Shinta von HubertOswell (10 Kurzgeschichten) ================================================================================ Horizont -------- 一 夕陽に染められたホリゾント くすんだ街を絵画に変えて 心どこかに置き忘れた 僕等の日々を優しく包む Eine Kulisse bemalt in der Farbe des Abendrots Die dunkle Stadt ist eingefangen auf der Zeichnung Irgendwo haben wir unsere Herzen vergessen Jeden Tag zärtlich verpackt Keith saß auf dem Dach eines Hochhauses. Das orangene Licht des Sonnenuntergangs ließ alles in tiefen Schatten versinken. Er saß oft hier oben und starrte auf die immer dunkler werdende Stadt. Die einzige, die er dann als Gesellschaft akzeptierte war Mariah, die Schwarze Mariah. Sie sprach ja nie. Sie saß immer nur neben ihm und zeichnete die Stadt und den Sonnenuntergang. Manchmal schaute Keith ihr dabei zu. Seit fast einem Jahr hatte er bei den Aufträgen keinen Partner mehr. Zumindest nicht wirklich, denn Mariah begleitete ihn meistens. Von Shinta hatte er seit dessen Versetzung nichts mehr gehört. Normalerweise hätte Keith nach so einer langen Zeit seinen ehemaligen Partner schon wieder vergessen, doch Shinta war ihm in Erinnerung geblieben. Vor allem ihre letzte Berührung. Keith wurde rot, als er daran dachte. Mit der Zeit begann er sich zu fragen, ob er für Shinta doch nicht nur väterliche Gefühle gehegt hatte. 二 恋をして世間追いかけて 流れて逆らってそれでも明日は来る Verliebe dich, höre auf deine Umgebung Folgen und Auflehnen, und trotzdem gibt es jedes Mal einen neuen Tag "Du hast dich eben in ihn verliebt", hatte James gemeint, als Keith ihm davon erzählt hatte. "Das ist doch normal, das passiert jedem Mal." Keith hatte ihm nicht glauben wollen. Er durfte einfach nicht in Shinta verliebt sein. Es war nicht richtig und schon gar nicht normal, redete er sich immer wieder ein. Um von diesen Gedanken an Shinta loszukommen nahm er mehr Aufträge an, noch bevor er wieder richtig gesund war, nur um nie die Zeit zu haben, genauer darüber nachzugrübeln. Doch jetzt hatte ihn sein Boss in einen Zwangsurlaub geschickt. Trotz seiner vehementen Beschwerden hatte Keith sich am Ende doch fügen müssen. Er kam vor Langeweile fast um und erstickte bald an seinen Gedanken an Shinta. "Shin...", seufzte er. Mariah schaute ihn fragend an. Dann tat sie so, als würde sie ein Gewehr halten. "Genau", meinte Keith. "Ich frag mich nur, wo er ist..." Mariah beugte sich wieder über ihren Skizzenblock. Sie kritzelte schnell einige Linien darauf. Sie zeigte es Keith. Es war eine grobe Karte. Dann deute sie auf einen Punkt etwas links von der Mitte. "Du meinst, er ist da?", fragte Keith überrascht. Mariah nickte und schrieb einen Städtenamen auf. Dann bewegte sie ihre Lippen. "Wer hat das gesagt?", wollte Keith wissen. Mariah zeigte ihm einen Vogel. Das war ihre Geste für James. "Komm, gehen wir", meinte Keith. Er stand auf. Jetzt da er wusste, wo Shinta war und Zeit hatte wollte er auf keinen Fall länger hier herumsitzen. 三 頬をさす北風に襟を立てて 空も見れずに歩いてく僕達 大人になりきれない日々を越えて 君の肩に落ちた雪が時間を止めた Wir recken unsere Hälse in den Nordwind um ihn auf unseren Gesichtern zu spüren Wir laufen ohne in den Himmel zu schauen Die Tage, an denen wir nicht erwachsen werden mussten ziehen an uns vorbei Der Schnee auf deiner Schulter hat die Zeit überstanden Keith fuhr auf dem schnellsten Weg in die Stadt, in der Shinta sein sollte. Mariah saß neben ihm und lauschte selig der Musik, die aus dem Autoradio kam. Er musste immer lächeln, wenn er sie so dasitzen sah, als würde sie sich in der Musik auflösen. Er hatte nicht verstehen können, warum sich Shinta so vor ihr erschrocken hatte. Keith öffnete das Fenster, um frische Luft hereinzulassen. Kalter Nordwind blies ihm ins Gesicht. Es erinnerte ihn an seine Kindheit. An die Zeit, als er noch anderen Glück bereiten wollte. Anstatt, wie heute, den Menschen ihr Glück zu nehmen. Mariah und Shinta. Beide hatten ihm wieder Glück gegeben. Das Gefühl, in seinem Beruf auch etwas Gutes zu tun. Etwas, das ihn wirklich berührte und nicht nur von dem Schild um sein Herz abprallte. Sie erreichten die Stadt am frühen Abend. Mariah hatte den Namen eines Lokals oder einer Bar aufgeschrieben. Keith suchte jetzt danach. Es war einfach zu finden, obwohl es nur klein war und in einer Seitenstraße lag. Aber viele Menschen gingen dorthin. Keith parkte das Auto. Gemeinsam mit Mariah betrat er das Lokal. Schon beim ersten Blick erkannte er, warum so viele Menschen hierher kamen. Lilith klang wie ein Engel, wenn sie sang. Keith hatte sie vor Jahren einmal bei einem Auftrag getroffen. Mariah jedoch schaute nicht zur Bühne, sondern auf einen Tisch in einer Ecke. Sie rieb sich die Arme, als ob ihr kalt wäre. Ein entsetzter Ausdruck lag auf ihren Zügen. 四 彩やかに見える今だけは 止まった街はジオラマのように 「今どこで何をしてるのですか」 いつかの自分から未来宛の手紙 In diesem Moment wo sie die Farben verlieren zu scheint Ist die Stadt so unbeweglich wie ein Landschaftsgemälde "Wo bist du jetzt, was machst du?" Ein Brief, den wir an die Zeit adressiert haben Mariah machte einen Schritt zurück. Keith wunderte sich über ihr Verhalten. Es war ganz und gar nicht normal für sie ihre Gefühle so deutlich zu zeigen. Er folgte ihrem Blick. Dort, in der Ecke saß Shinta und starrte wie gebannt auf Lilith. Er hatte noch nie so glücklich ausgesehen wie jetzt. Keith fühlte sich als wäre in ihm etwas verschwunden und hätte eine fürchterliche Leere hinterlassen. Als für Keith die Zeit wieder lief, drängte er sich durch die Zuhörer zu Shinta. Wenn er schon hier war, dann musste er Shinta einfach auch sprechen. Vielleicht schaut er nicht Lilith so an, sondern er ist nur verzaubert von ihrem Gesang, sagte sich Keith. Mariah folgte ihm nicht, doch das bemerkte er gar nicht. Selbst dann jedoch, als er neben ihm stand, drehte Shinta sich nicht um. "Shinta", sagte Keith. Shinta reagierte nicht. Keith legte eine Hand auf seine Schulter. Nicht einmal darauf reagierte Shinta. Keith rüttelte an Shintas Schulter und sagte noch einmal lauter: "Shinta!" Jetzt erst drehte sich Shinta zu Keith. Ein Strahlen kam in seine Augen, als er Keith erkannte. "Wie...? Was tust du denn hier?", rief er überrascht. Und er lächelte. Shinta stand auf und umarmte Keith. "Ich hab dich so vermisst", murmelte Shinta. Keith wusste, dass diese Umarmung nicht so gemeint war, wie er es sich wünschte. Er wusste es ganz genau. Und trotzdem nahm er Shinta in seine Arme und gab sich seiner Illusion hin. "Ich habe dich auch vermisst", antwortete er ganz leise. "Ich habe mich oft gefragt, wo du bist, was du machst." Dass die Musik abgebrochen hatte und lautes Murmeln zu hören war bemerkten die beiden gar nicht. "Es tut mir so Leid, dass ich dir nicht sagen konnte, wo ich hingehe", schluchzte Shinta. "Sie hatten mir verboten, dich noch einmal zu sehen. Ich... ich wusste nicht einmal, wo man dich behandelt" Shintas Tränen durchnässten Keiths Hemd. "Shht", machte Keith. "Es ist alles gut. Ich habe dich ja trotzdem wieder gefunden. Dank Mariah." Shinta hob sein tränenverschmiertes Gesicht und sah Keith in die Augen. "Die Schwarze Mariah?!", keuchte er entsetzt. "Sie ist doch nicht etwa hier?" "Du fürchtest dich doch nicht noch immer vor ihr", fragte Keith. Bevor Shinta antworten konnte, löste er die Umarmung und ging hinter Keith. Als Keith sich umdrehte küsste Shinta Lilith gerade innig. "Du liebst sie?", ächzte Keith. Er konnte seine Trauer unterdrücken, doch sein Gesichtsausdruck war unmissverständlich. 五 初雪がこのせわしい世界隠し あの日と同じように高鳴る胸 大丈夫描いてた未来じゃないけど 鏡に映った自分誇ってあげるよ Der erste Schnee verdeckt die sich in Aufruhr befindende Welt Das Herz schlägt bis zum Zerreisen wie an diesem Tag Es wird schon gehen, auch wenn es nicht die Zukunft ist, die wir uns vorgestellt haben Ich bin stolz auf dein Bild im Spiegel "Das ist Keith, von dem ich dir schon so viel erzählt habe", erklärte Shinta Lilith. "Und das ist Lilith, meine neue Partnerin" Lilith schaute Keith böse an. "Wir kennen uns bereits", meinte sie kalt. Demonstrativ nahm sie Shintas Hand, was Keith mit einem kurzen Stich in der Brust wahrnahm. Shinta schien von dem stillen Kampf zwischen Keith und Lilith nichts zu bemerken. "Hast du schon gegessen? Wenn nicht, dann könnten wir doch zusammen essen. Mariah kann auch mitkommen, wenn's sein muss..." Er redete einfach munter drauflos. Und ehe Keith überhaupt wusste, wie ihm geschah, saß er Lilith gegenüber und wartete auf sein Essen. Ihn ließ das Gefühl nicht los, angestarrt zu werden. Was wohl daran lag, dass Lilith ihn böse anfunkelte und Mariah in anstarrte, nur um nicht in Shintas Richtung schauen zu müssen. Keith versuchte die Blicke zu ignorieren und nur auf Shinta zu achten, der ihm gerade erzählte, was er in den letzten Monaten getan hatte. Und immer sprach er dabei von Lilith. Keith spürte eine Welle heißen Zorns über ihm zusammenstürzen. Er verstand nicht, wieso sie ihm so wichtig war. Wieso sie ihm wichtiger war als er. Sein Herz schlug so heftig wie in dem Moment, als Shinta ihn geküsst hatte. Doch es war nicht die Liebe, die ihn so aufregte, sondern finstere Eifersucht gegen Lilith. Es ist gut so, ich freue mich, dass er glücklich ist, wiederhole Keith immer wieder in Gedanken. Akzeptiere es, freu dich für ihn! Es ist doch eine gute Zukunft, wenn auch nicht die, die du dir gewünscht hast. “Ich wünsche dir viel Glück mit Lilith“, rang er sich ab. “Du weißt, dass du immer zu mir kommen darfst, wenn du willst.“ Shinta lächelte. Als sie sich am Abend verabschiedeten drückte Keith Shinta noch ein letztes Mal. Keith war wirklich stolz auf das, was aus Shinta geworden war. Nur wollte die Finsternis in seinem Herzen diese Bild für immer zerbrechen. 六 頬をさす北風に襟を立てて 大切なぬくもりを抱きしめてる 明日はほんの少しだけ空を見上げ それぞれの色を塗ろうほんの少しだけ君と Wir recken unsere Hälse in den Nordwind um ihn auf unseren Gesichtern zu spüren Wir schmiegen uns fest an uns selbst, dieser hochmütige Stolz Morgen werden wir in den Himmel schauen, nur ein wenig Wir lassen uns durchdringen von seine Farben nur ein wenig, gemeinsam mit dir Der kalte Nordwind hätte Keith vielleicht wieder zur Besinnung bringen können. Doch er war viel zu aufgeregt. Die Eifersucht gewann fast die Oberhand in ihm und er musste wirklich mit sich kämpfen, dass sie nicht all sein Handeln und Denken beherrschte. Nicht einmal, dass Mariah ihm beruhigend die Hand auf seine legte und ihn verstört ansah, konnte seine Eifersucht zügeln. Keith wollte nur noch sich selbst vertrauen. Wer sagte ihm, dass Mariah ihn nicht genauso verlassen würde wie Shinta? Die ganze Nacht blieb Keith wach. Er wollte Shinta so sehr wiederhaben. Er war so eifersüchtig auf Lilith. Auch wenn er Shinta das Glück gönnte, er konnte es nicht ertragen, dass er an der Seite einer anderen glücklich war. Als die Morgensonne den Raum in ihr blutrotes Licht tauchte, hatte Keith einen Entschluss gefasst. Er wusste, dass es ein Fehler werden würde, doch sein Herz ließ ihn nicht anders entscheiden. 付芳芳 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)