Wolfswege von Scarla ================================================================================ Kapitel 14: Neas Geschichte --------------------------- Nea und Lugh Akhtar setzten sich ein wenig außerhalb der Stadt zu Boden. Eine ganze Weile blieben sie still, dann seufzte das Mädchen. »Tariq wird sich wundern, wo wir bleiben«, bemerkte sie. »Tariq ist jetzt egal, Nea«, antwortete er und legte seinen Kopf in ihren Schoß. Sie seufzte abermals, dann nickte sie. »Tut mir leid, ich spreche nicht gerne über mich. Aber nun gut. Ich stamme aus Altena. Meine Eltern waren beide Zauberer, mein Vater war Nikolais Stellvertreter, meine Mutter war aus der Jarek-Familie. Weißt du, wer die Jareks sind?« Sie schaute fragend den weißen Wolf an. »Ja. Es gibt keine Familie die so viele so mächtige Zauberer hervorgebracht hat, warum auch immer. Jeder, der ein wenig Ahnung von Zauberei hat, kennt sie«, antwortete er. »Genau diese Familie meine ich. Meine Mutter ist dort nicht einmal irgendeine, sie ist das dreizehnte Kind eines dreizehnten Kindes«, seufzte Nea. Der Wolf hob den Kopf und schaute sie verblüfft an. Er wusste, dass die dreizehn eine magische Zahl war, und das dreizehnte Kind eines dreizehnten Kindes vervielfachte die magische Kraft enorm. »Und du?«, fragte er. »Nun, ich habe zwölf ältere Geschwister«, antwortete sie und lächelte gequält. »Also bist auch du das dreizehnte Kind eines dreizehnten Kindes?« »Und noch dazu in der dreizehnten Generation, ja.« Sie legte sich in den Schnee und schaute traurig zum Himmel auf. »Also müsstest du ebenfalls eine der ganz großen sein. Vielleicht sogar einer der mächtigen Dreizehn«, stellte Lugh Akhtar fest. »Zu den Mächtigen würde ich gewiss nie gehören, aber sonst… Sie haben alle so große Hoffnungen in mich gesetzt, Nikolai selbst wollte mich unterrichten. Ich war sieben, als er damit angefangen hat, und ich war auch wirklich gut, zumindest in der Theorie. Sobald ich jedoch einen wirklichen Zauber wirken sollte, war ich so schlecht... Sie alle waren so enttäuscht und keiner konnte sich einen Reim darauf machen, wieso ich es einfach nicht konnte! Ich müsste besser sein, als jeder andere, aber ich war es nicht. Stattdessen war ein Möchtegern das, was ich sein sollte.« Sie lachte bitter. »Magst du ihn nicht?«, fragte der Wolf. »Ich weiß es nicht. Ich kenne ihn nicht, ich bin ihm nicht einmal begegnet. Ich glaube aber nicht«, antwortete sie, schüttelte den Kopf und fuhr fort: »Das ist aber jetzt auch egal. Die Jahre vergingen und es änderte sich nichts, ich wurde nicht besser. Meine Eltern waren nur noch enttäuscht von mir, obwohl Nikolai immer und immer wieder sagte, dass ich nichts dafür könne. Er stand auf meiner Seite, aber das war meinen Eltern egal. Sie zogen fort aus Altena, ich weiß ehrlich gesagt nicht, wohin. Sie waren so enttäuscht von mir, dass sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollten. Als ich fünfzehn war, da gab mir Nikolai den Rat, durch die Welt zu ziehen, mir vielleicht einen neuen Lehrer zu suchen. Auch er gab letzten Endes auf, ich...« Sie schüttelte traurig den Kopf. »Du wurdest von jedem allein gelassen«, beendete das weiße Tier den Satz und Nea nickte mit Tränen in den Augen. »Jetzt suchst du jemanden, der dir helfen kann, deine Magie zu finden? Damit deine Eltern stolz auf dich sind?«, mutmaßte er weiter und wieder nickte das Mädchen. Dann war er eine Weile still und wischte ihr mit seinem Fell die Tränen aus den Augen. »Hast du Angst, dass ich dich auch alleine lasse? Wenn ich wieder weiß, wer ich bin?«, fragte er dann. »I-ich weiß nicht. Ich... glaube schon.« Sie zog die Beine an und vergrub ihr Gesicht darin. »Das brauchst du nicht, Nea«, sagte er sanft und schmiegte sich an sie. »Aber wenn du erst wieder ein Mensch bist, dann brauchst du mich nicht mehr. Und auch jetzt bist du doch viel lieber mit Tariq zusammen, als mit mir«, antwortete sie bitter. »Glaubst du das wirklich? Meinst du, dann wäre ich hier?«, fragte er und versenkte seine Schnauze in der Kuhle zischen ihren Beinen und ihrem Bauch. »Ich weiß, wie es ist, allein gelassen zu werden. Ich lass dich nicht allein, auch dann nicht, wenn ich wieder ein Mensch sein werde. Und zwischen Tariq und mir ist das so eine Sache. Ich habe das Gefühl, ihn aus meinem früheren Leben zu kennen, und dass ich ihn auch dort schon mochte, dass er mich aus meinem langweiligen Alltag gerissen hat. Aber du warst es, die mir geholfen hat, als ich Hilfe brauchte, Nea. Und das vergesse ich nicht. Ich bin gerne mit ihm befreundet, ich mag ihn, aber mit dir ist es etwas anderes«, versuchte er zu erklären. Zögernd schaute sie ihn an. Es schien so, als wollte sie etwas sagen, doch bevor sie es tat, sprang sie auf. »Wir sollten zurückgehen, Tariq wartet bestimmt«, erklärte sie und versuchte zu lächeln. »Dann lass uns gehen«, antwortete er. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)