Dünnes Eis von Nightstalcer (Wichtelfanfiction für Catgirl222) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Liebes Wichtelkind Catgirl222, hier ist nun deine Wichtelstory und ich hoffe tunlichst, dass sie dir gefällt. Als ich deine Liste gesehen habe, musste ich erstmal überlegen, aber ich habe mich dann doch dazu entschieden, deinem Erstwunsch nachzukommen und eine Detektiv-Conan-FF zu schreiben. Am Liebsten waren dir dabei ja Conan und Ai, noch dazu als Pärchen. Ich habe mir Mühe gegeben, die Charaktere so nah wie möglich am Original zu halten und hoffe, dass es nicht schlimm ist, dass ich den Pärchenanteil ein wenig reduziert habe. Aber ich will nicht zuviel verraten, lass dich einfach überraschen ^.~ Und nun wünsche ich dir viel Spaß mit deiner Wichtelgeschichte „Dünnes Eis“ Dein Wichtel Dünnes Eis „Was ist das denn?“ Ungläubig schaute Genta Kojima zu dem Etwas, die gerade an ihm vorbei gesaust war. Besagte Figur trug eine kurze, rote Hose mit auffallend gelben Knöpfen und besaß riesige Segelohren in Kreisform. „Das ist Mickey Mouse“, erklärte Ai nur und hielt sich mit den Händen an der Bande fest. Sie und die Detective Boys, genauer gesagt Genta, Mitsuhiko und Ayumi besuchten gerade mit Professor Agasa Tokyo Disneyland. Momentan befanden sie sich auf der neuesten Attraktion – Disney on Ice. „Mouse heißt doch Maus, oder?“, neben ihr rauschte Mitsuhiko heran und kam mit einer kunstvollen Drehung der Kufen zum Stehen. Auch Ayumi wurde aufmerksam, sie war gerade dabei gewesen, ihre Schnürsenkel neu zu binden. Ai seufzte, wieso musste ausgerechnet sie mit den Kindern auf die Eisbahn gehen? Nicht, dass sie Schlittschuhlaufen nicht mochte, aber auf dem Eis konnte sie wenn es gefährlich werden sollte nicht schnell genug ausweichen. Kudo nannte sie für ein solches Verhalten paranoid, doch sie hatte ihre Gründe stets auf der Hut zu bleiben. Der junge Detektiv hatte nicht in der Organisation gelebt und war nicht dazu gezwungen worden, Menschen zu töten. Er hatte nicht damit zu kämpfen für das Unglück einer anderen Person verantwortlich zu sein. (Von Ran und seiner Unfähigkeit ihr mal die Wahrheit zu sagen, im Bezug auf seine Gefühle, mal abgesehen.) „Ai? Alles in Ordnung?“ Das war Ayumi, sie hatte die geistige Abwesenheit der Geschrumpften durchaus bemerkt und machte sich gleich wieder Gedanken. „J-Ja.“, sagte sie leicht zittrig und hoffte, dass die Kinder es nicht bemerken würden. Doch wie immer hatte sie den inzwischen beachtlichen Scharfsinn der Jungdetektive unterschätzt. „Ai, sag uns doch, was los ist“, forderte Ayumi nachdrücklich und die beiden Jungen nickten bestärkend. „Oder...“ Plötzlich verstummte die Achtjährige. „Oder liegt es daran, dass Conan nicht dabei ist?“ Ai starrte sie an und schmunzelte. „Blödsinn. Ich bin froh, dass er nicht dabei ist, denn sonst landet sicherlich gleich eine Leiche vor uns...“ Kaum hatte sie es ausgesprochen, so wurde es plötzlich in der Mitte der Eisfläche hin laut. „...Ruft einen Krankenwagen.“, hörten sie einen Mann aufgeregt rufen. Ai zuckte nur mit den Achseln. „Vermutlich hat sich jemand verletzt, ist beim Eislaufen ja nicht unwahrscheinlich.“ „Holt die Polizei!“ „Er ist Tot!“ Hysterisches Schluchzen begleitete die erregten Stimmen. Die junge Wissenschaftlerin seufzte und sagte resigniert: „Könnt ihr ihn über die Anstecker erreichen?“ „Überlass das nur uns!“, riefen die Kinder und sogleich machte sich Ayumi daran, Conan zu kontaktieren, während Mitsuhiko und Genta, ganz wie ihr Anführer es sonst zu tun pflegte, in Richtung des frischen Tatortes maschierten, um Indizien zu sammeln. Er hatte definitiv zu viel Zeit mit ihnen verbracht, stellte Ai ernüchtert fest. Neben ihr verließ eine erschöpfte Mickey Mouse soeben die Eisbahn. Graue Wände umfingen ihn und ein kleines Fenster war auf der gegenüberliegenden Wandseite eingelassen, lag jedoch erheblich aus seiner Reichweite. Das Glas war verstaubt und schwarze Spinnenweben nebst ihren Bewohnern hatte es davor gemütlich gemacht. Gegenüber (und genauso außerhalb seines Bewegungsradius) war ein Lüftungsschacht nebst Gitter. Angewidert drehte er den Kopf herum und starrte finster auf den einzigen Ausgang, eine unauffällig wirkende Stahltür, im selben Grau wie die Wände gehalten. Sie sollte nicht auffallen und dafür sorgen, dass niemand so einfach von hier entkam. Was ihr auch gelang. Eine Stahltür, extra verstärkt und mit Brandschutz versehen. Aufstemmen war ein Ding der Unmöglichkeit, und sämtliche Öffnungstechniken fielen ebenfalls flach, da sie kein Schlüsselloch besaß und nur von außen verschließbar war. Die dicken Türriegel konnten sogar einer Explosion standhalten. 'Wie praktisch, dann bleibt die Sauerei auf diesen Raum beschränkt', dachte Shinichi zynisch. Ein leises, aber dennoch derart penetrantes Piepsen ließ ihn sich abermals umschauen. Unscheinbar wie die Wände, dennoch todbringend stand eine kleine, rechteckige Box unweit von ihm. Die gut lesbaren, roten Digitalzahlen auf dem Display schienen ihn zu verhöhnen. Die Uhr darauf zeigte mit unerbittlicher Gelassenheit schon seit Stunden dieselbe Uhrzeit. „03:54“ Vermutlich sollte sie irgendwann aktiviert werden und dann blieben ihm fast vier Stunden, um sein verfluchtes Leben endgültig zu verfluchen und jedem Gott, den er kannte, eine Standpauke zu halten, warum sie ihren Job denn bei ihm so sträflichst vernachlässigten. 'Zum Teufel damit', dachte er zornig, er hatte Besseres zu tun, als über übersinnliche Wesen zu sinnieren, deren Existenz nicht mal bewiesen war. Zum Beispiel hier heil herauszukommen. Es war doch sonst nicht seine Art, einfach aufzugeben. Doch seine jetzige Situation zeigte schon, dass er sich nicht allzu viele Hoffnungen machen sollte. Nicht nur einmal hatte er bereits in tiefem Schlamassel gesteckt, zum Beispiel war er schon angeschossen worden, dann fast bei einer Busentführung gestorben und nicht zu vergessen das Gift, doch er hatte bei all diesen Gelegenheiten entweder verdammt viel Glück oder Hilfe gehabt und beides war ihm jetzt verwehrt. Nein, er konnte keine Hilfe anfordern, das wäre ihr Todesurteil. Die schwarze Organisation war nicht zimperlich damit, Verwandte und Bekannte mit umzubringen, wenn damit ihre Existenz weiterhin geheim blieb, und genau diese Verbrecher hatten ihn hier eingesperrt. Mehr noch, es war Gin persönlich gewesen, der ihm aufgelauert und gekidnappt hatte. Noch dazu als Conan Edogawa, das hieß, sie hatten herausgefunden, dass das Gift nicht wirkte. Ob Vermouth ihn letztendlich doch verpfiffen hatte? Es spielte auch keine Rolle, denn wenn er nicht bald hier herauskam und diese verdameleite Bombe entschärfen konnte, war es ohnehin aus mit ihm. Die Tatsache, die ihm daran hinderte, es wie im Aufzug des Tokyo Towers zu machen und die Bombe zu entschärfen, war zum einen, dass er den Typus nicht kannte, zum zweiten, dass er gefesselt war. Die Hände waren hinter seinem Rücken verschränkt gebunden und mit einem weiteren Seil mit seinen ebenfalls gefesselten Füßen verbunden. Er lag auf der Seite, wie ein Paket verschnürt und der Mund wurde säuberlich mit Klebeband daran gehindert, sich auf andere Weise zu befreien. Sie unterschätzten ihn nicht, er war ein angesehener Detektiv und als solcher konnte man sich auch mal mit gefesselten Gliedmaßen befreien. Die Handschellen, mit denen er letztendlich an einem schweren Eisenofen, dem einzigen Gegenstand, der noch im Raum war, festgekettet war, hätten ihn nicht weiter aufgehalten. So jedoch blieb ihm nicht anderes übrig, als sich langsam und bedächtig von einer Seite auf die andere zu wälzen, in der Hoffnung sich dadurch vielleicht irgendwie befreien zu können. Plötzlich schepperte es neben ihm. Sein Detektivabzeichen hatte sich gelöst und war neben seinem Kopf auf den kalten Boden gefallen. Er konnte es nicht fassen. Alles hatten sie ihm abgenommen, inklusive der Uhr, seiner Schuhe, der Fliege, den Gürtel und sogar seine Hosenträger. Einzig die Brille hatten sie ihm gelassen und eben sein Abzeichen. Hatten es wohl für harmlos gehalten. Er erlaubte sich ein Grinsen hinter seinem Knebel und fasste wieder Hoffnung. Wenn er die anderen irgendwie erreichen könnte, dann konnten sie ihn mithilfe der zweiten Brille orten. Doch wie sollte er die anderen anfunken, wenn ihm wortwörtlich die Hände gebunden waren? Ein Piepsen unterbrach seinen Gedankengang. 'Nicht schon wieder...' Leicht beunruhigt drehte er sein Gesicht zur Bombe, doch diese verharrte weiterhin auf ihren vier Zahlen. Aber was hatte dann... „Conan, bist du da? Antworte bitte.“ Ayumis Stimme. „Er scheint nicht da zu sein...“ Enttäuscht senkte Ayumi ihr Abzeichen und sah hilflos zu den anderen. Ai kam interessiert näher. Seltsam, eigentlich antwortete Kudo immer, sofern er nicht grade unter der Dusche stand. Doch sie versuchten es nun schon seit fünf Minuten. „Lass mich mal...“ Ai sah energisch zu dem jüngen Mädchen herüber, welcher ihr ausdrucklos ihren Anstecker überließ. Die Halbjapanerin hielt sich den Transmitter dicht ans Ohr und lauschte. Ein lautes Rauschen war zu vernehmen. „Hört ihr das?“ fragte sie die Jungs, die vor einiger Zeit von den Beamten verscheucht wurden und nun ihrerseits ihre Anstecker herausgeholt und Conans Frequenz angewählt hatten. „Klingt, als wäre er in einem Parkhaus oder so...“ mutmaßte Mitsuhiko. „ Bestimmt ist er mit Kogoro Mori und Ran unterwegs zu einem neuen Fall.“ „Immer macht er alles alleine.“ maulte Genta nur, doch Ai bedeutete ihm ruhig zu sein. 'Irgendwas stimmt da nicht. Nenn' mich ruhig paranoid, Kudo, aber ich glaube fast, dass du in Schwierigkeiten bist.' „Edogawa? Wenn du mich hörst, mach dich bemerkbar.“ Ais Stimme. 'Schöne Idee Ai, aber wie soll ich denn...?' Dann fiel ihm etwas ein. Er zog seine Beine an und stieß anschließend seine Knie gegen den Betonboden. Ein brennender Schmerz fuhr durch seine Gelenke. 'Argh, verdammt. Ich hoffe, sie hat mich gehört.' Das hatte sie. Panik breitete sich in ihren Augen aus und sie starrte unentwegt in die Gegend, bevor Mitsuhiko sie anstieß. „Und was machen wir jetzt? Conan antwortet offensichtlich nicht und der Mord...“ Nun kam Leben in sie. Mit eisigem Blick sah sie den Zweitklässler vor sich an und erwiderte gepresst: „Vergesst den Mord, und kommt mit. Schnell.“ Ohne weitere Worte zu verlieren eilte sie dem Ausgang entgegen. Ihre Schlittschuhe hatten sie schon ausgezogen und abgegeben nachdem die Polizei erschienen war und die Eisfläche geräumt hatte. Aber natürlich konnten die Kinder nicht einfach so mitkommen, nein sie stellten Fragen. „Aber warum, wir müssen doch...“ „Seid still und folgt mir!“ herrschte sie den Fragesteller, Genta an. Ein eisiger Blick, das letzte Überbleibsel ihrer dunklen Vergangenheit, bohrte sich in die Augen ihres Gegenübers. Der Junge bekam einen Schüttelfrost und erinnerte sich wage an eine Situation, wo sie ihn schon einmal so angefaucht hatte. Daraufhin traute sich niemand mehr, etwas dagegen zu sagen. „Kommt mit, und zwar leise und wagt es bloß nicht, die Verbindung zu kappen.“ All dieses wurde im Flüsterton gesagt und erst, als sie schon ein ganzes Stück von der Eisbahn entfernt waren, nahm Ai erneut den Remitter zur Hand. „Sie „Sie“ es?“ fragte sie nur. Ein erneutes Klopfen und ein gedämpftes Stöhnen. „Ich wusste es...“ flüsterte sie tonlos, aber Mitsuhiko hörte sie dennoch. „Ai... Sag uns doch bitte, was los ist.“ verlangte er. „Was ist mit Conan?“ wollte Ayumi wissen. „Darf ich es ihnen sagen?“ Er glaubte sich verhört zu haben. Er wusste nicht, wie lange er noch so ungestört war und sie hatte nichts Besseres zu fragen als das? Mühselig ließ er seine Beine erneut mit dem Boden kollidieren und erneut zog der Schmerz durch seine Beine. Es half alles nichts, er musste den Knebel loswerden. Noch einmal sah er sich um, während er jetzt die aufgeregten Stimmen der Kinder dicht neben seinem Ohr vernahm. „Was uns sagen?“ „Was ist denn mit Conan?“ „Immer habt ihr Geheimnisse vor uns, du und Conan...“ Er konnte förmlich spüren, wie Ai der Kragen platzte und aus der danach folgenden Stille und dem kleinlauten Geflüster konnte er schließen, dass sie die Kinder mächtig zusammengestaucht hatte. Bald darauf hatte er wieder ihre Stimme bei sich. „Kudo, ich gehe davon aus, dass du allein bist, aber wirst du überwacht?“ Er gab keine Antwort, denn er wusste selber nicht, ob er nun bewacht wurde. Eine Kamera gab es allerdings nicht, doch hinter der Tür konnten sich zahlreiche Schwarzmäntel gehortet haben, wer wusste das schon. Dann sah er, was er suchte. Ein unregelmäßiger Stein mit spitz aussehenden Ecken fand sich dicht neben ihm. Er rutschte so gut es ging und soweit es die Handschellen erlaubten dort hin und rieb seine Wange an besagtem Stein. Der Fels schrappte über seine Wange und hinterließ einen unschönen, blutigen Kratzer, doch auch der Klebebandknebel löste sich in Wohlgefallen auf. Erleichtert drehte er sich wieder zu der Stimme um und hustete. „Keine Ahnung, hier im Raum ist jedenfalls nichts.“ „Na endlich.“ kam es erleichtert aus der anderen Leitung. „Ich hab schon gedacht, du sagst gar nichts mehr.“ Er lächelte. Er war sehr froh, ihre Stimme zu hören, denn insgeheim hatte er damit gerechnet, von dem Rest der Welt nichts mehr zu sehen, seine Freunde und Ran eingeschlossen. „Versuch du mal, einen Knebel mit gefesselten Gliedmaßen loszuwerden.“ Dann jedoch besann er sich wieder und wurde Ernst. „Haibara, sie wissen Bescheid. Gin hat mich heute Morgen einkassiert. Noch weiß er nicht, dass du Verbindung zu mir hattest, doch lange wird er bestimmt nicht brauchen, um herauszufinden, dass auch du geschrumpft wurdest. Du solltest zum FBI gehen und so schnell wie möglich ins Zeugenschutzprogramm gehen, das rettet dich vielleicht.“ „Und was wird dann aus dir?“ Er konnte hören, wie ihre Stimme zitterte. „Ich habe beste Gesellschaft, eine kleine nette Bombe, die mich vermutlich heute Abend in kleine Fetzchen reißen wird. Vermutlich wird es nicht mal für eine Urne reichen...“ Solch ein Galgenhumor wollte so gar nicht zu ihm passen, doch entweder das oder er brach in Tränen aus. „Kann man sie entschärfen?“ kam überraschend die Frage. Er schaltete sofort und begriff, was sie vorhatte. „Untersteh dich, zu versuchen mich zu retten. Erstes läufst du Gin damit nur in die Arme und zweitens habe ich versprochen, dich zu beschützen und das werde ich auch.“ Am Liebsten hätte er sich drohend vor ihr aufgebaut, doch seine bebende Stimme erreichte nicht den gewünschten Effekt. „Damit du einsam und theatralisch den Heldentod sterben kannst, Kudo. Sowas tun doch nur Idioten.“ Er merkte, wie sie mit den Tränen kämpfte, obwohl ihre Worte so gar nicht dazu passen wollten. „Wo ist denn der mutige Kudo geblieben, den wir alle so bewundern? Aufgeben passt nicht zu dir.“ In seinem Inneren rumorte es, denn es ehrte ihn, wie viel Vertrauen sie in ihn hatte. „Da ging es aber nicht um das Leben anderer, und ich kann nicht verantworten, dass dir etwas passiert. Tut mir Leid, Haibara...“ Er wollte genauso wenig sterben wie sie, doch wenn er die Wahl zwischen seinem und ihrer beider Tod hatte, würde er eben in den sauren Apfel beißen. „Das würde bedeuten, dass ich versagt habe. Ich habe dich in diese missliche Lage gebracht, ich wollte es wieder umkehren, dir dein altes Leben wiedergeben. Wenn du mir jetzt wegstirbst, kann ich das nicht mehr...“ Normalerweise hätte sie sich lieber die Zunge herausgetrennt als das vor ihm zuzugeben, aber wenn ihre Ehrlichkeit ihn von seinem Kamikaze-Vorhaben abbrachte, auch gut. Inzwischen liefen die Tränen ungehemmt über ihre Wangen, benetzten ihre Haarsträhnen, die ihr tief ins Gesicht hingen, ehe Ayumi ihr wortlos ein Taschentuch reichte. „Ich bin doch schon tot.“ kam es jetzt von der anderen Seite. Erstaunt hob sie den Kopf. Er sprach weiter, diesmal mit belegter Stimme. „Shinichi Kudo ist an dem Tag gestorben, als er sich zu weit herausgelehnt hatte und von Gin und Vodka vergiftet wurde. Danach ist Conan geboren worden und jetzt ist es wohl so weit, dass ich endgültig dafür bezahlen muss.“ „So ein Blödsinn!“ schrie sie nun und ballte die Hand zur Faust. „Als Shinichi warst du nur ein eingebildeter, arroganter Affe, der sich für Gott persönlich hielt. Durch Conan hingegen hast du aber Freunde gefunden und herausgefunden, was Ran dir eigentlich bedeutet. Und das willst du alles wegwerfen? Gib mir doch eine Chance. In der Höhle damals haben dir die Kinder auch den Hals gerettet. Vertrau mir doch einmal. Wenn es nicht klappt, sterben wir eben beide. Aber vielleicht schaffen wir es ja und dann entwickele ich dir dein Gegengift und dann kannst du endlich deiner Ran sagen, was du für sie fühlst.“ Nach dieser Standpauke war sie erschöpft, es hatte sie Kraft gekostet, sie ehrlich zu sein, ihre tiefsten Gedanken preiszugeben. Shinichi war geschockt. Er blickte erstaunt auf den Anstecker auf dem Boden und insgeheim stellte er fest, dass sie Recht hatte. „In Ordnung.“, sagte er leise. Ein lautes Klicken lies ihn sich umsehen. 'Oh oh...' „Ähm, ich will dich ja nicht drängeln, aber wenn du mich wirklich retten willst, solltest du dich beeilen. Ich hoffe, ihr könnt mich mithilfe der Reserveradarbrille orten. Die Bombe hat gerade angefangen, den Countdown zu beginnen. Du hast drei Stunden.“ Ai nickte erleichtert und beklommen zugleich. „Verlass dich auf uns.“ sagte sie und unterbrach die Verbindung. Er seufzte und sah sich abermals in seinem Gefängnis um. Er verstand diese Frau einfach nicht. Einerseits war sie mit gezückter Pistole auf ihn zu marschiert, um ihn von irgendwelchen romantischen Dummheiten abzuhalten, weil er sie damit auch gefährdete, andererseits lief sie gewollt in ihr eigenes Verderben, nur weil sie ihn retten wollte. Der einzig logische Grund, der ihm einfallen wollte, war, dass sie vielleicht etwas für ihn übrig hatte und zwar mehr als pure Freundschaft. 'Unsinn, Haibara doch nicht... oder doch?' Langsam war er sich nicht mehr sicher, dass er das richtige Bild von ihr hatte. Allein dieses Gespräch war komplett undenkbar für die Ai Haibara, die er kannte. Aber vielleicht hatte sie ihm jetzt zum zweiten Mal einen Blick auf ihr wahres Wesen erlaubt? Gerade nachdem sich Ai wieder einigermaßen beruhigt hatte, was hieß sich mittels eines Taschentuches das Gesicht zu trocknen und ihre kühle Fassade aufrechtzuerhalten, quietschten neben ihnen Reifen und ein gelber PKW deutschen Ursprungs schob sich in ihr Sichtfeld. „Na endlich finde ich euch.“, schnaufte ein älterer Herr mit bereits ergrauendem Haar und einer Brille auf der Nase. Er hatte das Fenster der Fahrerseite heruntergekurbelt und sah besorgt und halbverärgert auf die vier Kinder herab. „Professor.“ riefen die Kinder in hellster Aufregung, einzig und allein Ai blieb teilnahmslos stehen. Dann jedoch trafen sich ihre Blicke sie ihn an und er sah den zutiefst beunruhigten Ausdruck in den Augen seines Schützlings. „Sie haben Shinichi, Professor.“ Diese Aussage löster vielerlei Reaktionen bei Agasa aus. Zum einen blickte er geschockt zu den übrigen Kindern und zum anderen riss er entsetzt die Augen auf. „Du meinst...“, er brach ab und deutete zu Ayumi, Mitsuhiko und Genta, die unschlüssig und nicht minder durch den Wind waren als Ai und er selber. „Sollten wir nicht vielleicht?“ Ohne auf ihn zu hören, bedeutete Ai ihnen allen, ins Auto zu steigen. „Das ist jetzt auch egal, Professor. Kudo wird sterben, wenn wir ihn nicht schnell genug finden. Fahren Sie uns nach Hause!“ Dem armen Mann blieb nichts anderes übrig, als seinen Wagen in Richtung Baker-Viertel zu lenken und im zweiten Block vor einem höchst absonderlich aussehenden Haus anzuhalten. Unterwegs erzählte ihm Ai alles, was sie wusste, ließ allerdings die für sie äußerlich peinlichen Gefühlsduseleien außer Acht. Natürlich ließ sich auch der Rest der Detective Boys nicht ewig ruhig halten und kaum waren sie in die Diele des Hauses getreten, prasselten die Fragen wie ein wahrer Regen auf sie und den Professor ein. „Ist Conan denn Shinichi?“ „Wurdet ihr wirklich geschrumpft?“ „Wie ist das alles passiert?“ „Was meintet ihr mit „Sie“?“ Insgeheim wollten weder sie noch der Professor Auskunft darüber geben, doch sie hatten kaum eine Wahl, und eigentlich waren sie es ihnen nach der langen Zeit des Lügens schuldig. Sie wandte sich ihrem Labor zu, die anderen folgten. Unbeirrt nahm sie eine kleine Schachtel in die Hand, entnahm ihr eine kleine zur Hälfte rote Kapsel. „Das hier...“ sagte sie und hielt die Pille gut sichtbar vor die Kinder. „Ist besagtes Gift names Apotoxin. Er sollte uns eigentlich beide töten, stattdessen wurden wir geschrumpft. Wir ihr mittlerweile sicherlich rausgefunden habt, ist Conan niemand anderes als der Detektiv Shinichi Kudo und ihm wurde das Gift verabreicht, als Test. Man wollte den perfekten, unerkennbaren Mord begehen.“ Ayumis Augen waren während der Schilderung immer größer geworden und sie glänzten feucht. „Das heißt, man wollte Conan, ich meine Shinichi umbringen?“ „Ja.“ erwiderte sie schlicht. „Er hat sich zu weit aus dem Fenster gelehnt und sich mit Mächten angelegt, die er nicht besiegen kann. Das waren keine einfachen Verbrecher und sie lassen sich nicht aufhalten, also denkt nicht mal daran, irgendwas etwas zu versuchen. Ich dagegen habe das Gift entwickelt.“ Da riss Mitsuhiko die Augen auf. „Das-Das heißt, du bist eine von denen? Eine von den Bösen?“ stammelte er geschockt. „Ja, ganz Recht, ich bin eine von den Bösen. Ich sollte längst tot sein, aber Kudo war der Meinung, dass er mich retten müsste. Jedenfalls versuchen wir schon seit geraumer Zeit, das Gift umzukehren, was mir bis dato aber noch nicht gelungen ist...“ „Was heißt „bis dato“?“ wollte Genta wissen, wofür Mitsuhiko ihm eine Kopfnuss verpasste. „Das heißt, ihr müsst für immer so bleiben?“ Das war wieder Ayumi. Ai wollte gerade antworten, da besann sie sich wieder. „Das reicht jetzt. Wenn ihr noch mehr wisst, könnten sie ebenfalls versuchen, euch umzubringen.“ „Dann helfen wir dir.“ riefen sie einstimmig. „Nein. Versteht doch...“, versuchte sie noch zu vermitteln, aber die Grundschüler hatten schon längst keine Ohren mehr für sie. „Wir helfen dir und Conan. Wir passen auf, keine Bange. Conan hat uns gezeigt, wie...“ Abermals wurden sie unterbrochen. „Kapiert ihr denn nicht? Euer toller Superheld Conan wird in Kürze sterben und er wird bestimmt nicht zulassen, dass ich euch da mit reinziehe.“ Sie war aufgebracht und verstand nicht, wieso sich die Kinder freiwillig einem solchen Kamikaze-Unternehmen anschließen wollten. Sie wusste ja noch nicht einmal, wo er war, geschweige denn, was für Sicherungsvorkehrungen dort lauerten. „Bitte Ai, wir wollen doch nur helfen. Irgendwas müssen wir doch machen können...“ Seltsam belegt trat Mitsuhiko zu ihr heran. Sie seufzte und kramte verzweifelt in einer Schublade. Irgendwo musste sie doch... Bingo. Sie aktivierte die in ihren Händen befindliche Radarbrille und entdeckte zu ihrer Freude einen gelben Punkt innerhalb des Radars. „In Ordnung, ihr haltet hier die Stellung und bleibt am Telefon. Der Professor und ich werden zu der Adresse fahren und uns umsehen.“ „Ist gut...“ kam es kleinlaut zurück. Vielleicht lag es auch nur an ihrer Sprechweise, dass sie auf sie hörten, denn normalerweise war es Conan, der solche Predigten hielt und meistens fiel es ihnen nicht ein, ihn zu hintergehen. 'Dann muss ich wohl ausnahmsweise mal Detektiv spielen...' Fast hätte sie über die Ironie der Situation gelacht, doch es war ihr nicht danach. Dennoch fiel ihr sehr wohl auf, dass die Rollen vertauscht waren, denn sonst war er es stets, der sie rettete. ‚Wie damals bei Pisco… Nur diesmal ist er derjenige, der den Paikaru-Schnaps trinken muss.’ Sie dachte an den Zeitpunkt zurück und auch an die Angst, die sie damals hatte. Um ein Haar wäre sie von Gin entdeckt worden. Nicht der Tod war das Problem, den nahm sie liebend gerne in Kauf, sondern eher die Tatsache, an weiteren Morden Schuld zu sein, denn ein Fehler ihrerseits hätte für den Professor, die Kinder, aber auch Shinichi und Ran, ebenso alle anderen, die sie kannte, schwerwiegende Folgen. Doch dafür hatte sie jetzt keine Zeit. Resolut schüttelte sie ihren rotblonden Haarschopf und damit alle unangenehmen Gedanken ab. „Professor, fahren sie in Richtung Haido-Viertel.“ Er nickte nur und bog in der gewünschten Richtung ab, als sie an eine Kreuzung kamen. Ihm sah sie an, dass er viele Fragen hatte und wohl gerne mit ihr geredet hätte, aber das musste alles warten. Jetzt galt es erstmal, ihren Lieblingsdetektiven aus den Klauen der schwarzen Organisation zu befreien. Nachdem Shinichi die Unterhaltung mit Ai beendet hatte, schob er sich so gut es ging mitten über den Anstecker, falls Jemand hereinkommen würde. Danach wandte er seine Aufmerksamkeit dem digitalen Ziffernblatt zu, welches sich nun entschieden hatte, doch herunterzuzählen, und überlegte fieberhaft. Doch egal, wie er es drehte und wendete, er kam immer nur zu einem Ergebnis. ‚Ich muss diese Fesseln loswerden, dann kann ich die Bombe vielleicht entschärfen.’ Denn das war nicht einmal allzu kompliziert. Da hatte er schon andere Kaliber gesehen, wie zum Beispiel das Riesending im Tokio Tower. Damit konnte man wirklich die gesamte Stahlkonstruktion in die Luft jagen. „Seine“ Bombe allerdings reichte grade so für ihn. Der Raum würde vielleicht ein wenig in Mitleidenschaft gezogen (was wohl der Grund für die abwesenden Einrichtungsgegenstände war) aber er war sich sicher, dass der schwere Ofen dieser Detonation inklusive Druckwelle standhalten würde. Dennoch war sein Körper dann nur noch ein Häufchen Asche, also musste das Ding unschädlich gemacht werden. Noch einmal wies sie Professor Agasa an, um den Gebäudekomplex herumzufahren. Kein Zweifel, das Signal von Conans Anstecker kam aus dem nördlichen Trakt, welcher sich als unscheinbare Lagerhalle entpuppte. Hohe Zäune waren um das Grundstück gezogen, Wächter allerdings konnte sie nicht erblicken. Es würde nicht allzu schwer werden, dort hineinzukommen. Ai klopfte das Herz bis zum Hals, wenn sie nur an die Möglichkeit dachte, doch sie musste es tun. „Sollten wir nicht das FBI verständigen? Immerhin haben wir das Hauptquartier…“ Sie unterbrach ihn unwirsch. „Das ist nicht das Quartier, also bringt es nichts, einen solchen Wirbel zu veranstalten. Ich werde da hineingehen und Conan holen. Sie warten am vorher vereinbarten Treffpunkt. Wenn Conan sich meldet, werden die Kinder antworten und Sie kontaktieren, Professor.“ Er sah sie an und brachte es nicht über sich, die ganzen Lücken ihres Planes aufzuzeigen, und so tat er letztendlich das, was sie erwartete. In Gedanken sah er eine andere Person vor sich – Eine fröhliche, etwas Größere Ai, die mit einem Lächeln auf den Lippen in seiner Küche stand und Kaffee kochte, wie sie mit Shinichi zusammen im Wohnzimmer saß und seine gelegentlichen Höhenflüge spöttisch kommentierte. Eines hatten seine Visionen alle gemein: Er sah eine lachende, fröhliche Ai. Ihre scharfen Züge waren entspannt und sie erwartete nicht an jeder Ecke irgendwelche Verbrecher. Er konnte in ihr nicht die skrupellose Forscherin sehen, als die sie sich selbst wahrnahm, sondern als junge, äußerst selbstbewusste Frau, ein gutes Pendant zu Shinichi. Für sie waren sie und Shinichi die Kinder, die ihm nicht vergönnt waren und er merkte natürlich, dass Ai Gefallen an seinem jungen Nachbarn gefunden hatte. Sie konnte es noch so oft abstreiten, allein diese waghalsige Rettungsaktion zeigte nunmehr, dass sie sich Hals über Kopf in den Schülerdetektiv verliebt hatte. Mit einer Kapuze bedeckt schlich sich Ai von der Rückseite aus an die protzige Firma mit dem eher schlichten Namenszug „Paper Ltd.“. Es war ein lokales Unternehmen, das unter anderem Wellpappen und Kartons herstellte und in alle Herren Länder verschickte. Solide geführt glänzte es durch gute Absätze und war noch nicht unangenehm durch Schmiergeldaffären oder ähnliche Skandale aufgefallen. Irgendwie typisch für die schwarze Organisation, die gerne im Verborgenden agierte. Von weitem konnte sie die Lagerhäuser sehen, die sich etwas abseits vom Hauptkomplex befanden. Vermutlich wurden in ihnen die fertigen Produkte zwischengelagert, denn momentan stand das Tor des ersten Lagers offen. Dort musste sie es gar nicht erst versuchen. Also ging sie weiter um das Gelände herum und suche unauffällig nach einer geeigneten Stelle, an der sie ihre Zange ansetzen und so durch den Maschendrahtzaun schlüpfen konnte. Nach einigem Suchen fand sie auch eine. Ai befand sich jetzt auf der Westseite, die von den Arbeitern nicht mehr eingesehen werden konnte. Geschickt verbog sie die Enden der Drähte, die sie zerschnitten hatte, sodass es wie das Werk eines Tieres ausgesehen hatte. ‚Einen Vorteil hat diese Größe ja doch’, dachte sie nur, als sie durch das kleine Loch kroch, welches dicht über dem Erdboden angesiedelt war. Auf ihrem Weg zum nördlichsten Teil der Anlage begegnete ihr niemand und dennoch klopfte ihr das Herz wie wild in der Brust. Jetzt begann der gefährliche Teil und sie kam dem blinkenden Punkt im Radar der Brille immer näher. Es musste das ehemals weiß getünchte Gebäude dort vorne sein, welches besonders heruntergekommen aussah. Zudem war der Eingang nicht wie bei anderen ein großes Tor, sondern eine dicke Stahltür. In einer Mauernische erkannte Ai außerdem einen äußerst gut getarnten Bewegungsmelder und eine kleine Linse. ‚Dachte ich mir doch…’ Allerdings kümmerten sie diese zugegeben doch eher spärlichen Sicherheitsmaßnahmen wenig. Ein Luftschacht, der sich unweit von ihr befand, war ein viel besserer Einstieg. Aufgrund ihrer Tarnung war es der Organisation versagt geblieben, hochwertige Schutzvorrichtungen zu installieren, sodass solche Schlupflöcher wie besagter Luftschacht ungesichert blieben. Mit wenigen Handgriffen war das Gitter aus seiner Verankerung geschraubt und beiseite gelegt worden. Sie blinzelte in die Finsternis des Schachtes. Nach einmal umherblickend stellte sie sicher, dass auch niemand ihr Eindringen mitbekam und kletterte entschlossen in den Schacht. Dunkelheit und Spinnenweben empfingen sie. Staub kroch in ihre Lunge und sie hustete. Es hallte von allen Seiten wider und sie kam nur langsam voran, denn offensichtlich war hier schon lange keine Luftbewegung mehr passiert. An einer Abzweigung stoppte sie und zog erneut die Radarbrille zu rate. Das Signal wies ihr an, den rechten Weg einzuschlagen. Nach unendlicher langer Zeit, jedenfalls kam es ihr so vor, stieß sie erneut an ein Gitter und diesmal konnte sie dahinter etwas erkennen. Ein spärlich erleuchteter Raum, ein winziges, verdrecktes Fenster war die Lichtquelle, befand sich vor ihr, jedoch konnte sie niemanden erkennen. Sie beugte sich vor und stützte sich ans Gitter. Umso erschrockener war sie, als dieses plötzlich nachgab und sie nach vorne stürzte. Conan schreckte ob des lauten Krachens hoch, nur um sogleich den Stahl der Handschellen an seinen Gelenken reißen zu spüren. Grimmig drehte er sich zu der Stelle, von der das Geräusch gekommen war. „Haibara!“, rief er verwundert und sogleich erfreut. Insgeheim hatte er gedacht, sie hätte es sich anders überlegt, denn von seiner verbleibenden Zeit war kaum mehr eine halbe Stunde übrig. „Aua…“ jammerte sie nur und hielt sich den Knöchel. Dann jedoch besann sie sich und humpelte zu Shinichi hinüber. „Du bist tatsächlich gekommen…“, meinte er nur verwundert zu ihr, doch sie antwortete nicht, sondern zückte ein Messer. Erleichtert seufzte er auf, als sie ihm die Fesseln durchtrennte. „Die hier werden allerdings ein Problem.“ Sie deutete auf die Massiven Handschellen, die kein Schlüsselloch aufwiesen und somit nicht einfach aufgepickt werden konnten. „Stimmt, dafür bräuchte man einen Bolzenschneider. Aber wir haben noch ein viel größeres Problem. Durch den Luftschacht kommen wir nicht weg und die Tür ist bestimmt bewacht. Und wir haben nicht genug Zeit, uns etwas anderes auszudenken.“ Er rieb sich mittels seiner freien linken Hand die zermürbten Knöchel. „Das müsst ihr auch nicht“, sagte plötzlich eine tiefe Stimme. „Die Bombe reicht auch für zwei…“ Unbemerkt von den Beiden war die Tür aufgegangen und sie standen ihrem schlimmsten Alptraum gegenüber. Während Conan zornig mit den Zähnen knirschte und heftig an der Kette der Schellen zog war Ai bleich geworden und ihre Augen waren angstvoll geweitet. „Na Sherry, hattest du Heimweh? Keine Angst, nur allzu bald bist du wieder bei deiner geliebten Schwester, dieser elenden Schlampe und Verräterin.“ Gin grinste und hob dabei die Pistole. Ein Schuss ertönte. „Argh…“ Keuchend verkrampfte sich Conan. Dank der Handschellen konnte er nicht ausweichen und die Kugel hatte sein Schulterblatt durchbohrt. Ai konnte nur entsetzt zu ihm herüberstarren und Gin zielte jetzt auf sie. „Eigentlich sollte ich dich gleich erschießen und es würde mir eine helle Freude bereiten, den weißen Schnee draußen mit deinem roten Blut zu durchtränken, aber erst wirst du leiden. Ist doch schön, wenn wieder ein Mensch wegen dir sterben muss, oder?“ Eine weitere Kugel wurde aus seinem Magazin abgefeuert und wieder schrie Conan auf. Diesmal hatte sich das tückische Metall in seinen rechten Arm gefressen. ‚Hör auf!’ Sie wollte schreien, doch kein Laut drang aus ihrem Mund. Sie konnte das nicht zulassen. Nicht auch noch Shinichi, es waren doch schon genug Menschen wegen ihr gestorben… Nein. Eine Veränderung ging in ihr vor. Ihr Rücken streckte sich und sie schaute ohne jede Scheu zu Gin. „Mach dich nicht lächerlich. Glaubst du allen Ernstes, es interessiert mich, was du mit ihm machst?“ Verabscheuend sah sie zu Conan, der sich vor Schmerzen wand und es nicht begreifen konnte. Wieso? Das schien Gin hellhörig zu machen. Er ließ tatsächlich von Conan ab und wandte sie nun ihr zu. „Und das soll ich dir glauben, wo du dir doch schon die Mühe gemacht hast, hier einzudringen?“ „Glaub doch, was du willst. Ich wollte lediglich verhindern, dass er auspackt. Tja, dumm gelaufen.“ Sie grinste hämisch und ein eisiger Blick trat in ihre Augen. Dennoch blieb Gin skeptisch, daher setzte sie noch eines drauf. „Wenn du es genau wissen willst, wollte ich ihn umbringen und dann zurück zur Organisation kehren. Ich hab ihm lediglich vorgespielt, ihm helfen zu wollen. Immerhin konnte ich dank ihm endlich herausfinden, was am APTX 4869 diese Mutationen, der ich leider auch zum Opfer gefallen bin, auslöst. Aber es war schwierig, bis ich sein Vertrauen hatte. Ich kann ihn sofort erschießen, wenn du willst. Er ist eh mit der Zeit lästig geworden.“ Gin grinste. Genauso kannte er Sherry, eiskalt und berechnend. Eigentlich wollte er sie ja gleich mit Kudo ins Jenseits befördern, doch im Grunde genommen war es doch egal, wann er sie umbrachte. „Nun gut, erschieß ihn und ich werde sehen, ob unsere Forschungsabteilung noch Unterstützung braucht.“ Sie war tatsächlich so naiv zu glauben, dass sie wieder in die Organisation konnte, ohne irgendwelche Konsequenzen zu erleiden. „Mit Vergnügen.“ Sie grinste hämisch und wandte sich den am Boden liegenden Jungen zu. „Irgendwelche letzten Worte, Kudo?“ fragte sie spöttisch, doch er blickte sie nur mit großen Augen an und wisperte leise: „Wieso Haibara?“ Sie lachte. „Ich habe es dir schon damals gesagt Kudo. Wenn ich meinen eigenen Hals retten kann, tue ich das auch. Du bist dumm Kudo. Dumm genug, dass du jetzt sterben musst.“ Gin reichte ihr eine zweite Waffe, richtete die seine jedoch ebenfalls auf Shinichi. Sie zielte auf seinen Brustkorb, strich sie eine Haarsträhne aus dem Gesicht und für den Bruchteil einer Sekunde waren ihre Züge von Trauer gekennzeichnet. Ihre Zeigefinger ruhte auf dem Abzug. Noch ein Stückchen… Es gab einen ohrenbetäubenden Knall. Erschrocken drehte sich Ai um. Sie hatte noch nicht geschossen. Aber was… Hinter ihr lag Gin bewusstlos auf dem Boden, über ihm hatte sich eine Frau mit langen, blonden Haaren in schwarzem Anzug aufgebaut, die einen Elektroschocker hielt. Sie lächelte und entblößte dabei ihre perfekten, weißen Zähne, ihre grauen Augen aber blieben hart und fixierten das kleine Mädchen vor ihr. „V-Vermouth“ stammelte sie, doch ein Stöhnen ließ sie erneut herumwirbeln. Dann schaltete sie. „Shinichi!“ Sie überbrückte die Distanz zu ihm und kniete nieder. Der Schuss kam von Gin, er hatte abdrücken können, bevor Vermouth ihn ausschalten konnte. Conans Jacke war blutdurchtränkt, und er schwitzte fürchterlich. „E-Ein Glück.“ Flüsterte er, als sie sich neben ihm niederkniete. Sie sah ihn verwundert an, während nun auch Vermouth näherkam. Sie wollte fragen, was er damit meinte, denn von Glück konnte man hier kaum sprechen, doch Vermouth unterbrach ihren Gedankengang. „Er hat drei Kugeln abgekommen und ihr müsst hier raus. Du verdankst es seinem miesen Zustand, dass ich dich nicht eigenhändig abknalle.“ Sie ignorierte jegliche Reaktionen des kleinen Mädchens auf ihre Worte und zerschoss geschickt die Handschellen, die Conan an den Ofen ketteten. „Ich kann euch den Rücken decken, aber von da an müsst ihr es alleine schaffen. Ohne viel Federlesen hob sie beide Kinder hinauf zum Lüftungsschacht und setzte anschließend das Gitter wieder ein. „Ich warne dich, Sherry. Silverbullet muss überleben und es ist deine Aufgabe, das zu erfüllen und wenn du selber stirbst. Wenn er dir wirklich soviel bedeutet dann schaffst du das.“ Damit verließ Vermouth eiligst den Raum und schleifte Gin mit hinaus. Unschlüssig hockte Ai mit dem verletzten Jungen im Lüftungsschacht, bis der sich bemerkbar machte. „Wir müssen hier r-raus.“ Hustete er hervor. Er deutete auf den kleinen Kasten unter ihnen, der jetzt wie wild anfing zu piepsen. Die Bombe. Sie mussten aus dem Schacht heraus sein, bevor sie explodierte, andernfalls würde sie die Druckwelle voll erwischen. Hastig kroch Ai den Schacht entlang, Conan so gut sie konnte mitziehend. Doch er konnte es nicht lange durchhalten. „L-Lass mich hier.“, bat er sie, doch sie zerrte ihn unbeirrt weiter. Vermouth hatte ihr einen Auftrag gegeben, und obwohl sie ihr gedroht hatte, war es so ziemlich das Netteste gewesen, was sie jemals von ihr hören würde. „Ich werde dich jetzt nicht sterben lassen, nicht jetzt.“ Das war sie ihm schuldig und gemeinsam robbten sie sich soweit voran, dass sie schon das Tageslicht sehen konnten. Die Druckwelle erfasste beide und schleuderte sie gegen das Gitter, welches sofort nachgab. Sie wurden ins freie katapultiert und blieben in einigen Metern Entfernung liegen. Dennoch hatten sie keine Zeit zu verlieren. Schon jetzt kamen Arbeiter angelaufen und nicht nur diese. Diverse Schwärzmäntel mit Maschinengewehren und Pistolen im Anschlag hasteten auf sie zu. „Halt noch ein bisschen durch, Kudo.“ Er stöhnte nur als Antwort, rappelte sich aber dennoch auf und lief so gut er konnte. Blut tropfte mittlerweile von seiner Seite. Auf den ersten Blick konnte sie sehen, dass es ein Durchschuss war, vermutlich an derselben Stelle wie damals in der Tropfsteinhöhle. Sein Arm hing schlaff an ihm herunter und aus der Schulter kam ebenfalls Blut. Es war offensichtlich, dass er dringend in ein Krankenhaus musste, doch zuerst galt es zu fliehen. Er sammelte seine Kraftreserven und preschte hinter ihr durch das Loch im Zaun, vom Kugelhagel begleitet, denn mittlerweile hatten auch die Mitglieder, unter ihnen auch Korn und Vodka, ihre Flucht bemerkt. Ohne Halt zu machen rannten sie über die Straße und nicht wenige Autos machten eine Vollbremsung oder hupten empört. Motorengeräusche waren zu hören und zwei schwarze Maschinen schoben sich ihnen in den Weg, auf beiden saßen Mitglieder der Organisation. „Chianti und Kir“ keuchte Conan atemlos. Ai schluckte beklommen. Soweit sie wusste, gehörte Kir in Wirklichkeit zum CIA, aber Chianti war eine Scharfschützin und außerordentlich gefährlich, doch gegen sie allein hatten sie eine Chance, im Duo mit Korn allerdings war sie unschlagbar. Ähnliches ging wohl auch Shinichi durch den Kopf, denn er machte keine Anstalten die Richtung zu ändern. Aus der Nähe war Chianti ungefährlich, ihr Snipergewehr war nur aus der Distanz eine gute Waffe. Kir schien unschlüssig, was sie tun sollte, sodass sie sie passieren ließ, aber dennoch die Verfolgung aufnahm. ‚Schneller, schneller…’ Noch immer rannten sie und Kudo, wobei ihm wirklich die Puste ausging. Immer wieder stolperte er und dennoch wurden sie unerbittlich verfolgt. Ihren ersten Entschluss, zurück zum Auto des Professors zu rennen hatte sie verworfen, immerhin wollte sie den Mann nicht in Gefahr bringen. Also blieb ihr nur die Flucht über die Straße und dann querfeldein weiter. Mittlerweile waren sie in einem Park angekommen. Die schönen Beete und zahlreichen Bänke jedoch blieben von ihr unbeachtet, als sie zusammen mit Conan über den Rasen flitzte und den gesäumten Kiesweg ignorierte. Lediglich die Blutspur gab einen Hinweis darauf, dass etwas nicht in Ordnung war. Vor ihnen lag jetzt der See, doch um diese Jahreszeit war er zugefroren, jedoch noch nicht freigegeben, deshalb tummelten sich auch noch keine Schlittschuhläufer auf dem See. ‚Wir könnten einbrechen … oder erschossen werden.’ Da nahm sie lieber Ersteres in Kauf und sie betraten das dünne Eis. Er knarzte bedrohlich unter ihren Füßen, doch ihre Kindergestalt hatte auch hier Vorteile. Sie waren viel leichter als die Verfolger und konnten daher auch schneller vorankommen. Schon flogen erneut Kugeln an ihnen vorbei und sie beeilten sich, den See zu überqueren. „Sie kommen“, keuchte Shinichi und schon betraten die ersten Schergen der Organisation das Eis – um prompt auszurutschen und sehr unelegant zu Boden zu gehen. Conan verkniff sich ein Grinsen und sie hasteten weiter. Durch die unfreiwillige Rutschpartie allerdings hatte das Eis Risse bekommen. Ungeachtet der Gefahr schoben sich erneut die Schwarzmäntel auf sie zu und Conan und Ai blieb nichts weiter, als ebenfalls voran zu gehen. Sie hatten es fast geschafft, als plötzlich das Eis nachgab und Ai mit einem Krachen in das darunterliegende, eiskalte Wasser fiel. „Scheiße!“, fluchte Shinichi und entfernte sich reflexartig von der Bruchstelle. Ai kam keuchend wieder an die Oberfläche, allerdings wollte das Eis nicht halten, sie konnte sich nicht festhalten und die Kälte versteifte ihre Glieder. Durch den Vorfall gewannen die Mitglieder genug Zeit, um Conan erfolgreich anzuvisieren. Mit blutunterlaufenden Augen blickte Shinichi sich um und stellte fest, dass sie umzingelt waren. Er merkte, wie seine Beine nachgaben. Lange würde er sich nicht mehr halten können, aber irgendwer musste Ai doch retten. ‚Was soll ich tun? I-Ich…’ Ein erneuter Schuss verhallte, doch zu seinem Erstaunen war es ein Organisationsmitglied, welches zusammenbrach und sogleich in das eisige Wasser stürzte. Erstaunt hob Shinichi den Kopf und wandte sich von Ai, die sich mit immer schwächeren Schwimmbewegungen über Wasser hielt, ab. Aus dem Gebüsch vor ihnen trat ein Mann in dunklem Anorak und einer Mütze, streifte sich lässig mit einer Hand die Blätter von seinem Ärmel und schulterte ein Gewehr. Shuichi Akai trat lässig ans Ufer und hektisches Murmeln klang zu ihnen herüber. „Es ist Rye…“ „Sollte der nicht tot sein?“ „Warum kommt Chianti nicht?“ Unterdessen machte Akai keinen Hehl daraus, dass er, wenn nötig alle Mitglieder erschießen würde und sie waren unschlüssig, was sie tun sollten. Gin war nicht da, um ihnen Befehle zu geben und andere hochrangige Mitglieder waren nicht vor Ort. Einzig und allein Chianti und Kir hätten ihnen Auskunft geben können, doch beide waren nicht erreichbar. Und dann tauchte auch noch Rye auf, der schon damals, als er noch zur Organisation gehörte, gefürchtet war. Zumal ihnen keiner den strikten Befehl gegeben hatte, ihr Leben für diese Mission zu opfern. Es waren doch eh nur Kinder… Ungläubig beobachtete Shinichi, wie die Handlanger sich langsam aus dem Staub machten. Wie betäubt sah er zu, wie Shuichi eine Leiter über das Eis bis hin zu der Bruchstelle schob und dadurch Ai eine Chance gab, aus dem Wasser zu kommen. Der FBI-Agent brachte sie durch das Gebüsch hindurch zur nächsten Straße, wo auch schon ein Auto auf sie wartete. „Cool Kid.“, rief Miss Jodie ausgelassen, verstummte allerdings sofort, als sie seinen Zustand sah. „Er muss ins Krankenhaus. Ich überlasse sie Ihnen.“, brummte Akai nur und bugsierte Conan in den Mercedes von James, an dessen Steuer Jodie in diesem Moment saß. Er sagte kein Wort zu der durchgefrorenen Ai, dessen Lippen unterdessen blau geworden waren und verschwand ohne weitere Worte in der Menschenmenge. Jodie blickte ihm nach, doch Ais bibbernde Worte holten sie in die Wirklichkeit zurück. „Shinichi, halt durch!“ Der Junge keuchte, röchelte und schien die Augen nicht mehr aufhalten zu können. Er war nahezu am Ende seiner Kräfte und hatte viel Blut auf ihrer halsbrecherischen Flucht verloren. Im Rückspiegel konnte Jodie sehen, wie sich das Mädchen dafür die Schuld gab. Noch nie zuvor hatte sie ihn so angesehen, jedenfalls nicht in ihrer Gegenwart. Ein jähes Hupen holte sie in die Wirklichkeit zurück und ohne weitere Zwischenfälle fuhr sie in das Krankenhaus, welches schon Rena Mizunashi alias Hidemi Hondo beherbergt und vor der Organisation versteckt hatte. Die restlichen Agenten waren bereits informiert und so brauchten sie sich vorerst keine Sorgen um die Sicherheit machen. „Wie haben Sie uns eigentlich gefunden?“ fragte Ai nach einer Weile. „Euer netter Professor war so nett, uns Bescheid zu geben, als du nach geraumer Zeit nicht wiederkamst.“ Sie zwinkerte ihr zu und starrte weiterhin auf die rote Lampe über dem Operationssaal, indem Conan nun operiert wurde. Der triste Krankenhausflur hob ihre Stimmung nicht, darum nickte Ai nur. Sie hüllte sich noch tiefer in die warme Decke, die man ihr gegen die Unterkühlung gegeben hatte. Sie nippte an einem Tee und spähte immer wieder zur Signalleuchte, in der Hoffnung, dass sie endlich erlischen und Shinichis Operation endlich beendet war. „Du bewegst dich auf glattem Eis, meine Liebe, oder wie auch immer man das in Japan sagt.“ Bemerkte Jodie, als Ai abermals fast sehnsüchtig die Flügeltür zum OP anstarrte. „Wie meinen Sie das?“ reagierte sie abweisend. Jodie seufzte. „Na, das liegt doch auf der Hand. You love him.“ Manchmal war das Englische einfach viel direkter. „Blödsinn“, leugnete Ai es gewohnheitsmäßig, doch sie war nicht bei der Sache und dementsprechend klang es nicht sehr überzeugend. Um davon abzulenken zog sie die Decke enger um sich. „Außerdem ist das sowieso egal, er liebt Ran.“ Sofort biss sie sich auf die Zunge. Wie kam sie überhaupt dazu, ausgerechnet Miss Jodie davon zu erzählen. „Gerade deswegen ist das Eis ja so glatt. You love him but he has already lost his heart.” Ai wollte zu einer Antwort ansetzen als das Licht über der Tür verlosch und zwei Schwestern ein Krankenbett herausrollten. In ihm lag ein kleiner blasser Junge, der in mehrere Verbände gewickelt war. „Er ist jetzt stabil, braucht aber noch viel Ruhe.“ Sagte der Arzt nur. Mehr Auskünfte wollte er nicht geben, immerhin waren sie keine Angehörigen. Bleich vor Schreck legte Ran den Hörer beiseite. Noch immer starrte sie fassungslos das Telefon an, bis ihr Vater sie anstupste. „Mausebein, was ist denn los?“ „Conan ist angeschossen worden.“ Sagte sie leise, woraufhin auch Kogoro besorgt dreinsah. „Wie geht es ihm?“ wollte er wissen, doch Ran war schon in Richtung Flur gestürmt und hatte ihre Jacke von der Garderobe geangelt. Sie war schon dabei, ihre Schuhe anzuziehen, als Kogoro sie festhielt. „Ich fahre uns. Warte kurz auf mich.“ Gemeinsam machten sie sich mittels Kogoros Mietwagens, den er eigentlich für einen Klientenbesuch am Nachmittag gemietet hatte, und fuhren auf schnellstem Wege in das Krankenhaus. Die Adresse hatte ihnen Jodie gesagt. Unauffällig folgte ihnen ein weiteres Fahrzeug. „Wie geht es ihm?“ Sofort wurde die Ärztin mit Fragen bestürmt, bevor sie beschwichtigend abwinken konnte. „Ihm geht es den Umständen entsprechend und er ist schon wieder auf den Beinen, aber zuerst muss ich Sie fragen, ob Sie die Familie des Jungen sind?“ Ran wollte ansetzen, doch Kogoro unterbrach sie. „Nun, es ist so, dass er zurzeit bei uns wohnt, doch nicht mit uns verwandt ist.“ „Aber seine Eltern sind im Ausland und wir sorgen für ihn.“, fuhr Ran dazwischen und die Medizinerin hatte ein Einsehen. „In Ordnung, ich bringe Sie jetzt zu seinem Zimmer.“ Mit dem Fahrstuhl fuhren sie in den dritten Stock und bogen dann nach links in einen langen, sterilen Korridor entlang. Überall stieg ihnen der Duft von Desinfektionsmittel in die Nase und schürten damit ihr Unwohlsein. Dann endlich endete der Gang und sie landeten vor einer Tür, die seltsamerweise verschlossen war. Es wurde aufgeschlossen und mehrere Zimmertüren folgten. Die Letzte wurde anvisiert und geöffnet. Ran drängte sich an der Ärztin vorbei und erblickte Conan, der in dem riesigen Krankenhausbett besonders klein aussah, was dieser ebenfalls festgestellt und sich darüber geärgert hatte. Ai saß mit einer deutlich gesünderen Gesichtsfarbe als noch zwei Tage zuvor daneben und unterbrach ihre Unterhaltung mit Jodie und Conan, als Ran und ihr Vater hereinkamen. Die Ärztin lächelte noch einmal und verließ unauffällig den Raum. „Conan!“ Erleichtert stürmte Ran auf ihn zu und drückte ihn. Dann allerdings sah sie die Verbände und wich erschrocken zurück. „Wie ist das denn passiert?“, fragte nun Kogoro. Sofort wurden alle still. „Es ist so…“ begann Miss Jodie die Unterhaltung, bevor sich Ran wundern konnte, warum sie hier war. Hinter ihnen öffnete sich die Tür erneut und Jodie wandte sich zuerst an die eintretende Person. „Ist ihnen jemand gefolgt?“, wollte sie wissen. Ihr Ton klang scharf und geschäftsmäßig. „Außer mir niemand, Miss. Hab mich extra an sie drangehängt.“, erwiderte der untersetzte Mann mit kinnlangen, strähnigen Haaren. Daraufhin sah Jodie erleichtert aus. „In Ordnung Camel, Sie warten draußen. Und sagen sie James Bescheid.“ Camel nickte nur und verließ das Krankenzimmer nur wenige Augenblicke, nachdem er es betreten hatte. Kogoro hatte diesem Wortwechsel stillschweigend gelauscht, doch jetzt meldete er sich zu Wort. „Was ist hier eigentlich los?“ Jodie wechselte noch einen letzten Blick mit Conan und Ai, bevor sie Kogoro antwortete. „Wie Sie sich sicher denken können, sind das keine normalen Verletzungen. Conan wurde angeschossen und zwar von einer Bande von organisierten Verbrechern.“ „Sie meinen so was wie die Mafia?“, fragte Ran entsetzt. „Sowas ähnliches ja.“ „Aber warum? Conan ist doch nur ein Kind, er…“, Ran kämpfte mit den Tränen und Conan musste sich zwingen, wegzusehen. Es war nötig, das wusste er, darum musste er jetzt hart bleiben. „Die Sache ist die: Conans Vater ist ein FBI-Agent, wie ich und Camel, der sie beschattet und verfolgt hat, auch. Wir sind in Japan, weil wir eine Organisation schnappen wollen. Den Aufenthaltsort des Agenten konnten wir geheim halten, allerdings haben wir zu spät bemerkt, dass Conan ebenfalls gefährdet ist. Wir brachten ihn also zu Ihnen, in der Hoffnung, dass er nicht gefunden wird. Allerdings hat der Kleine wohl etwas zu viel von seinem Vater, weswegen sie wieder auf ihn aufmerksam geworden sind.“ Mit diesen Worten blickte sie grimmig hinüber zu Shinichi, der verlegen grinste. „Jedenfalls können wir es nicht länger verantworten und deswegen muss ich Conan ins Zeugenschutzprogramm aufnehmen. Das hieße…“ „… Er würde einen neuen Namen bekommen und in einem anderen Land leben, ebenso ist jeglicher Kontakt zu früheren Bekannten und Verwandten strengstens verboten.“, beendete Kogoro ihren Satz. Ran schwieg, sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. Zuerst Shinichi, jetzt wurde ihr auch noch Conan genommen. „Ja, wir sehen leider keine andere Möglichkeit mehr.“ Letzten Endes blieb weder Ran noch Kogoro noch den Kindern oder Agasa, die davon erfuhren, nichts anderes übrig, als es zu akzeptieren. Selbst Shinichi sperrte sich dagegen, doch ihm war klar, dass Japan für ihn nicht mehr sicher genug war. „Sie kennen euch und wir werden euren Freunden den notwendigen Schutz bieten, allerdings ist es für euch viel zu gefährlich hierzubleiben.“, hatte James Black, der Chef der Ermittlungen in Japan, ihm klargemacht. Nach diesem Nachmittag im Krankenhaus würde Ran Conan nie wieder sehen, darum ließ sie sich Zeit bei der Verabschiedung und auch Conan lag ein Klos im Hals. Sie war seine Jugendfreundin, ja sogar mehr als das und er durfte es ihr nicht sagen, er musste sie erneut anlügen. „Auf Wiedersehen Conan, ich wünsche dir viel Glück und viel Freude. Vergiss mich nicht, hörst du?“ ‚Wie könnte ich dich vergessen?’, dachte Shinichi nur und umarmte seine Freundin lang und innig, vielleicht etwas zu innig für einen Grundschüler. Im Grunde wollte er ihr so vieles sagen, jetzt war die letzte Gelegenheit, niemand würde es merken… …doch er konnte nicht, denn Ai trat vor sein inneres Gesicht. Er sah, wie sie lächelte und eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. Wie sie über die kinderleichten Aufgaben der Grundschule gebeugt dasaß, wie sie konzentriert vor ihrem Computer saß und unendlich komplizierte Formeln eintippte… Dann war auch schon die Umarmung vorbei, der Augenblick verstrichen und Ran war vollends aus seinem Leben verschwunden. Shinichi blieb danach noch mehrere Tage im Krankenhaus, da seine Verletzungen noch nicht ausgeheilt waren. Zu jeder Tageszeit wurde er bewacht, meist von Jodie oder Camel, seltener von James. Shuichi Akai ließ sich nicht blicken. Allerdings konnte man das auch nicht von ihm erwarten, denn er wollte Ai weiterhin nicht begegnen. Auch Ai blieb die komplette Genesungszeit an seiner Seite und hatte sogar gefordert, im selben Raum schlafen zu dürfen. Mit den FBI-Agenten verstand sich Shinichi prima, lediglich in einem einzigen Punkt drifteten ihre Meinungen auseinander. „Ich werde nicht ohne sie ins Zeugenschutzprogramm gehen.“ Darauf hatte Shinichi bestanden, er würde mit Ai zusammen gehen oder gar nicht. Nach einer Weile hatten die Erwachsenen nachgegeben, wenn auch sie skeptisch blieben. Ai hatte sich nicht eingemischt, jedoch setzte sie sich eines Abends zu ihm auf das Bett. „Warum beharrst du so darauf? Zusammen findet man uns viel leichter.“ Er hatte ihre Hand genommen und blickte sie intensiv an. „Wenn ich dich allein lasse… dann finden die dich sofort. Sie brauchen nur nach einem paranoiden Mädchen Ausschau halten, das sich ständig vor Angst im Haus verkriecht.“, verkündete er feierlich. Ai verpasste ihm ganz unzeremoniell eine Kopfnuss, doch sie war erleichtert, wenigstens einen Anhaltspunkt zu haben. Sie hatten dem Professor einen Brief für die Kleinen mitgegeben, und Conan einen an Ran, von Shinichi. Er durfte sie jetzt auch nicht mehr kontaktieren, darum musste er Shinichi endgültig begraben. Ihr altes Leben war vorbei, ab morgen bekämen sie neue Identitäten und eine andere Nationalität. Zwar waren noch viele Fragen offen, doch es würde nicht an ihnen beiden sein, diese zu beantworten. Einzig und allein die FBI-Mitglieder wussten, wo und wer sie waren und sie hüteten diese Informationen gut. Sie durften nur das Nötigste mitnehmen und wenn möglich keine persönlichen Gegenstände, doch sowohl Conan als auch Ai schafften es, jeweils etwas hineinzuschmuggeln. Conan hatte sein Lieblingsbuch mitgenommen, innen rein aber ein Foto von Ran gelegt, während Ai eine unscheinbare Dose in ihrer Hosentasche verschwinden ließ. Ihren Inhalt kannte nicht einmal Shinichi und das sollte auch so bleiben, bis sie in ihrer neuen Heimat eine Möglichkeit gefunden hatte, die Bestandteile des APTX 4869 zu analysieren und ein Gegengift herzustellen. Ihre Zukunft war so unsicher wie das Eis auf dem See, aber noch war nicht entschieden, ob sie einbrechen oder doch sicher und unversehrt am anderen Ufer landeten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)