Memory Fragments von Rejah ================================================================================ Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- Kapitel 5 „Wer ist das?“ Das war die erste Frage, die ich stellte. Das Fotopapier war noch wie neu hinter dem dünnen Glas des Bilderrahmens, doch es musste mindestens so alt wie die Geschichte dieses Viertels sein. „Deine Familie.“, antwortete Naruto leise. Er sah mich mitleidig an. „Deine Eltern ... und das bist du.“ Er tippte auf den Kleinsten der vier. Mein Blick blieb an dem runden Gesicht des Jungen hängen. Das sollte ich gewesen sein? Diese dunklen Augen lächelten mir entgegen, doch ich fand nichts von ihrem Ausdruck in mir wieder. Schnell verlor ich das Interesse und starrte wieder auf den Mann neben mir. „Wer ist das?“, fragte ich erneut. Naruto zögerte. Ich nahm ihm das Bild aus der Hand und besah es mir von Nahem. „Seltsam ...“ „Was ist seltsam?“ „Die einzige Erinnerung, die ich noch habe ... nun ja, ich erinnere mich an einen Wald und ... an einen Mann. Aber sein Gesicht kann ich nicht sehen. Je mehr ich versucht habe, es mir vorzustellen, desto mehr verschwimmt es und ich bekomme Kopfschmerzen. Aber ich könnte schwören, dass es dieser Mann ist.“ Ich tippte auf das Bild. Naruto biss sich auf die Lippe. „Was ist los? Wer ist das?“ Doch eigentlich wusste ich es schon. So dumm war ich nicht, dass ich nicht erkannte, dass das ein ganz persönliches Familienfoto von mir gewesen sein musste. Und ich hatte einen Bruder gehabt, hatte man mir erzählt. Wer sonst sollte es sein? „Dieser ... Itachi.“ Ich sprach den Namen mit einem Unbehagen aus, das nicht meinen wahren Gefühlen entsprach. „Ist er es?“ Ich starrte in Narutos Augen. Sie waren ernst, sehr ernst und ich wusste, dass er in diesem Moment die Vergangenheit Revue passieren ließ. „Ja.“, krächzte er schließlich. Stille. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich war nicht geschockt, ich war nicht traurig – jedenfalls nicht darüber, worüber ich traurig sein sollte – und ich war nicht wütend. Ich fühlte mich nur entsetzlich hilflos. Und ich spürte keinen Hass Itachi gegenüber. Ich kannte ihn nicht, nicht mehr, genauso wenig wie meine Familie. Alles war leer. Das Leben, das ich einmal geführt haben musste, war schrecklich gewesen. Doch ich fühlte nicht mehr dafür, als hätte ich in der Zeitung darüber gelesen. „Lass uns nach Hause gehen, Naruto.“ Naruto hatte die ganze Zeit über betroffen geschwiegen, jetzt sah er mich erstaunt an. „Sicher, dass du schon gehen willst?“ „Ja. Ich mag dieses Haus nicht.“ Weil ich hier immer noch fremd war. Dieses Mal zögerte ich nicht, sondern ging schnellen Schrittes aus dem Zimmer und lief den Gang entlang, hin zur Treppe. Naruto folgte mir, halb laufend, denn auf einmal hatte ich es sehr eilig, endlich dieses Haus, endlich dieses Viertel verlassen zu können. Ich hatte nicht einmal die Hälfte der Treppe hinter mich gebracht, als eine der Stufen plötzlich knackte und im nächsten Moment einbrach. Ich stolperte nach vorne, während mein linker Fuß in dem eingebrochenen Holz stecken blieb. Ein kurzer Schmerz durchzuckte mich. „Sasuke!“ Ich war nach vorne gekippt, doch so schnell, dass ich die Bewegung gar nicht hatte wahrnehmen können, hatte sich ein Arm um meinen Bauch geschlungen und hielt mich fest. Als ich mich umdrehte, sah ich Naruto, der sich mit seiner freien Hand an das Geländer klammerte. „Alles okay bei dir?“ Ich brauchte ein paar Sekunden, um zu nicken. Naruto zog mich hoch. Jedenfalls wollte er das, denn kaum hatte er auch nur ein bisschen an mir gezerrt, fuhr wieder ein schmerzhafter Stich durch meinen Fuß. Naruto stoppte sofort in seiner Bewegung, als mir ein Schmerzenslaut entwich. „Oh, scheiße! Hast du dich verletzt?“ Anstatt zu antworten, zog ich meinen Fuß vorsichtig aus dem Loch in der Treppe, doch auch das tat weh. Naruto ging die zwei Stufen zu mir hinab und legte meinen Arm um seine Schultern. „Hoffentlich ist dein Fuß nicht gebrochen.“, sagte er und dieses Mal ertrug ich das Mitleid und die Sorge in seiner Stimme ohne Weiteres. „Besser, wir gehen erstmal nach Hause.“ ~~~~~*~~~~~ Als wir endlich über die Absperrung des Tors geklettert waren – was auch ein Abenteuer für sich war – atmete ich erleichtert aus. Ich hatte gar nicht bemerkt gehabt, wie viel Druck auf mir gelastet hatte. Ich stützte mich immer noch mit einem Arm auf Naruto, dem mein Gewicht anscheinend nichts ausmachte. Inzwischen war die Dämmerung hereingebrochen, die Straßen leerten sich und die wenigen Leute, die noch unterwegs waren, verfolgten uns mit Blicken. So war es schon immer gewesen. Der Weg zu ihm nach Hause kam mir wie eine Ewigkeit vor. Mein Fuß hatte inzwischen unangenehm zu pochen angefangen und beschämt musste ich feststellen, dass mich das ganz schön mitnahm. Und Naruto und Sakura behaupteten ernsthaft, dass ich mal ein Ninja gewesen sein sollte? Jemand, der sich andauernd in Abenteuer auf Leben und Tod stürzte? Niemals. „Wir sind da.“ Naruto stieß die Tür mit seinem Fuß auf, bugsierte mich zum Sofa und ließ mich dort stehen, um kurze Zeit später mit einem Eisbeutel wiederzukehren, den er mir in die Hand drückte. „Das dürfte für's Erste reichen. Warte hier, ich hol' Sakura.“ Und schon war ich allein. Ich tat, was er mir gesagt hatte, und legte den Eisbeutel auf meinen Knöchel. Es tat weh. Etwas Wichtiges überbringen, pah. Ich ließ die Schultern nach vorne sinken. Jemanden beschützen, was für ein Unsinn. Meine Augen brannten. Dass es wahr war, was sie mir erzählt hatten, wusste ich nun. Der kleine Junge auf dem Familienportrait war unverkennbar ich gewesen. Ich musste früher ein völlig anderer Mensch gewesen sein. Tapfer und bereit, sich für Andere zu opfern. Ich fühlte mich jämmerlich. Ich hatte gesagt, dass ich auch gerne jemanden beschützen würde, doch das war nur ein Traum. Ich würde keinen Finger bewegen können. „Wir sind wieder da!“ Ich hatte keine Schritte gehört und als ich aufsah, standen Sakura und Naruto bereits im Zimmer. „Sasuke! Ist alles okay mit dir?“ Sakura eilte auf mich zu, die Sorge stand ihr ins Gesicht geschrieben, und kniete sich vor mich hin. Erschrocken riss sie die Augen auf. „Hast du – hast du geweint?“ Hastig wischte ich mir mit dem Handrücken über die Augen, sagte aber nichts. „Sakura. Sein Fuß.“ „Äh, ja, sofort!“ Sie legte ihre Finger auf meinen Knöchel, so vorsichtig, dass ich es kaum spürte, fuhr tastend meine Haut entlang und runzelte die Stirn. Dann hielt sie ihre Hände genau über die schmerzende Stelle und wie bereits am Anfang meiner Erinnerungen erschien eine leuchtende, blaue Kugel darin. Der Schmerz verblasste ein wenig. „Das ist alles, was ich im Moment machen kann.“ Sie stand auf. „Gebrochen ist nichts, aber da du deinen Fuß wohl nicht bewegen kannst, nehme ich an, dass deine Sehne überdehnt oder auch gerissen ist. Das heißt, du solltest deinen Fuß soweit wie möglich schonen.“ Ich nickte, wie benommen. Sakura flüsterte Naruto noch irgendetwas ins Ohr, woraufhin dieser ein ziemlich unglückliches Gesicht machte, dann ging sie. Keiner sagte etwas. Naruto streifte durch die Wohnung, von einem Zimmer ins andere, während er verschiedene Dinge hochhob, Gläser, leere Flaschen, Kleidungsstücke und zuletzt in seinem Zimmer, das konnte ich durch die offene Türe erkennen, ein Bild, das auf einem kleinen Tisch neben seinem Bett stand. Er versuchte leise zu sein, doch bei jedem Geräusch wurde ich unruhiger. Die Stimmung, die eben noch so vertraut gewesen war, war komplett verschwunden, es war, als sei ich nicht mehr willkommen. „Willst du was trinken, Sasuke?“ Naruto war urplötzlich hinter mir aufgetaucht und ich zuckte zusammen. „Ich ... ähm, ja.“ Hatte ich mir das alles nur eingebildet, oder warum lächelte Naruto auf einmal, als er mir das Glas reichte? Er setzte sich neben mich, und obwohl er nicht sprach, schien es mir, als wäre er auf einmal wieder völlig entspannt. „Ähm ...“, begann ich. „Ja?“ „Also ... Sakura, sie ... na ja, das eben war ziemlich beeindruckend. Mit diesem blauen Zeug.“ „Findest du? Es ist eigentlich nichts Besonderes.“ „Nicht?“ „Sie ist ein Medic-Nin, ich meine, sie kann Leute heilen. Das ist ihr Job. Es ist also nichts Besonderes.“ Ich sah ihn an, doch er wandte den Blick von mir ab. Erst jetzt sah ich, wie angespannt er neben mir auf dem Sofa saß. „Naruto, ist alles in Ordnung?“ „Ja, klar.“ Ich war mir sicher, dass er log, doch ich fragte nicht weiter. Irgendwann stand Naruto auf und ging zur Haustür. „Ich hol uns etwas zu essen.“, sagte er, doch ich wusste, dass er so schnell nicht zurückkommen würde. ~~~~~*~~~~~ Es war eine Zwickmühle: In der Wohnung sitzen und warten und vor allem nachdenken wollte ich nicht, doch draußen erwarteten mich nur die Blicke der anderen Bewohner, denen ich mich nicht mehr gewachsen fühlte. Außerdem konnte ich meinen Fuß momentan vergessen. Trotzdem dauerte es nicht lange, bis ich mich aufrichtete und auf einem Fuß durch die Wohnung hüpfte, auf der Suche nach etwas, womit ich mich abstützen konnte. Als ich Narutos Zimmer betrat, fiel ich prompt hin; an der Türschwelle befand sich eine niedrige Stufe. Mühsam hievte ich mich wieder hoch, hüpfte zu seinem Bett und setzte mich rasch darauf. Tief holte ich Atem und ließ meinen Blick durch das Zimmer schweifen. Irgendetwas musste es doch geben, womit ich durch das Dorf laufen konnte, ohne hinzufallen. Plötzlich fiel mein Blick auf das Bild. Ich hatte nicht näher hingeschaut, als Naruto es in die Hand genommen hatte, doch jetzt erkannte ich, dass ich keinen sonderlich glücklichen Eindruck darauf machte. Auch Naruto hatte den Mund zusammen gekniffen. Mit verengten Augen starrte er zu meinem früheren Ich herüber. Hier war ich älter, die Aufnahme musste nur wenige Jahre alt sein. Sakura stand zwischen uns, ihre weißen Zähne blitzten im Sonnenlicht und ich hatte das Gefühl, als stände sie näher an mir als an ihm. Ein Mann mit weißen Haaren, dessen Gesicht hinter einen Maske aus Stoff verborgen war, stand hinter uns und lächelte etwas gezwungen. Wieso starrte Naruto mich so böse an? Ich hatte gedacht, wir wären so etwas wie Freunde damals gewesen, zumindest jedoch Teil des selben Teams. Verdammt, ich wollte so gerne wissen, was damals alles geschehen war! Die Unwissenheit machte mich schier wahnsinnig! Ich legte das Bild mit der Vorderseite auf den kleinen Tisch und stand ruckartig auf. Dabei vergaß ich meinen verletzten Fuß, stolperte abermals, konnte mich aber noch rechtzeitig an der Tischkante abfangen. Einer meiner Finger erwischte den Rahmen des Bildes und zog es mit. Bevor ich reagieren konnte, fiel es hinunter und der gläserne Rahmen zerschellte am Boden. Einen Moment lang konnte ich mich nicht rühren. Dann hob ich den Rahmen auf, vorsichtig, um mich nicht an den scharfen Kanten des abgesplitterten Glases zu schneiden. Das Bild darunter war unversehrt. Ich wollte es gerade aufheben, als mir die verblasste Schrift auf der Rückseite auffiel. „Für meine neuen Kameraden, Sasuke, Sakura und Naruto. Denkt daran: Nur mit gegenseitiger Hilfe gelangt ihr an die Glöckchen.“ Verwirrt zog ich die Augenbrauen hoch. Welche Glöckchen? Doch im gleichen Moment hörte ich Schritte, die sich der Haustür näherten und kurz darauf, wie sich diese öffnete. Wie erstarrt stand ich in Narutos Zimmer, auf dem Boden vor meinen Füßen immer noch die Glasscherben. Meine Nackenhaare stellten sich auf, als ich bemerkte, dass sich die schweren Schritte anders anhörten als die von Naruto oder Sakura. Obwohl mir hätte bewusst sein müssen, dass ich mich nicht wirklich wehren könnte, sollte man mich angreifen, sah ich mich instinktiv nach einer Waffe um. Mein Blick fiel auf ein Messer – ein Kunai, verbesserte ich mich – und ich griff es mir hektisch. Auf Besuch war ich nicht vorbereitet gewesen. Die Schritte im Wohnzimmer waren plötzlich verstummt. Zitternd wartete ich auf irgendein Geräusch. Es war lächerlich. Ich war lächerlich, mit diesem nutzlosen Ding hier in der Hand. Wenn Naruto doch nur hier wäre! Dann, ohne Vorwarnung, hörte ich die Schritte wieder. Sie waren langsam, als wollte man mich quälen, einer, dann noch einer. Noch einer. Ich hob das Kunai. Ein Schatten legte sich über die Tür. Unten konnte ich einen Fuß erkennen. Er steckte in den typischen Sandalen, die jeder Ninja trug. Ich schluckte. Dann steckte plötzlich ein Mann seinen Kopf ins Zimmer. Seine Haare waren schlohweiß. Er hob die Hand und ich wich zurück, doch da lächelte er plötzlich unter seiner Maske. „Hey, Sasuke! Lange nicht mehr gesehen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)