Shinta von HubertOswell (10 Kurzgeschichten) ================================================================================ Libra ----- 一 利腕に現実をとり もう片腕に道徳をかざし 胸の奥に愛を灯して 頭の中で天秤にかける 鬱蒼としげる闇の中自分の影を隠すように 汚ねえ算盤弾く音鳴り響く世界よ止まれ Mit meinem rechten Arm nehme ich die Realität, mit meinem Linken die Moral Wenn sich die Flamme der Liebe in meinem Herz entzündet Wiege ich sie ab in meinem Kopf Ich verstecke meinen Schatten in dicker Finsternis und sage dieser Welt des Sterbens Dass sie stoppen soll Keith wog seinen Entschluss noch einmal genau ab. Es war falsch, doch er konnte in dieser Wirklichkeit nicht leben. Wenn er Shinta doch nur nicht so lieben würde. Er hatte um seine finstere Seite gewusst, hatte sie so gut er konnte in noch größerer Finsternis versteckt. Deshalb war er auch an so einen Job gekommen. Er hatte seine Maske fast perfektioniert. Abgesehen von seiner Arbeit hatte er ein normales Leben geführt. Und jetzt fiel sie von ihm ab, nur, weil sein Herz wegen dieses Jungen fast verbrannte. Keith wollte die Welt anhalten, die Zeit zurückdrehen zu den Monaten, in denen er Shinta nur für sich gehabt hatte und sie dann einfach anhalten. Diese Welt, die für ihn immer nur aus Tod und sterben bestanden hatte, hatte durch Shinta hell gestrahlt, war glücklich gewesen. Und seit Shinta nicht mehr da war, kam sie Keith so finster vor, dass er es kaum ertrug. Er legte sich seine Pistole zurecht. Sein Plan war, auch wenn er jeder Moral entbehrte, fehlerfrei. Es würde einfach werden. Sie musste hier vorbei kommen. 二 感情は邪魔になるだけの世界さ 撃ち殺してくれよ 天秤にかけたのは誰?算盤で弾くのは誰? ハーメルンの笛吹きは誰?狼少年はいつたい誰? そんなのどうでもいいはど今君を愛してるよ In dieser Welt sind Gefühle nur im Weg. Bitte erschieß mich! Wer wiegt es ab? Wer zählt alles zusammen? Wer ist der Rattenfänger von Hameln? Wer ist der Junge der Wolf rief? Aber wen interessiert das schon, wenn ich dich liebe? Im letzten Moment zögerte er kurz. Nicht lange genug, um sie zu schonen, aber doch einen winzigen Augenblick. Ein leichter Stich ging durch seine Brust, als sie zusammen sank. Doch die Gefühle waren nur im Weg. Er hatte schon sehr früh gelernt, sie zu unterdrücken. Manchmal hatte er sich seinen Tod gewünscht, als er seine Schuldgefühle nicht mehr zurückhalten konnte. Doch das war, als er noch jung gewesen war. Heute fühlte er keine Reue mehr. Dazu war er zu lange durch die Finsternis gegangen und hatte Leid und Vernichtung gesät. Manchmal fragte er sich, was nach diesem Leben kam. Ob man gerichtet werden würde. Wenn ja, würde er sicher in die Hölle kommen. Ob man für seine Sünden gerichtet würde, seine Verfehlungen teuer bezahlen müsste. Oder ob man es schon im Leben büßte, wenn man anderen immer nur etwas vorspielte. Er ging zu ihr hin, vergewisserte sich, dass er getroffen hatte. Eigentlich hatte er nichts gegen sie gehabt. Doch er konnte einfach nicht ertragen, dass sie so vertraut zu Shinta gewesen war. Ihn interessierte nichts wirklich, außer, dass er Shinta liebte. Und von ihm geliebt wurde. Auch wenn er dafür etwas tun musste, für das Shinta ihn hassen musste. Er konnte Shinta nicht mit anderen teilen. Am liebsten würde er ihn irgendwo einsperren und, wie ein Drache seine Schätze, bewachen. 三 花よ今咲き誇れ 僕に教えておくれ 今ここに生きる意味を明日がくる理由を Ich frage die aufkeimenden Blumen was der Grund des Lebens ist Warum das Morgen kommt Shinta lag den ganzen Tag nur im Bett und weinte. Seit er Liliths toten Körper gefunden hatte, war er nicht mehr aufgestanden. Egal, wie lange Keith auch versuchte, ihn zu trösten, er hatte einfach nicht die Kraft dazu. Warum sollte er ohne Lilith weiter leben wollen? Jetzt war es schon so weit gekommen, dass Mariah versuchte ihn zu trösten. Die Welt war aus ihern Angeln gehoben durch Liliths Tod, durch Shintas Trauer. Und trotzdem kam nach jeder Nacht ein neuer Morgen. 四 利腕に欲望をもちもう片腕に背徳を隠し 胸の奥に愛を閉ざせば 頭の中で聖者が笑う 空き地に咲く健気な花 降り注ぐ光を奪うビルがそびえ建ち 人々はそのビルに目を輝かせ やがて花は呼吸を止めた 風が只優しく撫でた 風だけが優しく撫でた Mit meinem rechten Arm nehme ich das Verlangen, mit meinem linken Arm verstecke ich die Unmoral Wenn ich die Liebe in meinem Herzen einschließe lacht der Heilige in meinem Kopf laut Eine Blume wächst stark in der Mitte unter weiter wachsendem Schutt auf der Lichtung Gebäude ragen auf, stehlen das Licht Und die Menschen bewundern diese Gebäude Und dann eines Tages atmet die Blume nicht mehr Der Wind streichelt die Blume nur sanft Nur der Wind streichelt die Blume sanft Keith saß jeden Tag an Shintas Bett. Er hätte ihn gern in die Arme genommen. Doch Shinta entzog sich jeder Berührung. Auch weigerte er sich zu essen oder irgendetwas anderes zu tun. Keith erfüllte dieser Anblick mit schweren Schuldgefühlen. Er hatte keine Rücksicht auf den genommen, den er wirklich begehrte. Doch er versuchte, sich diese Verfehlung von Shinta nicht anmerken zu lassen. Wenn Shinta es je erfahren würde, dann musste er Keith einfach hassen. Stunde um Stunde saß Keith an Shintas Bett. Auch er tat fast nichts außer Shinta zu betrachten, ohne ihn jemals berühren zu können. Er wusste, dass er auf keinen Fall seinen Gefühlen nachgeben durfte. Er musste es machen wie immer. Einfach alles unterdrücken. Keine Rücksicht auf sich selbst nehmen, immer nur seine Pflicht erfüllen, funktionieren. Bis man daran zerbricht. Oder endlich Erlösung findet. Wenn Shinta eingeschlafen war, strich Keith ihm manchmal sanft mit seinem Handrücken über die Wange. Vielleicht wäre Shinta seine Erlösung gewesen. Doch nun war es unmöglich. Zwischen den Trümmern der vielen Leben, die er zerstört hatte und die er noch zerstören würde, trug er seine Liebe im Herzen, eine zarte, knospende Blume. Sie trotzte diesem lebensfeindlichen Ort. Noch. Doch irgendwann würde sie es nicht mehr können und in der Finsternis ersticken. Nach einer Ewigkeit, wie es schien, stand Shinta doch wieder auf. Keith war gerade nicht da. Shinta ging zum Fenster hinüber und öffnete es. Der Wind fuhr ihm ins Haar. Shinta beugte sich etwas nach vorn, bis der Wind seinen ganzen Körper umgab. Es tat ihm gut, diese sanfte, leere Berührung. Ohne feste Absicht, einfach, weil der Wind wehte. Der Wind, so dachte Shinta, war der Einzige, der ihn je wieder berühren sollte. 五 生きる事其れは何も見えねえ闇の中をさ迷う様な 死ぬ事其れもまた闇で終りは決して始まりでわない だからこそ今闇を照らす閃光になるよう生命燃やせ 輝きを放つんだ生きてる証儚く強く Leben ist wie sich in finsterer Dunkelheit verirrt zu haben Tod ist auch Finsternis, dieses Ende ist kein Anfang Also lass deine Seele brennen und durch das Dunkle leuchten Ein Lebensbeweis, vergänglich doch stark Keith zog ihn sofort vom Fenster weg, als er herein kam. Shinta stieß ihn von sich und verkroch sich wieder im Bett. “Was sollte das?“, keuchte Keith. “Selbstmord ist doch keine Lösung.“ “Ich will mich nicht umbringen…“, grummelte Shinta. “Na ja, es wäre eine Möglichkeit, aber wo, bitte, ist der Unterschied zwischen Tod und Leben? Der Tod ist das Ende von allem, dunkel und leer. Aber das Leben ist auch nicht viel anders. Man lebt doch nur von einem Unglück zum nächsten. Als ob man in ewiger Nacht gefangen ist.“ Er hatte sich von Keith weg gedreht und redete in Richtung der Wand. Keith bebte am ganzen Leib. Wie konnte Shinta nur so etwas sagen? Lilith war tot, doch deswegen seinen Lebenswillen verlieren? Keith hatte das nicht gewollt. Er hatte gehofft, Shinta würde es einfach wegstecken, so, wie er selbst es getan hätte. Hätte er das wirklich? Was, wenn es Shinta gewesen wäre? Hätte er das nicht auch nicht verkraftet? Allein der Gedanke nahm Keith den Atem. Nein, er hätte dann auch keinen Grund zum Leben mehr gehabt. Doch was sollte er nur tun, damit Shinta wieder weiterleben wollte? Was nur…? Keith holte tief Luft. Er hatte eine Entscheidung getroffen. Auch wenn er Shinta dadurch für immer verlieren würde, in diesem Moment schien es ihm die einzige Möglichkeit, Shintas Leben wieder einen Sinn zu geben. Wenn es auch nur ein kurzer Aufschub sein sollte. “Ich war es!“, sagte Keith laut. “Ich habe sie erschossen. Es war ganz einfach. Ein paar Sekunden, ein gezielter Schuss, Ende. Sie hatte nicht einmal bemerkt… Es war so leicht. Ich würde es sogar wieder tun. Jeder Zeit!“ Es war ihm schwer gefallen, Shinta so zu verletzen, doch er legte so viel Kälte wie möglich in seine Stimme wie er nur konnte. “Und du, jämmerlicher Kerl, willst nicht einmal den Mörder finden, sondern liegst nur den ganzen Tag herum und flennst! Toller Freund, der nicht einmal einen Mord rächen will! Du bist gerade so erbärmlich, Shinta!“ Keith versuchte, höhnisch zu lachen. Doch ihm war eher zum Heulen zumute. “Jag mich doch, wenn du jemals die Kraft dazu finden solltest, dich aus dem Bett zu erheben.“ Shinta hatte sich die ganze Zeit, während Keith geredet hatte, nicht gerührt. Er starrte immer noch stumm auf die Wand. Keith warf ihm noch einen letzten Blick zu bevor er ging. Das war ihr letztes friedliches Aufeinandertreffen gewesen, so dachte Keith. 六 花よ今咲き誇れ君が教えてくれた 今ここに生きる意味を明日がくるわけを いつの日か死にゆく僕は 君に何ができるだろう 陽は昇り光を注ぐ永久にこの世界に Ich frage die aufkeimende Blume warum ich lebe Warum der Morgen kommt Was kann ich für dich tun bevor ich sterbe? Die Sonne geht auf und lässt ihr Licht ewig auf diese Welt scheinen Keith war sofort mit Mariah aufgebrochen, nachdem er Shintas Zimmer verlassen hatte. Auch wenn er Shinta helfen wollte, so leicht würde er es ihm nicht machen. Je länger Shinta ihn suchen musste, desto länger hätte Shinta einen Grund zu leben. Was hatte ihn nur dazu gebracht, so etwas zu tun? Weil es das einzige war, das er tun konnte, um Shinta zu retten? Sein Leben hatte sich in wenigen Minuten so grundlegend geändert, doch die Welt drehte sich weiter. Jeden Morgen würde die Sonne auch weiterhin aufgehen, wie seit Ewigkeiten und wie bis in alle Ewigkeit. 付芳芳 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)