Erstens kommt es anders... von Ryoko-chan (Ais Gedanken) ================================================================================ Kapitel 1: ...und zweitens als man denkt. ----------------------------------------- Ich blickte zu ihm rüber. Er war völlig in den Krimi vertieft, welchen er seit Beginn der Stunde heimlich, unter der Schulbank las. Conans Augen glitten hektisch über den Text, schienen die Wörter in sich aufzusaugen. Wie kann man nur so gierig nach der Wahrheit sein? , fragte ich mich. Was war es für ein Gefühl, ständig der Gefahr hinterher zu rennen und irgendwelche Täter zu überführen? Konnte das einen Menschen so sehr ausfüllen? Ich schrieb den Text von der Tafel ab und versuchte eine möglichst kindliche Schrift zu imitieren. Wie mir dieser Unterricht zum Hals raushing. Ich stutzte. Andererseits, hätte es auch alles anders laufen kann. Ganz anders. Shinichi Kudo wäre erst gar nicht zu Conan Edogawa geworden, hätte das APTX 4869 seine Wirkung nicht verfehlt. Es wären Schlagzeigen gewesen, die eingeschlagen wären wie eine Bombe. Schülerdetektiv Shinichi Kudo tot aufgefunden. Todesursache unklar. Die Ermittlungen laufen. Ja, so wäre alles richtig verlaufen. Richtig? Konnte man in diesem Fall wirklich von richtig und falsch sprechen? „Hab ich was im Gesicht, oder warum starrst du mich so an?“, fragte Conan flüsternd. Er sah sichtlich irritiert aus. „Hör auf zu schwätzen, Conan! Beim nächsten Mal gehst du vor die Tür! “ Unsere Lehrerin warf ihm noch einen drohenden Blick zu und wandte sich wieder zur Tafel . Ich sah weg, zum Fenster hinaus. Hätte das Gift gewirkt, würde ich nicht mit geschrumpften Körper in einem Grundschulklassenzimmer sitzen. Nein, ich wäre ebenfalls tot. Wäre es nicht sogar besser gewesen? Was hatte ich damals noch zu verlieren, ganz allein auf dieser Welt. Ohne Eltern, ohne Schwester. Und die Organisation hätte mir ohnehin keinen Halt gegeben. War ich doch für alle nur ein Mittel zum Zweck. Der Ausstieg aus diesem Verein stand damals für mich fest. Hätte ich mich danach nicht ohnehin getötet? Nein. Sterben wollte ich nicht. Jedenfalls, nicht wirklich. Zumindest wollte ich nicht durch die Hand von Gin oder Wodka sterben, das wusste ich. Das war der Grund für mich gewesen, die vermeintlich tödliche Kapsel zu schlucken. Doch hätte ich es auch getan, wenn ich nicht an einem Heizungsrohr gefesselt gewesen wäre? Hätte ich APTX 4869 trotzdem für einen Selbstmord angewandt? Ich fragte mich, ob ich in der Lage dazu gewesen wäre. Ich dürfte nicht hier sitzen und alle um mich herum in Gefahr bringen, dachte ich mit wachsender Verzweiflung. Doch ich tat es. War es Egoismus? Ich mochte die Gesellschaft von den Kindern, von Professor Agasa. Ja, besonders von dem Jungen neben mir. Shinichi Kudo. Ein großes Herz, überragende Intelligenz, wahnsinniger Gerechtigkeitssinn und doch ein Idiot. Wieso dachte er, dass er es wirklich mit der Organisation aufnehmen konnte? Ich wusste nicht, ob es Mut oder naiver Leichtsinn war. Und was mich vor allem verrückt machte: Ich bewunderte ihn!? Ich rieb mir hektisch die Stirn. Plötzlich drehten sich die Gedanken in meinem Kopf, wirbelten die sorgfältig aufgewickelten und gut verstauten Fäden durcheinander. Warum hatte er mich damals aus diesem Bus gerettet? War es sein fanatischer Drang ständig Menschenleben zu retten oder war es doch mehr als das. Und vor allem, was war mit mir? Was war mit meinen Gefühlen? In den letzten Wochen wuchs etwas in mir. Eine Art Zuneigung, ja.. sogar Verliebtheit empfand ich gegenüber dem Meisterdetektiv. Ich spürte, wie sich meine Wangen verfärbten und beugte den Kopf etwas. Anfangs war es spannend gewesen ihn zu beobachten. Ich versuchte mehr über die Wirkung des Giftes herauszufinden. Ich musste herausfinden, warum sich gerade bei uns das Gift so ganz anders verhielt. Er war sehr interessant, wie eine Laborratte, die sich anders verhielt, wie alle anderen Ratten. Es war doch recht nützlich, ein menschliches Versuchskaninchen zu haben. Und doch, gab es da bald etwas viel interessanteres als das Versuchskaninchen. Da gab es noch den Menschen; Shinichi Kudo. Und dieser faszinierte mich noch mehr als das Gift, das musste ich zu meiner Schande eingestehen. Ich mochte ihn und ich mochte die Anderen um mich herum. Reichte dies aus, um ein normales Leben zu riskieren? Sich nicht ständig verstecken und Angst haben zu müssen? Es klingelte zur Pause und ich schreckte auf. „Sag mal, was ist denn heute mit dir los?“ Conan sah mich mit runzelnder Stirn an und auch die Kinder standen besorgt um mich herum. Vor allem wegzulaufen, brachte nichts. Dies hatte mir die kleine Ayumi vor gar nicht all zu langer Zeit beigebracht. Warum sollte ich es nicht wagen, nach meinem Glück zu suchen, das Schicksal herauszufordern!? Egal, wie viel Zeit mir blieb, ich wollte sie noch genießen. Das Schicksal war wandelbar. Und ich war neugierig darauf, wohin sich mein Schicksal entwickeln würde. Ich lächelte und packte mein Heft ein. „Nichts. Der Unterricht war nur langweilig. Wie immer..“ Die Kinder grinsten. „Ja, da hast du Recht!“, stimmte mir Mizuhiko zu. Conan sah mich skeptisch und verblüfft zugleich an. Doch ich erwiderte nichts. Vielleicht würde sich sein Schicksal irgendwann noch fester mit meinem eigenen verknüpfen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)