Fensterschreiben von Technomage (Every day is writing day) ================================================================================ Driver picks the music (29.01.09) --------------------------------- Es ist zu spät, wenn die Sonne aufgeht, denke ich meistens. Doch die Sonne geht auch irgendwann wieder unter und es wird früh genug, um noch etwas zu erledigen. Aber bei dieser Gleichung steht der Lichtball schon wieder drohend am non-existenten Horizont. Die Krümmung, mit der man die Dinge sieht, geht meistens nicht auf, weil sie keine dieser mathematisch korrekten Wölbungen ist, die Wunder wirken, sondern ein stumpfes Stück abgemagertes Blech. Es wellt und biegt sich bei jeder Einwirkung, aber es tut nichts. Es macht diese liebenswerten wabernden Geräusche dabei, aber es tut nichts. Ich versuche mich geistesabwesend in der matten Oberfläche zu spiegeln, während es im Wind Wellen schlägt, doch eher könnte ich mich in der Schale einer Orange spiegeln oder in deinen dankbarer Weise unausgeprägten, gewöhnlichen Wangenknochen, welche die Welt für mich ein Stück normaler und erträglicher machen. „Ich sterbe hier gleich vor Langeweile“, rufe ich flach über den Lärm, „und ich bin nicht gut bei Kasse für Begräbniskosten momentan.“ Du liest mehr meine Lippen und weißt, was ich immer sage, als dass du mich akustisch verstehst. Die ganzen Phrasen. Die dummen Sprüche, von denen ich hoffe, dass sie vielleicht tatsächlich jemand witzig finden könnte. Die zwecklosen Pausen unter Suggestion von Sinn. „Ich weiß“, formt dein Mund und dein ganzes Gesicht scheint sich unheimlich über etwas zu freuen, was mir an dieser Party zu entgehen scheint. „Warum gehen wir dann nicht? Wenn wir bis Zehn zu Hause sind, können wir noch Pizza bestellen.“ Mich streift ein Stück Stoff und das Wesen in dem Jackett, das daraus gemacht ist, sieht mich an wie einen Leguan, bevor er sein dezent gebräuntes Antlitz abwendet. Obwohl ich hier der Leguan bin, hätte ich Lust ihn mit Mehlwürmern zu füttern und sein Gesicht dabei zu sehen. Mit vielen Mehlwürmern. „Es ist Samstag Abend.“ Dein Blick sagt es und ich muss nicht einmal auf deine Lippen sehen, als sie es artikulieren. Zuhören … Hören ist was für Langweiler. Der Sinn, den man am leichtesten unbedarft befriedigen kann. „Deswegen liefern sie ja noch Pizza nach Zehn.“ Ich grinse wie ein Reißverschluss. Wir kennen das Spiel beide und versuchen möglichst mehr Spaß dabei zu haben als der andere. Eine Brechbohnenstange von einem Mädchen kullert neben dich auf die Couch und scheint dich zu kennen. Das passiert ebenso regelmäßig; du hast die sozialere Ader und löst das Verlangen in Menschen aus, mit dir zu interagieren. Sie erbst um dich herum und will dich zu irgendetwas überreden. Dein Fingerzeig geht in meine Richtung, wie ich da auf dem Sessel dir gegenüber positioniert bin. Nah genug für den inneren Kreis, aber zu distanziert für die Suggestion von Exklusivität. Du murmelst ihr etwas zu, während du deutest, und ich setze das unwissende Frage-Gesicht auf, das sich angesprochen fühlt, aber doch keinen näheren Bezug nimmt. Brechbohne mustert mich nur kurz und ist dann wieder in die Menschenlandkarte der Party verschwunden. Ich grinse zufrieden und stehe auf: Die Runde geht an mich, und ich weiß, dass du den Raum schrittbreit hinter mir verlässt. Wir schaffen es noch rechtzeitig für Pizza nach Hause und die kalte Luft hier draußen ist überaus belebend. „Wieso gehen wir nochmal jedes Wochenende auf eine andere Party?“, frage ich wie so oft, als wir ins Auto steigen. „Weil es sich nicht in Gold auszahlen lässt dich in Befürchtung zu sehen, dass du dich sozialisieren müsstest.“ Du lässt den Motor an und als wir vom Parkplatz rollen, knirscht der Kies unter den Reifen. „Du hast eindeutig verloren dieses Mal. Man konnte dir förmlich ansehen, wie du Angst hattest, sie würde dich gleich fressen.“ Ich male Kreise in die beschlagenden Scheiben, während die Nacht draußen vorbeirauscht. „Wir sollten uns mal über die genaueren Regeln klar werden. Außerdem sah sie auch ziemlich hungrig aus.“ „Ich glaube, es hat irgendwas mit zwischenmenschlichen Kontakten auf ironischer Basis eines aktionistischen Rollenspiels zu tun; und wer wen zuerst als sozialen Rettungsanker benutzt.“ „Du kannst es nennen, wie du willst, es geht weiter, bis wir den Sinn dahinter kapieren, oder du nicht ständig in Führung liegst.“ Du setzst den Blinker in die Einfahrt und ich kann die Pizza und den Staub in deiner Wohnung schon förmlich riechen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)