Die Chroniken von Khad-Arza - Die Herrscher der Geisterwinde von Linchan ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Die stärkste Erinnerung, die ich an meine Mutter habe, ist die an ihr Lächeln. Es war so kühl und gleichzeitig doch so voller Gefühle, ihr Gesicht war so jung und dennoch so voller Weisheit, als hätte sie viele Zeitalter lang das Dahinsiechen unserer sterblichen Welt beobachtet. Sie war alles, was eine Herrscherin über die Geister sein sollte, der Inbegriff einer guten und gleichzeitig entsetzlichen Königin. Viele Namen hat man ihr gegeben… Nalani, Tochter des Kandaya-Clans, Herrin über Nacht und Schatten, Königin der Schamanen. Für mich war sie nichts von all dem. Für mich war sie eine lichte Flamme umrandet von Finsternis, die niemals ausging; ein Hoffnungsschimmer, an den ich mich klammerte, wenn alle anderen Lichter erloschen waren. Erster Teil: Lyrien Die Stimme des Schamanen war dunkel, aber durchdringend, als er sprach und seine hellen Augen dabei zu brennen schienen. Es war ein bösartiges Feuer der Dunkelheit, aber voller Macht, dass es den anderen den Atem verschlug, als sie es nur wagten, ihn anzusehen. „Die Narren aus Anthurien werden sich wundern!“ sprach er laut, „Und sie werden uns fürchten, sie werden uns mehr fürchten als Vater Himmels Zorn oder Mutter Erdes Finsternis, weil sie so dumm waren, sich mit Dokahsan anzulegen, dem Reich der Geisterjäger, dem Land des Nordens! Sie nennen uns Dämonen und Barbaren, weil wir im Gegensatz zu ihnen wissen, wie man mit den Geistern spricht! Ich sage, sie sind die Barbaren, wenn sie feige unsere Dörfer überfallen und die Frauen und Kinder abschlachten, statt sich uns offen entgegenzustellen! Mein Vater, Beksem Lyra, der ein großer Herr der geisterwinde war, hat bis zu seinem Tode das Land unter brennendem Himmel verteidigt und aus den bauerntölpeln hier eine Armee aus Kriegern gemacht! Wir werden ihn ehren, solange wir leben! Wir werden diesen Krieg beenden und die Männer aus Anthurien zerfetzen! Dann werden uns die Menschen ebenfalls ehren, uns als Herrscher der Schamanen, als Herrscher Dokahsans!“ Er machte eine Pause und ließ den Blick wieder über seine kleine Zuhörerschar schweifen, ehe er fortfuhr. „Der Himmel wird bald wieder brennen unter den Feuern des Krieges! Es wird das letzte Mal sein, dass er es tun wird. Ich werde an meines Vaters Stelle die Armee führen als Herr der Geister, und an seiner Stelle werde ich der Herrscher sein über das Land, das uns gebührt, und den Respekt und die Ehre bekommen, die uns gebühren, uns, dem Clan der Lyras! Dem ältesten Schamanenclan mit den mächtigsten Rufern und Sehern, die Tharr, unsere Welt, je erlebt hat! Und es ist der Lyra-Clan, der den höchsten Respekt von den Geistern des Himmels und der Erde bekommt, nicht der Chimalis-Clan oder der Kohdar-Clan oder der Kandaya-Clan! Wir sind die obersten Vertreter der Geister des Himmels und der Erde! Sobald der Winter vorbei ist und am Himmel das Sonnenfeuer brennt, werde ich die Menschen von Dokahsan, dem Nordland, Respekt und Ehre lehren! Und sie werden lernen, dass sie Glück haben, dass der Himmel mit uns auf ihrer Seite ist!“ Damit beendete er seine imposante Rede und das Funkeln der Macht in seinen Augen wurde schwächer, als er verstummte und in die großen Augen seiner beiden kleinen Söhne blickte, die auf den Knien auf dem edlen Teppich der Stube hockten und zu ihrem Vater hinauf starrten. Tabari, der ältere von ihnen, hatte alle Bewunderung in sein hübsches Gesicht geschoben, die er hatte, und strahlte voller Stolz hinauf zu seinem Vater, dem Herrn der Geister, dem Oberhaupt des mächtigen Lyra-Clans. „Wir werden sie aus Dokahsan verjagen, die Männer aus Anthurien, Vater!“ stimmte er stolz zu. Kelar Lyra grinste zufrieden auf den Erstgeborenen herunter. „Ja, mein Sohn! Und eines Tages, wenn meine Zeit als Herrscher abgelaufen ist, wirst du der neue König und Herr der Geister sein, der Führer des Schamanenvolkes, Tabari! Das ist eine ehrenwerte Aufgabe, die die Geister uns zugeteilt haben, du solltest sie respektieren, mehr als alles andere!“ „Das werde ich, Vater!“ sagte Tabari aufgeregt und strahlte, „Eines Tages, wenn ich ein Mann bin, werde ich wie du ein Geisterjäger sein, Vater! Ich werde dir und der Familie Ehre erweisen, so gut ich kann!“ „Das ist mein Junge,“ machte der Vater darauf zufrieden nickend. „Was werde ich, Onkel?“ fragte Tabaris Cousine Kadija, die neben ihm auf dem roten Teppich saß, die blonden Haare zu einem strammen Zopf geflochten. Kelar Lyra verengte die Augen. „Du wirst Heilerin, Kadija, wie deine Mutter, die meine Schwester ist, und wie dein Vater! Heiler sind keine Geisterjäger. Du wirst eine andere Geschichte haben als dein Cousin Tabari. Und sieh mir nicht so respektlos in die Augen, du bist letzten Endes nur ein Mädchen!“ Sie keuchte beschämt und senkte scheu den Kopf. „E-entschuldigt, Onkel…“ Wie hatte sie das vergessen können? Als Mädchen war es ihr nicht erlaubt, einen Mann einfach anzustarren, erst recht nicht, wenn er in der Rangliste weit über ihr war; Kelar Lyra war das Clanoberhaupt und der mächtigste Schamane der Welt. Und sie war ein Mädchen, das mit elf Sommern noch nicht mal erwachsen war. „Sei zufrieden,“ tröstete Tabari seine ältere Cousine amüsiert, „Du wirst einmal heiraten, Kinder kriegen und darfst sie säugen, das ist auch ehrenhaft.“ Kadija sagte nichts, hätte ihn aber gerne geschlagen für den bissigen Kommentar. Er war zwar jünger als sie, aber er war der Sohn des Oberhaupts, deswegen hatte sie vor dem kleinen Jungen auch nicht den Mund aufzutun. Täte sie es, würde sie ihre Eltern entehren, die sie nicht gut genug erzogen hatten, um sie zum Schweigen zu bringen. „Ihr Kinder solltet längst zu Bett sein,“ warf Tabaris Mutter ein, sah zuerst auf ihren ältesten Sohn, dann auf Kadija und am Ende auf den jüngeren Sohn, Kiuk, der an ihrem Rockzipfel hing und bereits halb eingeschlafen war. Sie gab dem Kleinen einen sanften Schubs, sodass er fast nach vorne umgekippt wäre, sich aber noch am Bein seiner Mutter festhielt, die auf einem aufwendig verzierten Sessel saß. „Ich bin müde…“ murmelte er benommen, und die Mutter lächelte. „Ich bringe dich jetzt zu Bett. Tabari, mach, dass du auch hochkommst, es ist schon spät.“ Sie erhob sich, fing einen emotionslosen Blick von ihrem Mann Kelar und hob den kleinen Kiuk hoch, um mit ihm die Stube zu verlassen. Tabari trottete artig hinter ihr her, während auch Kadija von ihren Eltern aufgefordert wurde, hinaufzugehen. Ihre Mutter, Kelar Lyras Schwester, erhob sich aus ihrem Sessel. „Du spricht unwürdig, kleiner Bruder, schnauze meine Tochter nicht immer an, als wäre sie nichts wert,“ sagte sie ernst, „Auch Heiler haben ihren Wert. Ohne die Heiler wären die Geisterjäger nur halb so wertvoll, weil ja niemand da wäre, der ihre Wunden und Krankheiten heilen könnte…“ „Wage es nicht, deine Zunge zu lockern, Pet…“ brummte Kelar Lyra argwöhnisch, „Ich dulde dich netterweise mit deinem unfähigen Heilermann in meinem Anwesen, du solltest meine Barmherzigkeit nicht überstrapazieren.“ „Dieses Anwesen ist auch das Anwesen meiner Vorfahren, Kelar,“ sagte sie perplex, „Wieso nimmst du es für dich in Anspruch, ich habe genauso ein Recht, hier zu leben, wie du.“ „Nein, weil dein Mann kein großartiges Haus hat, seid ihr hier die Kuckuckskinder,“ zischte der Bruder lauernd, „Ich warne dich, Pet. Zügle deiner vorwitzigen Tochter die Zunge oder eher die Augen, sie starren in Richtungen, die mir nicht gefallen wollen! Du magst meine Schwester sein, aber letzte Endes bin ich der Herr der Geister und der Erbe des Clans, nicht du.“ „Wie kannst du…?!“ keuchte Pet, aber sie wurden unterbrochen, als Kelars Frau zurück in die Stube kehrte – wie so oft kam sie rechtzeitig, um einen Streit zu schlichten. „Wollt ihr, dass die Kinder eure bösartigen Zungen hören und übernehmen?“ fragte sie, im Türbogen stehend, „Mir gefällt nicht, wie Tabari mit anderen Kindern spricht, und das liegt an eurem ewigen Gezanke. Einigt euch oder reißt euch zusammen wie erwachsene Menschen.“ Sie sah besonders ihren Mann eine Weile energisch an, bis er den Kopf wegdrehte und sie innerlich lächelte. Sie rühmte sich unbemerkt damit, die einzige Person zu sein, deren Blicken er niemals standhalten würde… sie war die Einzige, vor der er den Kopf wegdrehte. Und sie beide und auch Pet und ihr Mann wussten, dass es so war… und, dass es Kelar Lyra ärgerte, er aber nie wagen würde, den Mund aufzutun. „Wir gehen zu Bett,“ meldete Pet dann mit einer höflichen Kopfneigung, bevor sie ging und ihr Mann ihr mit der gleichen Kopfneigung folgte. Die beiden letzten im Raum standen eine Weile schweigend da. Dann sprach Kelar. „Morgen schmeiße ich sie raus,“ schnaubte er. „Morgen tue ich es, wie ich es mir vor Zeiten schon vorgenommen habe, Salihah! Sie machen mich wahnsinnig und Pets Mann ist offenbar unfähig, zu sprechen!“ „Er hütet nur seine Zunge. Reg dich nicht auf. Sie ist deine Schwester.“ „Pff, ja, und sie macht mich wahnsinnig und tut, als müsste sie mich erziehen!“ „Das haben große Geschwister so an sich.“ „Morgen schmeiße ich sie raus, sie, ihren dämlichen Mann und ihre dumme Tochter!“ Er schnaubte und sah seine Frau wütend an, als sie vor ihm stand und den Kragen seines Hemdes zurecht rückte. „Shhh… nicht morgen, Liebster. Mach es, wenn der Winter vorbei ist, wenn du es dann immer noch so sehr möchtest. Aber nicht morgen. Lass uns zu Bett gehen.“ Er brummte und ließ zu, dass sie weiterhin seinen Kragen bearbeitete, dann seufzte er. „Von mir aus. Wenn der Winter vorbei ist. Aber dann wirklich.“ Sie ließ ihn los und sagte nichts, sah lange stumm geradeaus und irgendwie durch ihn hindurch. „Was siehst du, Frau…?“ fragte er sie düster, ergriff ihr Kinn und sah sie von oben herab an, als sie ihr Gesicht ihm zuwenden musste, ihn aber dennoch nicht ansah, weil ihr blauen Augen ins Leere gingen. Er kannte diesen Blick bei ihr… diesen Blick, den sie hatte, wenn sie unsichtbare Dinge sah. „Siehst du das Ende des Krieges immer noch, so wie gestern? Siehst du, dass das Land unser Land sein wird, Salihah?“ Aus ihrer Kehle kam ein heiseres Keuchen, als ihr Blick sich änderte und sie ihn jetzt anstarrte. „Ich sehe das Ende des Krieges…“ sprach sie monoton, „Aber es ist noch fern…“ „Und das Land?“ „Das Ende des Krieges wird dir Macht und Ehrfurcht des Volkes bringen…“ prophezeite sie ihm langsam, „Aber es wird… Hand in Hand gehen mit dem Fall des Clans.“ Er fuhr zurück und sah sie plötzlich angewidert an, als hätte sie sich in eine Pestbeule verwandelt. „Was?!“ fauchte er, „Wie kann sowas sein?! Was redest du von Macht und dem Fall des Clans, Salihah, es kann nur eins geben!“ „Ich sehe, was ich sehe!“ schnappte sie und sah ihn aus funkelnden Augen an, ehe sie sich abwandte. „Ich würde nicht wagen, dich anzulügen.“ Sie ging und er sah ihr mit zu schmalen Schlitzen verengten Augen nach. Er zischte, dabei bleckte er wie ein hungriges Raubtier seine ungewöhnlich spitzen Eckzähne. „Ich würde dich auch töten, würdest du es tun, Salihah…“ ___________________ wuhuu, Prolog XD Vergesst Pet, Kadija und den kerl (er heißt Dohna^^), die sind unwichtig... wollte sie nur mal erwähnt haben XD Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)