Memory Fragments von Rejah ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Ich schritt bedächtig die endlos langen Gänge des Verstecks ab. Düster war es hier, die Wände wurden nur von einigen wenigen Kerzenstummeln erhellt und machten die filigranen Linien, die sich zu eleganten Verzierungen verbanden, sichtbar. Es war relativ kalt hier unten, soweit unter der Erde, wo es kein Sonnenlicht gab. Ich interessierte mich nicht dafür. Die Dunkelheit war mein ständiger Begleiter und gefürchtet hatte ich mich nur als kleines Kind vor ihr. Doch inzwischen gab es keinen Platz für Angst mehr in mir. Hass war die einzige Emotion, die wichtig war, die einzige, die zählte. Alle anderen waren nur störend. Orochimaru, mein Lehrmeister, hatte sich in den letzten Tagen etwas seltsam verhalten. Seine Blicke waren mir oft gefolgt, vermischt mit einem gewissen sorgenvollen Blick. Nicht, dass er sich jemals Sorgen um mich machen würde – es musste irgendetwas an mir geben, dass ihm Sorgen bereitete. Natürlich interessierte mich das. Orochimaru war gefährlich, das wusste ich; auch damals, als ich mich auf ihn eingelassen hatte und aus Konoha geflohen war, um mich ihm anzuschließen und bei ihm stark zu werden, hatte ich es gewusst. Mir war auch bewusst, dass er nur darauf aus war, meinen Körper zu übernehmen, wenn ich stark genug war. War es nun soweit? Ich war stark, definitiv, doch ich wusste nicht, ob ich ihn besiegen können würde. Er war schließlich ein Sannin und um einiges älter als ich. Wenn der Tag tatsächlich gekommen war, blieb mir nichts anderes übrig, als mit ihm zu kämpfen. Und ihn zu besiegen, denn eine Flucht würde nicht sinnvoll sein. Ich hätte nicht die geringste Chance ihm zu entkommen. Mit diesem Verdacht, den ich gegen ihn hegte, schlich ich weiter durch die Gänge, immer darauf gefasst, dass es beginnen würde. ~~~~~*~~~~~ Anspannung war das Gefühl, das mich jederzeit begleitete. Ich konnte kaum erwarten, dass es passierte. Ich wollte, dass es endlich vorbei war. Orochimaru hatte mir mein Training selbst überlassen; ich wusste, dass es nicht mehr lange dauern konnte. Dennoch verstrich jeder Tag ohne den Eintritt des Ereignisses, dem ich entgegen fieberte. Es war, als wollte er mich absichtlich in die Enge treiben; als schien er auf einen einzigen Moment meiner Unachtsamkeit zu warten. Und da ich mir dessen bewusst war, hatte ich keine einzige ruhige Minute. Ich schlief kaum. Es mochte feige und hinterhältig sein, doch er würde sich nicht scheuen, mich im Schlaf zu überfallen. Die wenige Zeit, die ich schlief, verfolgten mich Alpträume. Daher war es auch kein Wunder, dass ich meine Augen jetzt kaum offen halten konnte. Wahrscheinlich, so stellte ich verärgert fest, war ich bereits in Orochimarus Falle getappt. Dumm wie ein einfältiges Kaninchen. Es kam selten vor, dass ich Fehler machte. Das lag daran, dass ich, wenn ich ruhig war, besser nachdenken konnte. Doch mit seinem absonderlichen Verhalten hatte er mir meine Ruhe gestohlen. Dafür gab er mir etwas, was ich seit beinahe drei Jahren – war es wirklich schon so lange her? – zu unterdrücken versuchte: Das Gefühl, der Situation nicht gewachsen zu sein. Die Frage, was zu tun ist. Der eiserne Nachhall meiner Schritte pochte in meinen Ohren. Ich besann mich darauf, meine Sinne auf Gefahr zu schärfen, und nicht länger auf diese irrelevanten Gedanken. Es funktionierte. Es hatte bisher immer funktioniert. Einfach nicht daran denken, verdrängen, was auch immer das Problem ist – die einfachste und schmerzloseste Lösung. Vielleicht machte ich es mir zu einfach. Denn trotz der Verdrängung kamen manchmal, oft genug, Erinnerungen in mir hoch. Itachi. Für ihn tat ich alles. Für ihn, nein, gegen ihn lebte ich. In mir war nur Hass und der unnachgiebige Wille am Leben zu bleiben. Ich verfluchte mich dafür, dass Itachi es so wollte. „Du scheinst ziemlich in Gedanken versunken zu sein, Sasuke-kun.“ Die feinen Härchen auf meinen Unterarmen stellten sich abrupt auf. Mir lief es kalt den Rücken runter, als ich mich umdrehte. Schnell, so rasch wie möglich, schüttelte ich das Gefühl ab. „Hmpf. Was ist mit meinem Training?“, fragte ich Orochimaru, der gerade aus dem Schatten trat, an dem ich soeben vorbeigegangen war. Ich versuchte mich wie immer zu geben und setzte ein starres Gesicht auf. „Keine Zeit. Es gibt anderes zu tun.“ Kein 'Tut mit Leid'. Er lehrte mich, ich lernte von ihm. Meister und Lehrling waren wir, mehr nicht und das ließen wir uns gegenseitig spüren. Ich hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich nur dort war, um stärker zu werden. Ich mochte seine grausame Art nicht. Normalerweise wäre ich in solch einer Situation gegangen. Normalerweise – heute würde es enden. Ich wagte es nicht mich umzudrehen und wegzugehen. „Sasuke-kun.“ Orochimaru durchbrach das Schweigen. Ein schwaches Grinsen lag auf seinen Lippen. „Du benimmst dich in letzter Zeit etwas seltsam.“ Es war pure Ironie. „Ich dachte, du hättest viel zu tun.“ Ich ignorierte ihn und provozierte ihn absichtlich. Womöglich war er genauso sehr wie ich darauf aus, die Karten offen zu legen. Ich starrte ihn an. Er starrte zurück. Seine Augen waren gelb, mit einem schmalen Schlitz in der Mitte, wie die einer Schlange. Seine Haut bleich wie die eines Toten. Die Wände schmolzen. Es dauerte eine Sekunde, ehe ich sowohl realisieren als auch reagieren konnte. Ich sprang hoch, kein bisschen zu spät, als tausend dünne Schlangen unter meinen Füßen hindurch schossen, die Mäuler weit aufgerissen. Noch im Sprung stieß ich mich von der Wand ab, meine Augen suchten den Gang nach Orochimaru ab. Doch ich war allein. Ich war in seine Falle getappt. Zuerst versuchte ich den größtmöglichen Abstand zwischen mir und den zwei langen Schatten links und rechts von mir zu bringen, in der Gewissheit, dass er aus diesen gekommen war und auch nur aus diesen wieder auftauchen konnte. Erst da fiel mir auf, dass die Wände aufgehört hatten zu schmelzen, ohne dass ich den genauen Zeitpunkt bestimmen konnte. Ich befand mich zweifelsfrei in einem Genjutsu. „Kai!“ Hinter geschlossenen Augen wartete ich. Es war still um mich herum. Blinzelnd öffnete ich sie wieder. Der Gang war verschwunden. Und mit ihm alles, was diese Welt ausgemacht hatte. „Immer noch Genjutsu?“, flüsterte ich und erschrak, als ich meine eigene Stimme nicht hören konnte. Es war so still, dass man meinen könnte, das eigene Blut in den Ohren rauschen zu hören. Doch ich hörte es nicht. Minuten verstrichen. Jedenfalls kam es mir so vor. Ich war mir nicht sicher, welche Rolle Zeit an diesem Ort spielte. Doch ich wurde mir zunehmend bewusst, wie ernst meine Lage war. Hatte ich mir nicht eben noch selbst eingebläut, Acht zu geben? Musste ich nicht, um des einen Zieles willen, überleben? Ich hatte mich hereinlegen lassen. Wut stieg in mir hoch; ein Gefühl, das ich lange Zeit vor Orochimaru versteckt hatte. „Kai!“ Ob es nun meine Aggressionen waren, die mir die nötige Kraft verliehen, das Genjutsu zu brechen, wusste ich nicht. Als ich das Jutsu gelöst hatte, stand ich wieder im selben Gang. Mit denselben Fackeln und den Schatten, die sie an die Wände warfen. Und Orochimaru stand vor mir. Erst da spürte ich den Schmerz. Langsam senkte ich den Kopf und sah an mir hinunter. Auf dem weißen Leinen, das ich trug, hatte sich ein Fleck dunkelroten Blutes gebildet, der sich rasch ausbreitete. Aus meinem Bauch heraus ragte silberner Stahl. Die Spitze klebte von Blut. Meinem Blut, wurde ich mir bewusst. Etwas kam mir wie Galle die Kehle hoch und ich musste husten; spuckte dabei noch mehr von der Substanz aus, die von meiner Wunde und dem Schwert auf den Boden tropfte. E würde mich nicht umbringen; dessen war ich mir sicher. Ich kannte mich nicht mit Medizin aus, ich war kein Medical Nin, doch auch ohne diese Kenntnisse wusste ich es. Denn Orochimaru wollte meinen Körper. Er stand kurz davor. Er stand kurz davor, meinen Körper zu übernehmen. „Ich ... ich darf nicht sterben ...“, keuchte ich; meine Hände hoben sich wie von selbst und umklammerten die Schwertspitze. Mein Körper bebte und zitterte. „Du wirst nicht sterben ... jedenfalls nicht ganz.“ Orochimaru lächelte schmal. Wenigstens hatte er am Ende sein wahres Gesicht gezeigt, schoss mir wie ein Pfeil durch den Kopf, ehe ich bewusstlos zu Boden sank. ~~~~~*~~~~~ Mein Herz schlug gleichmäßig gegen meine Brust. Ich hörte meinen Atem und ein Rauschen in meinen Ohren, das mir bekannt vorkam. Langsam öffnete ich meine Augen. Mein erster Gedanke war: Wo bin ich? Ich befand mich in einem dunklen Gang, in dem nur eine schon fast gänzlich herunter gebrannte Kerze ihr Dasein fristete. Mein Bauch fühlte sich seltsam an. Als ich vorsichtig tastend mit meiner Hand darüber fuhr, nahmen meine Fingerspitzen eine klebrige Substanz auf. Neugierig hob ich die Hand. „Aah!“ Sofort versuchte ich, so viel Abstand wie nur möglich zwischen mich und meine eigene Hand zu bringen; stolpernd stand ich auf und rutschte beinahe noch im selben Moment wieder aus; ich landete auf etwas Nassem. Meine Hand, die ich zum Auffangen des Sturzes gebraucht hatte, verkrampfte sich zitternd am Boden. Es war Blut. Jede Menge davon. Der Boden und meine Kleider waren getränkt von Blut. „Aah, wo bin ich?“, schrie ich, weil das bloße Denken nicht mehr ausreichte. Mein Schrei hallte sekundenlang an den Wänden wider und verstummte dann, um mich etwas anderes hören zu lassen: Rasch aufeinander folgende Schritte. Meine Augen wurden groß, ob aus Angst oder Freude kann ich heute nicht mehr sagen. Doch ich saß einfach nur still auf dem Boden und wartete ab, was kommen würde. Jemand schlitterte um die Ecke. Er prallte gegen die Wand, weil er seinen Schwung nicht mehr aufhalten konnte. Dann folgte ein Zweiter, ich bemerkte, dass es ein Mädchen war. Der Erste starrte mich an. Kein Wunder, dachte ich mir in diesem Augenblick. Ich musste schaurig aussehen, so voller Blut. Das Mädchen hatte mich inzwischen ebenfalls erblickt und sah nun unsicher zwischen dem Einen und mir hin und her. Ihre Augen glänzten feucht. „Sasuke“ Das war das erste Wort, das ich von jemand anderem als mir selbst hörte. Der Junge kam auf mich zu. Sein Gesicht war verzerrt, er schien wütend zu sein; ich wich zurück, doch er war schneller. Ehe ich mich versah, hatte er mir schon mit aller Kraft eine runter gehauen. „Was ...?“ Ich hielt mir die Wange und sah entsetzt zurück. „Wieso?“ Die zwei sahen mich an; der Junge schwer atmend, das Mädchen hatte die Hände schützend vor die Brust geschlagen. „Endlich haben wir dich gefunden.“ Der Junge lächelte auf einmal. „Keine Widerrede, du kommst mit, Sasuke!“ Zögerlich sah ich zu dem Mädchen, doch ich konnte in ihrem Gesicht kein Zeichen des Widerspruchs finden. „Ähm ...“, begann ich an den Jungen gerichtet, „wer ist Sasuke?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)