horchte auf, die Stimme der Riesin hatte ihre Tonlage verändert, sie klang nun fast so als ob ihr Leid täte, was sie nun als nächstes zu tun hatte. - Eine Entscheidung Ein Scheppern erfüllte den Raum und dann ein müdes Knacken wie von einem alten Schloss, quietschend schwangen die Gitterstäbe auf und jeder Muskel in dem Wolf spannte sich. „Ich wurde eben erst untersucht, lass mich schlafen, oder ich wehre mich“, ein Knurren drang aus seinem Rachen. „Du verstehst meine Beweggründe nicht, du weißt nicht wer du bist und was du anrichtest“, gab sie im Flüsterton zurück und unwillkürlich lockerten sich die Glieder des Jungwolfes wieder. Diese Stimme beruhigte ihn wie damals, es war wie eine Droge und er musste sich anstrengen, um sich nicht hinzulegen und eine leichte Beute abzugeben. „Dann sag mir wer ich bin, doch glaube nicht, dass du mich besiegen kannst, ich fürchte den Tod nicht!“, sagte der Wolf im selben Ton wie die Riesin und nun folgte tatsächlich ein Lachen, doch klang es sehr traurig. „Ein Kind schickt man mich zu töten, ein Kind von dem ich kaum glauben kann, dass es uns schaden kann“, sie verstummte und sammelte sich wieder, der Jungwolf war sich sicher eine Träne in ihren Augen blitzen zu sehen. „Ich kann dir nicht sagen, wer du bist, dass muss jeder für sich herausfinden, doch glaube nur das ich dich besiegen kann und sei nicht töricht den Tod nicht zu fürchten, sonst bist du es früher als du denkst.“ Ein Knurren drang durch die Dunkelheit, ein tiefes bösartiges Grollen und dann sprang die Riesin auf den Wolf zu, so schnell wie er es nicht für möglich gehalten hätte. Nichts konnte er sehen, aber auch gar nichts, nur das blau ihrer Augen. Noch nie hatte er gekämpft und auch diesmal senkte er sich auf den kalten Eisenboden und entblößte der Riesin die Kehle, ohne von sich selbst zu wissen was er tat. Ein rütteln schüttelte die Riesin, welche über den Wolf gebeugt war, tief drangen ihre Augen in die seinen und dann waren sie verschwunden, sie hatte sie abgewandt, wollte ihn nicht ansehen. „Was ist mit dir?“, fragte der Wolf auf einmal und seine Stimme war anders, klang beinahe so als wäre es die des Welpen, den die weiße Riesin damals vor sich gehabt hatte, doch dieser hatte nie gesprochen, sie wand den Blick wieder zu dem Wolf, der vor ihr lag. „Ich kann dich nicht töten“, sagte sie wie zu sich selbst, „Ich kann es nicht, weil du dich nicht benimmst wie das kalte Licht, was im Herzen der Schwärze wohnt.“ Die grünen Augen blickten sie unschlüssig an und die Riesin empfand etwas in sich, was sie nie zuvor in sich gespürt hatte. - Weiß ist das Böse Schritte erklangen in die Ferne, Schritte und dann wurde eine Tür geöffnet und grell weißes Licht durchflutete den Raum, sprang ab von den vielen metallenen Oberflächen und blendete den Rüden, sodass er die Augen fest aufeinander presste. Der Riesin stockte der Atem, als sie ihre Artgenossen vor der Tür sprechen hörte, wie hatte sie ihr kommen überhören können? War sie schon so verwirrt, auch ihren Auftrag hatte sie noch nicht erledigt. Der Blick der Riesin fiel zurück auf den weißen Wolf, der noch immer im Käfig hockte und bei jedem Versuch die Augen zu schließen, zusammenzuckte. „Folge mir“, hauchte sie und stieg geschwind aus dem Käfig. „Ich falle“, stöhnte der Jungwolf nur, der die Augen nicht öffnen konnte. Die Riesin hatte ihre Stimmlage wieder geändert, sodass der Wolf ihr verfiel, doch das war ihm nun egal, er wollte zu der Tür, der eisernen Tür, so wie es ihm die Ratte empfohlen hatte. „Der Käfig steht zu hoch, ich werde stürzen, ich sehe nur weiße Flammen, weiße Flammen“, stöhnte er. Eile lag in den blauen Augen der Riesin, als sie zur Tür blickte. „Nein der Käfig steht am Boden“, hauchte sie, denn sie wollte die Aufmerksamkeit der anderen Riesen nicht auf sich lenken, „Steig einfach heraus und dann folge meiner Stimme.“ Vorsichtig ließ der Jungwolf eine Pfote aus dem Käfig hängen, sekundenlange wanderte sie ängstlich in der Luft herum, bis sie auf dem Boden stieß und sich schließlich der gestammte Wolf aus dem Käfig schob. „Gut und nun folge mir“, flüsterte die hündische Stimme. „Aber ich sehe nur weiße Flammen, alles steht in weißen Flammen.“ „Weiß ist das Böse, Schwarz ist der Freund“, sprach die Riesin, „Lauf dahin, wo du etwas schwarzes siehst, benutze deine Nase und deine Ohren.“ Der Jungwolf war verwirrt, etwas sagte ihm er könne dieser Stimme vertrauen, doch weiß ist der Feind? Die Ratte hatte damals ganz anders von diesen Dingen gesprochen, oder galt dies für jeden anders? War diese Regel nur in diesem Moment gültig? Gehässig ließ er den Kopf wandern und schnupperte und lauschte. - Gestalten im Grellen Er horchte leises Ticken und die Stimmen der Riesen, das Winseln der Tiere, er wusste wo er war, im Raum des „nicht Lebens“! Und er wusste auch wo er hinzulaufen hatte. „Folge mir“, schrie die Stimme erneut und entfernte sich zu der Tür, wo die anderen Riesen standen, nur kurz dachte der Wolf an eine Falle, er war noch nie in eine geraten und sein Verstand sprach ihm erneut auf diese Riesin gut zu. Der Rüde rannte, rannte zum ersten Mal in seinem Leben und ihm war als wäre er leichter als sonst, diese Bewegungen glitten so leicht in ihm dahin, als hätte er nie etwas anders getan. Dennoch war ihm nicht wohl dabei, er versuchte von dem grellen Licht zu fliehen, doch die Flammen loderten überall. Er konnte nun die Tür sehen, als ob sie in Flammen stand, die Luftschleier, hinter denen sich zwei weiße Riesen verstecken, auch sie standen in weißen Flammen und die Flamme die vor ihm auf und abtanzte musste die Riesin sein, sie war winzig, dachte der Wolf, doch konnte er kaum einen Gedanken daran verschwenden. Die Laute, die Gerüche alles formte sich zu einem Bild. Doch waren es nicht mehr wie früher bunte Schlieren, die sich leicht unterscheiden ließen sondern tanzende, weiße Glut. „Lauf dorthin wo es schwarz ist“, drang die sanfte, grollende Stimme wieder zu ihm durch. Der Wolf spürte die Luftschleier auf seinem Rücken und sah Gestalten nun direkt vor sich, ihre Schreie verformten sich und machten ihre Gesichter deutlicher, sie rammten ihm winzige Krallen in den Leib, doch der Wolf Widerstand ihnen. Blitze zuckten durch den Raum und durch die Äste, welche aus den Armen des Feuers wuchsen und bohrten sich in ihn, doch er blockte die Schläge einfach ab und lief weiter. Er merkte nicht einmal wie die Riesin ihre Artgenossen abdrängte und zu Boden schmiss, er roch nur das Blut, was fortan wieder vor ihm tanzte und das Bild verdeutlichte. - Durch die Eiserne Tür Ein schwarzer Umriss, tat sich vor ihm auf, die Eiserne Tür, der Wolf verharrte. Wie sollte er durch sie gelangen, wenn sie nicht schon offen war? Doch auch dieses Rätsel löste sich, denn die Lichtgestalt der Riesin vor ihm, reckte sich in die Höhe und wuchs, wuchs zu einer riesigen Flamme und der schwarze Fleck öffnete sich und gab einen neuen Raum frei. Langsam trat der Jungwolf durch die weißen Reihen aus Flammen, durch den schwarzen Umriss der Tür und schon fiel sie hinter ihm ins Schloss und ein neuer grausamer Geruch machte sich in ihm breit, der Geruch von Tod und Ruß, der Geruch der Verwesung. Lange Zeit blickte sich der Wolf vergebens nach einem weiteren schwarzen Punkt um, versuchte verzweifelt die Augen zu öffnen doch es gelang ihm nicht. Langsam schritt er durch die stinkenden Reihen, alles war so grell so monoton, nichts änderte sich, keine andere Farbe. Der Jungwolf glaubte erblinden zu müssen, doch es geschah nichts dergleichen. Wie konnte ein Ort nur so voll von einer einzigen Farbe sein, von einem einzigen Geruch? Nicht einmal die weiße Riesin konnte er in dieser Fülle des Gestanks sehen. Plötzlich war es als ob die Pfoten des Jungwolfs gefrieren würden, er klebte am Boden fest, konnte sich nicht rühren. Er hatte Angst. Wie sollte er weiter kommen wenn die tanzende Flamme der Riesin nicht mehr vor ihm war? Was sollte er nur tun? Er hatte getan was Ratte gesagt hatte, er war durch die Eiserne Tür gegangen, wie sollte es nun weiter gehen? Zähne die aus dem Boden wachsen! Jetzt fiel es dem Wolf wieder ein, aber egal was er versuchte, seine Pfoten bewegten sich nicht vom Fleck, nur ein Winseln drang aus seinem Fang. "Komm kleiner Wolf, lauf dorthin wo es schwarz ist", erklang wieder die sanfte Stimme und es schien ihn als käme sie aus seinem Kopf. "Aber es ist nirgendwo schwarz", stöhnte der Jungwolf nur und im nächsten Moment wurde er in die Höhe gerissen. Hände hatten ihn unsanft gepackt und nahmen ihn mit. Unwillkürlich zuckte der Wolf zusammen, erstarrte wie ein Welpe, den man am Genick gepackt hatte. War es die Riesin die ihn nun trug? Würde sie ihn womöglich hinauf tragen dorthin wo die Farbe seiner Augen leuchtete? "Zähne die aus dem Boden ragen", jaulte der Jungwolf ihr zu, dass sie auch nicht den falschen Weg einschlug, doch sie antwortete nicht. Da eine Flamme, klein und flink, schnell huschte sie auf sie zu. - Beine, Mäuler und Augen Der kleine Wolf konnte nicht einmal einen Gedanken fassen so schnell ging es. Er war sich nicht sicher vor welcher Flamme er Angst haben sollte, vor der großen die ihn gepackt hatte, oder vor der kleinen die ihnen entgegeneilte? Sekunden später flog sein schmächtiger Leib durch die Luft. Dies war wieder eine ganz neue Erfahrung für den Jungwolf. Noch nie hatte er vollends in der Luft gehangen. Hatte er sich in einen Vogel verwandelt? Ratte hatte doch einmal davon gesprochen, das es solche Wesen gab, damals hatte er nicht geglaubt, dass es möglich wäre durch die Luft zu fliegen. Ein Freudentaumel setze in dem kleinen Wolf ein, er fühlte sich für den Augenblick frei, dachte niemand würde ihm nun mehr etwas anhaben können. Leider wehrte dieser Zustand aber nur kurz und die Wahrheit war, dass er sich nicht etwa in einen Vogel verwandelt hatte, sondern lediglich weggeschleudert wurde und auch wieder irgendwo aufkommen musste. Was nach diesem vermeidlichen Flug folgte, war eine weiche, aber mit Nichten angenehme Landung. Beine, Mäuler, Augen. Er war in einer Art Trog gelandet, in einem von vielen Behältern, in denen die Tierleichen aufbewahrt wurden, bevor man sie im Ofen verbrannte. Schäumende Mäuler, in den Himmel gereckte Glieder, leichenblasse Augen, aufgerissene Leiber. Alles durchzogen von Maden, besiedelt von Käfern und Würmern, welche ihnen aus den Körperöffnungen quollen. Es wäre ein gar Grauen erregender Anblick gewesen, hätte der kleine Wolf im Moment nicht die Tugend besessen, alles als Flammen zu sehen. Wie gut es im Moment nicht tat blind zu sein! Wie gut das er nicht sah, was dieser schleimige Trichter wirklich war, in dem er die eine Pfote vergraben hatte! Wie gut, dass er nicht erkennen konnte, was da über seinen Leib gerutscht war. Wie gut, dass er nicht sagen konnte was ihn da berührte. In den Gedanken des kleinen Wolfs, in dem nur noch wenig Platz war, der nicht von diesen widerwärtigen Gestank eingenommen worden war, glomm ein Bild von dem Dachs auf der damals tot im Käfig gelegen hatte und auch ein Bild von Ratte, das letzte was er von ihr gesehen hatte. Hätte der Jungwolf weinen können, er hätte es nun getan, zum Teil bestimmt wegen dem beißenden Gestank, der ihm die Sinne vernebelte. - Laufen Kein Winseln drang aus dem Fang des Wolfs, auch rührte er sich nicht. Die Pfoten waren tief begraben in den toten Leibern, auch Bauch und Kopf waren auf ihnen gebettet. Alles bis auf den Rücken hatte sich an ihm rot gefärbt. Bestimmt wäre der kleine Wolf liegen geblieben, hätte ihn nicht plötzlich eine Hand berührt ihn hochgehoben und bald darauf auf dem glatten sauberen Steinboden gesetzt. "Alles ist gut kleiner Wolf, lauf einfach weiter, dorthin wo es schwarz ist", flüsterte die sanfte Stimme der Riesin ihm zu, welche nun ganz nahe war, doch bald war die große Flamme, die sie war, wieder klein geworden und verschwand. Die Schnauze des Jungwolfs drehte sich herum, der Blick seiner blinden Augen huschte durch den Raum. Ganz benommen war er noch, fast schon orientierungslos. Der Geruch des Todes, der sich in schwarzen, roten und braunen Schlieren darstellte, fesselte ihn. Lauf kleiner Wolf du musst laufen, du musst fliehen, wenigstens du musst frei sein, lauschte er den Worten von Ratte in seinem Kopf. Das Bibern, das Wimmern und Jauchzen, die durch den Jungwolf glitten, der sich noch immer nicht gerührt hatte und den die Riesin bald schon gedachte doch im Stich zu lassen da es nichts bringen würde ihn zu retten, sprang plötzlich auf und begann zu laufen. Die Fesseln lösten sich von dem kleinen Bluttropfenden Körper. Schneller und schneller wurde der nasse Leib. Ein physikalischer Moment, die Anstrengung, welche man zu Beginn hat wenn man das Rad anschiebt, das einfache Weiterlaufen im Nachhinein. Schreie, Worte lagen dem kleinen Wolf in den Ohren. Die Riesen fluchten, wollten ihn fangen, aber er dachte gar nicht daran stehen zu bleiben, er konnte gar nicht mehr stehen bleiben! Es war ein erfüllender Lauf den der Jungwolf da hinsetzte, es war ein richtiger Lauf. Der erste den er zuvor angetreten war, war ihm schon als erlösend erschienen, doch dieser war noch viel besser. Die plumpen Pfoten setzten von ganz allein auf, rollte sich ab und katapultierten ihn nach vorn, die glatte Oberfläche ließ ihn nicht etwa straucheln, sondern machte ihn nur noch schneller. Der Jungwolf achtete nicht mehr auf seine Umgebung, zu schnell flitzten die Flammen vorbei, zerflossen wie Wasser. Er konnte den üblen Gestank nicht mehr riechen, weil er sich vor seiner Nase kräuselte und nicht eindringen konnte. Ein Feuer begann nun in ihm zu glühen, eine Glut der er seine ganze Aufmerksamkeit entgegenbrachte. Heißer und heißer wurde es in seinem Leib. Zuvor war es nur in seiner Brust gewesen, nun breitete es sich aus. Ein wohltuendes Gefühl war es, ein heißer Rausch der ihn noch mehr anspornte, doch irgendwie tat es mit der Zeit weh und bald schon fand sich der kleine Wolf sitzend wieder - er war stehen geblieben, einfach so auf die Hinterläufe gesackt und nun schnaufte er. Wie weit war er gelaufen? Wie lang konnte denn der Raum in dem es so stank denn nur sein? Gab es so viele Tote, dass der Raum beinahe unendlich lang war? Denn so war ihm der Lauf vorgekommen "unendlich" und nun hatte er doch sein Ende gefunden. - Über die Zähne in den Himmel Lärm hallte von hinten. Knurren, Schreien, Klappern. Die weiße Riesin schlug ihren Kampf mit ihren Artgenossen. Die Gedanken des kleinen blutverschmierten Wolfs lagen hinten, dort wo die Geräusche herkamen, seine Augen lagen aber bereits in der Zukunft, auch wenn sie nicht sahen, was da vor ihnen lag. Ohne, dass er es hörte lag der Laut seines eigenen Hechelns in seinen Ohren, ohne das er sie sehen konnte lag die Treppe vor seinem Blick. Jetzt wo der Lauf zu Ende war, war sein Körper müde, er kannte die plötzliche Anstrengung nicht, auch wenn sein Wille gerne weitergelaufen wäre. Weiße Flammen reckten sich spiralförmig in die Höhe, die Wände und die Zähne entlang, es war wie ein Schlund, eine Hölle? Es dauerte nur Sekunden und die Realität brach wieder über dem Jungwolf ein. Eine richtige Realität, so wie er sie das Jahr seines Lebens gekannt hatte, eine farbige, finstere, monotone Realität. Jetzt sah er sie die emporragenden Zähne, sah die gegilbten Wände des Instituts, war sich des dreckigen Bodens auf dem er saß wieder bewusst. Aber sein Blick lag nun, wo der seltsame Flammenzauber der ihn befallen hatte, beendet war, woanders. Er lag oben am Ende der Treppe, an einer Stelle die er eigentlich gar nicht sehen konnte, doch er sah die Auswirkung, dessen was sich dort befand. Er sah Licht, Sonnenlicht! Der kleine Wolf konnte im Grunde gar nicht wissen, dass das was dort auf die kalte Wand strahlte Sonnenlicht war, denn er hatte noch nie welches gesehen, doch auch ohne, dass er es wusste, übte dieses Leuchten eine regelrechte Anziehungskraft auf ihn aus. Das muss der Weg in den Himmel sein, dachte der Wolf, das war der Weg den Ratte gegangen war und nun würde er ihn auch gehen. Er würde aus seinem dreckigen, vernarbten Körper hinausgehen und wieder mit Ratte zusammen sein. "Ich gehe jetzt in den Himmel", schrie der kleine Wolf. "Ich werde jetzt sterben", setzte er noch nach. Etwas im Rücken des Jungwolfs begann nun zu schlagen, es fächelte ihm kühle Luft zu, während er sich das Bild von seiner Ratte vorstellte und einfach nur gebannt auf das Licht starrte. "Ja ich sterbe jetzt", rief er noch einmal in den Raum hinein, ohne, dass Angst oder Freude in seinen Worten gehangen hätte. - Ein grauer Wolf Doch dann fuhr ein Fang in den Hals des Jungwolfes und er verlor den Boden unter den Füßen. In schnellen Streifen huschten die einzelnen Treppenstufen unter seinen Blick dahin und wenn er versuchte den Kopf zurückzudrehen, sah er graues Fell und weiße Riesen hinter sich. Kein Laut drang über die blutrote Schnauze, wie es immer war wenn man ihn an dieser Stelle packte. Doch auch dieser Zustand währte nur kurz. Der kleine Wolf war nicht mehr so klein, als das man ihn so tragen könnte. Die plumpen Pfoten schlugen hart auf die Kanten und der Fang der ihn hielt schwankte. Das Gewicht des Wolfes drückte ihn hart gegen die Zähne die ihn festhielten und bald spürte er Blut an seinem Nacken. Dann endlich fiel sein Leib auf den Boden und er musste erst einmal wieder halt auf den Stufen finden. Was der kleine Wolf nun sah verwunderte ihn und ob es nahe liegend war, schaffte es sein Verstand nicht das Bild zu erklären. Ein grauer Wolf war da hinter ihm, die langen Läufe hatten ihn von den Stufen abheben lassen und nun glitt er durch die Luft und schlug bald auf die Riesen auf, denen er den Fang in die Glieder rammte. Rote Farbe färbte die Synthetik ihrer Kleider - reglos blieben die Riesen am Fuße der Treppe liegen, der Wolf über ihnen. Der kleine Wolf merkte erst, dass er zitterte als der Graue zu ihm hinauf blickte. Blau leuchteten die Augen zu ihm hinauf, blau wie die Augen der Riesin, aber Schlüsse konnte der Jungwolf dennoch keine ziehen, Stille herrschte in seinen Gedanken. Dann endlich dachte er wieder an die Flucht, er wollte nicht in diese Augen sehen, auch wenn ihn der Anblick irgendwie beruhigte, er wollte es nicht, es war eine Bedrohung, das sagte ihm sein Instinkt. Hilflos glitt der grüne Blick hoch zum Ende der Treppe. Noch nie war der kleine Wolf eine Treppe hochgestiegen, aber zuvor war er ja auch noch nie gelaufen. Entschlossen hob der Jungwolf eine Pfote auf die nächste Treppenstufe, dann noch eine, bald schon alle Viere. Er war einen Schritt weiter und er würde weitere Schritte machen! Dann würde er dorthin gehen wo die Farben seiner Augen leuchtete! Augen. Der Blick des kleinen Wolf glitt über die Schulter zurück. Der graue Schatten hob sich dunkel und deutlich zwischen dem Weiß-dreckig der Wände ab, Blut hatte seine weiße Halskrause besudelt, die blauen Augen lagen auf ihm. Wieder setzte er Jungwolf die Vorderpfoten auf eine neue Stufe und zog den Hinterleib nach, dass jeder seiner Schritte Blutspuren über den Boden zog ignorierte er. Er musste schneller werden, schneller und schneller er musste hier weg, er musste hoch zu dem Leuchten, in den Himmel, zu Ratte. Hatte er nicht eben noch gesagt er würde der Farbe seiner Augen folgen? "Ratte", winselte der kleine Wolf ohne anzuhalten und gleich darauf stockte ihm der Atem. Das Gesicht des grauen Wolfs war direkt vor dem seinen, ganz nahe, nahe genug, dass er den Atem des anderen spüren konnte. "Sag so etwas nie wieder, so was darfst du nicht sagen verstanden?", hielt ihm die sanfte Stimme vor - die Stimme der Riesin? Der Jungwolf war verwirrt, verwirrt und verängstigt. Dieser Wolf war die Riesin. Er verstand es nicht, konnte es nicht verstehen, es hatte keine Logik für ihn, wusste er denn was Logik war? - Kampfgetümmel "Du darfst dir nicht wünschen zu sterben, das Leben muss immer wichtiger für dich sein okay?", knurrte die sanft-raue Stimme und brachte den kleinen Wolf dazu tonlos zu nicken. Abschätzend lagen die blauen Augen auf ihm, fragend, doch fragten sie ihn oder sich selbst? Lärm klang von unten herauf, dann von oben. Zwei Riesen hatten sich am oberen Ende der Treppe aufgebaut, sie hielten seltsame formlose Gitter und Krallenartige Auswüchse in den Händen, das Sonnenlicht ließ sie glänzen wie ein frischer Wassernapf. Der Jungwolf konnte gar nicht so schnell reagieren, da war der graue Leib der Wölfin an ihm vorbei gehuscht. Nun stürmte sie, mit aufgerissenem Fang, auf die Riesen zu. Nadeln bohrten sich in ihren Leib und ihre Zähne bohrten sich in den zur Abwehr hochgerissenen Arm ihres Gegners. Gebannt blickte der kleine Wolf hoch zu dem Szenario. Riese und Wolf fielen zu Boden, wie schon zuvor, sie riss ihn mit ihrem Schwung nieder um ihn außer Gefecht zu setzen. Aber bald schon brach ein Jaulen durch das Echo des Treppenaufganges. Der Jungwolf zuckte zusammen, wusste nicht was zu tun war. Von unten hörte man die Riesen kommen, oben war der Kampf im vollen Gange. Ein Riese, der, der zu Boden gerissen worden war, hatte die Waffen beiseite gelegt und drückte mit der unverletzten Hand auf den Biss in seinem Arm, der andere, hielt das Krallending auf die Wölfin gerichtet, sodass kleine Nadeln daraus hervor schossen. "Komm herauf kleiner Wolf, lauf an ihnen vorbei, während ich sie aufhalte", schrie die sanfte Stimme, der Riesin, nein der grauen Wölfin ihm entgegen. Hastig setzte der Jungwolf die Pfoten auf die nächste Stufe, zog sich hoch und tat es erneut, wieder und wieder. Er wusste nicht warum er tat was sie ihm sagte, vielleicht weil er sich für die Beruhigung die ihm ihre Stimme schenkte dankte? Licht flutete durch ein Fenster auf den Kampf und nun auch auf den kleinen Wolf hernieder. Mit geweiteten, giftigen Augen blickte er auf den am Boden liegenden Riesen, der nun nicht mehr riesig war, dann wanderte sein Blick zur Wölfin, die nun auch keine Riesin mehr war - irgendwie war in der Freiheit nichts so, wie es den Anschein hatte. Nur für Sekunden war der Jungwolf stehen geblieben um sich umzusehen, doch schon glitt ein Quietschen an seine Ohren und etwas nassen versuchte ihn zu packen. Der verwundete Riese hatte sich herumgedreht, die Schuhe waren über den blutfeuchten Boden geglitten und seine Hände waren auf den kleinen Leib hernieder gestoßen. Der Jungwolf jaulte auf, viel mehr aus Schreck, als aus Schmerz. Sein blutgetränktes Fell war glitschig geworden und so schaffte er es aus den Fängen zu schlüpfen wie ein wendiger Fisch. Hilfe suchend glitt der Blick des kleinen Wolfs zu der Wölfin. Blut träufelte aus ganz vielen kleinen Wunden an ihrem Körper, der Riese war nun über ihr und gedachte sie als nächstes zu treten. "Du musst Laufen!", schrie der kleine Wolf, als er das sah, und von diesen Worten beeindruckt, drehte sich die Graue auf ihrem Rücken herum und entging so dem Fußtritt, sofort schnellte ihr Fang vor und biss in das Bein, welches nun hart am Boden aufgekommen war. Grell kam der Schrei des Riesen und erweckte in dem kleinen Wolf den Impuls loszulaufen, auch die Hände des zweiten Riesen konnte ihn da nicht mehr greifen. - Endspurt Die Pfoten des Jungwolfs schlugen taktvoll auf dem Boden auf, rote Spuren blieben dort wo sie aufgesetzt wurden. Das Licht der Sonne spielte mit seinem Pelz, aber es war nicht etwa warm, sondern kalt und steril wie so vieles hier. Es war ein weiterer langer Gang, den der kleine Wolf entlang hastete. Vom Sonnenlicht helle Rechtecke, hingen hoch über ihm zu seiner Linken, graue, welche sich bis zum Boden erstreckten waren zu seiner Rechten - Türen und Fenster, wobei er nicht wusste, was es mit den Fenstern auf sich hatte. Wieder breitete sich diese Hitze in ihm aus, wurde heißer und heißer und schmerzte bald. Aber er lief doch gar nicht weit! Nun selbst dachte er diese Proteste nicht, schließlich wusste er nicht wie weit man normalerweise laufen konnte, er lief doch erst zum dritten Mal in seinem Leben! Der kleine Wolf versuchte das Feuer hinunter zu kämpfen und lief weiter, er blickte nicht mehr zurück, wollte sich nicht die Zeit nehmen. Jeder weitere schrille Schrei der Riesen tat ihm in den Ohren weh und machte ihm nur noch mehr angst. Seine Gedanken waren verworren, er wusste nicht ob er an den Himmel denken sollte, oder an Ratte, ob er die Worte der Wölfin befolgen sollte, oder ob er lieber sterben sollte, oder doch dorthin laufen wo die Farbe seiner Augen leuchtete? Plötzlich blieb der kleine blutverschmierte Leib stehen und blickte herum. Fremde Gerüche lagen im Fang des Wolfes, aber sie waren nicht sehr interessant. Lieber blickte er sich nach etwas um das Grün war wie seine Augen. Aber wohin er auch blickte er fand nichts. Da waren dreckig-weiße Wände und grauer Boden, eine helle graublaue Farbe leuchtete durch die Rechtecke zu seiner Linken. Die Türen waren auch nicht grün. Der kleine Wolf konnte nicht einmal eine Zimmerpflanze finden, nun als solche hätte er sie auch nicht erkannt. - Der Blick durch die "Nicht-Tür" Dann aber sah er etwas Grünes aufblitzen, etwas das seine Neugierde weckte, eine Neugierde von der man in diesem Zustand nicht hätte denken können, dass sie eintrat. Mit tapsigen Schritten ging der Jungwolf auf das Grün zu, welches er erblickt hatte. Er hatte eine geduckte Haltung eingenommen, die Ohren lauschend zurückgestellt, denn in seinem Rücken tobte noch immer das Chaos. Als er stehen blieb, lag sein Blick auf seinem Blick - so paradox es klang. Eine seltsame eckige Scheibe lag vor ihm, eines der Fenster, der "Nicht-Türen" wie es der kleine Wolf nun in seinem Kopf nannte. Sein Blick glitt auf seine eigenen grünen Augen, auf den blutverschmierten Unterleib, den Weißen Rücken, die Narben, die Verbände - ja tatsächlich hingen dort und da noch Verbände an seinem Gliedern. "Wasser", flüsterte der Jungwolf. Und stieß mit der Schnauze gegen sein Spiegelbild. Es verwirrte ihn, dass es nicht nachgab, was war das wenn es kein Wasser war? Eine Tür aus hartem Wasser, was sollte das sein? Noch viel mehr fixierte der Jungwolf nun seinen Blick auf seinem Spiegelbild, prägte es sich ein, prägte sich wieder die Farbe seiner Augen ein. Womit die Riesen sie wohl gefärbt hatten? Je länger er auf das Bild starrte desto mehr viel ihm ein Detail auf, dass er ganz am Anfang noch nicht gesehen hatte. Auf diesem Bild war nicht nur er allein, auch nicht sein Hintergrund, da spiegelte sich etwas, dass gar nicht da war. Eine große Graue Fläche umgeben von einem hohen Gitter und die Decke dieses Raumes den er da sah, war graublau und von weichen Wellenbewegungen bedeckt. Ganz weit hinten, am Ende des grauen Bodens, noch hinter den Gitterstäben, waren große krumme Rücken, schwarze Rücken. "Hügel", hauchte er ehrfürchtig, ja das mussten Hügel sein, so wie Ratte es ihm beigebracht hatte. Der Buckel einer Katze. "Ja, das sind Hügel, dorthin müssen wir fliehen", erwiderte eine Stimme neben dem kleinen Wolf und als er aufblickte, sah er die blauen Augen der Wölfin aufleuchten. Irgendwie hatte er nun gar keine Angst mehr vor ihr. - Die Verwandlung Fragend, erwartungsvoll, so war der Blick des Jungwolfs im Moment, der auf der Grauen haftete. Ihr Blick glitt indessen zurück, ihre Ohren waren gespitzt, sie hatte keine Zeit hier rum zu sitzen, das wusste sie. Und dann geschah, es der Beweis, dass die Wölfin die weiße Riesin war, zeigte sich endlich und sogar der ungebildetste Dummkopf hätte keinen Zweifel mehr daran gehabt, dass es so war. Ihr Körper wuchs empor, dehnte, sich. Synthetik legte sich über das Fell, welches verschwand, ausfiel und nur rosafarbene Haut übrig lies, das Fell an ihrem Nacken färbte sich indessen fahl braun. Pfoten wurden zu Händen und die Schnauze zu einer kurzen Nasen und vollen runden Lippen - nur die Augen zeugten, davon, dass sie immer noch die graue Wölfin war. Der kleine Wolf schluckte und zuckte zurück, sein Leib presste sich ängstlich gegen die Spiegelfläche, seine Augen waren geweitet wie die eines Kaninchens. Warum hatte er nun wieder Angst vor ihr, zuvor war die Angst doch wie weggewischt gewesen? Aber der Jungwolf verstand einfach nicht und was man nicht versteht, davor hat man Angst. Schreie, nein Worte, Befehle, Streit? Alles hallte von hinten aus den Gängen zu ihnen hervor. Die Hand der Riesin legte sich auf ein Pult welches knapp unter Brusthöhe vor ihr an der Wand hing. Die dünnen Finger huschten darüber, was ein mehrfaches Piepsen wie von einer Maus ertönen ließ und dann öffnete sich plötzlich die "Nicht-Tür" und der kleine Wolf fiel aus dem Raum hinaus. Wieder war er belehrt worden, denn bei der "Nicht-Tür" handelte es sich sehrwohl um eine Tür, um eine Glastür um genau zu sein, aber das hatte ihm ja niemand gesagt. - Völlig neue Eindrücke Kalte Luft drosch auf den Jungwolf ein. Nie hatte er etwas anderes als die voreingestellte synthetische Luft des Institutes geatmet, nun war da Wind! Fremde Gerüche hingen in der Luft, Gerüche die er nicht zuordnen konnte. Kälte stieg ihm in die Glieder, nie zuvor war ihm kalt gewesen. Der kleine Wolf versuchte, auf diesen Schock hin die Luft anzuhalten, doch lange schaffte er es nicht und als er endlich einen tiefen Luftzug nahm, drang die Kälte auch in sein Inneres vor. Kalte, frische, wohlschmeckende Luft. Wieder kam dieses Stechen in seine Brust, doch diesmal war es ein kaltes Stechen, nicht diese heiße Flamme von vorhin. Der kleine Wolf stemmte sich vom Boden auf, auf den er gefallen war, blickte hoch zu der Riesin, doch da war keine Riesin mehr, da war wieder die graue Wölfin. "Wer bist du?", wisperte der Jungwolf, ohne, dass er über seine Worte nachdachte. Sein Blick lag standhaft auf ihr, gerade so als wollte er sie zwingen ihm zu antworten, doch kannte er so etwas überhaupt? "Später kleiner Wolf, noch sind wir nicht in Sicherheit", antwortete sie hastig und ihre Aufmerksamkeit glitt noch einmal in ihrer beider Rücken. Die weißen Riesen waren bereits zu sehen, es waren mehr als zuvor und sie hatten viele kleine glänzende Gegenstände bei sich. "Wir müssen zu den Hügeln", meinte sie wie zu sich selbst und hieb ihre Schnauze in seinen Rücken, das er zu Laufen begann. Hart war der Boden hier draußen, anders als in den Räumen des Instituts. Einzelne Kiesel lösten sich unter seinen Pfoten und stachen ihn, die Kälte in ihm wurde immer brennender und gleichsam wurde ihm nun wieder warm. Es war einfach nur ein absolut seltsames Gefühl mehr konnte er nicht erfassen. Große Geräte mit blinkenden blauen Augen postierten sich nun vor den Gitterstäben, die viel höher und dicker waren als die, welche er kannte und bei deren Größe er wieder daran denken musste was ihm Ratte über Bäume erzählt hatte. Aus den blinkenden Dingern stiegen nun noch mehr Riesen, doch diese waren nicht weiß sondern blau, so wie die dunkle Decke. Sie schrieen und warfen sich hastig Wortfetzen zu. Der kleine Wolf warf seinen Blick indessen Hilfe suchend zur Wölfin hinüber, sie war stehen geblieben und blickte sich um, als ob sie nach etwas suchen würde, so tat er es ihr gleich, obwohl er nicht wusste wonach sie Ausschau hielten. Als sie weiterlief setzte er ihr nach. Sie liefen nun auf die Gitterstäbe zu, je näher sie ihnen kamen, desto höher schienen sie - bestimmt konnte nicht einmal ein Riese über sie hinwegsetzten. - Das Loch im Zaun Ein tiefes Knurren setzte über ihren Köpfen ein, die Decke knurrte! Der kleine Wolf riss den Kopf in die Höhe und bald schon war da etwas neues, was er nicht kannte. Die Decke knurrte nicht nur, sie flackerte auch wie die Stromkabel und nicht nur das sie bewegte sich noch dazu. Es mussten Wellen sein, dachte der Jungwolf. Zuvor hatten ihn diese blauen Streifen und Kringel schon an Wasser erinnert nun war er sich sicher, das da oben war Wasser! Aber hatte er nicht auch geglaubt, dass die Tür vorhin Wasser gewesen wäre, vielleicht irrte er sich ja wieder? So fasziniert von der Wasserdecke, wie der kleine Wolf im Moment war, übersah er die Gitterstäbe auf die sie zuliefen und lief dagegen. Verwirrt blieb er vor ihnen sitzen und blickte geistesabwesend an das obere Ende des Gitters. "Nun komm schon kleiner Wolf, es bleibt keine Zeit du musst fliehen!" Riss ihn die sanfte Stimme aus den Gedanken, doch er konnte nur den Kopf der Wölfin sehen, der aus dem Boden ragte und dann verschwand sie vollkommen. Verunsichert näherte sich der Jungwolf der Stelle an der sie verschwunden war. Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Boden sich verändert hatte, er war braun und hart und hatte die Farbe von Kot. Erde, ging es ihm durch den Kopf. An der Stelle, an der die graue Wölfin verschwunden war, war nichts anderes als ein großes, schwarzes Loch. Der Blick des kleinen Wolfs hob sich und traf ihre blauen Augen, welche ihm von der anderen Seite des Gitters abwartend und leicht vorwurfsvoll anblickten. Ein wenig graute dem Jungwolf davor in das Loch zu springen und durchzukriechen, auch wenn sie es ihm vorgezeigt hatte, irgendetwas in seinem Inneren sagte ihm, dass er Angst davor hatte. Davon hatte ihm doch Ratte auch nie etwas gesagt, das hatte sie ihm nie beigebracht, protestierte er in Gedanken. Die Wölfin wurde indessen nervös, vom Zögern des Kleinen, immer näher kamen die Wachmänner, die hinter ihnen her waren. "Komm schon kleiner Wolf, das schaffst du, du hast schon so vieles geschafft", versuchte ihm die sanfte Stimme Mut zuzusprechen, aber er schüttelte nur den Kopf. "Du bist doch auch ganz allein die Stufen hinauf gestiegen", versuchte sie es weiter und ihre Stimme wurde eindringlicher und ängstlicher, sie war sich nicht sicher ob sie ihn wie einen Welpen, handhaben sollte, wo er dem Welpenalter doch schon entwachsen war. Wieder schüttelte der kleine Wolf den Kopf. "Das hat mir Ratte beigebracht", winselte er und die Riesen in seinem Rücken näherten sich auf Netzen. Die Wölfin spürte in dessen ein Gewehr auf sich gerichtet, konnte es aber nicht sehen. "Ratte?", fragte sie sich. "Gut dann stell dir vor, ich wäre Ratte und bringe dir etwas Neues bei." Das Kopfschütteln des Wolfs war schon zur Monotonie geworden. Sein Blick lag ausdruckslos auf dem Loch, sein Atem ging flach, ihm war kalt und er war müde. "Ratte ist tot, sie kann mir nichts mehr beibringen", schluchzte er. "Dann bring ich dir jetzt etwas bei", meinte sie und hatte indessen begonnen unruhig am Zaun hin und herzulaufen. Warum hatten sie noch nicht geschossen? War dieser Jungwolf so wichtig für sie, dass sie Angst hatten ihn zu treffen? "Du willst doch etwas lernen oder? Du willst doch fliehen?" - Fell das in der Farbe meiner Augen leuchtet "Ratte sagte ich müsse dorthin laufen wo die Farbe meiner Augen leuchtet." Wieder knurrte die Decke. Grelle Stromschläge glitten durch die Wasserfluten. "Wenn du nicht durch das Loch schlüpfst wirst du sterben", hauchte die Wölfin und der Blick des kleinen Wolfs hob sich. Sterben, hatte sie nicht gesagt er durfte nicht sterben? Ratte hatte auch gesagt er darf nicht sterben, aber was sollte er tun? Nirgendwo leuchtete die Farben seiner Augen - oder? Nun wo der Jungwolf den Blick wieder angehoben hatte sah er etwas. Dort hinter den Gitterstäben, auf den Hügeln - war das Fell? "Fell das in der Farben meiner Augen leuchtet?", fragte er sich selbst, sodass die Wölfin verwirrt aufhorchte. Der grüne Blick fixierte die Hügel in der Ferne. Es war dunkel hier draußen. Die Wolken warfen tiefe Schatten auf die Hügel und er hatte sie nicht gesehen, die Nadeln die Haare. Grüne Haare! Die Riesen waren bereits nahe gekommen, doch bevor sie sich versahen war, der Wolf durch das Loch geschlüpft und rannte mit großen Sprüngen den Hügel hinauf. Die graue Wölfin folgte ihm, beobachtete jeden Schritt des Artgenossen. Der Lärm der Sirenen heulte zu ihnen herüber, der Jungwolf achtete nicht mehr darauf. Er rannte, rannte was er noch konnte. Das grüne Fell kitzelte seine wunden Flanken und stach ihm in die Nase, sodass er niesen musste. Bisher war er auf Fliesen gelaufen, auf Treppen und auf Beton, aber nun lief er auf Erde und Gras! Das war das Beste, von allem. Wie zuvor brannte das Feuer in seinem Inneren, aber es hatte etwas Gutes, denn es vertrieb die brennende Kälte. Bald schon hatte er die Spitze des Hügels erreicht und schon blieb er wie angewurzelt stehen - was da vor ihm lag, war viel atemberaubender als alles zuvor. Der Raum in dem sie sich befanden war riesig, viel größer als jeder andere. Das hier war der Raum der Freiheit! Und nicht nur das, das war nicht einmal das Überwältigendste. Dort hinten, weit weit weg, konnte er riesige spitze, grüne Stacheln sehen. Bäume! Wieder ein Donnern, der Widerhall hing noch lange in den Mündern der Täler, bis endlich die Wolken begannen sich über der Landschaft zu entleeren. Nur ein erneuter Schauer, der die Hills ereignen sollte. "Was ist mit dir kleiner Wolf?", fragte die Wölfin besorgt, weil sich der andere auf den Boden geschmissen hatte und sich im Gras wälzte. "Ich hab's gefunden", schrie er darauf. "Ich hab das Fell gefunden, das in der Farbe meiner Augen leuchtet, jetzt bin ich frei!" Hart prasselte der Regen auf die beiden Wölfe, hart und kalt, wie es der Herbstregen meistens tat. Sie begannen erneut zu laufen, den Hügel hinab und einen anderen hinauf, weit weit über die Ebene und die Menschen verloren sie schon bald in den aufkommenden Nebeln. Die weißen Riesen konnten ihnen im Schwarz der Nacht einfach nicht folgen - denn Weiß ist das Böse, Schwarz ist der Freund. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)