Schattenherz - Neue Welten von abgemeldet (Teil 3) ================================================================================ Kapitel 1: Johnny Garland ------------------------- Johnny Garland Er hatte keine Ahnung wo er war, noch wie er hier her gekommen war. Alles sah so fremd aus und langsam überkam ihn die Panik. Was sollte er nur tun? Seit Stunden lief er schon durch die Straßen des kleinen Dorfes. Die Menschen schauten ihn seltsam an, doch keiner wagte mit ihm zu sprechen. Selbst als er jemanden direkt angesprochen hatte, war dieser schnell verschwunden. Es war zum Verzweifeln. Erschöpft und am Rande des Wahnsinns ließ er sich auf die Treppenstufen einer Kirche sinken und vergrub das Gesicht in den Händen. Er wollte wieder zurück nach Hause. Zu seinen Freunden, seinem Haus, seiner Arbeit. „He, Kleiner!“, hörte er plötzlich eine Stimme vor sich und sah auf. Vor ihm stand eine hübsche junge Frau mit feuerroten Haaren und leuchtenden Augen. Sie sah ihn besorgt an und lächelte freundlich. „Hey.“, antwortete er missmutig. „Du siehst nicht so aus, als kämst du von hier.“, entgegnete die Fremde und nahm neben ihm Platz. „Kann ich dir behilflich sein?“ „Ich wohne eigentlich in New York, aber irgendwie bin ich hier her gekommen und nun habe ich keine Ahnung wo ich bin und wie ich hier her kam.“, erklärte er. „New York?“, fragte sie verwundert. „Das ist ganz schön weit weg. Bist du mit dem Zug gefahren?“ Er senkte den Kopf und ballte die Hände zu Fäusten. Wenn er ihr die Wahrheit sagte, würde sie ihn wahrscheinlich für verrückt halten. Aber welche Wahl hatte er schon? „Ich... ich war im einen Moment noch in New York und kurz darauf hier.“ Die Fremde runzelte die Stirn und musterte ihn durchdringend. „So... so... hier und plötzlich da.“, erwiderte die Rothaarige. „Ja, ich weiß es hört sich seltsam an, aber es war wirklich so.“, beteuerte er. „Alles kommt mir so fremd vor und ich will einfach wieder zurück.“ „Dann komm mal mit. Ich lade dich ein.“, sagte sie lächelnd. „Wir können alles bei einer Tasse Tee bereden. Im Übrigen, mein Name ist Karin König.“ „Johnny, Johnny Garland.“, stellte er sich vor und folgte ihr. „Wie alt bist du denn?“, fragte sie. „Ich bin sechzehn, aber für mein Alter schon sehr erwachsen.“, antwortete Johnny. „Wo bin ich hier eigentlich?“ „Das Dorf heißt Domremi. Ein Freund von mir wohnt hier, den werden wir jetzt mal besuchen. Vielleicht kann er deine Geschichte aufklären.“ Johnny folgte ihr zu einem kleinen gemütlichen Haus. Es wirkte ein wenig alt und entsprach so gar nicht dem Baustil von New York. Erst jetzt fiel ihm auf, dass alles hier irgendwie alt aussah. Ohne zu klopfen trat Karin ein und sah sich um. „Juhu, ich bin es.“, rief sie durchs Haus und lief in die Küche. „Ich habe Besuch mitgebracht.“ Johnny blieb an einem Tisch stehen und nahm Platz als Karin auf einen der Stühle deutete. Sie verschwand im Nachbarzimmer und kam nach wenigen Sekunden wieder zurück. „Wo steckt der schon wieder.“, murmelte sie vor sich hin und ging zu einer schwarzen Couch, die mit dem Rücken zu ihnen stand. „Natürlich, der Herr gibt mal wieder keine Antwort.“ „Was ist denn jetzt schon wieder?“, hörte Johnny eine Männerstimme. „Kann man nicht einmal in Ruhe schlafen?“ „Es ist später Nachmittag.“, fauchte Karin den Mann an. „Und jetzt steh endlich auf. Ich habe Besuch mitgebracht.“ Der Mann stand auf und kam hinüber zum Tisch. Johnny sah ihn skeptisch an und musste seinen Kopf ins Genick legen um ihn überhaupt erkennen zu können. Der Besitzer dieses Hauses hatte braunes zerstrubeltes Haar und auffallend rote Augen. Er warf Johnny einen unfreundlichen Blick zu und nahm auf dem gegenüber liegenden Stuhl Platz. Karin war in der Zwischenzeit in der Küche verschwunden und kam mit drei Tassen Tee zurück. „Toller Besuch.“, sagte der Fremde mürrisch. „Ein kleines Kind. Wie aufregend.“ „Ich bin kein kleines Kind.“, erwiderte Johnny und war sofort wieder ruhig, als er den bösen Blick des jungen Mannes bemerkte. „Tut mir leid für sein Benehmen.“, sagte Karin und reichte Johnny eine Tasse Tee. „Das ist Yuri Hyuga und ja, er ist immer so unfreundlich. Aber lass dich von der harten Schale nicht täuschen, er hat einen weichen Kern.“ Karin grinste Yuri fröhlich zu und dieser verzog genervt das Gesicht. „Also was will der Bengel hier?“, fragte er noch einmal. „Er lebt in New York und sagt, er wäre auf einmal hier gewesen.“, erklärte Karin. „Von einem Moment auf den anderen. Na, was sagst du?“ „Das der Bengel ein Spinner ist?“, entgegnete Yuri. „Nein, kommt dir das nicht bekannt vor?“, hakte sie nach. Johnny verstand kein Wort von dem was die beiden sprachen und er fühlte sich von Minute zu Minute unwohler in Yuris Nähe. Etwas Unheimliches ging von ihm aus. Eine Gefahr, etwas Dunkles, das er nicht in Worte fassen konnte. „Johnny?“, flüsterte Karin und sah ihn besorgt an. „Alles in Ordnung?“ Er nickte und riss sich von Yuris roten Augen los. „In welchem Jahr lebst du?“, fragte sie. „Wie... wieso fragst du?“, erwiderte Johnny. „Im Jahr 1929.“ Karin warf Yuri einen vielsagenden Blick zu. „Die Sache ist so. Wir befinden uns im Moment im Jahr 1915.“ Johnny sah sie abwechselnd an und klammerte sich an seiner Teetasse fest. Völlig unmöglich. Waren die beiden vielleicht verrückt? Sie mussten verrückt sein. Er fing an zu lachen und stand auf. „Sehr witzig, aber ich glaube ich werde jetzt wieder versuchen nach Hause zu kommen.“, entgegnete er und wollte aufstehen, wurde aber von Yuri wieder zurück auf seinen Stuhl gedrückt. „Das ist kein Witz.“, sagte Yuri. „Du hast eine Art Zeitreise gemacht. Es ist mein absoluter ernst und jetzt erzähl uns was genau geschehen ist.“ Johnny senkte den Kopf und spielte nervös an der Tasse herum. „Ich... ich bin durch eine Art Tor gegangen und dann wurde ich ohnmächtig und als ich aufgewacht bin, war ich plötzlich hier.“, erklärte er. Karin bedeutete Yuri ihr zu folgen und ging mit ihm in die Küche. Johnny blieb grübelnd zurück. Er hatte sich bereits gedacht, dass etwas nicht stimmte, aber eine Zeitreise, dass war völlig unmöglich. Selbst für sein Zeitalter war es unvorstellbar. „Es ist das Gleiche wie bei Kurando.“, zischte Karin. „Er ist auch einfach verschwunden, genau wie der Junge. Es gibt einen Zusammenhang. Das war kein Zufall. Irgendetwas geht hier vor sich.“ „Du weißt doch gar nicht, ob Kurando jetzt in New York sitzt.“, erwiderte Yuri. „Aber hier ist er nicht mehr und deine Tante hat selbst gesagt, dass er einfach verschwunden ist. Von einem Moment auf den anderen.“, fügte sie beschwörend hinzu. „Na gut, dann bringen wir den Kleinen zu Roger.“, gab Yuri nach. „Er weiß bestimmt was passiert ist.“ Kapitel 2: Besuch bei Roger --------------------------- Besuch bei Roger Johnny fühlte sich gar nicht wohl bei der ganzen Sache. 14 Jahre in der Vergangenheit? Das war völlig unmöglich. Absolut hirnrissig. Zeitreisen waren absolut unmöglich. „Kommst du?“, fragte Karin und schnappte sich ihre Jacke. „Wir wollen einen alten Freund besuchen. Vielleicht kann er uns mehr sagen.“ Johnny stand missmutig auf und folgte der Rothaarigen nach draußen Yuri ging gelangweilt hinter ihnen her. Er schien nicht wirklich Lust zu haben, sie zu begleiten. An sich wirkte er eher unfreundlich und distanziert. Während Karin einen Recht netten Eindruck machte. Kaum zu begreifen, wie die beiden befreundet sein konnten. „Träumst du?“, hörte er sie plötzlich fragen. „Äh, entschuldige ich habe nur etwas nachgedacht.“, antwortete er rasch. „Ich bin etwas verwirrt. Ich sitze plötzlich in der Vergangenheit. Das ist ziemlich seltsam.“ „Oh, wir haben schon viel seltsamere Dinge erlebt.“, entgegnete Karin. „Aber du hast Recht. Es ist keineswegs normal. Ein Freund von uns…“ „Du meinst von dir.“, unterbrach Yuri sie. Karin warf ihm einen mahnenden Blick zu und wandte sich wieder an Johnny. „Ein Freund von uns ist auch auf einmal verschwunden. Niemand weiß wohin, wie und warum. Aber es deckt sich mit dem was du gesagt hast.“ „Du meinst, er ist jetzt in meiner Zeit und ich in seiner?“, fragte Johnny erstaunt. Sie zuckte mit den Schultern. „Wir wissen es nicht, aber es wäre möglich. Obwohl unser Freund schon vor längerer Zeit verschwunden ist. Aber vielleicht können wir ja mit deiner Hilfe herausfinden was genau passiert ist.“ Sie gingen einen Hügel hinauf und warteten oben abgekommen auf Yuri, der es nicht eilig haben zu schien. Auf der anderen Seite stand ein großes Haus. Es war seltsam gebaut, mit einigen Türmen und fast völlig aus Metall. Wer auch immer dort wohnte, musste total verrückt sein. Aus einem, der drei Schornsteine quoll dicker schwarzer Rauch. „Wer wohnt dort?“, fragte Johnny skeptisch. „Das wirst du schon noch sehen. Aber glaub mir, er ist nett.“, versuchte Karin ihn zu beruhigen. „Hoffentlich netter als Yuri.“ „Jeder ist netter als er, aber lass dich nicht täuschen. Er tut nur so.“ „Mach ich gar nicht.“, widersprach Yuri und ging an ihnen vorbei. „Und jetzt komm mit. Ich will nicht noch mehr Zeit für den Kleinen verschwenden.“ Kopfschüttelnd folgte sie ihm. Unten angekommen, klopfte sie an die kleine metallene Tür. Niemand bat sie herein, trotzdem traten sie ein. Im Inneren war es ziemlich dunkel und überall standen seltsame Geräte herum. Johnny sah sich neugierig um. Er wusste bei den meisten Dingen nicht für was sie überhaupt gut waren, aber einiges kannte er doch. Neugierig blieb er vor einem großen Spiegel stehen. Er sah ziemlich mitgenommen aus. Sein blondes Haar war total zerzaust und dreckig und seine Kleider starrten nur vor Dreck. Er würde dringend ein Bad nehmen, sobald er wieder zu Hause war. „Roger!“, rief Karin durch das Haus. „Wir haben Besuch dabei.“ Ein kleiner alter Mann kam auf einen Stock gestützt um die Ecke gewackelt und lächelte fröhlich. Seine Haut war nur so mit Falten übersäht und seine Augen waren eingefallen. Dieser Mann musste uralt sein. „Hallo, schön euch zu sehen. Was führt euch denn her?“, fragte er Karin. „Das hier ist Johnny Garland.“, erklärte sie. „Ich habe ihn vorhin im Dorf aufgelesen. Er sagt er käme aus New York, im Jahr 1929.“ Roger zog die Augenbrauen hoch und musterte Johnny durchdringend. „So so, dass ist ja interessant.“, sagte er nachdenklich. „Dann haben wir hier schon unseren zweiten Fall. Erzähl mal an was du dich noch erinnerst.“ „Na ja, ich bin jemandem gefolgt und auf einmal war ich hier. Sonst erinnere ich mich an nichts mehr.“, erklärte er. „Verstehe. Leider bringt uns das unmöglich weiter.“, gestand Roger ein. „Ihr müsst irgendwie durch ein Loch in der Zeit gerutscht sein. Wie genau so etwas entsteht kann ich allerdings nicht sagen. Vielleicht durch eine große Energiequelle, wobei es nur eine Theorie ist.“ Roger kramte in einem Stapel Papier und kam wieder zu ihnen zurück. „Wir müssen mehr über diese Zeitverschiebungen herausfinden.“, erklärte Roger. „Vorher können wir Kurando nicht zurückholen.“ „Aber sie können mich doch wieder in meine Zeit bringen.“, mischte sich Johnny ein. „Nicht, wenn wir nicht etwas darüber herausfinden.“, entgegnete Roger. „Aber bis wir etwas haben, kannst du bei uns wohnen.“, schlug Karin vor. Yuri wollte auffahren, doch Karin bedeutete ihm rasch ruhig zu sein. „Äh, vielen Dank.“, bedanke sich Johnny betrübt. Die ganze Sache gefiel ihm nicht wirklich. Er wollte und musste auch dringend wieder zurück, aber ihm blieb wohl nichts anderes übrig. „Ich werde mich sofort wieder an meine Untersuchungen machen.“, erklärte Roger. „Wenn ich etwas habe, dann lasse ich nach euch schicken. Aber ich habe noch einen weiteren Vorschlag. Ihr solltet Seth suchen. Er sitzt an der Quelle, vielleicht weiß er noch etwas dazu.“ Karin nickte und verabschiedete sich. Gemeinsam gingen sie wieder zurück in Karins Haus. Yuri verschwand auf halbem weg irgendwo im Dorf und so hatten sie erst einmal Ruhe als sie zurück waren. Karin richtete die Couch für ihn und machte sich ans Kochen. „Und wie ist es hier so?“, fragte er. „Ziemlich ruhig und beschaulich. Aber ich bin sehr froh darüber.“, gestand sie ein. „Wir haben in der Vergangenheit so viel durchgemacht, dass wir jede ruhige Minute genießen.“ „Yuri macht eher den Eindruck, dass er mehr Action bräuchte.“ „Ja, er ist ein Kämpfer. Aber er ist auch froh darüber. Er hat wahrscheinlich noch mehr durchmachen müssen wie ich. Es war alles nicht immer ganz einfach.“ „Du wirst mir wohl kaum erzählen was alles so passiert ist.“, vermutete Johnny. „Es ist eine sehr lange Geschichte und vielleicht nicht unbedingt die schönste. Vielleicht ein anderes Mal.“, erwiderte Karin. „Natürlich.“, grummelte Johnny und half ihr die Kartoffeln zu schälen. „Was machst du eigentlich so in deiner Zeit?“, fragte sie. „Ich… ich arbeite als Detektiv. Gerade als ich bei einem Auftrag war, würde ich durch die Zeit geschleudert. Jetzt ist dieser Typ wahrscheinlich weg.“, vermutete er. „Wir werden dir so gut es geht helfen.“, versicherte Karin. „Immerhin ist unser Freund Kurando wahrscheinlich auch irgendwo in der Zeit verschwunden. Wir müssen ihn wieder finden.“ „Wer ist eigentlich dieser Seth, von dem der alte Mann gesprochen hat?“, fragte Johnny. „Der alte Mann heißt Roger und Seth ist auch eine Art Freund.“, antwortete sie. „Wir haben mal gegeneinander gekämpft, aber das ist lange her. Wir sind vielleicht nicht wirklich befreundet, doch er sieht uns nicht mehr als Bedrohung an.“ „Wieso Bedrohung? Du machst einen netten Eindruck.“ Karin lächelte geschmeichelt. „Na ja, Yuri und ich, sind jetzt… jetzt nicht wirklich normale Menschen.“, versuchte sie zu erklären. „Lass mich raten, auch eine lange Geschichte.“, vermutete Johnny. „Ist schon ok. Ich bin ein Detektiv und finde es sowieso irgendwann heraus.“ „Außer ich dreh dir vorher den Hals rum.“, in der Tür stand Yuri und lehnte sich gegen den Rahmen. „Schnüffel ja nicht in unserem Leben herum, sonst kannst du etwas erleben.“ „Das wollte ich gar nicht. Ich bin nur ein guter Beobachter.“, erwiderte Johnny. „Ihr lebt hier, zusammen, dass lässt einige Rückschlüsse zu. Ihr habt schon viel zusammen erlebt und scheint einige über den jeweils anderen zu wissen.“ „Dieses Mal liegst du allerdings falsch.“, warf Yuri ein. „Wir sind befreundet und mehr nicht. Sie wollte mich sogar mal umbringen.“ „Yuri, hör auf mit dem Quatsch. Da wusste ich ja nicht wer du wirklich bist.“, versuchte sie sich zu verteidigen. „Danach habe ich dir auch geholfen und mehr als einmal das Leben gerettet.“ „Na und? Ich habe dir so oft das Leben gerettet, das ich schon gar nicht mehr weiß wie oft. Sogar als du mich töten wolltest.“, bemerkte er. „Aha.“, war alles was Johnny sagte und grinste wissend. „Nur Freunde.“ „Ja.“, riefen Karin und Yuri gleichzeitig und funkelten sich gegenseitig wütend an. Das Essen verlief harmonischer. Was wohl daran lag, dass niemand ein Wort sprach. Johnny verschlang hungrig das Essen und ging anschließend ins Bad um zu duschen. Danach ließ er sich auf die Couch sinken und schlief fast augenblicklich ein. Kapitel 3: Seth, der weiße Ritter --------------------------------- Seth, der weiße Ritter „He, Johnny.“, weckte Karin ihn am nächsten Morgen sanft. „Es wird Zeit aufzustehen. Wir wollen einen kleinen Ausflug machen.“ Johnny gähnte herzhaft und setzte sich auf. Karin hatte sich schon fertig gemacht, zumindest sah sie so hübsch aus wie gestern. Er war noch sehr müde, aber es ging ihm schon besser als gestern. „Wohin wollen wir denn?“, fragte er neugierig und folgte ihr in die Küche. „Wir besuchen Seth. Yuri packt schon. Es wird eine mehr oder weniger weite Reise, aber wir sind schnell. Ich schätze in einem halben Tag sind wir dort.“, erklärte sie. „Zumindest, wenn er wirklich dort ist wo wir ihn vermuten. Wir haben nicht sehr viel Kontakt zu ihm, deswegen müssen wir eben dort anfangen zu suchen, wo wir das letzte Mal von ihm gehört haben.“ „Und wo wollt ihr hin?“ „Nach Russland, von dort kam die letzte Postkarte.“ Johnny hätte fast seinen Orangensaft über den Tisch gespuckt. „Das ist garantiert mehr als eine halbe Tagesreise, auch in eurer Zeit.“, erwiderte er. „Na ja, es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder wir nehmen Rogers Flugzeug oder… etwas anderes eben. Diese Entscheidung überlasse ich Yuri. Und jetzt iss etwas.“, sie verschwand im Nebenzimmer und Johnny stopfte sich ein Stück Kuchen in den Mund. Die Gastfreundschaft war wirklich ausgezeichnet, auch wenn er auf Yuri verzichten könnte. Nach einer halben Stunde kam sie zurück, mit einem Koffer in der Hand und zwei Jacken. Eine davon reichte sie Johnny und ging nach draußen. Yuri wartete bereits auf sie. „Warte hier. Ich spreche kurz mit Yuri.“, sie bedeutete ihm zurück zu bleiben und ging hinüber zu Yuri. Es folgte ein kleines Wortgefecht, das er allerdings nicht verstand, dann kamen sie beide zu ihm. „Ok, wir haben eine Entscheidung getroffen. Wir werden nicht das Flugzeug nehmen.“, erklärte Karin. „Was du nun siehst, ist vielleicht ein bisschen Furcht erregend, aber du darfst nicht ausflippen. Verstanden?“ Johnny nickte unsicher und sah sie etwas zweifelnd an. Langsam glaubte er ernsthaft, die beiden seien irgendwie wahnsinnig. Was er dann sah, übertraf alles. Auf einmal erstrahlten beide in einem hellen Licht und nicht mehr Karin und Yuri standen vor ihm, sondern ein Engel mit brennenden Flügeln und ein schwarzer Dämon mit ledernen Schwingen. Er riss erstaunt die Augen auf und starrte sie perplex an. „Das… ich… nein… das…“, stammelte er erstaunt und erschrocken zugleich. „Wir sind immer noch wie selbst.“, sagte der Feuerengel. „Ich bin Karin. Wirklich, du brauchst keine Angst haben.“ „Ich… nein… ach was… das… das ist alltäglich.“, stotterte Johnny. Der schwarze Dämon grinste fies und beugte sich zu ihm herunter. „Du wärst gerade der richtige Appetithappen.“, sagte er und bleckte die Zähne. „Mein Name ist Amon.“ „Äh, aber er ist noch Yuri oder?“, hakte Johnny nach. Der Feuerengel, Karin, nickte zustimmend. „Na ja, wer von den beiden jetzt schlimmer ist, ist schwer zu sagen.“ „He, wird ja nicht frech Kleiner.“, grummelte Amon. „Du solltest dich nicht mit jemandem anlegen, der größer und stärker ist.“ „Mag sein, aber ich bin klüger.“, erwiderte Johnny. „Muskelkraft allein reicht da nicht aus.“ „Ach ja?“, Yuri packte ihn am Fuß und schwang sich in die Luft. Johnny schrie erschrocken auf und begann wild zu strampeln. „Lass mich runter du ungehobelter Klotz!“ „Benutz doch deinen Kopf.“ Der Feuerengel erschien neben ihnen und schüttelte genervt den Kopf. „Hör auf damit Amon.“ Der schwarze Dämon verzog beleidigt das Gesicht und warf Johnny auf seinen Rücken. „Dann lass uns mal nach Russland fliegen.“, verkündete Yuri. „Und pass auf, dass du keine Frostbeulen bekommst. Es könnte ziemlich kalt werden.“ Sie brauchten tatsächlich nicht länger als Karin gesagt hatte und der ungewöhnliche Flug gefiel Johnny nach einer Weile sehr. Er sah wie sich die Landschaft unter ihnen langsam veränderte. Und genau wie Yuri gesagt hatte, es wurde immer kälter. Die grünen Wiesen, wichen karger Tundra und schließlich schneebedeckten Ebenen. Gegen Nachmittag landeten sie auf einer großen Wiese außerhalb von St. Petersburg. Karin und Yuri nahmen wieder ihre menschliche Gestalt an und sie machten sich auf den Weg in die Stadt. St. Petersburg sah wunderschön aus. Aller war prunkvoll und überall ragten riesige Zwiebeltürme in den Himmel. Die Menschen musterten sie interessiert, aber keineswegs feindselig. Trotz der frühen Stunde wurde es bereits wieder dunkel. Die Lichter hinter den Fenstern wurden nach und nach angemacht. „Und wohin gehen wir jetzt?“, fragte Johnny neugierig. „Die Stadt ist riesig und außerdem könnte euer Freund schon längst über alle Berge sein.“ „Oder er hat gehört was passiert ist und nur auf euch gewartet.“, antwortete eine höhnische Stimme aus einer dunklen Gasse. Johnny erschrak und sprang einen Schritt zur Seite. Aus der Dunkelheit trat ein junger Mann, kaum älter als Yuri. Er hatte kurze schwarze Haare und strahlend grüne Augen. Sein Auftreten war selbstsicher und er schien sich keineswegs von Yuri beeindrucken zu lassen. Egal woher sie ihn kannte, Yuri sah nicht so aus, als würde er ihn mögen. Karin hingegen freute sich. „Hallo Seth.“, begrüßte sie ihn freundlich. „Schön dich zu sehen. Zum Glück hast du uns gefunden. Sonst hätten wir dich ewig suchen müssen.“ „Ich habe gehört was mit Kurando geschehen ist. Keith war hier und leider auch Nuria, aber egal. Sie haben mir davon erzählt. Daraufhin habe ich euch eine kleine Postkarte geschickt und abgewartet, ob ihr mich hinzu ziehen wollt.“, erzählte er. „Währendessen habe ich mich schon einmal schlau gemacht. Aber zu weiteren Vorfällen kam es nicht.“ „Da bist du wohl nicht auf dem neusten Stand.“, entgegnete Yuri. „Dieser kleine Kerl hier hat das Gleiche durchgemacht. Er kommt aus der Zukunft, aus New York.“ Seth musterte Johnny und sah schließlich Karin an. „Dann haben wir jetzt ja eine Chance Kurando wieder zu finden. Ist Roger schon an der Sache dran?“, fragte er. „Er glaubt, es hätte mit einer Energieüberlagerung zu tun.“, antwortete Karin. „Wenn es so ist, dann schafft er es bestimmt, so ein Zeitloch künstlich zu erzeugen.“ „Wunderbar. Und jetzt kommt mit. Es ist kalt und ihr habt sicherlich hunger.“ Sie folgten Seth in ein Hotel. Er hatte sich ein Zimmer gemietet und schien schon länger hier zu wohnen. In seinem Zimmer war es so ordentlich wie Karin es erwartet hatte. Bis auf einige Unterlagen, die auf dem ganzen Couchtisch verteilt waren. „Du hast dich ja ernsthaft damit beschäftigt.“, sagte Karin beeindruckt. „Natürlich. Immerhin sind wir ja so was wie befreundet.“, entgegnete er. „Außerdem sitze ich an der Quelle. Ich habe einige von Garans Rittern darauf angesetzt mehr darüber heraus zu finden. Sie halten mich täglich auf dem Laufenden. Allerdings gibt es noch nicht viel Neues. Sie bestätigen die Theorie von Roger und berichten, dass es bisher zu keinerlei ähnlichen Vorkommnissen gekommen ist. Mal abgesehen von eurem kleinen Freund.“ „Mein Name ist Johnny.“, antwortete er beleidigt. „Und ich bin reifer, als ich vielleicht aussehe.“ „Ja, ist ja schon in Ordnung.“, mischte sich Yuri ein. „Für wie reif du dich hältst, können wir später noch diskutieren.“ „Ich halte mich nicht nur für reif.“, erwiderte er gereizt. „Könntet ihr vielleicht mal aufhören, über so belanglose Dinge zu diskutieren?“, mischte sich Karin ein. „Euch liegt vielleicht nicht viel daran Kurando zu finden, aber mir schon. Immerhin ist er unser Freund und dein Cousin.“ Yuri verdrehte die Augen und setzte sich auf einen der Stühle. „Na schön, dann suchen wir ihn eben. Aber wo willst du denn bitte anfangen?“, fragte Yuri. „Er könnte nicht nur überall sein, sondern auch in jeder erdenklichen Zeit.“ „Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir möglichst viel über diese Zeitlöcher herausfinden“, mischte sich Seth ein. „Garan hat fast die Hälfte seiner Männer darauf angesetzt. Aber ich bezweifle, dass sie etwas finden werden. Seine Leute verfügen nicht über das nötige Wissen im Gegensatz zu Roger.“ „Äh, entschuldigt. Aber wer ist Garan und von welchen Leuten sprecht ihr?“, fragte Johnny neugierig. „Vor einigen Jahren war ein Mann hinter uns her. Garan ist der Anführer der weißen Ritter. Sie jagen Dämonen und Monster, wie wir es sind.“, erklärte Karin. „Zu dieser Zeit trafen wir auch auf Seth. Am Anfang wollte er uns ebenfalls umbringen, aber wir konnten ihn davon überzeugen, dass wir zu den Guten gehören. Seit dem arbeitet Seth praktisch als Doppelagent bei Garan.“ „Wow.“, keuchte Johnny. „Ihr habt ja ganz schön was erlebt.“ „Mehr als du denkst.“, erwiderte Yuri. „Und jetzt Schluss mit dem Herumgeplänkel. Ich will endlich, dass das hier vorbei ist und ich wieder meine Ruhe habe“ „Du hältst es keinen Tag ohne Aktion.“, murrte Karin. „Sonst wirst du unausstehlich.“ „Ich bin unausstehlich? Du bist eine Frau, dass ist Erwiderung genug.“, konterte Yuri. „Dein Gezicke ist auch nicht angenehm.“ „Ach ja, du…“ Johnny wandte sich Seth zu und grinste wissend. „Und die beiden sind nur befreundet.“ Seth nickte lächelnd und wartete bis die beiden fertig waren mit streiten, was noch eine ganze Weile dauerte. „Gut, jetzt wo ihr eure Differenzen geklärt habt, können wir ja fortfahren.“, schlug Seth vor. „Und was willst du tun?“, fragte Yuri gereizt. „Wir fliegen zu deiner Tante und schauen uns an wo Kurando verschwunden ist. Vielleicht finden wir einen Hinweis oder es taucht ein weiteres Zeitloch auf.“, antwortete Seth. „Die weißen Ritter werden indessen weiter suchen und alle Notizen in meinem Zimmer hinterlassen.“ „Jetzt sind wir gerade erst hier her geflogen und sollen jetzt wieder um die halbe Welt?“, jammerte Yuri. „Ich musste diesen Knirps die ganze Zeit tragen.“ Karin beachtete sein Gejammer gar nicht und ging nach draußen. Die anderen folgten ihr schweigend. Johnny lief mit Yuri hinterher. Seth machte einige schnelle Schritte und trat neben Karin. „Zum Glück hast du Yuri so gut im Griff.“, flüsterte er grinsend. „Was hältst du von dieser ganzen Sache. Wer könnte dahinter stecken?“ „Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung.“, entgegnete sie. „Jetzt nachdem… Nicolai tot ist, wüsste ich niemanden, der so etwas fertig bringt. Außerdem muss es ein Wissenschaftler sein, wenn nicht einmal Roger hinter das Geheimnis kommt.“ „Ich hoffe, wir finden bei Kurando zu Hause einen Hinweis. Die ganze Sache ist sehr mysteriös. Zeitsprünge aus der Zukunft. Hört sich alles sehr nach einer Absicht an, die dahinter steckt.“ Karin nickte nachdenklich. „Wir werden das schon irgendwie hin bekommen.“ Sie gingen in ein kleines Waldstück und verwandelten sich wieder in den Feuerengel und Amon. Seth kletterte auf Amons Rücken und der Feuerengel schlang die Arme um Johnny. „Richtung Osten.“, befahl Amon grollend. „Und wir legen keine Pause ein.“ Der Feuerengel nickte zustimmend und gemeinsam flogen sie los Richtung Unogami. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)