Gnade Oder Fluch? von Kimie_Yashi (Eine zweite Chance? [ContestShipping - OsterSpecial 2oo9]) ================================================================================ Kapitel 2: Karsamstag - Grabesruhe ---------------------------------- Der nächste Morgen verlief für Shuu um einiges ruhiger, als der Vorherige. Dieses Mal stand niemand unerwartet vor seinem Bett und wartete darauf, dass er aufwachte. Dennoch war er schon um acht Uhr fitt, was bei einem Frühaufsteher nicht ungewöhnlich war. Nach seinem morgendlichen Ritual, das aus duschen, waschen und anziehen bestand, verließ er sein Zimmer und schlich hinüber zum Gästezimmer, in dem er hoffte Haruka vorzufinden. Leise öffnete er die Tür und spähte hinein. Tatsächlich fand er das Mädchen schlafend vor. Gerade als er das Zimmer wieder verlassen wollte, erregte ein Funkeln seine Aufmerksamkeit und bei genauerem betrachten, erkannte er auch war es war. Besorgt schritt er zum Bett, in dem sich die Schlafende befand, doch ehe er irgendetwas tun konnte, flatterte Pero zu ihm hinüber und ließ sich auf seiner Schulter nieder. Dem Blick des Vogels konnte er entnehmen, dass dieser ihm riet den Raum auf leisen Sohlen wieder zu verlassen, was er nach einigen Momenten des Zögerns auch tat. „Morgen Pero! Was ist denn los? Warum hat sie denn geweint, ist sie noch immer wütend auf mich wegen gestern?“, erkundigte sich der 17-Jährige sich besorgt bei seinem neuen Freund. Dieser sprang von seiner Schulter auf den Küchentisch, an dem Shuu gerade eine wohltuende Tasse Kaffee genoss. Ernst blickte der Tauberich den jungen Mann vor sich an und fragte stattdessen: „Shuu, wo hast du ihre Kette? Du wolltest sie ihr doch schon gestern zurückgeben!“ „Ich weiß…“, seufzte der Angesprochene und stellte seine Tasse auf der Fläche vor ihm an, „…aber als ich gestern durch den Park ging, habe ich meine Exfreundin und meinen ehemals besten Freund gesehen und… na ja, danach war ich so aufgebracht, dass ich vergessen habe sie abzuholen. Aber mach dir keine Sorgen, ich gehe gleich los, dann bekommt sie sie beim Frühstück zurück… wann steht sie denn normalerweise immer auf?“ „Du musst sie ihr auf jeden Fall so schnell wie möglich zurückgeben!“, erwiderte der Vogel darauf einfach nur und erntete von seinem Gegenüber dafür nur einen fragenden Blick, warum er es denn so eilig hatte, „Ich weiß, für dich als Mensch mag es schwer vorstellbar sein, aber diese Kette ist ein Teil ihres Herzens. In ihrem gesamten Dasein als Geist war Haruka noch nie ohne sie, denn normalerweise können Menschen wie du sie nicht einmal berühren, wenn sie um ihren Hals hängt. Es ist schon sehr eigenartig und erstaunlich, dass du in der Lage warst sie ihr abzunehmen. Und der Grund weshalb sie geweint hat, ist dass sie von ihrem Herzen getrennt wurde. Sie wird schwächer, Shuu! Allmählich verlassen sie ihre magischen Kräfte und auch die Energie, die sie noch am Leben erhält. Wenn…“ „Ich gehe sofort zum Juwelier; bin spätestens in einer halben Stunde zurück!“ Alarmiert sprang der Grünäugige von seinem Stuhl auf, ließ seinen Kaffee und Pero in der Küche zurück und wies seinen Chauffeur an den Wagen vorzufahren. Ich wünschte ich wäre an jenem Tag vollkommen gestorben! Auf dem Weg zu seinem Ziel kamen ihm erneut Harukas Worte von vorheriger Nacht in den Sinn und ließen ihn nicht mehr los. Gestern hatte er die Gedanken daran einfach beiseite gelegt, als er ins Bett wollte, aber nun… All ihre Worte und Aussagen hatten nur noch mehr Fragen in seinem Kopf hervorgerufen. Er verstand sie einfach nicht, konnte die Umstände und ihre Gefühle auch gar nicht verstehen. Und dennoch tat es ihm Leid und er wünschte sich nichts sehnlicher, als ihr beizustehen und helfen zu können. ‚Seltsam… nicht einmal an Ayame habe ich solch ein Interesse gezeigt und dabei war sie meine Freundin…’ „Pero? Pero, wo bist du?“, rief die Blauäugige nach ihrem gefiederten Freund, als sie sich am Treppengeländer abstützte, um nicht umzufallen. Schnell kam der Tauberich angeflogen, als er ihre Worte vernommen hatte und fragte besorgt nach, was passiert sei. Doch Haruka hielt sich weiterhin mit einer Hand krampfhaft am Geländer fest und mit der Anderen fasse sie sich an den Kopf, als sie antwortete: „Ich weiß auch nicht… ich fühle mich total seltsam, mir ist irgendwie so schwindlig. Wie kann das nur sein? Ich bin nicht mehr krank gewesen, seit ich zum Geist geworden bin. Ich…“ „Haruka? HARUKA!“ ‚Wir haben jetzt halb zehn, ob sie schon aufgestanden ist?’, fragte sich Shuu, als er die Eingangstür hinter sich schloss und sich seine Weg ins Wohnzimmer bahnte, in dem er sich auf das Sofa setzte. Nachdenklich betrachtete er das Schmuckstück in seinen Händen, als Pero plötzlich ganz aufgebracht in den Raum geflattert kam: „Shuu, komm schnell!“ Wie von der Tarantel gestochen sprang der junge Mann wieder auf und folgte dem Tauber bis zur großen Treppe. Dort lag sie. Sie war bewusstlos und ihre Position verriet ihm, dass sie die letzten Stufen hinuntergestürzt sein musste. „Haruka? Haruka, was ist mir dir?“ So schnell er konnte eilte er zu ihr und nahm sie in seine Arme. Ihr Gesicht war zwar schmerzverzerrt und dennoch bekam sie nichts um sich herum mit. Erschrocken musste Shuu feststellen, dass sie allmählich begann durchsichtig zu werden. ‚Verdammt, was soll ich tun? Was kann ich tun?’, fragte er sich panisch in Gedanken, als er Peros aufgebrachte Stimme brüllen hörte: „Leb ihr schnell die Kette um, bevor es zu spät ist!“ Dieser Anweisung folgend öffnete der Oberschüler schnell den Verschluss, legte ihr das Schmuckstück um den Hals und verschloss ihn wieder. Einige Zeit verging und es tat sich nichts. Niemand sprach ein Wort und Haruka regte sich noch immer nicht. Doch dann bemerkten die beiden, dass sie allmählich wieder sichtbarer wurde und der quälende Ausdruck in ihrem Gesicht verschwand. „Das war wirklich knapp! Aber ich frage mich, warum das so plötzlich kam. Normalerweise hätte sie bis morgen Abend nicht beginnen dürfen sich aufzulösen…“, kam es Gedankenversunken von dem gefiederten Wesen. Shuu hingegen hörte ihm gar nicht zu, er war nur froh, dass es Haruka besser zu gehen scheint und mehr zählte für ihn im Augenblick nicht. Vorsichtig hob er das Mädchen auf seine Arme und brachte sie in sein Zimmer, in dem er sie auf sein Bett legte, um auf sie aufpassen zu können. Es vergingen einige Stunden bis Haruka schließlich wieder zu sich kam und allmählich ihre Augen aufschlug. Das Erste, das sie erblickte, war Shuus besorgtes Gesicht, dessen Gesichtszüge sich etwas lockerten, als er sah, dass es ihr besser zu gehen schien. „Was ist geschehen?“, fragte sie verwirrt nach und blickte sich im Raum um. Das Letzte, an das sie sich erinnern konnte, was dass sie ihr Zimmer verlassen und nach Shuu gesucht hatte. Was jedoch danach geschehen und wie sie in dieses Zimmer gekommen war, vermochte sie nicht mehr zu sagen. Allerdings fiel ihr sofort auf, dass es sich nicht um das Gästezimmer handelte, in dem sie sich befand. „Wo bin ich?“, kam es erneut über ihre Lippen und ihre zuvor noch recht verschwommene Sicht klärte sich allmählich. „In meinem Zimmer. Als ich wiederkam lagst du bewusstlos auf der Treppe und…“, doch weiter kam der junge Mann nicht, denn er wurde von ihrer aufgebrachten Stimme unterbrochen: „Ich war bewusstlos? Wie konnte das passieren? Ich bin ein Geist, ich kann nicht krank werde, was…“ „Jetzt beruhig dich und ruh dich noch etwas aus!“, wies er sie an und drückte das aufgeschrockene Mädchen sanft zurück in die Kissen, „Dir scheint es wieder besser zu gehen und deine Kette hast du nun auch wieder, alles ist in Ordnung, okay? Tu mir einfach einen Gefallen, sei einfach ruhig und bleib liegen.“ Gehorsam verweilte die Blauäugige in ihrer Position und schaute den Grünschopf fragend an. Dies blieb Shuu natürlich nicht verborgen, weswegen er nach einiger Zeit auch mit einem Grinsen nachfragte: „Was ist? Ich weiß, dass ich unwiderstehlich aussehe, aber ist das Grund genug für dich mich die ganze Zeit über so anzustarren?“ „Was… ich… ähm… ich starre doch gar nicht. Und so toll siehst du auch wieder nicht aus!“, stotterte sie mit geröteten Wangen. Nach dieser Aussage verbreiterte sich sein Grinsen allerdings noch mehr: „Aber ich sehe immer noch gut genug aus, dass du mich anstarrst, habe ich nicht Recht?“ „Du bist wirklich ein eingebildeter Idiot“, versuchte sie zu kontern, doch ihr Widersacher setzte noch einen drauf: „Und du ein ziemlich temperamentvoller Dschini!“ „Ich bin kein…“, wollte der Geist erwidern, als ihr Meister ihr auch einmal eine wunderschöne Rose entgegenhielt. Haruka erkannte diese Rose, es musste eine von denen aus den Büschen im Garten sein, denn sie besaß ebenfalls ganz besonders rote Blütenblätter. Sie hatte über die Jahre schon die verschiedensten Farben und Nuancen gesehen, aber die Blumen in Shuus Garten übertrafen alles Gesehene bei weitem. Der Streit war vergessen, als die Brünette die wunderschöne Pflanze sah und mit einem glücklichen Lächeln nahm sie sie entgegen. „Sag mal… warum magst du Rosen so sehr?“, wollte Shuu nach einigen Augenblicken von ihr erfahren. Es freute ihn sehr, dass sie solch eine Kleinigkeit so sehr erfreute, ganz anders als alle anderen Mädchen, die er bisher getroffen hatte und Ayame war da keine Ausnahme. Nun legte sich ein kleines trauriges Lächeln auf Harukas Lippen: „Wenn ich ehrlich bin, ich weiß es nicht… ich weiß nicht, warum ich diese Blumen von allem mit Abstand am Meisten liebe oder warum sie solch eine beruhigende Wirkung auf mich haben. Vielleicht hat es ja mit etwas aus der Zeit zu tun, als ich noch am Leben war. Ich erinnere mich nicht mehr daran. Aber wann immer ich traurig bin, schaue ich mir Rosen an und nach wenigen Augenblicken geht es mir immer wieder besser.“ „Dürfte ich dich noch etwas fragen?“, bat der junge Mann sie um Erlaubnis, die er auch in Form eines leichten Kopfnickens erhielt, „Gestern hast du gesagt, dass du ein Geist und kein Dschini seiest, ihr würdet unterschiedlich entstehen. Und als ich dich abends angeschrieen habe, da hast du auch einiges gesagt, aus dem ich nicht schlau werde. Aber was mich am Meisten erschrocken hat, war die Tatsache, dass du lieber ‚vollkommen’ gestorben wärest. Ich frage mich was…“ „Dschinis… werden als Dschinis geschaffen, sie existierten nie anders. Geister hingegen…“, sie biss sich auf die Unterlippen und Shuu konnte ihr anmerken, dass es ihr schwer fiel weiter zu sprechen, „…Geister hingegen waren einmal Menschen, die gestorben sind!“ - „Das heißt doch aber dann, dass du schon tot bist. Wie kannst du da von einem ‚vollkommenem Tod’ sprechen?“ - „Nein, ich bin noch nicht tot! Ich bin an jenem Tag zwar gestorben, aber meine Seele ist noch nicht im Reich der Toten. Manche Menschen erhalten von Gott eine zweite Chance. Er gibt ihnen etwas von seiner Kraft ab, damit sie es eines Tages schaffen können wiedergeboren zu werden. Ich weiß nicht, warum ich einer von ihnen bin. Vielleicht liegt es daran, dass ich ihm nicht mehr sagen konnte, was ich für ihn empfinde oder weil ich an einem Karfreitag gestorben bin… ich habe keine Ahnung. Ich erinnere mich nur noch daran, dass alles um mich herum weiß war und eine Stimme zu mir sagte, dass ich jedes Jahr von Karfreitag bis Ostersonntag einem Jungen einen Wunsch pro Tag erfüllen soll. Und sollten es die richtigen Wünsche sein, dass ich dann wiedergeboren werden würde! Seitdem hoffe ich jedes Jahr darauf, das es ein Ende haben würde und das nun schon seit fast 100 Jahren.“ „Und was sind die ‚richtigen’ Wünsche? So wie du es sagst, könnte man meinen, dass du es auch nicht wüsstest oder darfst du es mir nicht sagen?“, neugierig stellte er diese Fragen, denn er wollte ihr, wenn er konnte, helfen aus diesem endlosen Zirkel auszubrechen. Doch das Mädchen blickte nur traurig auf ihre Hände, die das Bettlaken fest umschlossen hielten: „Du hast Recht, ich weiß es nicht… wie denn auch? Und wenn ich es wüsste, hätte ich doch schon längst jemanden gebeten mich zu befreien… ich habe an so vieles keine Erinnerungen mehr. Wenn ich ehrlich bin, steigt mit jedem Jahr, das vergeht, die Angst in mir immer mehr zu vergessen.“ Nun wurde der junge Mann hellhörig: „Du kannst dich noch an Dinge aus deinem Leben erinnern?“ Ein leichtes Nicken war die Antwort, doch noch immer wagte sie es nicht aufzuschauen: „Ja,… aber nicht mehr an vieles… ich erinnere mich nur noch daran, dass ich auf dem Weg nach Hause war. Es hat geregnet, ein richtiges Mistwetter, und dennoch war ich total fröhlich. Ich hielt eine Einkaufstüte in meiner Hand, weil ich mir gerade ein Kleid gekauft hatte, und freute mich schon auf den Tag, an dem ich es tragen würde… und… und…“ „Und? Und was?“, harkte er neugierig nach, bereute es allerdings sofort, als Haruka ihren Blick anhob und ihm direkt in die Augen schaute: „Plötzlich war da so ein grelles Licht. Ich erinnere mich nur noch an das laute Hupen und dass jemanden verzweifelt meinen Namen schrie, immer und immer wieder… das Nächste an das ich mich erinnern kann, ist diese Stimme im Licht.“, sie machte eine kurze Pause und atmete einmal tief durch, um die aufgekommenen Erinnerungen noch einmal verarbeiten zu können, „Aber was erzähle ich dir das denn alles? Immerhin hast du mit dem, was damals passiert ist, nichts zu tun und morgen bin ich ohnehin wieder verschwunden, also vergiss einfach, dass ich überhaupt etwas gesagt habe!“ Der Grünäugige war über diesen plötzlichen Stimmungswechsel etwas erstaunt, ließ sich allerdings nichts anmerken und fragte sie deswegen einfach, ob etwas essen wolle, woraufhin das Mädchen freudig aufsprang und auf seine Anweisung hin schon einmal hinunter in die Küche ging. ‚Was ist denn nur los mit mir? Seltsam, sonst interessiert es mich kein bisschen, wenn irgendjemand Probleme hat oder sich schlecht fühlt, aber bei ihr… warum verspüre ich nur den Drang dazu ihr zu helfen und sie am liebsten in den Arm zu nehmen, wenn es ihr schlecht geht? Verrückt! Und dabei kenne ich sie doch erst seit gestern…’ Über sein untypisches Verhalten und ihre Worte nachdenkend starrte Shuu aus dem Fenster hinaus und versuchte irgendeinen Zusammenhang zwischen dem was geschehen und nun ihre Aufgabe war zu finden, in der Hoffnung, dass es ihm gelingen würde sie von ihrem Fluch zu befreien… oder der Gnade Gottes. „Hey Haruka, hättest du nicht Lust nachher mit mir in die Stadt zu fahren? Du brauchst dringen neue Klamotten!“, stellte der 17-Jährge fest, als er die Blauäugige betrachtete, die die ganze Zeit über in ihrem rosanen bauch- und schulterfreiem Top und dem dazu passenden Rock herumlief. „Wieso? Passt dir etwas an meinen Sachen nicht?“, wollte diese daraufhin von etwas angesäuert von ihm wissen. Doch sie erntete nur ein verschmitztes Grinsen, als er antwortete: „Überhaupt nicht, mir gefällt der Ausblick sehr gut. Ich möchte ihn nur mit niemand anderem teilen müssen, das ist alles!“ Eine hochrote Farbe nahmen nun Harukas Wangen an, als sie verzweifelt versuchte ihren nackten Bauch mit ihren Armen zu bedecken. Doch Shuu grinste sie nur weiterhin amüsiert an, was das Mädchen dazu veranlasste so schnell wie möglich aus seinem Blickfeld zu verschwinden. „Was fällt dir ein? Ihr Männer seid doch wirklich alle gleich!“, brüllte sie ihm entgegen, als sie sich im Wohnzimmer die dort liegende Kuscheldecke krallte und sich über die Schultern legte, um ihren gesamten Körper bis zu den Knien zu verdecken. Als sie wieder zurück in die Küche trat, saß der Hausherr noch immer unverändert vor seinem Teller und schaute sie weiterhin amüsiert an. Noch immer mit etwas rötlichem Gesicht setzte sich der Geist zurück auf seinen Platz und begann damit weiterhin die Nudeln zu genießen. Nach einigen Minuten jedoch wandte sie sich wieder ihrem Meister zu, dessen Blick die ganze Zeit über auf ihr ruhte. „Was ist? Warum starrst du mich die ganze Zeit so an?“ „Ich starre doch überhaupt nicht“, gab Shuu unschuldig von sich, brach jedoch keinesfalls den Blickkontakt ab. Dies wiederum machte Haruka nur noch nervöser, denn sie konnte es überhaupt nicht leiden, wenn ihr jemand so aufdringlich beim Essen zusah. Genervt legte sie die Gabel beiseite, als sie sich wieder ihrem Gegenüber zuwandte: „Natürlich starrst du. Hör auf damit, das stört mich total!“ „Mich stört es überhaupt nicht und außerdem kann ich gar nicht aufhören, selbst wenn ich es wollte!“, kam es freiweg von ihm. Seufzend gab es das Mädchen auf weiter essen zu wollen, es hatte ohnehin keinen Sinn, er würde sie sowieso nicht in Ruhe lassen. Also stellte sie ihm die Frage, von der sie wusste, dass er darauf wartete: „Und warum kannst du es nicht lassen?“ „Weil du zu niedlich aussiehst, wenn dein Gesicht rot wie eine Tomate anläuft, egal ob vor Peinlichkeit oder Wut.“, erwiderte Grünäugige, erhob sich schnell von seinem Platz und schnellst möglich suchte das Weite, denn wie er es bereits vermutet hatte, explodierte das Mädchen einige Sekunden später, nachdem sie realisiert hatte, was genau er da gesagt hatte. Nachdem sich die Blauäugige wieder beruhigt und ihr Mittagessen verzehrt hatte, gab Shuu ihr noch eines seiner Shirts, damit sie ihren nackten Bauch verdecken konnte, bevor sie sich schließlich auf den Weg zum Einkaufszentrum in der Innenstadt machten. Haruka hatte zwar versucht ihn umzustimmen, da es ihrer Meinung nach ziemlich sinnfrei war für diese wenigen verbleibenden Stunden noch Kleidung für sie zu kaufen, doch Shuu bestand darauf und wenn er unnötigerweise Geld für sie ausgeben wollte, so sei es drum. „So, da wären wir. Such dir irgendetwas aus, mit dem du gleich weiterhin herumlaufen möchtest.“, wies er sie an sich umzusehen, was das Mädchen kurz darauf auch tat. Mit Shuu dicht auf den Fersen lief sie durch das riesige Kleidungsgeschäft und suchte nach Alltagsstücken, in denen sie sich wohl fühlen würde. Doch irgendwie wollte ihr nichts so wirklich gefallen, denn in dieser Abteilung schien alles nur für ‚Barbiepuppen’ zu sein und auf ein Top in Bikinistile und einem Minirock, der viel mehr einem überbreitem Gürtel glich, hatte sie überhaupt keine Lust. Also wurde dieser Bereich des Geschäftes so schnell wie möglich wieder verlassen und der Nächste aufgesucht, in dem es auch Stücke gab, die ihren Geschmack trafen. Nach dem Richtigen suchend lief sie jeden einzelnen Gang ab, was dem Grünäugigen irgendwann allerdings zu nervig wurde, weswegen er es sich auf einem Sessel nahe der Umkleide bequem machte und dort dann darauf wartete, dass seine Begleitung zur Anprobe kommen würde. ‚Soll ich sie wirklich fragen? Immerhin weiß ich ja noch nicht einmal, ob meine Vermutung stimmt. Aber selbst wenn nicht, sie hätte sicherlich viel Spaß und ich habe auch nichts Besseres zu tun, also warum nicht? Trotzdem wüsste ich es gerne…’ „Wow, dieser Teil des Ladens gefällt mir wirklich gut, die Sachen hier sind richtig cool!“, wurde er plötzlich aus seinem Gedankengang gerissen, als Haruka zusammen mit einigen Kleidungsstücken in den Armen vor ihm stand. Mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen verschwand sie dann allerdings in eine der Kabinen, aus der der junge Mann sie eine fröhliche Melodie summen hören konnte. Nach wenigen Minuten erhob sich der Grünschopf mit einem Grinsen von seinem Platz und schritt auf den Vorhang, hinter dem sie sich befand, zu. „Bist du fertig? Lass doch mal sehen!“, und mit einer kurzen Handbewegung hatte er auch schon den Vorhang ein Stück zur Seite gezogen und seinen Kopf durch den Spalt gesteckt. Erschrocken fuhr die Brünette herum und blickte ihn mit weit aufgerissenen Augen an: „Sag mal spinnst du? Was fällt dir ein einfach hineinzuschauen? Du kannst froh sein, dass ich gerade fertig war, sonst hätte ich dich wirklich mit einem Fingerschnippen auf den Grund des Ozeans befördert!“ Von Glück konnte da keine Rede sein. Natürlich war er sich sicher gewesen, dass das Mädchen angekleidet war. Denn der Oberschüler hatte zuvor kein Rascheln von Kleidungsstücken mehr vernommen, weswegen er daraus geschlossen hatte, dass sie in den ersten Sachen nun stecken musste. Und außerdem hatte sie das hängende Stück Stoff nur bis auf einen dünnen Spalt zugezogen gehabt und als er sich ihrer Kabine genähert hatte, konnte er sie für eine Bruchteil einer Sekunde sehen wie sie vor dem dortigen Spiegel stand und sich betrachtete. Ihre Drohung überhörte Shuu einfach mal gekonnt und sagte stattdessen: „Nicht schlecht. Jetzt siehst du zumindest aus wie ein ‚normaler’ Mensch, auch wenn das sicherlich nicht wärst…“ „Es gefällt dir?“, kam es überrascht von ihr, seine gemeine Anspielung bekam sie dabei überhaupt nicht mir. Denn wenn sie ehrlich war, hatte sie eine andere Antwort und einen schnippischen Kommentar wegen des Motivs auf ihrem Top von ihm erwartet. Doch anhand seiner Augen konnte sie ablesen, dass er es ernst meinte. Lächelnd drehte sie sich wieder herum und betrachtete sich noch einmal im Spiegel. Doch je länger sie sich betrachtete, desto mehr verschwand allmählich ihr Lächeln, bis ihr Spiegelbild sie nur noch mit einem traurigen Ausdruck in den Augen anblickte. Shuu bemerkte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. Jedoch wusste er nicht so Recht, ob er sie fragen oder es lieber unkommentiert dabei belassen sollte. Schließlich entschied er sich für Letzteres und versuchte sie von ihrem trüben Gedanken abzulenken. Dazu kam ihm auch sofort die passende Idee: „Also ich würde sagen, du gibst mir kurz die Sachen, ich gehe zahlen und du ziehst sie wieder an. Und anschließend gehen mir am anderen Ende des Gebäudes in den Laden mit den Kleider und du suchst dir etwas Hübsches heraus, okay?“ Mit mahnendem Blick schaute sie ihn an, der ihm mitteilen sollte, dass er gefälligst aus der Kabine verschwinden und sie nicht beim Umziehen bespannen sollte. Dieser unausgesprochenen Aufforderung kam er natürlich umgehend nach und zog den Vorhang dieses Mal richtig zu. Recht schnell wurde besagter Plan auch in die Tat umgesetzt und Kassiererin wurde darüber noch in Kenntnis gesetzt, damit sie sich auch nicht wunderte, dass Haruka auf einmal mit den Kleidungsstücken des Ladens diesen verließ. „Vielen Dank für die Sachen, Shuu, aber das ist wirklich nicht nötig!“, versuchte die Brünette noch einmal ihn davon zu überzeugen, dass sein Vorhaben reine Geldverschwendung war. Doch was dieses Thema anging, so stieß sie bei ihm auf taube Ohren. „Dort drüben ist es. Ich sage dir, die haben nur die schönsten Kleider. Ich bin sicher, dass auch etwas für dich dabei ist!“, erwiderte er daraufhin nur und legte einen Schritt zu. Plötzlich bemerkte er allerdings wie Haruka abrupt stehen blieb und erschrocken an ihm vorbei schaute. „Was hast du denn auf einmal?“, wollte er von ihr erfahren. Als er sich jedoch herumdrehte, erblickte er niemand anderen als Toshi, der zusammen mit einigen Mädchen vor den Schaufenstern stand und den Gänsen mal wieder sonst etwas erzählte, damit sie ihn bewunderten. Doch das interessierte ihn kein bisschen, viel mehr wollte er wissen, weswegen Haruka wegen ihm so schockiert dreinblickte: „Kennst du den Typen dort hinten?“ Mit diesen Worten holte er sie wieder zurück aus ihrer Trance und als sie bemerkte, was gerade vor sich ging, schüttelte sie nur energisch den Kopf und zog Shuu weiter bis ihrem Ziel. Und der Oberschüler behielt mal wieder vollkommen Recht, dieses Geschäft war einfach umwerfend und es gab wirklich eine sehr breit gefächerte Auswahl an Abendkleidern. Weswegen er ihr unbedingt ein kaufen wollte, wusste sie zwar nicht, aber wenn er meinte… Als kleine Strafe dafür, dass er, aus ihrer Sicht, so verschwenderisch mit dem Geld umging, weigerte sie sich am Ende sogar ihm das ausgewählte Kleid zu zeigen. Dies passte dem jungen Mann überhaupt nicht, wo er doch so neugierig war und sie unbedingt hatte sehen wollen, aber umstimmen ließ sie sich nicht. Sie drohte ihm sogar den Stoff in Staun zu verwandeln, sollte er auch nur daran denken einfach so in die Einkauftüte zu schauen. „Und wohin nun?“, erkundigte sich das Mädchen und schaute sich in der großen überdachten Halle außerhalb des Ladens um. Als Haruka sich allerdings zu ihrem Begleiter herumdrehte, musste sie feststellen, dass dieser seinen Blick starr in eine Richtig gerichtete hatte und sie überhaupt nicht mitzubekommen schien. „Was hast du denn? Warum bleibst du stehen und starrst so in die Gegend?“, fragte sie ihn verwundert, als sich nach einem möglichen Grund umschaute. Doch ehe er auch nur ein Wort über seine Lippen bringen konnte, wurde ihre Aufmerksamkeit auf eine weibliche Stimme in der Menge vor ihnen gelenkt, die den jungen Mann neben ihr rief. „Hi Shuu! Wie ich sehe hast du Haruka ihre Kette zurückgegeben. Was macht ihr beiden hier? Gemeinsam shoppen? Das ist so was von untypisch für dich“, meinte das Mädchen, das Haruka als Shuus Exfreundin ausmachen konnte, lachend. Mit leicht besorgtem Blick schielte die Brünette zu dem jungen Mann hinüber. Einmal um seine Reaktion auf ihr Erscheinen zu begutachten und einmal, weil sie selbst auf diese Fragen wirklich nicht antworten wollte und hoffte, dass dies der Grünäugige übernehmen würde. „Das hier ist das Einkaufszentrum, was werden wir hier wohl machen? Und der Grund, weshalb ich mit dir nicht einkaufen gegangen bin, könnte vielleicht damit zusammen hängen, dass und immer Stunden brauchst und am Ende nur Klamotten kaufst, die aussehen, als hätten die Motten den Stoff fast vollständig aufgefressen“, gab er zynisch als Antwort zurück und blickte sie mit einem überlegenen Gesichtsausdruck an. Diese Worte verletzten Ayame doch sehr, dies konnte Haruka ihr ansehen, weswegen sie auch tadelnd ihren Begleiter anblickte. Diesen interessierte es allerdings herzlich wenige, ob er ihre Gefühle verletzte hatte oder nicht, er hatte nur die Wahrheit gesagt. Und erneut fragte er sich, warum er überhaupt mit ihr zusammen gekommen war, wenn er noch nicht einmal ihren Kleidungsstil mochte. Sie war ein nettes Mädchen, keine Frage, und hatte sich auch nie wie seine Fangirls aufgeführt, dennoch begriff er seine damalige Entscheidung immer weniger. Was hatte ihn, verdammt noch mal, dazu bewogen ausgerechnet sie zu seiner Freundin zu machen? Der Blick des 17-Jährigen verfinsterte sich, als er seinen ehemaligen besten Freund auf sich und die beiden Damen zukommen sah. „Hallo Leute!“, begrüßte der Blauhaarige die Runde und stellte sich gleich Haruka vor, da die beiden sich noch nicht kannten, „Du musst Haruka sein, nicht? Ayame hatte dich gestern schon erwähnt, aber wir sind uns ja leider nicht mehr in der Schule begegnet. Hi, ich bin Kiro!“ „Freut mich…“, lächelnd wollte sie seine dargebotene Hand ergreifen, doch ehe sie diese erreichen konnte, hatte Shuu ihre Hand ergriffen und zerrte sie mit den Worten: „Wir müssen gehen, komm!“, von den anderen beiden weg. Die beiden Schüler konnten sich schon denken, dass es daran lag, dass der Grünäugige zur Zeit nicht gut auf sie beide zu sprechen war und beließen es deswegen dabei. Und so machten sie sich auf den Weg durch die einzelnen Läden, um sich die passende Tracht für den morgigen Ball auszusuchen. Shuu hatte unterdessen mit Haruka im Schlepptau das Gebäude verlassen. Er war wütend, das bemerkte das Mädchen schon allein an seinem Griff um ihr Handgelenk. Es war nicht schmerzvoll, dennoch konnte sie anhand dessen feststellen, dass er ziemlich aufgebracht war, auch wenn sie sein Gesicht nicht sehen konnte. Ihrer Meinung nach brachte es allerdings überhaupt nichts, wenn er alles in sich hineinfraß. Lieber sollte er mit ihr darüber reden, denn sie wusste aus Erfahrung, dass man sich danach, egal wie, immer befreit fühlte. „Shuu? Möchtest du darüber reden? Ich..“ „Nein! Reden bringt doch überhaupt nichts. Aber ich möchte, dass du mir meinen zweiten Wunsch erfüllst!“, sagte er mit zorniger Stimme und blickte sie an. Sie konnte es sich nicht erklären, aber irgendwie machte er ihr mit seinem Gesichtsausdruck Angst. Sie hatte es im Gefühl, dass nun etwas, für sie, weniger erfreuliches folgen würde… und sie sollte Recht behalten! „Ich wünsche mir, dass Ayame sich wieder in mich verliebt!“ „Was?“ Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Ungläubig weiteten sich ihre Augen vor und sie hoffte inständig, dass sie sich verhört hatte. Doch dies hatte sie keineswegs. „Ich will ihr eine Lehre erteilen und ihr Herz brechen, deswegen muss sie sich wieder in mich verlieben“, erläuterte er mit einem fiesen Grinsen seinen Plan. In Haruka machte sich dadurch allerdings nur noch mehr Panik breit und sie spürte wie ihre Augen zu brennen begannen. „Nein…“, kam es heiser über ihre Lippen, während sie mit Tränen in den Augen panisch ihren Kopf schüttelte, „nein, Shuu, bitte! Bitte wünsch dir das nicht. Bitte zwing mich nicht dazu schon wieder gegen die Regeln zu verstoßen, nimm mir nicht noch eine weitere Erinnerung, bitte!“ Flehend ging sie sogar vor ihm auf die Knie und faltete bittend ihre Hände. Es tat ihm tief in der Seele weh sie so zu sehen, auch wenn er sich nicht wirklich erklären konnte, warum. Aber es war ihr richtig unangenehm, dass sie vor ihm sogar schon auf die Knie ging und diese Angst in ihren Augen… allein dieser Ausdruck veranlasste ihn schon dazu seinen Wunsch zurückzunehmen. Er hatte vollkommen vergessen, dass es gewisse Regeln bei den Wünschen gab und diese wollte er auf keinen Fall übertreten. Ihren Worten zufolge hatten dies aber schon einige vor ihm oft genug getan gehabt. Dieser Gedanke brachte Shuus Blut wieder zum Kochen und er frage sich, wie Mensch wirklich so egoistisch sein konnte und seine eigenen Bedürfnisse über die eines Anderes stellen konnte. Auch wenn sie nun ein Geist war, so war sie dennoch einmal ein Mensch gewesen und auch wenn sie nun magische Kräfte besaß, so war sie noch immer ein Mädchen und durfte ebenfalls nicht ungestraft gegen Regeln verstoßen. „Komm, lass uns dort in Café gehen, ja!“ Mit einem Lächeln zog er sie wieder auf ihre Beine und führte sie über die Straße in besagten Laden, dass die umherstehenden Passanten ihn mit zornigen und Haruka mit besorgten Blicken musterten, kümmerte ihn nicht. Der Wunsch wurde nicht erfüllt und damit vergessen, doch nun wollte er genauer von ihr erfahren, was es mit ihrem Worten auf sich hatte, auch wenn er es eigentlich schon wusste. Nachdem sie beide ihre Bestellung aufgegeben und erhalten hatten, versuchte Shuu sie irgendwie zum Reden zu bewegen. Doch wie sollte er dies am Besten anstellen? „Du möchtest jetzt sicherlich wissen, weshalb ich so ausgeflippt bin, nicht? Weißt du… es ist nicht Ayames Schuld, dass ihr beiden zusammengekommen seid… es ist Meine!“, begann sie und wagte es nicht den Blick von ihrem Glas anzuheben. ‚Ihre Schuld? Was meint sie damit? Sie ist doch weder mir, noch Ayame jemals vorher begegnet, oder?’ „Kennst du einen Jungen namens Toshi Oriyata?“, fragte sie ihn schließlich nach einigen Momenten der Stille. Diesen Namen würde Shuu wohl niemals vergessen: „Oh ja… Toshi ist im selben Jahrgang wie ich und versucht immer mit allen Mitteln besser zu sein als ich. Sei es Notentechnisch, im Sport oder bei den Mädchen. Es interessiert mich zwar nicht, ob ich besser bin als er oder nicht, aber er scheint sich einen Narren dran gefressen zu haben, mir in allem Überlegen sein zu wollen…“ „Vor einem Jahr war er mein Meister und… und als er mitbekam, dass dich die Mädchen mal wieder belagerten, weil sie von dir zum Osterball eingeladen werden wollten, wurde er tierisch eifersüchtig. Er verlangte von mir, dass ich dafür sorge, dass du dich in Ayame verliebst, damit du aus dem Weg geräumt wärst und sich die ganzen Mädchen um ihn scharen.“, offenbarte sie ihm ihr vergangenes Handeln und bekam etwas Furcht davor ihn anzuschauen, „Ich konnte ihn nicht davon abhalten und musste somit gegen die Regeln verstoßen. Die dritte Regel ist auch die Einzige, die man missachten kann, bei den anderen beiden ist das nicht möglich. Doch wenn ich dazu gezwungen werde es zu tun, dann trage ich ganz allein die Strafe dafür. Mit jeder Regelwidrigkeit büße ich einen Teil davon ein, das mir als Einziges noch von meiner Zeit als Mensch geblieben ist, Erinnerungen! Mit jedem Verstoß vergesse ich mehr und mehr aus meinem Leben. Inzwischen kann ich mich nicht einmal mehr daran erinnern, warum ich bei meinem Tod eine Einkaufstüte in den Händen hielt. Ich weiß nicht mehr wer der Junge war, der mir damals diese Kette geschenkt hat. Aber meinem Gefühl nach zu urteilen, war er etwas ganz besonderes und wichtiges für mich. Das würde auch erklären, warum ich so an ihr hänge… sie ist das Einzige, das mir niemand nehmen kann. Na ja, das dachte ich zumindest, denn offensichtlich kannst du es, wo du gestern doch in der Lage warst sie von mir zu trennen.“ Shuu hatte ihr die ganze Zeit über aufmerksam zugehört und begriff nun auch was alles hinter seiner Beziehung mit Ayame steckte und weswegen es ihm eigentlich nichts ausmachte, dass sie nun getrennte Wege gingen. Die Wut, die er auf seine Exfreundin und seinen ehemals besten Freund… nein, seinen noch besten Freund, empfunden hatte, war wie vom Winde verweht. Auch dem Geist gegenüber empfand er keinen Zorn. Er konnte ihre damalige Situation nachvollziehen und wusste, dass sie zum einen keine andere Wahl gehabt, zum anderen ihre Strafe schon erhalten hatte, auch wenn er diese ziemlich hart fand. Von Hass erfüllt war er eigentlich nur auf einen und dies war Toshi! Hätte er vorhin schon gewusst, was er Haruka angetan hatte, hätte er ihn eigenhändig dafür büßen lassen. Aber es gab immer noch ein nächstes Mal… Noch immer hatte die Blauäugige ihren Blick gesenkt und wartete auf seine aufbrausende Reaktion auf das eben erzählte, das war ihm klar. Und vermutlich würde sie davor auch nicht aufsehen. Ruhig nahm Shuu einen Schluck seines Getränks zu sich, bevor er sie mit einfühlsamer Stimme fragte: „Fürchtest du dich jetzt mich anzuschauen? Erwartest du, dass ich dich nun anschreie und für alles verantwortlich mache? Oder bangst du um eine weitere Erinnerung, weil glaubst, dass es mir egal sei, ob du leidest oder nicht?“ Sie wusste nicht, was sie glauben oder fürchten sollte. Zu oft hatte sie solch eine Situation schon durchleben müssen. Aber bei Shuu war es irgendwie anders! Als sie es schließlich doch wagte ihm in die Augen zu schauen, konnte sie darin sein bedauern über die vorherigen Meister und die Gewissheit lesen, dass er weder wütend auf sie war, noch seinen Wunsch erfüllt haben wollte. „Glotz keine Löcher in die Luft, beeil dich lieber mal mit deinem Getränk. Immerhin müssen wir noch zum Juwelier und in einen Schuhladen. Nur im Kleid begleitest du mich sicherlich nicht auf den Osterball“, meinte er, sich grinsend eine Strähne aus dem Gesicht schnippend, lenkte er das Thema plötzlich vollkommen von dem Vorherigen ab. „Du willst mit mir auf den Ball gehen?“, fragte sie fassungslos noch einmal nach, ob dies auch wirklich eine Einladung gewesen sein sollte. „Siehst du hier noch jemanden?“, kam die Gegenfrage leicht lachend, was Haruka mit einem Kopfschütteln verneinen musste. „Warum? Gestern noch hast du mich angebrüllt und hättest dir sicherlich gewünscht mir niemals begegnet zu sein. Und jetzt? Warum bist du auf einmal so nett zu mir, Shuu?“ – „Weil ich mir wünsche, dass du wieder glücklich bist und von Herzen lachen kannst,… denn ich mag dein strahlendes Lachen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)