Der ganz normale Wahnsinn 1: Bittersweet Symphony von Konnichi (Teil 1/3) ================================================================================ Kapitel 4: Unfreiwillige Erinnerungen ------------------------------------- {A.d.A.: Okay, so viel vorweg: Das hier ist mein Lieblingskapitel. So langsam nimmt die Story Form an, denke ich} Rico lag da und wartete auf den Schlaf. Eigentlich hätte er augenblicklich einschlafen müssen, so müde war er, aber es wollte einfach nicht funktionieren. Aus dem Nebenbett hörte er Lucifers unverständliches Gemurmel. Der Junge sprach immer im Schlaf und wenn man mal verstand was er sagte, dann war es kompletter Blödsinn. Es hieß, jeder würde das machen aber er selbst zählte da wohl zu den großen Ausnahmen. Er redete nur, wenn er einen Albtraum hatte und dann waren es klar formulierte Wörter oder Sätze. Seine Frau war mal einen ganzen Tag lang böse auf ihn gewesen, weil er sie im Schlaf angeschrien hatte. Er wusste bis heute nicht, was er eigentlich in der Nacht geträumt hatte aber es würde ihn sehr interessieren. Lucas verstummte und fing stattdessen an, mit seiner Bettdecke zu kämpfen. Mit dem Allgemeinwohl im Sinn stand Rico auf und ging zu ihm rüber. Vorsichtig versuchte er ihn zu beruhigen ohne ihn zu wecken, denn wenn er wach war würde er nur wieder herummeckern. Als der Schlafende sich beruhigt hatte ging Rico nochmal zur Balkontür, um einen letzten Blick auf die Stadt zu werfen. Die Wolke, die den Mond verdeckt hatte, zog zur Seite und das Krankenzimmer wurde von silbernem Mondlicht erhellt. Diese Lichtverhältnisse ließen sogar diesen trostlosen, langweiligen Ort gespenstisch-schön erscheinen. Vollkommen beruhigt drehte Rico sich wieder um. Sein Blick fiel auf Alex, der mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen friedlich in diesem silbernen Schein schlief. Einen Moment lang war Rico versucht sich auf seinem Bett niederzulassen und ihm beim Schlafen zuzusehen, konnte sich aber zurückhalten und verschwand wieder in seinem eigenen Bett. Als er dort lag überkam ihn endlich der Schlaf. Aber er schlief nicht gut; ein Albtraum störte seine Nachtruhe. Ein einsamer dunkelhaariger Junge saß auf der verrosteten Schaukel in dem grauen Innenhof, der von ebenso grauen Mietshäusern gesäumt war. In einem dieser Häuser stritten sich jetzt gerade seine Eltern. Wegen ihm und seinen Geschwistern. Oder wegen dem Geld. Er meinte ihre Stimmen bis in den Hof hören zu können, aber das war eigentlich Blödsinn. Sie stritten sich in letzter Zeit oft aber grundsätzlich war das nichts Neues. Seit Rico und seine Zwillingsschwester Lucia lebten, also seit neun Jahren, hatten sie ihre Eltern fast immer streitend erlebt. Er dachte an seinen sechsjährigen Bruder Sergio, der jetzt da oben war und das alles mit anhören musste. Der Kleine würde noch einen ernsthaften Schaden bekommen, wenn das so weiterging. Seufzend stand Rico von der Schaukel auf und ergriff seine Schultasche. Irgendwann musste er hochgehen, soviel stand fest. Aber er überlegte es sich anders, setzte sich wieder und schaukelte leicht vor und zurück, wobei er seine Füße über den Boden schleifen ließ. Er brauchte neue Turnschuhe und wenn er die hier kaputtmachte hatte er eine größere Chance, tatsächlich welche zu bekommen. Warum war er eigentlich hier? Warum waren sie nicht in Spanien geblieben? Sicher, sie waren arm gewesen, aber das waren sie hier in Deutschland auch. Und dort hatte er wenigstens Freunde gehabt, nicht so wie hier, wo er sich jeden Tag mit anderen Schlägertypen prügeln musste, um in die Schule und auch wieder nach Hause zu kommen. Deprimiert sah er sich um. Hier war alles grau und trostlos. Ein kleines Mädchen bog um die Ecke und betrat den Innenhof; seine siebenjährige Schwester Blanca. „Hey, Rico. Streiten die schon wieder?“, fragte sie und lehnte sich an das rostige Schaukelgestell. „Klar streiten die“, meinte er bloß und schaukelte geistesabwesend weiter. Ein Geräusch riss ihn aus seinen Gedanken. Es war das Magenknurren seiner Schwester gewesen. „Haben sie dir wieder dein Essen geklaut?“, fragte er und sie nickte. Es passierte ihm selbst auch fast täglich also war es keine Neuigkeit. „Lass uns hochgehen und gucken, ob es Mittagessen gibt“, sagte er, stand auf und nahm das Mädchen bei der Hand. Sie machten sich auf den Weg in den fünften Stock. Schon im unteren Teil des Treppenhauses konnten sie die lauten Stimmen ihrer Eltern hören und als sie in der dritten Etage waren flog ihre Wohnungstür mit einem Krachen auf. Die Stimmen waren so laut, dass man sie sicher in der ganzen Nachbarschaft hörte. „Mir reicht´s! Es ist aus, Thomas! Das war das letzte Mal!“, schrie ihre Mutter und stürmte die Treppen runter. „Nein, warte, Paula! Du kannst mich doch nicht mit den Kindern allein lassen!“, rief der Vater ihr nach aber sie hörte nicht und flüchtete blindlings aus dem Haus. „Das war´s. Jetz´ isse weg“, murmelte Blanca traurig und lehnte sich an ihren großen Bruder, der der Mutter geschockt hinterher sah. Erschreckt fuhr Rico aus dem Schlaf auf. Seine kleine Schwester hatte damals Recht behalten. Die Mutter war nur noch einmal wiedergekehrt. Mit den Scheidungspapieren und einem Antrag auf das Sorgerecht für die vier Kinder. Natürlich hatte es wieder Streit gegeben. An diesem Tag hatte ein jahrelanges Tauziehen um die Kinder begonnen. Rico erinnerte sich, dass er innerhalb eines Jahres fünfmal zwischen Mutter und Vater hin und her geschoben worden war. Nach der Trennung hatten er und seine Geschwister bei der Mutter in Spanien gelebt, die allerdings dann ihre hart erkämpfte Arbeitsstelle wieder verlor und auf der Straße stand. Sie wurden wieder nach Deutschland geschickt und lebten bei ihrem Vater, wo das Jugendamt sie schließlich wegholte, weil er nicht in der Lage war für sie zu sorgen. So ging es hin und her. Wenn Ricos Erinnerungen stimmten waren sie sogar eine kurze Zeit lang in einem Heim gewesen, wo ihr Vater sie dann abholte und schwor sich zu bessern. Er schaffte es erst, als er eine Frau kennen lernte. Sie sorgte dafür, dass alles mehr oder weniger in Ordnung kam, passte auf die Kinder auf und versuchte ihnen die Mutter zu ersetzen, die sie alle so furchtbar vermissten. Zu dieser Zeit bekam Ricos Vater das alleinige Sorgerecht zugesprochen. Aber alles wurde anders als die Frau bei der Arbeit von einer Leiter stürzte und tödlich verletzt wurde. Danach wurde es noch schlimmer als vorher. Der Vater kümmerte sich nicht um sein Transportunternehmen, das ihm sein schwer-kranker Bruder überlassen hatte, und war bald schon hoch verschuldet. Er heiratete zwar wieder aber seine neue Frau Nicola war damals nicht besser als er. Sie waren noch ärmer als vorher, hatten nichts zu Essen, keine ordentlichen Klamotten und keine Schulbücher. Damit sie überleben konnten begannen die Kinder, selbst Geld zu verdienen. Sie gingen in die Fußgängerzone und versuchten sich als Straßenmusiker. Rico spielte Gitarre, das hatte seine Mutter ihm beigebracht, Blanca sang und Lucia tanzte dazu, in dem einzigen Kleid das sie besaß und grundsätzlich barfuß. Der kleine Sergio war entweder gar nicht dabei oder stand daneben und hielt den Hut, in dem sie das Geld sammelten. Manchmal zog er auch allein los und klaute den Leuten die Brieftaschen. Ja, Sergios kriminelle Energie hatte sich auch damals schon gezeigt. So oft Rico auch versuchte ihm beizubringen, dass es falsch war andere Leute zu bestehlen und zu schlagen, es war einfach hoffnungslos. Später waren Sergio und seine Kumpel eine der schlimmsten Jugendbanden der Stadt geworden, raubten Menschen und Geschäfte aus und quälten die Leute, die sie nicht leiden konnten. Sie verpassten ihnen sternförmige Brandzeichen. Vorsichtig legte Rico die Hand über sein eigenes Brandmal. Er war der Erste gewesen... Ohne es zu wollen fiel er wieder in unruhigen Schlaf und durchlebte in seinen Träumen verschiedene Episoden aus seiner doch sehr bewegten Kindheit und Jugend... „Wir brauchten eine Testperson und da kamst du grade richtig, Bruder“, sagte Sergio mit einem gemeinen Lächeln und stocherte in dem Lagerfeuer, das sie eigens zu diesem Zweck angezündet hatten. Rico versuchte sich zu befreien aber vier Leute hielten ihn fest. Vier Jungs im Kleiderschrankformat, die zwar jünger waren als er, aber gegen die er schmächtiges Kerlchen nichts ausrichten konnte, obwohl er ziemlich stark war. „Lasst mich los! Das ist unfair!“, rief er und wand sich zwischen ihren starken Händen. „Unfair? Denkst du die Welt ist fair, Rico? Denkst du das?“, fauchte Sergio und kam ihm mit seinem Messer gefährlich nahe. „Nein, sie ist nicht fair. Aber du musst deine Wut dadrüber doch nicht an anderen Menschen auslassen. Hört auf, bevor es zu spät ist“, antwortete sein Bruder. Die Umstehenden lachten ihn aus. „Jetzt im Ernst: An wem soll ich meine Wut auslassen, wenn nicht an Menschen, die immer so schön schreien und flehen?“, fragte Sergio mit gespielter Nachdenklichkeit. „Wenn du unbedingt irgendwas schlagen musst, dann kauf dir eine Axt und werd Holzfäller. Wirklich, Sergio. Du kannst nicht dein Leben lang andere Menschen quälen“, meinte Rico eindringlich und versuchte verzweifelt ihn zu überzeugen. „So, kann ich nicht? Ich werd´s dir zeigen. Und mit dir fang ich an“, sagte sein kleiner Bruder und kam mit einem bedrohlichen Blick auf ihn zu. Ganz langsam schlitzte er mit dem Messer sein T-Shirt auf und achtete darauf, dass die Klinge immer leicht über Ricos Haut fuhr. Ein falscher Atemzug oder ein kleines Zucken und er würde ihn schneiden. Als Sergio mit seiner Tätigkeit fertig war winkte er einem Jungen namens Tim, der bis dahin nur am Rand gestanden hatte. „Bitteschön, dein Patient“, meinte er und wandte sich dann an Rico, „Mein Freund hier wird jetzt leider deinen hübschen Körper ein bisschen verunstalten. Ich würde ja gerne selber an dir rumritzen aber er will sich unbedingt an dir rächen, für das was du seiner Schwester angetan hast“ Der Junge kam auf ihn zu und starrte ihn böse an. „Ich hab keiner Schwester von irgendwem was angetan! Lasst mich gehen!“, rief Rico, den so langsam wirklich die Panik überkam. „Hast du nicht? Und was ist mit meiner Schwester Sandra? Erinnerst du dich an sie?“, fragte Tim bedrohlich. „Natürlich erinnere ich mich. Aber ich hab ihr nichts getan. Ich weiß nicht, was sie dir eingeredet haben...“, antwortete Rico und versuchte sich wieder zu beruhigen. Sandra war bis vor Kurzem seine Freundin gewesen. „Du hast mit ihr geschlafen und dann hast du sie abserviert, eiskalt wie du bist“, sagte Tim wütend. „Ich hab sie nicht abserviert. Ich hab mit ihr Schluss gemacht, weil sie mich betrogen hat, und zwar sieben Mal“ Darum ging es hier also. „Lügner!“, rief der Andere, griff nach etwas, das bis dahin im Feuer gelegen hatte und kam auf ihn zu. Voller Entsetzen erkannte Rico, dass es ein glühendes Metall in der Form eines Sterns war. Er wurde wieder festgehalten und schloss in Panik die Augen. Im nächsten Moment durchfuhr ihn ein unglaublicher Schmerz... Rico saß im Treppenhaus und wartete. Er hatte heute keinen Bock auf Schule gehabt und damit sein Vater nichts bemerkte musste er hier warten, bis seine Geschwister zurückkamen. Plötzlich hörte er die Wohnungstür aus der fünften Etage. Panisch flüchtete der Junge die Treppen hinunter und aus der Tür. Als er gerade über den Hof lief wurde ein Fenster geöffnet. „Ricardo Herres! Beweg dich SOFORT hier hoch!“, rief sein Vater wütend. Der Junge erstarrte. Was sollte er jetzt tun? Wenn er weglief würde das die Wut seines Vaters nur noch steigern. Wenn er aber jetzt in die Wohnung ging, würde er ihn sicher auch schlagen. Also machte es keinen Unterschied. Er drehte sich um und ging wieder ins Haus. Sein Vater beobachtete ihn vom Flurfenster aus, bis er durch die Tür getreten war. Er erwartete seinen Sohn in der fünften Etage auf dem Treppenabsatz und zerrte ihn in die Wohnung. Kaum war die Tür hinter ihnen geschlossen verpasste er dem Kleinen eine harte Ohrfeige. „Was fällt dir ein einfach die Schule zu schwänzen, du kleiner Nichtsnutz?!“, rief er. Rico antwortete nicht. Wenn er jetzt etwas sagte würde die Sache wohl noch schlimmer. Sein Vater war immer unberechenbar, wenn er gesoffen hatte und das war in letzter Zeit öfters der Fall. Rico und seine Geschwister hatten die Hoffnung längst aufgegeben, dass irgendwann in naher Zukunft alles besser wurde, ihr Vater aufhörte zu trinken und sie endlich wieder Geld hatten ohne auf der Straße zu betteln. „Beantworte meine Frage! Na los, heute noch“, befahl der Mann und packte seinen Sohn am Kragen. „Was soll ich denn in der Schule? Das bringt doch sowieso nichts“, meinte Rico und sah ihm fest in die Augen. „Das bringt also nichts? Und was ist mit deiner Zukunft? Hast du auch schonmal da dran gedacht?“, fragte der Vater. „Wir Kinder aus „schwierigen Verhältnissen“ haben doch eh keine Chance auf eine Zukunft“, antwortete der Junge, riss sich los und flüchtete so schnell er konnte... Traurig kletterte Rico auf das Dach des Wohnhauses, in dem er jetzt schon seit sechs Jahren wohnte. Sie hatten heute in der Schule über Berufswünsche geredet. Natürlich hatten sie alle ihre Träume aber die Anderen hatten wenigstens die Chance, diese Träume zu erfüllen. Er hatte keine Ahnung, wie er jemals zu etwas werden würde. Rico wollte nämlich unbedingt Pilot werden aber die Ausbildung war teuer und Geld war bei ihnen immer noch nicht an der Tagesordnung. Es war hoffnungslos. Deprimiert setzte er sich auf die Kante des Dachs und ließ die Beine über dem Innenhof baumeln. Ob man wohl starb, wenn man hier runtersprang? Sollte er es ausprobieren? Gerade als er das dachte kam Blanca aus dem Haus und fing an im Hof Fußball zu spielen. Wenn er jetzt vom Dach sprang, würde sie es mit ansehen und das wollte er nicht. Verzweifelt betrachtete er seine schwarzen Stiefel, die schon wieder fast kaputt waren. Dabei hatte er sie erst vor vier Monaten aus dem Geschäft mitgehen gelassen. Und seine Jeans, eine von zweien, würde bestimmt bald auseinander fallen, so viele Löcher hatte die. Aber das war okay. Solange Sommer war, konnte man es auch ohne ordentliche Klamotten aushalten. Außerdem fand er, dass es gut aussah. Es passte zu seinen Gefühlen und seinem Charakter. Er war zerrissen. Aber egal wie viele Löcher seine Seele auch hatte, er gab nicht so einfach auf; zumindest noch nicht. Noch hatte er seine Schwestern und seinen Bruder, die ihn brauchten. Rico stand wieder auf. So langsam wurde es doch kalt hier oben. Unentschlossen stand er auf der Kante und sah nach unten. Ein plötzlicher Impuls sagte ihm, er sollte doch mal in die andere Richtung gucken. Der Junge richtete seinen Blick in Richtung des klarblauen Himmels, breitete die Arme aus und plötzlich passierte etwas, das schon lange nicht mehr passiert war. Er lächelte. Es ging ihm in diesem Moment vollkommen ohne Grund so gut, dass er seine Sorgen kurz vergessen konnte. Aber als er die Tür zum Dach hörte beschlich ihn dieses negative Gefühl wieder und er wusste, dass wer auch immer da jetzt kam, ihm etwas mitteilen würde, dass ihn nicht gerade glücklich machte. Tatsächlich stand Lucia hinter ihm und sah ihn ernst an. „Rico, du wirst es nicht glauben: Nicola ist schwanger“, sagte sie... Rico erwachte am nächsten Morgen nur langsam. Das erste, was er wahrnahm war, dass er nicht allein im Bett lag. Jemand hatte den Arm um ihn gelegt; wer, war ihm im Moment ein Rätsel (Es war ein Mann, so viel stand fest). War aber eigentlich auch egal. Die Schmerzen seiner gebrochenen Rippen ignorierend kuschelte er sich näher an die große Wärmequelle in seinem Rücken und genoss die Ruhe und den Frieden dieses Augenblicks. Der Mann hinter ihm regte sich, zog ihn kurz noch enger an sich und machte dann Anstalten aufzustehen. Rico hielt seinen Arm fest und brachte ihn so zum Bleiben. „Nicht weggehen“, murmelte er verschlafen. Er wollte nicht allein sein. Immer noch mit geschlossenen Augen drehte er sich um und umarmte seinen Besucher, der diese Geste zurückhaltend erwiderte. Als Ricos Finger den Rücken entlang wanderten und auf einen Verband trafen, wusste er wer der Fremde in seinem Bett war. Endlich sah er auf, um sich zu vergewissern, und tatsächlich strahlten ihn Alex´ himmelblaue Augen an. „Was machst du in meinem Bett?“, fragte er leise und verwirrt. „Du hattest die ganze Nacht Albträume, hast geweint und im Schlaf geredet. Ich hab dich geweckt und wollte dich beruhigen und dann hab ich mich zu dir gelegt und dich umarmt, weil dir so kalt war. Irgendwann bin ich dann halt auch eingeschlafen“, erklärte Alex und nach einer kurzen Stille fragte er: „Bist du sauer auf mich?“ Rico musste lachen. Er hörte sich bei dieser Frage an wie ein kleiner Junge. „Wenn es so wäre, hätte ich dich schon längst sehr unsanft auf den Boden befördert“, meinte Rico grinsend. Sie hörten, wie Lucifer aufwachte und kurz darauf meldete sich seine Stimme. „Ihr... ihr liegt ja zusammen im Bett!“, sagte er geschockt. Rico richtete sich etwas auf, sodass er ihn über Alex´ Schulter hinweg ansehen konnte. „Ja, und? Hast du ein Problem damit?“, fragte er und plötzlich kam ihm eine Idee. Den würde er drankriegen. „Nein, hab ich nicht. Aber... ich meine... Habt ihr etwa, ähm, miteinander geschlafen?“, fragte der Jüngere. „Nein, aber das können wir ja noch nachholen“, antwortete sein Gesprächspartner mit einem dämonischen Grinsen. Dann wandte er sich an Alex, der blöderweise kein Wort verstanden hatte. „Tu so, als ob wir zusammen wären... und als ob du mich flachlegen willst“, sagte er auf Deutsch und am Lächeln des Österreichers konnte er erkennen, dass er sein Vorhaben durchschaut hatte. Grinsend zog er Rico an sich und küsste ihn. Aber er tat nicht nur so, er machte es wirklich und Rico erwiderte den Kuss ohne Hintergedanken. Er musste zugeben, dass es sich gut anfühlte und errötete bei dieser Feststellung. Um seiner Rolle gerecht zu werden schob er seine Hand unter das T-Shirt des Größeren und streichelte seinen Rücken, was eine leichte Gänsehaut bei ihm auslöste. Alex löste ihren Kuss, legte stattdessen seine Lippen auf Ricos Hals und ließ eine Hand zu seinem Hintern wandern. Der Kleinere öffnete kurz die Augen, nur um mit Genugtuung festzustellen, dass Lucifer sie fasziniert-geschockt anstarrte. Er wurde selbst wieder etwas aktiver und schob seine Hand von Alex´ Rücken in seinen Schritt. Der Mann zuckte leicht zusammen, ließ sich aber sonst nichts anmerken. Spielerisch biss er in Ricos Hals und stellte fest, dass er das lieber gelassen hätte. Dem Kleineren entfuhr ein erregtes Stöhnen und reflexartig drückte er seine Hand etwas zusammen. Einen Moment lang vergaßen sie beide, dass das nur ein Spiel war. Alex ergriff Ricos Handgelenke, drehte ihn auf den Rücken und nagelte ihn so am Bett fest. Er küsste ihn wieder und schob sein Knie zwischen seine Beine. Rico spürte seine Selbstbeherrschung schwinden, befreite seine linke Hand und schnappte sich die Bettdecke, die er schnell über sie Beide warf. „Hör auf, sonst fall ich wirklich noch über dich her“, flüsterte er atemlos und Alex ließ von ihm ab. „Was? Du bist doch nicht echt schwul, oder?“, fragte der Größere halbwegs überrascht. „Nein, aber wenn du mich so anmachst... außerdem bin ich irgendwie bi... weiß auch nicht genau“, meinte Rico leise. „Also, ich bin nicht schwul und auch nicht bi aber... irgendwie war das doch ziemlich na ja, du weißt schon... und du hast einen geilen kleinen Arsch“, erwiderte Alex und streichelte zur Bestätigung besagtes Hinterteil. Rico wurde knallrot, konnte sich aber im nächsten Moment schon wieder zusammenreißen. „Wir sollten unseren Scherz mal aufklären, oder?... Jetzt nimm deine Hand da weg, oder ich kann für nichts mehr garantieren, Süßer“, sagte er und als der Andere seinem Befehl nachgekommen war schlug er die Decke zurück und sie grinsten beide den total perplexen Lucifer an. „Verarscht! Und du bist drauf reingefallen“, rief Rico lachend. Zu ihrer Belustigung wurde das Gesicht des Jüngsten noch ungläubiger und er blickte von einem zum anderen. „Ihr seid so fies“, sagte er dann und ließ sich wieder in die Kissen sinken. Die beiden Anderen mussten lachen aber Rico konnte sich nicht zu 100% über ihren Erfolg freuen. Er lehnte sich wieder zu Alex rüber und sah ihm in die Augen. „Wegen dir brauch ich jetzt Sex. Das ist alles deine Schuld“, sagte er leise. „Vergiss es“, meinte der Größere und wollte aufstehen aber er wurde festgehalten. „Wieso nicht? Du darfst auch meinen geilen kleinen Arsch f-“, flüsterte der Andere, wurde aber von einem Finger auf seinen Lippen unterbrochen. „Vergiss es, Rico“, wiederholte Alex, stand auf und verschwand im Badezimmer. „Och, menno“, murmelte der Liegende und stand ebenfalls auf, um auf den Balkon zu gehen. Er betrachtete wieder die Stadt und seine Gedanken kamen auf die Träume der letzten Nacht zurück. Das war alles genauso passiert und es war noch längst nicht das Schlimmste gewesen. Rico zwang sich, nicht mehr darüber nachzudenken. Er blickte in das Krankenzimmer, wo Lucas immer noch so auf dem Bett lag. Der schmollte verdammt lange. Ob Alex jetzt wohl beleidigt war? Er musste sich entschuldigen, das war sicher. Was war da eben überhaupt wieder in seinem Kopf vorgegangen? Wenn Alex ja gesagt hätte, dann hätte er es sofort getan. Diese Anwandlungen waren echt gruselig und er war sich sicher, dass er eines Tages etwas tun würde, das ihn in Schwierigkeiten brachte und das er bereuen würde. Aber alles nachdenken brachte nichts. Er musste sich in Zukunft zusammenreißen. Schaudernd überlegte er, was wohl passierte wenn seine Frau jemals von diesen Gedanken erfuhr. Einmal hatte er Myriam mit einer Frau betrogen und damals hätte sie ihn fast für immer verlassen. Er wagte gar nicht daran zu denken, was sie tat wenn er sie mit einem Mann betrog. Als er sich einige Zeit später eine Kippe anmachte kam Alex gerade aus dem Badezimmer. Er vermied es, Rico anzusehen und schien flüchten zu wollen. Dann überlegte er es sich aber anders und trat auch nach draußen. „Gut, dass du kommst. Ich ähm... wollte mich entschuldigen, wegen vorhin. Es ist irgendwie mit mir durchgegangen“, sagte Rico ohne Umschweife und sah ihn ernst an. „Nein, ich muss mich entschuldigen. Es ging nicht gegen dich persönlich. Ich mache sowas nur grundsätzlich nicht“, erwiderte Alex. „Ich ja eigentlich auch nicht. Also, ich hab´s noch nie gemacht aber ich würde es nicht kategorisch ausschließen“, erklärte der Andere zu seiner Überraschung. „Aber du hast doch gesagt, du bist bi“, meinte Alex verwirrt. „Ich denke jeder Mensch ist grundsätzlich bi. Die Einen bemerken es und die Anderen halt nicht. Ich persönlich tendiere auf jeden Fall zu Frauen aber es könnte durchaus mal vorkommen, dass ich mich von einem Mann verführen lasse, wenn mir grade danach ist. Also, ich kenne viele Leute, bei denen das genauso ist“ Nachdenklich sah Alex ihn an. „Wenn du meinst... Sag mal, deine Albträume heute Nacht... Da ging es um deine Kindheit, oder?“, fragte er. „Ja, wenn man es denn so nennen will“, murmelte Rico nervös. „Willst du´s mir erzählen?“, fragte sein Gesprächspartner weiter. Der Angesprochene zögerte kurz, dann erzählte er ihm zumindest mal von seinen verworrenen Familienverhältnissen. „Aha... Das ist wirklich kompliziert... Und wer ist Sergio?“, fragte Alex. Rico zuckte beim Klang dieses Namens. „Woher weißt du von ihm? Den hab ich doch nie erwähnt“, murmelte er verwirrt. „Du redest im Schlaf. Ich hab zwar kein Wort verstanden, weil es Spanisch war aber diesen Namen hast du andauernd wiederholt“, sagte Alex und kam auf ihn zu. Er legte eine Hand auf seine linke Schulter, wanderte dann mit dem Zeigefinger unter den Bund seines T-Shirts und zog daran, bis das Brandzeichen zu sehen war. „Hat er zufällig das hier verursacht?“, fragte er. Leicht geschockt sah Rico ihn an. Wie konnte er das wissen? „Er hat es nur bedingt verursacht. Sergio ist... war... mein kleiner Bruder. Er war ein krimineller Psychopath und der Chef einer brutalen Jugendbande. Sie haben ihre Feinde gebrandmarkt, um jeden abzuschrecken, der sich mit ihnen anlegen wollte. Er hat mir nicht persönlich dieses Zeichen verpasst aber er hat praktisch den Befehl dazu gegeben“, erzählte Rico mit einiger Überwindung. „Er `war´ dein Bruder? Ist er... du weißt schon... tot?“, fragte Alex, der zwischen Neugier und Entsetzen schwankte. Aber Rico zuckte nur unwissend mit den Schultern. Er wusste es nicht und es war ihm auch ein Stück weit egal. „Er ist verschwunden, vor elf Jahren... abgehauen, nachdem...“, murmelte er und konnte es nicht aussprechen. „Nachdem, was? Nachdem er etwas Unverzeihliches getan hatte?“, fragte sein Gesprächspartner flüsternd. Rico sah ihm in die Augen. Irgendwie vertraute er dem Kerl und früher oder später würde er es sowieso rausfinden. Also konnte er es ihm genauso gut sagen. „Nachdem er Lucia erstochen hatte“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)