Das Tagebuch der Nellie Lovett von SweeneyLestrange ================================================================================ Epilog: Der Anfang vom Ende --------------------------- Es war, als sacke Sweeney in sich zusammen, blieb auf dem harten Küchenboden regungslos hocken und stierte ins Leere, das Gesicht zu einer ausdruckslosen Maske erstarrt. Er konnte es nicht verstehen. Wie konnte er nur so dasitzen? Nun, da er doch wusste, dass seine Lucy am Leben war! Er musste aufspringen, von dem Gedanken besessen, sie zu finden, sie wieder in die Arme zu schließen, um für einen kurzen Moment die schrecklichen Jahre, die hinter ihm lagen, vergessen zu können. Oder? Jedoch hatte Mrs Lovett Zweifel gesät, welche sich wie ein schleichendes Gift in ihm ausgebreitet hatten und ihn nun lähmten und an den Küchenboden fesselten. Er war sich nicht mehr so sicher, ob dies wirklich das richtige war. Vielleicht hatte er ihr sogar schon einmal ins Gesicht gesehen, seiner Lucy, und … und sie wie all den anderen Abschaum auch als Gesindel verachtet – hatte sie nicht erkannt! Dieser Gedanke bereitete ihm Angst. Wenn sie sich wirklich verändert hatte? Ein röchelnder Laut ließ ihn aus seinen Gedanken schrecken. Es dauerte, bis Sweeney das Geräusch vernommen hatte. Und noch viel länger dauerte es, bis er begriff, bis ihm langsam die Bedeutung dieses Geräusches bewusst wurde. Langsam sah er auf, von einem Gefühl der Unwirklichkeit befallen. Er starrte direkt auf Mrs Lovett und bemerkte, wie sie sich regte, rasselnd Luft holte. Das konnte nicht sein! Er…er hatte sie doch umgebracht, mit seinen eigenen Händen! Sweeney rang mit sich. Er wusste in diesem kurzen Moment nicht, was er denken, was er tun sollte. Er kam sich so schrecklich unbeholfen vor! Aber wie so oft war es letztendlich Mrs Lovett, die für ihn handelte. „Mr T.“, keuchte sie. Ihre Stimme war schwach und brüchig. Dann wälzte sie sich auf die Seite und sah den Barbier aus halbgeöffneten Augen an. Sweeney erwachte aus seiner Starre, handelte instinktiv und beugte sich über die Frau. Seine Miene verriet nichts von seinen Gefühlen, als er stumm auf Mrs Lovett hinabsah und sich fragte, warum er sich geirrt, sie doch nicht umgebracht hatte. „Da…ist etwas, das ich Ihnen…sagen möchte“, flüsterte sie mit schwacher Stimme und versuchte sich angestrengt hochzustemmen. Sie zitterte. Es fiel ihr schwer, die nötige Kraft dafür aufzubringen und letztendlich brach sie wieder zusammen. Umso mehr überraschte es sie, als sie plötzlich zwei Hände packten, mit festem und doch zugleich behutsamem Griff hochzogen und gegen die Wand lehnten. Erstaunt sah Mrs Lovett Mr Todd an, dessen Gesicht nur wenige Zentimeter von dem ihren entfernt war. Für einen kurzen Moment schloss sie die Augen und genoss diesen Augenblick. Schnell öffnete sie diese aber wieder. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Danke, Mr T.“ „Ich denke, ich weiß, was Sie mir sagen wollen“, antwortete Sweeney und wich schon fast hastig wieder etwas von ihr zurück. So saßen sie beide für eine Weile schweigend da auf dem harten Küchenboden, Mrs Lovett gegen die Wand gelehnt, Mr Todd ihr gegenüber kniend. „Sie haben mich verschont“, durchbrach Mrs Lovett schließlich die Stille. Missmutig sah Sweeney weg. Diese Tatsache kam ihm vor wie eine Schwäche, eine Schwäche gegenüber der Liebe zu seiner Lucy. „Vielleicht“, brummte er deswegen und betrachtete angestrengt einen Fleck auf der Tapete. Das kurze, glückliche Blitzen in Mrs Lovett Augen entging ihm dabei. „Mr T. – Mr Todd!“ Widerwillig wandte sich Sweeney wieder zu der Frau um. Er sollte sie umbringen oder einfach gehen. Zudem öffnete sein Barbiersalon ohnehin bald und Kunden wollte er auch nicht warten lassen. Aber ihm wurde klar, dass er dieser unausweichlichen Situation nicht entfliehen konnte. Vielleicht wollte er es auch gar nicht. Mrs Lovett holte noch einmal tief Luft. Wie oft hatte sie sich diesen Moment doch immer ausgemalt, als romantisch - vielleicht sogar am Meer mit einem glücklichen oder wenigstens zufriedenen Mr Todd. Keins von beiden traf zu. Sie befanden sich in ihrer Küche auf dem schmutzigen Boden in dem verhassten London. Und kurz zuvor wäre sie beinahe durch die Hand ihres geliebten Sweeney Todds gestorben. Das alles spielte jedoch keine Rolle mehr. Sie wusste, dass dies der richtige Zeitpunkt war. „Wissen Sie, es gibt Dinge, die muss man aussprechen, auch wenn der andere Sie schon weiß …“, erklärte sie langsam, während sie sich auf ihr Vorhaben konzentrierte. Obwohl das, was sie ihm sagen wollte, schon so klar war, es fiel ihr schwer. Die nächsten Worte sprach sie inbrünstig, darauf bedacht, seinen Blick einzufangen: „Mr Todd, ich liebe Sie!“ Sweeney erwiderte ihren Blick ausdruckslos. Ein freudloses Lächeln huschte über sein Gesicht. „Ich weiß.“ Verwirrt stellte er fest, dass sich seine Antwort nicht auf das kürzlich Gelesene bezog. Narr! Er hatte es die ganze Zeit über gewusst! Es war schwierig seine gleichgültige Miene aufrecht zu erhalten. Doch dann verdüsterte sie sich wieder unmerklich. „Dennoch rechtfertigt dies Ihre unverzeihliche Lüge nicht!“, knurrte er. Mrs Lovett senkte den Blick. Ein weiterer Traum war geplatzt, wie hatte sie nur so töricht sein können, sich einen glücklichen Moment für ihre Worte auszumalen! „Sie werden es vielleicht nicht verstehen, aber ich tat das nur zu Ihrem besten.“ Die Worte schienen kraftlos, doch entsprachen sie der Wahrheit, einer Wahrheit, die Mr Todd nie glauben würde. Sweeney ging nicht darauf ein. Er hatte genug für diesen Tag. Ob er ihren Worten glauben schenken sollte, wusste er nicht, jedoch stand für ihn fest, dass es an der Zeit war, sich auf das Geschäft vorzubereiten. „Geht es Ihnen wieder besser?“, fragte er und sah die Frau eindringlich an. Sie war immer noch etwas bleich, aber das Blau ihrer Lippen war wieder verschwunden. Als Mrs Lovett nickte, umspielte ein zufriedenes Lächeln seine Mundwinkel. „Gut, die Arbeit wartet auf uns, meine Liebe.“ Mit diesen Worten ergriff der Barbier die Hand der Bäckerin und half ihr auf. Dann machte er sich auf den Weg zurück zu seinem Barbiersalon. Kurz bevor Sweeney jedoch die Tür öffnete, drehte er sich noch einmal zu Mrs Lovett. Er musste sich wegen einer Tatsache einfach Gewissheit verschaffen. „Lucy, Sie schrieben, sie … habe sich verändert …“ Die Bäckerin schenkte ihm ein trauriges Lächeln und nickte langsam. „Wie … sehr?“ „Wie sehr würden Sie sagen, haben Sie sich verändert – Benjamin Barker?“ Sweeneys Miene verfinsterte sich bei diesem Namen. „Es tut mir Leid, Mr Todd. Doch wenn es Ihr Wunsch ist…“ Ja, vielleicht war das sein Wunsch. Wortlos drehte sich Sweeney zur Tür und öffnete sie. Irgendwann würde er sie finden, Lucy und Johanna, doch dann sollte seine Rache verübt worden sein. Seine wohlverdiente Rache… ~Ende~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)