Eine kleine Schulmusik von Kassia (Prideshipping (KaibaxYami; YamixKaiba)) ================================================================================ Kapitel 3: Der Morgen danach ---------------------------- Kapitel 3 – Der Morgen danach Finster starrte Kaiba auf die friedlich schlummernde Gestalt seines ärgsten Rivalen wie er da lag und sich um Nichts und Niemanden kümmerte. Fairerweise musste man sagen, dass es erst 6 Uhr morgens war und noch nicht einmal hell draußen. Aber Kaiba war Frühaufsteher und hatte zudem miserabel geschlafen. Normalerweise würde er sich jetzt für die Arbeit fertig machen, mit seinem geliebten Laptop am Frühstückstisch sitzen, nebenbei die Zeitung lesen und darauf warten, dass Mokuba ihm wenig später Gesellschaft leisten und dabei eine alberne Geschichte nach der nächsten erzählen würde. Stattdessen stand er hier in Frauenkleidung und wartete darauf, dass Dornröschen endlich ihren Schönheitsschlaf beendete und sich seinem Elend anschloss. Dornröschen jedoch dachte gar nicht daran und kuschelte sich noch tiefer in die Kissen; ein seliges Lächeln dabei auf den Lippen. Was zu weit ging, ging zu weit! Ruppig zog Kaiba Yami die Decke weg und schüttelte dabei dessen Schulter. „Wach auf“, zischte er und der sadistische Part von ihm genoss regelrecht die Art und Weise, wie sich Yami mit einem gequälten „Was ist denn?“ von ihm weg zu rollen versuchte. „Aufstehen, Yami“, wiederholte Seto streng und pickte dabei Yamis Rock und Bluse vom Boden; nicht, weil er nett sein wollte, sondern um sich von Yamis nun offensichtlichem spärlich bekleideten Status abzulenken. „Wenn ich gewusst hätte, dass er nur Boxershorts trägt, dann hätte ich ihm bestimmt nicht die Decke weggenommen.“ Ein Seto Kaiba wurde nicht rot; trotzdem schien gerade Yami mit erschreckender Regelmäßigkeit genau diesen Effekt auf ihn zu haben. Kaiba hätte nur zu gerne gewusst, woran das lag, damit er es so schnell wie möglich abstellen konnte. Yami hatte sich zwischenzeitlich aus dem warmen Bett gewagt und war schlaftrunken ins Badezimmer getorkelt, wo Seto schon bald Wasser laufen hören konnte. Sachte rieb er sich die Stirn. Er hatte das dumpfe Gefühl, dass dieses Wohnarrangement mit Yami langfristig noch zu Problemen führen würde. Eine Vermutung, die unschön bestätigt wurde, als 20 Minuten später ein tropfender und nur mit einem viel zu kleinen Handtuch um die Hüften geschlungener Yami an ihm vorbei lief. Das Gesicht eingerahmt von feuchten Haaren und der Körper glänzend vor Nässe bot er einen durchaus verführerischen Anblick. Wenn Kaiba vorher noch nicht rot war, dann definitiv jetzt. „Verdammt Yami, kennst du gar keine Scham?“, schnarrte er frustriert und schaute schnell zur Seite. „Zieh dir gefälligst was an.“ Yami blinzelte perplex. So früh am Morgen konnte er mit Kaibas schlechter Laune noch nichts anfangen, zumal er sicher war, nichts getan zu haben, was dessen Ärger rechtfertigte. Er betrachtete sich, dann Kaiba, der stur den Blick gesenkt hielt, dann wieder sich. „Oh...Oh.“ Er grinste. Das war es also. Nun, wenn Kaiba wollte, dass er sich anzog, dann würde er diesen Wunsch selbstverständlich respektieren! Mit einer dramatischen Geste warf er das Handtuch zur Seite, stellte sich demonstrativ vor Kaiba und nahm ihm die Uniform aus der Hand, die Kaiba in seinem Todesgriff schon ganz zerknautscht hatte. Mit einem spöttischen Lächeln im Gesicht marschierte er damit zurück ins Badezimmer und ließ einen vor Scham und Wut brodelnden Kaiba allein zurück. Während Yami sich zurechtmachte, setzte sich Kaiba an den einzigen Tisch im Raum und vergrub seufzend sein Gesicht in den Händen. Das war einfach lächerlich. Nur weil er sich gezwungenermaßen wie ein Mädchen kleidete, hieß das noch lange nicht, dass er sie nun auch noch wie ein verliebtes Schulgör benehmen musste. „Verdammt, ich mach mich vor Yami doch nicht zum Affen! Auf die eine oder andere Art, das kriegt er zurück.“ Es war kindisch, aber Kaiba konnte sich nicht helfen. Keiner außer Yami schaffte es, ihn derart aus der Fassung zu bringen und dass Kaiba keinen blassen Schimmer hatte, woran das lag, verunsicherte ihn nur noch mehr. Er hasste dieses Gefühl. Lautes Kichern aus dem Nebenraum erregte plötzlich seine Aufmerksamkeit. Abrupt stand er auf, öffnete die Tür und starrte raus auf den Gang. Ein junges Mädchen im Schlafanzug rannte an ihm vorbei und verschwand im Zimmer gegenüber und Kaiba konnte Schritte hören, die vom Korridor zu seiner linken zu kommen schienen. Die Uhr im Flur sagte ihm, dass es inzwischen kurz vor 7 war, was scheinbar in dieser Schule allgemeine Aufstehzeit bedeutete. Dann musste es sicher auch bald Frühstück geben. Kaiba war zwar kein großer Esser, aber ausnahmsweise hatte sogar er mal Hunger. Ein unerwartetes Tippen auf seine Schulter ließ ihn überrascht herumwirbeln. „Ich bin fertig“, informierte ihn Yami schlicht und quetschte sich an ihm vorbei und aus ihrem Raum. Kaiba starrte ihn wortlos an. Yami in Mädchenuniform war nicht neu, Yami mit platten Haaren hingegen schon und gehörte eindeutig verboten! „Was ist denn mit dir passiert?“, fragte Kaiba wenig begeistert und erntete ein Achselzucken als Antwort. „Du hast gestern selbst gesagt, ich muss was mit meinen Haaren machen. Ich habe lediglich deinen Ratschlag befolgt“, erklärte Yami und strich sich verlegen einige widerspenstige Strähnen glatt. „Sieht seltsam aus, huh?“ „Aa.“ Kaiba hätte gern etwas Geistreicheres gesagt, aber außer der unerwünschten Erkenntnis, dass er Yamis Stachelfrisur tatsächlich bereits vermisste, wollte ihm nichts Rechtes einfallen. Yami schüttelte den Kopf. „Ich bezweifle, dass meine Haare lange halten werden. Du hast nicht zufällig Isono beauftragt Gel oder Spray zu besorgen?“ „Ich sagte ihm, er solle uns ein Paket mit allem Nötigen schicken. Keine Ahnung, was er darunter versteht.“ „So?“ Aus den Augenwinkeln bemerkte Yami ein Mädchen, das sie unumwunden anstarrte. Auch Kaiba entging dies nicht und er reagierte mit einem wenig freundlichen „Ist was? Nein? Dann verzieh dich.“ Doch bevor Yami Setos harsche Art rügen konnte, war das Mädchen bereits unerschrocken vorgetreten und streckte ihnen die Hand entgegen. „Hi, ich bin Izumi Kabayashi. Eure Nachbarin.“ Sie lächelte fröhlich und Yami schüttelte misstrauisch die dargebotene Hand. Kaiba gegenüber hätte er es niemals zugegeben, aber er hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass sie mit ihren Verkleidungen durchkommen würden. Dieses Mädchen jedoch schien tatsächlich darauf herein zu fallen. Yami fiel ein Stein vom Herzen. „Ya...Yumi Kaiba und das ist meine...“ Yami zeigte flink auf Kaiba, der keine Anstalten machte die Begrüßung noch den Handschlag zu erwidern, sondern nur finster auf sie herabsah, „...Cousine Ayumi Kaiba.“ Izumis Augen weiteten sich überrascht. „Kaiba? Wie in Kaiba Corporation?“ Sie sah zwischen Seto und Yami hin und her. „Seid ihr etwa mit Seto Kaiba verwandt?“ Endlich fühlte sich Kaiba zu einer Erwiderung genötigt. Er grinste herablassend. „In der Tat. Und du tätest gut daran, dir das auch zu merken.“ Prompt boxte ihm Yami strafend in die Seite. „Benimm dich“, zischte er leise, was Kaiba mit einem Augenrollen quittierte. Hey, er hätte noch viel unfreundlicher sein können, aber wurde ihm seine Zurückhaltung gedankt? Nein, natürlich nicht. Das war mal wieder typisch. Izumi währenddessen hatte sich mit gerunzelter Stirn in die Betrachtung ihrer nur mit Socken bekleideten Füße vertieft und den kleinen Austausch vor ihr gar nicht bemerkt. „Habt ihr keine Pantoffeln?“, wollte sie sichtlich verwirrt wissen und Yami musste verneinen. Die Runzeln auf Izumis Stirn wurden noch tiefer. „Und richtige Kniestrümpfe scheinbar auch nicht. Also an eurer Stelle würde ich mal gleich in die Waschküche gehen und mich beim Personal dort beschweren. So könnt ihr schließlich nicht herumlaufen!“ Das interessierte Kaiba nun doch: „Sag mal, wir sind neu, kennen uns also noch nicht richtig aus, aber wie genau ist diese Schule eigentlich organisiert?“ Wenn er und Yami hier für die nächste Zeit schon ausharren mussten, dann wollte er wenigstens wissen, bei wem er seine zahlreichen Beschwerden abliefern konnte. Aktuell hatte er zwar noch keine, war aber zuversichtlich, dass sich das noch ändern würde und man musste ja schließlich vorbereitet sein. Außerdem würden ihnen die Informationen helfen, nicht mehr aufzufallen, als unbedingt nötig. Dass dieses Mädchen ihnen ihre Maskerade abkaufte, war an und für sich schon ein Wunder, aber bestimmt gab es auch Menschen mit einem Funken Grips in diesem Internat, vor denen sie sich in Acht nehmen mussten. Izumi legte den Kopf schief und spielte gedankenverloren mit ihrer Schleife, die sie auf und zuknotete, und zwar immer und immer wieder. Pegasus hatte Kaiba in Duelist Kingdom auf die gleiche Art genervt und die Erinnerung an den verrückten Amerikaner half nicht gerade, dass diese Izumi in seiner Gunst stieg. Als Kaiba bereits drauf und dran war, ihr mit dem Knoten zu helfen (und ihr dabei, ausversehen, versteht sich, die Luftzufuhr abzuschnüren), ließ sich Izumi endlich zu einer Antwort herab. Und als sie sprach, passierte es ohne Punkt und Komma. „Frühstück ist von 7 bis 8. Der Unterricht beginnt um 8:30 Uhr und Mittagspause ist um 12 und geht bis 13 Uhr, danach ist wieder Unterricht bis 15.30, maximal 16.00 Uhr und Kursangebot. Wir haben Sport, Musik, Kunst, Literatur und Computerkurse. Das Schulgelände darf nicht verlassen werden, außer ihr habt die offizielle Erlaubnis eines Lehrers und einmal die Woche, Donnerstags, machen wir einen Ausflug mit dem Bus nach Domino. Das Gebäude wird um Mitternacht verschlossen und um 6 Uhr morgens wieder geöffnet. Oh, und die Stundenpläne werden individuell erstellt, aber das wisst ihr bestimmt schon, denn dann wird ja gleich bei der Einschreibung gemacht und alle zwei Monate und nach den Ferien gibt es einen Gesundheitstest. Der letzte war gerade erst, also habt ihr Glück gehabt, denn die Ärztin ist zwar nett, aber wirklich überkritisch. Meinte doch tatsächlich zu mir, ich müsse eine Brille tragen. Brille, hah! Die meisten Mädchen hier sind richtig arrogant und eitel, also seid vorsichtig. Aber falls jemand fragt, das habt ihr nicht von mir. Und, oh richtig, um 10 Uhr müsst ihr in euren Zimmern sein. Es gibt keine feste Schlafenszeit, aber ihr müsst abends ruhig sein und ja keine Herrenbesuche! Makoto, also meine Raumpartnerin, hat doch tatsächlich so einen widerlichen Kerl von der Nachbarschule mit aufs Zimmer geschleppt. Aber sie wurde natürlich erwischt und hat dafür eine Verwarnung kassiert. Also merkt euch: Keine Jungs auf den Zimmern! Das ist wichtig, denn die Direktorin kennt da kein Pardon. Ist eigentlich auch kein Wunder, denn dieses Internat ist ziemlich neu, gerade mal ein Jahr alt, und muss sich erst seinen Ruf noch aufbauen, obwohl es natürlich auch sehr teuer ist, so dass man hier fast nur Schicki-Micki Mädchen trifft. Aber das sagte ich ja bereits, oder? Ja, doch, habe ich. Hm....ja, was noch? Ach richtig, der Wäschedienst. Also die Uniformen werden gestellt. Man kriegt immer zwei und wenn eine dreckig ist, dann lasst sie einfach bei der Zimmertür liegen und die Putzfrau nimmt sie mit. Sie werden dann gewaschen und sauber zurückgebracht. Nur mit den Größen müsst ihr aufpassen. Ich schwöre euch, die haben nur Einheitsgrößen hier. Die Putzfrau kommt immer Vormittags, wenn wir Unterricht haben. Also du, Ayumi-san, hängst am Besten einen Zettel mit deiner Größe an die Wand, damit sie dir auch das Richtige wiederbringen. Ist natürlich nur ein Vorschlag, aber ich garantiere dir, dass du sonst nichts Passendes kriegst. Ist ganz schlimm hier und ich habe auch schon eine Petition gestartet, um...“ „Stop. Warte einen Moment. Kommt da noch was in irgendeiner Form Relevantes oder war es das?“, fuhr Kaiba, mit seiner Geduld am Limit, plötzlich dazwischen und bremste so den weiteren Wahnsinn. Izumi nickte eifrig. „Jup, das war's eigentlich. Und alles verstanden oder soll ich es wiederholen?“ Yami und Kaiba, halb von der Informationsflut erschlagen, schüttelten synchron ihre Köpfe. „Nein, das ist nicht nötig! Vielen Dank für die...uhm, Auskünfte. Sie waren wirklich sehr hilfreich“, versicherte Yami schnell, worauf Kaiba sich ein Schnaufen nicht verkneifen konnte. Von wegen hilfreich! Yami war wirklich ein Meister der Übertreibungen und falschen Freundlichkeit. „Aber zumindest ein paar Fragen haben sich tatsächlich geklärt. Die Sache mit unseren Stundenplänen jedenfalls gefällt mir gar nicht.“ Kaiba hoffte, dass Isono auch in der Hinsicht vorgesorgt hatte, denn wenn die Zimmer morgens gereinigt wurden, fielen sie als Dauerversteck schon mal aus. Und wenn sie tatenlos in der Schule herumlungerten, so würde früher oder später auch jemand auf sie aufmerksam werden und wissen wollen, warum sie nicht im Unterricht waren. Aber darum würde er sich später kümmern. Jetzt brauchte er erstmal einen Kaffee. Yami hatte inzwischen ein ähnliches Bedürfnis gepackt. „Izumi-san, könntest du uns den Weg in die Frühstückshalle zeigen? Wir...ähm...“ Wie aufs Stichwort fing Yamis Magen an zu knurren. „Ich verstehe schon“, kicherte Izumi vergnügt und gestikulierte wild mit ihren Armen. „Also wohl an, Ladies. Folgt mir nur und alles wird gut.“ Yami dicht auf den Fersen, hüpfte sie pfeifend voraus. Kaibas Augen verengten sich. Man konnte sagen, was man wollte, aber das Mädchen hatte eindeutig einen gewaltigen Dachschaden. ----------------------------- Auf ihrem Weg zur Cafeteria machten sie noch einen kleinen Zwischenstopp in der Wäscherei, wo sie sich von einer älteren Dame dort passendes Schuhwerk und Kniestrümpfe geben ließen. Kaiba nahm an, dass das sinnvoller war, als weiter in Socken durch die Gegend zu laufen, aber wirklich wohl fühlte er sich mit den neuen Accessoires nicht. Seine Laune wurde auch nicht besser, als er mit einem Tablett in der langen Kantinenschlange stand und darauf wartete, dass er endlich dran kam. Einige Mädchen tuschelten und zeigten mit dem Finger auf ihn und er konnte vage Wortfetzen ala „Ist das wirklich ein Mädchen?“, „Die ist aber riesig“, „...habe ich hier noch nie gesehen“ aufschnappen. Er hatte sie noch nie für sein Aussehen geschämt; nun aber wäre er am Liebsten im Erdboden verschwunden. Von ihm unbemerkt warf ihm Yami einen besorgten Blick zu. Kaiba stach wirklich heraus, nicht nur wegen seiner verkniffenen Miene, angespannten Haltung und seinen ausladenden, für ein Mädchen völlig untypischen Schritte, sondern vor allem wegen seiner Größe. Er überragte einfach alle. Yami wusste, dass Kaiba es nicht gutheißen würde und es vermutlich auch nicht viel brachte, aber er postierte sich trotzdem schützend neben Kaiba und funkelte jeden warnend an, der zu lange in ihre Richtung stierte. Das entging Seto jedoch nicht. „Was zur Hölle treibst du da?“, raunte er Yami wütend zu, der die Lippen zusammengepresst auf alles nur nicht Kaiba sah. „Ich will nur verhindern, dass wir auffliegen. Mehr nicht“, antwortete er schließlich ausweichend und Kaiba schwieg auf diese Aussage hin lange. Er war sich sicher, dass Yami ihm nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte, aber die Alternative war einfach zu abwegig. „Will er mich etwa...beschützen?“ Der Gedanke drehte Kaiba den Magen um. Es fehlte ihm gerade noch, dass Yami ihn für schwach hielt! Er brauchte nicht beschützt werden, egal vor was oder wem. „Auf dein Mitleid kann ich verzichten“, informierte er Yami eisig, der gerade den Mund aufmachte, um zu protestieren, dass es hierbei gewiss nicht um Mitleid ging, doch da mischte sich schon Izumi ein. „Oh, seht mal, es geht weiter.“ Sie deutete auf ein undefinierbares grünes, wabbliges Zeug in einem Glasschälchen. „Und es gibt heute sogar mein Lieblingsgelee. Also ich sage euch: Das müsst ihr probieren. Ein wahres Gedicht!“ Sowohl Yami als auch Kaiba nickten nur wortlos. Das Frühstücksangebot an sich war nicht schlecht; es gab eine reichhaltige Auswahl an westlichen und japanischen Gerichten und während Yami sich eine große Tasse Kakao, Brot und Müsli genehmigte, begnügte sich Kaiba mit einer Schüssel Reis und einem Apfel. Bei den Getränken jedoch folgte die nächste unliebsame Überraschung. „Was soll das heißen es gibt keinen Kaffee?“, funkelte Kaiba die Kantinendame an, die geduldig auf ein Schild hinter ihr zeigte. „Wir haben Früchtetee, Kamillentee, schwarzen Tee, grünen Tee, Kirschtee, Pfirsichtee, Wasser mit und ohne Kohlensäure, Limonade, Orangenschaft, Apfelsaft, Milch und Kakao,“ zählte sie mit monotoner Stimme auf und stellte Kaiba ungefragt einen dampfenden schwarzen Tee aufs Tablett. „Da, der ist auch dunkel und schmeckt bitter. Zufrieden?“ Oh, wenn es nicht für ihre Tarnung gewesen wäre, hätte Kaiba der Zicke den Tee ohne Umschweife ins faltige Gesicht geschüttet! Stattdessen aber beließ er es bei einem sarkastischen „Danke sehr“ und ging mit seiner Ausbeute zu Yami, der ihnen inzwischen einen Tisch besorgt hatte. Zu seinem Leidwesen saß bereits Izumi bei ihm. „Werden wir die kleine Klette gar nicht mehr los?“ Und was noch viel wichtiger war: Musste sie Yami so dicht auf die Pelle rücken? Das Tablett auf den Tisch knallend setzte er sich Yami gegenüber, nahm seine Essstäbchen zur Hand und stocherte finster in seinem Reis herum. Izumi derweil redete pausenlos auf Yami ein, der zwar hin und wieder freundlich nickte, dabei aber immer Kaiba im Auge behielt, der von Minute zu Minute unglücklicher wirkte. Kaibas Laune verschlechterte sich zusehends. Yami ignorierte ihn und auch wenn Kaiba normalerweise kein Problem damit gehabt hätte, sogar seine Ruhe jeglicher Gesellschaft vorzog, so bildete Yami zusammen mit Mokuba doch die einsame Ausnahme. Er wollte Yamis Aufmerksamkeit, verdammt noch mal! Die Erkenntnis erschütterte ihn und doch konnte er es nicht leugnen. Irgendwie hatte es Yami von Feind, zu Rivale, zu...Freund geschafft. Oder zumindest zu tolerierter, guter Bekanntschaft. Kaiba unterdrückte ein Seufzen. „Was ist nur mit mir los? Diese ganze Situation sollte mich nicht so berühren, also warum...?“ Es wurde immer schlimmer. Das Gemurmel wollte ebenso wenig aufhören wie die Blicke auf ihm und schließlich platzte ihm der Kragen. Er hatte seine gierigen Verwandten, Gozaburo, die Big5, Marik, Noa, Amelda, Dartz, Bakura und selbst Yami überstanden. Er war ein gestandener Geschäftsmann und hatte die Kaiba Corporation zu einem der erfolgreichsten Unternehmen weltweit gemacht. Keinesfalls, keinesfalls, würde er sich von einem Haufen pubertierender Mädchen in die Knie zwingen lassen; Tarnung hin oder her. Schon wieder deutete eine Schülerin auf ihn und Kaiba fuhr sie mit einem dermassen drohenden „Was?!“ an, dass sie nur kleinlaut quiekte und schnell das Weite suchte. Kaiba sah ihr zufrieden hinterher, bevor er sich endlich seinem Frühstück widmete. Yami hatte stumm alles beobachtet und ein sanftes Lächeln stahl sich in seine Gesichtszüge. Kaiba mochte mit einem Beschützer nichts anfangen können, aber Yami schwor sich, zumindest im Geheimen auf ihn Acht zu geben. Nicht weil er glaubte, dass Kaiba es brauchte, sondern weil Yami es wollte. --------------------------- Auf Kaibas Vorschlag hin (andere würden es auch als Befehl bezeichnen) waren sie mit Izumi zusammen zum Englischunterricht gegangen. Sie wussten immer noch nicht, für welche Fächer sie von Isono eingetragen worden waren, doch Englisch hielt Kaiba für eine wahrscheinliche Wahl. Die Klasse bestand nur aus zwölf Schülerinnen und es gab noch genug freie Plätze. Um der allgemeinen Neugier wenigstens einigermaßen zu entgehen, setzten sie sich ganz nach hinten, wobei es vor den Adleraugen des Lehrers Yamato-sensei leider kein Entkommen gab. Es war der erste Mann, den Yami und Seto seit ihrer Ankunft gesehen hatten und die Art, wie er sie musterte, ließ Yami nichts Gutes erahnen. Hatte er ihre Verkleidung etwa schon durchschaut? Der Lehrer räusperte sich lautstark und rückte seine Brille zurecht. „Nun, meine Damen. Sie zwei scheinen mir neu zu sein. Dürfte ich den Ihre werten Namen erfahren?“ Einige der Mädchen kicherten und drehten sich erwartungsvoll zu ihnen um, doch Kaiba und Yami ignorierten sie für den Moment. „Ayumi Kaiba“, meinte Seto lediglich schroff und gab sich dabei keine sonderliche Mühe, seine Stimme wenigstens annähernd weiblich klingen zu lassen. Er hatte den ganzen Morgen über schon einen auf 'nett' machen müssen und seine Geduld war inzwischen tot und begraben. Da konnte ihn Yami noch so missbilligend anschauen. Widerwillig richtete Yami seine Aufmerksamkeit von Kaiba weg auf den Lehrer. „Yumi Kaiba“, entgegnete er und fügte noch hinzu: „Wir sind gestern Abend mit dem Bus angekommen. Heute ist unser erster Tag hier und...“ „Aha. Mmm, Ayumi und Yumi Kaiba also,“ unterbrach ihn Yamato-sensei und überflog seine Klassenliste. „Hmmmm, ja, nun, ich würde Sie bitten, nach dem Unterricht noch kurz zu bleiben, damit wir alles Weitere klären können. Für den Moment will ich Ihnen mal Ihre Geschichte glauben.“ Das gesagt, wandte er sich an die übrige Klasse. „Und nun schlagen Sie bitte Ihre Bücher auf S. 30 auf. Today we're are going to...“ Auch der Rest der Stunde wurde in Englisch abgehalten und Yami hatte schon lange aufgegeben dem Unterricht zu folgen. Zum Einen hatte er weder Stift, Buch noch Zettel parat, zum Anderen verstand er ohnehin kaum ein Wort und amüsierte sich deshalb lieber mit diskreten Blicken zu Kaiba, der mit dem Kopf in einer Hand gestützt den Eindruck machte, als wäre er kurz vorm Einschlafen. Yami nahm an, dass im Gegensatz zu seiner Unfähigkeit Kaibas Desinteresse wohl daran lag, dass er den Stoff ohnehin schon kannte. Der ehemalige Pharao musste grinsen. „Vielleicht kriege ich ihn ja dazu, mir ein wenig Nachhilfe zu erteilen. Ich wüsste auch schon die richtige Bezahlung dafür...“ Er ließ seinen Blick von Kaibas Gesicht zu dessen langen Beinen wandern und erging sich in Fantasien über all die schönen Dinge, die er jetzt lieber tun würde als untätig hier herum zu sitzen. Kaiba wusste zwar nicht, welchen Tagträumen Yami da gerade nachhing, aber dass dieser seit geschlagenen zehn Minuten auf seine Beine glotzte, passte ihm jedenfalls nicht. Unruhig rutschte er ein wenig auf seinem Stuhl hin und her. Er konnte sich nicht helfen, doch so langsam bekam er wirklich den Eindruck, dass Yami...wie würde es Mokuba ausdrücken? Ach richtig, dass Yami rattenscharf auf ihn war. Kaibas Stirn legte sich in Falten. Mokubas neustes Vokabular besorgte ihn und wenn er jemals herausfinden sollte, wer dafür verantwortlich war, dann würde er demjenigen mit Freuden den Hals umdrehen. Er hatte bereits Bonkotsu im Verdacht und sobald er dem Trottel das nächste Mal begegnete, würde er... „Hier bitte, für dich.“ Blinzelnd sah Kaiba erst auf seine Tischplatte, auf der nun ein paar leere Blätter Papier sowie ein Kugelschreiber lagen und schließlich in ein freundlich lächelndes Gesicht. Besagtes Gesicht gehörte zu einem hübschen Mädchen, das ihm kurz zuzwinkerte, bevor es wieder dem Unterricht folgte. „Das...“ Kaiba wusste nicht, was er sagen sollte. Ein 'Danke' wäre vermutlich angebracht gewesen, doch das war ein Wort, mit dem Kaiba seit jeher Probleme hatte, zumindest wenn es ehrlich gemeint war. Schweigend nahm er sich einen der Zettel und fing an sich Notizen zu machen; nicht zum Unterricht, aber zu all den Verträgen und Geschäftspartnern, mit denen er sich normalerweise heute hätte auseinandersetzen müssen, wenn nicht diese leidige Sache mit der Yakuza dazwischen gefunkt hätte. Er musste unbedingt an einen Computer mit Internetzugang herankommen... Yami derweil war immer noch im Lala-Land und bemerkte weder den kleinen Austausch von Seto und dem Mädchen noch die schmachtenden Blicke, mit denen Izumi ihn beglückte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)