Wolfswege von Scarla ================================================================================ Kapitel 4: Die glücklose Zauberin --------------------------------- Es dauerte nicht lange, da war Nea Lugh Akhtar schon ans Herz gewachsen. Das war wahrlich nicht schwer, denn sie war ein aufgeschlossenes, fröhliches Mädchen, das ihn nie zu etwas drängte, was er nicht tun wollte. Sie stellte auch keine Fragen, die zu beantworten er nicht bereit war, aus welchem Grunde auch immer. Er vergalt ihr das, indem auch er nicht fragte, wenn sie nicht von allein darüber sprechen mochte. Und so zogen sie gemeinsam im stillen Einverständnis über das Land, immer bei Nacht im Licht der Sterne und des Mondes. Das fand der Wolf seltsam, denn niemand reiste bei Nacht, ohne dass es unbedingt sein musste, doch Nea tat es ausschließlich und er begleitete sie. Er fragte nicht, aber er wunderte sich. Nea jedoch machte keine Anstalten, es ihm zu erklären, egal wie fragend seine Blicke und wie offensichtlich seine Andeutungen auch waren. Zudem blieben sie nie länger als einen Tag in einer Stadt, sie verschliefen den Tag und reisten meist abends schon wieder weiter. Auch hier war noch eine seltsame Angewohnheit, die Lugh Akhtar schon nach kurzer Zeit aufgefallen war. Sie ging jeden Abend für ziemlich genau zwei Stunden alleine fort. Sie bat ihn jeden Abend, auf ihre Sachen acht zu geben und kam dann zwei Stunden später wieder. Danach gingen sie meist gemeinsam über die Märkte, kauften Gegenstände, die sie für die Reise benötigten, und einmal auch ein neues Halsband aus geflochtenem Leder für Lugh Akhtar. Wohin sie jedoch alleine ging, das erzählte Nea nicht und er selbst fand es nicht heraus, so aufmerksam er auch beobachtete. Eines Abends dann bat er sie, mitkommen zu dürfen. »Nein, bleib du hier, mein Wolf«, antwortete sie lachend. »Aber wieso? Ich möchte sehen, was du Abend für Abend alleine tust«, bat er und schaute sie aus großen Augen an. Den Hundeblick hatte er sehr schnell drauf gehabt. »Ich möchte nicht, dass du mit mir kommst. Ich habe meine Gründe dafür, frag bitte nicht weiter«, antwortete sie und schnitt eine Grimasse. »Stör ich dich etwa? Bin ich dir hinderlich, weil ich nicht jeden Weg laufen kann?«, fragte er ins Blaue hinein. »Nein, so etwas ist es nicht«, lachte sie. »Dann sag es mir doch, dann nimm mich mit! Ich werde dich danach auch nicht wieder nerven«, sagte er. »Das glaube ich dir sogar, aber ich kann einfach nicht, versteh das doch bitte«, erklärte sie. »Dann nenn mir zumindest einen Grund«, bohrte er unbeirrt weiter. »Lugh Akhtar, du bist sturer als ein Esel, weißt du das eigentlich?«, schimpfte sie lachend. »Ja. Und jetzt red schon«, forderte er. Nea seufzte tief, dann schüttelte sie sacht den Kopf. »Wenn ich dich mitkommen ließe, würdest du mich ja doch nur auslachen. Und Spott von Fremden bin ich gewohnt, Spott von Freunden will ich nicht gewohnt sein«, antwortete sie ernst. »Warum sollte ich lachen?«, fragte der weiße Wolf verwundert. »Ich habe nicht vergessen, wie abfällig du gesprochen hast, als es um sein oder nicht sein von Zauberern ging«, bemerkte sie und schaute ihn traurig lächelnd an. »Daraus dreh mir bitte keinen Strick. Du weißt genau, dass ich keine Ahnung habe, warum ich manches sage, und auch nicht, in welchem Ton. Ich habe keinen Grund, über dich zu spotten, und lachen würde ich niemals über dich«, antwortete Lugh Akhtar und wirkte enttäuscht. Nea schaute ihn eine Weile undeutbar an, dann seufzte sie. »Ich möchte nicht, dass du das siehst. Jetzt im Moment wäre es dir vielleicht egal, aber solltest du dich jemals erinnern, würdest du über mich lachen, und das könnte ich nicht ertragen. Ich gehe jetzt, stell bitte keinen Unsinn an«, ermahnte sie ihn, stand auf und ging, ohne ihn noch einmal an zu blicken. Lugh Akhtar blickte für eine kurze Zeit die Tür an, dann schüttelte er sich unwillig und ging langsam zum Fenster. Er brauchte sich nicht auf die Fensterbank legen, um hinaus zu blicken, er stand da und schaute, wie Nea durch die Straßen lief und in die erste Seitengasse abbog. Doch er wäre nicht er gewesen, wenn er sich durch ihre Worte hätte beirren lassen. Er wartete einen Moment, dann versuchte er mit der Schnauze das Fenster aufzudrücken, musste jedoch feststellen, dass er sich so lediglich eine blutige Nase holen würde. Er überlegte jedoch nicht lange, lief stattdessen zur Tür. Ohne sonderliche Anstrengung drückte er die Klinke mit seinen Pfoten hinab und lief, als wäre es das selbstverständlichste der Welt, den Gang hinab in die Schankstube. Hier wurde er zwar mit dem einen oder anderen verwirrten Blick bedacht, doch keiner versuchte ihn aufzuhalten und so lief er durch die Tür hinaus. Es war einfach, Nea zu folgen, denn es war für Lugh Akhtar ein wenig so, als wäre ihr Geruch mit hellen Neonfarben auf die Straße gemalt worden. Er verließ sich komplett auf seine Nase und schon nach kurzer Zeit hätte er sie eingeholt, hätte er es denn gewollt. Er folgte ihr langsam und unauffällig durch die dreckigen Gassen der Stadt. Irgendwann blieb sie dann stehen und schaute in ihren Beutel. Lugh Akhtar wusste, dass er nichts weiter als Karten, einigen bunten Tüchern und sonstigen Taschenspielereien enthielt. In ihn schaute sie kurz rein, dann seufzte sie, zauberte ein komplett falsches und dennoch sehr echt wirkendes Lächeln auf ihre Lippen, und trat auf den Marktplatz hinaus. Er brauchte nicht schauen, was sie nun weiter tat, er wusste es, bevor sie mit lauter Stimme die Leute dazu aufforderte, näher zu treten und ihre gar unglaublichen Zaubertricks zu bestaunen. Sie hatte recht gehabt. Wenn er den wirklichen Zauberern wirklich nahe stand, dann hätte er jetzt über sie gelacht und sie verspottet, denn diese lachten über jene Zauberer, wie Nea einer war. Doch er konnte sich nicht erinnern und so empfand er lediglich ein tief empfundenes Mitleid mit dem Mädchen. Sie war eine wirkliche Zauberin, das bewies die Kunstfertigkeit und die Ungewöhnlichkeit ihrer Tricks, die um einiges besser waren, als die des fahrenden Volkes, aber sie hatte ihre wirkliche Macht nicht finden können und musste sich nun mit besseren Jahrmarkttricks über Wasser halten. Er hatte bisher nicht geglaubt, dass sie wirklich damit ihr Geld verdiente, denn daran, dass sie eine wirkliche Zauberin war, daran hatte er keine Sekunde gezweifelt. Er schaute ihr noch einige Momente lang zu, dann drehte er sich um und ging. Er konnte es sich nicht länger anschauen. Er würde ihr nicht sagen, was er gesehen hatte und er würde auch nicht wieder fragen, ob er sie begleiten dürfe, aber er würde es nicht vergessen. Beim Wirtshaus angekommen huschte er schnell hinein, als irgendjemand die Tür öffnete, um das Gebäude zu verlassen. Er ging nicht sofort nach oben, stattdessen bettelte er den Wirt nach ein wenig Wurst und Fleischresten an. Die bekam er immer, egal in welcher Stadt sie waren. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er vermutet, dass seine Augen auf fremde Menschen regelrecht hypnotisch wirkten, doch das konnte nicht sein. Sonst hätten auch die anderen Menschen ähnlich reagieren müssen, hatte bisher jedoch keiner. Er argwöhnte ja, dass Nea da ihre Hände im Spiel hatte, beweisen konnte er jedoch nichts, und es war ihm auch egal. Er bekam etwas in den Bauch, auch wenn sie nicht da war, das allein war wichtig. Satt legte er sich dann unter einen Tisch und wartete auf das Mädchen. »Ich bin wieder da, mein Wolf«, flüsterte sie ihm zu, als sie wieder da war. Er schaute sie dösig an, nickte und stand auf, um ihr ins Zimmer hinauf zu folgen. Dabei bewunderte er sie, denn obwohl sie der Spott ihrer Zunft war, und kein leichtes Leben führte, konnte sie dennoch lachen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)