Emo(tions)gesteuert von Tharaia (Und am Ende bleibt immer die Frage: Warum?) ================================================================================ Kapitel 6: Fall --------------- Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war ich allein. Ich lag in einem Doppelbett, das in einem langweiligen Jeansblau bezogen war, in einem recht unpersönlich eingerichteten Schlafzimmer, das ich nicht kannte. Durch die nicht ganz zugezogenen Vorhänge fiel ein breiter Sonnenstrahl quer über das Bett. Langsam setzte ich mich auf und versuchte, mich zu orientieren. Mein Kopf dröhnte. Und bereits bei der ersten kleinen Bewegung schoss ein höllischer Schmerz durch meinen Unterleib. Verdammt. Auf dem Boden entdeckte ich mein Silbergraues T-Shirt, die schwarzweiß karierte Röhrenhose, ein paar schwarze Socken, eine schwarze Unterhose und meine Chucks. Auf dem Nachtschränkchen direkt neben mir stand in einem hübschen Holzrahmen ein Familienfoto. Kilian war drauf. Und der Barkeeper, an dessen Namen ich mich nicht erinnerte. Und zwei Erwachsene. Das Bild musste in etwa drei Jahre alt sein. Ich kroch langsam in meine Klamotten und schlich zur Tür. Sie stand einen Spalt offen. Und es herrschte Totenstille. Vorsichtig, darauf bedacht, keinen Mucks zu machen, schlich ich mich auf den Flur hinaus, auf der Suche nach dem Badezimmer. Die vorsichtige Gangart verhinderte außerdem Schmerzen. Damit hatte ich schon Erfahrung. Die erste Tür, die ich öffnete, erwies sich als ein typisches Jugendzimmer. Bandposter an den Wänden, ein Banner mit der Aufschrift „Jägermeister“ über dem Fenster, ein Computer, ein Fernseher mit einer PS3, ein 1,40m breites Bett, ein Schreibtisch mit Stuhl, Schränke. Die vorherrschende Farbe war smaragdgrün. Und es war verdammt ordentlich. Sogar das Bett war gemacht. Oder gar nicht erst benutzt worden. Und der Dakine-Rucksack, der neben dem Schreibtisch stand, war Kilians Schulranzen. Eine Tür weiter fand ich das gesuchte Badezimmer. Der Anblick, den der Spiegel mir bot, trieb den Schock noch tiefer in meine Glieder. Mein Hals – und mit großer Wahrscheinlichkeit noch so einiges mehr an meinem Körper – war mit Knutschflecken übersät. Ich schluckte. Die Situation ließ nur einen möglichen Schluss zu. Ich hatte mit Kilian im Bett seiner Eltern geschlafen. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die ich wie gelähmt damit zubrachte, zu begreifen, was passiert war, wagte ich mich die Treppe hinunter. Ich kam in einen Flur, der mir vage bekannt vorkam, und der mich in die Bar zurückführte, durch die wir den Club betreten hatten. Der Barkeeper stand hinter dem Tresen und gähnte, Kilian saß davor und löffelte in einer Schüssel Joghurt mit Müsli. Und ich stand wie festgefroren an der Tür, und wusste nicht, was ich tun oder sagen sollte. Kilian kam mir zuvor. Er sah mich einen Augenblick lang an, und in diesem Blick lag überhaupt nichts mehr von der Liebe und Zuneigung, die ich gestern Nacht geglaubt hatte zu sehen. Noch nicht einmal mehr Freundlichkeit war übrig. Er war einfach nur kalt. „Hey“, meinte er, und schluckte das, was er gerade im Mund hatte, herunter. „Du warst echt nicht schlecht, aber jetzt sei brav und zieh Leine.“ Ich war fassungslos. Wie ich es letztendlich vor die Tür geschafft hatte, war mir ein Rätsel. Aber nicht viel später stand ich auf der Straße. Ich fror, obwohl die Sonne mir direkt ins Gesicht schien. Und ich fühlte mich benutzt. Ich hatte Hoffnungen gehabt. Ich hatte ihm vertraut, naiv, wie ich nun mal war. Ich hatte geglaubt, er würde mich mögen. Und dann das. Ein One-Night-Stand? Vielleicht war ich auch einfach nicht gut genug für ihn. Just in diesem Moment hielt ein Auto neben mir, ein kleiner, metallicblauer VW Polo der neueren Generation. Die Tür öffnete sich, und ein weißblonder Schopf tauchte daraus auf. „Hey. Marcy hat angerufen und gesagt, dich sollte vielleicht besser jemand abholen. Ben hat sie gestern vorgewarnt, aber es war wohl schon zu spät.“ Ich hörte nicht wirklich zu. Ich kannte ihn, er gehörte zur Schul-Clique; der stille Typ, der nie was sagte. Aber das interessierte mich im Moment nicht. Mein Herz war gebrochen worden, wieder einmal. Das war alles, was ich wusste. Er stieg aus, und bugsierte mich relativ rücksichtsvoll ins Auto. „Wo wohnst du?“ Halb benommen nannte ich ihm die Adresse. Die ganze Fahrt über sprachen wir kein Wort. Ich hasste mich. Ich war Kilian nicht gut genug gewesen. Für einmal war ich ausreichend gewesen, hatte er gesagt. Mehr wollte er nicht. Nicht von mir. Ich hasste mich. Was hatte ich falsch gemacht? Ich konnte mich nicht einmal wirklich erinnern! Wir hatten getanzt, das war das letzte, was in meinem Gedächtnis hängen geblieben war. Danach war Filmriss, bis zum Aufwachen in einem fremden Bett. Ich hatte mit meinem Schwarm geschlafen und konnte mich nicht einmal daran erinnern! Ich hasste mich. Warum musste das mir passieren? Ich hatte noch nie einen Filmriss gehabt. Und dabei hatte ich schon öfters mehr Alkohol getrunken als gestern Abend. Andererseits war der Kater auch noch nie so schlimm gewesen wie heute. Mein Kopf dröhnte, als hätte ihn jemand mit einem Schmiedehammer bearbeitet, und mir war speiübel. Der Wagen hielt. Mein weißblonder Chauffeur sah mich an, und ich hob den Blick, um ihm zu danken. Doch er winkte nur ab. „Ist schon in Ordnung. Und… Nimm’s dir nicht so zu Herzen. Das macht er mit jedem so.“ Er sprach so verständnisvoll, dass ich ihn erstaunt ansah. Und in seinen Augen fand ich irgendetwas, das mich dazu veranlasste, zu fragen: „Woher…?“ Er blinzelte nur bedeutungsvoll. Und ich wusste… „Du auch…“ ~~~ So, meine lieben Leser, liebe Wettbewerbsjury. Die ist das vorübergehende Ende. Nach Beendigung der Wettbewerbsauswertung werde ich hier Lios Geschichte forterzählen. Also, bleibt dran! Ich habe es so weit geschafft, wie ich es wollte, und bin daher recht stolz auf mich, und es ist sogar gerade erst halb zwölf, obwohl ich doch sonst meistens erst um diese Zeit mit dem Schreiben anfange... Nunja, jedenfalls gehe ich jetzt in meinen (meiner Meinung nach) wohlverdienten Urlaub. Man liest sich im August! Eure Tharaia Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)